Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Der Kollege Hans Georg Wagner feiert heute seinen
65. Geburtstag. Ich gratuliere ihm im Namen des Hauses
und wünsche alles Gute.
Wir setzen die Haushaltsberatungen – Punkt I – fort:
a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2004
– Drucksachen 15/1500, 15/1670 –
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haus-
haltsausschusses zu der Unterrich-
tung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2003 bis 2007
– Drucksachen 15/1501, 15/1670, 15/1924 –
Ich rufe dazu Punkt I. 8 auf:
Einzelplan 04
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Redet
Bundeskanzler und Bundeskanzleramt
– Drucksachen 15/1904, 15/1921 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Bernhard Kaster
Steffen Kampeter
Gerhard Rübenkönig
Petra-Evelyne Merkel
Alexander Bonde
Anja Hajduk
Dr. Günter Rexrodt
Jürgen Koppelin
Es liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten
Dr. Gesine Lötzsch und Petra Pau vor. Außer
Entschließungsantrag der Fraktion der FDP
digt, über den am Freitag nach der Schlussa
abgestimmt werden soll.
– Ich bedanke mich für den Beifall von allen Seiten desHauses. Das, was ich gesagt habe, gilt selbstverständlichauch für alle Seiten.Ich meine, dass die freien Völker mit Einigkeit,Standfestigkeit und notfalls auch mit militärischen Mit-teln für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte ein-treten müssen, um den Terrorismus zu bekämpfen.Meine Fraktion hat nie einen Zweifel an der Entschlos-senheit gelassen, alle Machtmittel des Staates zumSchutz seiner Bürger einzusetzen. Die Soldaten unsererBundeswehr leisten ausgezeichnete Arbeit in Afghanis-azedonien, im Kosovo und an vielen an- der Welt. Unsere Soldaten werden beikhalt für ihre schwere Arbeit finden. Daser CDU/CSU.dem ist ein angekün-bstimmungtan, Bosnien, Mderen Stellen inuns immer Rücist die Politik d
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6702 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Michael GlosWir haben uns unserer Verantwortung als Oppositionimmer gestellt. Wir haben allen Einsätzen zugestimmt,die die Sicherheit unseres Landes erfordert hat, obwohlwir manchmal zu spät, halb oder nicht richtig informiertworden sind. Ich meine, dass wir auch in Zukunft unsereSicherheitsdienste stärken müssen. Das gilt insbesonderefür die Nachrichtendienste, die wir oft vor ungerecht-fertigten Angriffen von Rot-Grün in Schutz nehmenmussten.
– Aber sicher! Ich kann gerne aufzählen, was Sie undIhre Vorgänger alles gemacht haben. Teilweise sind hierja Damen und Herren anwesend, die die Entwicklungder Bundesrepublik Deutschland nicht so genau kennen.
An dieser Stelle sei auch der Hinweis erlaubt, dassman sehr genau darüber nachdenken sollte, ob man aus-gerechnet in dieser schwierigen Zeit den Bundesnach-richtendienst mit einem überflüssigen Umzug befasst;denn er hat eigentlich etwas ganz anderes zu tun.
Ich meine auch, dass die Zusammenarbeit mit unserentürkischen Freunden in Sicherheitsfragen vertieft werdenmuss. Die Türkei leistet in der NATO einen herausra-genden Beitrag zu unserer Sicherheit.In New York, Djerba, Bali, Bagdad, Riad und vielenanderen Orten auf dem Globus hat der Terror blutigeSpuren hinterlassen. Unter den Opfern sind Menschenaller Nationen, auch Deutsche. Terroristen töten ohnejegliche Logik. Richtig ist: Deutschland und dieEuropäische Union sind vom al-Qaida-Terror bisher ver-schont geblieben; aber nur ein Narr glaubt, das müsseautomatisch für alle Zeiten so bleiben.Stefan Kornelius schreibt in der „Süddeutschen Zei-tung“:Wer Terrorismus und EU-Mitgliedschaft der Türkeimutwillig vermischt, läuft in die Populismus-Falle.
– Ich meine durchaus auch den Herrn Schily.
– Sie müssen die Äußerungen beider Seiten berücksich-tigen. – Die Solidarität im Kampf gegen den Terror unddie künftigen Grenzen der Europäischen Union habenüberhaupt nichts miteinander zu tun.
Damit auch das ganz klar ist – an unserer grundsätzli-hen Position will ich hier keinen Zweifel lassen –: Eineollmitgliedschaft der Türkei mit voller Freizügigkeitberfordert die Integrationskraft der Europäischennion und insbesondere Deutschlands.Wir sollten diese Fragen vorurteilsfrei
nd vor allen Dingen unaufgeregt diskutieren. Dazu ladech Sie ein.
azu wird es auch im nächsten Jahr sehr viel Gelegen-eit geben. Wir müssen solche Fragen losgelöst von sourchtbaren Bildern wie denen aus Istanbul diskutieren.
Ich bin der Meinung, dass wir uns auf dem richtigeneg, der Europa in die Zukunft führt, grundsätzlichicht beirren lassen dürfen. Wir werden selbstverständ-ich auch die Zukunftsfragen Europas im nächsten Jahriskutieren. Das sind wir den Wählerinnen und Wählern,nsbesondere vor einer Wahl zum Europäischen Parla-ent, schuldig. Wer die Zukunft Europas sichern will,er muss die Menschen auf dem Weg mitnehmen undarf sie nicht überfordern. Wir wollen und brauchen einirtschaftlich starkes Europa, dessen Stimme in der Weltewicht hat.Dieses Europa kann aber nicht ohne ein starkeseutschland in seiner Mitte auskommen.
or allen Dingen brauchen wir ein wirtschaftlich starkeseutschland. Die rot-grüne Politik hat Deutschland undamit Europa nachhaltig geschwächt. Herr Bundeskanz-er, sehen Sie sich heute einmal das verheerende Echo inllen führenden Wirtschaftszeitungen – ich brauche sieicht aufzuzählen – an! Allein die Überschriften sind fürie ein Desaster und zeigen, wie falsch der Weg ist, dietabilität unserer Gemeinschaftswährung einfach so aufspiel zu setzen, wie es Herr Eichel getan hat.
Es ist eine Tragödie – auf Deutsch: ein Trauerspiel –,ass Deutschland nicht mehr der Anker der Stabilität inuropa ist, sondern heute als Haushaltssünder auf dernklagebank sitzen muss.
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Michael GlosDeutschland wird im kommenden Jahr zum dritten Malin Folge den europäischen Stabilitätspakt verletzen.Wider besseres Wissen hat Hans Eichel immer wiederbewusst – ich drücke es vorsichtig aus – geschönte Zah-len nach Europa gemeldet. Das ist eine Schande für un-ser Land, weil gerade Deutschland immer der Stabilitäts-anker gewesen ist.
Deutschland war immer ein Land, das anderen Ländernein gutes Beispiel gegeben hat, wenn es um Stabilitätund Solidität ging.Das Aufgeben der Stabilitätskultur der Gemein-schaftswährung ist eine Verhöhnung des Erbes der Deut-schen Mark. Es ist ein ungeheurer Vertrauensbruch auchgegenüber allen Befürwortern der damals schwierigenEntscheidung. Ich weiß noch, wie schwierig es war, dereuropäischen Währungsunion zuzustimmen, insbeson-dere weil man eine Währung wie die Deutsche Mark,nicht wie die Lira, in der Hand hatte.
– Herr Poß, ich würde gern mehr Zwischenrufe aufgrei-fen; aber es besteht immer die Schwierigkeit: Der Fern-sehzuschauer hört nicht, was Sie rufen, grölen oder wasauch immer.
– Ich wiederhole das: Es war schwierig für die CSU. –Es war für uns natürlich nicht leicht, weil wir sehr vieleMenschen vertreten, die gespart haben, die vorgesorgthaben, die das getan haben, was heute endlich gefordertwird, nämlich private Lebens- und Rentenversiche-rungen abgeschlossen haben. Die fragen sich natürlich:Was wird aus dem Geld? Wird es von der Inflation auf-gefressen?
– Herr Präsident, die Zwischenrufe von der Regierungs-bank gehen schon wieder los.
Herr Bundesaußenminister,
gehen Sie auf Ihren Abgeordnetenplatz, auf den Sie ge-hören. Von dort aus können Sie rufen, was Sie wollen.
Ich meine jedenfalls, dass wir das Stabilitätserbe vonHelmut Kohl und Theo Waigel nicht verspielen dürfen.Diejenigen, die eine solche Politik betreiben, höhlen dasVertragswerk von Maastricht vorsätzlich aus. Die großeGbIgdHHbupwbnsddtädswzdnvimimRnsh–zserhlaSdPgiss
Wer mutwillig Fundamente zerstört, der bringt einaus in Einsturzgefahr. Es ist sehr bezeichnend, dasserr Trichet den Vorstand der Europäischen Zentral-ank sofort zu einer Sondersitzung einberufen musste,m die neue Lage zu diskutieren.Jetzt möchte ich doch noch einmal kurz auf den euro-äischen Verfassungsvertrag zu sprechen kommen, denir hier schon in verschiedenen Facetten diskutiert ha-en; es gibt aber auch Punkte, die hier noch nicht ge-annt worden sind, in denen er nach meiner Auffassungehr ergänzungsbedürftig ist. Dabei geht es vor allem umie Gewährleistung der Stabilität unserer Währung. Aufie Dauer kann die Europäische Zentralbank die Stabili-t des Euro nur garantieren, wenn sie von den Länderner Eurozone durch eine solide Haushaltspolitik unter-tützt wird.Sie, Herr Eichel, behaupten, mit dem Verzicht aufeitere Konsolidierungsmaßnahmen trage Deutschlandur Stärkung der Konjunktur und zum Aufschwung iner Europäischen Union bei. Diese Behauptung ist leidericht richtig. Bei einem Defizit des Bundeshaushaltson, wie wir gestern gehört haben, 43,4 Milliarden Euro laufenden Jahr und von geplanten 30 Milliarden Euro kommenden Jahr – auch diese Zahlen werden zuecht bestritten – wäre es absurd, von restriktiver Fi-anzpolitik zu sprechen. Es ist nicht so, dass alle Genos-en das nicht verstehen, Herr Eichel. Es gibt durchausessische Genossen, die das verstehen. Herr Weltekeich glaube, er war bei Ihnen sogar Finanzminister – hatu Recht betont: Konsolidierung und Wachstum stehenich nicht im Weg. Im Gegenteil – das beweist uns dasuropäische Beispiel –: Die Länder der Eurozone, dieechtzeitig ihre haushaltspolitischen Aufgaben gemachtaben, stehen heute wirtschaftlich besser da als Deutsch-and.
Wir können uns nicht mit der Münchhausen-Methodeus dem Sumpf ziehen. Es geht nicht, mit immer neuenchulden alte Schulden zu bekämpfen und zu erklären,ass man zur Konsolidierung zurück will. Ich zitiererofessor Wiegard, den Vorsitzenden des Sachverständi-enrats, der von der Bundesregierung berufen wordent:Das Einzige, was eine höhere Nettokreditaufnahmeerreichen kann, ist ein leichter, kurzfristiger Impulsfür die Konjunktur. Die langfristigen Wirkungen fürdas Wachstum sind dagegen negativ.Gegenwärtig profitiert der Eurokurs von einemchwachen Dollar. Der schwache Dollar hat vielfältige
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6704 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Michael GlosUrsachen. Aber das mit der Schwäche kann sich morgenschon wieder ändern. Uns drohen dann Inflationsgefah-ren und zunächst vor allem steigende Zinsen. Bei einemSchuldenstand der öffentlichen Haushalte von1 300 Milliarden Euro bedeutet jeder Prozentpunkt Zin-serhöhung eine zusätzliche Haushaltsbelastung von13 Milliarden Euro. Für diese Summe – nur, um das ein-mal vor Augen zu führen – könnte man 600 000 Mittel-klassewagen oder 50 000 Einfamilienhäuser kaufen.Letztendlich bedeutet das ja immer auch eine Wande-rung der Kaufkraft hin zu den Kapitalbesitzern, egal obsie im In- oder Ausland sind. Deswegen ist Konsolidie-rungspolitik auch soziale Politik.
Ich meine, dass die bewusste Verletzung des Stabili-tätspaktes erheblichen politischen Zündstoff in sichbirgt: Die kleineren Euroländer fühlen sich über denTisch gezogen.
Ihre eigenen Sparanstrengungen – diese fallen ja keinemLand leicht – werden damit ein Stück weit konterkariert.Die Beitrittsländer werden über kurz oder lang aus demdeutschen Vorgehen einen Persilschein für eine eigeneSchuldenpolitik ableiten.Als die EU im Vorfeld des Irakkonfliktes – wir erin-nern uns gut – vor dem Auseinanderbrechen stand, warder Euro das letzte Bindemittel, das die EuropäischeUnion noch zusammengehalten hat. Nun legen Sie dieAxt an die Wurzeln des Euro an. Dafür werden wir überkurz oder lang eine teure Zeche bezahlen müssen.
Kollege Glos, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Kuhn?
Gibt es den Herrn Kuhn denn hier? – Ah ja, da ist er.
Ich habe das jetzt nicht vermutet, weil sich die Grünen
eigentlich nie regen.
Herr Kollege Glos, ich habe folgende Frage, nachdem
– Herr Kauder! – wir Ihnen jetzt schon eine ganze Weile
zugehört haben und von Ihnen hören mussten, dass die
Politik der Bundesregierung in Bezug auf den Stabili-
tätspakt nicht seriös sei: Wie erklären Sie es sich nun,
dass Sie im Haushaltsausschuss keinen einzigen Antrag
bezüglich Deckungsmöglichkeiten, um den Haushalt
auszugleichen, gestellt und keinen einzigen Vorschlag
gemacht haben, wie 6 Milliarden Euro zusätzlich bewäl-
tigt werden sollen? Jetzt stellen Sie sich hier hin und sa-
gen, unsere Politik sei unseriös. Meine Frage an Sie: Ist
es nicht eher Maulheldentum, wenn man so wie Sie die
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Herr Kuhn, Ihre erste Feststellung, dass Sie mir schon5 Minuten zuhören, begrüße ich nachdrücklich. Das hats das letzte Mal nicht gegeben;
as ist irgendwie neu. Sonst wurde nämlich nur gestört.Nun zu der Frage, wie wir uns bei den Haushaltsbera-ungen verhalten haben. Ich war beinahe zehn Jahre imaushaltsausschuss. Da hatte ich meine politischenehr- und Wanderjahre. Man konnte immer nur einen se-iös vorgelegten Haushalt beraten, also einen, bei demie Grundlagen gestimmt haben.
chon die Grundannahmen dieses Haushaltes, den manem Haushaltsausschuss und dem Parlament zumutet,timmen nicht. Vor allen Dingen stimmen auch die Ein-elposten nicht.
s wurden sehr viele Dinge angesetzt, über die die Bun-esregierung und die sie tragenden Parteien überhaupticht selbst verfügen können. Hierfür muss erst einmaline Mehrheit gefunden bzw. das Ergebnis des Vermitt-ungsausschusses abgewartet werden.
as macht es dann also für einen Sinn, Anträge bezüg-ich kleinerer Posten zu stellen? Das sollten Sie wissen.
Ich komme zurück zu Europa: Schon jetzt beklagenich viele kleine EU-Staaten über das rücksichtslose Do-inanzstreben der Achse Berlin–Paris. Wie man sich ge-en die Kommission durchgesetzt hat, die Hüterin dererträge ist, war schlimm. Das wird eine verheerendeirkung auf Europa haben. Wer das nicht glaubt, hätteich gestern einmal das Gesicht von Solbes ansehen sol-en. Europa kann nur gedeihen – da bin ich mir ganz si-her; denn auch das ist etwas, was ich von Helmut Kohlelernt habe –,
enn es von Ausgleich und Kompromiss geprägt ist.er glaubt, zwei bis drei führende Staaten könnten an-ere zu Statisten degradieren, der zerstört Europa undird Schiffbruch erleiden.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6705
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Michael GlosIch sehe Mängel – damit komme ich zurück zu mei-nen Forderungen in Bezug auf den Verfassungsvertrag –auch bei der Stabilitätspolitik. Preisstabilität wird nichtmehr als Ziel der Europäischen Union genannt. Die Eu-ropäische Zentralbank wird zu einem x-beliebigen Or-gan herabgestuft. Der Konvent hat ja die Anregungender Europäischen Zentralbank nicht gewürdigt, indem ersie einfach nicht aufgenommen hat. Das bleibt eine Tat-sache.Der verfehlte Kompromiss zum Stabilitätspakt er-schwert die Zustimmung zum EU-Verfassungsvertrag,die zu erzielen eh noch schwierig genug wird. Auch da-rauf möchte ich Sie in aller Ruhe aufmerksam machen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine solcheAussprache wie heute ist natürlich auch eine General-aussprache über die Politik des Bundeskanzlers und sei-ner Regierung. Herr Bundeskanzler Gerhard Schröder,die Menschen in Deutschland haben wenig Anlass, Ih-nen und Ihrer Regierung zu vertrauen, genauso wenigwie die Partner in Europa.
Der so genannte Lügenausschuss hat die Fakten do-kumentiert.
– Bitte hören Sie es sich doch in Ruhe an! Ich weiß: Esist für Sie schwer zu ertragen; aber das sind doch die Er-gebnisse Ihrer Politik.Vor allen Dingen, meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen Parlamentarier: Sie haben das alles zuge-deckt
und sind bereit, Regierungsfehlhandeln weiterhin zuzu-decken. Das ist eigentlich nicht die Rolle eines selbstbe-wussten Parlaments und selbstbewusster Parlamentarier.
Bundesminister Eichel hat bis zur Wahl 2002 die de-solate Situation des Haushalts anders dargestellt, als sietatsächlich war.
Er hat falsche Zahlen bezüglich der Einhaltung desMaastricht-Kriteriums gemeldet. Ulla Schmidt hat vordem Wahltag behauptet, sie erwarte für 2002 ein ausge-glichenes Ergebnis der gesetzlichen Krankenversiche-rung und für 2003 stabile Beiträge.Richtig ist – das hat der Ausschuss erwiesen –: DieExperten der Ministerien haben ihren Chefs die FaktenpwDdEklnvRSaAmSgEWgfnLrLInpdzsDndBbßrewhbn
in Sprichwort besagt, Herr Müntefering: Lügen habenurze Beine.Fünf Jahre nach dem Regierungsantritt hat die Wirk-ichkeit Rot-Grün tatsächlich eingeholt und die von Ih-en verursachte Vertrauenskrise in Deutschland hat sicholl entfaltet.
1998 sind Sie angetreten und haben gegen unsereentenreform Stimmung gemacht. Inzwischen habenie eingesehen, dass Ihr Weg falsch war. 1998 sind Siengetreten und haben gegen die Selbstbeteiligung beirzneimitteln Stimmung gemacht. Inzwischen ist dieseit unserer Hilfe wieder eingeführt worden. 1998 habenie die 630-DM-Jobs als verwerflich bezeichnet und ab-eschafft. Jetzt lassen Sie sich dafür loben, dass die 400-uro-Jobs, die auf unser Drängen eingeführt wurden,irkung am Arbeitsmarkt entfalten.Ihre Wirtschafts- und Sozialpolitik hat sich in einemroßen Kreis gedreht. Das waren fünf verlorene Jahreür Deutschland. Herr Bundeskanzler, durch Ihr Lear-ing by Doing sind Sie sehr teuer!
ernen im Amt – für diejenigen, die das auf Deutsch hö-en wollen – ist eigentlich ein Luxus, den sich unserand nicht leisten kann. Es wächst auch der Zweifel, obhr Lernerfolg wirklich so nachhaltig ist. Ich will jetzticht alle Fehler aufzählen; aber ein paar besonders ein-rägsame werden doch erlaubt sein, auch um zu zeigen,ass Sie wenig dazugelernt haben:Die unendliche Geschichte vom Dosenpfand, dasum Doofenpfand wird, ist ein ganz besonderes Trauer-piel.
abei gehen Zigtausende von Arbeitsplätzen verloren.Das Mautdebakel ist ein weiteres Arbeitsplatz-Ver-ichtungsprogramm. Toll Collect könnte ein Stück ausem Tollhaus sein: 2,8 Milliarden Euro werden bald fürauinvestitionen fehlen. Ausländische LKWs fahren ge-ührenfrei in immer größerer Anzahl auf deutschen Stra-en und Autobahnen. Herr Minister Stolpe, Sie sind da-an nur zum Teil schuldig. Sie haben sich bereit erklärt,in Erbe anzutreten, ohne dass Sie danach gefragt haben,as alles mit diesem Erbe verbunden ist. Es ist ein ver-eerendes Erbe. Herr Bodewig hat das wohl alles einge-rockt. Er ist zum Dank auf dem SPD-Parteitag auchoch in den Vorstand gewählt worden, während andere,
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6706 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Michael Glosdie sich redlich bemüht haben, wie Herr Clement, abge-straft wurden. Es ist immer ganz interessant, was denGenossinnen und Genossen gefällt und was ihnen weni-ger gefällt.
Die Grünen, die einmal das Fliegen für verwerflichgehalten haben, ordern Flugzeuge und beordern sie überden halben Südatlantik und wieder zurück. Die Kostenzahlen sie nicht aus eigener Tasche, sondern die sollmunter der Steuerzahler zahlen, genauso wie dieses Tor-tenessen mit Champagner und anderen edlen Getränken,das 32 000 Euro gekostet hat,
mit dem man feierte, dass man in Stade wieder soundsoviel tausend Arbeitsplätzen den Garaus gemacht hat. Dasalles ist doch ein Stück bezeichnend für Ihre wider-sprüchliche Politik. So kann ein Land nicht vorankom-men.
Ich bin gespannt, wie lange Sie den „Sonnenkönigvon Nürnberg“ noch im Amt behalten. Das wird ja ein-gehend untersucht; erste Opfer hat die Geschichte schongefordert. Ich meine, Herr Bundeskanzler, wenn Sieglaubwürdig bleiben wollen – nur deswegen sage ich dasüberhaupt –, dann muss auch das Handeln Ihrer Mann-schaft glaubwürdiger sein. Die Menschen auf einen Wegdes Sparens mitzunehmen, während man sich gleichzei-tig solche Dinge leistet, das wird Ihnen nicht gelingen.
Herr Bundeskanzler, die Menschen in Deutschlandhaben genug von Ausflüchten und Schönfärberei. Siewollen eine Politik, die dieses Land wieder voranbringt.Darum geht es doch und daran müssen wir alle gemein-sam arbeiten.
Der Weg zu einer besseren Politik beginnt mit einerkonkreten Analyse. Man muss den Menschen die Wahr-heit sagen und ihnen Klarheit geben, ohne Augenzwin-kern.
Nur dann bekommen wir Vertrauen.Wissen Sie, was das beste Konjunkturprogrammwäre? Das beste Konjunkturprogramm hätten wir, wenndie Sparquote, die jetzt bei 10,6 Prozent liegt, nicht wei-ter ansteigen würde. Wenn man 3 Prozent davon in denKonsum geben würde, wären das circa 50 Milliarden.
Ein staatliches Programm in dieser Größenordnungkönnten Sie nie auflegen. Dann ginge es auch wieder einStück aufwärts. Es ist ja ganz schlimm im Inlandskreis-laSduzicgDhBBD62eDsdinkgsdrDsLbüKgCmgleD5lihk
Die öffentlichen Schulden – ich wiederhole die Zahl;h habe sie vorhin in anderem Zusammenhang schonenannt – betragen inzwischen 1 300 Milliarden Euro.as sind 62 Prozent des Bruttosozialproduktes und wiraben immer noch eine sehr steil steigende Tendenz. Derund braucht jeden sechsten Euro im Haushalt für dieedienung der Schulden.
as ist ein Teufelskreis.Die Kosten des sozialen Netzes sind mit rund70 Milliarden Euro genau dreimal so hoch wie vor0 Jahren. Dem steht eine stagnierende Wirtschaft mitiner bedrohlichen Massenarbeitslosigkeit gegenüber.as sind die Fakten in unserem Land. Nichts lässt in ab-ehbarer Zeit die Wachstumsraten erwarten, die erfor-erlich wären, um die Haushalte zu konsolidieren unds Gleichgewicht zu bringen.Aber anstatt den Menschen reinen Wein einzuschen-en, wird wieder Gesundbeterei betrieben. Schon mor-en soll es, wenn man Sie hört, zu einem Konjunkturauf-chwung kommen. Da ist die Rede von der Wende aufem Arbeitsmarkt, da werden Reformen gepriesen, de-en überwiegender Teil noch gar keine Gesetzeskraft hat.
ie Frühindikatoren deuten zwar auf einen leichten Auf-chwung hin; aber die harten Fakten sehen anders aus.esen Sie einmal die Überschrift im heutigen „Handels-latt“. Wenn Sie aufstehen und bereit sind, die Balken-berschrift auf der ersten Seite laut zu verlesen, Herrollege, kann das meinetwegen von meiner Redezeit ab-ehen.
Von einer echten Wende sind wir meilenweit entfernt.reditreform prognostiziert eine wachsende Pleitewelleit über 43 000 Insolvenzen. Die Zahl der Erwerbstäti-en war im dritten Quartal um 480 000 geringer als imtzten Jahr.
as heißt, wir verlieren in jedem Monat 40 000 bis0 000 Arbeitsplätze in Deutschland und diese schreck-che Tendenz geht weiter. Niemand stemmt sich ernst-aft dagegen. Wir verbringen die Zeit damit, über Kin-erlitzchen zu diskutieren, Herr Bundeskanzler.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6707
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Michael Glos– Entschuldigung, aber Sie dürfen doch nicht Ursacheund Wirkung verwechseln. Hören Sie doch auf, Kinker-litzchen zu produzieren, dann müssen wir nicht darüberreden!
Für 2004 wird ein Wachstum von 1,7 Prozent pro-gnostiziert. Allein 0,6 Prozent resultieren schon daraus,dass wir im nächsten Jahr vier oder fünf Feiertage weni-ger haben.Clement sagte zu Recht: Im Kampf gegen die Ar-beitslosigkeit setzt keine Volkswirtschaft so viel Geldein wie wir und keine ist so erfolglos wie wir. WeilClement die Wahrheit sagt, hat er auf dem SPD-Parteitagnur 56 Prozent bei seiner Wahl bekommen.Ohne die starken Zuwächse beim Export wäre unsereWirtschaft noch sehr viel schlechter dran und die Zahlen,die ich präsentiert habe, sähen noch übler aus. Ich wie-derhole: Es gibt eine ungeheure Verunsicherung bei denInvestoren und den Verbrauchern in Deutschland.
– Herr Poß, niemand schürt sie.
Wenn Sie den Rentnern willkürlich, wie ein Blitz ausheiterem Himmel, ohne Vorwarnung erstmals die Rentekürzen,
dann dürfen Sie sich nicht wundern, wenn selbst diejeni-gen Rentner, die noch konsumieren können, Angst be-kommen und ihr Geld festhalten, statt es auszugeben.Herr Bundeskanzler, ich kann nur sagen: Haben Sieden Mut zur Wahrheit! Der Haushalt 2004 zeigt diesenMut zur Wahrheit nicht. Die entscheidenden Eckpunktedieses Haushalts werden erst durch den Vermittlungsaus-schuss festgelegt. Das ist eine Missachtung parlamenta-rischer Spielregeln und beantwortet auch die Frage vonHerrn Kuhn.
Der öffentliche Gesamthaushalt weist ein Defizit von90 Milliarden Euro auf. Damit beansprucht die öffentli-che Hand rund 60 Prozent der privaten Geldvermögens-bildung. Wenn die private Wirtschaft, was wir alle hoffen,investiert, dann tritt sie zusätzlich als Kreditnachfragerauf den Kapitalmärkten auf. Wenn sich gleichzeitig dieöffentliche Hand diese Defizite leistet, dann führt das au-tomatisch zu einem Zinsanstieg, weil dann der Kampfums knappe Kapital zwischen privater Wirtschaft und öf-fentlicher Hand ausgetragen wird.Deutschlands Defizit in Höhe von 4,3 Prozent über-schreitet den Maastricht-Wert um fast 50 Prozent. DieSubpdnbgvssuzMVuzMDde„zEagveDglnlZmdMfddst
m die Personenfirmen nicht zu zwingen, an Konzerneu verkaufen. Sobald Konzerne das Know-how und diearktzugangskanäle in der Hand haben, erfolgt eineerlagerung der Arbeitsplätze aus Deutschland.Herr Bundeskanzler, Sie haben Ihre Parteitagsredenter die Überschrift „Mut zur Wahrheit“ und „Willeum Wandel“ gestellt. Der SPD fehlt es an allem: anut, Wille, Wahrheit und Wandel.
as Echo war einmütig: „Parteitag missraten“, notierteie „Berliner Zeitung“. „Der Kanzler kann das Gesamt-rgebnis getrost als Niederlage werten“, bilanzierte dieFrankfurter Rundschau“. „Nichts als altbekannte Re-epte“, analysierte die „Financial Times Deutschland“.s handelt sich um Zeitungen, die nicht verdächtig sind,ufseiten der Opposition zu stehen.
Wenn drei Jahre vor der nächsten Wahl die große Re-ierungspartei sich selbst nichts mehr zutraut und wennon ihr keine Aufbruchstimmung ausgeht, dann ist dasin schlechtes Zeichen für die Zukunft Deutschlands.
er SPD – das mag für viele vielleicht tröstlich sein –eht es mit ihrem Vorsitzenden nicht besser als Deutsch-and mit diesem Bundeskanzler. Er verspielt Vorhande-es. Schauen Sie sich einmal Ihre Mitgliederentwick-ung an! Schauen Sie sich einmal an, in welchemustand Ihre Partei ist! Man hat den Bundeskanzler zwarit 80 Prozent als Vorsitzenden wiedergewählt. Aberas liegt nur daran, dass es gegenwärtig – Herrüntefering, Sie sind noch nicht so weit – keinen Ersatzür ihn gibt. Das Ergebnis seines Generalsekretärs, hinteren er sich gestellt hat – es waren schon Stimmzettel mitem Namen desjenigen gedruckt, der ihn ersetzen sollte,odass der Bundeskanzler mit Brachialgewalt einschrei-en musste –, spricht Bände
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6708 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Michael Glosund zeigt den ganzen elenden Zustand, in dem sich unserLand befindet.
– Sie haben noch die Chance, im Vermittlungsaus-schuss auf unsere Vorschläge einzugehen. Wir bleibenvor allen Dingen dabei: Erst muss der Arbeitsmarkt inOrdnung gebracht werden. Erst müssen betrieblicheBündnisse für Arbeit und Beschäftigungsverhältnissemöglich sein, die nicht sofort zu einer Dauerbeschäfti-gung führen. Ganz zuletzt können wir dann vielleichtüber die Steuer sprechen.
Aber die Voraussetzungen, die Eichel gestern in Brüsselin dieser Hinsicht geschaffen hat, sind nicht dazu ange-tan, die Finanzierung der Steuerreform einfach vorzuzie-hen und die Steuerreform dadurch früher in Kraft setzenzu lassen.Ich meine, wenn wir die anderen Dinge nicht in Ord-nung bringen, dann würden wir uns so töricht verhaltenwie jemand, der sich an das Steuer eines Autos setzt,dessen Bremsen total blockiert sind, und ständig Gasgibt. Dann drehen nämlich nur die Räder durch. DasGanze bringt dann nichts.
Herr Bundeskanzler, Sie wissen – Einsicht kommtden Menschen oft sehr spät –,
dass unser Land weiter wäre, wenn die Ministerpräsi-denten Schröder, Eichel, Lafontaine und wie sie alle hie-ßen, nicht zwischen 1994 und 1998 im Bundesrat allesblockiert hätten, was auf den Weg gebracht worden ist.
Wir werden diesen Weg nicht gehen; da bin ich mirziemlich sicher.Lassen Sie mich ein Allerletztes sagen.
– Ich weiß, dass Sie sich darüber freuen, dass ich baldzum Ende komme. Das kann ich gut verstehen; denn Siewollen das alles nicht hören. Sie verdrängen das allesimmer wieder.
Herr Bundeskanzler, Sie haben auf dem Parteitagwörtlich gesagt, dass Sie all Ihre Kraft nutzen werden,um Ihre Gegner zu besiegen. Sie haben gesagt, das seiIhre Aufgabe. Ich meine, genau das, die Gegner zu be-siegen, ist nicht die Pflicht der Politik. Die Pflicht derPDHatBDrussDgiDgwTedBafsurlVer
Ich erteile Bundeskanzler Gerhard Schröder das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Herr Glos, ich will ausnahmsweise mit einemusdrücklichen Lob beginnen. Ich fand es gut und rich-ig, dass Sie sich von dem unseligen Gerede des Herrnosbach distanziert haben.
enn der hergestellte Zusammenhang zwischen den ter-oristischen Angriffen in Istanbul auf der einen Seite
nd dem Versuch auf der anderen Seite, damit Politik, jaogar Außenpolitik zu betreiben, war menschlich unan-tändig und politisch hochgradig gefährlich.
eshalb ist es gut, dass das vom Tisch ist.Ich habe in diesem Zusammenhang eine Bitte: Fan-en Sie nicht hintenherum erneut an, dieses Thema zunstrumentalisieren!
enn Sie sollten wissen, dass der Türkei seit 40 Jahrenesagt wird: Ihr könnt Mitglied der Europäischen Unionerden, wenn ihr die Voraussetzungen erfüllt. – Ob dieürkei diese Voraussetzungen erfüllt, wird Ende 2004 zuntscheiden sein. Der Zeitplan wird – ich betone das aus-rücklich – in keine Richtung hin verändert werden. Dieedingungen werden nicht verändert werden, weil sieuf dem Gipfel in Kopenhagen und an anderer Stelleestgelegt worden sind. – Das ist das eine.Die andere und politisch für uns ungeheuer interes-ante Frage ist – darüber sollten wir diskutieren, wenn esm diese Frage geht –, ob es nicht im Sicherheitsinte-esse Deutschlands und im Sicherheitsinteresse Europasiegt, dass das Experiment in der Türkei gelingt, eineerbindung zwischen der islamischen Religion auf derinen und freiheitlichen Wertvorstellungen auf der ande-en Seite herzustellen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6709
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Bundeskanzler Gerhard SchröderStellen Sie sich einmal vor, welch ungeheurer Sicher-heitszuwachs für Europa und auch für Deutschland darinliegen könnte. Deshalb haben wir jedes Interesse daran,dass die Maßnahmen, die die Türkei ernsthaft vor hat,auch wirklich gelingen. Das müssen wir im eigenen na-tionalen Interesse unterstützen. Das dürfen wir nicht dis-kreditieren.
Sie haben über Europa und in diesem Zusammenhangüber das deutsch-französische Verhältnis gesprochen.In Ihrer Rede waren Töne enthalten, über die man wirk-lich ernsthaft reden muss, gerade auch deshalb, weil ichdavon ausgehe, dass es in diesem Hause ein gemeinsa-mes Interesse gibt, das deutsch-französische Verhältnisals Motor der europäischen Integration so eng wie irgendmöglich zu halten.Ich erinnere an Debatten hier in diesem Hohen Hause,in denen mir vorgeworfen worden ist, ich täte zu wenigfür dieses enge deutsch-französische Verhältnis.
Was jetzt? Was ist wirklich Ihre Position? Ist es nun rich-tig, diese Beziehung aus historischen, aber keineswegsnur aus historischen, sondern vor allen Dingen aus ge-genwärtigen und zukünftigen Motiven heraus so eng wiemöglich zu gestalten und zu halten, oder ist das nichtrichtig? Kommen Sie doch nicht ständig damit, dass dasdeutsch-französische Verhältnis, wenn es so eng sei, an-dere, etwa die kleineren Mitgliedstaaten, gar bedrohe.
– Nein, es ist nicht so.
– Sie haben ja wenig Ahnung von solchen Fragen, HerrMichelbach. Das verstehe ich auch.
Wer Erfahrung etwa in europäischen Räten gesam-melt hat – ich könnte genügend Beispiele dafür nen-nen –, der hat immer wieder festgestellt, dass es geradedie kleineren Mitgliedsländer sind, die dann, wenn eineEinigung schwierig ist oder schwierig aussieht, sagen:Franzosen und Deutsche, nun legt etwas auf den Tisch,damit wir eine Orientierung haben.Es gibt auch die andere Seite – das gebe ich zu –,nämlich dass das Gefühl entsteht, dass eine Einigungzwischen uns vielleicht zu viel der Einigung an anderenvorbei ist.
Aber gerade Deutschland und Frankreich wissen – undverhalten sich in den Räten, in denen Politik gemachtwird, auch so –,
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Weil Sie, Herr Glos, mit der Außenpolitik begonnenaben und ich ernsthaft darauf eingehen möchte, nochin paar Bemerkungen zu dem, was jetzt in Europa vorns liegt.Der erste Punkt: Wir befinden uns am Vorabend deregierungskonferenz und ich denke, wir sind uns inem Willen einig, dass diese Regierungskonferenz imezember erfolgreich abgeschlossen werden muss. Ichoffe und erwarte im Übrigen auch, dass die italienischeräsidentschaft zu zentralen Fragen Vorschläge vorlegt,ie kompromissfähig sind. Deutschland ist daran interes-iert.Es muss aber auch klar sein: Wir verstehen denunsch vieler, insbesondere der kleineren und der neuenitgliedstaaten, in Brüssel präsent zu sein. Aber dieommission, die Sie zu Recht Hüterin der Verträge ge-annt haben, muss arbeitsfähig bleiben. Auch dieser Ge-ichtspunkt muss in einem Kompromiss zum Ausdruckommen. Sie muss arbeitsfähig bleiben, damit Europaolitisch wirklich aktionsfähig bleibt. Das ist nicht alleinache der Kommission, aber auch. Ob das mit 25 oderar 31 Kommissaren gelingt, darüber könnten wir eineehr rationale Debatte führen. Es wird jedenfalls schwie-ig sein, bei dieser Größenordnung ein effizientes Arbei-en zu gewährleisten.Der zweite Punkt betrifft die Stimmengewichtung.ch denke, dass wir sehen müssen, dass das Prinzip „eintaat, eine Stimme“ zu den Selbstverständlichkeiten deruropäischen Einigung gehört. In dem Kompromissuss aber auch klar werden, dass man nicht so vorgehenann, 82 Millionen Deutschen 29 Stimmen zu geben undtwa 80 Millionen Polen und Spaniern – so viele sind esusammengenommen – 54 Stimmen. Das steht in kei-em Verhältnis zueinander und ist nicht dem Grundsatzuträglich, dass alle Bürgerinnen und Bürgern Europasleich viel zählen. Deswegen erwarte ich auch in diesemnliegen von denjenigen Kompromissbereitschaft, dies angeht.
Im Zusammenhang mit der Debatte, welche innen-olitischen Themen uns beschäftigen – darauf kommech gleich zu sprechen –, möchte ich noch Folgendesrwähnen: Die Kommission hatte ursprünglich ange-ündigt, die finanzielle Vorausschau noch im Novem-er und Dezember vorlegen zu wollen. Diesen Terminat man mit Rücksicht auf die Regierungskonferenz aufanuar nächsten Jahres verschoben; das verstehe ich.ach dem, was man so hört, scheint es Wille der Kom-ission und bedauerlicherweise auch einer Haushalts-ommissarin zu sein, die so genannte Eigenmittelober-renze auszuschöpfen. Das würde für Deutschlandährlich 7 Milliarden Euro netto mehr bedeuten. Ich
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Bundeskanzler Gerhard Schröderhoffe, dass wir uns alle miteinander einig sind, dass dasnicht angehen kann.
Man darf, Herr Glos, allerdings erwarten, dass dieKriterien, die die Kommission an andere anlegt, auch fürdie Kommission selbst gelten.
Diese Erwartung ist nicht ganz unzulässig. Wir werdenüber die Frage der Eigenmittel der Kommission hier wieauch mit der Kommission selbst also noch interessanteDebatten zu führen haben.Man kann übrigens doch nun wirklich nicht so tun, alssei die Kommission in allem, was sie macht, sakrosankt.
Bei der eigentlichen Auseinandersetzung über die Haus-halts- und Finanzpolitik, die wir auch hier zu führen ha-ben, muss die Frage geklärt werden, ob das, was dieKommission vorgeschlagen hat, ökonomisch vernünftigist oder nicht. Darüber muss man in diesem Land dochzumindest reden können und darf nicht sofort den Ein-wand zu hören bekommen, darüber dürfe man nichtsprechen.
Es darf nicht Mode werden, wie gelegentlich berichtetwird, dass die Vorschläge der Kommission so akzeptiertwerden müssten, also ganz nach dem Motto: Friss,Vogel, oder stirb. Denn man muss sich nur einmal vorAugen führen, was das auch für andere Bereiche bedeu-ten würde.Mir ist vorgeworfen worden, ich hätte zu wenig gegendie unsinnigen Vorschläge zur Chemierichtlinie getan,die auf dem Tisch liegen. Diese Vorschläge kamen vonder Kommission. Wir haben sie verändert, allerdingsnoch nicht weit genug. Deswegen werden wir weiterstreiten müssen. In dieser Frage gibt es also einen Streitzwischen der Kommission und uns, bei dem es uns da-rum geht, deutsche Interessen und vor allem auch die In-teressen der Industrie in Deutschland zu vertreten.
Wir haben auch über die Übernahmerichtlinie dis-kutiert und sie dabei Schritt für Schritt verändert. Es wareine harte Auseinandersetzung mit der Kommission,aber wir haben diese Richtlinie nun doch so gestaltet,dass sie für Deutschland erträglich ist.
Allerdings wurde uns wieder vorgeworfen, wir würdenden liberalen Vorstellungen von Herrn Bolkestein wider-sprechen, was auf gar keinen Fall gehe.Auch das VW-Gesetz ist ein wunderbares Beispiel.Wir sind von der jetzigen niedersächsischen Landesre-gVzdOnarJEDcsptsiöEbGiEnnkmWb1ddksmzWDAiwgIpsd
as ist wirklich eine Wandlung vom Saulus zum Paulus.Diese Beispiele erwähne ich nur, um deutlich zu ma-hen, dass eine Auseinandersetzung mit der Kommis-ion über Sachfragen nicht sakrosankt sein darf.
Damit bin ich bei dem Punkt, um den es hier schwer-unktmäßig geht und gehen sollte: Wie sieht die Situa-ion aus, in der wir uns gegenwärtig befinden? Ichtimme Ihnen durchaus zu, dass es in Deutschland nochmmer Besorgnis erregende Anzeichen gibt, was diekonomische Entwicklung angeht. Das ist keine Frage.s wäre doch falsch, etwas anderes zu sagen. Die Ar-eitslosigkeit ist viel zu hoch. Sie liegt zwar nicht in derrößenordnung, die einige – aus welchen Gründen auchmmer – prognostiziert haben, aber sie ist viel zu hoch.s gibt zu wenige Erwerbstätige – gar keine Frage. Da-eben gibt es nicht genügend Nachfrage auf dem Bin-enmarkt. Wir streiten doch gar nicht darüber, dass daseine guten Anzeichen sind.Auf der anderen Seite ist Deutschland Exportwelt-eister. In den letzten fünf Jahren ist der Anteil ameltmarkthandel real, sowohl in Dollarpreisen, als auchereinigt um die Dollar-Euro-Relation, von 9 auf0,5 Prozent gestiegen. Ich behaupte nicht, dass dasurch die Politik der Bundesregierung verursacht wor-en ist. Sie können aber auch nicht behaupten, dass daseine erzielten Ergebnisse wären. Ich denke, deswegentellt sich die Lage etwas differenzierter dar, als Sie sieit Ihrer ausschließlichen Schwarzmalerei zeichnen.
Meine Damen und Herren, im letzten Quartal gab eswar noch nicht zureichendes Wachstum, aber es gabachstum. Das wird sich in diesem Quartal fortsetzen.ie Industrieproduktion zieht an und die Ausgaben fürusrüstungsinvestitionen erhöhen sich. Warum erwähnech das und sage ich, dass es ein differenziertes Bild derirtschaftlichen Situation in Deutschland zu zeichnenibt? Ich erwähne das doch aus einem einzigen Grund:ch möchte, dass wir miteinander dafür sorgen, dass dieositiven Aspekte der ökonomischen Entwicklung ge-tützt und die negativen überwunden werden. Das istoch die Aufgabe, die wir gemeinsam haben.
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Bundeskanzler Gerhard SchröderUnter dem Gesichtspunkt, die positiven Anzeichender augenblicklichen Lage zu stützen, zu entwickeln undweiterzutreiben und die negativen zu minimieren, habenwir zu bewerten, was getan werden muss. Man kann jadarüber streiten. Wir sollten aber vielleicht einig darinwerden, dass das der Maßstab ist, an dem Ihre und un-sere Vorschläge gemessen werden müssen. Stützen wirdie Zeichen für den Aufschwung in Deutschland und mi-nimieren wir die negativen Anzeichen oder tun wir esumgekehrt? Das ist der Maßstab.Wenn wir darüber einig sind, dann müssen wir jetztdarüber reden, was im Zusammenhang mit dem Haus-halt, seinen Begleitgesetzen und der Agenda 2010 insWerk gesetzt worden ist. Wenn wir die positiven Anzei-chen in Deutschland und damit auch in Europa – der An-teil Deutschlands an der europäischen Wirtschaft beträgt30 Prozent – stützen wollen, dann brauchen wir einenDreiklang in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Wirmüssen die Konsolidierung weitertreiben – gar keineFrage.
Wir müssen zugleich die Wachstumsimpulse stützen, diesich aus dem Wirtschaftskreislauf ergeben. Schließlichbrauchen wir Ressourcen für zukünftige Aufgaben. Dassind unsere drei Ziele.
Ich will nun erläutern, warum ich der Auffassung bin,dass wir diesen drei Zielen mit der Politik, die wir betrei-ben, im Inneren, aber auch in der europäischen Politiknahe kommen. Was heißt das? Wir brechen die Konsoli-dierung doch nicht ab.
– Nein. Wieso? Mit den Haushaltsbegleitgesetzen unddem Haushalt wird das strukturelle Defizit in 2004 um0,6 Prozent zurückgeführt; das ist auch von der Kom-mission unbestritten.
In 2005 wird das strukturelle Defizit um 0,5 Prozent zu-rückgeführt.
Die Kommission – und offenbar auch Sie – sagt jetzt,dass das nicht reicht, wir müssten mehr tun. Man musssich doch fragen, ob die Position der Kommission – undauch Ihre – richtig ist. Wir brauchen ja nicht nur dasWeiterführen der Konsolidierung, sondern wir brauchenauch das Stimulieren von Wachstum, um die positivenAnzeichen zu befördern.
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er Streit geht jetzt allein um die Frage – ich bin sehrespannt, was Sie darauf antworten werden –: Durftenir um den Preis des Nichtvorziehens der Steuerreform-tufe von 2005 auf 2004 die Forderungen der Kommis-ion erfüllen oder durften wir das nicht? Das ist die ent-cheidende Frage.Wir haben gesagt: Wenn wir Wachstumsimpulse, dies in unserer Volkswirtschaft gibt, verstärken wollen,enn wir die Aufschwungtendenzen, die in unsererolkswirtschaft deutlich werden, stützen wollen, um dieegativen Tendenzen zu minimieren, dann müssen wiran und sagen: Wir ziehen die dritte Stufe der Steuerre-orm von 2005 auf 2004 vor. Das ist der Zusammenhang.
Wer mit der Kommission marschieren will – das kön-en Sie gerne tun –, der muss sich klarmachen: Entwe-er er will die dritte Steuerreformstufe nicht vorziehen;ann soll er das öffentlich sagen. Oder er muss konkretinen Vorschlag machen, wie man das Vorziehen derteuerreformstufe von 2005 auf 2004 anders finanzierenann, als wir es im Haushalt und mit den Haushaltsbe-leitgesetzen vorgeschlagen haben. Alles andere ist eineebatte um Kinkerlitzchen, keine seriöse ökonomischeiskussion.
Wir haben uns in der jetzigen Situation entschieden:m die positiven Anzeichen zu unterstützen, ziehen wirie dritte Steuerreformstufe vor und erreichen damit imächsten Jahr ein erhöhtes Wachstum und als Folge vonehr Wachstum mehr Arbeitsplätze.
as ist der Zusammenhang.Ich habe gesagt: Die Konsolidierung darf nicht aufge-eben werden. Aber in einer konjunkturellen Situationie dieser darf man doch wohl darüber diskutieren undntsprechende Entscheidungen treffen, weil die Balancewischen Konsolidierung auf der einen Seite und Stimu-erung von Wachstum auf der anderen Seite in konjunk-rschwächeren Zeiten anders gefunden werden muss als konjunkturstärkeren Zeiten. Das führt dazu, dass manen Stabilitäts- und Wachstumspakt – er heißt schließ-ich nicht nur Stabilitätspakt –
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Bundeskanzler Gerhard Schröderin diesen Zeiten anders interpretieren muss, als es dieMehrheit der Kommission getan hat. Um diesen Punktgeht es.
Übrigens bin nicht ich es gewesen, der den Stabilitäts-pakt so interpretiert, wie Sie es tun wollen, und ihndumm genannt hat. Das war doch Ihr Parteifreund undPräsident der Europäischen Kommission, Herr Prodi. Ichhalte den Pakt nicht für dumm. Ich halte ihn für interpre-tationsnötig, aber auch -fähig. Deswegen haben wir unsentschieden, eine vernünftige Balance zwischen derWeiterführung der Konsolidierung und dem Setzen vonWachstumsimpulsen herzustellen. Ich sage ausdrücklich:Ich bin dem Finanzminister sehr dankbar, dass er eineökonomisch vernünftige Lösung durchgesetzt hat.
Um auch etwas zu den Vorwürfen zu sagen: Die Ein-wände, die immer gegen unsere Konsolidierungspolitikerhoben wurden, sollten Sie nicht zu lautstark verkün-den. Die gesamte ökonomische Debatte, die von denenangeregt wurde, die Einwände erhoben haben – egal obNiederländer oder Skandinavier –, ist eine Debatte überUnterlassungen in den 90er-Jahren. Ich will mich damitgar nicht lange aufhalten. Aber es gab Gründe dafür,dass die Maßnahmen zur Konsolidierung, die zum Bei-spiel die Schweden und andere kleinere Staaten in den90er-Jahren vorgenommen haben, in Deutschland in den90er-Jahren nicht durchgeführt worden sind. Damals re-gierten nicht wir. Auch das muss man einmal sehen.
Natürlich ist es schwieriger, in einer konjunkturellschlechteren Phase das nachzuholen, was in den gutenZeiten versäumt worden ist. Der Ehrlichkeit halber mussman sagen, dass dies von Ihnen und nicht von uns ver-säumt worden ist.
Die Konsolidierung wird in der Größenordnung wei-tergeführt, die in jenem Rat vereinbart worden ist, derdarüber nach den Regeln des Stabilitäts- und Wachs-tumspaktes zu entscheiden hat. Dort ist definitiv gesagtworden: Wir sind zu der Anstrengung bereit, das Defizitin den beiden folgenden Jahren um 0,6 bzw. 0,5 Prozentzu senken.Das zeigt doch, dass Deutschland die Konsolidierungnicht aufgegeben hat, aber im Interesse nicht nur derdeutschen, sondern auch der europäischen Volkswirt-schaft darauf bestehen muss, dass Wachstum nicht hin-tenangestellt wird; denn wir brauchen es.Meine Damen und Herren, in diesen Zusammenhanggehört zum Dritten, dass Konsolidierung auch die Durch-setzung struktureller Reformen in den Systemen der so-zialen Sicherung bedeutet. Sie, Herr Glos, haben Recht,wenn Sie darauf hinweisen, dass etliches davon nochnessm–dmgaFDws–wsSd–EsdDoAadKssmiskwn
Aber warum ist die Sparquote so hoch? Sie sagen:as liegt an der Regierung –
eil alles an der Regierung liegt. Demnächst werden Sieagen, auch das Wetter liege an der Regierung.
Im Moment ginge es ja sogar.Aber die Sparquote ist nicht zuletzt deshalb so hoch,eil wir mit dem, was wir jetzt im Vermittlungsaus-chuss miteinander hinbekommen müssen, nicht zutuhle gekommen sind. Aber das liegt nicht an der Bun-esregierung.
Nein, das liegt nicht an der Koalition.
s kommt auf die Gesetze an, die die Agenda 2010 um-etzen sollen.Übrigens: Wenn Sie einmal im Ausland sein sollten,ann werden Sie merken, welche positive Einschätzungeutschlands sich mit der Agenda 2010 verbindet –hne Ausnahme: ob in Amerika, ob in Europa oder insien.
Deshalb sage ich: Wir müssen auch im Vermittlungs-usschuss dazu kommen, dass die Agenda-Gesetzeurchgesetzt werden. Ich weiß natürlich, dass das nur imompromisswege möglich ist. Ich bin zu Kompromis-en auch durchaus bereit. Aber sie müssen sachgerechtein. Es muss klar sein: Vermittelt werden kann im Ver-ittlungsausschuss über die vorliegenden Gesetze. Dast eine ganze Menge. Wenn wir dort zu Kompromissenommen – wir sind durchaus dazu bereit –, dann habenir Verantwortung für unser Land wahrgenommen.Meine Damen und Herren, Sie sagen: Wir wollen ei-en großzügigen Subventionsabbau.
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Bundeskanzler Gerhard Schröder– Dazu komme ich gleich. – Zum Beispiel bei derEigenheimzulage wird es ernst.
Da wissen Sie nicht einmal, ob Sie das für richtig haltendürfen, was Koch und Steinbrück vorgeschlagen haben.
Das sind 4 Prozent Reduzierung jedes Jahr. Danach wäresie in 25 Jahren weg. Kommen Sie zu Stuhle und sagenSie: Damit sind Fehlallokationen verbunden; das ändernwir. – Wir können gerne über die Größenordnung strei-ten, aber sie muss substanziell sein.
Ein Zweites. Man kann über die Frage, wie man mitder Pendlerpauschale umgeht, diskutieren. Das ist auchbei uns geschehen. Aber Subventionsabbau zu fordernund die Pendlerpauschale davon auszuschließen ist keinePolitik.
So geht es weiter. Es gibt bisher keinen einzigen sub-stanziellen Vorschlag. Das müssen Sie ändern.
Wir sind zum Kompromiss bereit. Aber das geht nur,wenn auch Sie einmal etwas sagen und nicht immer nurablehnen.Zur Kohle. Gucken Sie sich einmal an, was da ge-macht worden ist! Gucken Sie sich einmal an, welcherAbbau bis 2012 wirklich vorgesehen ist! Wir fördernzurzeit – das muss man den Menschen einmal erklären –jedes Jahr 28 Millionen Tonnen Steinkohle. Das tun36 000 Bergleute.
– Bei den Grünen in NRW war das ganz einfach. In derRegierung haben sie gesagt: Wir wollen bis zum Jahre2012 auf 18 Millionen Tonnen herunter. Ich habe selbermit den Gewerkschaften, mit den Unternehmen und mitden betroffenen Landesregierungen verhandelt und ge-sagt: Lasst uns einen ernsthaften Versuch machen, beimSubventionsabbau ein Stück weiter zu gehen. Übrigensbetrifft das nicht nur die nordrhein-westfälische Landes-regierung, sondern auch die Landesregierung im Saar-land, wie Sie vielleicht wissen. Das wird bedeuten, dasswir im Jahr 2012, unterstellt, die Kommission wird diesakzeptieren, noch 16 Millionen Tonnen fördern.
– Bleiben Sie doch einen Moment ernsthaft. Hier geht esum Lebensschicksale von Menschen.
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ir reduzieren also die Förderung auf 16 Millionen Ton-en und die Zahl der Beschäftigten um mindestens6 000 in dieser Zeit. Wir tun es – ich finde, wenn wirie Arbeitslosigkeit nicht weiter ansteigen lassen wollen,üssen wir es tun – mutmaßlich, wenn alles gut geht,hne betriebsbedingte Kündigungen. Wir schaffen denbbau von Subventionen in einem Maße, das, wie ichinde, sozial vertretbar ist. Das ist der Zusammenhang,ber den geredet werden muss.
ie Maßnahmen muten den betroffenen Bergleuten inordrhein-Westfalen und im Saarland, den Landesregie-ungen und den Unternehmen einiges zu. Es ist ein ver-ünftiger Kompromiss, der gefunden worden ist. Sieollten aufhören, ihn zu diskreditieren. Das zu den Koh-esubventionen.
s geht nicht um Jubel, sondern um vernünftige Ent-cheidungen. Diese Entscheidung entspricht dem, wasch Ihnen eben gesagt habe. Sie werden sehen, dass diesentscheidung auch getroffen wird. Seien Sie da malanz ruhig. Sie können dem gerne zustimmen, weil es iminne deutscher Politik vernünftig ist, anstatt nur scha-enfroh auf den einen oder anderen zu schauen.
ch bleibe bei der Agenda 2010. Ich hoffe, es wird deut-ich, dass wir die Agenda 2010 auch aus dem drittenrund brauchen, den ich genannt habe. Mit dem Setzenon Wachstumsimpulsen, ohne die Konsolidierungufzugeben, und mit den Strukturreformen, die sich mitem Begriff der Agenda 2010 verbinden, bringen wiricht nur die Systeme der sozialen Sicherung in Ord-ung; nein, wir schaffen mit diesem Prozess auch etwasnderes: Wir machen Ressourcen für die wesentlichenukunftsaufgaben frei.Diese wesentlichen Zukunftsaufgaben lassen sich inrei Bereichen beschreiben. Erstens. Wir machen Res-ourcen für Investitionen in Bildung und Ausbildungrei. Lassen Sie uns einen Moment über Ausbildung re-en. Wir alle sind der Auffassung, dass das duale Sys-em zu den Glücksfällen in Deutschland gehört hat undeiter gehören kann, wenn es funktioniert.
s funktioniert aber dann und nur dann, wenn nicht nurinzelne Unternehmen, sondern alle Unternehmen be-reifen, dass es staatsbürgerliche Pflicht ist, Ausbil-ungsplätze in den Betrieben bereitzustellen.
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Bundeskanzler Gerhard SchröderIch denke, es ist auch klar geworden, dass sowohl derWirtschaftsminister als auch ich, übrigens auch die SPD-Fraktion, den festen Willen haben, solange es eben geht,auf Freiwilligkeit und tarifvertragliche Regelungen, diees in Branchen gibt, zu setzen. Aber wir können die jun-gen Leute nicht im Stich lassen, wenn alles versagt, wases an freiwilligen Möglichkeiten gibt. Diejenigen, diedie Pflicht haben, Ausbildungsplätze bereitzustellen, ha-ben es doch in der Hand, diese Pflicht zu erfüllen. Ichbitte darum, dass sie erfüllt wird.
Niemand will leichtfertig Druck ausüben. Jeder setzt aufFreiwilligkeit.Wir müssen also in Bildung und Ausbildung, in For-schung und Entwicklung investieren. In diesem Zusam-menhang will ich etwas zu einer Äußerung des Bundes-rechnungshofs sagen, die ich heute gelesen habe. Ersagte: Ihr müsst sehen – das ist ja keine neue Erfah-rung –, ob ihr die Mittel effizienter einsetzen könnt. –Diesen Hinweis nehme ich gerne entgegen. Über dieseFrage wird mit dem Bundesrechnungshof zu diskutierensein. Denn wir haben doch alle ein Interesse daran, dassdie von uns eingesetzten und aufgestockten Forschungs-mittel möglichst effizient verwendet werden.
Wenn die Kritik berechtigt ist, dann müssen die Kritik-punkte abgestellt werden. Das ist doch keine Frage. In-sofern weiß ich nicht, warum man sich darüber aufregt.Drittens müssen wir zusätzliche Mittel für die Verbes-serung der Betreuungsmöglichkeiten einsetzen. Ichweiß, dass dafür nicht in erster Linie der Bund zuständigist. Aber ich denke, wir bringen aus guten Gründen be-trächtliche Mittel für diesen Bereich zugunsten derKommunen und Länder auf; denn wir wollen, dass aufdiese Weise die Ganztagsbetreuung ausgebaut wird, umbeim Zugang zu den Bildungsinstitutionen in unseremLand den Kindern unabhängig vom Einkommen der El-tern Gerechtigkeit zu bieten. Wir wollen damit aber aucherreichen, dass Frauen besser als in der Vergangenheitund in der Gegenwart Familie und Beruf miteinandervereinbaren können. Das ist ein wichtiger Aspekt.
Kurzum: Ich glaube, es ist deutlich geworden,
dass wir hinsichtlich der ökonomischen Entwicklung inDeutschland an einer Weggabelung stehen.
Wenn die Reformgesetze zur Agenda 2010 – von mir ausin Form eines Kompromisses – beschlossen werden unddie nächste Stufe der Steuerreform vorgezogen wird,dann können wir den Weg wählen, der in Deutschland zueinem Aufschwung führt. Die Anzeichen sprechen dafür.nsnDIeWMmbksPndgEFrADgdsdBlePWLsOn
Eine Blockadehaltung – von der Sie Gott sei Dankicht gesprochen haben, Herr Glos – oder die Vermi-chung mit unsachlichen Gesichtspunkten könnte zu ei-em Weg führen, der einen negativen Trend bewirkt.iesen Weg dürfen wir nicht gehen. Ich bin angesichtshrer Mehrheit im Bundesrat fest davon überzeugt, dasss eine gemeinsame Verantwortung gibt, den positiveneg zu gehen.
Ich will das folgendermaßen beschreiben, Frauerkel. Sie haben angekündigt, dass Sie eine Patriotis-usdebatte führen wollen. Ich finde, Sie sollten einesedenken: Sie haben die Chance, zu beweisen, dass Sieeine Debatte führen müssen, sondern dass Sie Patriotenind.
atrioten sind Sie nämlich durch Ihr Handeln dann undur dann, wenn Sie dabei mithelfen, dass der Weg füren Aufschwung in Deutschland frei wird. Das ist dieemeinsame Verantwortung, die wir haben. Das ist dierwartung unseres Volkes. Die müssen wir erfüllen.
Ich erteile dem Kollegen Guido Westerwelle, FDP-
raktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Herr Bundeskanzler, Sie sind jetzt fünf Jahre immt.
as Ergebnis Ihrer fünfjährigen Amtszeit ist in den ver-angenen Wochen schlaglichtartig veröffentlicht wor-en: die höchste Arbeitslosigkeit, die höchste Neuver-chuldung und die schlimmste Pleitewelle seit Gründunger Republik. Wir haben zurzeit ein Nullwachstum.eim Wachstum innerhalb Europas stehen wir auf demetzten Platz. Erstmalig seit Gründung der Republik gibts eine reale Rentenkürzung. Jetzt haben Sie mit Ihrerolitik auch noch den Stabilitätspakt faktisch gekündigt.enn das, was Sie hier eben erzählt haben, alles zurage der Nation war, dann leiden Sie unter einem für un-er Land nicht erträglichen Realitätsverlust.
Sie appellieren an das patriotische Bewusstsein derpposition. Das ist ein gefälliger Appell. Ich stelle Ih-en, Herr Bundeskanzler, nur zwei Fragen: Wo war denn
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6715
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Dr. Guido WesterwelleIhr persönlicher Patriotismus als Kanzlerkandidat derSPD und als niedersächsischer Ministerpräsident, als Siezusammen mit Oskar Lafontaine das niedrigere, einfa-chere und gerechtere Steuersystem blockiert haben?
Wo war der Patriotismus von Gerhard Schröder, als Sieeinen schäbigen Rentenwahlkampf geführt haben, um andie Macht zu kommen? Mittlerweile haben Sie IhrenFehler eingestehen müssen.
Herr Bundeskanzler, Sie haben hier in einem Neben-satz, auf die Sparquote bezogen, eine bemerkenswerteErklärung abgegeben; das war eine wirklich freudscheLeistung. Sie haben gesagt, Sie wollten keine amerika-nischen Verhältnisse. Dies ist besonders an dem Tag einspannender Satz, an dem in den USA ein Wirtschafts-wachstum von 8,2 Prozent festgestellt worden ist, wäh-rend Sie bei null sind.
In Wahrheit sehnen Sie sich doch die amerikanischenVerhältnisse beim Wirtschaftswachstum herbei. Die Po-litik, zu der Sie in Deutschland nicht bereit sind, weil Sieimmer noch auf die Neidgesellschaft anstatt auf diemarktwirtschaftliche Erneuerung setzen,
wollen Sie im Windschatten eines amerikanischen Wirt-schaftswachstums auch in Deutschland durchbringen.Sie sind der Profiteur der notwendigen Strukturmaßnah-men in den Vereinigten Staaten von Amerika und hoffendarauf, dass die amerikanische WachstumslokomotiveSie und den kaputten Wagen dieser Regierung ein Stück-chen mitzieht. Das ist die wahre Lage in diesem Lande,meine sehr geehrten Damen und Herren.Nach fünf Jahren Rot-Grün muss man bedauerlicher-weise feststellen: Mit dieser Regierung und mit Ihrer Po-litik führen Sie unser Land in die wirtschaftliche Kata-strophe. Dies ist viel zu ernst, um darüber hier mit einerL’art-pour-l'art-Rede hinwegzugehen.
Sehr bemerkenswert sind übrigens auch Ihre Verglei-che hinsichtlich dessen, was uns Politikerinnen und Poli-tiker in den letzten 24 Stunden in diesem Haus und inganz Europa beschäftigt hat. Sie bringen hier allen Erns-tes die massive Vertragsverletzung, also die Grundlageunseres Euros, mit der Chemikalienrichtlinie in einenZusammenhang. Sie erklären, wenn Kritik an dem ange-bracht werde, was von Brüssel im Hinblick auf das VW-Gesetz gefordert wird, dann dürften Sie da auch wider-sprechen. Die Opposition ist selbstverständlich bereit,mit Ihnen über manches, was Brüssel vorlegt, kritischund gelegentlich auch in Gegnerschaft zu Brüssel zu re-den. Aber es ist ein fundamentaler Unterschied, ob Sie sichüber die Vorlage einer Richtlinie mit Brüssel auseinanderssWndLUtibwrdsdDntddWWEtDdfbvdkRzfdtdh
er das in einem Atemzug nennt, hat meiner Ansichtach die Dimension der Entscheidung nicht erkannt.Herr Kollege Glos hat zu Recht darauf hingewiesen,ass die kleinen Länder die Sorge haben, von den großenändern dominiert zu werden. Sie sagen, das sei allesnfug. Die Achse Paris-Berlin, die übrigens europapoli-isch äußerst gefährlich ist,
n Gegnerschaft zu den kleinen Staaten in Europa aufzu-auen
ird unter dem Strich die Europäischen Union nicht vo-anbringen, sondern eher auseinander dividieren. Auchiese Folge Ihrer Politik ist zu bedenken.Der Finanzminister der Niederlande, Gerrit Zalm,agte dazu, der Pakt funktioniere nicht, und fügte – aufie europäische Diskussion bezogen – wörtlich hinzu:Viele Staaten wollen ihr Schicksal nicht in dieHände der großen Staaten legen.as ist der Preis für Ihre Politik. Damit werden wir unsoch lange beschäftigen müssen. Herr Eichel, Ihre Poli-ik in Brüssel hat Ihnen vielleicht ein bisschen Luft iner innerdeutschen Diskussion beschert. Aber Sie habenie Axt an die Wurzel der europäischen Einigung gelegt.er nämlich die Idee der Stabilität der europäischenährung infrage stellt, der stellt in Wahrheit die Idee deruropäischen Union infrage; denn er riskiert, das Ver-rauen der Bürgerinnen und Bürger zu verlieren.
as ist unverantwortlich und unhistorisch. Wenn schonie Regierung des Landes, das die Stabilitätskriterien er-unden und durchgesetzt hat – die Sozialdemokraten ha-en damals Herrn Waigel und dem Kollegen Rexrodtorgehalten, alles müsse noch viel strenger sein, damitie Stabilität garantiert werden könne –, die Stabilitäts-riterien infrage stellt, dann ist das eine Einladung an dieegierungen aller anderen Länder Europas, es ihr gleichu tun. Dem jetzigen Präzedenzfall werden viele andereolgen. Wie wollen Sie den osteuropäischen Beitrittslän-ern erklären, dass sie die Verträge betreffend die Bei-rittsbedingungen einhalten müssen, wenn Sie selbst zuen Vertragsbrechern zählen?
Das Bemerkenswerte ist, wie Sie über die Problemeinweggehen. Das überrascht selbst mich nach einigen
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Dr. Guido WesterwelleJahren Parlamentsmitgliedschaft. Angesichts der Lustlo-sigkeit, mit der Sie in der Generaldebatte das Wort er-griffen haben,
hat man ein wenig den Eindruck, dass Sie nach der De-vise handeln: Ist der Ruf erst ruiniert, dann lebt es sichgänzlich ungeniert!
Es ist interessant, zu beobachten, wie die Parlamentari-erinnen und Parlamentarier der Koalition darauf reagie-ren. Herr Kuhn stellt die Frage, wo denn unsere konkre-ten Vorschläge seien.
Die Fraktion der Freien Demokraten hat über200 Anträge auf konkrete Einsparungen im Haushalts-ausschuss eingebracht. Sie haben aber über 200-mal ro-boterhaft die Hand gehoben, um das niederzustimmen,was unser Land im Hinblick auf eine echte Sparpolitikvoranbringen könnte. Werfen Sie jedenfalls der liberalenFraktion nicht vor, sie habe keine konkreten Gegenvor-schläge gemacht, die auf Heller und Pfennig, auf Centund Euro durchgerechnet worden seien. Wir haben vor-gearbeitet. In Wahrheit wollen Sie unsere Vorschlägenicht annehmen, weil Sie die Kraft zum Sparen längstverloren haben.
Was ist denn aus Ihrer Politik, die auf der Agenda2010 basiert, geworden? Daraus ist ein weich gekochtesReformprogramm geworden, das den Namen nicht mehrverdient.
Kollege Westerwelle, gestatten Sie eine Zwischen-
frage der Kollegin Hajduk?
Bitte, gern.
Herr Kollege Westerwelle, Sie haben uns auf die vie-
len Anträge hingewiesen, die Ihre Fraktion im Haus-
haltsausschuss eingebracht hat, und haben uns vorge-
worfen, dass uns die Kraft zum Sparen fehle. Ist Ihnen
bekannt, dass Ihre Fraktion Ausgabenkürzungen vorge-
schlagen hat, um an anderer Stelle Ausgabenerhöhungen
vornehmen zu können, dass Sie also nichts zusätzlich
einsparen wollten und dass die Koalition über einige An-
träge der FDP-Fraktion, die mit Augenmaß formuliert
waren, beraten und sie auch angenommen hat? Stimmen
Sie vor diesem Hintergrund mit mir überein, dass der
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Frau Kollegin, bleiben Sie noch einen Augenblicktehen! Ich bin noch nicht fertig mit meiner Antwort. Ichabe noch nicht einmal angefangen.Mir ist vor allen Dingen eines bekannt – es handeltich um eine präzise Zahl –: Sie sind sage und schreiberei von über 200 konkreten Einsparvorschlägen derDP gefolgt. Das ist doch die Krux. Die Finanzpolitikines Finanzministers und einer rot-grünen Bundesregie-ung, die Deutschland allen Ernstes erklären wollen, esebe keine Luft mehr für Einsparungen, obwohl sieleichzeitig Beifall klatschen, wenn der Bundeskanzler6 Milliarden Euro Steinkohlesubventionen zusagt, hattwas mit der Verlängerung von Vergangenheit, aberichts mit Zukunftsorientierung zu tun.
as ist das Ergebnis Ihrer Politik.Dass Sie bei der Forschung kürzen und bei der Stein-ohle munter weiter bis ins Jahr 2012 subventionierenollen, das ist übrigens auch ein bildungs- und for-chungspolitischer Skandal.
ch wundere mich, dass Sie als Parlamentarier das alleschlucken. Was ist aus Ihnen geworden? Der Etat vonrau Bulmahn wird um 27 Millionen Euro gekürzt.leichzeitig steigen die Ausgaben dieser Bundesregie-ung für die Öffentlichkeitsarbeit um 21,5 Millionenuro. Herr Finanzminister, Sie sollten Ihren Ministerntwas weniger Geld für die Propaganda und etwas mehreld für die Forschung, die Bildung und die Ausbildunger jungen Generation in die Hand geben. Davon hätteeutschland mehr als von dieser versteckten parteipoliti-chen Werbung, die Sie betreiben.
Wir reden in diesem Lande nicht über das, worüberir reden müssten. Wir müssten zum Beispiel darübereden, wie wir das verkrustete Flächentarifvertrags-echt aufbrechen können.
och dazu kommt es nicht. Helmut Schmidt und übri-ens auch manche anderen Sozialdemokraten haben ent-prechende Erkenntnisse.
ie haben längst erkannt, dass das Flächentarifvertrags-artell in Wahrheit eine Belastung für den Mittelstand istnd damit den Arbeitsplätzen und den Arbeitsplatzchan-
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Dr. Guido Westerwellecen in Deutschland sehr stark schadet. Warum wehrenSie sich dagegen, dass das gilt, worauf sich 75 Prozentder Beschäftigten eines Betriebes mit ihrer Unterneh-mensführung nach einer geheimen Abstimmung verstän-digt haben? Warum haben Sie nicht den Mut, die Funkti-onäre der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbändezu entmachten und etwas mehr Verantwortung in die Be-triebe zurückzugeben?
Die Antwort ist ganz einfach: 75 Prozent der Abgeord-neten der SPD stammen aus den Gewerkschaften.
Das ist das eigentliche Problem in diesem Lande. Wirwerden eben nicht mehr repräsentativ regiert.
Sie hätten Vorschläge zum Kündigungsschutz ma-chen müssen. Ich kann mich sehr genau an das erinnern,was der Bundeswirtschaftsminister Clement dazu gesagthat. Es wurde alles einkassiert. Über den Schwellenwertwird nicht mehr gesprochen. Man begreift beispielsweisenicht, dass aus Überstunden, also aus latenten Beschäfti-gungsverhältnissen, konkrete Arbeitsplätze geschaffenwerden müssen. Zu solchen Arbeitsplätzen kommt esallerdings nur dann, wenn ein Unternehmer nach Nach-fragespitzen die Beschäftigtenzahl bei schlechtererAuftragslage zurückführen kann. Ein Schwellenwert von20 im Kündigungsschutzgesetz wäre richtig. FreigestellteBetriebsräte sollte es nur in Unternehmen mit mehr als500 Beschäftigten geben.Sie sprechen über den Wirtschaftsaufschwung in denUSA und in anderen Ländern Europas. Dabei vergessenSie, dass man dort vor allen Dingen Reformen auf demArbeitsmarkt durchgesetzt hat. Deswegen werden wirvon der Opposition darauf achten und darauf dringen,dass die notwendige solide Finanzierung einer Steuer-senkung mit echten Strukturmaßnahmen am Arbeits-markt gekoppelt wird, weil nur so neue Arbeitsplätzeentstehen können.
Sie haben keinen Ton zu den Zumutbarkeitskrite-rien gesagt, obwohl gerade Änderungen auf diesem Ge-biet beschlossen worden sind. Millionen Menschen inDeutschland werden untertariflich bezahlt. Dank IhrerPolitik ist es für einen langjährigen Sozialhilfeempfän-ger unzumutbar, eine untertariflich bezahlte Arbeit anzu-nehmen. Wer redet, wenn es um Zumutbarkeit geht, ei-gentlich einmal über die Steuern und Abgaben einesFamilienvaters, der hart arbeiten muss?Jede legale Arbeit ist grundsätzlich besser als derlangjährige Bezug von Sozialhilfe. Das müsste Ihre Poli-tik sein, Herr Bundeskanzler. Dafür hätten Sie auch eineMehrheit in diesem Hause.
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Reden wir doch konkret über das, was Sie beschlos-en haben und was Sie am kommenden Wochenende be-chließen werden! Sie haben eine Ausbildungsplatz-bgabe beschlossen.
Sie haben uns auf dem Bundesparteitag der SPD sogaronkret gesagt, wer die Mittel aus der Erhebung derusbildungsplatzabgabe verwalten soll.
n Nr. 3 Ihres Beschlusses steht: unter Mitwirkung derozialpartner. Genau so habe ich mir das neue markt-irtschaftliche Deutschland vorgestellt:
ei den Betrieben, die zum Beispiel gar keinen Lehrlinginden, kassiert man auch noch die Ausbildungsplatzab-abe, führt sie anschließend einem Fonds zu, der dannieder von Ihren Gewerkschaftsvertretern verwaltetird. Ich sage Ihnen nur eines: Die Bundesanstalt fürrbeit müsste Ihnen doch Warnung genug sein, nämlichahin gehend, dass solche Systeme der Funktionäre vonnfang an zum Scheitern verurteilt sind.
Sie wollen also die Betriebe weiter belasten. Das wirdur dazu führen, dass man sich freikauft. Die, die ausbil-en können und es „unanständigerweise“ nicht tun, wer-en sich freikaufen, und denen, die ausbilden möchten,s aber dann doch nicht tun, weil sie die Sorge haben, imächsten Jahr von der Pleitewelle erfasst zu werden,
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6718 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Dr. Guido Westerwelledrücken Sie gewissermaßen als letzten Akt vor demSargnagel auch noch die Ausbildungsplatzabgabe in diebetriebswirtschaftliche Kalkulation hinein.
So entsteht kein einziger Ausbildungsplatz. So wird esnur zu weniger Ausbildungsplätzen und zu mehr Büro-kratie kommen! Deshalb kann ich nur hoffen, dass das,was Sie auf dem SPD-Parteitag beschlossen haben, derBefriedigung Ihrer Partei diente, aber niemals offiziellePolitik dieses Hauses wird. Alles andere wäre traurig.
Sie haben beschlossen, die Erbschaftsteuer zu erhö-hen. Herr Trittin, Ihr Bundesumweltminister, dem Sieeben mit einer berühmten „Basta“-Erklärung ratzfatzklar gemacht haben, dass sein Genöle über die Steinkoh-lesubventionierung aufzuhören hat – wir werden sehen:das wird aufhören; wir werden hier namentlich über dieSteinkohlesubventionierung abstimmen; Deutschlandwird sehen: es gibt keinen einzigen Gerechten in Sodom;so wird das hier ablaufen –,
fordert ja nicht nur eine Neuregelung und Erhöhung derErbschaftsteuer, sondern auch – so ist in der „Welt“ vonheute zu lesen – die Einführung einer Vermögensteuer.Das ist Ihr Programm. Es ist gut, dass unser Land das er-fährt.Was heißt denn Erhöhung der Erbschaftsteuer? Dasheißt in Wahrheit, dass den Menschen, die für ihr eige-nes Alter vorgesorgt haben und die sich darüber freuen,dass es in dem Fall, dass sie es nicht selbst aufbrauchenkönnen, den eigenen Kindern und Enkelkindern bessergeht,
durch die Erbschaftsteuer noch eine Strafe auferlegtwird.
Alles, was man am Ende eines Lebens vererbt, ist imLaufe dieses Lebens bereits x-mal versteuert worden.Das ist Neidpolitik und nicht Anerkennungskultur.
Warum begreifen wir nicht endlich, dass es etwasSchönes für unser Land ist, wenn Menschen etwasschaffen, dass wir das anerkennen sollten und daraufnicht immer mit solchem Neid zu reagieren haben?
Bürgerversicherung, das ist Ihre Politik.
Bei allem Respekt: Ich wäre wirklich dankbar, HerrPräsident, wenn hier die Regeln eingehalten würden. AndWbvghwWDncgSucKAcwfwgicDDVdvmsHg–zd
ie sind der Überzeugung, meine sehr geehrten Damennd Herren, dass mit der Einführung einer Bürgerversi-herung auch das Prinzip der Zwangsmitgliedschaft inassen weiter ausgedehnt wird. Das legen Sie doch vor.
nstatt dafür zu sorgen, dass aus der gesetzlichen Versi-herungspflicht endlich eine Pflicht zur Versicherungird, wo der einzelne Arbeitnehmer von echter Vertrags-reiheit profitieren und auswählen kann,
ollen Sie dafür sorgen, dass das Prinzip monopolarti-er Kassenstrukturen noch weiter ausgedehnt wird. Dasst ein ganz großer Fehler. Wir brauchen vielmehr Versi-herungswahlfreiheit und keine neue Zwangskasse à laDR.
eshalb bitte ich Sie: Verabschieden Sie sich von Ihremorschlag einer solchen Bürgerversicherung. Das würdeieses Gesundheitssystem belasten und uns nicht nachorne bringen.
Ich möchte zum Schluss noch einige unserer Argu-ente zur auswärtigen Politik – darüber wird ja an-chließend auch noch im Rahmen der Debatte über denaushalt des Auswärtigen Amtes gesprochen – ebenfallsanz ruhig und sachlich vortragen.
Unsere Zuschauerinnen und Zuschauer merken eswar nicht, aber das Problem ist, dass man als Rednerann, wenn die Geräuschkulisse der Regierungsfraktio-
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6719
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Dr. Guido Westerwellenen extrem hoch ist, automatisch auch ein wenig lauterwird. Aber zur politischen Kultur braucht man an dieserStelle nicht mehr viel zu sagen.
Herr Bundeskanzler, Sie haben in Ihrer Rede aucheine bemerkenswerte Einfügung zur Europapolitik ge-macht. Sie haben am Anfang Ihrer Rede Herrn Glos da-für gewürdigt, dass er sich von den Äußerungen des Kol-legen Bosbach distanziert hat.
Dabei haben Sie aber verschwiegen, dass von Regie-rungsseite, nur mit umgekehrtem Vorzeichen, genau das-selbe gesagt worden ist.
Als Liberaler sage ich hingegen: Wir Liberale sind derÜberzeugung, dass die furchtbaren Terroranschläge inder Türkei weder ein Grund sein dürfen, die Türkei indie Europäische Union aufzunehmen, noch können sieein ausreichender Grund dafür sein, die Türkei von derEuropäischen Union auszuschließen. Was zählt, sind ob-jektive Kriterien. Die müssen erfüllt sein. Davon ist dieTürkei noch ein riesiges Stück Weg entfernt.
Sie, Herr Bundeskanzler, werden also mit Sicherheit indie Geschichte eingehen – davon kann man ausgehen –,und zwar als jemand, der es geschafft hat, Deutschlandinternational in der Tat zum Schlusslicht zu machen. Dasist das Ergebnis von fünf Jahren Rot-Grün.
Dass Sie so wenig die geschichtlichen Zusammenhängekennen, dass Sie noch nicht einmal vor der Infragestel-lung des Euro und des Währungsvertrages, also Funda-menten unseres Europas, Halt machen, ist außerordent-lich gefährlich.
Sie haben damals den Euro als kränkelnde Frühgeburtbezeichnet. Sie machen nun eine solche Politik, als woll-ten Sie im Nachhinein dafür sorgen, dass Sie Recht be-halten.
Das steht einem deutschen Bundeskanzler und einerBundesregierung nicht gut zu Gesicht. Besinnen Sie sichauf Ihre Verantwortung für Deutschland! Besinnen Siesich darauf, welche Rolle Sie als Bundeskanzler in derEuropäischen Union haben. Dann bekommen Sie auchdie Unterstützung dieses Hauses. Aber für Ihre Schul-den-, Bürokratie- und Steuererhöhungspolitik bekom-mgBllülsAüFrSsaBdSsAwh5lndVSDwBDzsz
Ich erteile das Wort Kollegin Krista Sager, Fraktion
ündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kol-ege Westerwelle, es ist doch wohl eine Selbstverständ-ichkeit und wird niemanden in diesem Hause ernsthaftberraschen, dass die Grünen Arbeit und Beschäftigungieber mit Klimaschutz und erneuerbaren Energienchaffen als mit Steinkohle.
uf der anderen Seite wird es wohl auch niemandenberraschen, dass unser roter Koalitionspartner in derrage, wie schnell Arbeitsplätze in der Steinkohleförde-ung abgebaut werden sollen, etwas mehr auf eineowohl-als-auch-Strategie setzt als wir Grüne. Natürlichind das Themen, über die wir reden müssen. Aber dassusgerechnet die FDP bei diesem Thema derart dieacken aufbläst, erklärt sich angesichts Ihrer Politik iner Vergangenheit nicht von alleine.
ie haben in diesem Land doch sogar einmal den Wirt-chaftsminister gestellt – im Gegensatz zu den Grünen.ls Herr Rexrodt Wirtschaftsminister in diesem Landear,
aben Sie die Steinkohle jährlich mit umgerechnetMilliarden Euro gefördert. Heute sind wir bei 2,1 Mil-iarden Euro. Das ist doch ein Unterschied.Heute geht die Debatte darum, wie wir den Abbau fi-anzieren und wann wir wie schnell bei unter 2 Milliar-en Euro landen. Sie haben sich in Ihrer Zeit, als Sieerantwortung in diesem Lande getragen haben, bei derteinkohle keinesfalls mit Ruhm bekleckert.
as wundert mich auch gar nicht. Denn immer dann,enn es schwierig wird, verdrücken Sie sich doch in dieüsche.
as haben wir doch gerade dieses Jahr wieder erlebt.Natürlich ist es nicht einfach, von 36 000 Arbeitsplät-en auf 20 000 herunterzugehen. Das ist für die Men-chen nicht einfach. Wenn Sie dagegen Entscheidungenu treffen haben, die schwierig werden – wie bei der
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6720 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Krista SagerGesundheitsreform und bei der Handwerksordnung –,machen Sie Ihre typische Klientelpolitik.
Herr Westerwelle, bei der Klientelpolitik, die Sie beider Gesundheitsreform machen – Sie halten die Handimmer nur über Ihre Schützlinge, die „Leistungserbrin-ger“ –, wundert es mich gar nicht, dass Sie auch gegen-über der Bürgerversicherung skeptisch sind.
Ihr Modell läuft doch darauf hinaus, im Gesundheitssys-tem, das solidarisch finanziert wird, zu verhindern, dassdie Effizienzreserven gehoben werden. Auf der anderenSeite wollen Sie sich als Besserverdienender aus genaudiesem System verabschieden. So stellen wir uns Solida-rität in der Tat nicht vor.
Da wir gerade bei der Energiepolitik waren, ein Wortzu Ihnen, Herr Glos: Bei Ihnen in Bayern scheint es ir-gendwie nicht angekommen zu sein, dass die großeMehrheit der Menschen in Norddeutschland – und nichtnur in Norddeutschland – heilfroh ist, dass der Alt-reaktor in Stade endlich vom Netz geht.
Das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen! Wenn Siesich hier hinstellen und diesem Altreaktor in Stade hin-terherweinen, dann bestätigen Sie die Menschen dochnur in ihrer Überzeugung, dass es ein Heil für diesesLand ist, dass Sie Ihre Atompolitik nicht mehr fortsetzenkönnen.
Die Altlasten, die Sie uns mit Ihrer Politik aufgebürdethaben, werden noch Generationen beschäftigen. Aberdass Sie sich hier hinstellen und dem Reaktor in Stadehinterherweinen, das geht an den Realitäten in diesemLande ziemlich weit vorbei.
Herr Glos, ich will Ihnen noch etwas sagen. DerKanzler hat sich Ihnen gegenüber ja freundlicherweisesehr pädagogisch verhalten nach dem Motto: Lern-erfolge unterstützen. Ich muss sagen: Zu der Art undWdimPswMgmABWmadDrtbsddwsnzdfFImdak
Auch Frau Merkel hat am Wochenende ihr Talent be-iesen, Appelle an die falsche Adresse zu richten. Frauerkel, Sie haben mit Blick auf den CSU-Vize Seehoferesagt: „Solidarität ist nicht nur ein Wort, jeder von unsuss sie leben.“ Dieses Wort hätten Sie einmal an diedresse von Herrn Bosbach richten müssen. Herrosbach hat in einer wirklich unverschämten Art undeise die Terrorangriffe für eine Angstkampagne instru-entalisiert,
ls doch die Menschen in der Türkei Anspruch auf Soli-arität und Mitgefühl hatten.
ie Menschen in der Türkei sind doch gerade wegen ih-er Westorientierung, wegen ihrer europäischen Orien-ierung Opfer eines Terrorangriffs geworden. Deswegenleibt es dabei: Wir werden Kontinuität in der europäi-chen Türkeipolitik bewahren. Und das heißt, es geltenie Kopenhagener Kriterien und sonst nichts.
Ich nehme die Äußerung von Herrn Bosbach aucheswegen besonders ernst,
eil deutlich zu erkennen war, dass diese wirklichchlimmen Äußerungen letztlich ein Reflex auf Ihre in-erparteilichen Probleme waren. Es hat sich doch ge-eigt,
ass Sie Ihre Probleme mit dem Fall Hohmann keines-alls gelöst haben, sondern dass sich in Ihrer Partei amall Hohmann Gräben aufgetan haben.
ch sage Ihnen ganz deutlich: Ein Nein zum Antisemitis-us ist das Mindeste, was ich von Ihnen erwarte. Aberas reicht nicht. Zum Nein gegen Antisemitismus gehörtuch ein Nein gegen Fremdenfeindlichkeit und Angst-ampagnen.
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Krista SagerFrau Merkel, Sie haben im Zusammenhang mit Ihreninnerparteilichen Problemen jetzt eine Patriotismusde-batte verlangt.
Ich behaupte, die Bürgerinnen und Bürger in diesemLand – erst recht gilt dies für Rot-Grün – brauchen vonIhrer Seite keinerlei Nachhilfeunterricht, wenn es um dieWertschätzung dieses Landes geht. Vor nur wenigen Mo-naten standen Sie vor der Nagelprobe, wie Sie es dennmit der Wertschätzung dieses Landes halten, als es näm-lich um die Frage ging, ob Deutschland in einen Kriegim Irak hineingezogen wird. Damals haben Sie diese Na-gelprobe auf Wertschätzung dieses Landes nicht genutzt,sondern verloren.
Meine Damen und Herren, auch noch ein Wort zumStabilitätspakt. Zwei Drittel der Mitgliedstaaten, HerrWesterwelle, und auch die große Mehrheit der kleinenMitgliedstaaten des Ecofin haben eine sehr eindeutigeEntscheidung zugunsten Deutschlands getroffen. Sie ha-ben das vor allen Dingen deshalb getan, weil unsere eu-ropäischen Nachbarländer die Anstrengungen, die wirmit den Strukturreformen vornehmen, hochgradig re-spektieren. Und sie haben es getan, weil sie aus eigenemInteresse die Konjunkturkomponente des Stabilitätspak-tes tatsächlich höher gewichten
und nicht Ihre Hoffnung bedienen, dass in einer Zeit, inder sich die Bundesregierung darum bemüht, eine ver-nünftige Konjunkturpolitik und eine vernünftige Konso-lidierungspolitik zusammenzubringen, diese Bemühun-gen dadurch kaputtgemacht werden, dass ihr nocheinmal 6 Milliarden Sparauflage aufgedrückt werden.Das wäre auch nicht im Interesse unserer europäischenNachbarn gewesen, weil die darauf hoffen, dass die wirt-schaftliche Entwicklung in Deutschland vorangeht; denndas bringt auch sie voran. Sie hingegen hoffen darauf,dass es mit diesem Land abwärts geht, weil Sie hoffen,dass es dann auch mit der Regierung abwärts geht.
Diese Rechnung wird nicht aufgehen.
DjuepgassKsgDnaahSulahdhgN–buEdmwaWwSSshDf
nd im Bundesrat im Vermittlungsverfahren steht, auchinmal fragen: Was hat eigentlich in dieser Zeit die Op-osition betrieben? Was Sie betrieben haben, haben wirestern gesehen. Im Bundestag setzen Sie beim Haushaltuf Arbeitsverweigerung und Obstruktion, im Bundesratetzen Sie auf Bremsen und Blockieren und ansonstentreiten Sie sich intern über Ihre eigenen untauglichenonzepte. Das ist auch für eine Oppositionspartei in die-en schwierigen Zeiten zu wenig. Das sage ich Ihnenanz deutlich.
as ist einfach zu wenig. Vor allen Dingen nimmt Ihneniemand in diesem Lande Ihre Krokodilstränen in Bezuguf die Finanzpolitik der Bundesregierung ab.Sie haben uns in Bezug auf eine seriöse Subventions-bbaupolitik ein Jahr lang nur Zeit gekostet und aufge-alten. Beim Steuervergünstigungsabbaugesetz hattenie die erste Chance, mit einem Paket Subventionsabbaund Einsparungen in der Größenordnung von 15,6 Mil-iarden zu erreichen. Wegen Ihrer Blockadepolitik sindm Ende nur 2,4 Milliarden herausgekommen und Sieaben sich selber noch wie die Helden gefeiert, obwohlie von Ihnen regierten Länder mit ihren eigenen Haus-alten längst mit dem Rücken an der Wand standen.
Dann hatten Sie in der Sommerpause eigentlich genü-end Zeit, sich zu sortieren. Jeder hat gedacht: Nach Ihreriederlage bei den Bundestagswahlen kommen Sie nunauch aus eigenem Interesse – langsam zur Vernunft. Sieekommen jetzt eine zweite Chance; denn Sie können mitns über das Regierungspaket, mit dem 30 Milliardenuro in drei Jahren eingespart werden sollen, verhan-eln. Aber da sitzen wir nun und warten auf Sie. Erstussten wir auf Sie wegen der Bayernwahl warten. Nunarten wir, weil es einen CDU-Parteitag gibt. So sieht esus.
ir werden wahrscheinlich bis nach Nikolaus auf Siearten müssen, weil Frau Merkel, Herr Merz, Herrtoiber, Herr Althaus und Herr Koch erst einmal in ihrentiefeln nachschauen müssen, ob sie da eine gemein-ame Strategie finden können.
Auch wenn Herr Merz uns jeden Tag von neuem dieohe Kunst des empörten Augenaufschlags vorführt:ass Sie hier ständig Konsolidierung und Einsparungenordern, aber im Bundesrat dasselbe verhindern, nimmt
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6722 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Krista SagerIhnen in diesem Land niemand mehr als seriöse Politikab. Das ist klar.
Was Ihnen ebenfalls niemand mehr als seriöse Politikin diesem Lande abnimmt, ist die Art und Weise, wie Siemit dem Thema steuerliche Entlastung der Bürgerin-nen und Bürger durch das Vorziehen der dritten Stufe derSteuerreform umgehen. Über dieses Thema müssen wirreden. Ich fand es interessant, wie schnell Herr Merz dieKurve gekriegt und erkannt hat, dass die Entlastung derBürgerinnen und Bürger mit Ecofin nichts zu tun hat.Das zeigt vielleicht seinen wiederkehrenden Realitäts-sinn, was zu begrüßen wäre. Aber dass Sie dieses ThemaEntlastung der Bürgerinnen und Bürger in politischeGeiselhaft für Ihre ideologischen Scharmützel bei derTarifautonomie und beim Kündigungsschutz nehmenwollen, hat auch nichts mit seriöser Politik zu tun. Daswird man Ihnen nicht durchgehen lassen.
Werfen wir einmal einen Blick auf die Konzepte derOpposition.
Mit Ihrer Kritik an der Politik der Regierung liegen Siemeistens daneben. Aber Sie liegen manchmal richtig,wenn es um die Kritik an Ihren eigenen Konzepten geht.Dass Sie an diesen Konzepten kein gutes Haar lassen, istfür uns nachvollziehbar. Herr Seehofer hat einfachRecht, wenn er feststellt, dass das Kopfpauschalenmo-dell der Herzog-Kommission unsozial ist,
da erstens der Hausmeister für seine Gesundheit dasGleiche bezahlen soll wie sein Chef und da zweitens dersoziale Ausgleich mit ungedeckten Steuerschecks finan-ziert werden soll. Das muss man einmal feststellen.
Frau Merkel, Sie beklagen, dass die CSU bean-sprucht, sozusagen das soziale Gewissen der Union zusein. Sie wollen es nicht zulassen, dass für Sie nur diemarktwirtschaftliche Komponente übrig bleibt. Viel-leicht liegt diese Aufteilung einfach daran, dass Sie ver-suchen, mit Konzepten hausieren zu gehen, bei denen je-der auf den ersten Blick merkt, dass Ihre Version, IhreVision von einer sozialen Marktwirtschaft wie ein ge-rupftes Huhn aussieht. Das will natürlich keiner.
Wenn sich dann noch Herr Laurenz Meyer
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ann hat der interne Streit der Schwestern auf der nachben offenen Eskalationsskala den Wert des Fallesohmann erreicht. Herr Laurenz Meyer, ich muss Ihnenanz ehrlich sagen: Ich wäre an Ihrer Stelle sehr vorsich-ig, den Eindruck zu vermitteln, als sei das Aussprechener Wahrheit in Deutschland schon so schlimm wie An-isemitismus.
as zeigt, welche Eskalationsstufe Sie bei Ihrem Streitrreicht haben.Ihr interner Streit um das Herzog-Konzept zur Ge-undheitsreform wird nicht beigelegt, sondern er ver-chärft sich noch, wenn Herr Merz sich einmischt. Wieollen eigentlich die Steuererleichterungen für die Bes-erverdienenden aus dem Merz-Konzept dazu beitragen,en sozialen Ausgleich für die Schwächeren, der imerzog-Konzept vorgesehen ist, zu finanzieren? Die Er-lärung würden wir gerne einmal hören.
ir leben ja in einer Zeit, in der Wunder sehr beliebtind. Wir hatten das Wunder von Bern und das Wunderon Lengede. Vielleicht erleben wir ja jetzt einmal einunder aus dem Sauerland. Aber auf eine Erklärungarten wir bis heute.
Wir haben einen Helden aus dem Sauerland. Aber Sieind uns das Wunder aus dem Sauerland noch schuldig.o sieht es aus.
Sie sollten sich nicht darüber wundern, dass nicht alleenschen in diesem Lande glauben, die Konzepte, dieie vorlegen, seien besonders vertrauenserweckend.
enn Ihre Konzepte können im Grunde nur dann funkti-nieren, wenn man vorher sämtliche Grundrechenartenußer Kraft gesetzt hat. So sieht es doch bei Ihrem Kopf-auschalenmodell und der Merz-Reform aus.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6723
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Lassen Sie uns noch einen Blick auf den Schwestern-streit im Bereich der Rente werfen.
– In der Tat, Herr Kauder: Oje! – Eines muss man Ihnendabei allerdings lassen: CDU und CSU leisten zumindesteinen kleinen Beitrag dazu, das Familienbild in Deutsch-land zu modernisieren. Was Sie nämlich hier als politi-sche Szenen einer Ehe vorlegen, stellt wirklich – somuss man feststellen – jeden Ingmar-Bergman-Film inden Schatten.
Die CDU-Frauen, besonders Frau Böhmer, haben ers-tens Recht, wenn sie sagen, der CSU-Vorschlag, der inder Rentenversicherung Strafbeiträge für Kinderlosevorsieht, spalte die Gesellschaft. Das ist richtig. Zwei-tens haben die CDU-Frauen richtig festgestellt, ein Fa-milienausgleich sei nur über das Steuersystem, an demsich auch Beamte und Selbstständige beteiligten, gerechtund nicht über die Rente.Jetzt stellt sich aber noch ein ganz anderes Problem– Sie beanspruchen ja, Familienpolitik zu machen –:Man kann im internationalen Vergleich feststellen, dassTransferleistungen an Familien – so gerecht sie auchsein mögen, wenn sie über das Steuersystem erfolgen –keinen Einfluss darauf haben, ob sich Frauen für einKind entscheiden. Denn was ist heutzutage das Haupt-problem der jungen Frauen? Das Hauptproblem ist,
dass sie nicht wissen, wie sie Kinder und Beruf untereinen Hut bringen sollen.
Wir haben die Leistungen für Familien seit 1998, seitdem Ende Ihrer Regierungszeit, um 48 Prozent gestei-gert. In Deutschland ist aber der Teil des Familien-lastenausgleichs, der über Geldleistungen erfolgt, mit71 Prozent sehr hoch, während der Teil, der in Dienst-leistungen, also in die Kinderbetreuung und Ähnliches,fließt, mit 29 Prozent sehr gering ist.
In den skandinavischen Ländern und in Frankreich istes umgekehrt. Da wird sehr viel mehr Aufwand dafür be-trieben, dass Frauen Familie und Beruf zusammenbrin-gen können, und sehr viel weniger für den direktenTransfer getan. Das Ergebnis in Bezug auf die Familien-politik und die Chancen für Frauen, Kinder und Beruf zu-sammenzuführen, ist dort offensichtlich deutlich besser.Ihre Familienpolitik funktioniert nach dem Schema:Wenn eine Tür, auf der „Drücken“ steht, nicht dadurchaSndznnFwtakmFFHvmddruhtihndisdGd2nufdDdFfmJhs
rau Merkel, Sie sind ja schon froh – das wissen wir –,enn Ihnen die Männer nicht in den Rücken fallen.
Trotzdem haben die Frauen nach der letzten Bundes-gswahl von Ihnen erwartet, dass die Hauptungerechtig-eit in der Familienpolitik von Ihnen einmal beim Na-en genannt würde. Die Hauptungerechtigkeit in deramilienpolitik ist, dass es bis zum heutigen Tage fürrauen keine Wahlfreiheit dahin gehend gibt, ob sie zuause bleiben wollen oder ob sie Kinder und Beruferbinden wollen. Wenn man einen Blick auf die beschä-ende Versorgungssituation bei den Ganztags- und Kin-erbetreuungsplätzen in den westdeutschen Flächenlän-ern wirft, dann sieht man, dass die Bundesregierungichtigerweise einen Schwerpunkt bei der Kinderbetreu-ng und der Einrichtung von Ganztagsschulen gesetztat und dass das der wichtigste Beitrag für mehr Gerech-gkeit in der Familienpolitik ist, den man heute über-aupt leisten kann. Da steht eine Klärung in Ihren eige-en Reihen noch aus.
In Bezug auf das Steuerkonzept von Herrn Merz, zuem Sie selber sagen, dass daran vieles unausgegorent, stelle ich fest: Wir haben seit 1998 eine Entlastunger Bürgerinnen und Bürger sowie der Betriebe in einerrößenordnung von 52 Milliarden Euro geleistet. Alleinie zweite und die dritte Stufe der Steuerreform bringen2 Milliarden Euro. Angesichts dessen soll man jetzticht so tun, als handele es sich dabei um eine kleine undnbedeutende Fingerübung.
Diese Regierung ist sehr dafür, über weitere Verein-achungen des Steuersystems zu reden. Wir sind sehrafür, einen Beitrag für mehr Steuergerechtigkeit ineutschland zu leisten. Ich sage aber auch eines ganzeutlich: Wenn wir es mit den Prioritäten bei Bildung,orschung und Entwicklung sowie einer modernen In-rastrukturpolitik ernst meinen, gibt es keinen Spielraumehr für zusätzliche Nettoentlastungen in den nächstenahren. Das muss ganz deutlich gesagt werden, weil Sieier den Bürgerinnen und Bürgern Sand in die Augentreuen.
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6724 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Krista SagerFrau Merkel, der Bundeskanzler hat Sie darauf ange-sprochen: Sie haben jetzt eine einmalige Chance, IhreWertschätzung für dieses Land zum Ausdruck zu brin-gen, und zwar durch die Taten, die vor Weihnachten an-stehen.
Unterstützen Sie uns endlich dabei, die notwendigenStrukturreformen, den Subventionsabbau, die Entlastungder Bürgerinnen und Bürger und die bessere Finanzaus-stattung der Kommunen in diesem Lande voranzubrin-gen. Wir sind dabei. Wir haben unseren Beitrag geleistet.Jetzt sind Sie gefragt. Nutzen Sie endlich diese Chance,dann nehmen wir Ihnen die Wertschätzung für diesesLand vielleicht ab.
Das Wort hat nun die Vorsitzende der CDU/CSU-
Fraktion, Dr. Angela Merkel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! HerrBundeskanzler, lassen Sie mich vorweg die folgende Be-merkung machen. Sie haben scheinbar generös zu denÄußerungen von Michael Glos gesagt, Sie seien ausge-sprochen erfreut, dass hier bestimmte Klarstellungen inBezug auf einen Zusammenhang zwischen der Mitglied-schaft der Türkei in der EU und den schrecklichenTerroranschlägen erfolgt sind. Sie haben dann das, wasSie immer machen, wieder getan: Sie haben nämlichscheinheilig Ihr Einverständnis erklärt und hintenrumsofort wieder nachgekartet.
Herr Bundeskanzler, das kann nicht der Ton sein, in demein Regierungschef hier in diesem Hause argumentiert.
Ich sage deshalb noch einmal ganz deutlich: Es gibtkeinen einzigen Kollegen in unserer Fraktion, auch nichtWolfgang Bosbach, der einen inneren Zusammenhangzwischen einer Nichtmitgliedschaft der Türkei und denextremistischen Anschlägen dort hergestellt hat. Das istwahr. Das hat der Kollege Bosbach deutlich gemacht.
Es gibt keinen Grund, dies zu sagen, genau so, wie esaus meiner Sicht auch keinen Grund gibt, zu sagen – wiees Mitglieder Ihrer Regierung gemacht haben –,
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onst kommen wir in diesem Lande nicht weiter.Zu Ihrer Rede, Herr Bundeskanzler,
age ich: Politik beginnt mit dem Betrachten der Reali-ät. In Ihrer 34-minütigen Rede hier vor dem deutschenarlament haben Sie von der Realität des Jahres 2003erdammt wenig durchblicken lassen.
as erinnert mich an das, was Ihr Möchtegerngeneralse-retär Gabriel zu dem SPD-Parteitag gesagt hat.
r hat nämlich gesagt: Das ist hier eine gespenstischeeranstaltung. – Genau daran fühle ich mich erinnert,err Bundeskanzler.
Eine Verklärung der Realitäten hilft uns im Jahr 2003n Deutschland mit Sicherheit nicht weiter. Sie und Ihreesamte Regierungsmannschaft neigen aber zur Verklä-ung. Einer Ihrer Erfolgsminister, der Verkehrsministertolpe, hat Sie, Herr Bundeskanzler, neulich sogar einenelden genannt, weil Sie über Probleme nicht nur spre-hen, sondern diese auch anpacken.
cott Fitzgerald hat einmal gesagt: „Wer mir einen Hel-en zeigt, dem zeige ich eine Tragödie.“ Herr Bundes-anzler, was Sie machen, ist eine Tragödie für diesesand. Fünf Jahre lang gab es eine Tragödie für Deutsch-and.
Herr Bundeskanzler, Sie sollen auf dem SPD-Partei-ag angeblichen Intriganten in Ihrer eigenen Partei zuge-ufen haben: Ich mache euch fertig!
ieser Ausspruch macht in den deutschen Zeitungen dieunde. Heute steht in der „Berliner Zeitung“, die nichtls Hauspostille der Opposition gilt:Gebe Gott, dass die Deutschen diese … wütend da-hingesagte Sentenz des Kanzlers nicht eines Tagesals viel weiter reichendes Orakel entschlüsselnmüssen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6725
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Dr. Angela MerkelDieser Satz macht sehr schön das Thema deutlich, überdas wir zu sprechen haben. Wir stehen am Scheidewegund müssen zusehen, wie wir nach vorne kommen; auchich bin dieser Meinung.
Vor diesem Hintergrund muss ich mich aber fragen,wie Sie mit diesem europäischen Pakt, der die WorteStabilität und Wachstum im Titel trägt,
umgehen. Wir sind uns doch einig, dass Europa unsereZukunft ist.
Sie, Herr Bundeskanzler, haben in den letzten Tagenaber nichts anderes gemacht – Ihr Finanzminister hat dasausgeführt –, als sich ganz systematisch am Erbe derDeutschen Mark zu versündigen.
Diese Problematik haben Sie heute darauf reduziert, dassman sich mit der Kommission doch auch einmal streitendürfe. Natürlich kann man sich mit der Kommissionstreiten. Es gibt viele Bereiche, über die man sehr unter-schiedlicher Meinung sein kann. Sie haben die Chemie-richtlinie genannt, ich kann zum Beispiel noch die UVP-Richtlinie und die FFH-Richtlinie hinzufügen; das ist garkein Problem. Es gab schon immer Fragen, bei denenwir unterschiedlicher Meinung waren, und es wird sieimmer geben.
Hier geht es um etwas ganz anderes: Ein großer Teil desErfolges dieses Landes gründet sich auf den Erfolg einerstabilen D-Mark. Dieses Land hat aus guten Gründen dieDebatte über einen Stabilitäts- und Wachstumspakt an-geregt und ihn in Geltung gebracht. Ich frage mich: Wa-rum fängt ausgerechnet dieses Land an, sich zu zoffen,droht der Kommission und setzt sich einfach über dieVereinbarungen hinweg, nur weil die Realitäten in die-sem Land nicht zu den Kriterien passen, die den Pakt ei-gentlich ausmachen? Darüber streiten wir.
Herr Eichel, Sie haben es sehr trickreich angestellt:Sie haben das Verfahren über die Sanktionen außerKraft gesetzt und haben stattdessen Versprechungen ab-gegeben. Dabei haben Sie aber gleich die Hintertür offengelassen und haben die Versprechungen so formuliert,dass sie an Wachstumsraten gebunden sind.
Das fesselt die Kommission. Denn wenn das Wachstumnicht eintritt, sind Sie frei, das Sanktionsverfahren ist un-terbrochen und die Leier geht von vorne los.Herr Bundeskanzler, wir kommen nun zu einem wirk-lich spannenden Thema. Was bedeutet Patriotismus?Bedeutet Patriotismus, wie ein Karnickel auf dieSekgrDzPs–wssnsAhsazDsdsKCP5DmEtdez
Sie haben doch davon gesprochen, dass der Anteileutschlands am Wachstumspotenzial in Europa 30 Pro-ent ausmacht. Deshalb ist es doch unsere nationaleflicht, im Sinne der europäischen Erfolgsgeschichte un-eren Beitrag dazu zu leisten.
Herr Poß, deswegen müssen wir nicht zustimmen. Dasar wieder eine Ihrer genialen Bemerkungen. Wir müs-en uns stattdessen darüber verständigen, was die aus-ichtsreichsten Schritte sind, um genau das zu erreichen.
Es ist doch ganz unbestritten, dass das jetzt für dasächste Jahr prognostizierte Wirtschaftswachstum daschlechteste und wankendste ist, welches es nach einembschwung in einer Aufschwungphase jemals gegebenat. Hinzu kommt – das können Sie doch gar nicht ab-treiten –, dass ein Drittel dieses mageren Wachstumsuch noch auf die günstige Konstellation der Feiertageurückzuführen ist.
eshalb war es doch richtig, dass der Bundeswirt-chaftsminister auf dem SPD-Parteitag gesagt hat,
ass es nichts gibt, was darauf hinweist, dass der wirt-chaftliche Aufschwung in Deutschland aus eigenerraft erreicht wird. Das war eine Aussage von Herrnlement. Der Dank für diese Ehrlichkeit auf dem SPD-arteitag war ein wundervolles Wahlergebnis von6 Prozent.
as ist Ihre Haltung zu den Realitäten in Deutschland,eine Damen und Herren von der Sozialdemokratie.
Wir alle freuen uns darüber, dass wenigstens durch denxport ein vernünftiger Beitrag zum Wirtschaftswachs-um geleistet werden kann. Dennoch empfehle ich wie-er, das, was der Sachverständigenrat dazu gesagt hat,inmal zu lesen. Der Export steigt weltweit um 7,4 Pro-ent, während der Export bei uns um 4,8 Prozent steigt.
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6726 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Dr. Angela MerkelDas heißt, selbst in dem erfolgreichsten Bereich, den wiraufweisen können, fallen unsere Anteile am Weltmarktzurück. Das genau ist das Problem. Wir müssen wiederein größeres Stück Kuchen vom Wachstum der Welt ab-bekommen. Ansonsten kommen wir in diesem Landenicht voran.
Herr Bundeskanzler, Sie haben über Schicksale imKohlebergbau gesprochen. Ich nehme das so hin. Siereduzieren dort, jawohl. Ich hätte aber erwartet, dass Siedarauf hinweisen, dass wir unter erheblichen Widerstän-den mit dieser Reduktion begonnen haben.
Man kann fragen, wo die einzelnen Mitglieder der jetzi-gen Regierung damals waren.
Wir hatten alle Mühe, überhaupt in das deutsche Parla-ment in Bonn hineinzukommen. Aber sei’s drum, Sie ha-ben diesen Weg fortgesetzt. Wir sagen, Sie setzen ihnnicht konsequent genug fort. Hier könnte mehr getanwerden.
Sie sprachen dann von 16 000 Arbeitsschicksalen von2007 bis 2012. Hätten Sie doch einmal ein Wort darüberverloren, wie viele Arbeitsplätze im letzten Jahr verlo-ren gegangen sind! Im letzten Jahr gab es unter IhrerRegierung 600 000 weniger Beschäftigte. Das ist dieWahrheit.
Nur damit Sie es nicht selbst ausrechnen müssen: Dassind nicht 16 000 in fünf Jahren, sondern 50 000 proMonat. Das ist Deutschland im Jahre 2003.Daraus resultieren natürlich unsere Probleme. Des-halb stellt sich die Frage, was man tun muss und mitwelcher Kraft man es tun muss.
Herr Bundeskanzler, Sie haben in dieser Woche ein sehraufschlussreiches „Spiegel“-Interview gegeben.
Auf die Frage, ob Sie die Agenda 2010 nicht auf demHöhepunkt des Aufschwungs hätten durchsetzen müs-sen, haben Sie gesagt:Objektiv hätte man es da machen müssen. Aberdurchsetzbar in einer pluralen Gesellschaft sind sol-che Eingriffe erst mit der Erfahrung, dass es um denWohlstand geht.Herr Bundeskanzler, was heißt das denn?
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amit Sie überhaupt erst einmal anfangen, ansatzweiseas Richtige zu tun.
enau das ist der Grund, warum Deutschland gegenübernderen Ländern schlechter dasteht. Regierungen ande-er Länder handeln vorausschauend und lösen ein Pro-lem schon, bevor es in voller Schärfe auch dem Letztenm Lande klar geworden ist. Diese Länder sind erfolg-eich. Wir sind es nicht, weil Sie mit dieser Truppe nichtu Potte kommen. Das ist der Grund!
Es ist vollkommen klar, dass in einer Phase der Ver-nderung – wir befinden uns in einer Zeit der Verände-ung, darüber brauchen wir gar nicht zu reden – das Ver-rauen der Menschen nötig ist.
oher soll denn bitte schön dieses Vertrauen kommen?er Finanzminister stellt kurz vor Jahresschluss einenachtragshaushalt vor – über die Rolle des Parlamentsls eine Art Notariat wollen wir gar nicht reden – und er-lärt der staunenden Bevölkerung, dass er statt 19 Mil-iarden Euro neue Schulden nicht 1, 2, 10 oder 20 Mil-iarden Euro mehr, sondern 43 Milliarden Euro neuechulden macht.
as müssen Sie sich zu diesem Zeitpunkt einmal vorstel-en: Die Leute, die das hören, müssen immer neue Kür-ungen hinnehmen. Sie bekommen kein Weihnachts-nd kein Urlaubsgeld mehr. Gleichzeitig sehen sie, wieer Finanzminister – völlig unprognostizierbar wie beimottospiel – wie Zieten aus dem Busch der deutschenffentlichkeit einen Nachtragshaushalt präsentiert.
ie wollen Sie auf diese Weise Vertrauen gewinnen?as ist so, als wenn Sie bei einer Bank einen Kredit auf-ehmen und diesen plötzlich um 130 Prozent überzie-en. Jeder in diesem Lande ginge Pleite und könnte nichtehr mitmachen. Das ist so, als wenn eine Hausfrau ei-en Etat von 1 900 Euro hat und plötzlich 4 300 Eurousgibt. Das kann keiner machen; nur Sie, Herr Eichel,un es. Dafür bekommen Sie für Ihre Politik kein Ver-rauen in diesem Lande.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6727
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Dr. Angela Merkel
Ich könnte Ihren Streit mit der Kommission nochnachvollziehen, wenn die konjunkturbereinigten Da-ten in Deutschland anders aussähen.
Aber, Herr Bundeskanzler – Sie werden das sicherlichbeim Sachverständigenrat nachgelesen haben –: Auchdie konjunkturbereinigten Daten des Defizits zeigen,dass das Defizit von 1999 von minus 1,5 Prozent biszum Jahre 2003 auf minus 3,5 Prozent beständig ange-stiegen ist.
Das, was Sie uns immer weismachen wollen, dass das al-les nur ein Konjunktureffekt ist, stimmt eben nicht.
Ich sage Ihnen: Das beunruhigt die Kommission mitRecht. Gerade konjunkturbereinigt müssen die Zahlenbesser werden.
Nun komme ich zu den Steuern. Die Steuern sind mitSicherheit genau das Gebiet, an dem sich zeigt, inwie-weit der Bürger seine Regierung versteht.
Dass wir das Steuervergünstigungsabbaugesetz verhin-dert haben, um die Leute nicht noch mehr zu belasten,war richtig.
Dass Sie auf Ihrem Parteitag eine Erbschaftsteuererhö-hung beschlossen haben, ist Gift für Deutschland. Das istunsere Überzeugung.
Herr Gabriel hat auf dem SPD-Parteitag vergeblich ver-sucht, wieder eine Erhebung der Vermögensteuer zu er-reichen. Das hat heute früh der Grünenpolitiker Trittinnachgeholt und eine Erhöhung der Vermögensteuer um1 Prozent gefordert. Auch das halten wir in dieser Zeitfür Gift für dieses Land.
Sie werden uns nicht davon abhalten können, dass wirdiese Ansicht auch im Vermittlungsausschuss weiter ver-treten. So, wie Sie Ihre Meinung sagen, sagen auch wirunsere Meinung.
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Wenn Sie uns schon nicht glauben, dann lassen Siens doch bei den Sachverständigen nachlesen, die Sieich ausgesucht haben.
as sagt der Sachverständigenrat dazu? Ich zitiere:Es ist vor allem kein konsistentes Leitbild erkenn-bar, an dem sich die Steuergesetzgebung ausrichtet.
Dieses steuerpolitische Chaos verstärkt … die Un-sicherheit bezüglich der zukünftigen Einkommens-entwicklung und Ertragserwartungen und ist Giftfür einen robusten Aufschwung aus eigener Kraft.
ie Wirtschaftsinstitute nennen das in ihrem Herbstgut-chten zusammenfassend: „Finanzpolitik auf Zuruf“. Sontsteht kein Vertrauen in den Aufschwung. Deshalberlangen wir von Ihnen, dass Sie es anders machen,err Bundeskanzler. Das ist unser Ziel.
Herr Eichel hat gestern dankenswerterweise –
das müssen Sie an dieser Stelle auch sagen, Herr Poß,eil Sie so viel Unsinn zur merzschen Steuerreform ge-agt haben, dass man es nicht fassen kann –
inen relativ abgewogenen Satz zu den Vorschlägen vonriedrich Merz gesagt. Er hat allerdings einen Fehler ge-acht: Herr Eichel möchte nämlich einen großen Teiler Steuersubventionen und der Steuervergünstigungenetzt verbraten, weil er einen nicht konsolidierbarenaushalt hat.
amit entzieht er Deutschland jedes Fundament für eineernünftige und transparente Steuerreform.
Herr Bundeskanzler, aus diesem Grunde streichen wiricht beliebig und wahllos alle Steuervergünstigungen.
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6728 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Dr. Angela Merkel– Für diejenigen, die es bisher noch nicht verstanden ha-ben, Frau Sager, sage ich noch einmal: Koch/Steinbrückwird von uns allen akzeptiert,
das ist keine Frage, das wissen Sie auch aus dem Ver-mittlungsausschuss. Erzählen Sie hier keinen Stuss!
Es muss aber noch etwas übrig bleiben, sonst gibt eskeine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage, umwirklich das zu machen, was die Menschen im Landwollen. Die Menschen wollen ein durchschaubares Steu-ersystem, denn die Frage lautet: Verstehe ich meinenStaat, geht es in meinem Staat gerecht zu? Ja oder nein?
Dafür werden wir mit aller Kraft eintreten.
Herr Bundeskanzler, Sie werden uns eines Tages dank-bar sein, dass wir uns durchgesetzt haben.
Nun kommen wir zu dem von Ihnen kreiierten Ge-danken, wir müssten die letzte Stufe der Steuerreformvorziehen.
Sie werden uns sicherlich Recht geben: Es ist durch dieEskapaden der letzten Tage in Brüssel bestimmt nichteinfacher geworden. Dennoch hat all das, was wir gesagthaben, immer noch Bestand.
Wir wollen nicht 90 Prozent auf Pump. Falls wir die Fi-nanzierung der ungefähr 75 Prozent, die wir anvisiert ha-ben, erreichen
und Sie dazu einen anständigen Vorschlag machen,
dann hätten Sie, Herr Bundeskanzler, gleich zwei Flie-gen mit einer Klappe geschlagen. Damit hätten wir näm-lich die Auflagen von Brüssel erfüllt und gleichzeitigeine solide Finanzierung der Steuerreform zuwege ge-bsntvASZrIWFmDBgMhhwIldnWDumSfgsrbPd
Herr Bundeskanzler, wir sind uns doch sicherlich ei-ig: Obwohl die Wirtschaftssachverständigen ganz un-erschiedliche Meinungen dazu haben, erhoffen Sie sichom Vorziehen der Steuerreform einen Impuls für denufschwung und die Nachfrage.
ie, Herr Bundeskanzler, sagen heute, unsachgemäßeusammenhänge zwischen Nachfrageimpuls und ande-em dürfen nicht hergestellt werden.
ch erinnere Sie daher an Ihre Worte vom 14. März:Beides bedingt einander: Ohne Strukturreformenverpufft jeder Nachfrageimpuls.
ir sagen nichts anderes.Ich habe heute Morgen zugehört, als Herr Schmidt imrühstücksfernsehen gesagt hat, es gäbe keinen Zusam-enhang und es würde ganz harte Verhandlungen geben.azu sage ich Ihnen, wir werden dann auch nicht hintermerg halten; denn wir haben Ihnen schon so vieles durch-ebracht, wovon Sie jetzt profitieren, ich nenne nur dieinijobs. Wenn Sie nicht mit dieser Art von Debatte auf-ören, wie Herr Schmidt sie heute Morgen wieder geführtat und wie auch Sie sie haben anklingen lassen, werdenir ganz deutlich machen, wer in diesem Land blockiert.
hre Blockaden sind ideologisch motiviert und Sie wol-en bestimmte Dinge nicht durchgehen lassen. Das scha-et dem Land. Das werden wir weiterhin beim Namenennen.
er Wachstum will, muss mit Investitionen anfangen.ie Investitionsquote liegt unter 10 Prozent. Wir sindns sicherlich einig, dass das alles andere als ein Ruh-esblatt ist.
ie haben mit Ach und Krach wenigstens bei den Groß-orschungseinrichtungen bis zum jetzigen Zeitpunkt dasehalten, was Sie voriges Jahr versprochen hatten. Aberchon wieder läuft Frau Schmidt mit dem Geldbeutel he-um und will Mittel aus dem Forschungsministerium ha-en. Auch da wird schon wieder gekürzt. Es gibt keinelanungssicherheit für die innovativen Unternehmen iniesem Lande.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6729
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Dr. Angela MerkelÜber die Steinkohle wollen wir nicht sprechen, überdie Maut spricht ganz Deutschland. Sie ist sicherlichnicht zum Wohle dieses Landes. Die Vignette abge-schafft, die Maut nicht eingeführt, Straßenbauprojektestehen still, und dann sagen Sie, Sie wollten etwas fürArbeitsplätze machen. Uns gehen im nächsten Jahr Mil-liarden und Abermilliarden verloren, die für Investitio-nen, auch für neuartige Investitionen, nicht zur Verfü-gung stehen. Das ist die Realität der Arbeit IhresVerkehrsministers.
Es hilft auch nichts, dass Sie Heftchen in der Art einerroten Mao-Bibel mit der Überschrift „Deutschland be-wegt sich“ herausgeben,
weil ganz Deutschland sieht, dass nicht nur die Ver-kehrspolitik stecken geblieben ist, sondern vieles andereauch. Was ist denn mit der grünen Gentechnologie, ei-ner erwiesenermaßen forschungsfreundlichen, entwick-lungsfähigen Branche? Herr Bundeskanzler, ich unter-stütze Sie bei allem,
was noch auf uns zukommen wird, auch wenn Sie mitder Kommission im Clinch liegen. Sie sind aber vor al-lem im Clinch mit dem Umweltminister über die Allo-kationspläne bezüglich der CO2-Emissionen inDeutschland. Das wird, wenn wir es nicht richtig ma-chen, der Supergau für die Entwicklung Europas undinsbesondere Deutschlands, was die energieintensive In-dustrie anbelangt.
Ich fordere Sie angesichts des guten Verhältnisses, dasSie zu Russland haben, klar auf, der russischen Regie-rung zu sagen, dass es nicht in Ordnung ist, wenn sie dieamerikanische Linie verfolgt und sich um die Beschlüssevon Kioto nicht mehr kümmert.
Das Kioto-Protokoll ist wirkungslos, wenn Russlandund die Vereinigten Staaten von Amerika es nicht umset-zen und Europa für das Jahr 2012 für die Branche XYheute schon die Allokationspläne für die CO2-Emissio-nen macht. Dann können Sie sich das Lissabon-Ziel,
Europa zum dynamischsten Kontinent in den nächstenzehn Jahren zu machen, hinter den Spiegel stecken. Da-rüber lacht die Welt und wir sind die Benachteiligten.Das ist die Wahrheit und darüber müssen wir sprechen.
Jetzt komme ich zu den Befreiungsschlägen auf demArbeitsmarkt. Wenn Herr Clement auf der Regierungs-bank sitzt, mag man über die Ausbildungsplatzabgabegar nicht sprechen, weil sie ihn so traurig stimmt. Aberwir können es ihm nicht ganz ersparen. Glauben Sie ei-gentlich, dass Herr Solbes und Herr Prodi, wenn sie sichdasrgdghMrsdssAbmMrnuhMdIdkrDSwesazdlsHcE
nd meine Fraktion auch nicht.
Neulich auf der Betriebsrätekonferenz – auch ichatte die Ehre, daran teilzunehmen – war Herrnüntefering die Erleichterung darüber anzumerken,ass er nach zwei schwierigen Gewerkschaftstagen vonG Metall und Verdi den Genossinnen und Genossen unden Betriebsrätinnen und Betriebsräten verkündenonnte: Mit uns wird die Tarifautonomie nicht ange-ührt; darauf könnt ihr euch verlassen!
as ist prima. Ich weise aber darauf hin, dass so dietrukturreformen in Deutschland nicht durchgesetzterden. Das ist unsere Meinung.
Herr Bundeskanzler, auch in diesem Zusammenhangmpfehle ich Ihnen, Ihre Rede vom 14. März nachzule-en. In dieser Rede hörte sich das nämlich alles andersn. Entweder es gibt eine wirklich griffige Vereinbarungwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften oder, wennas nicht der Fall ist, Sie müssen jetzt handeln. Angeb-ich steht ja die Stunde der Entscheidung an. Wie langeollen wir eigentlich noch darauf warten? Herr Solbes,err Prodi und die europäischen Staats- und Regierungs-hefs wollen jedenfalls nicht länger warten.
ntweder Sie setzen das um, was Sie angedeutet haben,
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6730 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Dr. Angela Merkeloder wir schaffen eine gesetzliche Regelung – wir habeneinen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht –, vonder wir erwarten, dass sie zu einer substanziellen Verän-derung des deutschen Arbeitsrechts führt, die wir fürrichtig und notwendig halten.
Herr Bundeskanzler, wir erwarten auch eine prakti-kable und vernünftige Regelung zur Zusammenlegungvon Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Uns sind die Pro-bleme insbesondere in den neuen Bundesländern be-kannt. Wir werden eine realistische Verhandlungslinieeinschlagen. Aber Sie können nicht ernsthaft erwarten,dass wir hinsichtlich der Zumutbarkeit zulassen, dass dieuntertariflich bezahlte Beschäftigung, die heute für einenArbeitslosengeldempfänger üblich ist, für die Empfän-ger des Arbeitslosengelds II plötzlich nicht mehr geltendarf, nur weil einige von Ihnen noch alten Ideologien an-hängen. Es ist völlig undenkbar, dass wir das mittragen.Das muss in diesem Hause auch deutlich gemacht wer-den.
Gestern wurde über die Strukturreformen in denSozialsystemen gesprochen. Wir haben mit Ihnen zu-sammen kurzfristig ein Reformpaket verabschiedet, weilwir uns der Verantwortung stellen und mitmachen.
Herr Eichel hat gestern wieder darüber geschimpft, wel-che Partikularinteressen wir seiner Ansicht nach vertre-ten. Ich kann zwar aus Ihrer Warte heraus verstehen,dass Sie den Fremdbesitz von Apotheken ermöglichenwollen. Das ist Ihr gutes Recht. Wir wollen das abernicht. Deshalb haben wir uns auf einen vernünftigenKompromiss geeinigt.Ein Blick zurück zum Ausgangspunkt der Vorstellun-gen der Bundesregierung zeigt, dass die Gesundheitsre-form zu einer Staatsmedizin mit einem staatlichen Quali-tätsinstitut und der Vormacht der Kassen führen sollte,statt einen Wettbewerb zwischen Anbietern und Kassenherzustellen.
Tun Sie jetzt bitte nicht so, als seien Sie Strukturrefor-mer par excellence!Wenn es um die nächsten 20 bis 30 Jahre geht, gibt esauch zwischen der CDU und der CSU kontroverse Dis-kussionen über die Zukunft der Sozialsysteme. Aber IhreBeschlüsse zur Bürgerversicherung auf dem SPD-Par-teitag sind das Allerletzte.
Es gibt dazu weder ein klares Konzept, noch enthaltensie irgendetwas, was Deutschland nach vorne bringt.
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ach Ansicht des Sachverständigenrats bedeutet das jeachdem entweder 1 Million Arbeitsplätze weniger, weilurch die Einführung einer Bürgerversicherung dieohnnebenkosten steigen, oder 1 Million Arbeitsplätzeehr, weil durch die Gesundheitsprämie die Lohnneben-osten sinken und eine Entkoppelung stattfindet.
Ich meine, jeder in diesem Hause hat die Pflicht, sol-he Empfehlungen des Sachverständigenrates zumindestur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, ob sie unsicht nach vorne bringen.
Meine Damen und Herren, Deutschland braucht Ver-nderungen.
ir haben dazu ganz klare Vorschläge gemacht.
ls Herr Westerwelle erst ein kleines Päckchen bei sichrug, was ich mit Blick auf die FDP anerkenne, habe ichesagt: Um nicht Bestimmungen zu verletzen, die re-eln, welches Gewicht Frauen tragen dürfen, kann ichnseren Sack nicht mit nach vorne schleppen. Wir habenieles eingebracht
nd wir haben klare Maximen,
ie im Übrigen mit den Überschriften des Bundeskanz-ers völlig übereinstimmen.
eutschland braucht Wachstum,
eutschland braucht wieder mehr Beschäftigte undeutschland braucht Vertrauen in die Politik.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6731
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Dr. Angela MerkelAll dies bekommt Deutschland nicht mit dieser Bundes-regierung.Deshalb werden wir der Verantwortung, die wir imBundesrat haben, Schritt für Schritt auf der Grundlageunserer Überzeugungen und auf der Basis der Bereit-schaft zum Kompromiss gerecht werden. Aber eines,Herr Bundeskanzler, können Sie uns nicht absprechen:Es gibt keine Pflicht zum Kompromiss, wenn bei ihmdie Vorteile nicht die Nachteile überwiegen. Nach dieserMaxime werden wir handeln.
Herr Bundeskanzler, wenn wir so handeln, dann tunwir – davon bin ich hundertprozentig überzeugt – ein gu-tes Werk für Deutschland, auch wenn wir wissen, dasswir ein besseres für Deutschland tun könnten, wenn wirregierten.Herzlichen Dank.
Ich erteile dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Franz
Müntefering, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-ren! Die Menschen, die diese Haushaltsdebatte verfol-gen, die wir hier im Bundestag führen, werden sich fra-gen, ob das, was hier stattfindet, nicht sehr gefährlich ist.
Hier fliegen Katastrophen, Sargnägel, Tragödien, Ver-fassungsbrüche, Charakterlosigkeiten und brutale Mehr-heitsentscheidungen durch die Luft; das alles sind Be-griffe, die von Ihnen seit gestern hier vorgetragenworden sind.
Im Verlauf der Debatte wird wahrscheinlich noch hinzu-kommen, dass Sie eine Hungersnot und die Pest für un-ser Land ausrufen. Die Menschen draußen werden sichfragen, was das für eine Opposition ist.
An dieser Stelle muss man feststellen, dass Ihnen Au-genmaß und Verantwortung für eine Politik im Interesseunseres Landes fehlen.
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err Merz lädt aber zugleich die Kommission in Brüsselin, in Sachen Defizitverfahren Klage gegen Deutsch-and zu erheben. So viel, verehrte Frau Merkel, zumhema Patriotismus!
hr Stellvertreter Merz lädt die Europäische Kommissionazu ein, Klage gegen Deutschland zu erheben.
Wir wissen, dass wir in Europa Rechte und Pflichtenaben. Wir stehen zu den Pflichten.
ir wissen, dass Deutschland Wachstumsmotor in Eu-opa sein muss. Wenn wir das erreichen wollen, müssenir auf einem schmalen Grat gehen, das heißt, wir müs-en so weit wie möglich konsolidieren, aber auch dafürorgen, dass der Wachstumspfad nicht zerstört wird.
err Merz, wer in dieser Situation die Kommission inrüssel aufruft, gegen sein eigenes Land
u klagen, der wird der Aufgabe, in seinem Land Politiku machen, nicht gerecht und der ist nichts anderes alseige.
In der heutigen Debatte sind aber nicht nur die Be-riffe gefallen, die ich eben aufgezählt habe. Für dieseebatte ist ebenfalls typisch, dass Sie sich, Frau Merkel,chönreden
ich kann auch charmant sein – und die Dinge so ver-rehen, dass sie weit an der Wahrheit vorbeigehen. Es istmmer gut, wenn man auf das hört, was zu Hause gesagtird. Meine Frau hat folgende stehende Redewendung,ie ich Ihnen vortragen möchte: So die Dinge zu verdre-en und falsch darzustellen, wie die in der Oppositionas können, das lernst du nie! – Das gebe ich Ihnenerne zu.
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6732 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Franz MünteferingIch möchte Ihnen das an dem Thema Arbeitsplätzedeutlich machen. Frau Merkel hat gesagt, die Zahl derArbeitslosen sei jetzt um etwa 600 000 höher als imJahre 1998. Das stimmt.
– Nein, nicht der Beschäftigten. – Aber, Frau Merkel,seit 1998 sind geburtenstarke Jahrgänge in den Arbeits-markt gekommen. Das kann man an den Zahlen nach-vollziehen. Der Anteil der Frauen an den Erwerbstätigenist deutlich höher geworden.
Es gibt heute 128 000 ABM- und SAM-Stellen wenigerals damals. Außerdem ist die Bilanz bei der Zuwande-rung positiv. Wenn man alles addiert, dann stellt manfest, dass im ersten Halbjahr 2003 die Zahl der sozialver-sicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland um750 000 höher war als im Jahre 1998. Das ist die ganzeWahrheit.
Ich möchte sie Ihnen zur Kenntnis geben, weil die Artund Weise, wie Sie dieses Land schlechtreden, nicht gutist und an der Wahrheit weit vorbeigeht. Wir müssen denMenschen in diesem Land klar machen, dass sich alleanstrengen müssen, dass sie sich aber nicht Bange ma-chen lassen müssen. Wer den Menschen Angst machtund ihnen einredet, Deutschland sei schwach und habenicht die Kraft, nach vorne zu gehen, der versündigt sichan diesem Land. Genau das machen Sie und das werfeich Ihnen vor.
Ich möchte Ihnen, Herr Westerwelle, der Sie mit erha-benem Pathos und großer Lautstärke geredet haben undder Sie den Liberalismus in Deutschland immer für sichin Anspruch nehmen, Folgendes sagen: Die deutscheSozialdemokratie, die über 140 Jahre alt ist, hat in ihrerGeschichte große liberale Frauen und Männer in ihrenReihen gehabt. Ich nenne als Beispiele nur CarloSchmid, Willy Brandt, Johannes Rau und HelmutSchmidt. Vor diesem Hintergrund klang Ihre Rede unge-fähr genauso, als ob Daniel Küblböck „Großer Gott, wirloben dich“ gesungen hätte.
Der harte Kern des Liberalismus bedeutet, dass sichMenschen auf gleicher Augenhöhe begegnen. Unter die-sem Gesichtspunkt möchte ich das ansprechen, was sichauf dem Arbeitsmarkt in Deutschland tut und noch tunmuss. Wir werden den Menschen viel zumuten müssen.Das tun wir auch. Wir sind der Meinung, dass jede Arbeit,die es in Deutschland gibt, von den Menschen getan wer-den muss, die legal in Deutschland sind. Dazu stehen wir
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eshalb müssen alle, die sich in diesem Lande mit die-em Thema beschäftigen, wissen, wo die Grenze ist.Die Tarifautonomie ist die verfassungsmäßig geklärtend garantierte Zuständigkeit der Tarifparteien. Sie müs-en sich selbst Regeln geben und Verträge schließen, dieegeln, wie sie damit umgehen.
ie Tarifhoheit steht nicht zur Disposition. Sie bedeutetuch, dass die Tarifparteien unter sich klären, unter wel-hen Bedingungen sie vom vereinbarten Flächentarifbweichen. Es passiert in Deutschland jeden Tag Dut-ende, wenn nicht sogar Hunderte Male, dass Betriebs-äte bzw. Personalräte bereit sind, zusammen mit denhefs ihrer Unternehmen, mit den Gewerkschaften undit den Arbeitgeberverbänden vom Flächentarifvertragbzuweichen. Das muss auch so sein. Das bestreiten wiricht. Ich wiederhole: Zur Tarifhoheit gehört auch dieoheit der beiden Tarifparteien über die Schaffung vonegeln, die vom Flächentarifvertrag abweichen. Dasollen wir und so wird es auch praktiziert.
Herr Westerwelle, zum Liberalismus gehören sozialeerechtigkeit und Solidarität.
Ich will es Ihnen nur noch einmal sagen, weil Sie of-ensichtlich glauben, Sie hätten in diesem Bereich denlleinvertretungsanspruch. Auch wir nehmen in An-pruch, den Liberalismus zu vertreten.
Ein interessanter Zwischenruf. – Eine Gesellschaftann nie auf soziale Gerechtigkeit und Solidarität ver-ichten.
Bei all dem, was wir jetzt hier zu diskutieren haben,uch bei dem, was wir den Menschen zumuten, muss im-er klar sein: Diese Messlatten gelten auch für uns; das,as ich beschrieben habe, sind die Ziele unserer Politik.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6733
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Franz MünteferingDeswegen sage ich Ihnen: Liberalismus ist mit Solidari-tät in der Gesellschaft sehr wohl zu vereinbaren. Ichglaube, dass starke Individuen eher als schwache zu So-lidarität fähig sind.
Wir dürfen Ihnen dieses Feld nicht überlassen. Sie soll-ten schon gar nicht die Chance haben, sich als diejenigendarzustellen, die in diesem Land für Liberalismus undFreiheit in ganz besonderer Weise zuständig sind.
Das Jahr 2004 wird ein anstrengendes, aber auch eingutes Jahr für Deutschland sein. Wir haben ein Wachs-tum von 1,5 Prozent – vielleicht etwas mehr – zu erwar-ten. Das bedeutet einen Zuwachs von 30 Milliarden bis40 Milliarden Euro. Wir sind Exportweltmeister. DiePreise sind stabil. Die Städte und Gemeinden werden imnächsten Jahr mehr in ihrer Kasse haben und werdenwieder investieren können. Sie werden somit den klei-nen und mittleren Unternehmen und dem Handwerk vorOrt die nötigen Aufträge erteilen können.
Dies wird umso mehr der Fall sein, wenn das Vorziehender Steuerreform gelingt;
denn 7 Milliarden Euro von der Entlastung in Höhe von22 Milliarden Euro kommen den kleinen und mittlerenBetrieben, den Personengesellschaften – sie müssen Ein-kommensteuer zahlen und würden somit entlastet – zu-gute. Diese Unternehmen würden das zusätzliche Geldganz bestimmt vernünftig investieren.Es wird im nächsten Jahr wieder mehr Studentinnenund Studenten in den Naturwissenschaften und in denIngenieurfächern geben. In diesem Bereich hat unser Re-den, Tun und Werben der letzten Jahre schon gewirkt.
Es gibt in diesen Fächern bei den Studentenzahlen einegroße Delle, die wir auszugleichen haben. Dabei sindwir auf einem guten Weg.Die neue Handwerksordnung wird es im nächstenJahr zum ersten Mal ermöglichen, dass sich erfahreneGesellen selbstständig machen und Unternehmen grün-den können. Wir werden im nächsten Jahr die vernünf-tige Energiepolitik – dazu waren Sie nie fähig – fortset-zen.
Wir werden einen vernünftigen Energiemix in Deutsch-land auch für die Zukunft sichern. Die Energiepolitikwird eines der Felder sein, die uns im Lande, aber auchwsaswEgmIrchBMtWtudWmdbgKnalidgdtedBüWusewAszhedD
Wir werden im nächsten Jahr, im Jahr 2004, die Bun-esanstalt für Arbeit zu einer Vermittlungsagentur wei-rentwickeln. Es ist im Moment Mode geworden, sichen Mund darüber zu zerreißen und so zu tun, als ob dieundesanstalt ein großes Schlachtschiff wäre, das manberhaupt nicht lenken und leiten könnte.
ir werden noch große Anstrengungen unternehmen,m die Bundesanstalt für Arbeit zu modernisieren, umie auf ihre neue Aufgabe einzustellen. Aber dass sie sierfüllen kann und auch erfüllen muss, steht fest. Deshalberden wir diese Umwandlung der Bundesanstalt fürrbeit im nächsten Jahr auf der Basis von Hartz III ge-talten.Wir werden im nächsten Jahr die erwerbsfähigen So-ialhilfeempfänger dichter als bisher am Arbeitsmarktaben. Es sind etwa 1 Million erwerbsfähige Sozialhilfe-mpfänger, die beim Arbeitsamt bei der Vermittlung inen Arbeitsmarkt bisher wenig Unterstützung hatten.as wollen wir verbessern. Das wollen wir intensivieren.
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Franz MünteferingDas schaffen wir mit dem Gesetz, das jetzt in der Bera-tung im Bundesrat ist.Wir werden im nächsten Jahr, im Jahr 2004, denKampf gegen die Schwarzarbeit und die illegale Be-schäftigung noch verstärken. 7 000 Menschen insge-samt, überwiegend vom Zoll, werden in diesem Bereichtätig sein und dazu beitragen, dass in Deutschland end-gültig klar wird: Schwarzarbeit und illegale Beschäfti-gung sind keine Kavaliersdelikte.
Leute, die etwas davon verstehen, sagen uns, dass etwa18 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts im Bereichder Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung er-wirtschaftet werden. Wenn das stimmt, sind das 300 bis400 Milliarden Euro, Tendenz steigend. Der ehrlicheUnternehmer, der seine 20 Leute ordentlich versichert,Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge abführt, wird beiseinen Angeboten von den ganz Großen unterlaufen, diemit Subsubunternehmen arbeiten. Das darf nicht sein.Wir können es nicht dabei belassen, dass der ehrlicheArbeitnehmer und der ehrliche Arbeitgeber die Dummensind und sich die anderen ins Fäustchen lachen. Da wer-den wir im nächsten Jahr mit aller Energie noch einmalnachstoßen.
Wir werden im nächsten Jahr die ersten Schritte tun,um die großen gesellschaftlichen Innovationen, um die esgeht, einen entscheidenden Schritt voranzubringen. Ichnenne zunächst die Vereinbarkeit von Familie und Be-ruf. Wir haben auf Bundesebene entschieden, dass wir indieser Legislaturperiode den Städten und Gemeinden aufverschiedenen Wegen 8,5 Milliarden Euro zur Verfügungstellen, damit sie das Angebot für die unter Dreijährigenund für die Grundschüler verbessern. Dabei geht es umeine große gesellschaftliche Innovation, die das ganzeJahrzehnt in Anspruch nehmen wird. Wir wollen, dass dieErwerbsquote der Frauen nicht bei 60 Prozent im Westenbzw. 55 Prozent im Osten hängen bleibt. Wir brauchen dieIntelligenz und die Fähigkeiten dieser Frauengeneration.Wir wollen sie in der Erwerbstätigkeit genutzt wissen.Wir wollen den Kindern bessere Chancen geben.
Diese 8,5 Milliarden Euro geben wir als Bund übri-gens völlig freiwillig. Wenn wir sie nicht geben würden,würde uns niemand einen Vorwurf daraus machen kön-nen. Sie wären wahrscheinlich überhaupt nicht auf denGedanken gekommen.
Wir könnten diese 8,5 Milliarden Euro im nächstenJahr natürlich auch in die Rentenversicherung stecken.Dann müssten wir vieles nicht tun, was manchen wehtut.Da sind wir an einem Punkt, über den man offen spre-chen muss. Gegenwartsinteressen haben immer einestärkere Lobby als Zukunftsinteressen.
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Unter dem Gesichtspunkt, wie man was am bestenerkauft, wäre ein anderer Weg einfacher für uns. Wirind alle lange genug dabei, um das zu wissen. Wir ver-olgen weder an dieser Stelle noch an anderen Stellen dieinfachste Linie.
rotzdem ist es nötig, dass wir begreifen, dass hier eineesellschaftliche Innovation läuft, die über das ganzeahrzehnt gehen wird. So etwas haben Sie in der damali-en CDU/CSU-FDP-Koalition über die ganzen 16 Jahreicht zustande gebracht.
Wir werden Innovationen in der Gesellschaft voran-ringen, indem wir Ältere nicht beiseite schieben, son-ern ihnen im Berufsleben und auf dem Arbeitsmarkthancen geben. Dazu müssen wir einige Dinge umset-en, die uns wehtun und über die wir uns mit den Ge-erkschaften und auch untereinander streiten. So wollenir zum Beispiel, dass das Arbeitslosengeld für Ältereicht mehr so lange gezahlt wird, wie das bisher der Fallt. Einfacher wäre es, wir würden das nicht tun, aber wirachen es trotzdem, weil es richtig ist und wir erreichenollen, dass in dieser Gesellschaft in den nächsten Jah-en Schritt für Schritt – hierzu wird es vernünftige Über-angsfristen geben – die 55- und 60-Jährigen nicht mehrach Hause geschickt und zur Seite geschoben werden,ondern weiterhin am Arbeitsprozess teilnehmen könnennd Möglichkeiten erhalten, sich weiterzuqualifizierennd weiterzubilden. Das muss wieder gelernt und dafüruss Verständnis geweckt werden. Das ist das Ziel unse-er Politik.
Ich sehe Handbewegungen, die man so interpretierenönnte, dass auch Sie das für richtig halten. Machen Sieann doch dabei mit! Alle Gesetze, die jetzt im Bundes-at liegen, laufen auf diese gesellschaftlichen Innovatio-en hinaus, die ich gerade beschreibe. Lassen Sie sichicht durch Details irritieren, die mehr oder weniger po-ulär sind, sondern denken Sie an das, was im Großen inie Wege geleitet wird!Die dritte große gesellschaftliche Innovation ist, dassir dafür sorgen wollen, dass junge Menschen, wenn sieus der Schule kommen, nicht arbeitslos werden.
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Franz MünteferingDas Problem, vor dem wir stehen, ist, dass wir eine zu-nehmende Zahl von jungen Menschen haben, die, wennsie aus der Schule kommen, keine Ausbildung erhalten,keinen Arbeitsplatz finden und auch keine Hochschulbil-dung erfahren.Für die Schulen und für die Hochschulen ist der Staatzuständig, für die duale Ausbildung sind die Unterneh-mer zuständig. Wir müssen also erreichen, dass in dennächsten drei bis vier Jahren diese jungen Menschen, so-lange ihre Zahl noch so hoch ist, eine Chance bekom-men, wenn sie ihre Schulausbildung beenden. Nachdemwir den jungen Menschen in unserem Land gesagt ha-ben: Jetzt lerne, pauke und strenge dich an!, ist es für sieeine verheerende Botschaft, wenn wir ihnen nach demVerlassen der Schule sagen müssen: Es hat leider fürdich nicht gereicht. Setz dich in die Ecke, bezieh Stützeund halte den Mund; du wirst nicht gebraucht! – Deshalbwerden wir hier etwas tun.
Uns wäre es das Liebste, wenn die Ausbildungsum-lage nie zum Tragen kommt. Das ist überhaupt nicht un-ser Ziel. Dass Sie sich darüber den Mund zerreißen, ent-spricht Ihrem Verhalten, das ich vorhin mit „an derWahrheit vorbeireden“ umschrieben habe. Sie wissengenau, wie das ist: In diesem Jahr fehlen für etwa 6 bis7 Prozent der Schulabgänger Ausbildungsplätze. Ichfrage mich, warum eine Wirtschaft, in der 70 Prozent derUnternehmen nicht ausbilden, nicht in der Lage seinsollte, für diese 25 000 bis 30 000 jungen Menschen– ich unterstelle einmal einen Bedarf von 500 000 Aus-bildungsplätzen – Ausbildungsplätze zur Verfügung zustellen. Das muss doch möglich sein.
Sie wissen doch so gut wie wir: Der gute Ruf von„Made in Germany“ beruht auf der qualifizierten Aus-bildung, die die Menschen bei uns im Lande erfahrenhaben. Die Unternehmen sind gut beraten, wenn siejunge Menschen erreichen, aufnehmen, ausbilden undqualifizieren; denn in fünf bis sechs Jahren wird die Zahlder jungen Menschen, die die Schule verlassen, sehr vielniedriger sein als heute. Wenn es uns gelingt – da sindwir ja auf gutem Weg –, eine immer größere Zahl ausden jeweiligen Jahrgängen zu einem Hochschulstudiumzu bewegen – der Anteil stieg inzwischen von 28,5 auf35 Prozent der Schulabgänger eines Jahrgangs, einestolze Zahl –,
und wir die 40-Prozent-Marke erreichen, die wir unsvorgenommen haben, wird die Zahl und die Qualität de-rer, die sich nach der Schule für die duale Ausbildungentscheiden, noch viel geringer sein als heute.Ein Unternehmer darf doch nicht nur darüber nach-denken, welche neuen Maschinen er sich in drei odervier Jahren kauft, sondern er muss auch darüber nach-denken, wie er rechtzeitig Menschen qualifiziert, indemedufDaivksgznDVNsbSukWwbsksdAawLhddsDGs
Eine weitere große gesellschaftliche Herausforderungnd Innovation ist es, alle Arbeit, die in Deutschland an-ällt, mit den Menschen zu tun, die legalerweise ineutschland sind.Bei der Qualifikationsskala haben wir sowohl oben alsuch unten ein Problem. Das Problem am oberen Endest, dass es für bestimmte Berufe nicht genügend Absol-enten gibt: Uns fehlen Ingenieure und andere Fach-räfte im naturwissenschaftlichen Bereich. Das wird bes-er; aber noch immer ist die Zahl derer, die in Renteehen, in diesem Bereich höher als die Zahl derer, dieurzeit von den Hochschulen kommen. Es ist ein Verhält-is von fünf zu sieben; das Delta wird immer größer.eshalb muss an dieser Stelle nachgearbeitet werden.ielerorts fehlen uns hoch qualifizierte Mathematiker.
atürlich brauchen wir auch in diesem Bereich Men-chen, die aus aller Welt zu uns kommen.Aber auch am unteren Ende der Qualifikationsskala,ei den einfachen Arbeiten, haben wir ein Problem, demie ausweichen und immer ausgewichen sind, an das wirns aber heranwagen. Auch das ist nicht leicht. Daommt man nämlich zu der Frage der Zumutbarkeit.ir legen in unseren Gesetzen fest: Die Zumutbarkeitird gegeben sein und sie wird in Zukunft anders alsisher realisiert.Was Sie unterstellen, stimmt nicht: Es wird nicht soein, dass jemand, der arbeitslos ist, sich aussuchenann, welche Arbeit er annimmt. Zumutbarkeit, wie wirie in unserem Gesetz definieren, beinhaltet sehr wohl,ass ihm eine Arbeit zugewiesen werden kann, etwa einerbeit in einem anderen Beruf, die schlechter bezahlt istls eine Arbeit in seinem ursprünglichen Beruf. Aber erird nicht Dumpinglöhnen ausgesetzt sein, sondern denohn bekommen, der örtlich tariflich vereinbart ist. Soaben wir die Zumutbarkeit definiert.
Wenn Sie über dieses Thema reden, habe ich den Ein-ruck, dass Sie gar nicht genau wissen, was eigentlich inen Gesetzen steht. Sie sollten das einmal lesen, stattich in Vorurteilen zu verlieren.
Fortschritt ist eine schwierige Angelegenheit.
as haben wir in der Geschichte unserer Partei und dereschichte dieses Landes gelernt. Wir wollen Fort-chritt; das ist klar. Aber wir wissen, dass es schwierig
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6736 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Franz Münteferingist. Wir wissen, dass man auch bestimmte Bedingungenzu erfüllen hat, um den Fortschritt möglich zu machen.Eine entscheidende Bedingung für den Fortschritt ist einHaushalt für das Jahr 2004, der die Balance zwischenKonsolidierung, Strukturreformen und Wachstumsim-pulsen hält. Auch dazu sind schon manche Zahlen ge-nannt worden; deshalb nur noch die folgende, um esauch von dieser Seite einmal zu beleuchten: Die Netto-kreditaufnahme im Jahre 2004 wird 15,1 MilliardenEuro niedriger sein als in diesem Jahr. Auch so kannman das sehen.
Die Investitionen werden im nächsten Jahr mit24,6 Milliarden Euro fast so hoch sein wie in diesemJahr.
Der Subventionsabbau wird uns in den nächsten Tagenund Wochen hoffentlich gelingen. Was Sie dazu erzäh-len, sollte inzwischen eigentlich Thema in allen Schulenin Deutschland sein:
Erstens weniger Schulden machen als bisher, zweitensSubventionen abbauen – aber bitte nicht konkret –, drit-tens gegen die Defizitkriterien in Brüssel nicht versto-ßen – wie das gleichzeitig gehen soll, soll mir mal einerzeigen.
Deshalb noch einmal die dringende Empfehlung, inSachen Subventionsabbau jetzt konkret zu werden. Wieist das denn mit der Eigenheimzulage und der Pendler-pauschale?
Glauben Sie, das sei für uns in der öffentlichen Debatteund in den Versammlungen einfach? Das machen wirdoch nicht, weil wir unsere Wählerinnen und Wähler be-dienen wollten! Sie und viele andere sagen uns: Runtermit den Subventionen! Da frage ich Herrn Merz – erschaut lieber zur Seite –,
wie der Subventionsabbau aus seiner Sicht erfolgen soll,wie er das, was er sich zu propagieren vorgenommen hatund jeden Tag in der Presse niederschreiben lässt, reali-sieren will, wie er mit den Subventionen in Deutschlandumgehen will.
Reden Sie doch einfach mal ganz ehrlich darüber! Be-schreiben Sie nicht nur die Schokoladenseite, indem Siedavon sprechen, dass nach Ihren Vorstellungen fastkgwSDuDgaDsmEnimsg7w–liacssv–SrDdwGs
Nun zu den Wachstumsimpulsen für das nächste Jahr:urch das Vorziehen der Steuerreform sollen für 2004nd 2005 insgesamt 21,8 Milliarden Euro frei werden.er Grundfreibetrag, also der Betrag, bis zu dem manar keine Steuern zahlt, wird mit 7 664 Euro höher seinls jemals zuvor in Deutschland.
er Eingangssteuersatz wird mit 15 Prozent niedrigerein als jemals zuvor. Auch der Spitzensteuersatz wirdit 42 Prozent niedriger sein als jemals zuvor.
ine Familie mit zwei Kindern wird 37 650 Euro verdie-en können, bevor sie überhaupt Steuern zahlt. Das sind Monat 3 135 Euro – um es noch einmal in D-Mark zuagen: 6 000 und ein bisschen –, ehe überhaupt Steuernezahlt werden.
,9 Millionen, das sind 27 Prozent der Steuerpflichtigen,erden keine Steuern mehr zahlen.
Keine Einkommensteuer, okay. – Alles das ist mög-ch, wenn Sie zustimmen.
us denen uns viele ehrenwerte christdemokratische undhristsoziale Oberbürgermeister und Bürgermeister an-chreiben und darum bitten: Nun helft doch, dass das zu-tande kommt! Das, was ihr vorgeschlagen habt, ist ganzernünftig. Macht das doch bitte!
Weil die erstaunte Zwischenfrage kommt, frage ich:oll ich Ihnen Frau Roth vom Deutschen Städtetag zitie-en? Oder wen soll ich Ihnen jetzt eigentlich nennen?ie Vertreter der Kommunen sagen uns: Wir haben unsas alles noch schöner vorgestellt, aber bitte macht dochenigstens das! Sorgt doch dafür, dass wir Städte undemeinden ab Januar nächsten Jahres mehr Geld in un-erer Kasse haben! – Die Kommunen hätten nämlich im
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Franz Münteferingnächsten Jahr allein auf diesem Weg 2,5 Milliarden Euromehr in der Kasse. Das wissen die Kommunen. Sie brau-chen das Geld dringend. Sie hätten übrigens schon vielmehr, wenn Sie nicht beim Steuervergünstigungsabbau-gesetz verhindert hätten, dass 6 Milliarden in die Kassender Städte und Gemeinden kommen.
Frau Merkel, schreiben Sie einmal einen ehrlichenBrief – nicht einen, mit dem man sich schönredet undschön macht –
an Ihre Fraktionen im lokalen Bereich und teilen Sie de-nen mit, wie sich diese Steuerreform tatsächlich für dieStädte und Gemeinden auswirkt, wie die Gewerbesteuer-reform und die Gemeindewirtschaftsteuerreform dazubeitragen, dass die Kommunen mehr in der Kasse habenwerden. Sie werden weitere 1,9 Milliarden haben, wennwir bei der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe undSozialhilfe dafür sorgen, dass Städte und Gemeinde eineentsprechende Entlastung bekommen. Es geht um4,4 Milliarden im nächsten Jahr und 5 Milliarden imJahr 2005. Das ist schon eine ganze Menge. Das ist vorallen Dingen Geld, mit dem Arbeit geschaffen werdenkann bei den Handwerkern, bei den kleinen und mittle-ren Unternehmen.Für Fortschritt und ein gutes Jahr 2004 sind Impulsebei Innovationen und bei Wachstum erforderlich. Wirwissen, dass wir auf einem langen Weg sind, aber wirhaben schon eine ganze Menge in Bewegung gesetzt.Eine Erhöhung bei den Investitionen von 7,3 Milliarden1998 auf 9,1 Milliarden im Jahre 2003 ist ein Plus von25 Prozent. Dafür erfahren wir wenig Dankbarkeit in deröffentlichen Debatte, aber diese Investitionen in die Zu-kunft sind außerordentlich wichtig.Inzwischen gibt es eine Reihe von positiven Reaktio-nen und Entwicklungen. In der Lasertechnologie habenwir mittlerweile einen Weltmarktanteil von 40 Prozent;mehr als 50 000 Arbeitsplätze wurden geschaffen. Fürdas IT-Forschungsprogramm 2006 haben wir 3 Milliar-den zur Verfügung gestellt. Unter dem Dach der Fraun-hofer-Gesellschaft ist die größte einschlägige For-schungseinrichtung in Europa entstanden. Im Bereichder Nanotechnologie ist Deutschland auf Platz zwei hin-ter den USA.Das ist noch nicht die Lösung und wir müssen weiter-gehen. Aber auch an der Stelle gilt: Uns ist bewusst, dasswir einen Teil dessen, was wir heute erwirtschaften, inBildung, in Qualifizierung, in Forschung und in Techno-logie investieren müssen. Ob das angenehm ist, ist eineandere Frage. Ob wir dafür im Augenblick Pluspunktebei den Umfragen bekommen, ist ebenfalls eine andereFrage. Wir machen Politik für die Zukunftsfähigkeitunseres Landes. Wir müssen investieren in die Zukunftdieses Landes und das tun wir.
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Sie machen schöne Überschriften, aber da, wo es kon-ret wird, laufen Sie vor den Realitäten weg. Sie weigernich, mit zu entscheiden, wenn es darum geht, zum Bei-piel Subventionen zu streichen – das ist nicht populär –der wenn es darum geht, an anderer Stelle Geld zur Ver-ügung zu stellen für die Zukunftsfähigkeit unseres Lan-es.Wir haben den Anteil der Studienanfänger von7,7 auf 35,1 Prozent erhöht.
er Anteil der BAföG-Empfänger ist von 33,5 auf7 Prozent gestiegen. In diesem Jahr werden für BAföG1 Millionen Euro mehr ausgegeben. Das ist eine Er-olgsgeschichte des BAföGs.
Inzwischen bekommen 87 800 junge Menscheneister-BAföG. Das sind 56 Prozent mehr als im Jahr001. – Ich habe Verständnis dafür, dass Sie sich unterei-ander austauschen müssen. Deshalb wiederhole ichiese Zahl; denn ich nehme an, dass Sie sich besondersür die Frage interessieren, wie die Situation bei der Meis-erausbildung im Handwerk ist: Seit wir regieren, haben6 Prozent mehr junge Menschen das Meister-BAföG innspruch genommen. Das ist die Politik von Rot-Grün.
Zum Fortschritt, den wir brauchen, gehört auch, dassir etwas für die Familien und für die Kinder tun. Wirüssen dafür sorgen, dass sie bei dem, was in diesemande geschieht, gut wegkommen.
ch will in diesem Zusammenhang auf einen Nebenas-ekt eingehen, der nicht zwingend in eine solche Debatteehört. Die Bundesregierung hat vorgestern bekannt ge-eben, dass Sie etwas gegen die Versuchung von Kin-ern und jungen Menschen unternehmen will, auf leichteeise alkoholische Getränke im Übermaß zu genießen.
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Franz MünteferingDas ist zwar möglicherweise ein Thema, das eher amRande steht. Trotzdem sollten wir es sehr ernst nehmen.Es gehört nämlich auch zur Verantwortung der Politik,der Eltern und der Großeltern, sich darüber Gedanken zumachen, welche Gefahren unseren Kindern und jungenMenschen drohen können. Deshalb sage ich in RichtungBundesregierung ausdrücklich: Danke schön. Wir wer-den dieses Vorhaben tatkräftig unterstützen. Wir wollen,dass die Alcopops deutlich verteuert werden, damit dieKinder davor geschützt werden.
Es geht nicht immer nur um große Gesetzesvorhaben,sondern es kommt auch darauf an, dass man weiß, wo-rum es geht, und dass man entsprechende Maßnahmenergreift.
Das Jahr 2004 wird ein Jahr Europas sein.
Darüber ist heute schon viel gesprochen worden. Dennes wird das Jahr sein, in dem Europa größer wird und indem die Organisation seiner Mitgliedsländer neu justiertwird. Die Entscheidung, die wir jetzt treffen, ist wichtigund wird für lange Zeit tragen. Wir alle miteinandermüssen dafür werben, dass dieses Europa im Verständnisder Menschen die Bedeutung bekommt, die ihm zusteht.Seit 58,5 Jahren gibt es Frieden in Europa. Wir Älte-ren müssen den Jüngeren noch öfter sagen, dass dieskeine Selbstverständlichkeit ist. Seit Jahrhunderten hatEuropa zum ersten Mal wieder Frieden über einen solangen Zeitraum. Das ist die Voraussetzung dafür, dasswir ein Wohlstandsland sind und auf Dauer bleiben wer-den. Kein Land allein – nicht Deutschland und auchnicht andere Länder – wird Wohlstand und soziale Ge-rechtigkeit innerhalb seiner Grenzen garantieren können,wenn sich nicht dieses Europa zu einer Wohlstands-region entwickelt, die das Miteinander organisiert.Darum geht es auch in dem Streit, den es gestern inBrüssel gegeben hat. Dabei hat Hans Eichel die Interes-sen unseres Landes mit Unterstützung der großen Mehr-heit der anderen EU-Länder wahrgenommen.
Europa kann keine Veranstaltung sein, in der man derKommission oder anderen nach dem Mund redet. Es ge-hört zur Demokratie dazu, dass man seine Interessen ein-bringt und sie verdeutlicht. Man muss darum streitenund dann vernünftige Kompromisse finden. Wir habendiese Kompromisse gemacht. Wir haben die Empfehlun-gen der Kommission aufgenommen und sie in unsererAgenda 2010 umgesetzt. Noch im Mai dieses Jahres hatdie Europäische Kommission festgestellt, dass wir un-sere Sache gut machen. Nun gibt es in dieser Frage einenSbgfDgewhddKnwDsBswDwaWbdtwwggEDubBdudgfl
Wir stellen jedenfalls fest, dass dieses Europa eineanz wichtige politische Rolle für das nächste Jahr undür die kommenden Jahre für die Bundesrepublikeutschland spielen wird. Was Rechte und Pflichten an-eht, müssen wir unseren Teil dazu beitragen, dass esine Erfolgsstory wird. Es ist die größte historische Ent-icklung in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahr-underts gewesen, dass dieses Europa zusammengefun-en hat. Wir wollen unseren Teil dazu beitragen, dassas auch in Zukunft so bleibt.
Ich will ein Allerletztes ansprechen. Wir haben eineommission eingesetzt, die ein Konzept für eine Moder-isierung der bundesstaatlichen Ordnung erarbeitenird.
ie Veränderung, um die es dabei geht, wird nicht sochnell möglich sein, dass das noch für unsere jetzigeneratungen von Bedeutung wäre. Trotzdem fragt manich, ob wir alle miteinander eigentlich gut beraten sind,enn wir so tun, als ob die Regeln, nach denen wir ineutschland Demokratie organisieren, noch zeitgemäßären. Unser Grundgesetz ist zwar eine Erfolgsstory,ber es hat inzwischen viele Verkrustungen gegeben.ir müssen dringend daran arbeiten, wie die Gesetzge-ungskompetenz und die Zuständigkeit der Länder undes Bundes besser, vernünftiger, offener und transparen-er organisiert werden. Wir müssen darüber sprechen,ie Bund und Länder miteinander in Europa und welt-eit nationale Interessen wahrnehmen können.Darüber wird es, wie ich hoffe, im nächsten Jahr eineanz spannende Debatte geben. Manche warnen und sa-en, es sei nicht möglich, etwas zu bewegen. Ich sage:s muss möglich sein. Wir müssen im Jahre 2004 ineutschland hinbekommen, die Demokratie zeitgemäßnd neu zu organisieren, indem wir an all dem, was sichewährt hat, festhalten und auch dafür sorgen, dass sichund und Länder nicht gegenseitig blockieren. Das istie Herausforderung, vor der wir stehen. Zur Erneuerungnd zum Zusammenhalt in diesem Lande gehört auchiese Aufgabe.Deshalb abschließend: Das Jahr 2004 wird anstren-end sein. Aber ich sage voraus: Es wird ein gutes Jahrür unser Land, für Deutschland sein können. Dazu wol-en wir unseren ehrlichen und guten Beitrag leisten.Vielen Dank.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6739
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Ich erteile dem Kollegen Dr. Hermann Otto Solms für
die FDP-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Müntefering, der Fraktionsvorsitzende derSPD, hat versucht, eine Zukunftsperspektive darzustel-len. Dazu ist zu sagen: Sie sind seit fünf Jahren an derMacht; Sie hätten längst damit beginnen können.
Wer die Gegenwart nicht in den Griff bekommt, kannauch die Zukunft nicht gestalten.Herr Kollege Müntefering, angesichts Ihrer Äußerun-gen über Kollegen in diesem Hause bin ich daran erin-nert, wie sich Dieter Bohlen mit seinem langjährigenfrüheren Partner Thomas Anders auseinander setzt. Dasist in etwa das gleiche Niveau und gehört nicht in denBundestag.
Der Herr Bundeskanzler hat vorhin in seiner Redevon den Wachstumsperspektiven gesprochen. Natürlichbrauchen wir Wachstumsperspektiven und Wachstums-impulse. Aber dies ist eben nicht so einfach herzustellen,wie er das glaubt. Es geht nicht nur um das Vorziehender dritten Stufe der Steuerreform, sondern auch um dasVertrauen der Bürger in die Stabilität der Finanzpolitikinsgesamt.
Es geht darum, dass wir uns mit den Millionen von Ar-beitslosen solidarisch erweisen und ihnen Chancen er-öffnen, damit sie wieder in den Arbeitsmarkt zurückkeh-ren können. Liberalität und Solidarität heißt für einemoderne liberale Partei, Herr Müntefering, dass wir unsum die Arbeitslosen kümmern und ihnen wieder Arbeits-chancen eröffnen und uns nicht darauf konzentrieren,den bürokratischen Umverteilungsstaat weiter zu stabili-sieren, was nur den Funktionären nützt.
Weil es dabei auch um das Vermittlungsverfahrengeht, sagen wir Ihnen: Wir blockieren überhaupt nicht.Wir wollen konstruktiv daran mitarbeiten, dass das Vor-ziehen der Steuerreform möglich gemacht wird. Aberwir müssen das an zwei wesentliche Bedingungen knüp-fen:Erstens. Ein Vorziehen muss damit verbunden sein,dass die Konsolidierungsanstrengungen der öffentlichenHaushalte parallel dazu vorangebracht werden.
Das heißt, wir müssen die Subventionsausgaben entspre-chend einschränken. Wir müssen die öffentlichen Haus-halte gleichzeitig konsolidieren. Denn nur dann ist dasVertrauen der enttäuschten Bürger zurückzugewinnen.dlkrSVrAgGuvzdWthlgnhp–AEGsrpavguamnvH
Zweitens. Wir wollen durch Liberalisierungen aufem Arbeitsmarkt wieder Arbeitschancen für Arbeits-ose schaffen. Wir müssen die Einstellungshemmnisseonsequent beiseite räumen. Dabei geht es nicht nur da-um, die Mindestlohnregelung, die in Ihrer Fraktion zumchluss durchgesetzt worden ist, beiseite zu räumen.ielmehr geht es auch darum, das Kündigungsschutz-echt zu liberalisieren und insbesondere Bündnisse fürrbeit im Betrieb zu ermöglichen. Das muss notwendi-erweise gesetzlich geregelt werden.
Das Arbeitskartell von Arbeitgeberverbänden undewerkschaften muss durchbrochen werden. Das hatns lange genug gelähmt und dafür gesorgt, dass wir soiele Arbeitslose haben. Nur wenn beide Bedingungenusammen erfüllt werden, können wir dem Vorziehener Steuerreformstufe zustimmen. Darum geht es inirklichkeit bei den Verhandlungen.Schließlich noch eine Bemerkung zu der Pressereak-ion heute und zu dem, was Sie gestern in Brüssel ausge-eckt haben. Wenn man sich die Presselandschaft voninks nach rechts anschaut, stellt man fest, dass alle sa-en: Das ist eine einzige Katastrophe.
Das ist auch richtig so, denn die Bundesregierung haticht die Interessen der Deutschen vertreten. Herr Eichelat sein persönliches Interesse vertreten, um noch einaar Wochen länger Finanzminister bleiben zu können.
Er will sich das nicht anhören. Er erspart sich das.ber er hat die Interessen der Deutschen verraten.Viele haben Bedenken gehabt, als es darum ging, denuro einzuführen.
erade auch diejenigen, die ökonomischen Sachver-tand besitzen, haben gesagt: Wir stimmen unter der Vo-aussetzung zu, dass die Einführung mit dem Stabilitäts-akt,
lso mit einer stabilen europäischen Währungspolitik,erbunden wird. Diese fühlen sich jetzt zu Recht betro-en, weil genau dieser Stabilitätspakt von Herrn Eichelnd vom Bundeskanzler, der dafür verantwortlich ist,ufgekündigt worden ist. Ich kann nur sagen: Ich fühleich persönlich betrogen, denn auch ich habe damalsur unter diesen Bedingungen zugestimmt. So geht esielen hier; übrigens nicht nur auf der rechten Seite desauses, sondern auch bei Ihnen.
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6740 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Dr. Hermann Otto SolmsIch erinnere mich an die Reden von damals sehr genau.Auch von Ihrer Seite ist Wert auf den Stabilitätspakt ge-legt worden. Es ist eher noch gesagt worden, die Bedin-gungen seien zu lasch und nicht strikt genug.Es war wirklich ein fundamentaler Fehler, der in Be-zug auf Europa auf Dauer Irritationen auslösen wird. Eswerden noch viele Regierungen daran zu arbeiten haben,das wieder gutzumachen. Das allein müsste ein Grundfür Sie sein, darüber nachzudenken, ob Sie unter diesenVoraussetzungen das Amt und die Regierung weiter tra-gen können.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Zur Geschäftsordnung hat sich der Kollege Hoyer ge-
meldet. Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Präsident! Ich fände es angemessen, dass bei
dieser Debatte der Bundesminister der Finanzen anwe-
send ist, zumindest einer der Parlamentarischen Staatsse-
kretäre. Was hier stattfindet, ist eine Missachtung des
Parlaments.
Das, Herr Kollege, war allerdings eine Anmerkung
und kein Antrag zur Geschäftsordnung. Ich vermute,
dass der Kollege Küster nun ebenfalls eine Anmerkung
machen möchte. – Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Ich möchte ebenfalls eine Anmerkung
machen. Wir sitzen hier seit 9 Uhr und debattieren.
– Sie haben Recht. Sie haben zwischendurch kurze Pau-
sen zur Befriedigung körperlicher Bedürfnisse gehabt.
Gestatten Sie es auch, dass sich einige unserer Minister
kurz die Zeit nehmen,
diese persönlichen Bedürfnisse zu befriedigen? Ich ga-
rantiere Ihnen, dass sich die Regierungsbank sofort wie-
der in der gehörigen Zahl füllen wird.
Nach den beiden Wortmeldungen gehe ich davon aus,
dass wir in Kürze wieder mit der Anwesenheit des Fi-
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err Kollege Hoyer, können wir so verfahren?
Ich schlage vor, dass wir die Debatte so lange unter-
rechen. Es sind genau zwei Bundesminister auf der Re-
ierungsbank. Ich finde das völlig unangemessen.
Ich habe jetzt mehrere Vorschläge, aber bislang kei-
en förmlichen Antrag gehört.
ch gehe davon aus, dass wir so verfahren können, wie
as Präsidium vorschlägt; in der gemeinsamen Erwar-
ung, dass die Debatte in Anwesenheit des Finanzminis-
ers fortgesetzt werden kann.
Ich erteile nun der Kollegin Antje Hermenau für die
raktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Herr Kollege Gerhardt, ich bin sehr zuversichtlich,
ass es so erfolgen wird, wie wir das gemeinsam erwar-
en.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-en! Vielleicht könnten Sie mir zuhören, solange derundesfinanzminister nicht anwesend ist. Immerhin dis-utieren wir über dieselbe Sache.
Ein Satz zur FDP, bevor ich mich den schwierigenroblemen zuwende. Herr Solms, Sie haben, da in derwischenzeit eine kurze Geschäftsordnungsdebatte statt-efunden hat, etwas Abstand zu Ihrer Rede gewinnenönnen. Die FDP hat in den 70er-Jahren in der sozialli-eralen Koalition mitregiert.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6741
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Antje Hermenau– Ich muss Sie doch sehr bitten! Herr Präsident, könntenSie den Tumult beenden?
– Ich finde es unglaublich, dass Sie nicht in der Lagesind, ein paar Minuten klugen Ausführungen zuzuhören,sondern stattdessen einen Tumult ausbrechen lassen.
Herr Solms, Sie sind erst 1980 in den Deutschen Bun-destag gewählt worden, haben aber schon in den 70er-Jah-ren als wissenschaftlicher Mitarbeiter von Frau Funckean der Meinungsbildung der FDP Anteil gehabt. Die „Fi-nancial Times“ und die Europäische Kommission habenzwei Ursachen für das Desaster der öffentlichen Finan-zen in Deutschland ausgemacht: Die eine Ursache ist dieAufbauleistung in Ostdeutschland, die zweite Ursacheist der Beginn des Aufbaus eines Sozialstaats durch diesozialliberale Koalition der 70er-Jahre. Dieser Kurswurde in den 80er-Jahren von der konservativ-liberalenKoalition fortgesetzt. Nun ist in der Geschichtsschrei-bung wenig über den konkreten Anteil des jungen FDP-Abgeordneten Solms zu finden, der nach zwei Jahren imBundestag 1982 am Umschwung vielleicht beteiligt war,als aus der vorher sozialliberalen FDP ein neoliberalerVerein wurde.
Damals hätten Sie die Möglichkeit gehabt, diese Ent-wicklung zu verhindern, die zu einer wesentlichen Ursa-che für die Finanzprobleme der öffentlichen Hand inDeutschland geworden ist. Das haben Sie 30 Jahre langunterlassen.
Hans Eichel hat am Montag den Gang nach Canossaangetreten – er ist doch nicht freudvoll nach Brüssel ge-fahren – und hat einen Offenbarungseid geleistet. DiesenOffenbarungseid hat er im Prinzip stellvertretend für diegesamte deutsche Politik geleistet, indem er zugegebenhat, dass wir es nicht geschafft haben – damit meine ichalle Parteien, die seit Jahren mitentscheiden –, im wirt-schaftlichen Bereich rechtzeitig Anschluss an die EU zufinden.Man kann sich ewig mit diesem Thema gegenseitigunterhalten. Herr Glos kann sich auch weiterhin mit einernationalen Trauerminute an der Verhöhnung des Erbesder Deutschen Mark ergötzen. Aber das zeigt, dass Sienicht gesamteuropäisch denken. Sie denken provinziell.
Der Euro ist inzwischen so stark geworden, dass esrichtig wehtut. Das hat Herr Rogowski, der Präsident desBEggSFbadDdldhAsWrsftddhlDDbsgtgiEEfhebDemssWgddDfWnnA
Es besteht ein geringes Risiko bei der Zinsentwick-ung, das eventuell eintreten kann, wenn die Zinsenurch die Entscheidung der EZB etwas ansteigen. Dasalte ich aber nicht für so dramatisch, weil eine solchenhebung immer parallel zur Konjunkturerholung ge-chieht. Das ist also kein spezielles Problem bei uns.enn wir uns in Deutschland aus der Zinseszinsfalle he-ausarbeiten wollen, dann geht das nur, indem wirchnell eine Konjunkturerholung in Deutschland herbei-ühren, die uns wieder an den Durchschnitt der Konjunk-urdaten in Europa heranführt. Jeder andere Weg wirdie Probleme bei uns nur verschärfen.So hat auch Jean-Claude Juncker argumentiert, als erie Entscheidung von Montag und Dienstag verteidigtat. Er hat gesagt, es gehe darum, Deutschland die Mög-ichkeit zu geben, den wirtschaftlichen Anschluss an denurchschnitt der EU schnellstmöglich wieder zu finden.eswegen war diese Entscheidung richtig.Der Ecofin-Rat hat unseren Plänen eine Chance gege-en. Wir haben heute von Frau Merkel und anderen, dieeit gestern wieder stärker von Kooperation sprechen,ehört, dass sie den Reformen – ich denke an die Struk-urreformen und den Subventionsabbau – eine Chanceeben wollen. Damit sind wir bei den Themen, über diem Vermittlungsverfahren noch zu diskutieren sein wird.s ist ganz normal, dass diese zum Teil übergreifendenntscheidungen nicht alleine im Bundeshaushalt getrof-en werden können. Deswegen soll man den Bundes-aushalt auch nicht für eine Bibel erklären. Er ist nurines der Steuerinstrumente, das wir zur Verfügung ha-en. Für bestimmte Entscheidungen, die das Leben ineutschland über Jahre hinweg betreffen werden, musss eine breite Mehrheit geben. Diese Entscheidungenüssen langfristig angelegt sein und müssen Vertrauenchaffen. Sie müssen substanziell sein.Damit bin ich bei den Vorschlägen, die in der Diskus-ion sind. Ich mache es einmal an der Steuerreform fest.ir haben kurzfristige Ziele zu erreichen. Das habe icherade beschrieben, als ich sagte, es komme darauf an,ass Deutschland in Kürze wieder Konjunkturdaten hat,ie uns in Europa den Anschluss wiederfinden lassen.aneben haben wir langfristige Entscheidungen zu tref-en, durch die wir in Deutschland ein qualitativesachstum erreichen müssen, das über Jahre trägt. De-en, die sagen, das Vorziehen der Steuerreform werdeur kurzfristig etwas bewirken, gebe ich durchaus Recht.ber auch das ist nötig.
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6742 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Antje HermenauHeute ist die gemeinsame Position der Union deutlichgeworden, dass nur 25 Prozent der Mindereinnahmen,die aus dem Vorziehen der Steuerreform resultieren, überneue Schulden getragen werden sollen. Frau Merkel hathier nichts anderes zu tun, als uns zu sagen, die Koali-tion solle mal vorlegen. Wir haben ganz viele Vorschlägefür Einsparmöglichkeiten gemacht. Erste Ergebnisse ausdem Vermittlungsausschuss liegen nun vor. Sie sind dortmit der Handbremse gefahren und haben all diese Vor-schläge abgelehnt.Es ist eigentlich eher eine Tat der Verzweiflung, dass wirSie ermutigen, selbst zu sagen, wo Sie die restlichen 75 Pro-zent einsparen wollen. Denn es ist ja nicht mehr auszuhalten:Wenn wir Ihnen Vorschläge zum Subventionsabbau ma-chen, dann ziehen Sie nicht mit. Wenn wir Ihnen Vor-schläge zu Strukturreformen machen, dann mosern Sieherum.
Wenn Sie also der Meinung sind, Sie könnten stärkereinsparen – dieser Meinung sind Sie ja, sonst hätten Sienicht gesagt, man könne noch 6 Milliarden Euro mehreinsparen, wie Herr Solbes das wollte –, dann machenSie konkrete Vorschläge. Denn wir sind langsam vonVerzweiflung geplagt:
Was geht Ihnen eigentlich im Kopf herum, dass Sie allunsere Vorschläge immer nur ablehnen und meinen, dassei bereits Politik? Ich wünsche mir sehr, dass wir lang-fristig vernünftige Entscheidungen mit einer großen undbreiten Mehrheit in Deutschland hinbekommen.Im Vermittlungsverfahren wird es vielleicht eine Fuß-note betreffend die weitere Entwicklung des Steuersys-tems in Deutschland geben müssen; denn das würde einegewisse Berechenbarkeit herstellen, sodass dafür gesorgtwürde, dass im nächsten Jahr Investitionen getätigt wer-den und nicht nur die Kaufkraft gestärkt wird. Ich haltedas für ein wesentliches Moment. Wenn man das will,dann muss man sich über eine Fußnote verständigen, inder steht, wie es im Jahre 2005 weitergehen soll.Ich bin sehr für Steuervereinfachungen und weiß dieMehrheit der Rot-Grünen hinter mir; das sehen viele beiuns so. Wir haben ja auch entsprechende Vorschläge vor-gelegt. Aber auch hier haben Sie wieder gekniffen. Wirhaben zum Beispiel vorgeschlagen, die Eigenheimzulagezu streichen. Das wäre eine große Vereinfachung.
Natürlich würde es auch gut funktionieren, die Pendler-pauschale herunterzusetzen. Man darf nicht überall nurein bisschen wegnehmen, sondern man muss einigeDinge auch mutig streichen. Herr Merz hat das mit sei-nem Diskussionsvorschlag ja vorgestellt. Ob er eineMehrheit findet, weiß niemand so richtig. Natürlich wirddas harte Entscheidungen erfordern.Wir alle haben noch ein wenig im Ohr, wie UllaSchmidt und Horst Seehofer im Sommer am frühenMwDnsswGwdkCHdoweIdikkdMsbf„inrs
as Ergebnis dieser einen Nacht reicht aber natürlichicht. Uns allen ist bewusst, dass zum Beispiel die Ent-cheidungen im Gesundheitswesen offensichtlich nichto lange tragen, wie es nötig wäre. Das heißt, wir werdenieder über das Rentensystem, die Steuerreform und dasesundheitswesen reden.Entweder machen Sie endlich mit oder es verstreichteiterhin wertvolle Zeit, in der Deutschland die Chance,ie der Ecofin uns allen eingeräumt hat, nicht nutzenann.
Ich erteile dem Kollegen Steffen Kampeter, CDU/
SU-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Zu Anfang meines Redebeitrages stelle ich fest,ass in den vergangenen zehn Minuten vielleicht fünfder sechs Sozialdemokraten anwesend waren, währendir hier über die Zukunftsfragen der deutschen Politikntscheiden.
ch muss sagen: Wir tun uns keinen Gefallen, wenn wirer Öffentlichkeit das Bild vermitteln, dass uns das nichtnteressiert. Selbst die FDP als kleine Fraktion war stär-er vertreten als die Sozialdemokraten, die offenkundigein Interesse mehr an den Zukunftsfragen dieses Lan-es haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Kollegeüntefering hat in seiner langen Rede einen ganz interes-anten Satz in Bezug auf die Gesetzgebungsvorhaben ge-racht – auch wenn er ihn wahrscheinlich mehr für die Öf-entlichkeit und weniger für das Parlament gesagt hat –:Lassen Sie sich nicht durch die Details irritieren!“ Wennch in der Situation des Fraktionsvorsitzenden der SPDach dem Bundesparteitag wäre – alles ist etwas in Un-uhe, es gibt Auflösungserscheinungen und zentrale Per-onen der Regierung sind beschädigt –,
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Steffen Kampeterdann würde auch für mich diese Aufforderung wirklichSinn machen.Mit dem präsentierten Haushalt werden die Verfas-sung und völkerrechtlich verbindliche europäische Ver-träge von Rot-Grün vorsätzlich gebrochen. Aber wir sol-len uns durch die Details ja nicht irritieren lassen.
Es ist ein Verstoß gegen Haushaltsklarheit und -wahr-heit. Auch hier stören offenkundig die Details. DerHaushalt ist eine finanzpolitische Missgeburt, die auchfür das Jahr 2004 eine Explosion der Schulden erwartenlässt. Der Haushalt ist eher ein Signal von sozialdemo-kratischer Misswirtschaft anstatt von leistungsfähigersozialer Marktwirtschaft, wie wir sie brauchten.
Der Kollege Müntefering war der Auffassung, alleProbleme seien völlig unvorhersehbar auf diese Regie-rung zugekommen. Wir vertreten eine fundamental an-dere Auffassung: Die Lage ist hausgemacht. Sie warebenso vorhersehbar wie abwendbar. Der erste Punkt,der hier anzuführen ist: Diese Regierung ist im Augen-blick die Wachstumsbremse unserer Volkswirtschaft.Hatte sie am Anfang ihrer Amtszeit noch respektableWachstumsraten von der Vorgängerregierung übernom-men, gilt unsere Volkswirtschaft derzeit als Wachstums-bremse in Europa. Anders ausgedrückt: Die anderenLänder wachsen im gleichen weltwirtschaftlichen Um-feld stärker als wir. Das ist eindeutig eine hausgemachteEntwicklung.Ein weiterer Punkt, der auf die hausgemachte Krise inDeutschland hinweist, ist, dass in den vergangenen Jah-ren eine Reihe von Ausgabensteigerungen vorgenom-men worden sind, die in der Sache begründet scheinen,aber ohne eine solide Finanzierung zur Haushaltslastwerden. Ich nenne die Verbesserung beim Wohngeld,beim BAföG, beim Erziehungsgeld, beim Kindergeldund bei der Kinderbetreuung.Diese Regierung hat kraft ihrer eigenen Mehrheit– gegen unseren Widerstand – dafür Sorge getragen, dassder Zuschuss zur Rentenversicherung seit Regierungsü-bernahme um 50 Prozent auf 77,3 Milliarden Euro ange-stiegen ist.Man mag dies machen, aber wenn man für diese Vor-haben keine solide Gegenfinanzierung vorschlägt undkeine Basis über Steuereinnahmen oder Wirtschafts-wachstum hat, darf man sich heute nicht beklagen, dassman in finanziellen Nöten steckt. Die Finanzkrise, überdie wir heute diskutieren, dieser drohende Staatsbankrottist im Wesentlichen hausgemacht.
Ein weiterer Hinweis auf den hausgemachten Staatsban-krott ist im Zusammenhang mit der Reform der Unterneh-mensteuer zu geben. Diese Bundesregierung hat kraft eigenerMKMBffzmRhJdssfeHddRgilJSiBdhSNUhMdHdmsRKrssgdJts4
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Dieser Politikwechsel muss vor allen Dingen auf demArbeitsmarkt stattfinden; dazu ist heute schon dasRichtige gesagt worden. Er muss in einen Umbau desSozialstaates mit mehr Eigenverantwortung münden; an-ders ist unser Sozialstaat nicht mehr zukunftssicher. Wirmüssen den wirtschaftlich Handelnden mehr Freiräumegewähren, anstatt sie mit Strafsteuern, wenn sie nichtausbilden, zu verärgern. Nur so werden die Unterneh-men ihrer Verantwortung im Hinblick auf die Bereitstel-lung von Ausbildungsplätzen nachkommen.Wenn der Kollege Müntefering hier sagt, er habe da-für gesorgt, dass die Ausgaben für das Meister-BAföGgestiegen sind, und dabei verschweigt, dass durch dieAbschaffung der Handwerksordnung gleichzeitig dieAusbildungsgrundlage vieler Handwerksbetriebe zer-schlagen wurde, dann zeigt das, wie wenig die Sozialde-mokraten von den Zusammenhängen wirtschaftlichenHandelns in diesem Land verstehen.
Wir müssen die umfassende Vertrauenskrise in unse-rem Land bekämpfen. Klartext statt unerfüllbarer Ver-sprechungen – das muss die Handlungsmaxime nicht nurin der Finanz- und Haushaltspolitik, sondern auch in derGesellschaftspolitik sein. Aus diesem Grunde hätten wirdie Aussetzung der Haushaltsberatungen bis zum Ab-schluss der Beratungen des Vermittlungsausschusses fürrichtig gehalten. Jetzt müssen die Länder dafür Sorgetragen, dass das Finanzchaos nicht eintritt und Deutsch-laihtrgbewBNzuFmtMwuzWSwdSEKwisriaFgEg
Wir unterstützen alle Maßnahmen der Regierung, dieeeignet sind, die Glaubwürdigkeit in Bezug auf die Sta-ilität unserer Währung wiederherzustellen. Dazu bedarfs vor allen Dingen der Aufnahme der Preisstabilität alsesentliches Ziel in die EU-Verfassung. Wir fordern dieundesregierung auf, statt den Verfassungsbruch und dieichteinhaltung der Kriterien von Maastricht fortzuset-en, relativ rasch auf die EU-Kommmission zuzugehennd zu einvernehmlichen Lösungen in der europäischeninanzpolitik zu kommen.Ich will an dieser Stelle noch einmal betonen: Alleinit der Bekämpfung des kriminellen Umsatzsteuerbe-rugs wäre der Stabilitätspakt wieder ins Lot zu bringen.an muss es nur wollen. Diese Regierung will nicht, sieill das Land in den Dreck fahren, weil ihr Kompassnd Orientierung fehlen, die entsprechenden Dinge an-ugehen.
Herr Kollege, denken Sie an Ihre Redezeit.
Ich komme zum Schluss.
Dieser Haushalt ist zum Schaden für Deutschland.
ir werden als Opposition alles Erdenkliche tun, um
chaden von unserem Land abzuwenden. Daher lehnen
ir diesen Haushalt ab.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Merkel für
ie SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach derchwarzmalerei von Herrn Kampeter kommt jetzt etwasrfreulicheres, nämlich der Bereich Kultur. Sie, Herrampeter, haben hier angekündigt, dass Sie mitmachenollen. Sie haben die Gelegenheit gehabt – dazu kommech später –, aber Sie haben gekniffen. Bei den Aus-chussberatungen hätten Sie mitarbeiten können.Ich finde, dass sich der Haushalt für den Kulturbe-eich, der beim Bundeskanzleramt angesiedelt ist, auchm Jahr 2004 sehen lassen kann. Der Haushalt der Be-uftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien,rau Dr. Weiss, ist im Vergleich zum letzten Etat erneutestiegen, und zwar auf insgesamt über 900 Millionenuro. Einige Schwerpunkte dieses Haushalts, die die rot-rüne Koalition setzt, möchte ich besonders hervorhe-^
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Petra-Evelyne Merkelben, weil sie belegen, dass Kultur für uns Priorität hat.Das heißt jedoch nicht, dass alles so bleibt, wie es ist.Auch hier sind Reformen und Innovationen gefragt.Erstens. Die Mittel für die Bundeskulturstiftung sindum 12,8 Millionen Euro auf insgesamt 40,79 MillionenEuro aufgestockt worden.
Das ist die letzte Stufe der jährlichen Erhöhung. Wir ha-ben damit die größte Kulturstiftung in Europa.Zweitens. Der Titel „Investitionen für nationale Kul-tureinrichtungen in Ostdeutschland“ wurde der Koali-tionsvereinbarung entsprechend mit 6,1 Millionen Euroausgestattet.
Hier schaffen wir eine neue Struktur und können weitmehr leisten als die reinen Erste-Hilfe-Maßnahmen, diemit dem Programm „Dach und Fach“ möglich waren. Sowird dieses Programm kompensiert. Die Erfahrungenvon „Dach und Fach“ werden aufgegriffen und ergänzt.Drittens. Das Programm „Kultur in den neuen Län-dern“ läuft aus. Das bedauere ich. Sichergestellt ist je-doch, dass bereits begonnene Projekte fortgeführt wer-den können. So kann der Übergang gesichert werden, bisder Solidarpakt II im Jahr 2005 auch für den Kulturbe-reich greift. Außerdem steht mit der bereits erwähntenBundeskulturstiftung ein neues kulturpolitisches Instru-ment für Projekte aus allen Bundesländern bereit.Viertens. Wie immer werden auch kleine Projekte ge-fördert. So gibt es zum Beispiel 500 000 Euro mehr beider Projektförderung „Leuchttürme Ost“, sodass dieKulturstiftung Dessau-Wörlitz jetzt in der Lage ist, diehistorisch wertvollen Gebäude und Parkanlagen nachhistorischem Vorbild wieder herzustellen und zu erhaltenund den Auftrag des Weltkulturerbes einzulösen.Als ein Beispiel des Strukturwandels, den wir unter-stützen und fördern, möchte ich Berlin herausgreifen. ImRahmen des neuen Hauptstadtkulturvertrages fördertder Bund nun die gesamte Akademie der Künste; bisherförderte er nur das Archiv. Der Gesamtanteil der Beauf-tragten für Kultur und Medien beträgt nun 18,2 Millio-nen Euro.Auch bei der Stiftung Deutsche Kinemathek und demHamburger Bahnhof übernimmt der Bund künftig denZuschussanteil Berlins. Insgesamt stellt der Bund dafür23,9 Millionen Euro zur Verfügung. Vertraglich soll undwird geregelt werden, dass diese Entlastung des BerlinerHaushalts dazu dient, die drei Berliner Opern zu erhal-ten. Die Errichtung einer Stiftung Berliner Opernhäusermit dem einmaligen Bundeszuschuss von bis zu 3 Millio-nen Euro bietet eine große Chance. Denn nur durch dieseneue Struktur ist der Erhalt der drei Berliner Opernhäu-ser möglich. Nicht nur als Berliner Bundestagsabgeord-nete, sondern auch als Haushaltspolitikerin für den Kul-turbereich danke ich Frau Dr. Weiss für ihr Engagement,eine neue Struktur in Berlin zu unterstützen.
MlsdDsdbuDdunsdsPwunbmmsRtlgSanSCSSatDalut–udd
ehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU/SU, Sie müssen sich die Frage gefallen lassen, wiesoie eigentlich dabei waren.
ie haben 283 Seiten Papier verbraucht, um 283 Anträgeuf Beratung einzelner Titel vorzulegen. In jedem An-rag wurde großspurig Erörterungsbedarf festgestellt.ieser Stapel Papier ist an alle Mitglieder des Haushalts-usschusses verteilt worden. Wie sich später herausstel-en sollte, war das nur eine Verschwendung von Papiernd der Arbeitszeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbei-ern.
Schütteln Sie nicht den Kopf, Herr Kampeter! Es istnglaublich, was Sie uns vorgelegt haben. Wir haben ge-acht „Jetzt geht es los, jetzt wollen Sie beraten“, aberanach kam nichts mehr.
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Frau Kollegin Merkel, gestatten Sie eine Zwischen-
frage des Abgeordneten Kampeter?
Nein, ich komme gleich zum Schluss.
Sie haben Ihre Rolle als Opposition nicht genutzt,
Herr Kampeter. Sie haben in diesem Jahr die Beratungen
über die einzelnen Etats im Haushaltsausschuss schlicht
verweigert.
Im Grunde genommen haben wir alle es in der Hand,
wie wir für den Parlamentarismus werben. Sie von der
CDU/CSU haben Ihre Chance vertan.
Ich erteile dem Kollegen Steffen Kampeter das Wort
zu einer Kurzintervention.
Die Kollegin Merkel hat den falschen Eindruck er-
weckt, dass sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion
nicht an den Haushaltsberatungen beteiligt hat.
Dies muss richtig gestellt werden.
Wir haben in den Beratungen des Haushaltsausschus-
ses selbstverständlich alle Titel intensiv geprüft,
aber feststellen müssen: Es ist zu erwarten, dass keiner
der wesentlichen Einnahmetitel über die nächsten
Wochen hinaus Bestand haben wird. Denn am 19. De-
zember werden hier im Deutschen Bundestag wahr-
scheinlich Änderungen am Etat in einem Umfang von
20 bis 30 Milliarden Euro vorgenommen werden müs-
sen.
Wir haben deshalb die politische Entscheidung ge-
troffen, diesen Etat nicht als Beschlussgrundlage zu ak-
zeptieren. Das ist etwas völlig anderes als die Form der
Arbeitsverweigerung, die die Kollegin Merkel darge-
stellt hat. Es ist vielmehr die politische Entscheidung,
deutlich zu machen, dass der Etat, den Sie von der rot-
grünen Koalition zu verantworten haben, eine Halb-
wertszeit von wenigen Wochen haben wird, bevor er
durch Beschlüsse, die Sie ebenfalls zu verantworten ha-
ben, in einer Größenordnung von mehr als 10 Prozent
verändert werden muss.
Insofern sind alle Bekenntnisse, die Sie heute zu ein-
zelnen Haushaltstiteln ablegen, Makulatur. Sie stehen
unter dem Vorbehalt der im Vermittlungsausschuss er-
zielten Ergebnisse. Das wollten wir mit unserem Verhal-
ten deutlich machen.
Zur Erwiderung Frau Kollegin Merkel.
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enn Sie eigentlich Erörterungsbedarf sehen, dann aber
u der politischen Entscheidung kommen, doch nichts zu
rörtern, sondern lieber alles dem Bundesrat zu übertra-
en, dann nehmen Sie Ihre Aufgabe als Parlamentarier
icht wahr.
as werfe ich Ihnen vor. Sie werden dafür bezahlt und
azu sitzen wir hier stundenlang zusammen. Aber Sie
ind dieser Aufgabe nicht nachgekommen. Das ist Ihre
ntscheidung gewesen. Ich halte sie für schlecht; sie ist
m Hinblick auf den Parlamentarismus ein absolut
chlechter Stil.
Nun hat die Abgeordnete Petra Pau das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seitestern erleben wir hier eine mächtige Debatte über denU-Stabilitätspakt, die ihresgleichen sucht. Insbeson-ere die CDU/CSU übertrifft sich mit Kassandrarufennd beschwört geradezu das Ende des Abendlandes.ielleicht glauben die Redner der CDU/CSU ja wirklich,as sie hier fundamentalistisch vor sich herbeten. Eslingt gefährlich, aber klug ist das alles nicht.
er Stabilitätspakt war schon umstritten, als Sie ihn zuaigels Zeiten einführen halfen. Er ist seither nicht bes-er geworden. Deshalb ist es allerhöchste Zeit, über neueegeln nachzudenken,
nstatt an alten Fehlern festzukleben.Wesentlich ist in der heutigen Debatte aber etwas an-eres: Rot-Grün und Schwarz-Gelb, die Regierung undie Opposition zur Rechten, führen die EU als Kronzeu-en für ihre eigenen Sozialabbaupläne ins Feld und ver-uchen, ihre politische Verantwortung an die EU abzu-chieben: SPD und Grüne entschuldigend, schließlichabe man ja schon gestrichen, was zu streichen sei, dieDU/CSU eher drängend, schließlich könne man nochiel mehr als bislang streichen. Diesen Hang zur verant-ortungslosen Tat aber lässt Ihnen die PDS im Bundes-ag nicht durchgehen.
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Petra Pau
Sie beklagen, die Verschuldung sei zu groß, weil dieAusgaben zu hoch seien. Wir fragen aber: Warum redenSie nicht auch über die Einnahmen? Warum verzichtenSie auch in diesem Bundeshaushalt auf zig Milliarden?Warum machen Sie andererseits Milliardengeschenke anUnternehmen, die selbst keine Steuern zahlen, sonderndiese abzocken? Das ist Ihre Politik und die können Siekeinem EU-Pakt anlasten, genauso wenig wie die Fol-gen: Denn heraus kommt, dass die Reichen immer rei-cher und die Armen immer zahlreicher werden. DiesenKurs lehnen wir ab; wir wollen dessen Umkehr.
Deshalb fordert die PDS eine Vermögensteuer. Des-halb wollen wir eine Wertschöpfungsabgabe. Deshalbfordern wir eine Ausbildungsumlage. Deshalb wollenwir parasitäres Kapital besteuern.
Wir fordern eine Rentenversicherung von allen für alle.Wir wollen Werte wie Gerechtigkeit und Solidaritäterneuern. Das heißt, die PDS fordert wirkliche Refor-men. Das ist der Unterschied. Deshalb haben wir eine„Agenda sozial“ als Alternative vorgeschlagen.Nun diskutieren wir über den Haushalt 2004 sowiedarüber, was ihn trägt. Es gibt eine simple Lebensweis-heit, die besagt: Was auf drei stabilen Beinen steht, dassteht gut. Sie kennen das von Tischen und Stühlen. Alsohaben wir uns gefragt, welches die drei Säulen sind, aufdenen Rot-Grün und dieser Haushaltsplan fußen.Die erste Säule heißt Agenda 2010. Sie zieht sichquer durch den Haushalt: Ob Arbeitsmarkt, Gesund-heitspolitik oder neue Bundesländer, überall geht es umdie Agenda 2010. Nur, sie hat einen Kardinalfehler: Siestabilisiert nicht. Im Gegenteil, die Agenda 2010 gibt dasSolidarprinzip preis, sie gefährdet den Sozialstaat unddamit auch einen Gründungsgrundsatz der Bundesrepu-blik. Millionen spüren es jetzt schon, allemal Arbeits-lose, Kranke und Alte. Die Folgen betreffen aber auchalle, die arbeitslos, krank und alt werden könnten. Des-halb lautet unser erster Befund: Die erste Säule trägtnicht, sie ist morsch.Die zweite Säule heißt Außenpolitik. Seitdem Rot-Grün regiert, haben wir hier im Bundestag insgesamt29-mal über Militäreinsätze der Bundeswehr geredet;25-mal wurde sie ins Ausland in Marsch gesetzt. Demstehen sieben grundsätzliche Debatten über weltweiteEntwicklungspolitik oder zivile Konfliktlösungen ge-genüber. Dieses Missverhältnis durchzieht auch denHaushaltsplan 2004. Deshalb sind Sie gestern zu Rechtvon den UN-Organisationen kritisiert worden. Auch diezweite Säule weist also eine gefährliche Schieflage auf.Nun zur dritten Säule, zu der Akzeptanz: Umfragenbelegen, dass zwei Drittel aller Deutschen die Agenda2010 und drei Viertel die zunehmende MilitarisierungdimgmSSCwhLkRzmhrLgHdkAAntKaSGlmwkkskpnwni
Einmal im Jahr widmet sich der Bundestag explizit derage in den neuen Bundesländern. Das ist doppelt bemer-enswert: zum einen weil die neuen Bundesländer – zuecht – noch immer eine Sonderdebatte wert sind undum anderen weil sie – zu Unrecht – ansonsten fast im-er ausgeblendet werden. Leider trifft das auch auf dieeutige Debatte und den Haushalt zu, über den heute be-aten und abgestimmt wird. Er ist ungeeignet, um dieage im Osten zu verbessern. Die Zahlen sprechen dage-en, ebenso wie die Politik, die dahinter steckt. Dieartz-Konzepte greifen nicht. Im Gegenteil: Sie wer-en den Mittelstand schwächen sowie die Arbeitslosig-eit und die Armut im Osten vergrößern. Die Ost-West-ngleichung stagniert seit fünf Jahren. Das belegen allenalysen. Zugleich werden aber die Fördermittel für dieeuen Bundesländer gekappt und die Arbeitsämter kas-riert. Die Kultur wird weiter verarmen.
urzum: Die Hoffnung schwindet und die Jugend fliehtus dem Osten. Die neuen Bundesländer werden alstiefkind des Schicksals behandelt. Das ist ein weitererrund, warum die PDS im Bundestag den Haushalt ab-ehnt.
Jüngst gab es ein Treffen der Arbeits- und der Sozial-inister der Länder. Dabei ging es auch um die Frage,ie die neuen Bundesländer vor extremen Negativwir-ungen der Bundespolitik zu schützen seien. Herausam: Die unionsregierten Länder, auch Thüringen, Sach-en und Sachsen-Anhalt, lehnten alles ab, was helfenönnte. So ist das, wenn Parteidisziplin mehr zählt alsolitische Vernunft und Weitsicht.
Fazit zum Osten: Bundeskanzler Kohl wollte dieeuen Bundesländer gewinnen. Er hat gelogen und dasar schlimm. Aber Bundeskanzler Schröder gibt dieeuen Bundesländer verloren. Er schreibt sie ab und dasst noch viel schlimmer.
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Petra Pau– Herr Kollege, ich nehme den Vorwurf der Lüge nichtzurück. Wer hat denn die blühenden Landschaften ver-sprochen und wo finden Sie welche?
Nächster Redner ist der Kollege Jochen-Konrad
Fromme, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Müntefering ist leider schon weg, nachdemer die Regierungsbank leer geredet hat.
Ich sage trotzdem an seine Adresse: Hören Sie endlich auf,einen solchen Unsinn über die Gemeindefinanzreform zuerzählen! Wenn ich mir die Auswirkungen aller Ihrer dies-bezüglichen Gesetzentwürfe anschaue, dann stelle ich fest,dass die Gemeinden nicht mehr, sondern 2,2 MilliardenEuro weniger erhalten werden. Das ist ein tödlicher Fehler.Wenn man unserem Sofortprogramm, das wir im Bun-desrat verabschiedet haben, gefolgt wäre, dann wäre dieGewerbesteuerumlage auf ihr früheres Niveau zurückge-führt worden, wodurch die Gemeinden bereits 2003 um2,1 Milliarden Euro entlastet worden wären. Außerdemwäre im nächsten Jahr der Anteil der Gemeinden amUmsatzsteueraufkommen erhöht worden. Das wärewirksam gewesen.
Herr Kollege Poß, Sie haben immer wieder behauptet,wir hätten uns nicht an den Haushaltsberatungen betei-ligt. Das ist doch Unsinn. Sie haben aus den Haushalts-beratungen 2003 nichts gelernt. Als Ihnen der KollegeAustermann bei der Verabschiedung des Haushalts imMärz dieses Jahres vorgerechnet hat, welche Risiken inihm stecken, haben Sie ihn abqualifiziert. Gestern muss-ten Sie den Offenbarungseid leisten und einen Nach-tragshaushalt verabschieden, der exakt die von uns pro-gnostizierten Werte enthält. Genauso machen Sie es jetztwieder. Der Haushalt enthält Risiken in Höhe von über20 Milliarden Euro und ist eigentlich nicht beratungsfä-hig. Beratungsfähigkeit setzt eine ordnungsgemäßeGrundlage voraus. Für eine solche Grundlage ist nie-mand anders als die Regierung verantwortlich. Murksbleibt Murks; da helfen auch keine Anträge.
Was die Entwicklung am Arbeitsmarkt angeht, gibt eseine aussagekräftige Zahl: die geleisteten Arbeitsstun-den. Als Sie 1998 an die Regierung kamen, gab es dankunserer Politik einen Aufschwung. Ich erinnere daran,dass der Kanzler einmal in Anlehnung an jemand andersbehauptete, dieser Aufschwung sei auf seine Kanzler-kandidatur zurückzuführen. Mit Ihrer Politik haben Siediesen Aufschwung abgewürgt; nur deswegen ist dieLage in Deutschland so schlecht.HfvgihzmwIfBhAlasnSVzhhpnrf1sawhWVmMSwigBbMl5öRN
as ist das für ein Umgang mit Steuermitteln?Der Bundesfinanzminister müsste mit seinem Etatorbild für die anderen Ministerien sein. Was machtan? Die Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit seinesinisteriums werden – angeblich zur Bekämpfung derchwarzarbeit – verdoppelt. Das ist gar nicht notwendig,eil sich jeder des Problems der Schwarzarbeit bewusstst. Es geht um nichts anderes als um Regierungspropa-anda.Wir haben den größten Beitrag zum Wachstum und zurekämpfung der Schwarzarbeit geleistet. Der „Schwarzar-eitsforscher“ Schneider hat gesagt, die Neuregelung derinijobs hat Schwarzarbeit in einem Umfang von 10 Mil-iarden Euro verhindert. Bei einer Staatsquote von0 Prozent bedeutet das, dass 5 Milliarden Euro in dieffentlichen Kassen gespült wurden. Sie haben die alteegelung gegen unseren Rat abgeschafft, wir haben eineeuregelung durchgedrückt. Also haben wir für den Ar-
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6749
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Jochen-Konrad Frommebeitsmarkt am Ende mehr getan, als Ihnen jemals einge-fallen ist. Das ist doch die Wahrheit.
Sie wollen für diesen Bereich 2 000 Stellen zusätzlich.Kümmern Sie sich erst einmal um die vorhandenenMöglichkeiten! Wenn Sie das tun, dann brauchen wirkeine weiteren Staatsbediensteten.Sie reden immer über das Subventionsabbaugesetz.Ich kann Ihnen nur sagen: Für uns von der Oppositionwar es eine Pflicht, dieses Gesetz abzulehnen; denn dieSachverständigen haben uns gesagt: Die Verabschiedungdieses Gesetzes hätte 0,5 Prozent weniger Wachstum be-deutet, also weniger Beschäftigung, weniger Steuerein-nahmen, geringere Einnahmen der Sozialkassen undmehr Soziallasten. Sie werden uns eines Tages noch da-für dankbar sein, dass wir dies verhindert haben; denndas war für den Arbeitsmarkt wirksam. Alle Ihre Vor-schläge sind Luftschlösser.Jetzt wollen Sie möglicherweise den „Chefkreateur“Ihrer Vorstellungen, Herrn Hartz, zum Vorstandsvorsit-zenden der Bundesanstalt für Arbeit machen. Herausge-kommen ist bei der Umsetzung der Vorschläge derHartz-Kommission bis jetzt überhaupt nichts.
– Das ist richtig: Für so wenig Geld wird der gar nichttätig. Aber vielleicht verdoppelt man sein Gehalt – so hatman es bei Herrn Gerster gemacht –, dann wird er dorttätig und es kommt ein bisschen mehr heraus.Ich verstehe überhaupt nicht, dass sich HerrMüntefering gegen Veränderungen auf dem Arbeits-markt wehrt. Eben hat er erklärt, es sei gängige Praxis,dass sich Betriebsinhaber, Betriebsräte und Belegschaftüber Abweichungen vom Tarifvertrag einigen. Wenndas so ist, dann begreife ich nicht, warum man keine ent-sprechenden rechtlichen Regelungen schaffen soll. ImAugenblick handelt es sich bei solchen Einigungen umeinen Rechtsverstoß nach dem anderen. Angesichts des-sen verstehe ich überhaupt nicht, warum Sie zu solchenMaßnahmen nicht fähig sind.Was müssen wir anders machen? Eines ist doch klargeworden: Wenn es zu mehr Wachstum kommt, weil esweniger arbeitsfreie Feiertage gibt oder weil mehr Feier-tage auf einen Sonntag fallen, dann könnte es doch auchgut sein, pro Woche eine Stunde mehr zu arbeiten. Dasist kein Verlust an Lebensqualität.
Das macht aber zusammen eine Woche Arbeit aus unddas bringt noch mal so viel wie die Feiertage. Das sindganz konkrete Vorschläge, die nicht einmal etwas kos-ten. Die Belegschaften sind eher bereit, eine Stundemehr zu arbeiten, glaube ich, als in der Zukunft mehrSozialabgaben zu zahlen.
Das sind die Dinge, die wir brauchen.swtu–keSadeguBd–mWadgWSRHHAdzDP
Wie im Haushaltsausschuss. Es war aber nicht so, dassein Erörterungsbedarf bestand, sondern es ging darum,ine richtige Beratungsgrundlage zu haben.
ie sind mit einem verunfallten Schrottauto als Vorlagengekommen und haben von der Opposition erwartet,ass sie daraus ein fabrikneues Fahrzeug fertigt. So gehts nicht! Sie sind in der Pflicht, eine Vorlage einzubrin-en, die tragfähig ist. Der Bundestag kann diese dannnter politischen Gesichtspunkten verändern. Aber derundestag ist keine Reparaturanstalt für den Murks unden Schrott, den Sie vorgelegt haben.
Ich verstehe Ihre Unruhe. Sie hören die Wahrheit nunal nicht so gern.
Was ich Ihnen jetzt sage, hören Sie vielleicht lieber:ir liegen absolut richtig. Das erfahren wir jede Wocheus den Umfragen. Warum haben denn die Menschenas Vertrauen zu Ihnen verloren und Vertrauen zu unsewonnen? Was ist der Unterschied zwischen Herrnesterwelle und Herrn Schröder? Ich sage Ihnen: Derchröder schafft die 18.Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
Nächster Redner ist der Kollege Gerhard
übenkönig, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Fromme,err Müntefering ist wieder hier; aber Sie haben Ihreusführungen ja an das Haus gerichtet.Zur Gemeindefinanzreform sei zu Beginn Folgen-es noch einmal klargestellt: Wenn Sie ihr im Bundesratustimmen, werden alle Städte und Gemeinden ineutschland damit einverstanden sein, insbesondere Ihrearteikollegin Roth aus Frankfurt.
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6750 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Gerhard Rübenkönig– Herr Kampeter, Sie haben sich schon gestern durchzahlreiche Zwischenrufe ausgezeichnet.
Ich will Sie damit heute nicht aufwerten. Das hat näm-lich zu der positiven Entscheidung, die wir in diesemHause dringend brauchen, nicht beigetragen.Die deutsche Wirtschaft nimmt wieder Fahrt auf. Dassage ich ganz bewusst am Anfang meiner Ausführungen,weil Sie in Ihren Redebeiträgen gestern und heute genaudas Gegenteil dargestellt und versucht haben, allesschlecht zu reden.
Nach drei bitteren Jahren mit sehr geringen Wachstumsra-ten haben wir die Talsohle durchschritten. Diese Einschät-zung wird vom Sachverständigenrat zur Begutachtungder gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und den Wirt-schaftsforschungsinstituten geteilt. Die wichtigen Indi-katoren Ifo-Geschäftsklima-Index, GfK-Konsumklimaund auch die Auftragseingänge in der Industrie unter-mauern diesen Trend.
Das kommende Jahr könnte ein Wachstum zwischen1,5 und 2 Prozent bringen.
Das hängt jedoch wesentlich davon ab, ob die Reform-vorhaben, die wir auf den Weg gebracht haben, im Ver-mittlungsausschuss im Kern unverwässert beschlossenwerden.Eines steht fest: Mit der Agenda 2010 tragen dieBundesregierung und die sie tragende Koalition maß-geblich dazu bei, den wirtschaftlichen Aufschwung zubefördern.
Die Agenda 2010 bedeutet: Reformstau beenden, Struk-turreformen anpacken.
Die Bundesregierung und die sie tragende Koalition ha-ben mit der Agenda 2010 Strukturreformen in Angriffgenommen, um den Reformstau in Deutschland endgül-tig aufzulösen. Die Reformen werden in vielen Berei-chen der Gesellschaft nachhaltig zu Veränderungen füh-ren. Wir haben es auch gestern gehört: Nicht nur inDeutschland, sondern auch in Europa finden sie großeAufmerksamkeit und Anerkennung.Am wichtigsten ist dabei der Arbeitsmarkt. Imnächsten Jahr werden wir den flexibelsten Arbeitsmarktseit über 20 Jahren in Deutschland haben. Die Wirt-schaftsexperten sagen uns, dass wir mit unseren Refor-men die Schwelle, bei der Wachstum mehr Beschäfti-g1–tbuDboDl–aWtwmmw5BSbbvrddEGwsk
da sollten Sie einmal zuhören, Herr Kampeter – bedeu-et das, dass wir in Zukunft etwas weniger Wachstumrauchen,
m die Arbeitslosigkeit komplett abbauen zu können.as ist der richtige Weg für mehr Teilhabe am Arbeitsle-en.Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, ganzhne Wachstum – das wissen wir alle – geht es nicht.
eshalb zielen wir mit unseren Maßnahmen auf Konso-idierung und Wachstum.
Hören Sie gut zu: Wir zielen mit unseren Maßnahmenuf Konsolidierung und Wachstum.
ir werden den Konsolidierungskurs durch konsequen-en Subventionsabbau verstärken. Allein die im Ent-urf des Bundeshaushalts 2004 vorgesehenen Maßnah-en – das hätten Sie im Haushaltsausschuss allesitbekommen, wenn Sie mitberaten hätten –
erden den Bund bis zum Jahre 2010 um über0 Milliarden Euro entlasten.Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist eine guteasis, um den sich abzeichnenden Aufschwung durchteuersenkungen entscheidend zu stärken. Deshalb ha-en wir beschlossen, die ohnehin für 2005 im Gesetz-latt stehende dritte Stufe der Steuerreform auf 2004orzuziehen. Der Eingangsteuersatz sinkt auf ein histo-isch niedriges Niveau von 15 Prozent. Das ist eine Zahl,ie Sie bitte auch einmal zur Kenntnis nehmen sollten.
Die zu zahlende Einkommensteuer reduziert sichurchschnittlich um 10 Prozent. Dies führt zur stärkstenntlastung des Mittelstandes in der bundesdeutscheneschichte. Meine Damen und Herren, dem sollten Sie,o Sie doch immer davon reden, dass wir den Mittel-tand entsprechend entlasten müssten, doch zustimmenönnen; denn wir nehmen eine starke Entlastung vor.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6751
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Gerhard RübenkönigMeine Damen und Herren von der Opposition, wennich Ihre vielen Reden zu diesem Thema Revue passierenlasse, kann ich es kaum glauben, dass Sie gegen Steuer-senkungen für den Mittelstand sind.
Wir sind jedenfalls dafür.
– So ist es, Herr Poß.Wir geben das richtige Signal. Es ist auch richtig, wiewir es machen; denn es macht keinen Sinn, einerseitsden Bürgerinnen und Bürgern durch die Steuersenkungfinanzielle Spielräume zu eröffnen und andererseitsdurch weitere und noch schmerzhaftere Kürzungen diepositiven Effekte auf das Konsumverhalten zu konterka-rieren. Linke Tasche, rechte Tasche – das kann nichtfunktionieren.
Richtig ist jetzt eine Finanzierung der Steuersenkun-gen durch eine höhere Nettokreditaufnahme, verbun-den mit der klaren Absicht, die Konsolidierung mit demneuen Wirtschaftsaufschwung zum Erfolg zu bringen,damit die Maastricht-Kriterien – das sage ich an dieserStelle ganz deutlich – 2005 eingehalten werden können.
Im Übrigen bin ich im Gegensatz zu Ihnen, meine Da-men und Herren von der Opposition, zutiefst davonüberzeugt, dass der Weg, den die EU-Finanzminister mitihren gestrigen Beschlüssen eingeschlagen haben, rich-tig ist und unsere Sparanstrengungen unterstützt. Somitwird der zu erwartende Aufschwung nicht durch die vonIhnen geforderten Strafzahlungen abgewürgt werden.Ich empfehle Ihnen: Hören Sie endlich mit der ewigenSchwarzmalerei auf! Der Euro hat sich als stabile undkrisenfeste Währung erwiesen. Das wird auch Ihr ewigesGenörgel und Schlechtreden nicht ändern.
An den für die Bürgerinnen und Bürger schmerzhaf-ten Reformen, die mit der Agenda 2010 auf den Weg ge-bracht werden, wird deutlich, dass wir im Einklang mitden Forderungen der Europäischen Kommission die Ar-beits- und Gütermärkte, die sozialen Sicherungssysteme,die Steuer- und Abgabensysteme mittelfristig wesentlichverändern. Dadurch sorgen wir für mehr Wachstum, fürstabilere Staatsfinanzen und für mehr Beschäftigung inDeutschland. Dies ist die Linie, die die Bundesregierung– im Übrigen auch gegenüber der Europäischen Kom-mission – vertreten hat.Meine Damen und Herren, durch die Umsetzung derAgenda 2010 kann das Jahr 2003 in die Geschichte ein-gehen, und zwar als das Jahr, in dem es Politik und Ge-sellschaft gelungen ist, sich ein Stück weit vom Besitz-swkdgugllt6wDBsLcDwnhmgwsthuwsMSdmddSuzndIadB
Wenn ich mir so manche Äußerungen von Unionspo-itikern ansehe, zum Beispiel die des bayerischen Minis-erpräsidenten Stoiber in seiner Regierungserklärung am. November dieses Jahres, in der er ausführt – gleicherden Sie Beifall klatschen –, die Bundesrepublikeutschland befinde sich in der tiefsten Krise seit ihremestehen, Deutschland sei Wachstumsschlusslicht, esteige ab, dann frage ich mich, ob Sie überhaupt in derage sind, zu erkennen, welche ausgezeichneten Chan-en dieses Land hat. Ich bin davon überzeugt, dass sicheutschland mit Macht aus der Krise befreien und sichieder positiv im internationalen Wettbewerb positio-ieren wird.Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen,ören Sie endlich auf, die Leistung, die die Arbeitneh-erinnen und Arbeitnehmer in diesem Lande vollbrin-en, schlechtzureden! Wir können stolz sein auf das, wasir in diesem Jahr vollbringen. Deutschland bewegtich; das ist feststellbar. Die Bundesregierung und die sieragende Koalition unternehmen die richtigen Schritteierzu. Wir sind in der Lage, die Probleme anzupackennd Lösungen aufzuzeigen, und die wirtschaftliche Ent-icklung gibt uns Recht. Damit stellen wir uns auch un-erer europäischen Verantwortung als wirtschaftlicherotor der Eurozone. Wir werden weiter für langfristigetrukturreformen und für kurzfristig spürbare Impulseurch Steuerentlastungen kämpfen, weil dieses Landehr Wachstum und neue Arbeitsplätze braucht.
Nun ist es an Ihnen, meine Damen und Herren voner Opposition, in Ihrer Verantwortung in den Ländernen Kurs für Strukturreformen, Subventionsabbau undteuersenkungen und damit mehr Wirtschaftswachstumnd Steuerung des Sozialstaates in seiner Grundidee mit-utragen. Die Menschen in unserem Land werden esicht hinnehmen, wenn Sie das Interesse Ihrer Partei voras Interesse des Landes stellen. Machen Sie Schluss mithrer Blockadepolitik und sorgen Sie im Vermittlungs-usschuss dafür, dass unsere Bürgerinnen und Bürger abem 1. Januar 2004 mehr Geld in der Tasche haben!Ich danke Ihnen.
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollegeernhard Kaster, CDU/CSU-Fraktion.
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6752 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Nach den aktuellen Ereignissen in Brüssel musshier eines deutlich festgestellt werden: Die Bundesregie-rung, der Bundeskanzler, der Finanzminister haben inden letzten Jahren Bund, Länder und Kommunen in diegrößte Haushaltskrise geführt. Das hat in diesen Tagenjetzt auch eine europäische Dimension erreicht.
Den Stabilitätspakt unserer gemeinsamen Währung,für den gerade wir in Deutschland in den 90er-Jahren sogekämpft haben, de facto aussetzen zu müssen – ein grö-ßeres Armutszeugnis für die eigene Finanzpolitik kannsich ein deutscher Finanzminister gar nicht ausstellen.Wie Theo Waigel gestern zu Recht festgestellt hat, istdas, was sich hier abgespielt hat, eine Schande fürDeutschland.
Meine Damen und Herren, es ist deshalb kein Wun-der, dass neben der gescheiterten Politik auch die voll-kommen überzogene Öffentlichkeitsarbeit immer mehrin die Kritik der Medien gerät. Gute Arbeit verkauft sichvon selbst; Ihre schlechte Arbeit müssen Sie mit teurenWerbemillionen als gut verkaufen.Ich habe hier eine Broschüre, aus der ich jetzt zitiere:Diese Broschüre informiert Sie, welche Reformenvorgesehen sind.Die Betonung liegt auf „vorgesehen sind“. So das Vor-wort unseres Bundeskanzlers in dieser kleinen Bro-schüre.Ähnlich könnte es – sinngemäß – im Vorwort desHaushaltes 2004 lauten: Dieser Haushalt informiert Sieüber das, was wir uns wünschen. – Das ist alles schonschlimm genug; aber mit der Realität hat dieser Haushaltnichts zu tun.Verehrte Kolleginnen und Kollegen, professionelleWerbung soll in der Öffentlichkeit das alles wieder aus-bügeln. Schlechte Arbeit gut verkaufen – das macht aufder Bundesebene langsam Schule, wie wir in den letztenTagen eben auch aus Nürnberg umfangreich erfahren ha-ben.
1,3 Millionen Euro für Medienberatung und nahezu eineVerdoppelung der Ausgaben für die Öffentlichkeits-arbeit, um die Bundesanstalt für Arbeit und FlorianGerster ins rechte Licht zu rücken – darüber empört mansich in Deutschland zu Recht.
Florian Gerster, vom Bundeskanzler persönlich indieses Amt gebracht, hat hier sehr schnell von seinemFörderer gelernt. Inhalte ersetzen wir durch PR-Arbeit– Herr Gerster, schnell gelernt vom Bundeskanzler. In-formationspflichten ersetzen wir durch Imagewerbung –güpWgpGLmFvnE„„eahSakBMtMezzaGa
erbeaufträge ohne Ausschreibung, das Stichwort istefallen – für Haushaltsausschuss und Rechnungs-rüfungsausschuss ist das keine neue Idee von Herrnerster; man kennt das bereits von der Bundesregierung.eistungen kürzen und senken, den Öffentlichkeitsetatassiv erhöhen – der rot-grüne Bundeshaushalt ist fürlorian Gerster hier das Lehrbuch.
Meine Damen und Herren, die Verpackung kommtor dem Inhalt. Das ist die besondere Form der Richtli-ienkompetenz unseres Bundeskanzlers.Wir haben ja in diesem Jahr schon sehr viel erlebt.ine Kampagne jagt die andere:
Erfolg braucht alle“, „Teamarbeit für Deutschland“,Deutschland bewegt sich“, „Zeit für mehr“ – man kanns unendlich fortsetzen,
lles frei nach dem Motto: Ist der Ruf erst ruiniert,andle frei und ungeniert.
o ist im schlimmsten Schuldenhaushalt nicht Sparenngesagt, nein, jetzt will man es in Sachen Öffentlich-eitsarbeit so richtig wissen. Öffentlichkeitsmittel desundespresseamtes: ein Plus von 10,4 Prozent.
ittel für Öffentlichkeitsarbeit des Bundesfinanzminis-eriums: ein Plus von 120,5 Prozent.
ittel für Öffentlichkeitsarbeit aller Bundesministerieninschließlich Bundespresseamt: ein Plus von 21 Pro-ent. Mittel für Öffentlichkeitsarbeit im Gesamtetat:wischenzeitlich über 97 Millionen Euro.Aber damit nicht genug. Zusätzlich erfolgt eine Ver-nschlagung so genannter Fachinformationen in einerrößenordnung von fast 70 Millionen Euro,
llein im Etat für das Haus Trittin 6,8 Millionen Euro.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6753
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Bernhard KasterAber auch damit nicht genug. In mehreren Zuschusspro-grammen – für Fachleute: das ist die Hauptgruppe 6 –sind weitere PR-Millionen enthalten. Beispiel: Bundes-programm Ökolandbau.
Hierhinter verbirgt sich beispielsweise „Kater KrümelsBauernhof“. Es werden 1,7 Millionen Euro für ein Kin-dergesellschaftsspiel ausgegeben. Jegliches Fingerspit-zengefühl geht hier verloren.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, auch im Hausevon Herrn Minister Stolpe finden sich zweimal2 Millionen Euro Werbemittel in den Zuschussprogram-men Niedrighausenergie und Wohnraummodernisierung.In Zeiten von Rekordschulden, Bruch des Eurostabili-tätspaktes, Leistungskürzungen und Subventionsabbausind diese dreisten Werbemillionen einfach ein Skandal.
Für die Koordinierungsstelle der Öffentlichkeitsarbeitder Bundesregierung, das Presse- und Informationsamt,empfinden wir zwischenzeitlich Mitleid, weil man dortvor Hilflosigkeit und Panik bereits den dritten Rahmen-vertrag für PR-Arbeit mit Werbeagenturen ausge-schrieben hat.
Alle Rahmenverträge werden gleichzeitig in Kraft tre-ten.Die Verpackung kommt vor dem Inhalt. Sie habendieses Prinzip inzwischen sogar in den Zeitabläufen ver-ankert. Ich will ein paar Beispiele nennen.Erstes Beispiel. Am 11. Juli 2003 gab es den Kampa-gnenauftakt für die Gesundheitsreform. Am 21. August,also mehr als einen Monat später, haben sich die Ver-handlungspartner der Konsensrunde auf die Eckpunkteder Gesundheitsreform verständigt. Die Kampagne star-tete aber, wie gesagt, bereits am 11. Juli.Zweites Beispiel. Am 22. August, also wenige Wo-chen vor der bayerischen Landtagswahl, gab es den Startder Kampagne für die Agenda 2010 „Deutschland be-wegt sich“.
Zu diesem Zeitpunkt lagen uns die entsprechenden Ge-setzentwürfe noch nicht vor. Erst am 9. und 11. Septem-ber erfolgte die erste Lesung der zentralen Punkte der sogenannten Agenda 2010.Für das Kanzleramt rollt derzeit das 16 Tonnenschwere Adlerauge,
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie michum Abschluss sagen: Diese Form der Agenda 2010ürde uns sehr gefallen.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 04n der Ausschussfassung. Hierzu liegt ein Änderungsan-rag der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch und Petra Pauor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für dennderungsantrag auf Drucksache 15/2070? – Wertimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungsan-rag ist gegen die Stimmen von Gesine Lötzsch undetra Pau bei Zustimmung aller Fraktionen abgelehnt.Wir stimmen nun über den Einzelplan 04 in der Aus-chussfassung ab. Die Fraktionen der SPD und desündnisses 90/Die Grünen verlangen namentliche Ab-timmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schrift-ührer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen.Sind alle Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Dann er-ffne ich die Abstimmung.Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seinetimme nicht abgegeben hat? – Dann warten wir nocharauf. – Ich glaube, jetzt hat jedes Mitglied seinetimme abgegeben.Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftfüh-erinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-en. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentli-hen Abstimmung unterbreche ich die Sitzung.
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Sebastian EdathySiegmund EhrmannUlrich KelberHans-Peter KemperDr. Carola ReimannChristel Riemann-Dr. Gerald ThalheimWolfgang ThierseMarga ElserGernot ErlerKarin Evers-MeyerAnnette FaßeElke FernerHans-Ulrich KloseAstrid KlugDr. Heinz Köhler
Walter KolbowFritz Rudolf KörperWRRDKalter Riestereinhold Robbeené Röspelr. Ernst Dieter Rossmannarin Roth
Hans-Jürgen UhlRüdiger VeitSimone ViolkaJörg VogelsängerUte Vogt
Hans Eichel Klaus Kirschner Hanewinckel Franz ThönnesVizepräsidentin Dr. h. c. SDie unterbrochene Sitzung iIch gebe das von den Schrifführern ermittelte Ergebnis deEndgültiges ErgebnisAbgegebenen Stimmen: 580;davonja: 298nein: 282JaSPDDr. Lale AkgünGerd AndresIngrid Arndt-BrauerRainer ArnoldHermann BachmaierErnst Bahr
Doris BarnettDr. Hans-Peter BartelsEckhardt Barthel
Klaus Barthel
Sören BartolSabine BätzingUwe BeckmeyerKlaus Uwe BenneterDr. Axel BergUte BergHans-Werner BertlPetra BierwirthRudolf BindigLothar Binding
Kurt BodewigGerd Friedrich BollmannKlaus BrandnerWilli BraseBernhard Brinkmann
Hans-Günter BruckmannEdelgard BulmahnMarco BülowUlla BurchardtDr. Michael BürschHans Martin BuryHans Büttner
Marion Caspers-MerkDr. Peter DanckertDr. Herta Däubler-GmelinKarl DillerMartin DörmannPeter DreßenDetlef DzembritzkiGRGDLIrGURADMKGAWKHBKAMNHRRDGPMGGSGJWFEKCLBRJKJUDusanne Kastner:st wieder eröffnet.tführerinnen und Schrift-r namentlichen Abstim-mdDbhabriele Fograscherainer Fornahlabriele Frechenagmar Freitagilo Friedrich
is Gleickeünter Gloserwe Göllnerenate Gradistanacngelika Graf
ieter Grasedieckonika Griefahnerstin Grieseabriele Gronebergchim Großmannolfgang Grotthausarl-Hermann Haack
ans-Joachim Hackerettina Hagedornlaus Hagemannlfred Hartenbachichael Hartmann
ina Hauerubertus Heileinhold Hemkerolf Hempelmannr. Barbara Hendricksustav Herzogetra Heßonika Heubaumisela Hilbrechtabriele Hiller-Ohmtephan Hilsbergerd Höferelena Hoffmann
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rank Hofmann
ike Hovermannlaas Hübnerhristel Hummeothar Ibrüggerrunhilde Irberenate Jägerann-Peter Janssenlaus-Werner Jonasohannes Kahrslrich Kasparickr. h.c. Susanne KastnerKRAENVADHEHUDCCCWDEGGEDDTLCCHMUPUAUMCGFDVDDHHJDFDKGung über den Einzelplan 04 –eskanzleramt – in derrucksachen 15/1904 und 15ene Stimmen 580. Mit Ja habeaben gestimmt 282.arin Kortmannolf Kramernette Krammernst Kranzicolette Kresslolker Kröningngelika Krüger-Leißnerr. Hans-Ulrich Krügerorst Kubatschkarnst Küchlerelga Kühn-Mengelte Kumpfr. Uwe Küsterhristine Lambrechthristian Lange
hristine Lehderaltraud Lehnr. Elke Leonhardckhart Leweringötz-Peter Lohmannabriele Lösekrug-Möllerrika Lotzr. Christine Lucygairk Manzewskiobias Marholdothar Markaren Markshristoph Matschieilde Mattheisarkus Meckellrike Mehletra-Evelyne Merkellrike Mertenngelika Mertensrsula Moggichael Müller
hristian Müller
esine Multhauptranz Münteferingr. Rolf Mützenicholker Neumann
ietmar Nietanr. Erika Oberolger Orteleinz Paulaoachim Poßr. Wilhelm Priesmeierlorian Pronoldr. Sascha Raabearin Rehbock-Zureicherold ReichenbachMGOMTAAGRBDSHOHUDWHCWOKFWOGBRSDDREDDWDJDLCRDJJJ
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r. Maria Flachsbarthlaus-Peter Flosbacherbert Frankenhauserr. Hans-Peter Friedrich
rich G. Fritzochen-Konrad Frommer. Michael Fuchsans-Joachim Fuchtelr. Peter Gauweilerr. Jürgen Gehborbert Geisoland Gewaltberhard Giengereorg Girischichael Glosalf Göbelr. Reinhard Göhneranja Gönnereter Götzr. Wolfgang Götzerte Granoldurt-Dieter Grilleinhard Grindelermann Gröheichael Grosse-Brömerarkus Grübelanfred Grundarl-Theodor Freiherr vonund zu Guttenberglav Guttingolger-Heinrich Haibacherda Hasselfeldtrsula Heineniegfried Heliasda Carmen Freia Hellerichael Hennrichürgen Herrmannernd Heynemannrnst Hinskeneter Hintzeobert Hochbaumlaus Hofbaueroachim Hörsterubert Hüppeusanne Jaffker. Peter Jahrrof. Dr. Egon Jüttnerartholomäus Kalbteffen Kampeterrmgard Karwatzkiernhard Kaster
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6756 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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(D)
t I. 9 auf: 15/1921 –enaun Vereinbarung sind für vorgesehen. – Ich höreas so beschlossen.Das Wort hat der KollegeSU-Fraktion.DU/CSU)DU/CSU):hr geehrten Damen undeit er mit den Realitätens ist bei diesem Haushaltt sich ein Stück weit die aus. In einer Zeit, in dersVssrwtmdH1Eawlztdinses Einigkeit darüber, dass dieerteidigungspolitik und Politiammenarbeit in einem Gesamind und angesichts der Interesität beim staatlichen Handeln gVor diesem Hintergrund habelchen Anteil die drei Haushaeidigung und wirtschaftlicheengenommen am Gesamthauer Anteil am Gesamthaushaltaushaltsentwurf für 2004 sin1,67 Prozent. In diesem Verhrachtens aus, dass die äußerentwortung unseres Landes füerden. Ich glaube, dass es laner ist, wenn wir die äußeren Iu gering bewerten.Es drückt sich in diesem Hauer Sachverhalt aus, der nachem eben genannten zusammem Verständnis dieser Bundesreur noch die Funktion von innechen und wahltaktischen Manö
angenommen. tiert sind, besteht, so denke ich, auf allen Seiten des Hau-Dr. Peter RamsauerHelmut RauberPeter RauenChrista Reichard
Katherina ReicheHans-Peter RepnikKlaus RiegertProf. Dr. Heinz RiesenhuberHannelore RoedelFranz-Xaver RomerHeinrich-Wilhelm RonsöhrDr. Klaus RoseKurt J. RossmanithDr. Norbert RöttgenDr. Christian RuckAlbert Rupprecht
Peter RzepkaAnita Schäfer
Dr. Wolfgang SchäubleHartmut SchauerteAndreas ScheuerNorbert SchindlerGeorg SchirmbeckChristian Schmidt
Andreas Schmidt
Dr. Andreas SchockenhoffDr. Ole SchröderBernhard Schulte-DrüggelteUwe SchummerWilhelm Josef SebastianHorst SeehoferKurt SegnerMatthias SehlingMarion SeibHeinz SeiffertBernd SiebertThomas SilberhornJohannes SinghammerJens SpahnErika SteinbachChristian von StettenGero StorjohannAndreas StormMax StraubingerMatthäus StreblLena StrothmannMichael StübgenAntje TillmannEdeltraut TöpferDr. Hans-Peter UhlArnold VaatzVolkmar Uwe VogelAndrea Astrid VoßhoffMarko WanderwitzPeter Weiß
Gerald Weiß
Ingo WellenreutherAnnette Widmann-MauzKlaus-Peter WillschWilly Wimmer
Matthias WissmannWerner WittlichDEWWWFDRAEHUOHRDHJDDCUBDMDGJ
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Das konnte man im vergangenen Jahr bei der Debatteüber den deutschen Weg gut sehen: Ein Außenministerhätte einen Kanzler daran hindern müssen, mit solch tö-richten und schädlichen Begriffen zu arbeiten. Unbe-schadet aller Auseinandersetzungen im Einzelnen hatder Außenminister ein dramatisches Zerwürfnis in deratlantischen Gemeinschaft und im deutsch-amerikani-schen Verhältnis in Kauf genommen. In dieser Zeitschien es, als sei er fast abgetaucht.
Es tut mir Leid: Das war in der schwierigen Situationder Fall, als sich unsere östlichen Nachbarn, die ab demnächsten Jahr Mitgliedsländer in der EuropäischenUnion sein werden, durch die deutsch-französische Poli-tik bevormundet und weggestoßen gefühlt haben. Manhätte sich eigentlich gewünscht, dass der Außenministerdafür sorgt, dass das deutsch-polnische Verhältnis, dasetwas so Kostbares geworden ist, nicht derart mit Füßengetreten wird.
Weil von den Grünen gerade ein Zwischenruf kam,will ich sagen: Ich bin schon ein paar Jahre Mitglied die-ses Hohen Hauses und ich habe frühere außenpolitischeDebatten gut in Erinnerung. Als Sie in der Oppositionwaren, haben Menschenrechte bei Ihnen gelegentlichnoch eine gewisse Beachtung gefunden.
Ich habe die blamable Art gesehen, mit der die Bundes-regierung in der vergangenen Woche in der AktuellenStunde auf unsere Hinweise, dass Russland unsererfreundschaftlichen, aber fürsorglichen Aufmerksamkeitbedarf, weggetaucht ist. Dazu muss ich sagen: Auch hierfehlt mir jegliche außenpolitische Verantwortung derBundesregierung.
Man muss sich in diesen Tagen anschauen, in welcherWeise das deutsch-französische Verhältnis, das etwasganz Wichtiges und Wertvolles ist, inzwischen aus derBalance geraten ist. Das hat schon heute Vormittag zuRecht eine große Rolle gespielt. Man muss im deutsch-französischen Verhältnis darauf achten, dass ein Beitragdazu geleistet wird, Europa stärker zu einigen. Das warimmer die Verpflichtung einer engen deutsch-französi-sgwVgessslFiuwdsbstdbuKwedtgDddpsddabsisecPg
Der Bundeskanzler hat heute Morgen in seiner Redeesagt, das deutsch-französische Verhältnis müsse song wie möglich sein, es dürfe aber niemals exklusivein. Beim Brüsseler Pralinengipfel war es aber exklu-iv: Ich denke an die Art, wie unsere Nachbarn, insbe-ondere Polen, behandelt worden sind und wie der Stabi-itätspakt durch die Bundesregierung und durchrankreich in diesen Tagen zuschanden geritten wordenst. Hier war die Zusammenarbeit zwischen Frankreichnd Deutschland kein Beitrag für Europa; denn dadurchird die europäische Einigung zerstört. Das darf nichtie Funktion der deutsch-französischen Zusammenarbeitein.
Man muss darauf achten, dass niemand die Sorge ha-en muss, dass die privilegierte Zusammenarbeit zwi-chen Frankreich und Deutschland gegen andere gerich-et ist. Genau diese Sorge war aber bei der Präsentationer Vorschläge zur gemeinsamen Agrarpolitik und auchei der Präsentation der Vorschläge des Bundeskanzlersnd des französischen Präsidenten für den Europäischenonvent durchaus real vorhanden und berechtigt. Esurde immer mit der Attitüde verbunden: Hier habt ihrs und jetzt habt ihr es anzunehmen.
Sie brauchen sich jetzt nicht zu wundern, dass Sie iner Endphase der Regierungskonferenz den sich verhär-enden Widerstand insbesondere der kleineren Mit-liedsländer gegen die Ergebnisse des Konvents spüren.as ist genau durch die nicht balanciert vorgehendeeutsch-französische Zusammenarbeit verursacht wor-en. Im Interesse Deutschlands, Frankreichs und Euro-as muss dies korrigiert werden. Die deutsch-französi-che Zusammenarbeit muss Europa voranbringen, siearf Europa nicht spalten. Das ist der Unterschied, aufen es entscheidend ankommt.
Etwas anderes will ich in diesem Zusammenhanguch sagen: In einer Welt, in der die Risiken wenig teil-ar geworden und die Bedrohungen umfassend undchwer kalkulierbar sind,
st es entscheidend, dass wir in funktionierende europäi-che Strukturen und in die atlantische Partnerschaft festingebunden sind, dass wir überall in der Welt verlässli-he Partner haben und dass wir selbst auch verlässlicheartner sind. Deswegen muss die europäische Einigungelingen.
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6758 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Dr. Wolfgang SchäubleIch fürchte, sie befindet sich eher in einer kritischenPhase. Ich glaube, wir müssen darauf achten, dass esnicht nur beim Konvent gelingt, die Zustimmung derMenschen zum europäischen Einigungswerk zu gewin-nen und zu erhalten, sondern dass wir auch im Zuge derErweiterung darauf achten, dass die Menschen das Ge-fühl behalten, dass diese europäische Einigung ihre ei-gene Sache und im Interesse ihres Landes ist. Im Übri-gen müssen wir auch darauf achten, dass sich dieMenschen das notwendige Zugehörigkeitsgefühl zumeuropäischen Einigungswerk bewahren.Deswegen: Es ist doch wirklich ganz unbestritten,dass wir alle ein gemeinsames Interesse an einer positi-ven Entwicklung in der Türkei haben, dass wir unswünschen und durch möglichst enge partnerschaftlicheBeziehungen mit der Türkei alles daran setzen, dass sieein dem Westen zugewandtes und eng mit Europa unddem Westen verbundenes Land bleibt und sich weiter-entwickelt, und dass wir die Türkei auf jede uns mögli-che Weise unterstützen. Aber die Frage, ob das Ziel einerpolitischen Union der Europäischen Union wirklich dieGrenzen des europäischen Kontinents überschreitenkann, ohne dabei Schaden zu nehmen, muss anhand derInteressen und aus dem Selbstverständnis der Europäi-schen Union diskutiert und beantwortet werden. Allesandere wird das europäische Einigungswerk eher gefähr-den.
Es ist wahr: Die europäischen Gemeinschaften habender Türkei seit 40 Jahren die Beitrittsperspektive ange-boten. Davon kann man sich nicht einseitig verabschie-den. Das haben wir immer gesagt.
Man kann keine Zusage einseitig aufkündigen, weil Ver-lässlichkeit in der Zusammenarbeit von entscheidenderBedeutung ist.Ich finde – das war der Inhalt des Antrages der CDU/CSU-Fraktion vor dem Gipfel von Kopenhagen, daraufmöchte ich zurückkommen –, wenn wir Ende nächstenJahres oder wann auch immer in Gespräche und Ver-handlungen mit der Türkei über die weitere Gestaltungdes Verhältnisses zwischen Europäischer Union undTürkei eintreten, dann sollten wir der Türkei vorschla-gen, ob es nicht neben der Mitgliedschaft die Form einerprivilegierten Partnerschaft oder eines engen Nachbar-schaftsverhältnisses geben kann, über das wir miteinan-der reden können. Das Ergebnis dieser Verhandlungendürfen wir nicht vorher einseitig festlegen. Vielmehrmüssen wir bereit sein, Argumente auszutauschen.Ich vermute, dass es am Ende auch im Interesse derTürkei in ihrer Funktion als Brückenland zwischen Eu-ropa und dem asiatischen Kontinent sein wird, zu einerengen, vertraglich vereinbarten Form der Zusammenar-beit und Zugehörigkeit zur Europäischen Union, abernicht zu einer vollen Mitgliedschaft mit jenem beträcht-lichen Souveränitätsverzicht zu kommen, der mit einervollen Mitgliedschaft in der Europäischen Union nuneinmal verbunden ist. Wenn wir der Türkei zusichern,dewauF–buWsSkmdwnisdndzgWGtEregdDrcsShIpstIwi
Ich sage, was wir für die bessere Lösung halten. Ichin bereit, mit Ihnen und mit der Türkei darüber zu redennd Argumente auszutauschen. Das ist der bessere Weg.ir sollten nicht unterschätzen, wie groß die Gefahrenind, dass das europäische Einigungswerk substanziellchaden erleiden könnte. Wir haben heute darüber dis-utiert – das muss ich jetzt nicht fortsetzen –, aber ichuss darauf hinweisen, dass ein schwerer Schadenroht.Ich weiß noch genau, welch schwere Entscheidung esar, die Europäische Währungsunion – übrigens in ei-em Wahljahr – durchzusetzen. Ich will nicht länger Salzn die Wunden reiben, aber viele sind bei dieser Ent-cheidung zusammengezuckt. Sie waren der Ansicht,ass die Menschen in Deutschland diese Entscheidungicht akzeptieren würden und dass es bei einem Referen-um Schwierigkeiten gegeben hätte, eine Mehrheit dafüru finden. Jedenfalls wäre viel Überzeugungsarbeit nötigewesen. Bedingung aber war, dass die europäischeährung so stabil bleibt, wie es die D-Mark gewesen ist.
egen diese Bedingung ist verstoßen worden. Damit un-ergraben wir das Vertrauen in die europäische Einigung.
Ich möchte dafür werben, dass wir das europäischeinigungswerk nicht gefährden. Eine Überdehnung Eu-opas genauso wie eine Untergrabung der Stabilität deruropäischen Währung gefährdet die europäische Eini-ung. Weil wir ein starkes Europa wollen und brauchen,ürfen wir nicht so leichtfertig solche Risiken eingehen.as ist unverantwortlich.
Meine nächste Bemerkung: In den kommenden Jah-en wird nach meiner Überzeugung die Außen- und Si-herheitspolitik in der europäischen Dimension eine ent-cheidende Bedeutung haben. Ich begrüße sehr das vonolana vorgelegte Papier für eine europäische Sicher-eitsstrategie.
ch wünsche, plädiere und werbe dafür, dass dieses Pa-ier nicht weiter verwässert, sondern auf dem Europäi-chen Rat in Rom angenommen wird; denn es ist ein gu-er und hoffnungsvoller Ansatz.Es hat sich gezeigt, dass der Beitrag Europas in derrakfrage, in der Europa gespalten war, marginalisiert ge-esen ist. In der schwierigen Iranfrage, in der es gelungenst, Europa zu einer gemeinsamen Haltung zu einen,
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Dr. Wolfgang Schäublekonnte auch in Übereinstimmung mit den VereinigtenStaaten von Amerika ein besseres Ergebnis – bis hin zuder jüngsten Entscheidung der IAEO – erreicht werden.
Das zeigt, wenn wir in Europa ein gemeinsames politi-sches Ziel haben und gemeinsame Antworten finden,können wir einen wesentlichen Beitrag für eine stabilereWelt leisten. Das ist die europäische Verantwortung. Da-für müssen wir arbeiten.
Das heißt aber auch: Es muss klar sein, dass man Eu-ropa nicht als Gegengewicht gegen die Vereinigten Staa-ten von Amerika oder als Alternative zum atlantischenBündnis einen kann. Das ist der Fehler, der in der Irak-krise begangen worden ist, er wird jetzt korrigiert. Wirmüssen ihn auch unseren französischen Freunden klarmachen. Mir wäre es lieber, Frankreich würde eher frü-her als später in die militärische Integration des Atlanti-schen Bündnisses zurückkehren. Das ist der bessere Wegzu einer gemeinsamen europäischen Verteidigungspoli-tik.
Deswegen sind wir auch gegen jeden Ansatz in Rich-tung auf ein eigenes Hauptquartier für die europäischeVerteidigungskomponente. Das muss unter Nutzung derNATO-Strukturen geleistet werden. Jeder Schritt in diefalsche Richtung ist ein Schritt zu viel, schürt nur Miss-verständnisse und schwächt die europäische Handlungs-fähigkeit. Ich sage noch einmal: Wer Europa gegen dieUSA einen will, wird Europa nur spalten. Das haben wirbereits erlebt, wir wollen diesen Fehler nicht fortsetzen.Wir schulden es unseren französischen Freunden, dasklar auszusprechen.
– Die Bundesregierung, ebenso die britische Regierungwie viele andere auch. Nicht nur die deutsche Regierungmacht Fehler, aber wir müssen uns im Deutschen Bun-destag in erster Linie mit den Fehlern der Bundesregie-rung beschäftigen. Wir könnten uns auch mit der Regie-rung von Sri Lanka beschäftigen, aber wir sind nuneinmal die Abgeordneten des Deutschen Bundestags.
Ich werbe dafür, es ganz klar zu sagen: EuropäischeEinigung ist in der Außen- und Sicherheitspolitik einBeitrag zur Stärkung atlantischer Solidarität, weil wirnur gemeinsam unserer Verantwortung gerecht werdenkönnen. Wir werden uns einen größeren Beitrag im Nah-ostkonflikt leisten müssen. Wenn die Zeitungsberichtezutreffen, steht auch im Strategiepapier von JavierSolana, dass Europa eine besondere Verantwortung fürden Nahostkonflikt zukommt. Das wird von Europa grö-ßere Beiträge verlangen.An dieser Stelle möchte ich allerdings bemerken: Wirsollten dem israelischen Premierminister in aller Freund-srEwdiw–g–cdsFizt–CeUnvtd––g
Frau Kollegin Roth, da ich Sie gerade sehe, möchtech Sie bitten, in der Debatte um die Türkei verbal einenig abzurüsten.
Ja, gerade ich sage es, denn ich habe das Zitat vorlie-en.
Der Kollege Bosbach hat die Frage, ob es einen sol-hen Zusammenhang gibt, mit Nein beantwortet. Genauas sagen wir alle. Die Entscheidung über die Mitglied-chaft der Türkei in der Europäischen Union hat mit derrage, ob man vom Terrorismus bedroht und betroffenst, überhaupt nichts zu tun. Diese Tatsache wird wederur Beschleunigung noch zur Verlangsamung des Bei-rittsverfahrens führen.
Frau Kollegin Roth, Sie haben vor einigen Wochen derSU vorgeworfen, sie führe mit ihren Bedenken gegenine volle Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischennion einen rassistischen Wahlkampf. Dazu kann ich Ih-en nur sagen: Nehmen Sie das zurück und rüsten Sieerbal ab! Sie tun dem inneren Frieden und der Integra-ion unserer türkischen Mitbürger keinen Gefallen, son-ern gefährden sie nur.
Ich habe es da.
Einverstanden. Wenn Sie es zurücknehmen, ist es jaut.
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6760 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Dr. Wolfgang SchäubleIch glaube, es ist besser, wenn wir uns eines Verbalradi-kalismus in so sensiblen Fragen enthalten. Da macht je-der einmal einen Fehler, das kommt vor. Aber dann mussman ihn auch zurücknehmen.Ich würde gerne noch eine Bemerkung zu der Bedro-hung der Menschen in unserem Land durch den Terro-rismus machen. Wir brauchen eine umfassende Politik;diese wird sich nicht nur auf militärische Mittel stützenkönnen. Mit militärischer Überlegenheit allein ist einestabile Weltordnung nicht zu errichten und zu erhalten;das wissen wir alle. Wir sollten aber trotz aller Bedro-hungen in anderen Teilen der Erde nicht aus den Augenverlieren, dass wir vom internationalen Terrorismus inunserem eigenen Land genauso bedroht sind. Deswegenhat die Bundeswehrstrukturreform einen dramati-schen Mangel. Sie gibt nämlich überhaupt keine Ant-wort auf die Frage, wie es eigentlich mit den Aufgabenund der Verantwortung der Bundeswehr steht, die Si-cherheit der Menschen in Deutschland nicht nur am Hin-dukusch zu verteidigen – was richtig und notwendig istund was ich ausdrücklich unterstütze –, sondern auch imeigenen Land. Wir haben auch eine Verantwortung fürdie Vorsorge für Bedrohungen und Risiken, die sich inunserem eigenen Lande ereignen können. Das kannheute oder morgen passieren. Ich hoffe, dass es nicht sokommt, aber wir müssen dafür Vorsorge treffen.Das heißt auch, dass wir über die Frage der Zusam-menarbeit zwischen den Kräften für äußere und innereSicherheit vertiefter nachdenken müssen. Ich lese in-zwischen, dass der Bundesinnenminister eine gemein-same Arbeitsgruppe mit den Länderinnenministern ein-gesetzt hat – wenn die Zeitungsberichte zutreffen –, inder man miteinander über eine stärkere Zusammenarbeitzwischen der Bundeswehr und den Kräften für innere Si-cherheit zur Abwehr von Bedrohungen im eigenenLande sprechen will. Ich kann das nur begrüßen und un-terstützen. Dann müssen aber auch bei der Bundeswehr-strukturreform entsprechende Konsequenzen gezogenwerden. Ich füge hinzu: Sie werden sich nicht davor drü-cken können, wenn wir auf diese Frage und die Frageder Parlamentsbeteiligung bei integrierten Einsätzen,etwa der NATO-Response-Force, vernünftige Antwortengeben wollen, entsprechende Ergänzungen unseresGrundgesetzes in die Überlegungen einzubeziehen.Dass Sie jetzt bei der Frage der Abwehr von Gefahrenaus der Luft mit einfachgesetzlichen Regelungen unterInkaufnahme großer verfassungsrechtlicher Risiken Lö-sungen suchen wollen, zeigt, dass Sie nicht die Kraft zuverantwortlichem Handeln haben.
Das ist der eigentliche Punkt. Wir müssen im Interesseunseres Landes, seiner Zukunftsfähigkeit und der Si-cherheit seiner Bürger die Kraft haben, die notwendigenPrioritäten in der Haushaltspolitik und in den rechtlichenRegelungen zu setzen. Wir müssen die Kraft haben, denMenschen zu erklären, was notwendig ist, damit wirauch in Zukunft in Frieden und Sicherheit leben können.Wir müssen dazu bereit sein, einen größeren Beitrag zueuropäischer und atlantischer Verlässlichkeit und Part-nerschaft zu leisten.FWIugdaTdusdtbkDSddGrmRtgnvBHDIddIpgTal
azu haben einige beigetragen, der Präsidentchewardnadse, dem wir viel zu verdanken haben under sich im richtigen Moment zurückgezogen hat, auchie Oppositionsführer, die trotz hohen Engagements einefühl der Verantwortung behalten haben, und auch derussische Außenminister, der im richtigen Moment ver-ittelt hat, wofür wir ihm hier im Deutschen Bundestagespekt zollen.
Trotzdem bleibt auch eine internationale Verantwor-ung für die ungelösten regionalen Konflikte in Geor-ien.Aber all das wird von der Serie von Akten des inter-ationalen Terrorismus überschattet, die einen grauen-ollen Höhepunkt in Istanbul gefunden hat. Sie ist eineweis für die Menschenverachtung, aber auch für dieandlungsfähigkeit des global agierenden Terrorismus.as zeigt übrigens die Unkalkulierbarkeit des Risikos.n Wirklichkeit ist Istanbul ein potenzielles Überall.
In dieser Situation zeigt die Bundesregierung durchie Fortsetzung unseres Engagements auf dem Balkan,urch den verstärkten Einsatz in Afghanistan, durch dienitiative, an der sie sich wegen des gefährlichen Atom-rogramms im Iran beteiligt hat, und auch durch die re-elrecht demonstrative Unterstützung unseres Partnersürkei nach den Anschlägen in Istanbul Einsatz und Ver-ntwortung. Ich möchte dem Außenminister ausdrück-ich dafür danken, dass er richtig gehandelt hat, indem er
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Gernot Erlersofort in die Türkei gereist ist, um diese Unterstützungzu beweisen.
Damit kommen wir zu der Frage, ob das gleiche Ver-antwortungsbewusstsein auch bei der Opposition zu beo-bachten ist.
Daran sind – auch in der Öffentlichkeit – Zweifel ange-bracht. Was die Kolleginnen und Kollegen von der FDPangeht, kann nach wie vor niemand verstehen, warumsie in der eben von mir angesprochenen Situation dieFortsetzung des Kampfes gegen den Terrorismus in Af-ghanistan und unsere Beteiligung daran wie auch die Er-weiterung des Einsatzes – damit die ÜbergangsregierungKarzai endlich über Kabul hinausgehen kann – abge-lehnt haben. Sie führen damit Ihre internationale Politikin die Isolation. Man kann nur froh darüber sein, dass Ih-nen auf diesem Weg niemand folgt.
Aber auch und gerade nach der Rede des KollegenSchäuble, in der er die Fakten zum großen Teil auf denKopf gestellt hat, kann ich das notwendige Engagementund Verantwortungsbewusstsein bei der Oppositionnicht feststellen. Die Türkeipolitik der CDU/CSU ist undbleibt von A bis Z unverantwortlich,
und zwar aus drei Hauptgründen.Erstens. Sie führen die deutsche Öffentlichkeit be-wusst in die Irre, Herr Schäuble, wenn Sie so tun, alswürde im Jahr 2004 über den Beitritt der Türkei ent-schieden. Sie wissen sehr genau, dass es nur um eineEntscheidung geht, die im Dezember vergangenen Jah-res hinsichtlich der Frage anstand, ob die Türkei schonreif für Beitrittsverhandlungen ist. Zu dem Status alsBeitrittskandidat hat es in Europa bereits eine Reihe vonEntscheidungen gegeben, an denen auch Sie mitgewirkthaben. Sie waren immer dafür. Das haben Sie auch zuge-geben; insofern steht das nicht infrage.Die Wahrheit ist, dass die Verhandlungen mit der Tür-kei auch nicht schneller verlaufen werden als mit den an-deren Beitrittsstaaten. Das heißt, in Wirklichkeit wirdüber die Bewertung des Verhandlungsprozesses erst imJahr 2015 entschieden. Was Sie immer wieder vortragen,ist eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit.
Zweitens. Es ist schon ein starkes Stück, HerrSchäuble, wenn Sie von einer Instrumentalisierung die-ses Politikbereichs sprechen.
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Doch, das ist ein Fall Bosbach. Er ist ein Beweis dafür,ass Sie sich in dieser Frage für den denkbar rücksichts-osesten Populismus entschieden haben.
as den Versuch angeht, terroristische Akte und damitie Angst der Menschen politisch zu instrumentalisieren,aben Sie ein Erklärungsproblem, nicht wir.
hre halbherzigen Bemühungen um Schadensbegren-ung, deren Zeuge wir erneut geworden sind, reichen da-ei nicht aus.Was für ein Unterschied: Der Außenminis-er fährt in die Türkei, um sichtbar und fühlbarolidarität zu zeigen, während Sie Ihre Instrumente füren Europawahlkampf schmieden. Das ist schäbig. Dazutehe ich, solange Sie das nicht eindeutig zurücknehmen.
Schließlich fehlt Ihnen jede Einsicht in die Bedeutunges Reformprozesses in der Türkei für die gesamteeltpolitik, den wir sehr sorgfältig und aufmerksam be-bachten. Es ist nämlich in der Tat von weltpolitischemnteresse, ob dieser Reformprozess weitergeht. Wir – da-it meine ich nicht etwa nur uns Deutsche, sondern dieesamte Weltgemeinschaft – sind daran interessiert, dasss eine große islamische Gesellschaft gibt, die den Weger Demokratie und der Beachtung der Menschenrechtend Minderheitenrechte erfolgreich beschreitet. Dies istm Interesse von uns allen, weil es die bessere Antwortuf die Herausforderung des „Kampfes der Zivilisatio-en“, den Osama Bin Laden und seine Anhänger unsufzudrücken versuchen, ist als alle anderen denkbarenntworten.
ine solche islamische Gesellschaft ist die beste Antwortuf die terroristische Herausforderung in der internatio-alen Politik.Sie werden mit Ihrem kollektiven Verdummungspro-ess, bei dem so getan wird, als gehe es um etwas ande-es, keinen Erfolg haben. Wir werden Sie bei diesemhema stellen. Es geht nicht um einen EU-Beitritt derürkei heute, morgen oder im Dezember 2004, sondernarum, ob Verhandlungen, die viele Jahre dauern werden,ufgenommen werden oder nicht. Letztlich geht es je-och darum, was Verantwortung in der Nach-September-elt bedeutet. Dazu sind Sie Ihre Antworten schuldig ge-lieben. Wir werden dafür sorgen, dass die Debatte wirk-ich um den Punkt geführt wird, um den es geht: um dierage der Verantwortung in der Nach-September-Welt,
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Gernot Erlernicht aber um die Frage irgendeines Beitrittsdatums. Siewerden es nicht erreichen, dass die Leute Ihnen bei IhremVersuch hinterherlaufen, hier ein völlig anderes Thema,das nicht ansteht, in die Welt zu setzen. Ich hoffe, dasswir auf diese Weise dafür sorgen können, dass Sie es alszu riskant ansehen, die Frage des Türkeibeitritts zu einerbilligen Münze im bevorstehenden Europawahlkampf zumachen.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Wolfgang
Gerhardt, FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass esauf der Welt eine ganz neue Unübersichtlichkeit mit re-gionalen Konflikt- und Krisenherden, mit großen Pro-blem bei Säkularisierungsschritten und mit Gesellschaf-ten gibt, die sich geradezu in freiem Fall befinden,erleben wir, seitdem die alte bipolare Welt vor Jahren zuEnde gegangen ist. Aber es wurde noch keine konsis-tente, die Probleme wirklich durchdringende deutscheund europäische außenpolitische Antwort gefunden. DieStecknadel Kunduz, politisch vielleicht begründet, istangesichts der Herausforderungen in dem großen LandAfghanistan doch eigentlich eine Pseudolösung.
Deutschland macht kein europäisch abgestimmtes Ange-bot.
– Sie fragen die Amerikaner sonst ja nicht, Herr Erler.
– Ich frage sie gern mit Ihnen zusammen.Hier geht es mir aber darum, ob es eine deutsche Ant-wort sein muss, warum das nicht europäisch abgestimmtwurde und wo die anderen Nationen, die eine solche Po-sition vertreten, in Afghanistan sind.
Wir brauchen ein nahezu flächendeckendes Konzert, dases aber nicht gibt, weil es nicht abgestimmt worden ist.Dies bringt mich zur Frage nach den europäischenAntworten. Wir haben den Irakkonflikt mit seinen poli-tischen Kollateralschäden erlebt, die im transatlanti-schen Dialog auf internationalen Konferenzen mühseligSchritt für Schritt beseitigt werden. Wo ist denn jetzt dieveAdFhSzDWeregsIbdsSNngShlicinnnsgmBHWAdtgVkussu
ch hole dann aber auch Äußerungen wieder in die De-atte, die aus Ihrem politischen Feld kamen und den Ein-ruck erweckten, je eher man die Türkei in die Europäi-che Union aufnehme, desto größer sei dericherheitsexport.
ein, die Mitgliedschaft in der Europäischen Union isticht die einzige Möglichkeit, jemandem Sicherheit zueben. Die Antwort auf die Frage, wie man jemandemicherheit gibt, kann sich auch in anderen Vertragsver-ältnissen ausdrücken.
Im Übrigen ist es legitim – ich lasse das nicht der Po-tical Correctness unterwerfen –, in weiteren Gesprä-hen mit der Türkei zu eruieren, ob die Verhandlungen einer Vollmitgliedschaft enden müssen oder ob esoch einen anderen Status geben kann. Auch das isticht festgelegt und wird nach dem Vorliegen des Fort-chrittsberichts erörtert werden. Wenn Sie mir nichtlauben und emotionale Beweggründe vorwerfen, dannöchte ich Sie darauf hinweisen, dass der ehemaligeundeskanzler Helmut Schmidt, der genauso wieelmut Kohl und wir in wechselnden Koalitionen dieseneg seit der Assoziierung von 1963 gegangen ist, seinentwort auf die Frage, ob er eine Überdehnung der EUurch eine Vollmitgliedschaft der Türkei sieht, viel här-er formuliert. Das darf man doch noch ausdrücken.
Die Europäische Union steht zuerst einmal vor derewaltigen Herausforderung, zu verhindern, dass dererfassungsentwurf auf der kommenden Regierungs-onferenz aufgedröselt wird. Sie muss außerdem die vonns gewünschte Aufnahme der mittel- und osteuropäi-chen Reformstaaten verkraften. Das ist nicht zu unter-chätzen. Die Europäische Union muss in der Außen-nd Sicherheitspolitik erst noch eine Stimme finden. Sie
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Dr. Wolfgang Gerhardtmuss erst wieder ökonomische Kraft entwickeln, überdie Deutschland gegenwärtig nicht verfügt. Danach kannsie sich den Nachbarstaaten zuwenden, denen sie – wieim Falle der Türkei – Zusagen gemacht hat. Sie sollteklugerweise auch darüber nachdenken, welche Antwor-ten sie den Mittelmeeranrainerstaaten gibt, die sich imBarcelona-Prozess befinden. Welche Antwort sollen wirdenn der Ukraine geben? Wir alle hoffen doch, dass sichWeißrussland von dem jetzigen Regime befreien kann.Aber welche Antwort sollen wir dann geben? Heißt dieAntwort immer nur Mitgliedschaft oder kann es nichtauch privilegierte Nachbarschaftsverträge geben, was aufeinen Stabilitätsexport durch engere Zusammenarbeithinauslaufen würde? Ich möchte darauf nur hinweisen,ohne unsere türkischen Kollegen verärgern zu wollen,die der Meinung sind, dass es nicht fair sei, wenn sichDeutschland von seiner traditionellen Türkeipolitik ver-abschiede. Das ist zwar nicht unsere Absicht. Aber wirhaben auch Verantwortung zu tragen, wenn wir sehen,dass die Europäische Union an die Grenzen ihrer Fähig-keiten gelangt.Die Europäische Union ist keine NATO, kein schlich-tes geostrategisches Bündnis für Sicherheit, sondern eineengere Wertegemeinschaft, die auch historisch gewach-sene kulturelle Bezüge hat.
Das darf man nicht außer Acht lassen. Wir sollten derTürkei deshalb sagen, dass wir Deutsche ganz unaufge-regt den Fortschrittsbericht der Europäischen Kommis-sion prüfen und dann über die weiteren Schritte in denVerhandlungen mit der Türkei entscheiden werden. Daswird vor Ende des nächsten Jahres nicht der Fall sein.Ich möchte noch auf einen weiteren Gesichtspunkt ein-gehen, den bereits Wolfgang Schäuble klar angesprochenhat. Ich kann noch nicht erkennen, wie die Differenzenzwischen Europa und Amerika, die im Zuge der Irak-krise entstanden sind – es ist durchaus legitim, wennbeide Seiten unterschiedliche Standpunkte einnehmen –,beigelegt werden können und Einvernehmen erzielt wer-den kann. Ich kann die Haltung der Europäischen Unionim Hinblick auf das weitere Vorgehen im Sicherheitsratder Vereinten Nationen noch nicht mit Händen greifen.Entscheidend ist dabei, wie die militärische Lage im Irakaussieht und wie Nation Building – es müssen neue Le-gitimationsgrundlagen geschaffen werden – betriebenwerden soll. Darüber wird vielleicht zwischen Deutsch-land und Frankreich und auch in Begegnungen mit ame-rikanischen Regierungsvertretern gesprochen. Aber wirlegen ausdrücklich Wert darauf, dass alles im Rahmeneines europäischen Prozesses abgestimmt wird. Dieserist nicht abgeschlossen.
Angesichts der internationalen Unübersichtlichkeitund der Reparaturbedürftigkeit der Beziehungen zwi-schen Europa und Amerika muss sich das dynamischedeEnnsAFtmSgGwDtsBHunitsVhfHgdjzdrTuWrzBkt
eutsch-französisches Tandem bedeutet, dass man dieransatlantische Partnerschaft nutzt, und nicht, dass manie gefährdet oder beschädigt.Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Ludger Volmer,
ündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Die grauenhaften Anschläge in Istanbul habenns schmerzlich ins Bewusstsein gerufen, dass der inter-ationale Terrorismus noch längst nicht überwundenst, sondern dass seine Bekämpfung weiterhin der größ-en Anstrengung der internationalen Staatengemein-chaft bedarf.In diesem Zusammenhang frage ich: Wer hat welcheorentscheidungen getroffen? Zu welchen Ergebnissenaben diese Entscheidungen geführt? Die Oppositionragt völlig zu Recht: Was sind die Konsequenzen desandelns der Bundesregierung? Ich möchte aber fol-ende Gegenfrage stellen: Was sind die Konsequenzenes Handelns der Opposition? Ich beziehe mich auf die-enigen Bereiche, in denen zumindest Handlungsansätzeu erkennen sind.Heute sehen wir das Desaster im Irak. Wir sehen,ass der Irak, der früher mit dem internationalen Terro-ismus nichts zu tun hatte, heute ein Hort ist, in dem sicherroristen sammeln. Sie sickern in dieser Region einnd destabilisieren sie.Wer war eigentlich gegen die Intervention im Irak?er hat sie damals befürwortet? Denken wir ein Jahr zu-ück! Damals wurde eine Debatte über die Konsequen-en unseres Handelns geführt. Damals waren wir, dieundesregierung und die Koalition, gegen diesen Irak-rieg, weil wir befürchten mussten, dass dadurch der in-ernationale Terrorismus angeheizt wird.
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Dr. Ludger VolmerIch will gar nicht rechthaberisch sein; aber HerrSchäuble meint die Bundesregierung wieder kritisierenzu müssen.Erinnern wir uns daran, wie sich führende Politikerder CDU/CSU verhalten haben: Angela Merkel hat da-mals den Canossagang nach Washington gemacht undPräsident Bush die deutsche Kooperationsbereitschaft ineiner Unterwerfungsgeste offeriert.
Herr Pflüger, Sie suchen noch heute ex post Begrün-dungen dafür, dass der Irakkrieg notwendig gewesen sei.Herr Schäuble hat mitten im heftigsten Getümmel eineDebatte darüber begonnen, ob Präventivschläge notwen-dig seien. Er formulierte das natürlich als Frage, nachdem Motto: Man wird doch noch fragen dürfen. Dahin-ter verbarg sich aber eine bestimmte Position. Auchheute haben Sie, Herr Schäuble, gesagt, die Bundesre-gierung hätte sich damals, vor dem Krieg, mit den Ame-rikanern einigen sollen. Ihre Handlungsgrundlage – sieschwingt bei Ihnen immer mit, auch wenn Sie sie nichtlaut aussprechen – war immer: Man soll sich mit denAmerikanern auf einen Pro-Kriegs-Kurs einigen. Des-wegen sage ich: Die CDU/CSU-Fraktion ist für dasgrauenhafte Desaster im Irak mitverantwortlich.
Betrachten wir Ihre Politik gegenüber einzelnen europäi-schen Freunden und Nachbarn: Sie kritisieren die Tatsache,dass die deutsch-französische Freundschaft – kurz nach-dem wir das 40-jährige Jubiläum des Élysée-Vertrages inParis, in Versailles, gemeinsam gefeiert haben – auchvon der deutschen Bundesregierung mit Substanz gefülltworden ist. Diese Substanz ergab sich zunächst einmalaus der gemeinsamen Ablehnung des Irakkrieges. Da-raus hat sich eine enge und immer intensiver werdendeZusammenarbeit zwischen dem Bundeskanzler und demfranzösischen Präsidenten ergeben.Ich werde ein Gefühl nicht los: Bei Ihnen herrschenschlicht Neid und Ärger darüber, dass diese Bundesre-gierung – nicht Sie – in der Lage war, das deutsch–fran-zösische Verhältnis mit Substanz zu füllen.
Ich begrüße es, dass Chirac heute ein engeres Verhältniszu Gerhard Schröder als zu Angela Merkel hat.
Wir werden die deutsch-französische Freundschaftweiterhin pflegen, auch wenn einige aus der CDU/CSUsie als Achse – dieser Begriff ist hier denunzierend ge-meint – beschreiben.Über die Brüskierung der Türkei durch die CDU/CSU ist viel ausgeführt worden. Ich werde auch hier denEBIaiosiWrroPjnmSDsamz–mPdsensbdnFkUdklssn
Es ist auch gar nicht nötig, heute darüber zu spekulie-en, ob die Türkei jemals Vollmitglied werden kann oderb man noch zweite und dritte Optionen braucht. Dasrozedere ist völlig eindeutig. Die Türkei wird sich wieeder andere Staat dem Monitoringprozess, dem Scree-ingprozess stellen müssen. Sie wird Kriterien erfüllenüssen. Sie wird über viele Körbe verhandeln müssen.ie wird den europäischen Acquis übernehmen müssen.as heißt im Endeffekt: Eine Türkei, die der Europäi-chen Union beitritt, wird eine völlig andere Türkei seinls die, die wir heute vorfinden. Deshalb ist es völligüßig, hier über die EU-Fähigkeit der heutigen Türkeiu räsonieren.
Herr Frankenhauser, ich rede darüber, um deutlich zuachen, inwieweit Sie und Ihre Fraktion europäischeartner und Freunde brüskieren.
Damit komme ich zu einem weiteren Punkt, nämlicher Brüskierung unserer polnischen Nachbarn. Wirehen mit einiger Verwunderung, manchmal auch mitinem gewissen zweifelnden Interesse, wie unsere pol-ischen Freunde im Kontext der europäischen Verfas-ungsdiskussion versuchen, ihre nationalen Interessenesonders stark zur Geltung zu bringen. Wir haben miter gleichen gewissen Verwunderung zur Kenntnis ge-ommen, wie sich unsere polnischen Nachbarn in derrage des Irakkriegs demonstrativ auf die Seite Ameri-as gestellt haben. Das mag viele Ursachen haben. Einersache liegt auch in einem bundesdeutschen Element,as hier bis jetzt überhaupt noch nicht zur Debatte ge-ommen ist, weil es wegen seiner offensichtlichen Pein-ichkeit von der CDU/CSU gern verschwiegen wird.
Stellen Sie sich einmal auf den Standpunkt der polni-chen Politik, versetzen Sie sich in die Situation War-chaus und hören sich an, was die deutschen Vertriebe-enverbände Ihnen zu sagen haben!
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6765
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Dr. Ludger Volmer
Hören Sie Frau Steinbach zu!
Wer Frau Steinbach und die Vertriebenenverbände hört,der muss einfach das Gefühl bekommen, dass bei dendeutschen Vertriebenenverbänden ein längst überwun-den geglaubter Revanchismus wieder Einzug hält.
Wenn nun entsprechende juristische Klagen in Poleneingehen, dann wird diese Auffassung von polnischerSeite durchaus unterstützt und verifiziert.Es sind die Polen, die uns darauf aufmerksam ge-macht haben, dass Frau Steinbach selbst gar keine Ver-triebene ist. Frau Steinbach kommt gar nicht aus einerVertriebenenfamilie. Die Familie hat überhaupt kein Ei-gentum, keinen Besitz im Osten gehabt. Sie kommt ausHessen. Der Vater von Frau Steinbach war ein Wehr-machtsoffizier, der im Osten stationiert wurde. Nachdem Ende des Krieges wurde die Familie völlig zu Rechtwieder nach Hessen zurückgeschickt. Wo ist da ein Ver-triebenenschicksal?Wenn nun ein Abkömmling einer deutschen Wehr-machtsoffiziersfamilie aus den Reihen der CDU/CSU
solche Positionen gegenüber Polen formuliert, dannwundert es mich überhaupt nicht, dass in Polen derDrang entsteht, in einer Art nationalen SelbstbehauptungDinge zu formulieren, die sich nicht unbedingt im Ver-nunftrahmen der gemeinsamen europäischen Politik be-wegen.
Der Bundeskanzler hat heute Morgen eine Adresse andie polnische Seite formuliert, nämlich sich konstruktivauf den Verfassungsprozess einzulassen und bei der Ab-stimmung die Formulierung eigener Interessen nicht zuweit zu treiben. Parallel dazu sollten wir im DeutschenBundestag ganz klar machen, dass in der deutschen Au-ßenpolitik überzogener Nationalismus und Revanchis-mus für alle Zeit keinen Platz mehr haben werden.
Lassen Sie mich zu einem letzten Punkt kommen, zueinem eher erfreulichen Ergebnis, nämlich dem Papier,das Javier Solana vorgestellt hat. Ich finde es gut, HerrSmRPlszdsUfHdAGbzIlSrhKVmtuD–abubnldv
Herr Kollege Austermann, Sie haben in dieser De-
atte mehrere Male den Kollegen Volmer als Hetzer be-
eichnet.
ch bitte Sie, dieses zurückzunehmen und sich beim Kol-
egen Volmer zu entschuldigen.
ie wissen, dass es sich hierbei um einen unparlamenta-
ischen Ausdruck handelt. Ich bitte Sie also noch einmal
erzlichst, sich dafür zu entschuldigen.
Zu einer Kurzintervention gebe ich das Wort dem
ollegen Pflüger.
Ich möchte gerne auf das eingehen, was der Kollegeolmer eben zu unserer Kollegin Steinbach im Zusam-enhang mit der Debatte um das Zentrum gegen Ver-reibungen gesagt hat. Ich glaube, es ist in hohem Maßenfair gewesen, was Sie eben getan haben, Herr Kollege.
ie Kollegin Steinbach bemüht sich nämlich darumdas können Sie all ihren Äußerungen entnehmen unduch auf der Homepage dieses Zentrums gegen Vertrei-ungen nachlesen –, einen Weg zu finden, wie wir desngeheuren Leids, das Vertreibungen hervorgerufen ha-en, gedenken können, ohne die Verbrechen der Natio-alsozialisten und den Angriffskrieg Hitlers damit zu re-ativieren. Sie will ausdrücklich keine andere Nation anen Pranger stellen; sie betreibt ausdrücklich keinen Re-anchismus. Im Übrigen betreibt Peter Glotz mit ihr
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6766 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Dr. Friedbert Pflügerdieses Zentrum gegen Vertreibungen. Jemand wie HerrSchily hat es unterstützt; jemand wie Ralph Giordanounterstützt es ebenfalls.Ein solches Bemühen – lassen Sie es mich so sagen –aus Gründen der politischen Instrumentalisierung in einebestimmte Ecke zu rücken und zu versuchen, FrauSteinbach zu unterstellen, dass sie mit dem Gedenken andas Leid von Millionen von Flüchtlingen, dessen Ursa-che in der Tat nicht in dem Ereignis am 8. Mai 1945, son-dern in erster Linie in dem am 30. Januar 1933 zu suchenist, die Verbrechen der Nationalsozialisten relativierenwill, ist wirklich unerträglich. Das tut keiner bei uns.Wir wollen aber in der Tat – das ist auch gutes Rechteines solchen Zentrums gegen Vertreibungen – nach alldem Leid, das Deutsche über die Welt gebracht haben,auch an das Leid denken, das im eigenen Land den eige-nen deutschen Bürgern damals angetan worden ist. Dasist etwas sehr Legitimes. Wir sollten deshalb die Debattedarüber versachlichen.Ich hoffe sehr, dass Sie und Ihre Koalitionskollegen,wenn Sie in Polen sind, nicht dort vorhandene Ängsteschüren, sondern die Polen beruhigen und ihnen sagen:Keiner in der Bundesrepublik will Nachkriegsgrenzeninfrage stellen und keiner, auch nicht Frau Steinbach undder BdV, will das Leid der einen Seite gegen das Leidder anderen Seite aufrechnen. In diesem europäischenSinne ist ein Zentrum gegen Vertreibungen zu begrüßenund kann dazu beitragen, ein Bewusstsein dafür zuschaffen, dass Vertreibungen und ähnlich schrecklicheDinge in Zukunft in Europa nicht mehr möglich sind.
Herr Kollege Volmer, Sie können antworten.
Herr Kollege Pflüger, jetzt haben Sie Frau Steinbach
gegen Angriffe verteidigt, die ich gar nicht gegen sie er-
hoben habe.
Ich greife niemanden an, wenn er darüber reflektiert,
dass auch Deutsche sehr unter dem Zweiten Weltkrieg
und dem Faschismus sowie unter Vertreibung gelitten
haben. Ich kritisiere aber die Art und Weise, wie Frau
Steinbach dies tut: in der Tonlage zwar scheinbar äußerst
verbindlich und meistens lächelnd, in der Sache aber so,
dass in Polen genau der Effekt eintritt, den ich gerade
beschrieben habe. In Polen fühlt man sich dadurch nun
einmal brüskiert.
Da Sie von Sensibilität und Tonlage sprechen und in
diesem Sinne der Bundesregierung Vorwürfe machen,
möchte ich auf der gleichen Ebene, mit dem gleichen
Maßstab diese zurückgeben und sagen: Es ist die Ton-
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Vor ungefähr drei Jahren haben wir, bezogen auf die
ertriebenenverbände, eine Debatte geführt. Da schie-
en sich die Dinge konstruktiv zu wenden. Die Vertrie-
enenverbände schienen sich mehr und mehr als Grup-
ierungen begriffen zu haben, die kulturelle Brücken
wischen dem heutigen Deutschland und unseren Nach-
arn Tschechien und Polen schlagen können.
Seit einiger Zeit sind jedoch Tonlagen in die Debatte
ekommen, die diesen eigentlich erreichten Stand der
iskussion meines Erachtens revidieren.
ieser Rückfall in bestimmte Tonlagen und bestimmte
nsprüche hat in Polen zu massiven Irritationen geführt.
eder in Polen sagt uns unter der Hand: Dies ist mit ein
rund dafür, dass sich Polen in Europa und bei den Ver-
andlungen um das polnische Stimmengewicht so stark
acht und immer wieder deutlich macht, dass die Ame-
ikaner seine Hauptverbündeten sind, weil die Polen
ben – vor dem Hintergrund der bekannten Historie –
efürchten, dass aus ihren westlichen Nachbarregionen
inge kommen, die für sie gefährlich werden.
Es ist nicht meine Aufgabe, in Polen zu beschwichti-
en: Das meint Frau Steinbach alles gar nicht so drama-
isch.
s ist Ihre Aufgabe, es ist die Aufgabe Ihrer Fraktion
nd Ihrer Partei, den Polen deutlich zu machen, dass es
m kulturelle Zusammenarbeit geht, nicht aber darum,
rgendwelche historischen Relationen zu retuschieren
der revanchistische Ansprüche zu formulieren.
Nächster Redner ist der Kollege Michael Stübgen,DU/CSU-Fraktion.
Herr Kollege Austermann, es gibt keine Zwischen-rage auf eine Kurzintervention und es gibt auch keineurzintervention auf eine Kurzintervention.
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerDas Wort hat der Kollege Michael Stübgen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Kollege Volmer, wenn Sie sich über Tonla-gen beschweren, wie sie in Kreisen der CDU/CSU undbeim BdV vorkommen, dann beachten Sie bitte aucheinmal Ihre eigene Tonlage.
Wie Sie zum Schluss geredet haben, das war einesachliche Form der Auseinandersetzung, wie ich sie mirvorstellen kann. Aber wie Sie sonst aufgetreten sind undwas Sie wörtlich gesagt haben – Sie haben dem BdV undTeilen der CDU/CSU revanchistische Tendenzen unter-stellt –, das ist eine Instrumentalisierung dieses sensiblenThemas, und zwar für Ihre Interessen. Das ist im Hin-blick auf die Außenpolitik inakzeptabel und schadet zumSchluss allen.
In dieser Woche beraten wir einen Bundeshaushalt fürdas nächste Jahr, der schon vor seiner Verabschiedung inwesentlichen Teilen Makulatur ist.
Am Montag dieser Woche ist der Stabilitätspakt im Eco-fin-Rat faktisch aufgelöst worden, und zwar von einerunheiligen Allianz, wie sie viele kleine Mitgliedsländerder Europäischen Union immer wieder befürchtet haben:dass die Großen im Ernstfall ihre Eigeninteressen brutaldurchsetzen.Herr Fischer, ich frage mich, wie Sie am Wochenendebei dem Konklave Ihren Kollegen aus Polen – das istnämlich, was die Polen belastet –, aus Dänemark, ausPortugal und Irland und anderen erklären wollen, dass esin Zukunft nicht der Normalfall sein wird, dass die Gro-ßen bei Mehrheitsentscheidungen, wenn es kritisch wird,ihre Interessen gegen die Kleinen durchsetzen und nichtan einem Interessenausgleich interessiert sind. Ich fragemich, wie Sie das den Kollegen erklären wollen und sietrotz ihrer Bedenken dazu bringen wollen, der doppeltenMehrheit – die wir wollen – zuzustimmen. Das werdensie kaum tun, schon gar nicht nach dem, was am Montagpassiert ist.Eine Tatsache ist, dass sich Europa – gerade mit Blickauf das Konklave der Regierungskonferenz am Wochen-ende – in einer entscheidende Phase seiner Entwicklungbefindet. Der Verfassungsvertrag für die EuropäischeUnion soll die Europäische Union zukunftsfähig ma-chen. Das europäische Regelwerk soll transparenter wer-den. Die europäischen Bürger müssen verstehen, was inBrüssel passiert, sonst werden sie es auf Dauer nicht ak-zeptieren.Das europäische Regelwerk soll demokratischer werden.In Zukunft muss das Europäische Parlament Hauptträgerder europäischen Gesetzgebung sein. Die Verfahrensweisendes Europarechts müssen effizienter werden. Jeder von unsweiß, dass schon jetzt mit 15 Mitgliedern die Möglichkeitschneller Umsetzung von Beschlüssen nicht mehr ausrei-cekkmfssfkdeakudktrlimginaGhwMnfVRftdmvaddlöibdtwEtdbibldd
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6768 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Wie soll denn Europa von den Bürgern in Zukunft getra-gen und ertragen werden, wenn die wichtigsten Be-schlüsse weiterhin hinter verschlossenen Türen gefasstwerden?Zweitens das Budgetrecht des Europäischen Parla-ments.
An diesem Punkt ist der Konventsentwurf nach meinerÜberzeugung eh schon schwach genug. Richtigerweisesoll das Europäische Parlament ein Mitentscheidungs-recht bei den Jahreshaushalten bekommen. Nach meinerEinschätzung ist das zwar mangelhaft, aber gerade nochakzeptabel. Es hat aber nur ein Zustimmungsrecht beiden viel entscheidenderen Beratungen über die mittel-fristigen Finanzplanungen.Wenn es jetzt dazu kommt, dass dieses relativ schwa-che Budgetrecht des Europäischen Parlaments durch dieRegierungskonferenz weiter ausgehöhlt wird, dann wirdder Vertrag insgesamt – das will ich in aller Deutlichkeitsagen – für das Europäische Parlament inakzeptabel. Ichfüge hinzu: Ich kann mir nicht vorstellen – das liegt ander europapolitischen Tradition dieses Hauses –, dassder Bundestag einen Vertrag gegen den ausdrücklichenWillen des Europäischen Parlaments ratifiziert. DeshalbdwWwfsZosrtkMKkdddrVHhs–Wddss
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.
Ich komme zum Schluss.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, an diesem
ochenende beginnt das Konklave. Ich halte es für
ichtig, dass man dort vorankommt und dass das Zeit-
enster nicht aufgemacht wird. Die CDU/CSU unter-
tützt die Bundesregierung bei der Erreichung ihres
iels, den Verfassungsvertrag nahe am Konventsentwurf
hne fundamentale Änderungen zu verabschieden. Ent-
cheidend ist aber, Herr Fischer, dass die Bundesregie-
ung nicht nur das Richtige will, sondern auch das Rich-
ige durchsetzt. Da erwarte ich nachhaltigeren und
lareren Einsatz.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich erteile dem Kollegen Austermann das Wort für die
öglichkeit einer Entschuldigung.
Frau Präsidentin, Sie haben mich gebeten, mich beimollegen Volmer zu entschuldigen.Vorausgegangen waren mehrere Zurufe von der lin-en Seite des Hauses – und zwar von der Kollegin Roth,ie inzwischen nicht mehr anwesend ist – an die Adressees Kollegen Glos, er sei ein Hetzer und Rassist. Ausieser Ecke konnte man weitere ähnliche Vokabeln hö-en.Ich habe diesen Ausdruck gegenüber dem Kollegenolmer benutzt, weil ich den Eindruck hatte, dass seininweis, der Vater der Kollegin, die er angesprochenat, sei ein Wehrmachtsoffizier gewesen, einen ganz be-timmten Gedanken insinuieren sollte.
Was sollte sonst der Hinweis? – Wenn man auf dieseeise versucht, eine Verknüpfung zwischen dem Berufes Vaters und der Aktivität der Tochter herzustellen,ann erinnert das an Sippenhaft.
Ich bitte um Verständnis, dass ich mich aufgrund die-er Situation beim Kollegen Volmer so lange nicht ent-chuldige, solange er den Vergleich nicht zurücknimmt.
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Das Wort hat der Kollege Lothar Mark, SPD-Frak-
tion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-gen! Ich möchte darauf hinweisen, dass wir uns in denHaushaltsberatungen zum Einzelplan 05, also zum Ein-zelplan des Auswärtigen Amtes, befinden.
Weder Kollege Stübgen noch Kollege Dr. Schäuble ha-ben diese Tatsache ausreichend berücksichtigt.
Die Bundesrepublik Deutschland hat in den letztenJahren international erheblich an Gewicht gewonnen.Mit unseren Freunden und Partnern sehen auch wir unsseit längerem vor neue Herausforderungen gestellt: beider Konfliktprävention und Krisenbewältigung, bei derVertiefung und Erweiterung der EU, bei der Stärkungder Vereinten Nationen, bei der Bekämpfung des Terro-rismus, aber auch auf vielen anderen Feldern. Darin se-hen wir im Bereich unserer Außenpolitik einen wichti-gen Teil unserer Aufgaben bei der Zukunftsgestaltung.Diese Entwicklung stellt neue Anforderungen an denauswärtigen Dienst: weltweite Präsenz und schnelle Re-aktionsfähigkeit in Krisensituationen. Gleichzeitig trittdie klassische Diplomatie angesichts weltweiter Vernet-zung mehr und mehr in den Hintergrund. Neue Instru-mente der politischen, wirtschaftlichen und kulturellenInteressenvertretung wie die Public Diplomacy gewin-nen an Bedeutung. Die Geiselnahmen der letzten Mo-nate und Jahre haben schlaglichtartig deutlich gemacht,welche Anforderungen mittlerweile an den auswärtigenDienst durch die Betreuung von deutschen Touristen,Wirtschaftstouristen, NGOs und anderen deutschen Or-ganisationen gestellt werden.Die Aufwertung der Konfliktbewältigung und derKrisenprävention ist ein Eckstein der Außenpolitik derBundesregierung und der Regierungskoalition.
Deshalb soll dieser Bereich nach dem Willen der rot-grünen Haushälter im Jahr 2004 mit zusätzlich insge-samt 897 000 Euro ausgestattet werden. Davon fließen300 000 Euro in die Programmarbeit von zehn neuendeutschen Kulturzentren in Mittel- und Osteuropa.
Im Rahmen des angestrebten Ausbaus der kulturpoliti-schen Präsenz in der Region bilden diese eine innova-tive, kostengünstige und deshalb effektive Ergänzung anden Orten, wo Goethe-Institute weder erhalten noch er-öffnet werden können. Dieses Beispiel einer Public Pri-vate Partnership wird dankenswerterweise gemeinsammit der Robert-Bosch-Stiftung realisiert.
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In Afghanistan hat sie als internationale Agentur dieufgabe, den Aufbau des afghanischen Fernsehens zuichern und durch die Ausstrahlung von Sendungen inari und Paschtu die Etablierung demokratischer Struk-uren zu unterstützen.
inzu kommt, dass der Bundeswehreinsatz in Kunduzrhebliche Erweiterungen des Programms mit sichringt. In einem Land mit mehr als 60 Prozent Analpha-eten haben Radio und Fernsehen für die Vorbereitunger Verfassungsdiskussion und demokratischer Wahlenerstärkte Bedeutung. Wir haben deshalb für das Afgha-istanprogramm der Deutschen Welle beim KapitelProgrammarbeit“ in einem neuen Untertitel den Ansatzm 600 000 Euro erhöht. Den Titel „Humanitäre Hilfs-aßnahmen im Ausland außerhalb der Entwicklungs-ilfe“ haben wir auf 41 Millionen Euro erhöht und denitel „Demokratisierungs- und Ausstattungshilfe“ mit8,5 Millionen Euro auf hohem Niveau gehalten.
in Fortschritt dabei ist, dass beide Positionen bis zu ei-em Betrag von 2 Millionen Euro jetzt gegenseitig de-kungsfähig sind, um bei der Verwendung der Gelderine größere Flexibilität zu erreichen.Beim humanitären Minenräumen gehört Deutsch-and zu den am stärksten engagierten Ländern. Dieseufgabe darf weltweit nicht vernachlässigt werden. In2 Ländern sind zwischen 60 Millionen und 100 Millio-en Minen verlegt worden. Jährlich sterben 15 000 bis0 000 Menschen durch Minenexplosionen. Trotz derttawa-Konvention von 1997 werden weiter Antiperso-enminen verlegt.Die neuerliche Kritik des Bundesrechnungshofes amandling des Minenräumens muss vom Auswärtigenmt aufgegriffen werden. Das Problem sollte baldigstm vorgeschlagenen Sinne gelöst werden, wenngleichur noch ein kleiner Rest der ursprünglichen Kritik ge-lieben ist.Die überzeugende und engagierte Vorstellung des Ein-elplans Bildung und Forschung gestern Abend durchen Kollegen Carsten Schneider wird durch den Mittel-insatz im Bereich der auswärtigen Bildungs- und
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Lothar MarkKulturpolitik noch komplettiert. Der Etat für Studien-programme und Wissenschaftsbeziehungen wurde aufdem Niveau des Haushaltsansatzes 2003 gehalten. Aufdiesen Teil der Projektförderung entfallen 132,4 Millio-nen Euro. Damit kommt der von der Bundesregierungbereits für den Haushalt 2002 zum Ausdruck gebrachteWille, den Wissenschaftsstandort Deutschland nachhal-tig zu stärken, erneut zum Tragen.Der DAAD erhält von diesen Mitteln etwa 56 Millio-nen Euro, die Humboldt-Stiftung etwa 21 MillionenEuro, die politischen Stiftungen etwa 7 Millionen Euro.Dem Wissenschaftsaustausch fließen fast 40 MillionenEuro zu. Der Etat für das Auslandsschulwesen erfährtebenfalls keine Kürzung und ist mit 179,9 MillionenEuro ein besonderer Beweis für unser Bildungsengage-ment. Innerhalb dieser Titelgruppe 02 sind alle Positionengegenseitig deckungsfähig. Dies gilt auch für die Titel-gruppe 03, Baufonds und Schulen. Hier wurde zudemeine Etaterhöhung von 19,2 Millionen Euro auf 20,5 Mil-lionen Euro vorgenommen. Damit erhält das AuswärtigeAmt in diesem Bereich eine hohe Flexibilisierung undkann die Mittel effizient einsetzen.Die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ist sehrvielfältig gefächert. Meine Kollegin Monika Griefahnwird noch näher darauf eingehen.Die institutionelle Förderung der allgemeinen Aus-landskulturarbeit ist mit über 148 Millionen Euro auf ho-hem Niveau etatisiert. Wir müssen meines Erachtensauch in Zukunft darauf achten, dass im gesamten Be-reich der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik nichtgekürzt wird, da dieser Sektor zu den rentierlichen In-vestitionen gehört und Zukunftssicherung für unser Landund unseren Wohlstand darstellt.
Die ausgezeichnete Arbeit des Deutschen Archäolo-gischen Instituts erkennen wir mit einem Aufsatz von850 000 Euro gegenüber dem Regierungsentwurf an.Um den hohen Rang des Instituts im internationalen Ver-gleich zu sichern, wurden zusätzliche Gelder für Wissen-schaft, Forschung und Veröffentlichungen bereitgestellt.In ähnlicher Weise muss auch mit den Titeln „Deut-sche Sprache im Ausland“ und „Internationale Aktivitä-ten gesellschaftlicher Gruppen“ verfahren werden. Zudem Letzteren will ich insbesondere das segensreichesoziale Engagement der Kirchen im Ausland hervorhe-ben.In diesem Zusammenhang ist auch die Erhöhung derMittel für die Förderung der internationalen Sportbe-ziehungen um 325 000 Euro zu sehen. Wir wollen damitmehr Werbung für die Fußballweltmeisterschaft 2006 inDeutschland und für die Olympiabewerbung Leipzigs2012 ermöglichen.
Obwohl an anderer Stelle etatisiert, zähle ich hierzu auchdie wertvolle Arbeit der politischen Stiftungen im Ausland,die dafür 10,5 Millionen Euro erhalten. Sie stehen für dieWertevermittlung unserer politischen Kultur, für Demo-kzmsswHAUbgBMvßlllutuHmuDMmmPbpgDwdAgrearRWuimNwlhß
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Wir setzen uns für Multilateralismus, die Präferenz derVereinten Nationen und eine Aufwertung des Weltsi-cherheitsrates ein. Deswegen muss ich dem, was Sie ge-sagt haben, widersprechen.Abschließend möchte ich an alle Berichterstatter fürden Haushalt des Auswärtigen Amtes ein herzlichesDankeschön richten. Während der Beratungen im Aus-schuss und bei den Berichterstattergesprächen herrsch-ten ein sehr gutes Klima und große Offenheit. Dem Aus-wärtigen Amt möchte ich eine vorzügliche undkonstruktive Zusammenarbeit bescheinigen. Auch dafürbedanke ich mich.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Rainer Stinner.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Erstmals in ihrer Geschichte berät und be-
schließt die Europäische Union in diesen Tagen eine
gemeinsame europäische Sicherheitsstrategie. Dies ist
ohne jeden Zweifel ein sehr notwendiger und wichtiger
Schritt auf dem Weg zu einer gemeinsamen europäi-
schen Außenpolitik. Hätten wir doch schon vor zwei
Jahren eine solche Strategie gehabt, wie viel Ärger,
Streit und Missmut hätten wir uns in Europa dadurch er-
sparen können.
In dem Solana-Papier steht viel Wichtiges und Richti-
ges; das unterstützen wir voll. Genauso wichtig ist aber,
was nicht darin steht. Die Rolle der NATO wird in die-
sem Papier nämlich überhaupt nicht näher beschrieben.
Das ist wichtig für uns. Die NATO wird nur viermal er-
wähnt, davon zweimal eher beiläufig.
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Das Wort hat jetzt der Herr Bundesminister Joschka
ischer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieundesrepublik Deutschland und die Europäische Unionerfolgen mit ihrer Außenpolitik im Wesentlichen fol-ende fünf Schwerpunkte:
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Bundesminister Joseph FischerDer erste ist die europäische Einigung, bei der wir unsin einem entscheidenden Abschnitt befinden.Der zweite ist die Erneuerung des transatlantischenBündnisses mit einem zusammenwachsenden Europa,das sich in einem sehr dynamischen Einigungsprozessbefindet.Der dritte ist der Kampf gegen den internationalenTerrorismus.Der vierte Schwerpunkt ist ebenfalls sehr wichtig undauch darauf bezogen, nämlich die Reform der VereintenNationen. Es geht dabei um die Entwicklung einer wirk-lich auf gemeinsame Grundsätze im internationalenRecht, auf die Gleichheit aller beteiligten Staaten undVölker und auf Kooperation gründenden multilateralenWeltordnung, die einen effektiven Multilateralismus be-deutet, aufgrund dessen man in der Lage ist, zu handelnund durchzugreifen, wo es notwendig ist, und durch denim 21. Jahrhundert die Teilhabe möglichst vieler Men-schen an den Segnungen des Fortschritts, der sozialenGerechtigkeit, der Nachhaltigkeit und der Menschen-rechte ermöglicht wird. Dies alles heißt für uns schließ-lich fünftens positive Globalisierung.
Lassen Sie mich die einzelnen Punkte kurz durchge-hen. Im europäischen Einigungsprozess stehen wirjetzt vor entscheidenden Schritten, vor allem vor dem,die Ergebnisse des Konvents, die europäische Verfas-sung, in Form einer Regierungskonferenz festzuschrei-ben. Wenn man einmal die rhetorischen Differenzenweglässt, gibt es da eigentlich ein hohes Maß an Über-einstimmung. Das zeigt gerade auch die Kooperationzwischen Bundes- und Ländervertretern in der Regie-rungskonferenz und im Konvent. Insofern begreife ichdie Beiträge sowohl im Ausschuss als auch hier eher alsUnterstützung unserer gemeinsamen Position. Wie ichsehe, gibt es nur geringe Nuancierungen. Ich möchte dasnicht weiter vertiefen. Wir werden alles versuchen, umauf der Grundlage und bei weitgehender Erhaltung desexistierenden Verfassungsentwurfs einen Erfolg zu errei-chen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch zweiPunkte ansprechen. Der erste Punkt ist das deutsch-pol-nische Verhältnis. Ich bedaure es zutiefst, dass es imdeutsch-polnischen Verhältnis zu einer belastenden Dis-kussion aus der Vergangenheit gekommen ist. Ich sageIhnen ganz offen: Ich habe den Schaden, der dabei in Po-len angerichtet wurde, unterschätzt. Zu Recht wurde ge-sagt, wir sollten auch die Position der Union verteidigen.Sie können davon ausgehen, dass ich das tue, weil ich umdie Bedeutung der Integrationsleistung für viele Flücht-linge und Heimatvertriebene der beiden großen Volks-parteien – nicht nur der einen, sondern auch der anderenPartei, aber eben gerade auch der Union – in der Vergan-genheit weiß. Ich weiß, wie schwierig das in Ihren Rei-hen war; dafür habe ich Verständnis. Es nutzt ja nichts,sich die politischen Kräfte so zu wünschen, wie man sieselbst gerne hätte, wenn die Realität eine andere ist.rSgwdgSddpwfrnu1vsmsASrsZzSdihmdbUdBwSnmndDbthhOgAte
Ich appelliere an die Union, zu begreifen, dass mit derrt und Weise, wie hier diskutiert wird, ein riesigerchaden entsteht, der die Zukunft belastet. Dies darf ge-ade vor dem Hintergrund der großartigen europapoliti-chen Tradition nicht sein, die die Union ohne jedenweifel hat. Wir vergeben uns überhaupt nichts, daranu erinnern.Der zweite Punkt ist die Türkei. Beim Kollegenchäuble muss man immer ganz sorgfältig zuhören,enn bevor er Außenpolitiker ist, ist er Jurist. Ich habem also sehr sorgfältig zugehört. Sie wollen, dass wirit der Türkei darüber reden, ob sie nicht damit zufrie-en ist, auf der Grundlage einer neuen Nachbarschafts-eziehung auf die Mitgliedschaft in der Europäischennion zu verzichten. Selbst wenn wir das tun, wage ichie Prophezeiung: Die Türkei wird darauf bestehen, alleeitrittsbedingungen, die Kopenhagener Kriterien, dieirtschaftlichen Voraussetzungen, die Bedingungen zumchutz der Menschenrechte und die Reform der Institutio-en, zu erfüllen. Die Regierung Erdogan, die zu Beginnit viel Skepsis betrachtet wurde, hat in den vergange-en anderthalb Jahren mehr Reformen erreicht, als inen vergangenen Jahrzehnten eingeführt worden waren.as muss man anerkennen, auch wenn noch viel zu tunleibt.
Ich frage Sie: Was ist die Konsequenz, wenn unsereürkischen Freunde zu Recht auf den Beitritt pochen? Sieaben darauf hingewiesen – ich habe Ihnen gut zuge-ört –, dass man Zusagen nicht einseitig kündigen kann.b wir diese Zusage heute noch geben würden, ist eineanz andere Frage. Aber die Dinge sind, wie sie sind.ls Konsequenz Ihrer Position, Kollege Schäuble, müss-n Sie, wenn die Türkei eine neue Nachbarschaftsbezie-
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Bundesminister Joseph Fischerhung unterhalb der Mitgliedschaft ablehnt – sie wird sieablehnen, sie wird jede Anstrengung unternehmen, umden Weg nach Europa als Vollmitglied zu gehen –, sa-gen: Auch wenn es mir nicht gefällt, muss ich der Auf-nahme der Türkei, wenn alle Bedingungen erfüllt sind,zustimmen.
Ich appelliere an Sie, diese Diskussion, bei der sichviele türkischstämmige Mitbürgerinnen und Mitbürger,die Deutsche geworden sind, ausgegrenzt fühlen, sonicht zu führen. Die Rechnung wird nicht aufgehen.Das können Sie auch am Beispiel von Herrn Bosbachsehen. Ich glaube, der eigentliche Grund war ein ande-rer: Er hat daneben gegriffen,
und das sollte er richtig stellen. Angesichts der furchtba-ren Terrorattentate darf man nicht die Verbindung her-stellen, dass man dann, wenn man die Türkei nach Eu-ropa holt, auch den Terror nach Europa bringt.
Ich unterstelle ihm nichts Falsches, aber ich glaube– hier ist der Zusammenhang mit Polen –, Sie habenschlicht und einfach ein Problem mit Ihrem rechten Flü-gel. An den Reaktionen auf die Hohmann-Rede wurdespürbar, das das Problem zunimmt. Herr Bosbach gehörtkeineswegs zum rechten Flügel, aber er hat bei dem Ver-such, zu integrieren, daneben gegriffen. Wenn das derMaßstab für den Europawahlkampf wird, werden wireine weitere Beschädigung unserer außenpolitischen In-teressen erleben.
Mein zweiter Punkt ist die Erneuerung des transat-lantischen Bündnisses. In diesem Punkt sind wir näherbeieinander, als manche kontroverse Debatte vermutenlässt. Es ist doch völlig klar, dass die transatlantischenBeziehungen für beide Seiten, für Europa und für dieUSA und Kanada, unverzichtbar sind. Sie sind ein Eck-pfeiler für Frieden und Stabilität im 21. Jahrhundert, undzwar regional, aber auch global. Niemand wird daraufverzichten können.Es wäre ein Widersinn und müsste direkt zum Schei-tern führen, wollte man die europäische Einigung gegendie USA vorantreiben. Die Präsenz der Vereinigten Staa-ten von Amerika, die Entscheidung, nach 1945 in West-europa politisch und militärisch präsent zu bleiben, istdie erste historische Grundsatzentscheidung. Die Ent-scheidung von Schuman und Monnet – zwei großenfranzösischen Staatsmännern –, auf Integration zu set-zen, war die zweite Grundsatzentscheidung. BeideGrundsätze werden fortgelten, weil sich die Bedingun-gen nicht verändert haben.
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Mein dritter Punkt ist der Kampf gegen den interna-ionalen Terrorismus. Auch in diesem Zusammenhangst die Kooperation über den Atlantik hinweg von ent-cheidender Bedeutung. Herr Kollege Schäuble, Sie ha-en da einen falschen Eindruck erweckt. Bei dem, wasir jetzt leider erleben müssen, hätte ich mir geradezuewünscht, ein Schwarzmaler gewesen zu sein. Wirüssen den Frieden gemeinsam gewinnen, selbst unterchwierigsten Bedingungen. Aber ich bitte Sie, Herrchäuble, vergessen Sie nicht Ihre damalige Positionich möchte nicht zurückblicken – und unterstellen Sieer Bundesregierung nicht, wir hätten irgendeinen Nach-olbedarf. Es wird doch jetzt offensichtlich, dass wir ausehr guten Gründen davor gewarnt haben, in den Irak zuehen.
Sie meinen, in der Iranfrage seien die Europäer dochinig gewesen. Ich freue mich, dass heute eine einstim-ige Entscheidung im Board of Governors der Internatio-alen Atomenergie-Agentur möglich war. Jetzt aber zuagen, wenn wir in der Irakfrage ebenso einig gewesenären, hätten wir auch Einfluss gehabt, ist zu einfach.chauen Sie sich die Geschichte der Entscheidung Wash-gtons für den Irakkrieg an. Sie kennen sie. Wenn wirberhaupt einen Einfluss gehabt hätten, dann nur, wennie Europäer in der Skepsis einig gewesen wären.
enn Sie das so meinen, dann wäre das allerdings mei-es Erachtens eine erhebliche Änderung Ihrer Position.ch würde das begrüßen.
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Bundesminister Joseph FischerIch füge hinzu: Überschätzen wir uns nicht. Die Europäi-sche Union war nicht für Krieg und Frieden gebaut. Wirwaren für eine Herausforderung wie den 11. Septembernoch nicht gebaut. Das müssen wir feststellen. Die Kon-sequenz daraus ist, dass wir mit dem strategischen Do-kument von Solana daraus lernen. Die Bundesregierunghat das Ihre dazu beigetragen, dass das auf den Weg ge-bracht und die Idee entwickelt wurde. Das ist ein ganzwichtiger Gesichtspunkt.Ich komme zum letzten Punkt. Der Kampf gegen deninternationalen Terrorismus wird nur zu gewinnen sein,wenn man auf der einen Seite die militärische, geheim-polizeiliche und polizeiliche Dimension sieht – das istvielleicht ein Siebtel des Ganzen –, auf der anderen Seiteaber auch weiß, dass die positive Globalisierung zusechs Siebteln dafür verantwortlich sein wird, dass demTerrorismus der Boden entzogen wird. Die Hälfte derBevölkerung in der arabischen Welt ist unter 18 Jahrealt. Wenn sich dort erst einmal eine Kultur der Selbst-mordattentate durchgesetzt hat – sie ist im Begriff zuentstehen –, dann werden wir die Büchse der Pandoraauf Jahre oder vielleicht noch länger nicht wieder zube-kommen. Entscheidend für die Bekämpfung des Terro-rismus wird sein, ob die jungen Menschen in der ara-bisch-islamischen Welt die Perspektive haben, an derGlobalisierung und am Fortschritt selbstbestimmt, grün-dend auf ihren kulturellen Traditionen, teilnehmen zukönnen, oder ob sie die Globalisierung als Hegemonie-und Unterdrückungsprojekt des Westens begreifen. Letz-teres zu verhindern ist unsere entscheidende Aufgabe.In diesem Zusammenhang gewinnt die Reform derVereinten Nationen eine eminente Bedeutung. Ich wagedie Prophezeiung, dass aus dieser Krise ein neu erstark-ter Multilateralismus entstehen wird, der allerdings ef-fektiver sein muss als derjenige vor der Irakkrise.Das ist die Politik, die diese Bundesregierung voran-zubringen versucht. In diesem Zusammenhang zu sagen,Deutschlands Gewicht und Relevanz hätten abgenom-men, ist schlichtweg unsinnig. Das Gegenteil ist der Fall.
Ich weiß, meine Damen und Herren von der Union, dassSie das gar nicht so anders sehen. Ich weiß, dass es ei-gentlich einen breiten Konsens hier im Hause gibt.Lassen Sie mich kurz noch ein Letztes anführen. Ichmöchte mich bedanken, dass Kollege Mark ausführlichauf die Haushaltssituation eingegangen ist. Die Haus-haltslage ist schwierig. Das wissen wir. Es wird jetzt da-rauf ankommen, dass wir wieder Aufwuchs haben. Mit„wir“ meine ich nicht nur den Minister und die Leitungdes Hauses, sondern die über 8 000 Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter aller Besoldungsgruppen im In- undAusland. Wir leisten heute wesentlich mehr – das Ge-wicht unseres Landes hat wesentlich zugenommen – mitweniger Sachmitteln und weniger Personal.Ich wünsche mir, dass wir dann, wenn es wieder Zu-wächse gibt, wenn die Steuereinnahmen wieder fließenund die konjunkturellen Signale positiv sind, die Unter-stützung des Hauses für den notwendigen Aufwuchs be-kmlFHlrdduRRceJnsunVngNnmwdfIramwh
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herbert
rankenhauser.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist erfreu-ich, dass der Herr Minister zum Schluss seiner Ausfüh-ungen noch zwei Sätze zum Haushalt gefunden hat, wasoch zumindest den Anschein erweckt, dass wir uns iner angekündigten Haushaltsdebatte befinden. Ich bittem Nachsicht, wenn ein weiterer Haushälter die trauteunde stört und das wesentliche Problem aufgreift.Kollege Mark hat aus mir unerfindlichen Gründeneformenergie entdeckt. Die wäre allerdings ausgespro-hen notwendig, Herr Minister. Sie haben das Problemrfreulicherweise selbst angesprochen. Was seit vielenahren den Haushalt des Auswärtigen Amtes kennzeich-et, ist ein grundlegender Konstruktionsfehler. Er be-teht darin, dass Sie bei einer ständig sinkenden Mittel-nd Personalausstattung immer mehr Aufgaben über-ehmen müssen und wollen. Das erinnert mich an denersuch, eine hundert Mann starke Reisegruppe in ei-em Smart unterzubringen. Das kann auf die Dauer nichtutgehen.Ich wünsche Ihnen etwas mehr Energie, auch beiichtaufwüchsen beim Herrn Bundesfinanzminister dieotwendige Mittelausstattung einzufordern; auf einögliches Gegengeschäft komme ich noch zurück. So-eit ich mich zurückerinnern kann, ist es das erste Mal,ass sich der Personalrat des Auswärtigen Amtes wieolgt geäußert hat:Neuen Aufgaben und Herausforderungen steheneine immer geringer werdende Personaldecke undimmer knapper werdende Mittel gegenüber. Dieswird dazu führen, dass der Auswärtige Dienst seineFunktion im Dienste der Bürgerinnen und Bürgerdieses Landes, aber auch im Dienste einer zivilenund gerechten Welt nicht mehr in vollem Umfangeausfüllen kann. Zentrale Politikbereiche bleibenpersonell unterbesetzt. Die notwendigen Mittel, umaußenpolitisch nicht nur zu reagieren, sondern auchzu gestalten, sind nicht mehr vorhanden.ch meine, dies macht deutlich, dass in der Bundesregie-ung ein Umdenken bezüglich der Personal- und Mittel-usstattung erforderlich ist.
Es ist erschütternd, dass die Koalition seit gestern im-er wieder Krokodilstränen vergießt und beklagt, wirürden keine Anträge stellen. Sie meint, das sei unge-euer schlimm, weil andernfalls die Haushaltsberatun-
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Herbert Frankenhausergen eine andere Richtung genommen hätten. Ich bitte je-manden aus der Koalition, der sich besonders guterinnert, mir zu verraten, welcher Sachantrag der Oppo-sition jemals die Zustimmung der Koalition gefunden hat.Ich kann Ihnen ein schönes Beispiel dafür nennen. Wirhatten im Frühjahr, als es im Zusammenhang mit demsich abzeichnenden Irakkrieg um die humanitäre Hilfeging, einen Antrag mit der Forderung vorgelegt, 13 Milli-onen Euro zur Verfügung zu stellen. Das hat die Koali-tion mit der Begründung abgelehnt, dieser Betrag reichebei weitem nicht aus; notwendig seien vielmehr 40 Mil-lionen Euro. Ein entsprechender Beschluss konnte abernicht gefasst werden; dies sollte zu einem späteren Zeit-punkt nachgeholt werden. Dieser Zeitpunkt ist bis heutenicht eingetreten. Bereitgestellt wurden maximal 15 Mil-lionen Euro. Wir haben also durchaus richtig gelegen,aber die Koalition wollte unserer Forderung nicht zu-stimmen. Darum sind die Krokodilstränen, die darübervergossen werden, dass wir während der Haushaltsbera-tungen keine Anträge gestellt hätten, der Gipfel der Heu-chelei.
Herr Außenminister, für Ihre künftigen Gespräche mitdem Herrn Bundesfinanzminister verweise ich auf denschönen Titel „Zuschüsse zu Vorhaben zur Förderungdes europäischen Gedankens“, der am Montag undDienstag wichtig gewesen wäre.
Vielleicht können Sie diesen Titel mit berücksichtigen.Es muss schließlich nicht alles in der Imagepflege lan-den.Sie haben heute darauf hingewiesen, dass ich imHaushaltsausschuss Gelegenheit gehabt hätte, über denISAF-Einsatz in Afghanistan zu diskutieren. Ich habemich wenig begeistert über den Einsatz der zweiSchweizer Offiziere geäußert. Das nehme ich ausdrück-lich zurück. Ich begrüße diesen Einsatz, aber es bleibtbei der Kritik, dass er auf europäischer Ebene nicht ab-gestimmt ist. Denn es hat sich – das hat Ihr Haus bestä-tigt – herausgestellt, dass es im europäischen Verbundimmer noch darum geht, drei Hubschrauber zur Verfü-gung zu stellen. Vielleicht gelingt es Ihnen mit einem be-sonderen Einsatz, dies zu erreichen.Ich appelliere aber noch einmal sehr energisch an Sie,vor allen Dingen im Interesse der sehr engagierten Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter im Auswärtigen Amt einewirklich notwendige Kehrtwendung herbeizuführen.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Monika Griefahn.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In denletzten Stunden haben wir bereits die Konflikte im Hin-blick auf die Türkei, Polen, Afghanistan und den Irak er-öidd–wTABmddatdpwluu3dPBmhbinbswIGttePddidkHwnedkfAiszis
aber auch Herr Genscher –, vor Aufgaben stehen, die – diesird durch die jüngsten terroristischen Anschläge in derürkei noch verstärkt – zu Herausforderungen werden.uch hat sich gezeigt, wie wichtig es ist, dass wir dierücke zwischen Europa und der Türkei als einem isla-isch geprägten Land stabilisieren. Dabei haben geradeie Programme, die in der auswärtigen Kultur- und Bil-ungspolitik in den Jahren seit dem 11. September 2001ufgelegt worden sind, eine ganz wesentliche Bedeu-ung.Die deutsche Außenpolitik setzt auf die Zivilisierunger internationalen Beziehungen: auf Regelwerke fürolitisches Handeln sowie Wege zur Demokratie und zueniger militärischen Auseinandersetzungen. Herr Kol-ege Fischer hat es eben angeführt: In den arabischennd asiatischen Staaten sind 50 Prozent der Bevölkerungnter 18 Jahren und 70 Prozent der Bevölkerung unter0 Jahren. Genau diese Menschen müssen wir erreichen,enn sie werden die künftigen Eliten darstellen und dieolitik machen. Das ist mit Ausbildung, mit Kultur, mitegegnungen und Treffen möglich, also mit Maßnah-en, die über die reine politisch-diplomatische Ebeneinausgehen. Dafür müssen wir Energie und Geld auf-ringen.Bei allen Problemen, die es in Afghanistan gibt, sehech in der dortigen Arbeit ein gutes Beispiel: Auf der ei-en Seite setzen wir Soldaten ein, auf der anderen Seiteilden wir Polizisten aus, die für unmittelbare Sicherheitorgen. Nach den Petersberger Beschlüssen engagierenir uns aber vor allem im Kultur- und Bildungsbereich.ch empfand es als sehr bewegend, die Eröffnung desoethe-Instituts und der Amani-Oberrealschule im Sep-ember in Kabul besuchen zu können. Die deutsche Un-rstützung beim Aufbau weiterer Schulen sowie vielerrojekte für Frauen und Kinder hat dazu geführt, dassie Bundesrepublik in Afghanistan einen hervorragen-en Ruf genießt. Auch die Arbeit der Soldaten vor Ortst auf Bildung und Kultur ausgerichtet; mit Radiosen-ern und Zeitungen informieren sie die Bevölkerungonkret über den jetzt anstehenden Verfassungsprozess.ier ist unser Geld richtig gut angelegt. Dies müssen wireiterführen.
Das Interesse an Deutsch als Fremdsprache ist nichtur in Afghanistan, sondern auch in vielen Ländern Ost-uropas, in Lateinamerika und selbst in Indien so groß,ass die Nachfrage zum Teil nicht befriedigt werdenann. In Afghanistan sind jetzt Deutschkurse angelau-en, an denen bereits 60 Schüler – Mitarbeiter aus demußenministerium und Journalisten – teilnehmen; aucht dort ein Deutschkurs für Polizisten geplant. Daran istu erkennen, dass Deutsch keine aussterbende Sprachet, sondern ein wichtiges Mittel für die Anbindung an
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Monika GriefahnDeutschland, an unsere Kultur, aber auch an unser De-mokratieverständnis sowie an unser Verständnis vonMenschenrechten darstellt.
Überall herrscht allerdings Mangel an Lehrkräften.Daher brauchen wir eine Lehrerausbildung vor Ort.Wir brauchen Lehrer für die Goethe-Institute und die an-deren Kulturinstitute in den Ländern, in denen eine ent-sprechende Nachfrage vorhanden ist. Dies ist eine aktiveEntwicklung von Zivilgesellschaft. Das kann man zumBeispiel am deutschen Sprachinstitut in Teheran ganzdeutlich sehen: In diesem Institut gibt es eine ganz ei-gene Kultur, es ist ein Ort der Begegnung, aus dem he-raus sich Demokratie und ein neues Miteinander entwi-ckeln können.Auch die Nachfrage nach dem Studienort Deutschlandwächst. Die jungen Menschen erkennen, welche Alter-nativen wir zu den USA und Großbritannien bieten. HerrMark hat schon darauf aufmerksam gemacht, dass wireinen großen Teil der Mittel für Studienprogramme aus-geben. 556 Millionen Euro – das ist ein Viertel desHaushalts des Auswärtigen Amts – sind für die auswär-tige Kultur- und Bildungspolitik veranschlagt. Jeweilsein Viertel davon sind für Goethe-Institute, für Wissen-schafts- und Bildungsprogramme und für den DAAD re-serviert. Dort wird eine wirklich wichtige Arbeit geleis-tet; denn die Kulturkontakte bieten eine Möglichkeit,unterhalb der diplomatischen Ebene und überall dort, woKontakte schwierig sind, Menschen zu erreichen. Das istgerade in den Ländern, zum Beispiel im Iran oder aufKuba, wichtig, mit deren Regierungen wir überhauptnicht einverstanden sind.
In diesen Ländern müssen wir die Kulturarbeit als we-sentliche Grundlage des Dialogs begreifen, die den dortlebenden Menschen Kontakte zu anderen Menschen undZugang zu anderen Informationen ermöglicht. KollegeMark hat bereits das Programm der „Deutschen Welle“in Afghanistan erwähnt. Auch die Ausbildung von Jour-nalisten und Technikern gehört zu diesem Programm.Ich bin sehr froh, dass zusätzliche Gelder für dieses Pro-gramm eingestellt werden konnten, nachdem es zuerstauf null zurückgefahren worden war.
Große Sorgen bereitet mir das sehr positiv angelaufeneProgramm „Europäischer Dialog mit dem Islam“, auf-grund dessen 27 junge Islamwissenschaftler, die Crèmede la Crème aus Deutschland, eingestellt worden sind.Das Geld und die Stellen sind zwar weiterhin vorhanden.Aber die momentanen Stelleninhaber müssen ihre Stel-len Mitte nächsten Jahres aufgeben, weil ihre Zeitver-träge auslaufen. Wir sollten uns bemühen, das Know-how, das wir hier bekommen haben – es handelt sichqLfatcsddElbAzDuddGsMknautsEwsphPMeinsshtrGewrFgsse
Ein weiterer wesentlicher Bereich sind unsere Auslands-chulen. Es gibt 70 000 Schüler in 117 Auslandsschulen,ie ein Ort der Begegnung geworden sind. Die Mittel fürie Auslandsschulen sind im letzten Jahr um 5 Millionenuro gesteigert worden und haben sich nun bei 180 Mil-ionen verstetigt. Das halte ich für notwendig. Ich habeei einem Besuch in Südafrika gesehen, dass unsereuslandsschulen wirklich etwas für die Integration so-ial schwacher Schüler und für die Anbindung aneutschland leisten. Ich glaube, dass wir solche Projektend Modellversuche weiterführen sollten und dass wireren Wert gar nicht hoch genug einschätzen können;enn dadurch werden in den entsprechenden Ländern dierundlagen für Demokratie und Menschenrechte ge-chaffen. Die Menschen, die an solchen Projekten undodellversuchen teilnehmen, erleben eine andere Dis-ussionskultur und haben gleichzeitig eine Anbindungicht nur an Großbritannien und die USA, sondern auchn Deutschland. Sie sind damit für uns Multiplikatorennd Botschafter in ihren Ländern. Das ist ein sehr wich-iger Punkt.
Herr Mark hat bereits erwähnt, dass wir ebenfalls – Gottei Dank – die Mittel für den Baufonds erhöhen konnten.ine wesentliche Aufgabe, die aus diesem Fonds finanziertird, ist die Arbeit in Osteuropa. Wir haben – das finde ichehr wichtig – intensiv darüber nachgedacht, wie wir Euro-äer im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicher-eitspolitik gemeinsam auftreten können. Ein wesentlichesrojekt ist das deutsch-französische Kulturinstitut inoskau. Das ist das richtige Signal, um zu zeigen, dass wirtwas gemeinsam machen. Das wird nicht nur an Lesesälen verschiedenen osteuropäischen Ländern, sondern auch anolchen Instituten deutlich. Wir Deutsche sollten ruhig an un-erer Kultur, unserer Sprache und unseren Programmen fest-alten. Wenn wir Europäer aber noch stärker gemeinsam auf-eten, dann können wir sicherlich dazu beitragen, dass dieemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik tatsächlichine Politik der Prävention, der Konfliktvermeidung so-ie des Dialogs und der Annäherung ist. Wir haben be-eits gezeigt, dass wir das können. Deutschland undrankreich haben schließlich über Jahrhunderte Kriegegeneinander geführt und haben jetzt gemeinsame In-titute und arbeiten politisch eng zusammen. Das ist einchönes Beispiel, das zum Nachahmen reizt.
Wie der Kollege Fischer wünsche auch ich mir, dasss uns im nächsten Jahr gelingen wird, den Haushaltsan-
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Monika Griefahnsatz zu verstetigen – Kultur- und Bildungsarbeit ist imVergleich zu militärischen Einsätzen preiswert –,
und dass das ganze Haus in diesem Sinne verstärkt tätigwird.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Dr. Gesine
Lötzsch.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr ge-
ehrte Gäste! Ich bin Abgeordnete der PDS.
Noch nie war die deutsche Außenpolitik nach dem
Zweiten Weltkrieg so militärisch wie unter der rot-grü-
nen Bundesregierung. Die Abstimmungen über Aus-
landseinsätze der Bundeswehr im Bundestag sind zu ei-
ner fast alltäglichen Routine geworden. Die Ausgaben
für internationale Einsätze der Bundeswehr steigen jedes
Jahr: Wurden im Jahr 1998 noch 182 Millionen Euro aus-
gegeben, so waren es im Jahre 2002 bereits über 1,5 Milli-
arden Euro. Das ist eine Steigerung fast um den Faktor
zehn in fünf Jahren. Solche Wachstumsraten finden Sie
in keinem anderen Bereich.
Sie müssen sich schon fragen lassen, was diese kost-
spieligen militärischen Einsätze außenpolitisch tatsäch-
lich bewirkt haben.
Nehmen wir den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan.
Das Ziel war doch, in „uneingeschränkter Solidarität“ – so
hieß es damals – mit der Bush-Regierung einen Schlag ge-
gen den internationalen Terrorismus durchzuführen.
Wir wissen, dass es in dieser Welt noch nie so viel Terro-
rismus gab wie heute und dass jeden Tag neue Opfer hin-
zukommen. Die Bush-Regierung ist mit ihrem Krieg ge-
gen den Terrorismus gescheitert. Man kann Terror nicht
mit Terror bekämpfen. Man kann den Kampf gegen den
Terror gewinnen, den Krieg gegen den Terror nicht.
Ich möchte ein Wort zum Irakkrieg sagen. Wir haben
die Bundesregierung darin unterstützt, diesen Krieg ab-
zulehnen. Sie hatte auch die Unterstützung der Mehrheit
der Bevölkerung auf ihrer Seite. Aber es darf nicht ver-
schwiegen werden, dass die Regierung diesen Krieg lo-
gistisch unterstützt hat, indem den Vereinigten Staaten
von Amerika Militärbasen sowie Krankenhäuser zur
Verfügung gestellt und Überflugrechte gewährt wurden.
Wir müssen uns jetzt gegen eine neue Logik des Wett-
rüstens wehren. Es ist aus der Sicht der PDS der falsche
Weg, die Europäische Union militärisch aufzurüsten,
wie es der Verfassungsentwurf vorsieht.
Wir wollen in kein Wettrüsten gegen die USA und auch
in kein Wettrüsten mit den Terroristen einsteigen. Das ist
der falsche Weg. Dieser Weg kann nur scheitern.
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Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Klaus Rose.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Unser Kollege Frankenhauser hat die Einbet-ung der deutschen Außenpolitik in den Haushalt vorhinindrucksvoll dargelegt. Dabei hat er so manche Ankün-igung des Bundesaußenministers als Bestandteil eineregelrechten Ankündigungspolitik entlarvt. Der Außen-inister hat zur Beschreibung seiner Politik zwar schöneormulierungen gewählt; in der Praxis sieht aber vielesnders aus.Ich möchte jetzt noch einige außenpolitische Grund-inien der CSU darstellen. Unter ihren Vorsitzendenranz Josef Strauß, Theo Waigel und Edmund Stoiberat die CSU stets wesentliche Beiträge dazu geleistet,eutschland in Frieden und Freiheit und als geachtetesitglied der Völkergemeinschaft blühen zu lassen.
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6778 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Dr. Klaus RoseFrieden und Freiheit gehörten für uns immer untrenn-bar zusammen. Wir haben diese Freiheit auch stets füralle Deutschen angestrebt und deshalb keinen faulenFrieden nach dem Motto „Lieber rot als tot“ akzeptiert.Mit der Wiedervereinigung ist diese Freiheit in Friedenerreicht worden. Heute gilt es mehr, den Frieden zu si-chern, weil die Freiheit ungefährdet zu sein scheint, zu-mindest vom politischen System im eigenen Land her.Aber lässt uns der zunehmende Terrorismus in der Weltnoch genügend Freiheit, eigene Entscheidungen zu tref-fen? Lässt er uns in Frieden? Auf welches Ziel führt unsdie heutige deutsche Außenpolitik wirklich hin?Ich greife nochmals das Thema Türkei auf. Auch inder CSU gibt es viele, die enge und freundschaftlicheKontakte zu türkischen Entscheidungsträgern hier inDeutschland oder dort in der Türkei pflegen. Das gilt seitJahrzehnten auch für mich. Die Türkei wird gern als un-ser NATO-Partner gesehen. Der Satz, den man immerwieder hört, nämlich: „Die Türkei gehört zu Europa“,ist, wenn man ihn richtig interpretiert, natürlich diskussi-onsfähig.Die Probleme einer schnellen oder späteren Vollmit-gliedschaft der Türkei in der Europäischen Union müs-sen jedoch rechtzeitig und deutlich angesprochen wer-den. Es muss auch eine offene Diskussion möglich sein.Es darf nicht ein Schubladendenken geben: hier der Tür-kenfreund und da der Türkenhasser. Es darf natürlichauch keine Aussage geben wie die vom Bundeskanzlerheute und von verschiedenen anderen. Da ging es um ei-nen Rundumschlag gegen einen Kollegen von uns,Herrn Bosbach. Das braucht es nicht. Herr Bosbach hatnur auf andere reagiert. Das wird instrumentalisiert. Ichfinde das nicht gut.
Ich möchte zwei Tatsachen nennen, freimütig undfreundlich:Erstens. Auf den Landkarten der Europäischen Unionin Brüssel gilt die Türkei bereits als mögliches Mitglied.Wenn die Türkei wie alle anderen Beitrittskandidaten dieKopenhagener Kriterien erfüllt – ich kann auch sagen:erfüllen sollte –, wird es schwer sein, direkte Beitritts-verhandlungen zu torpedieren.Zweitens. Nicht bloß in Deutschland, sondern auch inanderen EU-Staaten, besonders in den nächstes Jahr zurEU kommenden Ländern Mittel- und Osteuropas, gibt esmassive Vorbehalte gegen eine türkische Mitgliedschaftin der vorwiegend christlich geprägten abendländischenGemeinschaft.Wenn man diese Tatsachen anspricht, ist man nichtcharakterlos. Die CSU ist dafür bekannt, dass sie dieSorgen der Bürger im eigenen Land aufnimmt. Ängstehat man eben auch bei einem EU-Beitritt der Türkei. WirPolitiker müssen mit den Sorgen und Ängsten der Men-schen verantwortungsvoll umgehen und dürfen nicht de-magogisch sein. Das gilt für alle Seiten des Hauses.
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ei einem Besuch kürzlich an der slowakisch-ukraini-chen Grenze mussten mein Kollege Bartholomäus Kalbnd ich beispielsweise feststellen, dass über eine langerüne Grenze ganze Völkerschaften aus dem Nahen undittleren Osten, sogar aus China, einsickern und dassenschenhandel, Drogen- und Waffengeschäfte die Ost-est-Route beherrschen. Es wäre fatal und unanständig,ie Slowakei und andere Staaten mit ihren für Europabernommenen Pflichten allein zu lassen.
Das Thema EU-Erweiterung muss den Blick auch aufas Zusammenwachsen des bisherigen Europas len-en. Wir haben im Süden Deutschlands die Möglichkeit,ahrhundertealte Beziehungen über die Alpen hinweg zuntensivieren. Es werden enge Kontakte in den Regionenngestrebt, die uns auch wirtschaftlich gut tun. Gastar-eiter haben bei uns etwas aufgebaut, sind mit dem Ka-ital nach Italien zurückgegangen und jetzt kann man-hes wieder zu uns zurückkommen. Ähnliches gilticherlich für den Westen und Norden Deutschlands undpäter auch für den Osten. Ich sage das alles bewusst;enn wir Deutsche sollten nicht ständig nur an denongo oder den Hindukusch denken, wenn es um eineute Zukunft für unsere Heimat geht. Es kann ja auchinmal die Zeit kommen, da das immer größer gewor-ene Europa an den Rändern auseinander bricht. Dannst es gut, wenn der Kern auf guten Fundamenten stehtnd eng zusammenarbeitet.
Meine Damen und Herren, die Weltpolitik bleibt unsatürlich auch nicht erspart. Für die CSU gilt, dass dieicherheit im Inneren wie im Internationalen unser Mar-enzeichen ist. Diese Sicherheit wurde stets durch dieATO gewährleistet. Deshalb sind immer wieder auffla-kernde antiamerikanische Reden scharf zu kritisieren.reundschaft braucht zwar Kritikfähigkeit, aber nichtoshaftes Beschimpfen.
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Dr. Klaus RoseIch hoffe, dass der Bundeskanzler und Sie, Herr Bun-desaußenminister, nicht bloß deshalb nach Washingtonund New York fahren, um an der Heimatfront gut dazu-stehen, sondern, um unserer Sicherheitspartnerschaft austiefster Überzeugung zu dienen. Wenn man weiß, woman hingehört, kann man auch problemlos mit anderenRegionen gute Beziehungen knüpfen. Von einer „Schau-kelpolitik“ – wie im Frühjahr dieses Jahres – muss mandann nicht mehr reden.Dem Ziel „Frieden und Freiheit“ dienen selbstver-ständlich nicht bloß NATO und EU, sondern auch einestarke UNO. Deshalb bin ich dafür, dass wir die Rolleder UNO und ihrer Sonderorganisationen immer wiederstützen, aber auch kritisch hinterfragen. Wir sind einerder größten Beitragszahler; wir sind allerdings in denletzten Jahren – das ist wieder ein Beispiel für die An-kündigungspolitik, die ich vorhin kritisiert habe – in derRangliste der Beitragszahler stark zurückgefallen. Wirstehen nicht mehr überall an erster, zweiter oder dritterStelle. Bei der UNDP stehen wir beispielsweise anzwölfter Stelle. Zwischen den großen Sprüchen, die Siefrüher als Opposition gemacht haben, und den heutigenTaten klafft leider auch hier der rot-grüne Unterschied.Weil dies so ist, kann ich der Koalition auch nichteine Aussage zur auswärtigen Kulturpolitik ersparen.Sie, Frau Kollegin Griefahn, haben geschildert, wiegroßartig sie sei. Ich erinnere mich noch, wie sie in den80er-Jahren aussah und welche Vorwürfe damals von Ih-rer Seite kamen. Wenn ich die Ausgabenhöhe aus den80er-Jahren mit den Zahlen von heute vergleiche, mussich feststellen, dass es hier einen gewaltigen Rückganggegeben hat. Man kann nicht von einer besonderen Leis-tung sprechen, wenn Sie hier berichten, dass Sie ir-gendwo ein Goethe-Institut eröffnet haben, oder davonreden, was Sie alles tun. Die auswärtige Kulturpolitik hatunter dieser Bundesregierung keinen Sprung nach vornegemacht. Gegenüber früheren Zeiten ist hier eindeutigvon einem Rückschritt zu sprechen.
Herr Bundesaußenminister, was Sie außenpolitisch tun,ist häufig genug genau das Gegenteil von dem, was Siefrüher gefordert haben. Ihre Außenpolitik ist nur nochFlickwerk.Als Fazit der deutschen Außenpolitik lassen Sie michfesthalten: großmäulig einen Sitz im UN-Sicherheitsratfordern, ihn jedoch nie erhalten; kleinlaut und geprügeltaus Brüssel zurückkommen. Rot-Grün führt Deutsch-land leider in eine ungewisse Zukunft.
Zu einer Kurzintervention erhält die Kollegin
Hermenau das Wort.
Die Zukunft ist ungewiss – Herr Kollege Rose, Sie
haben in Ihrer Rede im Zusammenhang mit der Pflege
gutnachbarlicher Beziehungen darauf hingewiesen, dass
Sie die Ängste der Bevölkerung in Bezug auf die Türkei
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s geht darum, dass die Westeuropäer die ermutigenden
rfahrungen, die sie in den letzten Jahrzehnten gesam-
elt haben, auf die neu hinzukommenden Mitgliedstaa-
en aus Osteuropa übertragen, damit wir alle lernen,
eltoffener miteinander umzugehen.
Die Frage, ob die Türkei ein natürlicher Partner in der
uropäischen Union ist oder nicht, würde dann auch
icht mehr so aufgebauscht, wie es leider immer wieder
eschieht. Dieses Anliegen ist mir wichtig; deshalb habe
ch mich zu Wort gemeldet.
Wollen Sie antworten? Sie müssen aber nicht.
Der Beitrag der Kollegin Hermenau rührt wahr-cheinlich daher, dass sie verärgert war, dass sie von derednerliste gestrichen wurde.
etzt hat sie sich mühsam etwas zusammengereimt undersucht, mich mit Aussagen anzugreifen, die ich garicht gemacht habe.Erstens habe ich nicht von osteuropäischen Ländern,ondern von mittel- und osteuropäischen Ländern ge-prochen. Es braucht sich also niemand ausgeschlossenühlen, der unmittelbar in Mitteleuropa lebt.
Ja, ich höre immer wieder den Vorwurf, dass man dieeute falsch einteile.
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6780 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Dr. Klaus RoseZweitens habe ich nicht davon gesprochen, dass irgend-etwas Provinzielles aufgegriffen wird. Es ist in großenVolksparteien wie bei uns üblich, alle Strömungen anzu-hören und aufzunehmen. Man soll sie aber nicht demago-gisch auswerten. Das habe ich wörtlich gesagt. Da würdeich Sie bitten, Frau Kollegin Hermenau – wir verstehenuns ja auch sonst gut –, dass Sie nicht aus Verärgerungüber Ihren Außenminister mich zum Prellbock machen.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Kurt Bodewig.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich möchte im Sinne guter Debattenkultur kurz auf denKollegen Rose eingehen. Ich habe sehr genau gehört,was Frau Hermenau hier angesprochen hat.Sie haben gesagt: Politik muss Ängste aufnehmen.Die Konsequenz daraus lautet aber, dass Politik Ängstenicht verstärken oder – im Falle Bosbach – sogar Ängsteerzeugen darf.
Ich glaube, das ist der qualitative Unterschied und auchdas ist ein Teil von politischer Kultur.Ich will noch auf etwas anderes eingehen, was Sie an-gesprochen haben. Sie haben gesagt, man solle nicht nuran den Kongo denken. Das ist ein schönes Klischee.Aber was machen Sie? Sie denken zurzeit noch nichteinmal daran, dass Deutschland auch eigene Interessenim europäischen Konzert hat. Ich habe heute Morgenden Ministerpräsidenten von Hessen im „Morgenmaga-zin“ des ZDF gesehen, wo er an einer neuen Dolchstoß-legende gebastelt hat: Wir würden den Wachstums- undStabilitätspakt heruntermeucheln. Manch einer IhrerRedner hat in den vergangenen Debatten an dieser Le-gende mitgestrickt. Ich glaube erstens, dass das durch-sichtig ist, und zweitens, dass Sie ein sehr kurzes Ge-dächtnis haben.
Denken Sie einmal an die Einführung der Wirt-schafts- und Währungsunion! Denken Sie darüber nach,dass wir 1997 in Deutschland einen Referenzwert hatten,der weit über der zulässigen Verschuldung lag. Damals,1998, haben Sie gesagt: Das spielt alles keine Rolle, wirtreten trotzdem in die Wirtschafts- und Währungsunionein. Ich fand auch, dass das richtig war. Denn dieseWährung ist stabil. Sie ist in keiner Weise in Gefahr, we-der jetzt noch damals. Also: Messen Sie sich an Ihremeigenen Verhalten, bevor Sie andere kritisieren.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6781
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Sie müssen sich an dem messen lassen, was Sie wol-len. Dazu sage ich: Es gibt ein klares Bekenntnis zu die-sem Pakt, aber es gibt eine Absage an billige parteipoliti-sche Polemik.
– Das kennen Sie doch. Sie können Staub aufwirbeln,können aber keine Politik daraus machen. – Deswegenmuss man einen klaren Kurs haben. Diese Regierung hateinen klaren Kurs und wir werden ihn weiter halten.
Packen Sie sich an Ihre eigene Nase. 55 Prozent desDefizits sind in den Ländern entstanden. Herr Koch, dersich heute Morgen so lautstark geäußert hat, hat seitzwei Jahren einen im Vollzug verfassungswidrigenHaushalt vorgelegt. Die Verschuldung steigt explosions-artig, er hat die höchste Steigerung der Verschuldungvon allen deutschen Bundesländern. Wenn das der Maß-stab ist, dann gnade uns Gott, wenn ein solcher Mannwie Herr Koch die Währungsstabilität in Deutschlandgarantieren müsste.
Deshalb sage ich Ihnen sehr deutlich: Es gibt über-haupt keinen Grund, die Stabilität des Euro in den Grundzu reden. Im Gegenteil, wir alle sollten dazu beitragen,dass ein solch starker Wirtschaftsstandort, wie wir ihnhaben, weiter gestärkt und nicht durch unsinnige Debat-ten geschwächt wird.Wir alle haben eine Verantwortung. Das gilt für dieRegierung, das gilt für die die Regierung tragenden Koa-litionsfraktionen, das gilt aber auch für das Verhalten derUamwlgmHdveeggLzGdhaPcsUpgAzssvsoaaLa
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Anke Eymer.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Liebe Kollegen und liebe Kolleginnen! Wir re-en über den Haushalt und damit reden wir auch über In-estitionen in der Außenpolitik. Dabei ist es notwendig,in solides Konzept zu haben, damit Investitionen nichtffektlos verhallen.
Eine Region, die in diesem Zusammenhang nicht ver-essen werden darf, ist Afrika. Erinnern wir uns: Derrößte Teil der deutschen Hilfe wird in Afrika in denändern südlich der Sahara investiert. Eine klare Zielset-ung, frei von Ideologie, ist in der Afrikapolitik von Rot-rün aber nicht zu erkennen.
Dem deutschen Engagement in Afrika muss ein soli-es politisches Konzept zugrunde gelegt werden. Biseute fehlt eine realistische Einschätzung. Wie sind diefrikanischen Eigeninteressen? Welche afrikanischenrojekte zur Verbesserung der Situation gibt es und wel-he gilt es zu unterstützen? Daran muss sich die Interes-en- und Zielsetzung der deutschen Politik orientieren.nd sie muss eingebettet sein in eine multilaterale euro-äische Afrikapolitik unter Ausschluss neokolonialer Ei-eninteressen.Das Interesse der rot-grünen Regierung an aktuellerfrikapolitik scheint eher ein Annex zum deutsch-fran-ösischen Sonderweg der jüngsten Vergangenheit gewe-en zu sein.
Ihre Kritik an unilateralen Aktionen einiger europäi-cher Nachbarn in Afrika war in der Vergangenheit sehrerhalten. Von einer etablierten und einer soliden deut-chen Afrikapolitik sind wir noch sehr weit entfernt.
Gerade die letzten Afrikainitiativen von Rot-Grünrientieren sich eher an politischen Doktrinen, aber nichtn konkret umsetzbarer Politik. Ich beziehe mich hierusdrücklich auf den Antrag zur Unterstützung vonandreformen in Afrika. Wir können Afrika doch nichtllgemein über einen Kamm scheren.
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6782 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Anke Eymer
Ich möchte meine Bemerkung über Ihren Antrag zumAnlass nehmen, um im Guten zu unterstellen, dass Siedurchaus nach einem grundlegenden Konzept für deut-sche Afrikapolitik suchen. Sogar Fachleute aus IhrenReihen stellen mittlerweile fest, dass die relativ hohenSummen deutscher Investitionen ohne nennenswertenachhaltige Effekte bleiben. Das hätte schon längst zueiner engagierten Neukonzeptionierung führen müssen.Dabei geht es nicht nur um den Nutzen für Afrika, son-dern auch um die eingesetzten Gelder.Die momentane Afrikapolitik von Rot-Grün gleichtaber mehr einem Reagieren auf einzelne Problemstellun-gen als der Umsetzung eines nachhaltigen Konzeptes.Wir brauchen dringend eine inhaltliche wie auch einestrukturelle und funktionale Neubesinnung in der deut-schen Afrikapolitik.Die zögerliche Lustlosigkeit, mit der der Außenminis-ter afrikanische Themen bisher angepackt hat, ist dabeinicht förderlich.
Seine bisher dritte Reise nach Afrika vor knapp einemMonat umschiffte wortwörtlich und im übertragenenSinn die eigentlichen Krisen. Notwendig gewesen wärenklare Aussagen über die deutschen Interessen und Ziel-setzungen und nicht eine allgemeine Rede über gute Zu-sammenarbeit.Ich frage mich auch, inwieweit auf höchster Ebene imAuswärtigen Amt die Interessen Afrikas effektiv wahr-genommen werden. War es bisher eigentlich möglich,den Vertretern aller Staaten Afrikas in Berlin zu begeg-nen? Zum so genannten Dialog auf Augenhöhe gehörteben auch das. Es ist kontraproduktiv, zu viel auf der rei-nen Arbeitsebene zu belassen.Auch die strukturbedingten Reibungspunkte sind of-fensichtlich. Es gibt zum Beispiel die unklare Verteilungund teilweise auch Doppelung von Aufgaben und Kom-petenzen zwischen dem BMZ und dem AuswärtigenAmt.
Die Kompetenzverteilung und die Arbeitsstrukturenmüssen stärker gebündelt werden. Auch inhaltlich liegendie Schwerpunktthemen einer nachhaltigen Afrikapolitikauf der Hand. Diese sind: erstens die notwendige Stär-kung und Unterstützung bestehender freiheitlich-demo-kratischer Staaten, zweitens die Eindämmung von regio-nalen Kriegshandlungen, drittens der Kampf gegen diefortschreitende Aids-Epidemie und viertens die existen-zielle Bedrohung durch Verarmung.
Zusätzlich fordere ich Sie auf, von Allgemeinaussa-gen endlich abzurücken und sich auf regionale Problem-felder zu konzentrieren. Ihre deutsche Afrikapolitik lei-det unter einer überzogenen Zielsetzung.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6783
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Weitere 100 bis 130 schlagen Sie im nächsten Jahr vor.Das heißt, wir erwarten in nächster Zeit einen regelrech-ten Standortkahlschlag, der durch die Pläne des Bundes-verteidigungsministers, von einer Armee, die vorrangigAufgaben der Landes- und der Bündnisverteidigungübernimmt, wegzukommen und sich einer Interven-tionsarmee zuzuwenden, gefördert wird.Herr Bundesverteidigungsminister, ich fordere, dasswir hier im Bundestag über das Thema, wie die Bundes-wehr der Zukunft aussehen soll, in einer großen Debattediskutieren. Denn es kann nicht angehen, dass, wenn diegrundsätzliche Struktur der Armee verändert wird, alleinVerwaltungsentscheidungen getroffen werden. Das gehtweit über die organisatorische Zuständigkeit eines Mi-nisters in seinem Hause hinaus.
Wenn man zu neuen Strukturen kommen will, dannmuss man der Truppe auch die Mittel zur Verfügungstellen, die einen optimalen Schutz der Soldaten in inter-nationalen Einsätzen gewährleisten. Ich nutze gernediese Gelegenheit, den Soldaten für ihre Tätigkeit anvielen Stellen der Welt, aber auch im Inland herzlich zudttAsddtevgHsasswzpnnMdasgdsIwfwbskvARSzgvHeuz
Aber das setzt auch voraus, dass wir die Soldaten op-imal schützen: durch entsprechende Fahrzeuge und dieusstattung am Mann. Dies wird nicht getan. Die Aus-tattung mit geschützten Fahrzeugen, mit dem Dingo 2,em Multi A 3 und dem Duro, ein verbesserter Schutzer Soldaten und die Grundausstattung des „Infanteris-n der Zukunft“ werden nach Aussage des Heeresamteson vor wenigen Tagen auf das Jahr 2009 – vielleicht so-ar auf das Jahr 2010 und folgende – verschoben.
Die Bundeswehr – das ist das eigentliche Problem,err Kollege Mark – hat nicht das Beste, was die deut-che Industrie zu bieten hat, und sie bekommt es auchuf absehbare Zeit nicht. Das ist für die Soldaten, die ge-chützt werden sollen, beklagenswert und es ist wirt-chaftspolitisch falsch. Denn all das, was dort entwickeltird, ist auch technologisch von großem Interesse, undwar nicht nur für das Inland, sondern auch für den Ex-ort.So gesehen könnte man sagen: Der Minister tritt dy-amisch auf der Stelle, aber entschieden wird eigentlichicht. Das ist geschickt und macht einen guten Eindruck.an hat auch Ruhe in der Truppe. Es entsteht das Bild,ass reformiert würde. Aber in der Tat werden Lösungenuf die Zukunft verlagert. Wie oft wurde – allein in die-em Jahr – eine Veränderung bezüglich der zahlenmäßi-en, personellen und strukturellen Ausstattung der Bun-eswehr vorgenommen?Meine Damen und Herren, der Verteidigungsetatteckt in der Zange der großen Beschaffungsvorhaben.ch habe erhebliche Zweifel, ob es in dieser Situationirklich Sinn macht, für das kommende Jahr beim Euro-ighter 250 Millionen Euro mehr zu investieren. Leiderar es bei dem Termin, der mit dem Ministerium verein-art worden ist, nicht möglich, sicherzustellen, dass die-es Flugzeug auch seine Flugfähigkeiten demonstrierenann. Ich warte immer noch darauf. Ich glaube nach wieor an die deutsche Technologie.
ber ich sage: Wir müssen das Ganze in eine bestimmteelation zueinander setzen. Ist es wirklich sinnvoll, daschwergewicht der Investitionen bei der Luftwaffe vor-usehen, wenn die Zukunft nach den eigenen Vorstellun-en, auch für internationale Einsätze, im Wesentlichenom Heer gestaltet werden soll, wenn also das Heer dieauptlast trägt?
Im Zusammenhang mit der Bewaffnung möchte ichinen zweiten Punkt ansprechen. Dabei handelt es sichm eine Sorge, die die Menschen in den letzten Wochenunehmend erfüllt. Die tatsächliche Bedrohung der
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6784 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Dietrich Austermannfreiheitlich-demokratischen Welt geht vor allen Dingenvom internationalen Terrorismus aus, den man aufvielen Wegen bekämpfen kann. Ich habe bereits ange-sprochen, was unsere Soldaten hierbei tun und welchenBeitrag sie in der internationalen Wertegemeinschaft tat-sächlich leisten.Aber man muss auch einen anderen Teil ansprechen:die intelligente Verteidigung und das Aufspüren von ver-deckten Waffen. Bei der Terrorismusbekämpfung geht esnicht allein nach dem Motto „Groß, laut, fliegt weit“;vielmehr wird man darauf achten müssen, wo Vor-Ort-Sensorik eingesetzt werden kann und wo intelligenteMittel mithilfe von Forschung und Technologie gewon-nen werden können. Wo liegen die Anstrengungen desBMVg im Bereich der Biosensorik bezüglich Angriffenim Inland? Die Mittel für Forschung und Entwicklungliegen auf dem Niveau des Jahres 1984.Im Rahmen der Haushaltsberatungen wurde nun einbisschen umverteilt. Ich danke den Kolleginnen undKollegen der Koalition, dass sie insbesondere die Be-deutung der Marine bei der Weiterentwicklung vonSchiffen der Zukunft wie der Nachfolge der „Fregatte125“ gestärkt und dort einen Akzent gesetzt haben. Daswar aber nur möglich, indem Mittel von einem Postenauf einen anderen Posten verlagert wurden. Unter demStrich heißt das nicht, dass mehr Geld für Forschung undTechnologie dort bereitsteht, wo wir es dringend brau-chen, um dem Schutzbedürfnis der Menschen in abseh-barer Zeit gerecht zu werden.
Es besteht weiterhin die Aufgabe, wirtschaftliche Po-tenziale zu nutzen. Vor einiger Zeit sind ja ein Moderni-sierungsboard, ein Kompetenzzentrum und vieles andereeingerichtet worden, wodurch künftige Aufgaben offen-sichtlich besser gelöst werden sollen. Wenn aber Geld„verbrannt“ wird, sagen wir Halt. Das passiert an vielenStellen, auch im Verteidigungsministerium. Gleiches giltfür sinnlose Ausgaben bei der GEBB. Ich könnte jetztausführlich aus dem Brief des ehemaligen Aufsichtsrats-vorsitzenden Werner zitieren, was ich aber aus Zeitgrün-den nicht tun möchte.
– Er ist an Sie persönlich gerichtet? Er ist auch an eineganze Reihe anderer Personen gerichtet, zum Beispiel anStaatssekretär Eickenboom, Staatssekretär Biederbick,Staatssekretär Overhaus, der ja überall dabei ist, woSchaden angerichtet wird, Generalinspekteur Schneider-han und Herrn Heinzmann. Es gibt also eine Fülle vonPersonen, die diesen Brief haben. Ich würde kein Ge-heimnis daraus machen – –
Herr Minister, darf ich Sie darauf hinweisen, dass Sie
nicht in Privatgespräche mit dem Redner eintreten dür-
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Aber damit untergraben Sie Parlamentsrechte. Es geht
arum, dass die Regierung nicht von der Regierungs-
ank aus Redner kritisieren darf.
Das ist besonders empörend, wenn diese Zeit voneiner Redezeit abgezogen wird.
ch wollte nur sagen, dass Herr Werner ganz offensicht-ich auf Defizite in der bisherigen Zusammenarbeit zwi-chen dem Ministerium und der GEBB hingewiesen hat.as beschreibt er sehr deutlich. Offensichtlich wird auchadurch Geld „verbrannt“, indem man versucht, an-pruchsvolle Aufgaben zu lösen, die man nicht besser lö-en kann.Der Gedanke der Public-Private-Partnership, also bei-pielsweise der Zusammenarbeit von Wirtschaft undundeswehr, ist durchaus sinnvoll. Aber man darf dasicht so dilettantisch angehen wie der Verwalter desrößten Weinkellers in Deutschland, Herr Horsmann beier GEBB. Wir müssen vielmehr deutlich machen, dassie Wirtschaft bei den Aufgaben hinzugezogen werdenuss, die sie besser erledigen kann.Einige Beispiele: Wer sich mit dem Flottenmanage-ent beschäftigt hat, musste feststellen, dass Sie aus derrsprünglich olivgrünen Truppe eine bunte Bundeswehremacht haben. Die Autos zum Beispiel kommen ausem Inland und dem Ausland, jedes sieht anders aus.insichtlich der Frage, ob die Truppe die Fahrzeuge be-ommt, die sie angefordert hat, müssen Sie sich nur ein-al bei den Fuhrparkzentren in Bonn oder in Köln-ahn erkundigen. Dort wird man Ihnen die entspre-hende Antwort geben.Beim Bekleidungszentrum funktioniert das genausoenig. Es soll etwas Geld eingenommen haben, was da-it zusammenhängt, dass man die alten Kleiderlager ge-äumt und die Kleider verkauft hat.Was ist aus dem Liegenschaftsmanagement oder demo großartigen Projekt „Herkules“ geworden? Sämtlicheereiche der Technologie-, Informations- und Kommu-ikationstechnologie der Bundeswehr sollten der Privat-irtschaft übertragen werden. 70 kritische Fragen, dieer Rechnungshof leider stellen musste, sind bis heuteicht erschöpfend beantwortet.Wenn man nun von dem Vorhaben Abstand nehmenill, soll das Bieterkonsortium angeblich Regressforde-ungen in Höhe von 500 Millionen Euro stellen, ohneass es irgendetwas erbracht hat. Es wurde nur viel Geldusgegeben. Es werden neue Gesellschaften gegründet,ei denen viele ehemalige Mitarbeiter der Verwaltung ei-
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Dietrich Austermannnen hoch dotierten Posten finden. Das scheint mir einwichtiger Punkt zu sein.Zum Thema Public-Private-Partnership nenne ich alsweiteres Beispiel das GÜZ, das Gefechtsübungszentrum,das in der Altmark eingerichtet worden ist. Die Ideedazu stammt noch aus unserer Regierungszeit. Dort wirdhervorragende Arbeit geleistet, um Soldaten auf interna-tionale Einsätze vorzubereiten. Es gab allerdings auchhier Probleme mit der Ausschreibung. Ein Unternehmenhat zu hoch gepokert, eines hat sich wohl übernommen.Wir haben gedacht, der Auftrag könnte an ein neues Un-ternehmen vergeben werden. Aber sind Sie wirklich si-cher, dass am 7. Januar 2004 die weitere Ausbildung fürSoldaten gewährleistet werden kann, die zum Einsatznach Kunduz geschickt werden? – Nein, das können Sienicht.In allen Bereichen, in denen eine Zusammenarbeitvon Bundeswehr und Wirtschaft angestrebt wurde, funk-tioniert es nicht. Ich brauche nur das Thema Privatisie-rung der Flugbereitschaft zu erwähnen. Ich gehe davonaus, dass die Vorschriften schon alleine deshalb nicht ge-ändert werden, weil insbesondere die Minister von denGrünen das dringende Bedürfnis haben, möglichstschnell in alle Teile der Welt zu kommen, was der Steu-erzahler dann bezahlt.
1999 haben Sie mit großem Brimborium die öffent-lich-private Partnerschaft angekündigt. Der Bundes-kanzler kam selbst, auch waren hochrangige Vertreterder Industrie anwesend. Alle haben angekündigt, jetztbeginne die gemeinsame Zukunft. Daraus ist wenig ge-worden. Es wurde nur Geld verschwendet. Herr Struck,Sie haben in so manchem Bereich tüchtig angefangen,aufzuräumen. Schreiten Sie auch hier ein. Das hat sichnicht bewährt.Ich komme zu meiner abschließenden Bewertung:Defizite in den Bereichen Führungsfähigkeit, Nachrich-tengewinnung und Aufklärung, Mobilität, Wirksamkeitim Einsatz, Unterstützung, Durchhaltefähigkeit, Überle-bensfähigkeit sowie Transport und Schutz bleiben beste-hen. Diese Defizite sind zu beseitigen. Das muss unseregemeinsame Aufgabe sein.Da diese Defizite aber nicht beseitigt worden sind undviele falsche Ansätze verfolgt wurden, wird es Sie nichtwundern, dass wir die Ausgestaltung der finanziellenBasis der Bundeswehr, so wie sie im Moment besteht,nicht mittragen können. Deshalb werden wir diesemVerteidigungsetat nicht zustimmen.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Elke Leonhard.
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b im Kosovo, in Bosnien, Mazedonien oder Afghanis-an, unsere Soldaten sind gegenwärtig die besten Bot-chafter.Sie erfüllen ihre Aufträge mit einem hohen Maß anrofessionalität und Effizienz und der für den Einsatznerlässlichen Disziplin und Sensibilität. Dafür noch-als unseren aufrichtigen Dank! Ob wir, wie das an die-er Stelle oft getan wurde, weiterhin über die Sinnhaftig-eit der Auslandseinsätze philosophieren sollten, ist einendere Frage.Wer vor Ort war, wird die Realität nicht mehr aus-lammern können, er wird sie immer vor Augen haben.assen Sie mich stellvertretend für alle genannten Län-er Afghanistan ansprechen. Terror, Krieg und Besat-ung haben tiefe Spuren im Bewusstsein der Afghaneninterlassen. Vertrauen und Glaubwürdigkeit sind daherichtige Komponenten des Normalisierungsprozesses.Deutschland hat mit dem ISAF-Mandat Verantwor-ung für die Einhaltung des Petersberger Abkommensbernommen. Wenn wir wirklich die Einsetzung einerurch Verfassung und freie Wahlen legitimierten demo-ratischen Regierung im Jahre 2004 erreichen wollen,ann muss der Auftrag noch weiter in die Provinzen hi-aus ausgeweitet werden. Die Bundesrepublik hat sichieser Herausforderung mit Kunduz bereits gestellt. Imegensatz zu den US-Teams mit ihrer starken militäri-chen Außenrepräsentanz liegt unser Schwerpunkt imufbau der Infrastruktur mit zivilen Helfern. Der vonumanitären Hilfsorganisationen oft geforderte Verzichtuf militärischen Schutz wäre allerdings illusorisch und,o füge ich hinzu, außerdem gefährlich. Das beweisenie Ereignisse in Kabul.Ich war im Frühjahr mehrere Tage dort und möchte anieser Stelle betonen: Die Wiederaufnahme des zivilenuftverkehrs – es waren zwar nur wenige Tage, aber eseht weiter –, die medizinische Hilfe deutscher Feld-nd Stabsärzte für die afghanische Bevölkerung – werie langen Schlangen sieht, die täglich vor den medizini-chen Einrichtungen stehen, der kann nicht genugchtung vor den dortigen medizinischen Leistungen ha-en –, der Beginn unternehmerischer Aktivitäten – auchies ist eine Realität – und nicht zuletzt der Wiederauf-au von Schulen – die Kollegin Griefahn hat bereits überie Amani-Schule und andere Projekte berichtet – wärenhne die Arbeit der Bundeswehr undenkbar.
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Dr. Elke LeonhardVerehrte Kolleginnen und Kollegen, diese Erfolge dür-fen wir auf keinen Fall kleinreden.Mein nächster und damit zweiter Dank gilt der Bun-desregierung.
Die Bundesregierung hat ihre Verantwortung internatio-nal wahrgenommen. Deutschland ist ein verlässlicherPartner. NATO, EU und Vereinte Nationen sind Bestim-mungsgrößen deutscher Sicherheitspolitik. DeutschlandsBeitrag zum gesamten Aufgabenspektrum dieser Organi-sationen ist notwendig. Das sicherheitspolitische GewichtDeutschlands wird auch an den Beiträgen der Streitkräftegemessen. Unsere Streitkräfte sind modern, lernfähig undauf allen Ebenen fähig zur Zusammenarbeit.Die Bundeswehr ist im Umbruch. Der Bundesminis-ter hat mit seinen Entscheidungen vom 21. Mai und vom1. Oktober dieses Jahres Schritte hin zur Weiterent-wicklung der Bundeswehr angeordnet. Die Vorgabenerfordern eine bundeswehrweite Konzentration auf dievor dem Hintergrund der neuen Aufgaben unbedingtnotwendigen Fähigkeiten und absehbare strukturelleEingriffe mit Folgen für das Fähigkeitsprofil.An dieser Stelle möchte ich den Inspekteuren Feldt,Gudera und Back sowie auch vielen anderen aus demSanitätsbereich für intensive Gespräche und die Zusam-menarbeit danken. Die Entscheidungen des Ministersbilden zusammen mit den Ergebnissen der Kommissionund den bereits im Prozess befindlichen Reformschrittenein Kontinuum auf dem Weg, Auftrag, Aufgaben undRessourcen wieder in Einklang zu bringen.Die Berichterstatter des Verteidigungshaushaltes be-gleiten diesen Prozess mit Verantwortung und keines-wegs nur – das sage ich für alle – mit dem Rotstift. Ichbedanke mich an dieser Stelle für die Zusammenarbeit.Es ist uns immerhin, wenn auch nur marginal, gelungen,einige Akzente zu setzen, die vorher im Regierungsent-wurf so nicht erkennbar waren.Uns allen ist die Bedeutung der Bundeswehr für unserLand und die internationale Community bewusst. Aberauch das ist Realität: Der Verteidigungshaushalt ist ein-gebunden in den Entwurf des Bundeshaushalts 2004, dergeprägt ist von den anhaltenden konjunkturellen Verwer-fungen mit ihren unmittelbaren Auswirkungen auf denHaushalt. Ich erspare mir nähere Einzelheiten; denn dasPhänomen ist schon mehrere Tage in Streitgesprächendiskutiert worden.In der Sitzung des Haushaltsausschusses am13. November 2003, der so genannten Bereinigungssit-zung, haben die Mitglieder der Regierungskoalition mitsubstanziellen Beschlussempfehlungen auf Vorschlagder Berichterstatter für die heutige abschließende Le-sung im Deutschen Bundestag in dem vorgelegten Re-gierungsentwurf deutliche politische Schwerpunkte ge-setzt. Ob bei Eurofighter oder Herkules, ob im Bereichvon Forschung und Entwicklung oder Personal – wir ha-ben Korrekturen vorgenommen, die einerseits den Pro-zess nicht behindern oder gar, was auch hätte vorkom-mKtevt2aBn9pvMdm2nzithd2gz–wjßubdeszwAiwsffse
Da würde ich gar nicht lachen. Hätten Sie beispiels-eise dem Steuervergünstigungsabbaugesetz im Früh-ahr zugestimmt, dann hätte es einer GMA in dieser Grö-enordnung nicht bedurft. Hier muss ich einmalnvornehm werden.
Daraus sind auch die einsatzbedingten Zusatzaufga-en aufgrund des erweiterten ISAF-Einsatzes der Bun-eswehr in Afghanistan im Jahr 2004 zu finanzieren.Für den Einzelplan 14 konnte dennoch im Ergebnisin Haushalt erreicht werden, der in einem für den Ge-amthaushalt schwierigen Umfeld die weitere Umset-ung der Bundeswehrreform ermöglicht. Die Bundes-ehr befindet sich im Prozess der Modernisierung derusrüstung. Sie steigert die Attraktivität des Dienstesn den Streitkräften und finanziert die erheblich ausge-eiteten internationalen Einsätze der Bundeswehr.Innerhalb des Verteidigungshaushaltes sind als we-entliche Eckpunkte berücksichtigt: eine angemesseneinanzielle Vorsorge in Höhe von 1 092 Millionen Euroür die Fortführung der laufenden internationalen Ein-ätze; ein Aufwuchs bei den Zeit- und Berufssoldateninschließlich der beschlossenen Attraktivitätsmaßnah-
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Dr. Elke Leonhardmen; der sozialverträgliche Abbau von Zivilpersonal,der dazu beiträgt, dass die Personalausgaben mittelfristigbei rund 51 Prozent der Verteidigungsausgaben einge-froren werden können; ausreichende Mittel für den Aus-bildungs- und Übungsbetrieb der Streitkräfte – wir ha-ben vom GÜZ gesprochen; ich hoffe, dass wir imDezember eine wirklich gute Vorlage bekommen, sonstwird es in diesem Bereich noch einmal Änderungen ge-ben müssen –; die Finanzierung der laufenden Entwick-lungs- und Beschaffungsvorhaben, insbesondere derGroßvorhaben Eurofighter 2000, NH 90 und UH Tiger,sowie notwendige Verpflichtungsermächtigungen fürneue Vorhaben.Die eingangs angesprochenen, durch den Ausschussgesetzten Schwerpunkte finden sich in folgenden Berei-chen: Der Ansatz für die Beschaffung des Eurofighters2000 wurde um 50 Millionen Euro erhöht, und zwar ver-bunden mit der Möglichkeit, den Ansatz im Haushalts-vollzug um weitere 200 Millionen Euro zu verstärken.Damit wird der termingerechte Programmverlauf unter-stützt und der Programmverlauf der Folgejahre finanziellentlastet.Mit den hier ausgebrachten qualifizierten Sperrenmacht der Haushaltsausschuss deutlich, dass die parla-mentarische Wachsamkeit hinsichtlich der Kostenent-wicklung nicht nachlässt. Durch eine spürbare Ansatz-verstärkung in Höhe von 19 Millionen Euro zurVerbesserung der Finanzierung des Forschungs- undTechnologiekonzeptes des Bundesministeriums der Ver-teidigung wird die Zukunftsfähigkeit – ich betone: dieZukunftsfähigkeit! – der Ausrüstung der Streitkräfte,insbesondere mit Blick auf die Schließung erkannter Fä-higkeitslücken für die künftig im Vordergrund stehendenEinsätze im Rahmen der internationalen Konfliktverhü-tung und Krisenbewältigung, stärker finanziell abgesi-chert.Durch eine qualifizierte Sperre der Ausgaben für ex-terne Beratung im Bereich der Informationstechnologiewollen wir sicherstellen, dass das Ministerium verstärktauf die eigene Kompetenz zurückgreift, um vor allem– das scheint mir ganz wesentlich – die Führung bei demMilliardenprojekt Herkules zu behalten.Zu den weiteren Ausgabenbereichen des Verteidi-gungshaushaltes ist zu bemerken: Die Betriebsausgabensind, wenn auch nur marginal, rückläufig und die Perso-nalausgaben werden unter der vorgegebenen Obergrenzefestgehalten.Im Personalhaushalt ist es gelungen, im Rahmen derparlamentarischen Beratungen weitere Verbesserungenzugunsten der Soldaten der unteren Dienstgradgruppenwie auch der Beamten des mittleren Dienstes zu errei-chen. Sie ermöglichen bei Umsetzung der Beschluss-empfehlung ab In-Kraft-Treten des Haushaltes bei denSoldaten die Beförderungen von 690 Mannschaftsdienst-graden und weit über 6 600 Unteroffizieren.
Bei den Beamten des mittleren Dienstes der Bundes-wehrverwaltung wurden die im Regierungsentwurf ent-haltenen 205 Beförderungsmöglichkeiten um weitere 75aufgestockt, wodurch unzumutbare Beförderungswarte-zwK2SnBazwuaastudwrzpPtiUdFncsFuDuaHsngwn
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Helga Daub.
Frau Präsidentin! Verehrte Kollegen und Kollegin-en! Die Debatten und Entscheidungen der letzten Wo-hen haben wieder einmal gezeigt, wie komplex das Ein-atzspektrum der Bundeswehr ist. Kunduz, Enduringreedom, Kosovo usw. sind Beispiele für die Belastungnserer Soldaten, ob im Auslandseinsatz oder hier ineutschland. Der Bundeswehr gebührt unser Respektnd unser Dank, den ich hiermit für die FDP-Fraktionussprechen möchte.
Herr Minister, Sie haben in der ersten Beratung desaushalts im September selbst Ihre missliche Lage be-chrieben. Auch Sie hätten gerne mehr Geld, aber die Fi-anzsituation sei nun einmal so, wie sie ist. Schön undut – oder nicht schön und gut. Also müssen wir mit denenigen Mitteln so effektiv wie möglich umgehen.Seit 1999 stehen Auftrag und Mittel der Bundeswehricht mehr im Einklang.
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Helga DaubIm internationalen Vergleich schneiden wir schlecht ab.Während andere Staaten bis zu 2,5 Prozent des Bruttoin-landsproduktes für ihren Verteidigungshaushalt bereit-stellen, erreicht der deutsche Etat gerade einmal1,3 Prozent. Insofern habe ich manchmal den Eindruck,dass die verschiedenen Seiten dieses Hauses über unter-schiedliche Haushalte sprechen.
– Danke, Herr Nolting. – Im Mai haben Sie, Herr Minis-ter, in Ihren „Verteidigungspolitischen Richtlinien“selbst darauf hingewiesen, dass die strukturelle Neuaus-richtung und die materielle Modernisierung aufgrund derFinanzmittel noch nicht im Einklang sind. Daraus resul-tiert Ihr Plan, innerhalb des Verteidigungshaushalts Um-schichtungen zugunsten der investiven Aufgaben vor-zunehmen.Wie ernüchternd die Wirklichkeit doch ist! DieseWirklichkeit ist alleine von der zunehmend konfus han-delnden rot-grünen Bundesregierung zu verantwortenund zwingt Sie, noch weiter in Ihrem Haushalt zu stre-cken und zu streichen, um wenigstens die allernötigstenInvestitionen tätigen zu können.Laut einem Versprechen des Kanzlers und des Fi-nanzministers waren Sie aber, im Gegensatz zu anderenRessortchefs dieser Regierung, in der vergleichsweisekomfortablen Lage, Einsparungen wenigstens in IhremHaushalt verwenden zu können. Ich sage bewusst „wa-ren“, denn jetzt gibt es wegen der erneuten, gravierendenVerschlechterung der Haushaltslage für alle RessortsGlobalkürzungen. Das heißt, der Verteidigungshaushaltsinkt nicht nur real wie in den vergangenen Jahren, ersinkt jetzt auch nominal, und zwar insgesamt, mit dieserGlobalkürzung, um stolze 500 Millionen Euro.Mir kommt das Ganze vor wie die Geschichte vomHasen und Igel. Bei allen Einsparungsanstrengungen,die Sie, Herr Minister, unternehmen, ist von andererSeite schon längst jemand da, der das Geld verfrühstückthat. So können wir nicht mehr erkennen – ganz im Ge-gensatz zu Ihren Plänen –, dass im Haushalt zugunstenvon Investitionen umgeschichtet wurde.Ich finde es wirklich bedauerlich, dass Sie Vorschlägemachen, die unsere Unterstützung finden würden, diesedann aber nicht umsetzen können.
Der Minister wollte eine Investitionsquote von27 Prozent. Das steht so in den „Verteidigungspoliti-schen Richtlinien“, aber es ist nichts umgesetzt worden.Im Gegenteil, im Etat sinken diese Investitionen um wei-tere 2,3 Prozent.Ich möchte eine Frage in den Raum stellen. Mit demrichtigen Argument der knappen Finanzmittel haben Siedie ursprünglich übersteigerte Beschaffungszahl derA400M reduziert. Die 73 Transportflugzeuge warenganz offensichtlich eine Maximalforderung, sozusagendie 120-Prozent-Lösung für einen Streitkräfteumfangv6knKhBMdtdrStHsmPuWaztBltddsIikedtsne–wtdsSddaE
Kommen wir zur wehrtechnischen Industrie. Dieeschaffungspolitik der Regierung für die Bundeswehrässt nicht gerade Hoffnung aufkeimen. Wenn es so wei-ergeht, wird es bald immer weniger wehrtechnische In-ustrie in Deutschland geben. Wir müssen zusehen: beier Abwanderung unseres Know-hows und bei wirt-chaftlich begründeten Verkäufen an ausländischenvestoren. Die einzige Antwort der Regierung daraufst: „Ach, da machen wir ein Gesetz!“ Als Schlagzeilelingt das auch gut. Aber die Sachlage ist nicht ganz soinfach. In einer globalisierten Welt löst Protektionismusas Problem nicht. Wenn Sie die wehrtechnische Indus-rie am Standort Deutschland halten wollen, dann müs-en Sie ihr auch Aufträge erteilen.
Ich komme zurück zur Bundeswehr. Unsere Soldatin-en und Soldaten verdienen eine gute Ausbildung undine gute Ausrüstung.
Das kommt erschwerend hinzu. – Das ist aber immereniger gewährleistet. Es ist der immer noch hohen Mo-ivation der Soldaten und Soldatinnen zu verdanken,ass die Bundeswehr ihre Aufträge erfüllt. Aber wie sollich das in den nächsten Jahren aufrechterhalten lassen?chon beim Einsatz in Kunduz sollte auf Mittel aus an-eren Ressorts zurückgegriffen werden. Wir könnenoch nicht für die Zukunft über Verteidigungseinsätzeuf Pump diskutieren, weil der Verteidigungsetat neueinsätze nicht mehr schultern kann.
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Helga DaubDie Finanzsituation unseres Landes ist angespannt.Das sehen wir ein. Aber umso dringlicher ist es, HerrMinister, dass Sie sich an die Strukturen wagen und mu-tiger an die Umgestaltung der Bundeswehr herangehen.Sie bewegen sich schon in die richtige Richtung, abernoch viel zu langsam und in punkto Wehrpflicht mut-,saft- und kraftlos. Damit werden Sie scheitern.Ich scheue mich fast, die Aussagen des Verteidi-gungsministers zu wiederholen, der seiner Angst Aus-druck verlieh, ohne Wehrpflicht würden deutsche Sol-daten zu Söldnern. Herr Minister, das ist nicht nur für dieBerufs- und Zeitsoldaten beleidigend.
Ihre Worte vor der Führungsakademie der Bundeswehrin Hamburg beschwören bei vielen das Bild von Berufs-armeen herauf, denen Soldaten mit angeblich niedrigenIntelligenzquotienten angehören, die im Grunde genom-men nichts anderes als drogensüchtige Killermaschinensind.
Genau diese Worte habe ich kürzlich in einem Gesprächmit einem Journalisten gehört, Herr Arnold. Diesem Ein-druck muss entgegengewirkt werden.
Zurück zur Wehrpflicht: Sie halten an ihr fest, obwohlder Grundwehrdienst in den vergangenen Jahren immerweiter verkürzt wurde. Die Ausbildung wird in immerweniger Monate gepresst und dadurch wird sie sichernicht besser. Sie, Herr Dr. Struck, schlagen allen Ernstesauch noch vor, Wehrpflichtige freiwillig in Auslandsein-sätze zu entsenden. So stelle ich mir verantwortungsvol-les Handeln der Bundeswehr wahrlich nicht vor.
Es wird immer wieder behauptet, dass eine Berufsar-mee zu teuer sei. Das kann ich so nicht stehen lassen.Man muss doch einmal über das Heute hinausblickenund verantwortlich berechnen, wie sich die Kosten fürAusbildung, Ausrüstung, Unterbringung etc. entwickelnwürden. Das muss mit Weitblick und Sorgfalt gesche-hen, weil wir – das unterstelle ich jedem in diesemHause – eine gut ausgerüstete Bundeswehr wollen, diesich den neuen Aufgaben gewachsen zeigt.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Alexander Bonde.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die Bundeswehr leistet einen wichtigen Beitrag zur ver-antwortlichen und vorausschauenden internationalen Si-cherheitspolitik dieser Regierung. Unser Handeln erfolgtmit Augenmaß, gemeinsam mit unseren europäischenPdwdsvag–pJftrMabmJgamsuBvmSHBnsgVrhsDWJmkSwßfzd
Die Transformation der Bundeswehr ist auf dem Weg.it dem vorgelegten Haushalt sind die Streitkräfte beiller Knappheit der Mittel in der Lage, auf dem bishereschrittenen Weg von der nationalen Verteidigungsar-ee hin zur einsatzfähigen Armee fortzuschreiten. Imahre 2004 werden 24,212 Milliarden Euro zur Verfü-ung stehen; ich gebe zu, dass dies geringfügig wenigerls in diesem Jahr ist. Sicherlich hätte der Verteidigungs-inister gern einen größeren Plafond erhalten. Ange-ichts der dringenden Konsolidierungsnotwendigkeitennd der wirtschaftlichen Situation ist aber – hier ist dieundeswehr in guter Gesellschaft – nicht mehr Geldorhanden. Natürlich muss sich auch das Verteidigungs-inisterium im Rahmen der globalen Minderausgabe amchließen der aus der Rentenversicherung stammendenaushaltslücke beteiligen.Minister Struck gebührt auch an dieser Stelle Lob.ei ihm gab es – im Gegensatz zur Opposition – zu kei-er Zeit die Tendenz, die Augen vor der Realität zu ver-chließen und kurz vor Weihnachten mit glänzenden Au-en eine Wunschliste vorzulegen, auch wenn ein solcherersuch aufgrund der zeitlichen Nähe der Bundeswehr-eformplanung nahe gelegen hätte.
Ziel aller Beteiligten muss es auch über diesen Haus-alt hinaus sein, die Betriebskosten der Bundeswehr zuenken, um Spielräume für Investitionen zu eröffnen.ass der Weg dahin steinig ist, merken wir; aber dieeichen sind gestellt. Da der Plafond für die nächstenahre feststeht, die Investitionen aber steigen sollen,üssen die Betriebs- und Personalkosten sinken. Er-ennbar ist, dass wir die Reformschraube an diesertelle noch ein Stückchen weiter drehen müssen.
Bei der Verplanung der gesteigerten Investitionsmittelar die Bundeswehr bekanntermaßen immer recht flei-ig. Bis 2008 stehen die Kosten für anlaufende Beschaf-ungsvorhaben in einem sehr ambitionierten Verhältnisum bisherigen Etat. Daher war uns Haushältern klar,ass es höchste Zeit war, die Bestellungen dem Etat
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Alexander Bondeanzupassen. Vor allem das fliegende Gerät schlägt in dennächsten Jahren eine große Bresche in die Beschaffungs-titel. Umso wichtiger ist es, deren Kostenentwicklunggenau im Auge zu behalten und von prestigeträchtigenGroßprojekten, die es in Zukunft nicht mehr geben kann,Abschied zu nehmen. Stattdessen werden die unspekta-kulären, aber dringend notwendigen Projekte des Heeresan Bedeutung gewinnen.Herr Kollege Austermann, Sie haben den Eurofigh-ter angesprochen. Auch an dieser Stelle hinterließen Sieuns ein Erbe, das wir leider nicht ausschlagen konnten.In der Tat, der Eurofighter benötigt in diesem Jahr mög-licherweise bis zu 250 Millionen Euro mehr. Dem tragenwir Rechnung, indem wir 50 Millionen Euro im Baran-satz und 200 Millionen Euro an Verstärkungsmitteln ein-geplant haben, um die rechtlichen Verpflichtungen, diedie heutige Opposition zu ihrer Regierungszeit einge-gangen ist, einlösen zu können. Sie wissen, dass wirdiese Mittel gesperrt haben. Wir werden sie nur dannauszahlen, wenn man uns im Haushaltsausschuss nach-weist, dass die Auszahlung durch das Erreichen der Mei-lensteine wirklich notwendig ist. Der Eurofighterkrankte in der Vergangenheit nämlich nicht an zu viel,sondern eher an zu wenig parlamentarischer Kontrolle.Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Pläne vonBundesminister Struck für die Zukunft der Bundeswehrweisen in die richtige Richtung: Verkleinerung der Bun-deswehr, Reduzierung der Truppenstärke, vor allem derZahl der Wehrpflichtigen, und eine betriebswirtschaftli-che Analyse der vorhandenen Truppenstandorte. Dasist Voraussetzung für eine wirtschaftlichere Nutzung dervorhandenen Ressourcen. Vor allen Dingen bei denStandorten lässt sich auch weiterhin noch viel Geld ein-sparen.
Bisherige Stationierungskonzepte waren oft von Partei-politik, Kommunalpolitik und Wirtschaftspolitik ge-prägt. So mancher Wahlkreisproporz hat Samthand-schuhe beim Anpacken der Problematik erfordert.Vor diesem Hintergrund ziehe ich folgende Bilanz:Angesichts der neuen sicherheitspolitischen Anforderun-gen muss über die Frage der Präsenz der Truppe in derFläche neu diskutiert werden. Sie, Herr Minister, habendie Unterstützung meiner Fraktion, wenn es um die Re-strukturierung bzw. die Reduzierung der Gesamtzahl derStandorte geht.Die vorgeschlagene Reform im Personalbereich istmutig und geht in die richtige Richtung. Es wird Sie,Herr Minister, allerdings nicht verwundern, dass meineFraktion aus vielerlei Gründen davon ausgeht, dass amEnde der Reform eine Freiwilligenarmee mit einerStärke von maximal 200 000 bis 220 000 Soldaten ste-hen wird und dass der jetzige Reformansatz mit dem Zielder Reduzierung des Umfangs der Streitkräfte auf250 000 Soldaten und 30 000 bis 50 000 Wehrpflichtigenur ein Schritt in die Richtung ist, die wir uns wünschenund die auch Sie sich sicherlich wünschen.
–ntmifgaClnvdkhmsihswSEnscioldaubhldSNv
Nächster Redner ist der Kollege Christian Schmidt,
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-egen! Es sei mir erlaubt, dass ich mich zu Beginn mei-er Rede beim ganzen Hause und insbesondere bei denielen Kolleginnen und Kollegen bedanke, die mich inen letzten Monaten begleitet haben. Es ist gut, zu mer-en, dass wir nicht nur streiten – das ist in einer Haus-altsdebatte sicherlich notwendig –, sondern auchenschliche Wärme geben können. Diese habe ich ge-pürt. Herzlichen Dank dafür!
Nicht nur wegen der letzten schrecklichen Terrorakten der Türkei ist es an der Zeit, dass wir uns mehr als bis-er mit den Gefahren für unser Land und die Menschenowie den Herausforderungen und den notwendigen Ant-orten darauf in öffentlicher Debatte auseinander setzen.chade, dass die Runde derjenigen, die über deninzelplan 14 beraten, relativ klein ist. Alle, auch dieje-igen draußen im Lande, sollten wissen, dass es ange-ichts der Bedrohung notwendig ist, dass wir uns versi-hern, dass wir die Aufgaben, die wir als Verantwortlichen diesem Staat haben – sei es als Regierungsmitgliedder als Parlamentarier –, im Sinne unserer Bürger wirk-ich wahrnehmen. Unsere Mitbürgerinnen und Mitbürgerürfen das erwarten. Viele sind verunsichert, fühlen sichllein gelassen und wissen nicht, wohin das alles führtnd ob das, was geschieht, richtig ist.Im Hinblick auf die Rolle der Streitkräfte kann manei Graf Baudissin Folgendes nachlesen:Armeen taugen nur etwas, wenn sie die Struktur derNation widerspiegeln und wenn sie vom gleichenGeist beseelt sind, der diese Nation trägt.Leider ist bei vielen in unserem Land in Vergessen-eit geraten, dass Stabilität und Frieden sowie Verläss-ichkeit der außen- und sicherheitspolitischen Entschei-ungen, also der außen- und sicherheitspolitischentrukturen unserer Nation, einen langen Atem erfordern.ur demjenigen, auf den man sich in schwieriger Zeiterlassen kann, wird geholfen. Nur wer in der Lage ist,
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Christian Schmidt
zu helfen, wird ernst genommen. Deswegen berührt dieBundeswehrreform – das ist bereits mehrfach apostro-phiert worden – unsere Interessen tiefer, als das mögli-cherweise im Finanzministerium gesehen wird.Notwendig ist eine Reform, bei der die Bundeswehrals Instrument der Krisenintervention und der Krisenprä-vention außerhalb unseres Landes und des Bevölkerungs-schutzes vor asymmetrischen Bedrohungen innerhalbunseres Landes verstanden wird. „Gesamtverteidi-gungskonzept“ hat Minister Struck dies in seinen „Ver-teidigungspolitischen Richtlinien“ genannt. Es bleibt ab-zuwarten, ob es auch zu einer entsprechenden Umsetzungkommen wird.Notwendig ist eine Bundeswehr, die aufgrund ihrerStärke und Ausrüstung in der Lage ist, sich an größerenAktionen und längerfristigen Engagements zu beteili-gen, ohne dass sie dabei die Heimatverteidigung – in ei-nem modernen Sinne – vernachlässigt. Ich glaube nicht,dass dies mit 230 000 bis 240 000 Soldaten erreicht wer-den kann. Ich nenne diese Zahlen, weil ich im Geisteschon einmal berechnet habe, wie viele von den 250 000Soldaten nach dieser oder jener Streckung eigentlich üb-rig bleiben. Herr Bonde, ich rede gar nicht erst von derZahl von 200 000 Soldaten, mit der Sie uns hier scho-ckiert haben. Es mag bezweifelt werden, ob diese Zahlerreichbar ist. Wir sollten darüber streiten, und zwar ineiner qualifizierten Debatte. Ich halte es für ausgeschlos-sen, dass eine moderne Heimatverteidigung ohneWehrpflichtige und Reservisten organisiert werden kann.
Ich lade dazu ein, dieses Thema wirklich zu diskutie-ren. Dafür mag die Haushaltsdebatte allein nicht ausrei-chen; aber es ist unsere Pflicht und Aufgabe, diese Fra-gen in den nächsten Monaten und Jahren zubeantworten, bevor es für Lösungen zu spät ist und wirgefragt werden: Was habt ihr denn getan? Hättet ihrnicht etwas tun müssen?
Ein Weißbuch der Bundesregierung ist übrigens schondeswegen dringend notwendig, damit die gesamte Bun-desregierung gezwungen wird, eine nachprüfbare Posi-tion zu den Problemen der äußeren Sicherheit zu bezie-hen. Es steht mir nicht an, zu sagen: Möglicherweisewürde das ab und an auch die Situation des Bundesvertei-digungsministers erleichtern und dafür sorgen, dass er ingewissen Fragen mit seiner Position nicht alleine steht.Nicht allein die Bundeswehr macht Außenpolitik; sie istein Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik. Des-wegen kann nicht allein der Verteidigungsminister Posi-tion beziehen, sondern es bedarf auch anderer, die amgleichen Strang ziehen.Die Regierung muss dem Volk sagen, dass eine Ar-mee letztendlich in der Lage sein muss, Gewalt anzu-wenden. Dafür braucht sie – nicht nur – eine entspre-chende Ausrüstung. Sie muss ihm auch sagen, dass eineneue Notwendigkeit zur Verteidigung gerade im Hin-blick auf den internationalen Terrorismus besteht unddgzMdsdfdshkRUküdseEisszfsdPsgüSskktuKdGsgwdv–fkwv
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Nächster Redner ist der Kollege Rainer Arnold, SPD-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Wir reden in dieser Woche nicht nur über den Haushalt,
sondern wir reden auch über die Modernisierung unseres
Landes in einem ganzheitlichen Sinne: von der Sozial-
über die Steuerpolitik bis hin zur Transformation der
Bundeswehr.
Die Reform der Streitkräfte ist schon sehr weit ge-
diehen, weil an der Spitze des Verteidigungsministeri-
ums richtig und entschlossen entschieden wird und – ich
sage das sehr deutlich – weil es der Union bei diesem
Reformvorhaben nicht gelingt, über den Bundesrat Sand
ins Getriebe zu streuen. Aus diesen zwei Gründen kom-
men wir in diesem Bereich in der Tat voran.
Auch zu diesem Bereich haben Sie keine eigene Mei-
nung. Sie wissen nur, was Sie nicht wollen. Wenn ich
mir Ihre Papiere anschaue, dann stelle ich fest, dass die
CSU am liebsten an einer Streitmacht mit
330 000 Soldaten festhalten würde, während die CDU
sagt, dass es auch ein bisschen weniger sein darf. Sie äu-
ßern sich nicht dazu, wie die neuen Aufgaben im neuen
Spektrum gewichtet werden müssen. Herr Austermann
hat es noch einmal bestätigt, indem er die Frage der
Standorte in den Mittelpunkt gestellt hat und nicht die
Frage, was die Bundeswehr in Zukunft zur Gewährleis-
tung der Sicherheit des Landes tatsächlich können muss.
Am wahrscheinlichsten sind heute und auch in Zu-
kunft Einsätze der Bundeswehr zur Krisenbewältigung
und Konfliktverhütung. Herr Austermann, es geht bei
dieser Transformation überhaupt nicht darum, eine Inter-
ventionsarmee zu schaffen; es geht darum, ein wichtiges
Segment bei den Streitkräften zu haben, das auch für ro-
buste Einsätze geeignet ist. Das wichtige Profil, dass die
Streitkräfte auch im friedensbewahrenden und stabilisie-
renden Bereich tätig sein können, wird diese Koalition
nicht aufgeben. Das wird parallel dazu gestärkt.
Das werden wir nur können – das sage ich ganz deut-
lich, auch zu Ihnen, Herr Bonde –, wenn wir mit den
Streitkräften auch im Hinblick auf die Personenzahl ver-
antwortlich umgehen.
Es geht eben nicht mit 200 000 Soldaten. Wenn wir die
Aufgaben im Innern einbeziehen, sind schon eher
250 000 Soldaten notwendig, wie auch der Minister ent-
schieden hat.
Wir müssen bei der Bundeswehr deutlich umsteuern.
Klar ist dabei auch: In den letzten vier Jahren, seit Be-
ginn der Reform hat sich eine Menge verändert. Es gibt
Dinge, die wir damals nicht gekannt haben: die asymme-
trische Bedrohung, eine lange Durchhaltefähigkeit bei
der Krisenbewältigung. All das haben wir uns vor vier
Jahren noch nicht so vorgestellt. Der europäische Inte-
grationsprozess bei den Streitkräften und konzeptionelle
Überlegungen der NATO müssen neu bewertet werden.
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Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Austermann?
Gern.
Herr Kollege, Sie haben darauf hingewiesen, dass die
undeswehr für internationale Einsätze ausgerüstet ist
nd dass es da an nichts fehlt. Wie vereinbart sich das
it der Aussage der Staatsministerin im Auswärtigen
mt, Kerstin Müller, in einem Schreiben von vor weni-
en Tagen an den Kollegen Frankenhauser – es geht um
en Kunduz-Einsatz –, die lautet: „Darüber hinaus wirbt
ie Bundesregierung, gemeinsam mit den USA, bei Part-
erländern für die Bereitstellung benötigter militärischer
usrüstung.“?
Ich kenne dieses Schreiben nicht. Deshalb können Sieich damit auch nicht konfrontieren. Ich weiß aber eines Sie wissen es auch –: Alles, was die Soldaten und dieilitärische Führung für Kabul und für den Balkan anitteln für Geräte von uns erwartet haben, haben Siend wir im Haushaltsausschuss gemeinsam genehmigt.
ch verlasse mich auf die Kompetenz des Generalinspek-eurs und seiner Generäle, wenn es darum geht, zu for-ulieren, was sie brauchen.Ich habe überhaupt keinen Anlass, hier anderen Leu-en zu vertrauen. Ich vertraue der militärischen Führung.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6793
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Rainer ArnoldDas, was sie für notwendig gehalten hat, hat sie auch er-halten: Fahrzeuge, solide Bauten und – das ist uns ganzwichtig – eine gute Vorsorge im Sanitätsbereich und vie-les andere mehr. Es wurde in den letzten Jahren geradein die technischen Fähigkeiten investiert, die für die Ein-sätze notwendig sind.
Schön, dass Sie fragen, Herr Kollege Austermann.
Herr Kollege Arnold, lassen Sie eine weitere Zwischen-
frage des Kollegen Austermann zu?
Ja, gerne.
In dem besagten Schreiben ist auch die Bemerkung
enthalten, dass davon ausgegangen wird, dass die für den
ISAF-Einsatz noch bestehenden Ausrüstungslücken – da-
runter auch Hubschrauber – befriedigend geschlossen
werden. Das heißt, auch hier besteht insofern ein unge-
löstes Problem, als offensichtlich der Generalinspekteur
doch nicht, wie Sie ja gesagt haben, alles erhalten hat,
was er möchte. Liegt das möglicherweise daran, um mit
einer Frage zu enden, dass das Geld im Verteidigungs-
etat nicht ausreicht, um die nötigen Lücken bei den Ge-
rätschaften, die für Schutz und Versorgung notwendig
sind, zu füllen?
Offensichtlich ist Ihnen entgangen, Herr Austermann,obwohl Sie Haushälter sind,
dass gerade bei den großen und schweren Transport-hubschraubern in den nächsten Monaten die Trieb-werke komplett erneuert werden; es geht um 48 neueAggregate. Der Hubschrauber wird dann wieder auf ei-nem Stand sein, bei dem er gut in großer Höhe fliegenkann. Offensichtlich ist Ihnen entgangen, dass sich derHubschrauber „Tiger“ im Zulauf befindet und ein leich-terer Transporthubschrauber in den nächsten Jahren alsZulauf geplant ist. Gerade an diesen Beispielen sehenSie, dass wir die bestehenden Lücken ziemlich zielstre-big, aber natürlich unter Setzung der notwendigen Prio-ritäten schließen werden.
Eines ist aber auch klar: Den ganzen Investitionsstaukönnen wir nicht mit dem Haushalt eines Jahres beseiti-gen. Im Übrigen wissen Sie so gut wie ich: Unsere In-dustrie wäre, selbst wenn wir das Geld hätten, gar nichtiwemgSHtzTsmicWoggfgdhVstraVSwtSmrsd
ie haben uns mit dem Eurofighter ein Fluggerät auf denof gestellt, das überhaupt nicht ausreichend ausgestat-et ist, weil Sie alles getan haben, um die Kosten schön-urechnen. Wir müssen jetzt mühsam die notwendigeechnik nachrüsten und für die notwendige Bewaffnungorgen – das haben wir getan.
Sie, meine Damen und Herren von der Opposition,achen einen ganz entscheidenden Fehler: Sie glaubenmmer, mehr Geld wäre allein ein Indikator für mehr Si-herheit in unserer Gesellschaft.
ir müssen wirklich noch einmal darüber nachdenken,b die Wahrung der Sicherheit allein über den Verteidi-ungsetat definiert werden kann. Angesichts der heuti-en gesellschaftlichen Probleme halte ich diesen Ansatzür falsch.
Es ist doch ganz klar: Sicherheit und Stabilität hän-en in Deutschland, in Europa und auch in den Teilener Welt, in denen wir Verantwortung tragen, in ganz ho-em Maße davon ab, ob es gelingt, sozial ausgeglicheneerhältnisse zu schaffen und für wirtschaftliche Kraft zuorgen. Wer glaubt, er könne unter dem Strich etwas Gu-es erreichen, wenn er Investitionen in soziale Siche-ungssysteme und solche für das Militär gegeneinanderusspielt, der irrt sich. Er wird im Übrigen auch keineerbesserung der Situation der Soldaten erreichen. Dieoldaten wissen sehr wohl, wo sie in unserem Gemein-esen stehen und dass selbstverständlich auch der Ver-eidigungsetat seinen Beitrag zur Konsolidierung dertaatsfinanzen zu leisten hat.
Es ist wirklich sehr billig und sehr einfach, immerehr Geld zu fordern. Wir gehen den Weg der Reduzie-ung der Betriebskosten und des sozialverträglichen Per-onalabbaus über eine lange Zeitschiene, also nicht miter Rasenmähermethode. Dies wird neue Spielräume für
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6794 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Rainer ArnoldInvestitionen eröffnen. Eine wichtige Säule bei derSchaffung dieser Spielräume, Herr Austermann, ist es inder Tat, die Verzahnung der Fähigkeiten der Wirtschaftmit denen der Soldaten zu verbessern. Ich gebe ja zu,dass wir uns das leichter vorgestellt haben. Das liegtauch an den Gesetzen. Vielleicht sollten wir, statt darü-ber zu jammern, miteinander darüber nachdenken, wiedie Gesetze vom Parlament verändert werden können,wenn sie mehr hemmen als helfen; denn diese sind janicht vom Himmel gefallen.Es hat aber auch etwas mit Köpfen zu tun, nämlichmit den Frauen und Männern auch in der Wehrverwal-tung, die glauben, sie müssten Barrieren aufbauen, umihren Gemüsegarten und ihre Interessen möglichst zuwahren.Jetzt kommt das eigentlich Problematische, HerrAustermann. Mein Eindruck ist – ich habe die Entwicklungder GEBB in den letzten Jahren sehr genau verfolgt –, dassSie und Teile Ihrer Fraktion mit dem Beharren im Minis-terium in der Frage „Wie blockieren wir diesen Fort-schritt?“ über Bande spielen. Sie sind Partner dieser Blo-ckierer. Das ist nicht in Ordnung.
Wir wollen diesen Prozess weiterführen, weil dieStreitkräfte ihn brauchen. Wir tun dies nicht nur, umGeld einzusparen; es hat auch etwas mit der Qualität derArbeit zu tun.Als ich eben hierher gelaufen bin, stand ein großesAuto des Flottenmanagements vor der Tür. Sie habenuns Fahrzeuge überlassen, deren LKWs ein Durch-schnittsalter von 16 Jahren hatten. Der Wagen der Solda-ten, der heute vor der Reichstagstüre steht, ist nagelneu.Diese Kooperation mit der Wirtschaft in diesem Be-reich ist ein Erfolgsmodell.
Ich denke, wir sollten im Bereich der Streitkräfte ei-nes, was Sie hier die ganze Woche bei den anderen Haus-haltstiteln praktiziert haben, nicht tun, nämlich diesesLand und seine Fähigkeiten strukturell in Gänze schlecht-reden. Wir werden den Weg der Modernisierung derBundeswehr weitergehen. Wir wissen: Die Truppe istgut ausgebildet. Sie ist gut motiviert. Was gibt es für ei-nen besseren Beweis als die Anerkennung unserer Part-nerländer? Wo immer deutsche Soldaten im Einsatz sind,hören wir: Sie leisten hervorragende Arbeit. Deshalbkann es nicht sein, dass die Bundeswehr so schlecht dranist, wie die Opposition uns hier einzureden versucht.Nein, sie ist gut dran und sie wird noch besser werden,wenn wir die Reform entschlossen weitertreiben.Herzlichen Dank.
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ber was Sie heute hier vorgetragen haben, ist nichts an-eres als der Versuch, etwas schönzureden.
enn Sie darstellen, dass es unseren Soldaten bei ihrennternationalen Einsätzen im Moment im Grunde ge-ommen an nichts fehle, dann ist das in der Tat nichtsnderes als schönreden; ich komme in meiner Rede da-auf zurück.In Ihrer Haushaltsrede vom 10. September 2003 spra-hen Sie, Herr Minister Struck, von einem Etat-Ansatzon 24,4 Milliarden Euro. Ihre Worte waren:Dass das praktisch weniger bedeutet als im Vorjahr,muss mir niemand erzählen. Das hängt mit der Er-höhung der Besoldung und dem Anstieg der Preisezusammen.ies bezeichnen Sie als den Beitrag des Bundesverteidi-ungsministeriums zur Konsolidierung des Gesamthaus-altes. Sie wiesen stolz auf eine Verstetigung hin. Aucheute sprachen Sie wieder von 24,4 Milliarden Euro imahre 2003, 24,4 Milliarden Euro sollten es 2004 sein,benfalls 24,4 Milliarden Euro im Jahre 2005.Die Worte hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube!hr persönliches Ansehen, Herr Struck, ist zwar im Ge-ensatz zu dem Ihres Vorgängers Scharping deutlich hö-er – sowohl hier im Bundestag als auch in der Truppe –;as hängt sicherlich mit Ihrer Art, persönlichen Umgangu pflegen, zusammen.Aber die zählbaren Ergebnisse sind noch magerer:eute wollen Sie einen Einzelplan 14 beschließen las-en, in dem nur noch 23,8 Milliarden Euro vorgesehenind. Über eine halbe Milliarde Euro weniger – ist dashre Interpretation von Verstetigung? Diese Reduzierungedeutet jedenfalls zusätzliche drastische Einschnitte fürie Bundeswehr. Mit diesem – jetzt auch nominal – sin-enden Etat wird die Unterfinanzierung der Bundes-ehr weiter verschärft. Zur Auftragserfüllung, zurahrnehmung unserer internationalen Verpflichtungenm Rahmen der NATO und der EU-Eingreiftruppe sowieur Modernisierung und Rationalisierung der Bundes-ehr ist aber eine substanzielle Steigerung des Verteidi-ungsetats dringend notwendig.
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Bernd SiebertNichts kann die von Rot-Grün erzeugte desolate Fi-nanzlage im Einzelplan 14 besser beschreiben als dieWorte eines führenden Generals:Die erhofften Einsparungen der erst kürzlich be-schlossenen Reduzierung auf 250 000 Mann sindinzwischen einer globalen Minderausgabe zum Op-fer gefallen.Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Wird die Reduzie-rung auf 200 000 bis 220 000 Soldaten, die der KollegeBonde eben vorgetragen hat, genau diese Lücke wiederauffüllen? Wird das die Frage sein, mit der wir uns inden nächsten Monaten auseinander zu setzen haben? Wirwerden es sehen.In dieser misslichen Ausgangslage haben Sie sich zueinem radikalen Umbau unserer Streitkräfte entschlos-sen, Herr Minister: weg von der Landesverteidigung hinzu einer flexiblen Bundeswehr, die weltweit einsetzbarsein soll. Allerdings stellt Rot-Grün immer weniger Mit-tel zur Verfügung, einerseits für die Reformen, anderer-seits für die zusätzlichen Einsätze, und erzeugt damit ei-nen enormen Druck auf die Streitkräfte, ja auf jedeneinzelnen Soldaten. Gleichzeitig bauen Sie Personal ab,stellen nur noch begrenzte Mittel für die Materialbe-schaffung und für Forschung und Entwicklung zur Ver-fügung und nehmen die Mittel für Materialerhaltung undBetriebskosten zurück. Und trotzdem erhöhen Sie konti-nuierlich die Aufgaben, insbesondere durch die zahlrei-chen Einsätze im Ausland.In der Hauptsache ist es dem besonderen Engagementunserer Soldatinnen und Soldaten zu verdanken, dass sieden Aufgaben, die sie im Rahmen internationaler Frie-denssicherung zunehmend übernehmen müssen, ge-recht werden können. Dafür gebührt allen besondererDank. Unsere Soldatinnen und Soldaten haben durch ihrpersönliches Verhalten im Einsatzland auch das Ansehender Deutschen insgesamt erhöht. Auch dafür gilt ihnenunserer besonderer Dank.
Es ist und bleibt aber die Pflicht von uns allen, insbeson-dere der Bundesregierung, für eine optimale Ausstattungder Truppe im Einsatz Sorge zu tragen. Ich will nichtverhehlen, dass diese Bundesregierung dieser Pflichtnicht ausreichend nachkommt. Kaum haben Sie sich zurReform der Reform entschlossen, kommt Ihr Finanzmi-nister und nimmt Ihnen den gewonnenen finanziellenSpielraum wieder ab. Sie müssen Einsparungen durch-führen, die für die Truppe kaum noch verkraftbar sind,und die finanzielle Luft, die Sie atmen, lässt Sie zumAsthmatiker werden. Es wird gestreckt, es wird gescho-ben, es wird gestrichen.Wie hat mir vor kurzem einer Ihrer Generäle gesagt?„Das nennt man eine Armee kaputtsparen.“ Recht hat er,denn Ihre Politik stellt die Bundeswehr infrage, stellt dieWehrpflicht infrage und stellt die persönliche Leistungs-fähigkeit eines jeden einzelnen Soldaten der Streitkräfteinfrage.
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o sind beim Heer beispielsweise mehr als zwei Dritteler gepanzerten Fahrzeuge älter als 30 Jahre.
Vieles hätten Sie in den letzten fünf Jahren anpackenönnen. Wir haben in den letzten Jahren viele Anträgeestellt, die Sie alle pauschal abgelehnt haben.Nicht nur für dieses Material ist Ersatz zu beschaf-en. Der Mannschaftstransporter BOXER, der Hub-chrauber TIGER, U-Boote, der Hubschrauber NH-90,er Schützenpanzer Puma, der A400M, aber auch Mate-ial wie zum Beispiel Funkgeräte, Führungs- und Ein-atzsysteme, Computertechnik und vieles mehr müsseneu beschafft werden.Die verteidigungsinvestiven Ausgaben belaufen sichuf 24,6 Prozent des Gesamtetats. Für den Kern, nämlichie militärischen Beschaffungen, stehen inzwischen we-iger als 4 Milliarden Euro zur Verfügung. Diese knappMilliarden Euro sind jedoch durch bereits abgeschlos-ene Verträge weitgehend gebunden, sodass kein Raumehr bleibt, um neue Projekte anzustoßen.
ls Beispiel sei hier der eben schon diskutierte Trans-orthubschrauber CH-53 zu nennen, der in der Tat nach-erüstet werden muss. Aber warum ist er denn jetzt iner Nachrüstung? Weil Sie nichts getan haben und erstach dem Absturz des Hubschraubers in Kabul auf un-ere Anträge und Forderungen entsprechend reagiert ha-en.Kommen wir auf einen Bereich zu sprechen, der miranz besonders am Herzen liegt. Das ist der Schutz deroldaten. Der Überlebensfähigkeit und dem Schutz un-erer Soldaten im Einsatz muss die höchste Bedeutungukommen. Da gibt es keine Kompromisse. Der best-ögliche Schutz ist das, was wir für unsere Soldaten iminsatz tun können und tun müssen. An dieser Stelle zuparen ist unverantwortlich.Deshalb ist es von besonderer Bedeutung, dass jederoldat über eine bestmögliche persönliche Ausstattungerfügt, die ihn weitestgehend vor den auftretenden Ge-ahren schützen kann. Dabei müssen wir aber auch im-er bedenken, dass es einen hundertprozentigen Schutzatürlich nicht geben kann. Deshalb sind für den persön-ichen Schutz der Soldaten die Projekte „Soldat im Ein-atz“ und „Infanterist der Zukunft“ zu beschleunigen,o immer es nur geht.
ie Finanzierung einzelner Systeme fällt zwar unter deninsatzbedingten Sofortbedarf; aber in wesentlichen
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Bernd SiebertTeilen steht die Verwirklichung der Projekte leider erstgegen Ende dieses Jahrzehnts an.Die im Einsatz gemachten Erfahrungen zeigen, wiewichtig es ist, den Soldaten für den Transport von Men-schen und Gütern geschützte Fahrzeuge bereitzustel-len. Auch hier möchte ich auf den Terroranschlag aufden Bus, der von Kabul zum Flugplatz fuhr, hinweisen.Von besonderer Bedeutung sind dabei der Schutz vorMinen, ein Rundumschutz gegen Splitter und ein Schutzgegen den Beschuss mit Handwaffen. Der neue Schüt-zenpanzer Puma und das gepanzerte Transportkraftfahr-zeug GTK Boxer würden diese Schutzanforderungen er-füllen. Aber, Herr Arnold, wie das halt so ist: Es dauertnoch Jahre – das haben Sie selbst vorhin formuliert –, bisdies Realität geworden ist.Herr Minister, uns ist allen klar, dass wir uns in einerallgemein sehr schwierigen, ja krisenhaften Finanzlagebefinden, die diese Regierung verursacht hat.
Uns ist auch klar, dass der Verteidigungsetat seinen Bei-trag zur Konsolidierung der Staatsfinanzen beisteuernmuss. Allerdings müssen die Kürzungen verantwortbarsein und es muss wieder eine Perspektive für den Vertei-digungsetat geben. Mit dem von Ihnen, Herr Minister, zuvertretenden Haushaltsentwurf ist die Bundeswehr nichtzukunftsfähig.Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Winfried Nachtwei,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!In diesem Jahr gibt die Bundesrepublik Deutschland fürAuslandseinsätze der Bundeswehr 1,4 Milliarden Euroaus. Das sind teure, aber dringend notwendige Investitio-nen in direkte Gewaltverhütung. Sie nutzen unmittelbarauch europäischer und deutscher Sicherheit.Zugleich können wir aber immer wieder feststellen,dass im Zusammenhang mit den Auslandseinsätzen be-stimmte Bedenken, die weit verbreitet sind, geäußertwerden. Erstens. Es wird gesehen, dass es relativ wenigMühe macht, einen Auslandseinsatz zu beschließen.Aber sie alle scheinen endlos zu dauern. Zweitens. Esgibt die Behauptung – sie wurde auch von dem KollegenSiebert aufgenommen –, der Bundeswehr würden immermehr Einsätze und immer mehr Aufgaben aufgebürdet.
Wie sieht die Realität aus? Ich will jetzt nur auf dieso genannten älteren Einsatzgebiete schauen. In Maze-donien hat die Bundeswehr im Rahmen der NATO voretwas mehr als zwei Jahren einen Einsatz begonnen, derdamals ziemlich umstritten war. Dieser Einsatz wird imDezember aufhören und in eine Polizeimission über-f6nZndd1wddtigrreBvmlziBddSwnSablsdrlisvgtTiPtpcS
Im vorliegenden Haushalt ist die Relation zwischenetriebsausgaben und Investitionen weiterhin unbefrie-igend. Im Unterschied zu früheren Jahren werden aller-ings nun große Schritte gemacht, um die Aufgaben, dietrukturen, die Ausrüstung und die Mittel der Bundes-ehr in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Mit sei-er Weisung vom 1. Oktober dieses Jahres hat Ministertruck die überfällige Transformation der Bundeswehrngestoßen: die Differenzierung nach Eingreif- und Sta-ilisierungskräften, die nach den Erfahrungen mit Aus-andseinsätzen sehr sinnvoll zu sein scheint, die uneinge-chränkte Überprüfung der Beschaffungsvorhaben undie Ausrichtung des Stationierungskonzepts allein an militä-ischen und betriebswirtschaftlichen Kriterien. Ausdrück-ch richtig ist die Stärkung der Freiwilligkeit im neuen Re-ervistenkonzept. Die kommende Auswahlwehrpflichterstehen wir eindeutig als Vorstufe zu einer Freiwilli-enarmee, mit der Personal und Ressourcen viel effizien-er eingesetzt werden könnten, als dies heute der Fall ist.
Gegen diese Reformschritte artikulieren sich in deneilstreitkräften und auch an den Standorten Partikular-nteressen; das ist verständlich und legitim. Aber solcheartikularinteressen dürfen die notwendige Transforma-ion der Bundeswehr nicht blockieren. Dass dies nichtassiert, dafür tragen wir alle, die wir in einem erhebli-hen Maße auch Wahlkreisabgeordnete sind, ein großestück an Mitverantwortung.Danke schön.
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Das Wort hat der Kollege Hans Raidel, CDU/CSU-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Am 10. September hatten wir hier den Haushalts-etat in erster Lesung zu beraten. Wir haben ihn damalsabgelehnt, weil er verfassungswidrig war. Heute beratenwir wieder einen Etat. Wir lehnen ihn wieder ab, weil erwieder keine ausreichende Finanzierungsgrundlage fürdie Bundeswehr enthält. Im Gegenteil: Der Etat wirdvon Eichel geplündert und auf 23,8 Milliarden Euro ab-gesenkt.
Trotz aller Beteuerungen und Versprechungen: Der Bun-deskanzler und der Finanzminister haben wieder nichtWort gehalten und Sie, Herr Minister Struck, ausge-trickst; so empfinde zumindest ich das.Angesichts der Sicherheitslage und den damit verbun-denen Herausforderungen und Belastungen der Bundes-wehr ist dieser Etat eigentlich eine reine Provokation. Erist ein rein betriebswirtschaftlicher Abwicklungsplanohne Perspektiven für die Zukunft. Angestrebte Rationa-lisierungsgewinne treten erst gar nicht ein oder werdendurch Tarifsteigerungen und Besoldungserhöhungenaufgezehrt. Die beabsichtigte Erhöhung der Investitions-quote findet nicht statt. Steigende Kosten für Auslands-einsätze beweisen dies augenfällig.Angesichts der Herausforderungen im Hinblick aufunsere Sicherheit und angesichts unserer Verpflichtun-gen in der EU, in der NATO, in der WEU, in der OSZEund in der UNO ist dieser Etat ein Dokument der Unzu-länglichkeit.Die wichtigsten Beweise dafür sind die mittelfristigeFinanzplanung und die Ausrüstungsplanung. Für drin-gende Beschaffungsvorhaben, insbesondere beim Heer,bei der Marine, für die Aufklärung, die Luftverteidigungsowie für IT-Fähigkeit, ist keinerlei ausreichende Fi-nanzvorsorge getroffen. Die Ausrüstungsplanung glänztmehr durch leere Stellen als durch schwarze Zahlen fürdringend benötigte Modernisierungsprojekte.Die Realität ist traurig. Sonst könnte man ja sarkas-tisch formulieren: Der Mut zur Lücke prägt die Zukunftder Bundeswehr. Strecken, Schieben und Streichen blei-ben das Hauptthema. Die mittelfristige Finanzplanungist eigentlich ein jämmerliches Zeugnis für Stillstandund Rückschritt. Ich meine, wer bei der Sicherheit spart,begibt sich auf einen gefährlichen Holzweg.
Quo vadis, Bundeswehr? Der Verteidigungsministerwill aus der Not eine Tugend machen. Er zieht die Not-bremse. Die Reform der Reform wird als Befreiungs-schlag angekündigt. Ohne die notwendige Sicherheits-aVKtftdszaDDtwVtsdFhldswdwIudwddhdnnFmbcARucdgetAAwdg
rankreich und Großbritannien machen uns vor, wiean oben bleibt.Meine Damen und Herren, der Struktur- und Aufga-enwandel der Bundeswehr muss in ein außen- und si-herheitspolitisches Gesamtkonzept eingebunden sein.uslandseinsätze setzen Begründungen, Konzepte undessourcen voraus. Da die Grenzen zwischen innerernd äußerer Sicherheit ihre Konturen verlieren, brau-hen wir ein System integrierter Sicherheit, in dem sichie Kräfte für innere und äußere Sicherheit wirksam er-änzen.Damit die Bundeswehr dazu fähig ist, brauchen wirine Neustrukturierung der Bundeswehr, ein langfristigragfähiges Finanzkonzept und eine Finanzbasis, die denufbau einer modernen einsatz- und bündnisfähigenrmee erlaubt. Ohne hinreichende Finanzausstattungerden Absichtserklärungen zur Sicherheits- und Vertei-igungspolitik, zum Aufbau einer europäischen Verteidi-ung und zur Stärkung der NATO immer nur Worthülsen
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6798 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Hans Raidelbleiben. Die Reform unserer Streitkräfte darf nicht nachSparvorgaben des Bundesfinanzministers, sondern siemuss nach sicherheitspolitischen Notwendigkeiten ge-staltet werden.
Nach meiner Auffassung sollten für eine moderne Bun-deswehr ein Aufgaben- und Organisationsgesetz sowieein Besoldungsgesetz geschaffen werden. Das jetzigeEntsendegesetz kann meiner Meinung nach nur ein ers-ter Schritt sein. Kurzfristig wäre vielleicht auch ein Pro-grammgesetz hilfreich.Die Schaffung von Sicherheit nach innen und außenmüssen wir als gesamtgesellschaftliche Aufgabe anse-hen. Nur so kann Akzeptanz in der Bevölkerung sicher-gestellt werden. Diese gewaltige Aufgabe erfordert eineStrategie für die Verteidigung insgesamt. Deutsche Au-ßen- und Sicherheitspolitik braucht mehr denn je Visio-nen, denen dann Taten folgen müssen. Wir können unses nicht leisten, wie es derzeit geschieht, eine Auszeit zunehmen. Deswegen lautet meine Bitte, Herr Minister– das bieten wir Ihnen von CDU/CSU an –, gemeinsamein wirklich tragfähiges Sicherheitskonzept zu erarbei-ten. Voraussetzung dafür muss aber sein, dass diese Re-gierung bereit ist, die Ressourcen, sprich: das Geld, zurVerfügung zu stellen.
Trotz aller Gegensätze in den Ansichten möchte ichan dieser Stelle Dank sagen: Ich danke unserer Bundes-wehr und unseren Soldaten. Ich erkenne aber auch dasBemühen des Hauses an, obwohl es in vielen Bereichenabsolute Unzulänglichkeiten aufweist.Damit Sie sehen, wie ernst ich das meine, habe ich fürSie, Herr Minister, ein Kochbuch aus meiner schwäbi-schen Heimat mitgebracht, das den Titel trägt: „Guet ondGsond“. Ich hoffe, dass Sie auch für die Bundeswehr dierichtigen Rezepte finden werden.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Verteidi-
gung, Dr. Peter Struck.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Erlauben Sie mir, dass ich zunächst ein Wort an
den Kollegen Christian Schmidt richte. Ich freue mich
sehr, dass Sie nach dieser schwierigen Zeit wieder unter
uns sind. Der Beitrag, den Sie geleistet haben und der
eher nicht in eine traditionelle Haushaltsdebatte passte,
in der es scharf gegeneinander geht, war für mich eine
Hilfe. Sie haben angeregt, dass wir einmal grundsätzlich
über die Aufgaben der Bundeswehr und über die Sicher-
heitspolitik unseres Landes, und zwar eingebettet in die
Sicherheitspolitiken der anderen europäischen Länder,
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Wir werden diese Bundeswehr natürlich entsprechend
en neuen Aufgaben ausstatten. Die Opposition hat
eute aufgezählt, was alles fehlt, und hat uns vorgewor-
en, dass viel zu wenig Geld eingeplant sei; vielleicht
ätte ich das auch getan, wenn ich Oppositionspolitiker
äre. Aber egal wie oft Sie das wiederholen, mehr Geld
ibt es trotzdem nicht. Das wissen Sie ganz genau. Vor
iesem Hintergrund passen aber zwei Forderungen nicht
usammen. Dann passt es nicht zusammen, uns zu sa-
en, wir müssten im Einzelplan 14, im Einzelplan 5 oder
nderswo mehr etatisieren, während Sie gleichzeitig zu-
ätzlich 6 Milliarden Euro im nächsten Haushaltsjahr
insparen wollen. Das passt nun ganz und gar nicht.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Nolting?
Nein, ich bin gerade im Fluss. Sie sind später dran,err Nolting. – In unserem Haushalt zusätzlichMilliarden Euro zu sparen würde natürlich an die Sub-tanz gehen.Ich will Ihnen etwas sagen – Hans Raidel hat es auchngesprochen –: In der ersten Lesung des Haushalts iniesem Haus habe ich davon gesprochen, dass unseraushalt durch die Preissteigerungsrate sowie durch dientwicklung der Löhne und Gehälter faktisch reduziertst. Zu diesem Zeitpunkt war über eine globale Minder-usgabe noch nicht entschieden. Ich will Ihnen nicht ver-chweigen: Ich stehe in der Solidarität und Loyalität desabinetts. Wenn es erforderlich ist, dass in jedem Haus-alt ein Beitrag erbracht wird, um die Rentenversiche-
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Bundesminister Dr. Peter Struckrungsbeiträge stabil zu halten, dann will und werde ichmich nicht ausschließen – so bitter das für unseren Haus-halt auch ist.Ich will zu einigen Anmerkungen der Opposition et-was sagen, wobei ich der Meinung bin, dass Sie mich ei-gentlich ordentlich behandelt haben. Ich bin von Ihnensogar – völlig zu Recht – gelobt worden.
Ich will jetzt aber doch noch einige kritische Anmerkun-gen aufgreifen.Dietrich Austermann hat davon gesprochen, wir be-fänden uns in der Zange der Beschaffungsmaßnahmen.Das will ich nicht bestreiten. Ich darf aber mit allerFreundlichkeit darauf hinweisen, dass wir Beschaffungs-maßnahmen übernommen haben, die Sie uns einge-brockt haben. Sie haben einen Eurofighter auf den Weggebracht, der ein reines Segelflugzeug ohne Bewaffnungund dergleichen mehr gewesen wäre.
Ich muss jetzt für die Bewaffnung sorgen. Sie wissen dasja.Daneben geht es um den Schutz der Soldatinnen undSoldaten im Ausland. Ich versichere Ihnen: Wir tun allesMenschenmögliche, um die persönliche Sicherheit derSoldatinnen und Soldaten im Ausland zu gewährleisten.Zu Recht hat der Kollege Siebert aber auf eines hinge-wiesen: Es gibt keinen hundertprozentigen Schutz,
da können Sie noch so dicke Panzerfahrzeuge und nochso dick gepanzerte Hubschrauber oder was auch immernehmen. Ich mache mi,r immer Sorgen, wenn es solcheSituationen wie zurzeit in Afghanistan gibt, wo man ganzgewiss nicht von Stabilität, sondern immer nur von rela-tiver Stabilität sprechen kann. Seien Sie sich aber sicher:Das, was nach unserem menschlichen Ermessen erfor-derlich ist, wird den Soldatinnen und Soldaten zur Verfü-gung gestellt. Hier gibt es überhaupt keine Abstriche.
Herr Austermann hat das Betreiben des Gefechts-übungszentrums angesprochen. Ich weise darauf hin,dass der Haushaltsausschuss das Bundesministerium derVerteidigung verpflichtet hat, diese Leistung auszu-schreiben; das ist erfolgt. Es gab eine Ausschreibung undes hat nicht dasjenige Unternehmen gewonnen, das dasGefechtsübungszentrum bisher betrieben hat. Wir habendem preiswerteren und wirtschaftlich günstigeren Unter-nehmen das Angebot erteilt. Was soll ich denn anderestun? Da ich 14 Millionen Euro sparen kann, erwarten Sievon mir doch zu Recht, dass ich dies tue. Nur weil deralte Anbieter überall bei Ihnen antichambriert hat – dasweiß ich doch –, kann ich ihn doch nicht nehmen.
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Sie sollten jetzt nicht schlecht über das schwierige Pro-kt Herkules reden, das auf einem guten Weg ist. In die-en Tagen finden die letzten Besprechungen statt. Ichöchte der Kollegin Leonhard und auch Alexanderonde Recht geben: Es ist richtig – ich würde das auchicht anders machen –, dass sich der Haushaltsausschussie Einflussnahme auf die Entwicklung dieses Projektesber das Instrument der Sperre vorbehält. Es ist ein großesrojekt, das viele Milliarden Euro kostet, und es ist einutes Projekt. Wir müssen modernisieren; denn wir wol-n mit unseren Partnernationen kompatibel werden. Est, dessen können Sie sicher sein, auf einem guten Wege.
Herr Minister, ist die Zeit für die Zwischenfrage des
ollegen Nolting jetzt reif?
Ich habe ihn ganz vergessen. Ja, bitte.
Herr Minister, können Sie uns sagen, woher Sie wis-
en, wer wann mit wem wo spricht?
War das die Frage?
ch kann Ihnen das mitteilen, weil diejenigen, die bei Ih-
en antichambrieren, auch bei uns antichambrieren und
agen, wo sie schon gewesen sind. So einfach ist das.
Zusatzfrage?
Ich komme jetzt auf die Frage zurück, die ich ein-
angs stellen wollte. Herr Minister, Sie sprechen von
50 000 Soldaten und Soldatinnen. Ihr Koalitionspartner
at heute erklärt, Sie träten für 200 000 bis
20 000 Soldaten ein. Wie können Sie diese beiden Aus-
agen in Einklang bringen?
Sie geben mir die Gelegenheit, auf dieses Themaoch einmal einzugehen. Ich wäre aber sowieso daraufu sprechen gekommen. Das dauert jetzt ein bisschenänger, Sie müssen nicht warten, Herr Nolting.
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6800 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Bundesminister Dr. Peter StruckIch halte es nach wie vor für falsch – das will ich nocheinmal betonen –, zu sagen: Eine Berufsarmee von200 000 Soldatinnen und Soldaten gewährleistet unsereSicherheit und lässt uns unsere Auslandsverpflichtungenerfüllen. Das wird nicht möglich sein.
Ich halte es auch aus anderen Gründen für richtig, an derWehrpflicht festzuhalten. Ich weiß, dass andere eine an-dere Auffassung haben. Das muss dann geklärt werden.Auf dem Parteitag meiner Partei in der letzten Woche istdarüber debattiert worden. Wir werden im nächsten Jahrdazu eine Konferenz veranstalten. Dann wird die SPDdazu ihre Meinung im Jahre 2005 zu bilden haben. Dasentspricht auch der Koalitionsvereinbarung, dass wirdarüber entscheiden müssen. Meine persönliche Mei-nung ist klar. Ich bin dankbar, dass es auch in der CDU/CSU Stimmen für die Beibehaltung der Wehrpflicht gibt.Sie aber hatten nach der Größenordnung gefragt. Mit200 000 Soldatinnen und Soldaten können nicht die Auf-gaben erfüllt werden, die erfüllt werden müssen. Wennsich ein bestimmtes Kontingent im Ausland befindet,dann muss sich das Nachfolgekontingent in der Reservebereithalten. Dann muss das Kontingent, das gerade imAusland gewesen war, in Aus- und Fortbildungen ge-schickt werden. Das passt nicht zusammen. Aber daskönnen wir in aller Ruhe diskutieren. Ich habe keineAngst vor der Debatte, Sie sicher auch nicht. Dann wirdman darüber entscheiden können.Ich möchte die Zahl von 250 000 im Zusammenhangmit dem Stichwort „Standortkahlschlag“ aufgreifen. Wasverlangen Sie eigentlich von mir? Damit meine ich auchSie, Frau Daub. Sie verlangen von mir, dass ich Aufträgean die wehrtechnische Industrie vergebe, damit sienicht kaputtgeht. Das tue ich auch. Aber ich gebe derwehrtechnischen Industrie keine Aufträge für Material,das ich nicht brauche. Das mache ich nicht.
Dann hätte ich Sie oder den Bundesrechnungshof mit derFrage auf dem Hals: Wofür hat der Minister das in Auf-trag gegeben?Was verlangen Sie noch von mir? Sie verlangen vonmir, dass ich Standorte aufrechterhalte. Wenn die Zahlvon 285 000 geplanten Soldaten auf 250 000 Soldatenreduziert wird, wenn wir die Zahl von 85 000 bis90 000 Zivilbeschäftigten auf nur noch 75 000 senken,dann sagt einem der gesunde Menschenverstand, dassman nicht mehr so viele Standorte wie vorher braucht.
– Man muss ihn haben, da gebe ich Ihnen Recht. VielenDank, Herr Mark, für den Zwischenruf.
Wenn Sie wollen, dass ich keine Standorte mehr auf-löse,
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Den Rückbau der Anzahl der Soldatinnen und Solda-en bis zum Jahr 2010 auf 250 000
rreichen wir. Der Generalinspekteur wird mir die neueonzeption der Bundeswehr vorlegen. Dazu gehört auchie Material- und Ausrüstungsplanung. Jedes Beschaf-ungsprojekt – das habe ich immer wieder gesagt, ichiederhole es –, das noch nicht rechtlich oder faktischebunden ist, steht auf der Prüfliste.Manche werden sich wundern, was auf einmal nichtehr realisiert werden kann. Wir müssen mit den Gege-enheiten zurecht kommen. Sie können aber davon aus-ehen, dass die zukünftigen Aufgaben der Bundeswehron 250 000 Soldatinnen und Soldaten hervorragend er-digt werden. Dessen bin ich mir ganz sicher.Zum Schluss meiner Rede bedanke ich mich bei denerichterstattern, weil ich weiß, dass der Einzelplan 14in schwieriger Haushalt ist. Ich bedanke mich bei allen,ie daran mitgewirkt haben: Elke Leonhard, Dietrichustermann, Alex Bonde, Jürgen Koppelin.
Herr Koppelin, Sie haben Recht. Ich greife das auf:err Austermann hat nicht mitgewirkt, das stimmt. Er istber Hauptberichterstatter.Ich bedanke mich bei den Mitgliedern des Verteidi-ungsausschusses für die sehr gute, kollegiale Zusam-enarbeit. Unabhängig von politischen Differenzen, dien manchen Fragen bestehen, kann man feststellen, dassie Arbeit der Bundeswehr von den Fraktionen im Parla-ent breit getragen wird. Ich nehme an, dass die Arbeiter Bundesregierung – mit einigen leichten Einschrän-ungen – auch breit getragen wird. Dafür bedanke ichich herzlich.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung – in der Aus-chussfassung. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerAbgeordneten Dr. Gesine Lötzsch und Petra Pau vor,über den wir zuerst abstimmen.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache15/2073? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – DerÄnderungsantrag ist mit den Stimmen des ganzen Hau-ses abgelehnt.Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzel-plan 14 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? –Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan 14ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen derCDU/CSU und der FDP angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.11 auf:Einzelplan 23Bundesministerium für wirtschaftliche Zu-sammenarbeit und Entwicklung– Drucksache 15/1917 und 15/1921 –BerichterstattungAbgeordnete Brigitte Schulte
Jochen BorchertAntje HermenauJürgen Koppelin.Es liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion derFDP vor, über den wir am Freitag nach der Schlussab-stimmung abstimmen werden.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinenWiderspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Nachdem die Kolleginnenund Kollegen, die nicht zuhören wollen, den Plenarsaalverlassen haben und die anderen ihre Plätze eingenom-men haben, würde ich gerne das Wort erteilen. – Das giltbesonders für die CDU/CSU, weil ihr Redner beginnt.Ich gebe das Wort dem Kollegen Jochen Borchert,CDU/CSU-Fraktion
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Der Haushalt, den wir seit gestern beraten, ist das Ergeb-nis einer verfehlten Wirtschafts- und Finanzpolitik. Die-ser Haushalt hat natürlich Auswirkungen auf alle Einzel-pläne.
Gerade der Haushalt des Ministeriums für wirtschaftli-che Zusammenarbeit wird dabei zum Steinbruch einerdesolaten Finanzpolitik.
Dies zeigte schon der Entwurf der Bundesregierung.Durch die Beratungen im Haushaltsausschuss ist dasnoch verschlimmert worden. Während ich in der erstenLesung noch festgestellt habe, der Haushaltsentwurf fürddgdwkEjvEeMvbmfddwlEeWwwfDethdgaDdsdlufAnzE
ntwicklungspolitik muss dazu beitragen, dass Krisenrst gar nicht entstehen. Mit unserer Hilfe können wir denenschen in den Entwicklungsländern eine Perspektiveerschaffen und damit auch dem Terrorismus den Nähr-oden entziehen. Dies, Frau Ministerin, erfordert aberehr und nicht weniger Geld. Sie aber kürzen die Mittelür die Entwicklungspolitik. Sie sparen damit zulastener Armen, aber auch zulasten unserer Sicherheit.
Frau Ministerin, bei der ersten Lesung des Haushalteses Jahres 1999, also des ersten Etats, für den Sie verant-ortlich waren, haben Sie erklärt: Mit dem jetzt vorge-egten Bundeshaushalt haben wir den Abwärtstrend desntwicklungshaushalts gestoppt und die Grundlage fürine Aufwärtsentwicklung geschaffen.
as aber ist aus dieser vollmundigen Ankündigung ge-orden? Auf die Aufwärtsentwicklung warten die Ent-icklungsländer noch immer. Statt aufwärts geht es Jahrür Jahr abwärts.
er Regierungsentwurf 2004 wies für den Einzelplan 23in Volumen von 3,8 Milliarden Euro aus. Bei den Bera-ungen im Haushaltsausschuss hat die Koalition inner-alb des Etats 16,3 Millionen Euro umgeschichtet, ohneas Volumen zu verändern. Durch Wechselkursänderun-en und Veränderungen beim Urlaubsgeld sinkt der Etatuf 3,783 Milliarden Euro.
ies ist an sich schon keine überzeugende Summe fürie Anforderungen, die an die Entwicklungspolitik ge-tellt werden. Aber diese Summe ist auch noch geschönt,enn diese 3,783 Milliarden Euro stehen für entwick-ngspolitische Maßnahmen nicht zur Verfügung.Aus Ihrem Etat müssen Sie noch 10 Millionen Euroür den Einsatz der Bundeswehr in Kunduz aufbringen.ls der Einsatz beschlossen wurde, gingen Sie, Frau Mi-isterin, noch davon aus, dass dafür zusätzliche Mittelur Verfügung gestellt würden. Jetzt müssen Sie deninsatz aus Ihrem Haushalt finanzieren.
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Jochen BorchertNoch weitere Mittel werden Ihrer Gestaltungsmöglich-keit entzogen. 80 Millionen Euro aus Ihrem Etat stehendem Außenminister zur Verfügung. Ein Teil davon wirdebenfalls für den Einsatz in Kunduz eingesetzt. Weitermüssen Sie 39 Millionen Euro globale Minderausgabeerwirtschaften.
Dies bedeutet eine weitere erhebliche Kürzung IhresEinzelplans. Damit stehen Ihnen für Aufgaben der Ent-wicklungspolitik im nächsten Jahr 3,655 MilliardenEuro zur Verfügung. Das ist deutlich weniger als in die-sem Jahr. Frau Ministerin, es geht abwärts statt aufwärts.Neben all den Menschen, die auf unsere Entwick-lungshilfe hoffen, sind Sie, Frau Ministerin, die Verliere-rin einer unsoliden Haushaltspolitik.
Sie haben 1999 die Trendwende in der Entwicklungspo-litik angekündigt. Ich will das hier gerne aufgreifen undden Haushalt 2004 mit dem Haushalt 1998, dem letztenHaushalt der Regierung Helmut Kohl, vergleichen.Im Haushaltsjahr 1998 wurden 4,05 Milliarden Eurofür die Entwicklungspolitik ausgegeben.
Das sind fast 400 Millionen Euro mehr, als der Etat fürdas Jahr 2004 vorsieht. Das sind im nächsten Jahr10 Prozent weniger, als im Jahr 1998 zur Verfügungstanden, und von da ab sollte es doch aufwärts gehen.Frau Ministerin, welche Loblieder würden Sie wohl sin-gen, wenn Ihnen der Etat von 1998, wenn Ihnen alsorund 400 Millionen Euro mehr zur Verfügung stehenwürden?
Zumindest die Entwicklungsländer würden sich darüberfreuen.
Übrigens würden sich nicht nur die Entwicklungsländer,sondern auch die Deutschen darüber freuen.Der Bedeutungsverlust der Entwicklungspolitik in derPolitik der Bundesregierung ist aber noch dramatischer,als diese Zahlen deutlich machen. Diese Koalition gibtJahr für Jahr einen immer geringeren Anteil des Bun-deshaushaltes für die Entwicklungspolitik aus. 1998 be-trug der Anteil des Einzelplans 23 am Bundeshaushaltrund 1,7 Prozent. In diesem Jahr sind es noch 1,42 Pro-zent.Was bedeutet dies für die Entwicklungspolitik? FrauMinisterin, wenn Sie den Anteil, den der Einzelplan 231998 am Bundeshaushalt hatte, stabil gehalten hättenund er heute noch bei 1,7 Prozent liegen würde, dannstünden Ihnen im nächsten Jahr rund 720 Millionen Euromehr zur Verfügung. Diese 720 Millionen Euro fehlenIdgkuevtesHsAdfluMbdUHSvlamgddAhteinrfhMinwBRseKA
Das zeigt: Trotz vieler Sprüche und großer Ankündi-ungen hat die Entwicklungshilfe in dieser Koalitioneinen hohen Stellenwert. Der Einzelplan 23 wird mehrnd mehr zur Manövriermasse der Finanzpolitik.Meine Damen und Herren, wenn Sie den Anteil derntwicklungspolitischen Ausgaben stabil auf einem Ni-eau von 1,7 Prozent des Bundeshaushalts gehalten hät-n, dann könnten Sie heute Entwicklungspolitik wirk-am gestalten. Der Jahr für Jahr sinkende Anteil desaushalts für wirtschaftliche Zusammenarbeit am Ge-amthaushalt zeigt: Sie, Frau Ministerin, haben sich alsnwältin der Entwicklungspolitik im Kabinett und iner Koalition nicht durchsetzen können.
Ernüchternd ist nicht nur der Rückgang der Mittelür die Entwicklungshilfe, sondern auch deren Auftei-ng im Einzelplan 23. Im Haushalt 2004 steigen dieittel für die multilaterale Entwicklungszusammenar-eit um rund 65 Millionen Euro, während die Mittel fürie bilaterale Zusammenarbeit weiter abgesenkt werden.nsere Befürchtung ist, dass sich diese Entwicklung imaushaltsvollzug noch weiter verschärfen wird. Dennie müssen noch eine globale Minderausgabe in Höheon 39 Millionen Euro erwirtschaften.
Ich befürchte, diese Kürzung wird überwiegend zu-sten der bilateralen Zusammenarbeit erfolgen. Da-it wird diese weiter ausgetrocknet und die Einsparun-en gehen zulasten jener Bereiche, die das klare Profiler deutschen Entwicklungshilfe geprägt haben.In der technischen Zusammenarbeit müssen vonem Etatansatz 80 Millionen Euro für das Auswärtigemt abgezogen werden. Weitere Kürzungen im Haus-altsvollzug zeichnen sich ab. Die GTZ, über die diechnische Zusammenarbeit abgewickelt wird, genießtternational ein hohes Ansehen. Aufgrund ihrer erfolg-eichen Arbeit gelingt es der GTZ, in steigendem Um-ang Aufträge von internationalen Organisationen zu er-alten. In Deutschland selbst aber wird die GTZ durchittelkürzungen geschwächt und damit die national wieternational erfolgreiche Arbeit infrage gestellt.In der bilateralen finanziellen Zusammenarbeitird der Ansatz um 17,5 Millionen Euro abgesenkt. Deraransatz reicht dann gerade noch aus, um bestehendeechtsverpflichtungen erfüllen zu können.Neue Zusagen sind nicht möglich. Die Kürzungchränkt den Handlungsspielraum der KfW erheblichin. In entwicklungspolitischer Hinsicht bedeutet dieseürzung, dass Sie die Ziele der Armutsbekämpfung desktionsprogramms 2015 nicht erreichen werden und
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Jochen Borchertdass Sie die Steigerung der ODA-Quote auf 0,33 Prozentbis zum Jahr 2006 mit diesem Haushalt aufgegeben ha-ben. Entwicklungspolitisch ist es aber dringend erforder-lich, durch einen verstärkten Mitteleinsatz die bisherigeVerbundfinanzierung weiter auszubauen und über eineintegrierte Verbundfinanzierung maßgeschneiderte Fi-nanzlösungen anzubieten.Die Nahrungsmittel-, Not- und Flüchtlingshilfe– einer der zentralen Ansätze zur Hilfe in Krisensituatio-nen und zur Stärkung der Selbsthilfekräfte – ist schon inden vergangenen Jahren erheblich gekürzt worden. ImHaushalt 2004 beträgt der Ansatz 71,5 Millionen Euro.Das sind zwei Drittel des Ansatzes aus dem Jahre 2002.Im Jahr 2004 müssen aus diesem Titel10 Millionen Euro für den Einsatz der Bundeswehr inKunduz bereitgestellt werden. Für alle anderen drin-gend notwendigen Maßnahmen der Nothilfe steht mit61,5 Millionen Euro nur noch die Hälfte des Ansatzeszur Verfügung, über den Sie noch 2002 verfügen konn-ten.Während die Koalition heute diese Kürzungen be-schließen wird, weist die FAO darauf hin, dass die Zahlder Hungernden weltweit dramatisch zunimmt unddass nicht weniger Hilfe, sondern mehr Hilfe notwendigist. Sie aber kürzen in einem Bereich, zu dessen Aufga-ben es gehört, den Hunger in der Welt zu bekämpfen.Betroffen von der zu geringen Mittelausstattung und derVerlagerung der Mittel in multilaterale Bereiche ist auchdie entwicklungspolitische Arbeit der Wirtschaft, Kir-chen und Stiftungen.Mit diesem Haushalt hat die Bundesregierung ihre ei-genen entwicklungspolitischen Ziele verfehlt oder– wenn man den Haushalt ernst nimmt – aufgegeben.Anders lässt sich der Kahlschlag in der deutschen Ent-wicklungspolitik nicht mehr erklären.
So kann auch die selbst gesteckte Richtmarke einerODA-Quote von 0,33 Prozent bis zum Jahre 2006 selbstüber einen weiteren Schuldenerlass nicht mehr erreichtwerden. Die Mittel der Armutsbekämpfung werden nichtaufgestockt, sondern eingeschränkt. Der Entwicklungs-politik als Instrument der Krisenbewältigung und -prä-vention werden die dafür erforderlichen Mittel entzogen.Dieser Haushalt ist das Dokument des Scheiterns derrot-grünen Entwicklungspolitik. Wir lehnen diesen Haus-halt ab.Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Brigitte Schulte,
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-legen! Herr Kollege Borchert, ich schätze Sie ja außeror-dentlich. Aber dass Sie nun fast gebetsmühlenhaft daswgdb–uhdbVd–nbwZdnggwZunnsÜba
Darauf kommen wir ja gleich noch.
Beim Entwicklungshaushalt waren wir uns damalsnd sind wir uns auch heute wieder über Parteigrenzeninweg einig,
ass wir für die umfangreicheren internationalen Aufga-en eigentlich mehr Geld benötigen. Das galt für dieergangenheit, gilt für die Gegenwart und wird auch fürie Zukunft gelten.
Warten Sie einmal ab.Ein paar Fakten müssen wir allerdings einfach zur Kennt-is nehmen; daran ändert auch Geschrei nichts. Erstens ha-en wir heute ein erheblich höheres Haushaltsdefizit, alsir alle vor acht Monaten geplant hatten.
weitens müssen wir schmerzhafte Strukturmaßnahmenurchführen, was dazu führt, dass sich alle Leute mit In-enpolitik befassen, obwohl es vieles andere gibt, wasanz dringlich ist: Erstens ist der Terrorismus heuterößer und gefährlicher, als er es noch vor acht Monatenar.
weitens mag der Irak militärisch besiegt sein, Friedennd Demokratie sind dort wie in der gesamten Regionoch lange nicht erreicht.Es stimmt, Herr Kollege Borchert, dass die Welter-ährungsorganisation gestern mitgeteilt hat, dass inzwi-chen 842 Millionen Menschen als unterernährt gelten.
brigens ist jeder zweite Palästinenser – das sollte Sie auchewegen – von internationalen Lebensmittellieferungenbhängig, um überhaupt überleben zu können. Dass dies
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Brigitte Schulte
nicht die Bereitschaft zum friedlichen Zusammenlebenfördert, können wir uns alle vorstellen.Ebenfalls gestern hat die UN anlässlich des bevorste-henden Welt-Aids-Tages am 1. Dezember veröffentlicht,dass in diesem Jahr, meine lieben Kolleginnen und Kol-legen, weltweit 3 Millionen Menschen an Aids gestor-ben
und 40 Millionen Menschen infiziert worden sind.
Darunter sind wenigstens 2,5 Millionen Kinder unter 15 Jah-ren. Seien Sie doch froh, Herr Kampeter, dass es IhrenKindern nicht so geht.
Der UN-Generalsekretär Kofi Annan appellierte in die-ser Woche an die internationale Gemeinschaft, die Nothilfefür 45 Millionen Menschen in 21 Krisengebieten auch imJahr 2004 sicherzustellen. Ihm haben sich 136 humanitäreOrganisationen mit dem Aufruf „Hört unsere Stimmen“angeschlossen. Sie hoffen, dass die Bewohner der Indus-triestaaten, von denen jeder 2,60 Euro aufbringenmüsste, die 3 Milliarden Dollar für 1 086 Projekte in denKrisengebieten finanzieren werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nun komme ich zuuns: Wo bleibt unser Verantwortungsbewusstsein,
dass wir nicht nur über unsere eigenen Probleme reden?Ist es nicht in unserem Interesse, dass nicht nur wir, son-dern auch andere gut leben können?
– Halt doch endlich mal die Klappe!
Das kommt mir in der gesamten Haushaltsdebatte zukurz.
– Du hast doch selbst Kinder. Du müsstest doch eigent-lich dafür Verständnis haben.Die Staatsverschuldung – in der aktuellen Haus-haltsdebatte ist mir das bisher zu kurz gekommen; ob-wohl ich zwei Tage aufmerksam zugehört habe, habe ichaus Ihrem Munde nichts dazu gehört – geht nicht nur aufKosten künftiger Generationen in Deutschland, sondernbHaghtrEnwmmgbKdngr–sDwsfewbhlihlala–em–aiSnneinn
Wir müssen für den Außen-, den Verteidigungs- und denntwicklungshaushalt dringend mehr Personal- und Fi-anzressourcen zur Verfügung stellen. Aber vorher müsstenir uns darauf verständigen, woher wir das Geld dafür neh-en, um nicht neue Schulden zu machen. Das wäre ange-essen. Michael Gorbatschow hat 1989 den klugen Satzesagt: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ Micheschleicht angesichts der Zunahme der internationalenriminalität und des internationalen Terrorismus – bei-es hängt übrigens zusammen – das Gefühl, dass wir alleicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa nichtenügend vorausschauend handeln.Afrika liegt nur wenige Kilometer von uns entfernt. In Eu-opa leben 727 Millionen Einwohner, während es in Afrikahier hat es uns deutlich überholt – 862 Millionen Menschenind. Davon ist die Hälfte jünger als 25 Jahre. Die frühereDR hatte enge Beziehungen zu Mosambik. Dieses Landurde nicht etwa ausgebeutet. Man hat vielmehr ver-ucht, diesem Land unter anderem durch Bildungstrans-er zu helfen. Die Bevölkerung der neuen Bundesländerinschließlich Berlins beträgt rund 17 Millionen Ein-ohner. Nicht sehr viel mehr hat Mosambik. Die Ar-eitslosigkeit liegt dort aber bei 50 Prozent, während sieier maximal 17 Prozent beträgt. Die Lebenserwartungegt dort bei 39,8 Jahren. Bei uns ist sie fast doppelt sooch. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt dort bei 220 Dol-r pro Jahr und in Ostdeutschland bei circa 20 000 Dol-r.
Ich dachte, dass wir in einer Haushaltsdebatte auchinmal darüber nachdenken sollten, was auf uns zukom-en wird.
Auf diese komme ich noch zu sprechen. Für diese sinduch Sie verantwortlich; denn Sie haben in den Jahren,n denen Sie regiert haben, zum Beispiel den Aufbau vonchulen alles andere als vorangetrieben.
In Mosambik können heute 60 Prozent der Menschenicht lesen und schreiben. Nur 12 000 junge Leute kön-en dort studieren. Vor diesem Hintergrund sollten Sieinmal an die Diskussion denken, die wir in Deutschlandsbesondere über die Probleme Berlins führen. Aberoch schlimmer ist, dass in Mosambik 15 Prozent der
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Brigitte Schulte
Bevölkerung mit Aids infiziert sind. 1 Million Menschensind Aids-Waisen. Malaria, Tuberkulose, Meningitis,Hepatitis und andere Krankheiten gefährden die Bevöl-kerung zusätzlich.Nun komme ich auf den Antrag der FDP zu sprechen.Daran, ob wir alle Probleme, die ich aufgezählt habe, lö-sen können, indem wir neue Programme und Fonds auf-legen, habe ich meine Zweifel. In dieser Beziehung habeich in diesem Jahr eine Menge gelernt. Ich bin nicht derMeinung, dass es im Moment sinnvoll ist, den Beitragzum globalen Fonds aufzustocken.
Wir sollten vielmehr die bereits bestehenden bilateralenund multilateralen Programme sinnvoll koordinieren.Obwohl Sie dafür 16 Jahre Zeit gehabt haben, haben Sienichts getan.
Das, was wir in unseren Regierungsjahren getan haben,ist vergleichsweise erheblich mehr.
– Wir sind ja dabei.
Wir tun inzwischen mehr für die Qualifizierung derMenschen und investieren mehr in Bildung, Wirtschaftund Gesundheit. Daran halten wir fest.
– Das, was Sie gerade dazwischengerufen haben, stimmtnicht. Wir haben sogar etwas mehr getan.
Es ist ganz wichtig – diese Bitte richte ich an unsereeigene Regierung –, dass alle zuständigen Ministerienihre Aufgaben stärker koordinieren.
Es kann nicht sein, dass drei Ministerien in derselbenAngelegenheit drei verschiedene Vorstellungen haben.Das darf nicht so weitergehen.
Diese Entwicklung hat in Ihrer Regierungszeit begon-nen. Sie wissen, dass Verwaltungsapparate verändertwerden müssen.sPdDlaiGhGsassobmmgzHihnhtCDFFKZz
ieser Hinweis bezieht sich sowohl auf das Entwick-ungshilfeministerium als auch auf das Auswärtige Amtls auch auf das Finanzministerium, in dem man sich mitnternationalen Aufgaben umfangreich beschäftigt.Ich will ausdrücklich sagen: Frau Ministerin, mit demeld wird eine gute Arbeit geleistet. Nach einem Jahr bin icheute nicht der Überzeugung, dass es in erster Linie auf daseld ankommt. Wir müssen für eine bessere Koordinierungorgen. Wir können in Deutschland eines vorweisen, was allenderen nicht vorweisen können – Herr Kollege Borchert, daind wir uns wieder einig –: Die Mitarbeiter in den Organi-ationen sind hervorragend; sie sind hoch motiviert, egalb sie in einer kirchlichen, humanitären Organisation,ei Stiftungen oder der GTZ arbeiten. Wir haben ge-einsam ganz besonders viel für den Deutschen Akade-ischen Austauschdienst und für die Humboldt-Stiftungetan. Frau Ministerin, wir werden Sie dabei unterstüt-en, diese internationalen Aufgaben fortzuführen.Wir gehen davon aus, dass die Opposition mit uns dieaushaltssanierung vorantreibt. In diesem Sinne habech den Kollegen Borchert verstanden, der keine Erhö-ungen beantragt hat. Er war lediglich wie wir der Mei-ung, dass man eigentlich mehr tun müsste. Man sollteier nicht herumschreien, wenn man selbst keinen Bei-rag leistet.
Ich möchte mit einem klugen Wort des Philosophenarl Friedrich von Weizsäcker schließen:Man kann in dieser Welt, wie sie ist, nur dann wei-terleben, wenn man zutiefst glaubt, dass sie nicht sobleibt, sondern werden wird, wie sie sein soll.
aran arbeiten wir.Ich danke Ihnen.
Nächster Redner ist der Kollege Markus Löning,
DP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieberau Kollegin Schulte, Sie fordern zu Recht eine bessereoordination. Das ist tatsächlich ein Problem in derusammenarbeit zwischen den Ministerien, speziellwischen BMZ und AA. Folgen Sie doch unserem
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Markus LöningAntrag und tragen Sie dazu bei, dass diese beiden Minis-terien fusionieren! Wenn das geschieht, dann könnendiese Angelegenheiten in einem Haus vernünftig gere-gelt werden, dann ist dieses Problem schon einmal gelöstund dann steht mehr Geld für die eigentliche Arbeit zurVerfügung.
Vor einem Jahr habe ich der Ministerin von dieserStelle aus vorgeworfen, vor allem viel gute Werbung undwenig gute Politik zu machen.
Ich habe mir meine Rede, die ich vor einem Jahr gehal-ten habe, einmal angeschaut.
Ich habe mir die Frage gestellt: Hast du damals Rechtgehabt? Ich muss sagen: Alles, was ich damals gesagthabe, hat sich bestätigt.
Die Ministerin gibt sich sehr viel Mühe, um eine gutePressearbeit zu machen. Auf diesem Gebiet hat sie un-zweifelhaft ein großes Talent; das muss man ihr zugeste-hen.
Sie gibt sich allerdings wenig Mühe, eine gute Politik zumachen.
Lassen Sie mich das an ein paar Beispielen zeigen.
Im Zusammenhang mit der Baumwollinitiative fuhrdie Ministerin am Vortag der dortigen WTO-Verhand-lungen nach Cancun. Sie hatte kein Verhandlungsman-dat. Aber sie veranstaltete mit den Vertretern der afrika-nischen Länder eine Pressekonferenz. Dem, was sie inder Sache sagte, stimme ich völlig zu; aber sie trug nachihrer Rückkehr nichts zur Umsetzung bei,
weil sie nur den Presseerfolg kassieren wollte.
Ähnlich ist es mit der Grundbildung. Da der Bun-deskanzler dies zugesagt hatte, habe ich vor einem Jahrangemahnt, dass die Mittel für die Grundbildung ver-doppelt werden. Weder im letzten noch in diesem Haus-halt ist in dieser Hinsicht etwas passiert. Wir von derFel–iAK–eFikdsrgDtswghJMaeWArtrPsliWUiShm
Herr Ströbele, Sie haben das abgelehnt. – Es ist dochmmer dasselbe Strickmuster:
uf einem großen internationalen Gipfel verkündet deranzler etwas vollmundig und am Ende passiert nichts.
Natürlich ist das so! – Auch hier wieder: gute Presserreicht, wenig gute Politik durchgesetzt.Lassen Sie mich jetzt etwas zum Thema Aids sagen,rau Schulte. Das ist ein sehr ernstes Thema. Die Länderm südlichen Afrika gehen daran zugrunde. Es gibt dorteine Lehrer mehr. Es gibt dort viele Waisen. Sie kennenie Situation. Sie haben sie eindringlich geschildert. Ichage Ihnen ganz ehrlich: Ich verstehe die Bundesregie-ung an dieser Stelle nicht. Die Bundesregierung hat denlobalen Fonds mit gegründet. Das ist kein neuer Fonds.abei geht es um ein sehr gut funktionierendes interna-ionales Gremium. Der Vorsitzende war bei uns im Aus-chuss und hat alles sehr überzeugend dargestellt. Dortird eine sehr gute Arbeit geleistet.Schon die diesem Fonds aus dem Bundeshaushalt zu-esagten Mittel wären nicht geflossen, wenn wir als FDPier im Sommer nicht nachgefragt hätten.
etzt haben Sie mit Ihrer Mehrheit wieder abgelehnt, dieittel für den globalen Fonds zu erhöhen. Sie müssenber erhöht werden und das wissen Sie genau; Sie habens hier deutlich dargestellt.
Lassen Sie mich noch ein paar Punkte zum ThemaTO, Freihandel und Oppositionsreden erwähnen.uch Sie haben gerade eine wunderbare Oppositions-ede gehalten. Das kennen wir auch von der Frau Minis-erin. Sie sagt immer sehr überzeugend, was wir in Eu-opa alles machen müssen, dass wir die Grenzen für dierodukte der Dritten Welt öffnen müssen, dass wir un-ere Agrarsubventionen senken müssen. Wir sind da völ-ig d'accord, wir sind da völlig einer Meinung. Natürlichst es die Entwicklungschance für die Länder der Drittenelt, wenn sie ihre Produkte hier verkaufen können. Dernterschied zwischen uns und Ihnen, Frau Ministerin,st: Sie sitzen in der Regierung. Sie können handeln undie sollten handeln. Sie sollten sich eben nicht nur hierinstellen oder sich an die Presse wenden und sagen, wirachen etwas, alles ist ganz furchtbar, wir Europäer
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Markus Löningmüssen etwas tun. Sie sollten also nicht so tun, als wärenSie eine Oppositionspolitikerin.
– Sie sind es nicht. Thematisieren Sie das im Kabinett!Sorgen Sie dafür, dass die Kollegen in Brüssel so ver-handeln, dass unsere Exportsubventionen sinken und dieLänder der Dritten Welt die Chance haben, ihre Produktehier zu verkaufen!
In der Summe sind wir uns in der Entwicklungspolitikim Ziel der Armutsbekämpfung natürlich einig. Nurein Leben ohne Armut kann ein Leben in Würde sein.Das muss das Ziel jeglicher Entwicklungspolitik sein.Das ist in diesem Hause, glaube ich, auch völlig unstrei-tig.Wir fordern Sie als Bundesregierung und natürlichspeziell Sie, Frau Ministerin, auf: Betreiben Sie wenigerAnkündigungspolitik und richten Sie Ihre Politik stärkerauf das aus, was wir wirklich brauchen. Wir brauchen ei-nen Erfolg der Doha-Runde. Wir brauchen einen Erfolgin der WTO. Ich warte darauf, dass die Bundesregierungda tätig wird. Ich warte darauf, dass sie unseren französi-schen Freunden an der Stelle endlich auf die Füße trittund sagt: Freunde, bewegt euch! Es kann nicht sein, dasssich die Bundesregierung von den Franzosen in dieserArt und Weise erpressen lässt.Wir müssen vorwärts gehen. Wir müssen der Markt-wirtschaft und dem Freihandel zum Durchbruch verhel-fen. Das sind zusammen mit der Rechtsstaatlichkeit dieMittel, um die Menschen aus der Armut zu führen. AlleHilfsprogramme nützen nichts, wenn wir den Menschennicht die Möglichkeit geben, ihre Armut aus eigenerKraft zu überwinden. Dazu gehört, dass wir marktwirt-schaftliche Strukturen ermöglichen, unterstützen und un-sere Märkte öffnen. Da helfen Oppositionsreden von derRegierungsbank wenig.
Ich fordere Sie an dieser Stelle also noch einmal auf:Gehen Sie diese positiven Schritte hin zu einer Öffnungder Märkte! Dafür haben Sie jederzeit die Unterstützungder FDP. Hören Sie auf, eine Pressepolitik zu betreiben!Fangen Sie endlich an, eine solide inhaltliche Politik zubetreiben! Dafür haben Sie unsere Unterstützung.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Thilo Hoppe, Bündnis 90/
Die Grünen.
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Die dritte Hiobsbotschaft kam Montag aus Brüssel.osehr ich die Unterstützung der Europäischen Unioneim Aufbau der afrikanischen Friedenstruppe be-rüße, so falsch halte ich es, hierfür 250 Millionen Eurous dem Europäischen Entwicklungsfonds zu nehmen.
Jetzt klatschen Sie. Bei der letzten Debatte hat dieDU/CSU dieses Vorgehen für richtig gehalten. In die-em Punkt folge ich eher der FDP, die fordert, dass daseld des Europäischen Entwicklungsfonds für dieungerbekämpfung und die Überwindung von Aids zur
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Thilo HoppeVerfügung gestellt werden sollte und nicht für Militär-hilfe,
auch wenn diese Militärhilfe für Afrika begrüßenswertund richtig ist. Immerhin ist es bei den Verhandlungen inBrüssel wenigstens noch gelungen, die Zusage zu erhal-ten, dass in einem Jahr erneut überprüft wird, ob dieseZweckentfremdung – das sage ich jetzt ganz bewusst –der Gelder des Europäischen Entwicklungsfonds ge-stoppt werden kann und ob zusätzliche Mittel für dieseneue Aufgabe bereitgestellt werden können.Zu dem Europäischen Entwicklungsfonds möchte ichnoch eine Anmerkung machen: Bei den Haushaltsdebat-ten werden ja häufig multilaterale und bilaterale Ar-beit gegenübergestellt. Meiner Meinung nach kann manhier keine Gegensätze mehr konstruieren; wir müssendiese beiden Bereiche vielmehr viel stärker miteinanderverzahnen, um sie effektiver zu gestalten. Deshalb freueich mich, dass sich der AWZ vorgenommen hat, diesesThema bei der nächsten Ausschusssitzung zu behandelnund nach Brüssel zu fahren. Zugleich soll auch von denHaushältern und Haushälterinnen das Thema Personal-entwicklungsplanung angegangen werden, damit mehrDeutsche bei UN-Organisationen mitarbeiten und unsereInteressen besser zum Tragen kommen.Ich habe drei Enttäuschungen benannt. Nun könntedie Opposition schadenfroh sein und uns grünen undauch roten Entwicklungspolitikerinnen und Entwick-lungspolitikern vorwerfen, dass wir uns innerhalb unse-rer Fraktionen nicht durchsetzen können. Ich wage aller-dings die Prognose, dass die werten Kolleginnen undKollegen, die für die CDU/CSU und die FDP im Ent-wicklungsausschuss sitzen, unter einer schwarz-gelbenBundesregierung keineswegs kleinere, sondern ehernoch größere Probleme hätten.
In den Reden Ihrer Haushalts- und Finanzexpertenund auch der Fraktionsvorsitzenden gestern und heutewurden viele Schwerpunkte genannt, zum Beispiel Ver-besserung der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland,Förderung von Forschung und Bildung. Aber die Ent-wicklungszusammenarbeit und die humanitäre Hilfewurden dabei von Ihren Vorderen nicht ein einziges Malerwähnt. Stattdessen wird über die ehrgeizigsten Steuer-senkungskonzepte diskutiert, die ja die Einnahmenseitenoch weiter verschlechtern. Dass Merz und Brüderle imSommer den Schuldenerlass attackiert haben, machtdeutlich, dass dieses Thema in Ihren Fraktionen auchnicht sehr hoch angesiedelt ist, Sie dabei also wahr-scheinlich noch viel größere Schwierigkeiten hätten.Ich will weiterhin darauf hinweisen, dass auch dieLänder zu der Entwicklungszusammenarbeit beitragen;auch sie haben die Mittel für Entwicklungszusammenar-beit gekürzt: so Bayern um 50 Prozent
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Da sich immer mehr der Ungeist verbreitet, wir könn-en uns in Zeiten knapper werdender Finanzmittel keineAlmosen“ mehr leisten, bin ich froh, dass iminzelplan 23 der Ansatz für die entwicklungspolitischeildungsarbeit deutlich erhöht wurde; denn Bildungs-nd Aufklärungsarbeit sind bitter nötig. Machen Sie ein-al die Probe aufs Exempel und fragen Sie den Mannder die Frau auf der Straße, was sie glauben, in welcheichtung die Finanzströme fließen. Sie werden feststel-en, dass die große Mehrheit glaubt, wir würden riesigeummen in die Dritte Welt buttern. Wer weiß schon,ass es im letzten Jahr den bislang höchsten Nettofi-anztransfer in umgekehrter Richtung, nämlich vomüden in den Norden, gegeben hat? Konkret: Die Ent-icklungsländer haben – hauptsächlich im Rahmen deschuldendienstes – 190 Milliarden Dollar mehr in dieeichen Industrieländer überwiesen, als sie von dort be-ommen haben.
as sind Zahlen, die Kofi Annan im September diesesahres bekannt gegeben hat.Diese Zahlen machen deutlich, dass es bei der Über-indung von Hunger und Armut nicht allein um Ent-icklungshilfe – ich gebrauche jetzt einmal diesen altenegriff – geht, sondern auch darum, dass wir uns derntschuldungsfrage ganz neu stellen müssen, weil dortoch größere Anstrengungen erforderlich sind, die weitber die HIPC-Initiative hinausgehen.Zu den positiven Seiten des vorgelegten Haushalts ge-ört, dass die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen,er Kirchen und der politischen Stiftungen stärker ge-ürdigt und unterstützt wird. Sie sind eingebunden inie Gesellschaften der Partnerländer und tragen dortuch zum Aufbau und zur Stärkung der Demokratie bei.ie leisten eine wichtige, emanzipatorische Entwick-ungsarbeit und setzen sich sowohl in ihren Partnerlän-ern als auch auf internationaler Ebene für mehr Gerech-igkeit, für gerechtere Strukturen ein.Konkrete Entwicklungszusammenarbeit und der Ein-atz für gerechtere Strukturen in der Weltwirtschaft müs-en Hand in Hand gehen. Sie sind erklärtermaßen Quer-chnittsaufgabe dieser Bundesregierung. Deshalb ist esichtig, nicht nur auf den Einzelplan 23 zu blicken, son-ern auch auf die entwicklungspolitischen Instrumenta-ien des Auswärtigen Amtes, des Agrarministeriumsim Bereich der FAO – und auch der anderen Häuser.
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Thilo Hoppe
– Auch des Umweltministeriums; danke schön. – DieseKohärenz ist sicherlich noch ausbaufähig – das sage ichbesonders mit Blick auf das Wirtschaftsministerium unddie Verhandlungsführung innerhalb der WTO –, aber esbleibt festzuhalten, dass Armutsbekämpfung, dass dieVerwirklichung der Millenniumsziele nicht in nur einemRessort angesiedelt, sondern eine Querschnittsaufgabeder gesamten Bundesregierung ist.Es ist gut, dass wir – sowohl die Oppositionspolitikerals auch die Politiker der Koalitionsfraktionen – dieBundesregierung immer wieder daran erinnern, die Mil-lenniumsziele im Auge zu behalten und den Worten Ta-ten folgen zu lassen.Ich danke Ihnen.
Vorhin ist zu der Rede von Herrn Löning eine Kurz-
intervention der Kollegin Karin Kortmann angemeldet
worden, die ich leider übersehen habe. Ich gebe ihr jetzt
das Wort zur Kurzintervention.
Danke, Frau Präsidentin.
Wir wünschen uns in der Tat mehr Geld, Herr
Kampeter, aber das wird nicht durch Zwischenrufe er-
reicht, sondern nur durch kontinuierliche gute Arbeit, die
Sie nicht geleistet haben.
– Ich möchte jetzt gerne auf Herrn Löning eingehen und
nicht auf Sie.
Herr Löning, man könnte spaßeshalber sagen: The
same procedure as every half year, weil Sie jedes halbe
Jahr den Antrag stellen, das BMZ aufzulösen. Jetzt ha-
ben Sie ihn modifiziert.
– Sind Sie dran oder ich? Gutes Benehmen zeichnet sich
dadurch aus, dass man auch einmal den Mund hält und
zuhört.
Sie haben jetzt eine modifizierte Fassung vorgelegt,
nach der Sie nun eine Fusion von Auswärtigem Amt
und BMZ für besser halten. Angesichts unserer Zusam-
menarbeit im Ausschuss unterstelle ich Ihnen, Herr
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nd bei denen dieses Kohärenzgebot eingehalten wurde.
as ist deutlich vorgetragen worden. Es wird einmal im
emeinsamen Afghanistan-Konzept deutlich, wo Innen-,
ußen-, Verteidigungs- und Entwicklungshilfeministe-
ium darlegen, wie die verschiedenen Instrumente, die
erschiedenen Sichtweisen und die unterschiedlichen
ufgabenkataloge miteinander verschränkt werden kön-
en. Und Sie können beim Aktionsprogramm 2015
achlesen, wie wichtig es ist, dass diese Kohärenz in die
raxis umgesetzt wird.
Sollten Sie allerdings meinen, dass eine Fusion ein
ostenfaktor ist, würde ich Ihnen eine Fusion mit der
nion vorschlagen. Das würde den Bundestag kosten-
äßig erheblich entlasten.
as wäre durchaus ein interessanter Vorschlag, über den
ir am Freitag abstimmen könnten.
Herr Kollege Kampeter, ich kläre Sie gern auf. Dieurzintervention dauert drei Minuten und die Kolleginortmann hat die drei Minuten nicht überzogen.
Herr Kollege Löning, Sie können jetzt antworten.
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Frau Kollegin, vielen Dank, dass Sie mir Gelegenheit
geben, unseren Antrag noch einmal darzustellen.
Sie haben das sehr richtig ausgeführt. Es geht natür-
lich um Kohärenz in der Politik und wir sind eben im
Gegensatz zu Ihnen, die Sie meinen, es reiche schon, ein
vernünftiges Konzept zu haben, der Meinung, dass es
vernünftig ist, auch die Verwaltungsstrukturen ineinan-
der zu führen und miteinander arbeiten zu lassen. Wir
meinen, dass es eben vernünftiger ist, das kohärent in-
nerhalb eines Hauses zu machen, anstatt es in einem zu-
sätzlichen bürokratischen Schritt zwischen zwei Häusern
zu koordinieren.
Wir sind auch der Meinung – das steht auch ausdrück-
lich in unserem Antrag –, dass es der deutschen Außen-
politik gut anstünde, wenn sich das entwicklungspoliti-
sche Know-how, das im BMZ ja ohne Zweifel
vorhanden ist, auch in der deutschen Außenpolitik deut-
lich niederschlüge. Es ist nicht Inhalt unseres Antrages
– wie Sie hier vorgetragen haben – dass wir irgendwel-
che Instrumente der Entwicklungspolitik abschaffen
wollen. Im Gegenteil, wir wollen es zusammenführen,
weil wir denken: Nur zusammen macht es Sinn. Nur zu-
sammen kann es eine kohärente Außen-, Sicherheits-
und Entwicklungspolitik geben, wobei ich nicht möchte,
dass das Verteidigungsministerium auch noch integriert
wird. Das wäre zu viel des Guten.
Ein Blick in die Historie zeigt: Das Entwicklungshil-
feministerium wurde unter einer bestimmten politischen
Konstellation Anfang der 60er-Jahre aus dem Auswärti-
gen Amt ausgegliedert. Das war damals sinnvoll. Es ist
aber jetzt nicht mehr sinnvoll. Das ist 40 Jahre her und in
den 40 Jahren ist viel passiert, ist viel Wasser den Rhein
herunter geflossen. Jetzt kann das Entwicklungshilfemi-
nisterium wieder ins Auswärtige Amt. Das würde aus
unserer Sicht sehr viel Sinn machen.
Wir werden uns über das Thema sicher noch häufiger
unterhalten, außer Sie kommen zur Vernunft und unter-
stützen das Anliegen endlich einmal.
Herr Kollege Kampeter, ich möchte noch einmal auf
Ihren Zwischenruf eingehen. Ich glaube, Sie gingen zu
weit, als Sie dem Präsidium, besonders der Präsidentin,
Manipulation der Zeit vorwarfen. Ich denke, Sie sollten
darüber nachdenken und sich dafür entschuldigen.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Christian Ruck,
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ichglaube, es ist wahr: Die Entwicklungspolitik steht vorneuen Herausforderungen und vor einem neuen Stellen-wert. Denn eine ungeahnte Dimension des Terrorismusauf der einen Seite und die fortschreitende Globalisie-rung auf der anderen Seite, die vor allem den hochpro-duktiv und modern wirtschaftenden Ländern und Unter-niuHkrdksfdghmgmEABscKAtsFstpgPlrc1izh–ÄddM
Erstens die Mittelausstattung. Herr Borchert hat eschon gesagt: Die miserable rot-grüne Wirtschafts- undinanzpolitik ruiniert in der Tat nicht nur Deutschland,ie ruiniert auch den Entwicklungshaushalt. Frau Minis-erin, Sie haben in den letzten Jahren zu keinem Zeit-unkt Ihre Wahlkampf- oder Koalitionsversprechen ein-elöst, den Entwicklungshaushalt deutlich zu erhöhen.assiert ist in der Tat das Gegenteil: Da wurde in denetzten Jahren gekürzt. Auch diesmal wurde durch dieot-grüne Mehrheit im Haushaltsausschuss weiter gestri-hen, sodass der Haushaltsansatz 2004 nominal um fast0 Prozent unter dem Iststand des Jahres 1998 liegt. Dasst die Umsetzung Ihres Versprechens.
Herr Erler, de facto ist der deutschen Entwicklungs-usammenarbeit unter Rot-Grün ein halber BMZ-Jahres-aushalt genommen worden.
Herr Erler, ich verstehe Ihren Einwand nicht. Unserenderungsanträge,
ie wir im Ausschuss eingebracht haben, können Sie je-erzeit nachlesen. Darin geht es um eine Erhöhung derittel für die EZ, für die TZ sowie für die Kirchen und
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Dr. Christian Ruckden Stiftungsdienst. Diese Forderungen wurden aber allevon Ihren Kollegen abgelehnt.
Natürlich begrüßen wir, dass beispielsweise in der be-ruflichen Aus- und Fortbildung und beim Senior ExpertService draufgesattelt wurde; es war ja auch unsere For-derung. Aber die entscheidenden Weichen und Signalezeigen erneut nach unten. Ich sage in aller Deutlichkeit:Wir wollen nicht, dass die deutsche Entwicklungspolitikgenauso wortbrüchig in der Welt dasteht wie EichelsHaushaltspolitik nach dem Debakel gestern in Brüssel.
Herr Kollege Ruck, gestatten Sie eine Zwischenfrage
der Kollegin Schulte?
Ja.
Herr Kollege Ruck, wenn Sie zugehört und mein Zitat
von von Weizsäcker richtig verstanden hätten, dann wä-
ren Sie zu der Schlussfolgerung gekommen, dass ich gar
nicht pessimistisch bin.
Ich muss sagen, dass Ihre Kollegen im Haushaltsaus-
schuss nicht einen einzigen Antrag auf Erhöhung von
Mitteln gestellt haben. Sie haben auch überhaupt nichts
dazu gesagt, woher wir das Geld nehmen sollten. Aber
wir sind uns in dem Punkt einig – das finde ich an Ihnen
sympathisch –, dass wir natürlich mehr Geld brauchen.
Allerdings liegt die Arbeit der nächsten Jahre in erster
Linie nicht darin, mehr Geld zur Verfügung stellen zu
können. Sie liegt vielmehr darin, Leute zu qualifizieren.
Entsprechende Maßnahmen haben wir auf den Weg ge-
bracht und nicht Ihre Kollegen. Würden Sie das bitte zur
Kenntnis nehmen?
Frau Schulte, ich möchte erstens feststellen, dass Siein Ihrer Haushaltsrede genauso nebulös gesprochen ha-ben, wie die Ministerin meistens spricht; denn sie willeiner Aussage darüber ausweichen, welche Maßnahmenangesichts dieser Misere konkret erforderlich sind undwas das kostet. Das habe ich kritisiert.Zweitens möchte ich auf eine ganze Reihe von Anträ-gen hinweisen, die auch Sie kennen – deswegen versteheich Ihren Einwand nicht ganz – und die alle – mit eini-gen wenigen Ausnahmen – von Ihren Kollegen im Ent-wicklungsausschuss abgeschmettert wurden. Da ging esum die Erhöhung von VEs und von Barmittelansätzen.Die sind alle mit den Stimmen Ihrer Kollegen den Bachruntergegangen. Das Kasperletheater, dass wir dasGanze noch einmal dem Haus vorlegen, können Sie vonuns wirklich nicht verlangen.ag0bahEdleGHsEeSnbfnJmissBsihkledPwmsngPsgarHliwMb2
Frau Schulte, eines ist doch klar – das haben auch Siengesprochen –: Keiner in diesem Haus kann ernsthaftlauben, dass wir bis 2006 die ODA-Quote von,33 Prozent erreichen. Das können auch Sie nicht glau-en. Von uns glaubt dies keiner mehr. Wenn wir davonusgehen würden, würden wir wie Eichel in der Haus-altspolitik wortbrüchig. Genau das wollen wir in derntwicklungspolitik nicht.
Natürlich haben Sie Recht – Frau Kortmann hat schonarauf hingewiesen –, wenn Sie sagen, Geld sei nicht al-s, auch die Qualität müsse stimmen. Auch ich sage:eld ist nicht alles. Aber ohne Geld und mit diesemaushalt sind Sie nicht handlungsfähig. Deswegen müs-en wir darauf dringen, dass wieder mehr Geld in dientwicklungspolitik fließt.Beim Thema Qualität stellt sich die Frage, ob Sieine überzeugende Konzeption haben; das ist das zweitetichwort. Die Antwort lautet: Nein. Ihre Konzepte sindebulös und Ihre Schwerpunkte angreifbar.
Das gilt auch für Ihren zentralen Begriff der Armuts-ekämpfung. Natürlich ist auch für uns die Bekämp-ung der Armut ein entscheidender Punkt. Aber die Mi-isterin hat es bis heute nicht geschafft, den seit dreiahren zugesagten Umsetzungsplan ihres Hauses zur Ar-utsbekämpfung vorzulegen. Die entscheidende Fraget doch nicht, ob man Armutsbekämpfung will. Die ent-cheidende Frage ist vielmehr, welche Strategien für dieekämpfung der weltweiten Armut erfolgversprechendind und welche Strategien es gibt, damit die Ministerinre Kolleginnen und Kollegen im Kabinett überzeugenann. Niemand im Kabinett ist bisher von den 2015-Zie-n überzeugt.Die Haushaltsrealität sieht doch inzwischen ganz an-ers aus. Bildung zum Beispiel ist ein entscheidenderfeiler der Armutsbekämpfung. Kinder ohne Bildungerden besonders häufig Opfer von Ausbeutung und Ar-ut. Gerade dieser Sektor erlebt seit 1998 einen bei-piellosen Niedergang. Damals waren noch 146 Millio-en Euro in der Pipeline. Heute sind es gerade einmalut die Hälfte, rund 82 Millionen Euro. Das ist in derraxis das Gegenteil von Armutsbekämpfung.
Angesichts der wachsenden Zahl hungernder Men-chen kritisieren in diesen Tagen die Deutsche Welthun-erhilfe und Terre des hommes – auch das wurde schonngesprochen – völlig zu Recht den in der Bundesregie-ung bestehenden Widerspruch zwischen Rhetorik undandeln. Dieselbe Lücke zwischen Rhetorik und Wirk-chkeit klafft im Umwelt- und Ressourcenschutz. Ob-ohl die Probleme wachsen, sind von den bilateralenitteln für die Finanzielle und Technische Zusammenar-eit in Höhe von 420 Millionen Euro in 1998 im Jahr004 gerade einmal 280 Millionen Euro übrig geblieben.
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Dr. Christian RuckAuch das ist das Gegenteil von Armutsbekämpfung, vonNachhaltigkeit und von Verantwortung gegenüber zu-künftigen Generationen. Herr Hoppe, das ist auch eineOhrfeige für die Grünen; darüber sind wir uns, glaubeich, einig.Die Ministerin ist stolz auf die neue Linie der so ge-nannten Ownership: Die Empfängerländer sollen sichihre Kooperationsschwerpunkte gefälligst selbst aussu-chen dürfen. Das Ergebnis ist aber offensichtlich kontra-produktiv. Zielgruppe ist nach unseren Vorstellungen diebreite Masse der Bevölkerung in den Entwicklungslän-dern, deren Interessen nicht immer – so sage ich einmalganz vorsichtig – haargenau von den mit uns verhan-delnden Eliten repräsentiert werden. Entwicklungspoli-tik bedeutet für uns auch die Veränderung von Rahmen-bedingungen in den Entwicklungsländern. Das heißt, essollte ein ernsthafter Politdialog erfolgen, eine Zwei-bahnstraße sein, wobei auch wir unsere Wertvorstellun-gen durchsetzen sollen und dürfen.Aus diesem Grund sind wir gegen den konzeptionel-len Hang zu Multilateralismus. Unsere Durchführungs-organisationen, unsere Kirchen und unsere Stiftungenleisten eine hervorragende und international anerkannteArbeit. Dieses Label deutscher Entwicklungszusammen-arbeit ist ein wichtiger Faktor unserer Außenpolitik undein Faktor in Sachen deutscher Eigenwerbung und stellteine kritische Masse dar, mit der wir Rahmenbedingun-gen verändern können. Für uns ist es eine falsche Politik,wenn auf dem Rücken der bilateralen Zusammenarbeitimmer mehr Geld an internationale Organisationen ver-geben wird, auf die wir keinen Einfluss haben oder dieDinge tun, die unsere eigenen Organisationen besserkönnen.Schließlich glauben wir auch, dass Ihre Fokussierungauf das BMZ als internationales Katastrophen- und Ar-mutsministerium gefährlich eng ist und dass wir damitVerbündete sowie Akzeptanz verlieren. Aus diesemGrund sind wir strikt dagegen, die Zusammenarbeit mitden so genannten Schwellenländern wie Malaysia, Chileoder Argentinien auslaufen zu lassen. Denn gerade diewirtschaftliche, wissenschaftliche und ökologische Zu-sammenarbeit mit diesen Ländern ist in unserem ureige-nen Interesse. Deswegen müssen sie auch weiter Partnerunserer EZ bleiben.
Ansonsten, Frau Ministerin, ist ihre Länderauswahlweder eine Konzentration noch ist in ihr irgendein nach-vollziehbares, rationales Kriterienraster zu erkennen.Wir stellen eines immer wieder fest: Wenn es darumgeht, rasch und massiv auf aktuelle Ereignisse zu reagie-ren – sei es im Kongo, im Irak oder in Kunduz –, sindSie nicht mehr handlungsfähig. An dieser Konzeptionkann etwas nicht stimmen.
Nun komme ich zum dritten Stichwort, der effizien-ten Umsetzung. Man kann ja auch fehlerhafte Konzeptenoch einigermaßen gut umsetzen, aber auch dies ge-sRwelEVgßwnutNWaißwdtswzVaabwhwieucsMgKdKKdpDl
Das Gleiche gilt für das Zusammenspiel von Außen-,erteidigungs- und Entwicklungspolitik. Wir haben dasm Beispiel Kunduz gesehen. Es steht zwar wunderbaruf dem Papier, wie gut die vier Ressorts zusammenar-eiten, aber in Wirklichkeit weiß jeder, dass sie streitenie Hund und Katz. Wir haben in diesem Zusammen-ang darüber diskutiert, wie gefährlich es sein kann,enn ein militärischer Einsatz nicht rasch und lückenlosn ein effizientes Aufbauprogramm mündet.Auch haben wir darüber diskutiert, dass all unserentwicklungspolitischen Bemühungen und Hilfsgeldermsonst sind, wenn es keine außenpolitische Rückende-kung gibt. Dies ist die schlimmste, nämlich die politi-che Ineffizienz. Deswegen empfinden wir es als großenangel, Herr Erler, dass es nach wie vor kein schlüssi-es Afrika-Konzept, kein schlüssiges Lateinamerika-onzept und auch kein schlüssiges Asien-Konzept gibt,as entschlossen umgesetzt wird.
Wie grotesk die Ergebnisse einer solchen Politik deronzeptionslosigkeit ist, sehen wir im Kongo. Derongo, der wirklich um sein Überleben und seinen Wie-eraufbau kämpft, ist weder Partnerland noch Schwer-unktland. Aber die Länder Ruanda und Uganda, die dierahtzieher des Bürgerkrieges sind, sind Schwerpunkt-änder.
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Herr Kollege, darf ich Sie darauf aufmerksam ma-
chen, dass die Darlegung der Verhältnisse in Afrika im
Einzelnen in Ihrer Redezeit wohl nicht mehr möglich
ist?
Herr Präsident, wie ich sehe, haben Sie hinter mir
heimlich gewechselt. Ich sehe, dass Sie nicht die Frau
Präsidentin sind.
Ich setze zur Landung an. Sie haben unsere richtige
Konzeption vor einigen Wochen abgelehnt. Diese Kon-
zeption ist logisch und wird wieder auf Sie zurückkom-
men. Ihr Haushalt jedoch ist ein Haushalt der falschen
Signale und der Widersprüche. Er führt – genau wie der
Antrag der FDP zur Zusammenlegung von AA und
BMZ – in die verkehrte Richtung.
Wir brauchen eine starke Entwicklungspolitik. Nur so
können wir die globalen Herausforderungen in der Zu-
kunft bewältigen und dabei gleichzeitig auch unsere ei-
genen vitalen Interessen einfließen lassen.
Ich danke Ihnen; auch Ihnen, Herr Präsident.
Ich erteile das Wort der Bundesministerin für wirt-schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, FrauWieczorek-Zeul.
Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin fürwirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alsich die Rede von Herrn Borchert verfolgt habe, habe ichbei mir gedacht, welch ein absurdes, falsches und völligverzerrtes Bild er von Entwicklungszusammenarbeitzeichnet. Das war wirklich unglaublich.
Sie müssten es eigentlich doch besser wissen, schließlichwaren Sie einige Jahre lang Landwirtschaftsminister infrüheren Regierungen. Damals waren Sie für eine ver-fehlte Agrarpolitik verantwortlich. Das muss an dieserStelle einmal deutlich gesagt werden.
–mDnGGunwQDEAhJüdQdwdrldswvJgznn–HJw
Das einzige Kriterium für die Bewertung von Ent-icklungszusammenarbeit ist die so genannte ODA-uote; ODA steht für Official Development Assistance.
iese Quote beschreibt das Verhältnis der Ausgaben fürntwicklungszusammenarbeit zum Bruttosozialprodukt.
usweislich dem, was Nichtregierungsorganisationeneute vorgelegt haben, betrug die ODA-Quote imahr 1990, die die Regierung Kohl aus der Zeit davorbernommen hatte, 0,41 Prozent des Bruttosozialpro-ukts. Am Ende der Regierungszeit Kohl lag dieseuote nur noch bei 0,26 Prozent des Bruttosozialpro-ukts. Daran haben Sie mitgewirkt! Sie haben die Ent-icklungszusammenarbeit als Steinbruch benutzt!
Wir dagegen haben den Versuch unternommen, unteren erschwerten Bedingungen der Haushaltskonsolidie-ung Fortschritte zu erzielen. Die ODA-Quote liegt mitt-erweile bei 0,27 Prozent des Bruttosozialprodukts. Iner mittelfristigen Finanzplanung ist eine Erhöhung un-eres Etats von 8,5 Prozent vorgesehen. Diese Erhöhungerden wir durchsetzen und so unser Ziel einer Quoteon 0,33 Prozent des Bruttosozialprodukts bis zumahr 2006 erreichen. Da können Sie sich sicher sein.
Angesichts dessen, dass Sie die EU-Kommission auf-efordert haben, uns noch weitere Kürzungsvorschlägeu machen, frage ich mich allerdings, an welchen Stellenoch eingespart werden soll. Das passt hinten und vorneicht zusammen.
Im Moment beantworte ich keine Zwischenfragen,err Präsident. – Wir werden in diesem Haushalt in denahren bis 2006, auch wenn die Konjunktur anziehenird, nicht nachträglich sparen können. Das muss klar
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Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeulsein. Sonst würde das Ziel von 0,33 Prozent des Brutto-sozialprodukts nicht erreicht. Das ist eine eindeutige An-sage mit Blick auf die Haushalte der künftigen Jahre.
Was haben wir erreicht? Sie vermitteln hier nur Zerr-bilder. Die Menschen in den Entwicklungsländern wis-sen es besser: Wir haben einen Schuldenerlass durchge-führt, von dem 26 Entwicklungsländer profitieren. DieseLänder haben die Ausgaben für den sozialen Bereich inder Zeit von 1999 bis 2003 von 5,8 Milliarden Dollar auf9,3 Milliarden Dollar erhöht. Diese Mittel stehen für Bil-dung und Gesundheit zur Verfügung.
Dadurch wird vielen Menschen geholfen. Reden Sie dasaus parteipolitischen Gründen bitte nicht schlecht! Dashalte ich für unverantwortlich.
Jetzt will ich auch noch etwas zum Thema Multilate-ralismus sagen. Ich nenne das Stichwort Grundbildung.Schauen Sie sich doch die Fakten an! Das Land Mosam-bik hat durch den Schuldenerlass die Chance nutzenkönnen, die Zahl der Schüler von 1999 – damals gingendort 2 Millionen Kinder zur Schule – bis 2003 um1 Million zu erhöhen. Das ist ein Ergebnis unserer An-strengungen. Ich bin stolz darauf, dass diese Kinder auf-grund dieser Anstrengungen eine gute Zukunft haben.
Herr Löning hat gesagt, dass die Ministerin beimThema Baumwolle nur große Reden hält.
Jetzt will ich Ihnen mal etwas sagen: Ich war in Cancunund habe mich an die Spitze der Bewegung der westafri-kanischen Länder gesetzt, weil die perversen Subventio-nen im Agrarbereich – der Baumwolle – durch die USAund partiell auch durch die EU zulasten der Menschen indiesen Ländern geht. Deshalb stehe ich an ihrer Seite.
Ich habe gesagt, die EU müsse jetzt ihre Hausaufgabenmachen. Ich verweise darauf, dass der zuständige Kom-missar Lamy heute in seinem Vorschlag für die Belebungder Doha-Runde unsere Kritik aufgreift und die Forde-rung aufnimmt, den Punkt Baumwolle in diese Verhand-lungen einzubeziehen. Das ist doch ein riesiger Fort-schritt. Das hätte es doch nicht gegeben, wenn ich meineLinie in dieser Frage nicht hartnäckig vertreten hätte.
Was noch wichtiger ist: Er sagt, dass die internenSubventionen gesenkt werden müssen. Das sind bisher7rdiAwHsanbAhfh3AsveAa7udgdAdrrv
Jetzt sage ich noch einmal etwas zu den Kollegen, dienscheinend an Amnesie leiden oder vielleicht einfachicht mehr wissen, was frühere Regierungen getan ha-en.
ls ich Ministerin wurde, standen im Entwicklungshaus-alt höchstens 19 Millionen DM für die Aidsbekämp-ung zur Verfügung. Heute befinden sich in dem Haus-alt, den Sie verabschieden werden, mindestens00 Millionen Euro für die bilaterale und multilateraleidsbekämpfung. Das haben wir verwirklicht. Wir las-en uns von Ihnen keine Ratschläge geben. Wer eine soerfehlte Politik betrieben hat, der muss auch mal Kritikrtragen können.
Im Übrigen stocken wir die Mittel für den globalenidsfonds in diesem Haushalt um 38 Millionen Eurouf. Bis zum Jahr 2007 werden es jährlich jeweils2 Millionen Euro sein. Ich bin dafür, diesen Fonds zunterstützen und zu nutzen; denn die Lage ist einfachramatisch. In einem Bericht hat UNICEF heute fol-ende Zahl veröffentlicht: Man muss damit rechnen,ass es demnächst 20 Millionen Waisen im südlichenfrika gibt, deren Eltern an Aids gestorben sind.An dieser Debatte stört mich – das muss ich sagen –,ass Sie nicht nur alles klein klein, sondern sogar Pepitaeden, statt dass wir uns gemeinsam überlegen, was vo-angebracht werden kann. Sie machen hier das Kleinsteom Kleinkarierten. Das ist ja wirklich unerträglich.
Ich komme zum Thema Bildung.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6815
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Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-ZeulDeutschland gehört zu den wichtigsten sechs Geberlän-dern weltweit, die zusammen mehr als zwei Drittel derweltweiten Fördergelder für Bildung zur Verfügung stel-len. Das geht aus einer Information der UNESCO her-vor. Das müssen Sie einfach einmal zur Kenntnis neh-men und Sie sollten nicht immer nur Ihre ideologischenPositionen vertreten.
Frau Ministerin, gestatten Sie jetzt eine Zwischen-
frage des Kollegen Löning?
Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:
Gerne. Aber die Zeit muss abgezogen werden.
Diese Zeit wird selbstverständlich nicht abgezogen,
sondern der Rede hinzugefügt.
Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:
Gibt es sonst noch einen Zuschlag, Herr Präsident?
Frau Ministerin, können Sie sich daran erinnern, dassder Bundeskanzler im letzten Jahr auf dem G 8-Afrika-gipfel in Kanada zugesagt hat, die Mittel für die Grund-bildung zu verdoppeln? Ich sage gar nicht, dass nichtsgetan wird. Aber es gibt eine Zusage des Bundeskanzlersan dieser Stelle.Wir haben letztes Jahr nachgefragt, wo diese Verdop-pelung stattfindet. Sie fand nicht statt. Wir haben diesesJahr dazu eine Kleine Anfrage gestellt. Als Antwortwurde in Ihrem Haus unglaublich geeiert. Es gibt keineklare Antwort. Sagen Sie uns, wo die Verdoppelung derMittel ist, die der Bundeskanzler zugesagt hat. Daswürde mich schon sehr interessieren.Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin fürwirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:Zunächst einmal muss ich Ihren Vorwurf zurückwei-sen: Bei uns im Haus eiert niemand. Das muss ich ein-fach klarstellen.
Zweitens. Wir haben zugesagt: Wir werden über einenZeitraum von fünf Jahren den Bereich der Grundbildungauf 120 Millionen Euro aufstocken.–issSzrmnSfctWlmkKlKzwsteDpGErdginHssEdw
Sie haben einfach ein verengtes Denken. Das Problemt der Schuldenerlass. Das habe ich Ihnen doch am Bei-piel der Kinder, von denen jetzt 1 Million mehr in diechule gehen, deutlich gemacht. Dies trägt zusätzlichur bilateralen Zusammenarbeit dazu bei, dass im Be-eich Bildung endlich Fortschritte erzielt werden. Dasüssen Sie doch verstehen. Kein Wunder, dass Sie dasicht verstehen. Sie haben nie einen multilateralenchuldenerlass gemacht.
Ein paar Bemerkungen zur Terrorismusbekämp-ung: Es ist in der Debatte schon mehrfach angespro-hen worden, dass der Terrorismus zunimmt. Das bestä-igen uns die bedrückenden Nachrichten der letztenochen und Tage. Wir versuchen mit all unseren Mög-ichkeiten dazu beizutragen, dass Gewalt und Terroris-us der Nährboden entzogen wird. Das bedeutet Be-ämpfung ungelöster Regionalkonflikte, globaleooperation, Dialog sowie Multilateralismus statt Uni-ateralismus. Wir müssen die ungerechte und obszöneluft zwischen Arm und Reich beseitigen und Schritteu einer gerechteren Weltordnung unternehmen.James Wolfensohn, der am Montag 70 Jahre altird, möchte ich an dieser Stelle ein Dankeschön fürein Engagement als Präsident der Weltbank übermit-ln. Ich möchte ihn hier zitieren:Aber man kann nicht Stabilität schaffen, ohne dasProblem der Armut anzupacken. Meiner Meinungnach stimmt die Balance nicht. Wenn es5 Milliarden Menschen gibt, die insgesamt über20 Prozent des Gesamteinkommens verfügen, und1 Milliarde Menschen, die 80 Prozent besitzen, ha-ben Sie Instabilität.as ist die Grundfrage.Ich will stichwortartig aufzählen, was wir global an-acken müssen. Wir dürfen uns nicht auf den bilateralenärtchenblick beschränken.
rstens. Wir müssen die Diskussion über die Frage füh-en, wie in der Welt globale öffentliche Güter wie Frie-en, Aidsbekämpfung und gerechte Handelsbeziehun-en finanziert werden. Dazu haben wir in derternationalen Gemeinschaft eine Arbeitsgruppe miterrn Zedillo an der Spitze, dem früheren mexikani-chen Präsidenten, eingesetzt, der hierzu konkrete Vor-chläge machen wird.Zweitens. Für neue Aufgaben auf internationalerbene braucht man neue Finanzmittel. Das gilt auch fürie Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Stich-ort Solana und die entsprechenden Texte.
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Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-ZeulDrittens. Es muss endlich – Herr Löning, darin sindwir uns vielleicht näher als in anderen Punkten – ein Endemit den Agrarexportsubventionen haben. Folgendes istnicht hinnehmbar: Mit rund 300 Milliarden US-Dollarschützen die Industrieländer ihre Agrarmärkte für einengeringen Teil der Bevölkerung, der davon noch nicht ein-mal unmittelbar profitiert. Das müssen wir ändern.
Die knappen Mittel dieser Welt dürfen nicht für Kriegverschwendet werden. Allein der Aufenthalt der US-Sol-daten im Irak kostet jeden Monat 4 Milliarden US-Dol-lar. Aufs Jahr hochgerechnet entspricht das dem Betrag,den die internationale Gemeinschaft insgesamt jährlichfür Entwicklungszusammenarbeit ausgibt. Das ist ein-fach nicht hinnehmbar.
Ich glaube – der eine oder andere mag sagen, das seizu weit gedacht –, dass wir vor der folgenden Situationstehen: Der UN-Sicherheitsrat mit all seinen Problemenist zwar zu reformieren; aber wenigstens haben wir ihnzur Abstimmung in sicherheitspolitischen Fragen. ImBereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik haben wiraber noch nicht einmal das. Hier stehen den multinatio-nalen Unternehmen und den internationalen Finanz- undGüterströmen nur nationale Regierungen und auf ein-zelne Fachfragen – Finanzen, Handel, Umwelt – spezia-lisierte internationale Organisationen gegenüber.Ich plädiere dafür, dass wir das, was Jacques Delorsimmer gefordert hat, international erreichen: Wir brau-chen einen UN-Sicherheitsrat für wirtschaftliche und so-ziale Fragen, in dem alle Regionen der Welt von hoch-rangigen Repräsentanten vertreten werden und in demdiese Fragen kohärent koordiniert werden. Es ist völligunvorstellbar, dass solche Fragen im 21. Jahrhundertdem Selbstlauf überlassen bleiben. Wir brauchen Kohä-renz und Koordinierung.In diesem Sinne bitte ich Sie: Lassen Sie uns die Pro-bleme gemeinsam anpacken. Sie sind so schwerwiegend,dass wir in dieser Frage auf keinen Akteur verzichtenkönnen, noch nicht einmal auf die Opposition, auchwenn sie heute nur wenig hilfreiche Initiativen in dieDiskussion eingebracht hat.
Ich danke Ihnen sehr.
Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Borchert
das Wort.
Frau Ministerin, da Sie eine Zwischenfrage nicht zu-
gelassen haben, greife ich zu dem Instrument der Kurz-
intervention.
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ie einzige international vergleichbare Maßzahl für dientwicklungszusammenarbeit ist der Anteil am Brutto-ozialprodukt. Wenn Ihre Regierung den entsprechendennteil am Bruttosozialprodukt, den sie von der Vorgän-erregierung Helmut Schmidt übernommen hat, nichteruntergefahren hätte, läge der Anteil schon längst bei,7 Prozent.
Zu Beginn der Regierungszeit von Helmut Kohl – alsom Ende der Regierungszeit von Helmut Schmidt – lager Anteil bei 0,48 Prozent. Wenn diese Entwicklungortgesetzt worden wäre, hätten wir heute den Anteil von,7 Prozent erreicht.Nehmen Sie bitte zur Kenntnis: Der Anteil des Etatsm Gesamthaushalt sagt nur bedingt etwas über die Offi-ial Development Assistance aus. Es gibt nur eine Ver-leichszahl und sonst nichts. Versuchen Sie nicht, sichuf die Art und Weise herauszureden. Das wäre wirklich
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Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeulunangemessen und würde Ihre eigene Verantwortung un-nötig verringern.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den
Einzelplan 23 – Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung – in der Ausschuss-
fassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich der Stimme? – Dann ist der
Einzelplan 23 mit der Mehrheit der Koalition gegen die
Stimmen der Opposition angenommen.
Ich rufe nun Tagesordnungspunkt I. 6 auf:
Einzelplan 17
Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend
– Drucksachen 15/1915, 15/1921 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Bettina Hagedorn
Antje Tillmann
Antje Hermenau
Otto Fricke
Es liegen zwei Änderungsanträge der Abgeordneten
Dr. Gesine Lötzsch und Petra Pau vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. – Dazu höre ich
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
nächst der Kollegin Antje Tillmann für die CDU/CSU-
Fraktion.
Herr Präsident! Frau Ministerin Schmidt! Liebe Kol-leginnen und Kollegen! Vieles konnte man in den letztenWochen zur Familienpolitik hören und lesen. Vieles vondem, was auf Parteitagen unter Jubel beschlossen wird,hat aber leider mit den Wahrheiten des Einzelplans 17nichts zu tun.
Halbwahrheiten oder unterlassene Wahrheiten gilt esheute anhand des Einzelplans 17 aufzuklären.Unbestreitbar wahr sind die Fakten des Haushalts-plans. Nach einem Volumen von 5,5 Milliarden Euro imJahr 2001 ist der Einzelplan 17 auf 4,8 Milliarden Euroim Jahr 2004 geschrumpft. Dazu gehört auch, dass18 Millionen Euro im Einzelplan 60 als globale Minder-ausgabe ausgewiesen sind. Dieser Betrag ist ebenfalls imEtat des Familienministeriums einzusparen. Gleichzeitigbeinhaltet der Einzelplan den Kinderzuschlag in Höhevon 124 Millionen Euro, der aber in Höhe von zwei Drit-teln durch Kürzungen bei Familien in der SozialhilfewrvfWMwmaFwwgmnpWdFSFMflfuddfandGtmnEbmEfsr
enige Beispiele dazu. Zunächst das Erziehungsgeld.it dem Beschluss, das Erziehungsgeld zu reduzieren,ird diese Aussage sogar Lügen gestraft. Von Familien-inisterin Schmidt wird immer der Eindruck erweckt,ls seien von dieser Reduzierung nur gut verdienendeamilien betroffen. Diese Behauptung ist schlicht un-ahr,
ie auch die Expertenanhörung zum Haushaltsbegleit-esetz beweist.Wahr ist, dass sich gerade in den niedrigen Einkom-ensgruppen die so genannte Glättung um 10 Euro mo-atlich nach unten und die Reduzierung der Ausgaben-auschale um 3 Prozent ganz erheblich auswirken.
ahr ist auch, dass wir zwar über 11 Millionen Euro je-es Jahr für die Verwirklichung der Gleichstellung vonrau und Mann in der Gesellschaft ausgeben, mit derenkung der Einkommensgrenzen beim Erziehungsgeldrauen aber ohne zu zucken auf das Einkommen ihresannes verweisen. 85 Prozent der Erziehungsgeldemp-ängerinnen sind nämlich nicht selbst berufstätig. In al-en Sozialsystemen arbeiten wir an eigenen Ansprüchenür Frauen, an gleicher Entlohnung für gleiche Arbeitnd an gleichen Zugangschancen. Nur bei der Erziehunger Kinder heißt es wieder: Du hast doch einen Mann,er verdient.Das ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die zu Rechtordern, dass Erziehungsleistungen von der Gesellschaftnerkannt werden müssten. Schade, dass Sie, Frau Mi-isterin, Ihrem Berater Professor Rürup zwar immerann folgen, wenn er fordert, Frauen sollten nach dereburt ihrer Kinder aus Gründen des Wirtschaftswachs-ums und wegen der sonst durch sie verursachten Kostenöglichst schnell wieder arbeiten. Wenn er aber in ei-em von Ihrem Haus bezahlten Gutachten rät, durchinführung eines Elterngeldes die Motivation, Kinder zuekommen, zu steigern, reagieren Sie mit dem Argu-ent der Unfinanzierbarkeit.Wenn auch die Gründe, die Professor Rürup für dieinführung eines Elterngeldes anführt, nicht mit denenür die Einführung eines Familiengeldes identisch sind,o geht er hinsichtlich der Höhe weit über unsere Forde-ungen hinaus. Nach seinen Vorstellungen sollen zwölf
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Antje TillmannMonate lang 67 Prozent des letzten Nettolohns als Erzie-hungsgeld gezahlt werden. Zur Wahrheit gehört auch,offen anzusprechen, dass eine solche Forderung nicht ineinem Schritt finanzierbar ist. Das haben wir bei unse-rem Familiengeld auch zugegeben.Sie, Frau Ministerin, verfolgen aber eine völlig an-dere Richtung. Für Sie liegt die Zukunft in der Fremdbe-treuung, und zwar in einem möglichst jungen Kindesal-ter. Die Behauptung, allein durch die Verbesserung derBetreuungssituation würden mehr Kinder geboren, wirddurch das umfassende Ganztagsangebot und die trotz-dem schlechten Geburtenzahlen in den neuen LändernLügen gestraft.
In Erfurt gibt es eine bezahlbare Rundumbetreuung fürKinder einschließlich eines Kinderhotels, aber die Ge-burtenzahlen sind trotzdem schlecht. Die Verbesserungder Ganztagsbetreuung ist zwar notwendig
– darin gebe ich Ihnen Recht –, aber sie ist kein Allheil-mittel. Stellen Sie nicht ständig die Familien ins Abseits,die ihre Kinder eine Zeit lang selbst betreuen wollen!
Ich nenne ein zweites Beispiel für den Unterschiedzwischen Aussage und Wahrheit. Die Einführung desKinderzuschlags wird immer wieder als wichtigerSchritt zu einer gezielten Bekämpfung von Kinderarmutpräsentiert.
Es soll verhindert werden, dass Familien allein wegenihrer Kinder auf Sozialhilfe bzw. später auf dasArbeitslosengeld II angewiesen sind.
Damit würden rund 150 000 Kinder und deren Familienaus dem Empfängerkreis des Arbeitslosengeldes II he-rausfallen, wird behauptet.
So viel zur politischen Aussage. Wahr ist daran, dass dieFamilien aufgrund des Kinderzuschlags künftig nichtmehr in der Statistik der Sozialhilfe oder desArbeitslosengeldes II aufgeführt werden. Ist das abereine gezielte Bekämpfung der Kinderarmut?Die Wahrheit zu dieser Aussage ist den Erläuterungendes Gesetzentwurfs zu Hartz IV zu entnehmen:Die Einführung des Kinderzuschlages führt dazu,dass geringere Leistungen in der Grundsicherungfür Arbeitssuchende erforderlich sind.
–Fn–DFdmIWgfmlbsmsaAwdwv1h2r
Ich glaube, den Familien ist es völlig egal, wie dieörderung bezeichnet wird. Tatsächlich bekommen aberur die wenigsten dadurch mehr Geld.
Dafür bekommen sie eine geringere Grundsicherung.as ist insofern egal.
Es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass dieamilienpolitik auch im übrigen Haushalt verankert ist –as ist auch die Wahrheit, so beispielsweise im Einkom-ensteuerrecht.
ch werde im weiteren Verlauf versuchen, Sie auf deneg der Wahrheit zu führen. Sie können dann darauf rea-ieren.Ein Blick in das Steuerrecht zeigt, dass die Situationür Familien auch in diesem Bereich nicht besser ist. Da-it komme ich zum dritten Beispiel, der Eigenheimzu-age: Noch in der letzten Ausgabe der Zeitschrift „mo-il“ der Deutschen Bahn AG haben Sie, Frau Schmidt,tolz verkündet, dass die Eigenheimzulage für Familienit Kindern beibehalten wird. Zum Zeitpunkt des Er-cheinens dieser Zeitschrift sah die Wahrheit schon ganznders aus.
uf die Ausgabe der Zeitschrift, in der Sie darstellen,arum es wenige Wochen später doch richtig sein soll,en Familien die Eigenheimzulage wegzunehmen,erde ich wohl lange warten müssen.
Das vierte Beispiel: der Haushaltsfreibetrag. Sieerkaufen die Einführung des Freibetrags in Höhe von300 Euro als Kompensation für wirklich Alleinerzie-ende für wirklich den Wegfall des Haushaltsfreibetrags004 durch das Vorziehen der nächsten Stufe der Steuer-eform.
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Antje TillmannDie Formulierung ist sehr präzise gewählt und damitauch nicht zu beanstanden.Wirklich wahr ist aber, dass Sie durch die Beschrän-kung der Berechtigung auf Alleinlebende allein 2004440 Millionen Euro einsparen und dass der ursprüngli-che Haushaltsfreibetrag, der durch Ihre Regierung abge-schmolzen wurde, 2 340 Euro betragen hat.
– Warum das Verfassungsgericht bei dem neuen Freibe-trag anders entscheiden sollte als bei dem alten, ist völligunklar. Außerdem hat das Verfassungsgericht nicht ent-schieden, dass Haushaltsfreibeträge für Alleinerziehendeabzuschaffen sind, sondern, dass es eine Gleichbehand-lung von Alleinerziehenden und verheirateten Paaren ge-ben soll.
Offensichtlich scheint der Freibetrag auch in IhremProgramm ein Weg zu sein, Familien zu unterstützen.Der Familienleistungsausgleich ist doch ein deutlicherSchritt in diese Richtung. Aber der angekündigte Freibe-trag fängt noch nicht einmal die Hälfte der abgeschafftenVergünstigungen auf.Dass Sie Gegner der Freibeträge sind, haben Sie auch2001 bewiesen. Sie mögen vielleicht vergessen haben,dass Sie zusätzlich zum Haushaltsfreibetrag auch dieAusbildungsfreibeträge um die Hälfte gekürzt haben.Die Eltern von in der Ausbildung befindlichen Kindernmerken das aber jedes Jahr aufs Neue an ihremLohnstreifen.Fünftes Beispiel ist die Verbesserung der Betreuungs-möglichkeiten von Kleinstkindern, das 1,5-Milliarden-Euro-Krippenprogramm. Schon seit einiger Zeit sprichtniemand mehr von einer Bereitstellung dieser Summe imJahre 2004.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Das mache ich.
Sehr geehrte Frau Kollegin, bevor Sie hier weiter an
der Legendenbildung arbeiten: Sollten Sie bei der Ge-
setzgebung der letzten Jahre
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Liebe Kollegin, Sie können ganz sicher sein, dass ichls Steuerberaterin sehr wohl weiß, welche Freibeträgem Jahre 2001 abgeschafft und welche eingeführt wor-en sind. Sie können auch sicher sein, dass sich bei derberwiegenden Zahl der Mandanten, die auszubildendeinder hatten, der neue Freibetrag schlechter ausgewirktat. Der Freibetrag für unter 18-Jährige ist komplett ge-trichen worden und der Betreuungsfreibetrag fängt diesicht annähernd auf.
ber wir können nach meiner Rede gerne weiter überieses Thema sprechen; ich kann Ihnen Zahlen dazu vor-egen.
Ich fahre nun in meiner Rede fort. Schon seit einigereit spricht niemand mehr von der Bereitstellung derelder aus dem 1,5-Milliarden-Krippenprogramm imahre 2004. Im roten Parteibuch „Agenda 2010“, das üb-igens vom Steuerzahler bezahlt wurde, heißt es:Der Bund wird den Kommunen ab 2005 jährlich1,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, um dieBetreuung für Kinder unter drei Jahren auszubauen.iese Aussage ist schlichtweg nicht wahr. Der Bundtellt ausweislich des Haushalts keinen einzigen Eurour Verfügung. Die Summe – Frau Ministerin, in Ihreneden erwähnen Sie es immer korrekt –, die nur einenleinen Teil der tatsächlichen Kosten ausmacht, soll auser Gemeindewirtschaftsteuer erbracht werden,
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Antje Tillmannwas eine ganz klare Steuererhöhung darstellt, und ausder Reduzierung der Leistungen für Arbeitslosengeld-empfänger erwirtschaftet werden. Offensichtlich sindSie noch nicht auf dem aktuellen Stand Ihres Regie-rungsprogramms; genau dies steht dort wörtlich, beideVarianten sollen die Kinderkrippen finanzieren.
Hinsichtlich der privaten Möglichkeiten der Kin-derbetreuung loben Sie sich im Parteitagsbeschluss un-gefähr wie folgt: Wir haben die geringfügige Beschäfti-gung modernisiert und damit Unterstützung bei derKinderbetreuung erleichtert. Wahr ist jedoch, dass Siejahrelang die hauswirtschaftlichen Beschäftigungsver-hältnisse verurteilt haben.
Genauso wahr ist es, dass Sie bei der Neuregelung derMinijobs die Regelung der Kinderbetreuung in der ers-ten Beratungsrunde schlichtweg vergessen haben. Dasmussten wir erst einbringen, damit es zu dieser Begüns-tigung noch kam.
Leider geht dieses Ein-bisschen-die-Wahrheit-Sagenauch beim Haushaltsverfahren weiter, liebe Kolleginnenund Kollegen der SPD- und Grünen-Fraktion. Gern gebeich zu, dass ich Sie im letzten Jahr bewundert habe, alsSie sich in den Haushaltsberatungen die Mühe gemachthaben, die globale Minderausgabe in allen Haushaltenaufzulösen. Sie haben in Einzelanträgen heruntergebro-chen, was nach Ihrer Auffassung politisch passierenmuss. In diesem Jahr werden Sie zwar nicht müde, unswegen unseres Verhaltens zu kritisieren – darauf kommeich später zurück –; aber Ihre Anträge sind auch nicht ge-rade zukunftsweisend. Ich muss keine Hellseherin sein,um vorherzusagen, dass in Ihren gleich folgenden Redendie gesamte globale Minderausgabe in Höhe von fast23 Millionen Euro, die immer noch im Einzelplan 17 zuerbringen ist, keinen Raum einnehmen wird. Ganz imGegenteil, Sie haben sogar geschätzte Einnahmepositio-nen noch erweitert, um Ihre Anträge zu finanzieren. Dieserschwert es natürlich dem Ministerium, diese 23 Millio-nen Euro zusätzlich einzusparen.Auch werden Sie bestimmt darauf hinweisen, dassdurch Ihren Antrag die Mittel im Kinder- und Jugend-plan um 4,5 Millionen Euro aufgestockt wurden. Das istwahr. Aber zeitgleich haben Sie Mittel für die Integra-tion junger Zuwanderer und Zuwandererinnen um die-selbe Summe gekürzt.
Da die Zweckbestimmung im KJP für diese4,5 Millionen Euro „Zuwendungen für junge Menschenmit Migrationshintergrund“ lautet, geht dieser Antragfür die jungen Menschen tatsächlich bestenfalls plus/mi-nus null aus,o8sPhotZEädtwigzH4hdbFwgsDisAwsdvKUrhsnebdaFdH
as nenne ich Zaubern von Deckungsvorschlägen. Dast aber keine ernsthafte Beratung. Dass wir bei dieserrt Zauber nicht mitmachen wollen, können Sie sichohl denken.Ich habe schon in der ersten Lesung darauf hingewie-en, dass nicht einmal die Hälfte der von uns zu beraten-en Änderungsgesetzentwürfe zu Beginn der Beratungorgelegen hat. Die Entwürfe der Gesetze betreffend deninderzuschlag, den Erziehungsfreibetrag und dennterhaltsvorschuss sind erst während der laufenden Be-atungen eingereicht worden. Bei den ganztägigen An-örungen zu diesen Gesetzentwürfen lagen den Sachver-tändigen die aktuellen Fassungen zum Teil noch garicht vor.
Die Vorschläge von Koch und Steinbrück sindbenfalls erst während der laufenden Beratungen einge-racht worden und sollten ursprünglich der Absicherunges Risikos dienen, dass im Vermittlungsausschuss nichtlle Ihre Gesetzentwürfe durchkommen. Tatsächlich hatinanzminister Eichel pauschal 1,2 Milliarden Euro, dieurch Subventionsabbau erzielt werden sollen, in denaushalt eingestellt mit der Bemerkung, die näheren
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6821
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Antje TillmannEinzelheiten könne man ja im Vermittlungsausschussklären.
Immerhin sind 50 Steuergesetze von den Änderungenbetroffen, über die wir bislang nicht einmal beraten ha-ben. Sie können sich sicherlich vorstellen, dass mir einesolche Beratung keinen Spaß macht.
Aus diesem Grund wollten wir die Haushaltsberatun-gen aussetzen und nach dem Ende der Verhandlungen imVermittlungsausschuss wieder aufnehmen. Sie habenam kommenden Freitag noch immer die Chance, das zu-sammen mit uns durchzusetzen. Ich würde mich freuen.Ansonsten müssen Sie das vorliegende Zahlenwerk– „Haushalt“ kann man das nach unserer Ansicht nichtnennen – alleine verantworten.Danke.
Das Wort hat nun die Kollegin Bettina Hagedorn,
SPD-Fraktion.
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! LiebeKollegen! In Zeiten gut gefüllter Kassen Politik zu ma-chen ist nicht schwer. Aber da wir im Moment solcheZeiten nicht haben – darüber sind wir alle sicherlich ei-ner Meinung –, mussten wir uns der Aufgabe stellen, dieGestaltungsspielräume, die wir haben wollten, selbst zuschaffen. Wir mussten also klare Prioritäten setzen undeinen roten Faden spinnen, um nicht nur sagen zu kön-nen, was wir gerne hätten und was möglich ist, sondernauch, um deutlich zu machen, was nicht möglich ist. Dasgehört dazu. Genau dieser unliebsamen Aufgabe habenSie sich verweigert.Der Einzelplan 17, in dem nicht nur die Leistungenfür Familien, Senioren, Frauen und Jugend, sondernauch für Verbände, die Träger der freien Wohlfahrts-pflege, viele Tausende ehrenamtlich Tätige in unsererRepublik, zahllose Projekte in allen Bundesländern so-wie Leistungen zugunsten aller Generationen enthaltensind, hätte es fürwahr verdient gehabt, dass Sie kreativmitwirken.
In diesen Tagen werden Haushaltsberatungen eben-falls in den Ländern und Kommunen geführt. Auf al-len politischen Ebenen ist dabei Schmalhans Küchen-meister. In den Regionen stehen häufig gerade die ebenerwähnten gesellschaftlichen Gruppen als Sparopfer aufden Streichlisten. In den letzten Tagen war hier schon dieRede von den Studentendemonstrationen in einigen Län-dWPuz–DidshdIdCcDidz–d–1diIdhGrmHsvrsjs
Entschuldigung, ich rede über die kommunale Ebene.ort dominiert die CDU.
Den Jugendpflegern wird gekündigt. Den Pflegeelternst sogar die Beihilfe gestrichen worden. Herr Kampeter,as liegt nicht nur – die Platte kennen wir ja – an derchlechten finanziellen Situation der Kommunen. Esängt auch damit zusammen, wo Prioritäten gesetzt wer-en und wo nicht.
ch weiß mich mit vielen Eltern in diesem Land einig,ass in den Kommunen und in den Ländern, wo dieDU regiert, gerade bei diesen Gruppen enorm gestri-hen wird.
ie gute Botschaft, was den Einzelplan 17 anbelangt,st: Auf Bundesebene streichen wir nicht bei denjenigen,eren Arbeit gerade in der heutigen Zeit sozial unver-ichtbar ist.Die Mittel für den Kinder- und JugendhilfeplanFrau Tillmann, Sie haben ihn angesprochen – wurdenurch Umschichtungen innerhalb des Einzelplanesnichts anderes werde ich behaupten – auf06,7 Millionen Euro angehoben. Davon profitiert aller-ings auch die ganze Palette der präventiven Arbeit – dienternationale Jugendarbeit, die Freiwilligendienste, dientegrationsarbeit und die außerschulischen Maßnahmener Jugendbildung –, die so wichtig ist und die wir aufohem Niveau halten wollen.
Wir halten auch die Ansätze für die Familien-, dieleichstellungs- und die Seniorenpolitik mit insgesamtund 48 Millionen Euro auf gleich hohem Niveau. Dasuss doch einmal gesagt werden. Meine Damen underren von der Union, es ist ein Erfolg, wenn die An-ätze in solch einer Haushaltssituation auf gleichem Ni-eau gehalten werden. Das ist unser Erfolg und nicht Ih-er; denn Sie haben daran nicht mitgewirkt.
Wir sind auch stolz darauf, dass wir trotz der äußerstchwierigen Haushaltslage die Mittel für diejenigen Pro-ekte, mit denen man sich in unserem Land für bürger-chaftliches Engagement, Demokratiefähigkeit sowie
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6822 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Bettina HagedornToleranz und gegen Extremismus und Antisemitismusengagiert – sie werden in den Kommunen mit großemehrenschaftlichem Engagement getragen –, nicht nur ge-halten, sondern angehoben haben. Beispielsweise stehenin diesem Bundeshaushalt jetzt 19 Millionen Euro fürEntimon und Civitas bereit.
Insgesamt umfasst der Haushalt des Ministeriums fürFamilie, Senioren, Frauen und Jugend4 872,5 Millionen Euro. Dies ist – das ist völlig unbe-stritten – weniger als im vergangenen Jahr.
– Was heißt hier „aha“?
Es ist doch ganz klar, dass der Umfang der Haushalteinsgesamt gesunken ist. Es steht weniger Geld zur Verfü-gung. Herr Kampeter, das Kunststück der Politik bestehtgerade darin, dass man, gerade wenn weniger Geld zurVerfügung steht, Gestaltungsspielräume erobert, damitman trotzdem Schwerpunkte setzen kann. Das haben wirgemacht.
Es stehen in diesem Einzelplan allerdings126,4 Millionen mehr zur Verfügung, als im Regierungs-entwurf vom September vorgesehen war. Der Familien-haushalt gehört damit zu den Gewinnern der achtwöchi-gen Haushaltsberatungen.
Das ist gerade für die Familien eine frohe Botschaft;denn ausschließlich ihnen kommt dieses Geld als so ge-nannter Kinderzuschlag in einer Höhe von bis zu140 Euro monatlich zugute. Diejenigen Eltern, die sowenig verdienen, dass sie den Lebensunterhalt ihrer Kin-der davon nicht bestreiten können, erhalten ab dem1. Juli 2004 diese Familienleistung, die auf Dauer alsvöllig neuer Rechtsanspruch installiert wird. Das istdoch der entscheidende Punkt. Ich stimme Ihnen zu: Eswäre sehr schön, wenn es mehr als 140 Euro im Monatwären. Entscheidend aber ist – ich wiederhole –: Eswurde – für eine Gruppe, die es besonders nötig hat –eine neue Familienleistung installiert, auf die man einenRechtsanspruch hat.
Damit leiten wir eine Neuorientierung in der Famili-enförderung – weg vom Gießkannenprinzip und hin zueinem Einsatz der Mittel für eine zielgenaue Förderungdb1dwtHKhDRP1heSddigjalgKIhhddneddGAwn
arauf kommt es an.
Frau Eichhorn, Sie haben hier am 9. September zuecht angeprangert – manchmal lohnt es sich, in altenrotokollen zu lesen –, dass in Deutschland,1 Millionen Kinder und Jugendliche von der Sozial-ilfe abhängig sind. Diese Zahl ist richtig und sie ist fürin wohlhabendes Land beschämend.
ie haben aber vergessen, zu sagen, dass diese Zahl ausem Kinder- und Jugendhilfebericht von 1998 stammt,ass in Wahrheit also schon 1998 1,1 Millionen Kindern der Sozialhilfe waren. Das ist mithin das traurige Er-ebnis Ihrer und nicht unserer Politik.
Im Gegensatz zu uns, die wir mit dem Kinderzuschlagetzt ein erstes Instrument entwickelt haben, um dagegennzugehen, halten Sie bis auf den heutigen Tag an Fami-ientransferleistungen selbst für höchste Einkommens-ruppen fest. Das ist doppelzüngig. Insofern sind Ihrerokodilstränen hier in keiner Weise glaubwürdig.
n jedem Fall können wir eines sagen: Wir sind es, dieandeln. Gehandelt haben Sie für diese Zielgruppe bis-er nicht.
Das gilt auch für die immer größer werdende Gruppeer tatsächlich Alleinerziehenden in diesem Land, fürie ab dem 1. Januar 2004 die dauerhafte Einführung ei-es steuerlichen Freibetrags von 1 308 Euro pro Jahrndlich auf Dauer eine Entlastung bringen wird. Das be-eutet im nächsten Jahr knapp 100 Millionen Euro Min-ereinnahmen beim Bund. Ab 2005 summiert sich dasanze auf circa 300 Millionen Euro, die die tatsächlichlleinerziehenden dann zusätzlich in der Tasche habenerden.Auch hier gilt: Wir haben gehandelt. Sie haben sichicht daran beteiligt. Allerdings muss sich noch zeigen,
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6823
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Bettina Hagedornob das Ganze durch den Vermittlungsausschuss kommt.Da können Sie Farbe bekennen und sich entscheiden, obSie das mittragen, ja oder nein.Rot-Grün hat auch noch für eine andere Zielgruppegehandelt, nämlich für die Pflegeeltern, die durch dasSteueränderungsgesetz nach unserem Willen noch rück-wirkend für 2003 für den unbürokratischen Bezug vonKindergeld und Zusatzleistungen, die damit im Zusam-menhang stehen, Rechtssicherheit erhalten werden. Da-von sind 49 000 Kinder und Jugendliche, die auf Dauerin Pflegefamilien leben, positiv betroffen. Ihrem Wohldient diese Maßnahme und zu ihrem Wohl haben wir ge-handelt. Das verstehen wir unter zielgenauer Förderung.
Nicht erst seit PISA wissen wir, dass das Portemon-naie der Eltern für Kinder in Deutschland mehr als in an-deren Ländern über Erfolg und Misserfolg in Schuleund Ausbildung entscheidet. Länder, die bei der Bil-dung erfolgreicher sind als wir, haben ein flächende-ckendes schulisches Ganztagsbetreuungsprogramm undentsprechende Förderung. Darum ist das Investitionspro-gramm des Bundes mit den 4 Milliarden Euro der we-sentliche Ansatz in unserem Familienprogramm. Dabeigeht es darum, dass jungen Menschen Bildung undSelbstbestimmung unabhängig von der sozialen Her-kunft ermöglicht wird. 1 000 Millionen Euro stehen da-für in diesem Haushalt bereit, so wie es versprochen war.Auch da zeigt sich, dass wir diejenigen sind, die han-deln. Trotz knapper Kassen wird bei uns nicht bei derBildung junger Menschen gespart.
Allein in meinem Wahlkreis nehmen fünf Schulendieses Zuschussprogramm in Anspruch. Schleswig-Hol-stein – das kann ich Ihnen verraten – hat die Mittel für2003 zu 85 Prozent ausgeschöpft. Hier geisterte aus Ih-ren Reihen gestern durch den Raum, es sei nur zu10 Prozent in Anspruch genommen worden. Das mag fürCDU- oder CSU-regierte Länder zutreffen.
Da zeigt sich wieder, dass man das Ganztagsbetreu-ungsprogramm dort, wo es von einer Partei nicht alsder richtige Weg angesehen wird, nicht in dem Umfangin Anspruch nimmt und dabei die Interessen der Schülerund Schülerinnen, die davon profitieren sollen, nicht indem Umfang beachtet.
– In Schleswig-Holstein ist das jedenfalls anders. Ichhabe es gerade dargestellt.sdnMbssdAhgEinagEwghwdesFirizren3SenszvsnCzWl
Trotz der erfreulichen Botschaften soll nicht ver-chwiegen werden, dass im Einzelplan 17 gegenüberem Jahr 2003 unter dem Strich 229 Millionen Euro we-iger zur Verfügung stehen. Eingespart haben wir dieseittel – das soll hier gar nicht abgestritten werden –eim Erziehungsgeld. Das ist uns schwer gefallen. Dasage ich auch als Mutter von drei Kindern. Wer aber zu-ätzliche Leistungen installieren will, wie wir das mitem Kinderzuschlag und dem Freibetrag für tatsächlichlleinerziehende tun, muss schließlich auch sagen, wo-er die Mittel dafür kommen sollen. Vor diesem Hinter-rund finde ich es angemessen, bei besser verdienendenltern Abstriche beim Erziehungsgeld zu machen. Dasst ein schmerzhafter, aber ein richtiger Weg. Wir solltenämlich nicht verkennen, dass bisher sogar Bundestags-bgeordnete für ihre Kinder noch das volle Erziehungs-eld bekommen haben.
rklären Sie einmal den Bürgern draußen im Land,ieso wir darauf angewiesen sind. Insofern ist es aucherechtfertigt, dass wir dort Kürzungen vorgenommenaben.
Unter Gerechtigkeit verstehen wir, dass dann, wennenig zu verteilen ist, Förderung dort konzentriert wer-en muss, wo sie besonders notwendig ist. Unser Famili-nkonzept spiegelt genau das wider. Frau Eichhorn hatteich hier im September gewünscht, dass das rot-grüneamilienkonzept auf den Tisch gelegt wird. Voilà! Hierst es. Wir haben es auf den Tisch gelegt. Das Beste da-an ist, dass unser Familienkonzept keine Fata Morganast, sondern real umgesetzt und vor allen Dingen real be-ahlt werden kann. Das unterscheidet es eklatant von Ih-en Konzepten. Das so genannte konservative Konzeptines Familiengeldes, das Sie, Frau Tillmann, hier ebenoch einmal erwähnt haben, kostet nämlich1 Milliarden Euro. Das ist nicht finanzierbar. Obwohlie seit zwei Jahren davon reden, haben Sie noch nichtinmal im Ansatz den Versuch gestartet, eine Gegenfi-anzierung aufzustellen. Mit allen anderen Konzepten,eien sie von Merz, seien sie von Herzog, hat Ihr Kon-ept gemeinsam, dass es keine soliden Finanzierungs-orschläge dafür gibt – es gibt nämlich gar keine. All dascheint frei nach dem Motto zu gehen: Das macht dochichts, das merkt doch keiner.Neben der Unbezahlbarkeit ist das Schlimmste an denDU-Konzepten – dazu können Sie ja noch Stellung be-iehen –, dass sie unsozial und familienfeindlich sind.
eder die Kinder noch die Frauen haben Sie dabei näm-ich im Blick.
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Bettina HagedornDas Merz-Konzept sieht zwar unter dem Deckmantelvon Entbürokratisierung reichlich Steuervorteile für gutverdienende Kinderlose vor, aber eine vierköpfige Fami-lie mit 37 650 Euro Einkommen steht nach dem Modellvon SPD und Grünen besser da: Schon ab dem nächstenJahr braucht sie keine Steuern mehr zu bezahlen, wäh-rend sie es nach dem Merz-Modell sehr wohl müsste.
Dass Herr Merz auch noch das Kindergeld von1 848 Euro pro Kind im Jahr streichen will, kann wohlkaum als kinderfreundlicher Beitrag verstanden werden.
– Das stimmt.
Das Fazit: Ihre Modelle sind familienfeindlich, unso-zial und reiner Etikettenschwindel.
Wenn ich mir eine Bemerkung noch erlauben darf: ImZuge der Haushaltsberatungen hat auch Frau Merkelheute Morgen eine Rede gehalten.
Mir ist dabei aufgefallen – ich hoffe, Ihnen auch –, dassdie Wörter Familie und Kinder in ihrer ganzen Redenicht vorkamen.
Sie hat von grüner Gentechnik gesprochen, von Außen-politik und Steuermodellen, von der Ausbildungsplatz-abgabe und der Tarifautonomie. Aber Familien, Kinder,Jugendliche und junge Eltern kamen in ihrem Vokabularnicht vor.
Frau Kollegin, denken Sie bitte an die Redezeit.
Ich komme zum Ende. – Sie haben während der
Haushaltsberatungen nicht einen einzigen Einsparantrag
vorgelegt. Sie sind von meinen Kollegen verschiedent-
lich darauf aufmerksam gemacht worden.
– Mit „Sie“ meine ich die CDU/CSU. – Ich habe hier die
309 Anträge, die Sie zwölf Stunden vor der Bereini-
gungssitzung eingereicht haben. Um sie zu bearbeiten,
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ber diese Anträge sind ein Trauerspiel. Deshalb ist die
chleife, mit der ich diese Anträge umwickelt habe, üb-
igens auch schwarz.
s soll damit nicht nur symbolisiert werden, wer der
erfasser dieser Anträge war, sondern auch, wer sie
eute empfängt.
Sie müssen nun dennoch zum Schluss kommen.
Das tue ich auch.
Sie haben sich nämlich in den letzten acht Wochen
icht für die Familien engagiert, nicht für die Wohl-
ahrtsverbände, nicht für die Jugend, nicht für die Senio-
en, nicht für die Frauen. Sie haben schlichtweg Ihre Ar-
eit nicht gemacht. Das ist ein Anlass zum Trauern.
Zu einer Kurzintervention bekommt der Kollege
ampeter das Wort.
Frau Kollegin Hagedorn, wir respektieren jederzeit,enn es über den politischen Inhalt Streit gibt. Aberenn Sie behaupten, dass die CDU/CSU-Bundestags-raktion ihre Änderungsanträge so spät vorgelegt hätte,ass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Sekreta-iats des Haushaltsausschusses Überstunden hätten leis-en müssen, ist das objektiv falsch. Wenn Sie auf dierucksachennummern sehen, werden Sie feststellen,ass die zuletzt – in der Nacht – gedruckten Änderungs-nträge Ihre waren.
ch muss Ihnen ehrlich sagen: Auf diese Art und Weiseavon abzulenken, dass der Etat, den Sie hier zu vertre-en haben, sinkt, dass sich die Situation der Familien ineutschland nicht verbessert und dass die Frau Bundes-inisterin in vielen Bereichen eher eine Ankündigungs-inisterin als eine Ministerin der Tat ist, ist billige Pole-ik, die wir entschieden zurückweisen.
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Steffen Kampeter
Herr Kollege Diller, denken Sie bitte daran, dass Zwi-
schenrufe vornehmlich aus dem Plenum und nicht von
der Regierungsbank erfolgen dürfen.
Zur Erwiderung Frau Hagedorn.
Herr Kampeter, weder Sie noch ich haben bis mor-
gens um 4 Uhr in der Druckerei gestanden, um zu sehen,
welche Anträge zu welcher Minute gedruckt werden.
– Es wäre schön, wenn Sie mich ausreden ließen, Herr
Kampeter. Jetzt darf ich sprechen.
Tatsache ist, dass unsere Mitarbeiter und Mitarbeite-
rinnen in dieser Nacht bis morgens um 4 Uhr diese An-
träge drucken und verteilen mussten. Tatsache ist eben-
falls – darauf habe ich im Grunde genommen, genau wie
meine Kollegen, abgehoben –, dass diese Anträge zu-
nächst einmal die einzigen Anträge – so genannte An-
träge – waren, die Sie gestellt haben. In den acht Wo-
chen, die wir über das Thema beraten haben, ist von
Ihnen kein Antrag gekommen. Sie waren nur physisch,
also nur körperlich, anwesend, mehr nicht.
Diese Beratungsphase wäre die Zeit gewesen, inhalt-
liche Anträge zu stellen. Wir haben darauf gewartet.
Wir hätten uns gerne mit Ihnen darüber auseinander ge-
setzt. Mit Frau Tillmann hätte ich mich gerne zum Bei-
spiel darüber unterhalten, wie sie das Familiengeld hätte
gegenfinanzieren wollen. Es sind aber keine Anträge ge-
stellt worden.
Auf den über 300 Anträgen, die dann gekommen
sind, steht jeweils nur „Erörterungsbedarf“, mehr nicht.
Besonders viel Gehirnschmalz, wenn ich mir diese Be-
merkung erlauben darf, steckt da nicht drin. Das war
eine billige Effekthascherei, weil Sie den Medien gegen-
über angekündigt haben, dass Sie über 300 Änderungs-
anträge stellen würden. Dann stand aber nichts drin. Und
als die Presse gerade einmal nicht hingeschaut hat, ha-
ben Sie die Anträge schnell wieder zurückgezogen. In
jedem Fall sind dadurch Mitarbeiter sinnlos beschäftigt
worden, Papier ist sinnlos bedruckt worden.
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Nun hat die Kollegin Jutta Dümpe-Krüger, Bünd-
is 90/Die Grünen, das Wort. – Entschuldigung, ich bitte
m Nachsicht. Ich habe voreilig die übernächste Wort-
eldung aufgerufen. Das war ein allzu durchsichtiger
ersuch, überzogene Redezeiten an anderer Stelle einzu-
paren. Ich nehme das als untauglichen Versuch zurück
nd bitte um Nachsicht.
Herr Kollege Haupt.
Sie kriegen mildernde Umstände, Herr Präsident.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Esst mir übrigens eine Ehre, als einziger männlicher De-attenredner zum Einzelplan 17
nd damit hoffentlich sachlich zu wichtigen gesell-chaftlichen Problemen reden zu dürfen.
rau Hagedorn, Kabarett gehört eigentlich nicht hierher.Vorige Woche war der Jahrestag der Unterzeichnunger VN-Kinderrechtskonvention, übrigens eine dereistunterzeichneten Menschenrechtskonventionenberhaupt. Im Ausland wird nicht verstanden, dass aus-erechnet Deutschland sich nicht vorbehaltlos für Kin-errechte aussprechen will
nd noch immer nicht seine Vorbehaltserklärung zurinderrechtskonvention zurückgenommen hat. Unseruf in der Welt leidet darunter erheblich. Der politischechaden ist groß.Frau Kinderministerin, ich bitte Sie ganz herzlich:achen Sie Druck – im Kabinett und bei den Ländern –nd suchen Sie Wege, wie die Bundesregierung – not-alls auch im Alleingang – die Vorbehaltserklärung zu-ücknehmen kann.
Die bevorstehende Anhörung des VN-Ausschussesm 16. Januar in Genf zum Zweitbericht Deutschlandsäre ein guter Anlass zur Rücknahme der Interpreta-ionserklärung. Sie ist ein längst überfälliges Signal.
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6826 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Klaus HauptEin zentrales Anliegen im Zusammenhang mit Kin-derrechten ist die Partizipation. Die Teilhabe von Kin-dern und Jugendlichen an sie betreffenden Entscheidun-gen in der Gesellschaft muss – da sind wir uns alleeinig – auf allen Ebenen, in allen Bereichen verbessertwerden. Ich begrüße deshalb ausdrücklich die vom Ju-gendministerium dazu geplante Beteiligungskampagne.Allerdings darf es nicht noch einmal passieren, dass unsim Nachgang zu einer solchen Kampagne von Jugendli-chen und deren Verbänden vorgehalten wird, es habesich nur um Scheinpartizipation gehandelt. Denn wirbrauchen Nachhaltigkeit statt Aktionismus gerade in die-ser wichtigen Frage der Partizipation.
Ich glaube, wir können kaum einen größeren Fehler be-gehen, als Kindern und Jugendlichen den Eindruck zuvermitteln, ihre Meinung, ihr Fachurteil zähle nichtwirklich.Liebe Kolleginnen und Kollegen, Familienpolitikund Sozialreform sind mittlerweile in aller Munde. Den-noch kann die familienpolitische Situation in Deutsch-land nicht befriedigen. Junge Familien müssen immenseKosten tragen für die Erziehung ihrer Kinder, obwohldiese Leistung im Interesse der gesamten Gesellschaftliegt. Wir müssen ihnen eine Perspektive bieten, sich einLeben mit Kindern auch wirklich leisten zu können.Sehr geehrte Frau Familienministerin, vor knapp 14Tagen haben Sie der Öffentlichkeit das Gutachten zu ei-ner nachhaltigen Gesellschaftspolitik vorgestellt. DieStudie zeigt die zentralen Ziele im Sinne einer nachhalti-gen Familienpolitik: eine steigende Kinderzahl, eine Er-höhung der Frauenerwerbsquote und eine bessere Inte-gration älterer Menschen in die Arbeitswelt.
Familienplanung braucht Sicherheit und Zuversicht.
Die Bundesregierung hat aber eine tiefe Verunsicherunggeschaffen.
Sie haben die Voraussetzungen für den Bezug des Bun-deserziehungsgeldes erst verbessert; jetzt wollen Sie esdeutlich kürzen. Sie haben beschlossen, die steuerlichenVergünstigungen für Alleinerziehende zu streichen; nachheftigen Protesten soll ein neuer Steuerfreibetrag für Al-leinerziehende wieder eingeführt werden.
Die Bundesregierung hat die Möglichkeit, dass berufstä-tige Eltern die Kosten für ihre Haushaltshilfe von derSteuer absetzen können, erst gestrichen und dann wiedereine Abzugsmöglichkeit bis zu einem Höchstbetrag ein-geführt.
iese Orientierungslosigkeit in der Politik ist das Ge-enteil von dem, was Familien brauchen: Planbarkeitnd Verlässlichkeit.
Alle Studien zeigen: Deutschland gibt im internatio-alen Vergleich keineswegs wenig Geld für Familien-örderung aus. Aber wir stecken einen zu großen Anteiln undifferenzierte Transfers. Wir müssen künftig zielge-au und wirksam den Familien helfen, die Hilfe wirklichenötigen.
Zum Jahresende 2002 bezogen – das wurde hierchon erwähnt – rund 1,02 Millionen Kinder und Ju-endliche unter 18 Jahren Sozialhilfe, 37 Prozent dermpfänger insgesamt. Frau Hagedorn, da ist es auchurst, piepe, schnuppe, egal, aus welchem Jahr dieseahl ist. Es ist einfach ein Skandal für dieses wohlha-ende Deutschland.
Wir müssen dafür sorgen, dass Familien nicht alleinegen des erforderlichen Unterhalts für ihre Kinder aufozialhilfe oder das neue Arbeitslosengeld II angewie-en sind. Außerdem müssen wir für Eltern mit geringeminkommen Arbeitsanreize schaffen, damit erwerbstä-ige Eltern nicht schlechter gestellt sind als Sozialhilfe-mpfänger. Ob der geplante Kinderzuschlag zu diesemiel führt, bleibt abzuwarten.Das Haupthindernis, das junge Menschen davon ab-ält, ihren Kinderwunsch zu realisieren, ist die unzu-ängliche Infrastruktur zur Kinderbetreuung. Junge El-ern wollen arbeiten. Dafür brauchen sie zuallererstrbeitsplätze und dann vielfältige, flexible und bezahl-are Betreuungsangebote für ihre Kinder.
Die Finanzierung der versprochenen Betreuungs-lätze für unter Dreijährige durch erhoffte Einsparungenei der Gemeindefinanzreform und den Arbeitsmarktre-ormen steht auf tönernen Füßen.
ie finanzielle Unterstützung für die Kommunen ist ver-choben worden und beginnt erst 2005. Der Betreuungs-ipfel wurde abgesagt.Liebe Kolleginnen und Kollegen, Tagesmütter undväter können eine günstige und hochflexible Former Kinderbetreuung sein. Bisher aber ist die Beschäf-igung von Tagesmüttern und -vätern versicherungs-echtlich und steuerlich sehr kompliziert.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6827
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Klaus HauptDie FDP hat jetzt eine Initiative zur Vereinfachung derTagespflege in den Bundestag eingebracht. Damitkönnte den Familien sofort geholfen werden und nichterst in zwei Jahren.
Tageseinrichtungen und Tagespflege sind nicht nurverantwortlich für die Kinderbetreuung, sondern auchfür Erziehung und Bildung. Die jüngsten internationalenStudien zeigen, dass der Bildungsauftrag des Kindergar-tens insgesamt, und nicht nur für Problemfälle, inDeutschland deutlich fokussiert und besser umgesetztwerden muss. Frühkindliche Bildung als Vorausset-zung von Chancengleichheit für das Kind und als Inves-tition in die wichtigste Ressource unserer Gesellschaftmuss uneingeschränkt, also gebührenfrei, zugänglichsein. Kostenlose Halbtagskindergartenplätze mit Bil-dungsauftrag würden gerade Kindern mit höherem För-derbedarf und aus problematischen Familien zugutekommen.Chancengleichheit für Kinder aus unterschiedlichensozialen Milieus hat einen besonderen Stellenwert beiKindern aus Familien mit Migrationshintergrund. DieIntegration von Zuwanderern ist eine entscheidende He-rausforderung für unsere Gesellschaft. Dazu gehörtauch, dass durch frühkindliche Bildungsmaßnahmen dieKompetenz der Kinder für die deutsche Sprache recht-zeitig gefördert wird.
Denn nur so haben die Heranwachsenden später auf demArbeitsmarkt eine Chance; nur so werden sie auch wirk-lich in unserer Gesellschaft ankommen. Hier besteht eindringender Handlungsbedarf, den wir übrigens schon beiden Haushaltsberatungen der vergangenen Jahre ange-mahnt haben.
Die weit überdurchschnittlichen Einsparungen imEinzelplan 17 gehen fast ausschließlich zulasten des Zi-vildienstes. Die finanzielle Austrocknung des Zivil-dienstes wird letztlich dazu führen, dass es zwangsläufigzur Aussetzung der Wehrpflicht kommt, wie sie übrigensvon der FDP seit langem gefordert wird.
Problematisch wird die Übergangszeit. Nachdem dieFDP seit Jahren ein Konzept für einen geordneten undplanbaren Rückzug aus dem Zivildienst anmahnt, hatnun auch die zuständige Ministerin Handlungsbedarf er-kannt.
Mit der Einsetzung der Kommission „Impulse für die Zi-vilgesellschaft“ ist ein erster Schritt in die richtige Rich-tung getan. Wir begrüßen das ausdrücklich. Ohne diegrundlegende parlamentarische Entscheidung über dieZukunft der Wehrpflicht hat die Kommission jedoch defacto keine Handlungsgrundlage.mgPkfttRrtFlgiwsaHrdflSnDmIwsSuekdhGNE
Die demographische Entwicklung mit dem zuneh-enden Älterwerden unserer Gesellschaft und der gerin-er werdenden Geburtenrate erfordert ein Umdenken inolitik, Wirtschaft und Gesellschaft. Ich glaube, wirönnen auf die Produktivität, die Kreativität und die Er-ahrung von Älteren nicht verzichten. Es ist absurd, poli-isch einer Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsal-ers das Wort zu reden, wenn zugleich das faktischeenteneintrittsalter immer mehr sinkt.
Die Arbeitsmarktpolitik hat den Trend zur Frühver-entung in den letzten Jahren gefördert. Nach einer Un-ersuchung der Bertelsmann-Stiftung verursacht dierühverrentung Gesamtkosten von mindestens 60 Mil-iarden Euro im Jahr. Sie ist uns damit mehr wert als deresamte Bereich Forschung und Entwicklung, für denm Jahre 2001 rund 50 Milliarden Euro aufgewendeturden. Vorschläge der FDP, die Frühverrentung zutoppen, sind von der Mehrheit des Hauses regelmäßigbgelehnt worden, zuletzt bei den Beratungen zuartz III und IV.Die von der Bundesregierung beschlossenen Notope-ationen wie das Aussetzen von Rentenerhöhungen undie Verdoppelung des Beitrags zur Pflegeversicherungür Rentner führen zu kräftigen realen Einkommensver-usten für die Rentner. Es kann doch nicht sein, dass dieeniorenpolitik nur noch aus Zumutungen und immereuen Belastungen für die ältere Generation besteht.
azu hätte ich gern Ihre mahnende Stimme wahrgenom-en, Frau Seniorenministerin. Überhaupt habe ich vonhnen seniorenpolitisch außer Ankündigungen kaum et-as gehört. Das lang versprochene Altenhilfestrukturge-etz ist beispielsweise noch immer nicht in Sicht.Wirklich tief greifende Reformen sind unabdingbar.ie würden von den älteren und jüngeren Menschen innserem Land mitgetragen, wenn die Hoffnung auf einechte und nachhaltige Verbesserung der Zukunftsfähig-eit unserer Gesellschaft bestünde. Ich habe derzeit nichten Eindruck, dass in der Öffentlichkeit dieses Vertrauenerrscht.Danke.
Nun hat die Kollegin Dümpe-Krüger, Bündnis 90/Dierünen, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit deminzelplan 17 haben wir einen Sparhaushalt vor uns.
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Jutta Dümpe-KrügerDennoch ist es uns gelungen, Prioritäten zu setzen. Wirwerden im Hinblick auf die notwendigen Konsolidie-rungsmaßnahmen dafür sorgen, dass es zu keinen struk-turellen Veränderungen kommt, und das, obwohl für denEinzelplan 17 in 2004 weitere 17,6 Millionen Euro er-wirtschaftet werden müssen.Aber, meine Damen und Herren von der Opposition:Während wir hier unsere Hausaufgaben erledigen, ent-wickeln Sie eine Verweigerungshaltung, die unglaublichist.
Sie sitzen zwar hier, was gut ist und Sie schreien dazwi-schen. Ansonsten haben Sie es sich aber wirklich abge-wöhnt, mental an Haushaltsberatungen teilzunehmen.Begründung: Der Vermittlungsausschuss wird es schonrichten.Die FDP hat gestern mit ihrem Antrag auf Absetzungder Haushaltsberatungen ebenfalls im AussteigerbootPlatz genommen. Nun habe ich überhaupt nichts gegenAussteiger; aber man wundert sich schon, auf welcherSeite dieses Hohen Hauses sie momentan sitzen.
Frau Tillmann, es kann doch nicht Ihr Ernst sein, dassSie heute wieder sagen, dass das Parlament sein Budget-recht an den Vermittlungsausschuss abgeben soll.
Das zeugt nicht nur von mangelndem Demokratiever-ständnis; das ist in meinen Augen auch glatte Arbeitsver-weigerung.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage desKollegen Fricke?
Nein. – Herr Fricke, Sie sollten jetzt ruhig einmal hö-ren, was ich vortrage. Vielleicht ergibt sich ja zumSchluss noch eine Gelegenheit.Ich komme zum Kinder- und Jugendplan. Sie,meine Damen und Herren von der Union, haben wieder-holt behauptet, Rot-Grün vernachlässige die Anliegenjunger Menschen. Ich finde das ebenso scheinheilig wieselbstgefällig. Trotz aller Konsolidierungsmaßnahmenhaben wir nämlich Akzente gesetzt, zum Beispiel da-durch, dass die Kürzungen im Kinder- und Jugendplanmit 4,7 Prozent erheblich geringer ausgefallen sind alsursprünglich vorgesehen. Die Veränderungen ergebensich im Wesentlichen durch auslaufende Modellpro-gramme, zum Beispiel beim Programm „InterkulturellesNetzwerk der Jugendsozialarbeit im Sozialraum“. DasProgramm ist im Juli ausgelaufen. Es ist in enger Koope-ration mit den Angeboten zum Beispiel der Jugend- unddgsHdbanwkdrBl–wgbseValIrm2fVztwUhngdw3mp
hnen fällt überhaupt nicht mehr auf, wie diskriminie-end das ist.
Sie sind nicht ein einziges Mal auf die Idee gekom-en, dass es bei einem Anteil von nur noch rund3 Prozent ausbildungswilligen Betrieben endlich Zeitür eine Ausbildungsplatzumlage wird. Aber unsinnigeorschläge, beispielsweise den, dass sich demnächstwei bis drei Jugendliche eine Ausbildungsvergütungeilen könnten,
eil die Wirtschaft und die Unternehmen dann untermständen bereit wären, mehr Jugendliche auszubilden,aben Sie ganz fix bei der Hand. So funktioniert es ebenicht.
Bei den Haushaltsberatungen im vergangenen Jahrab es schmerzliche Einschnitte im Bereich des Zivil-ienstes. So mussten die Träger darüber unterrichteterden, dass sie sich mit 50 Prozent statt wie zuvor mit0 Prozent an den entstehenden Kosten beteiligtenüssten. Das haben sie getan, um zu verhindern, dass eslötzlich zu einer drastischen Absenkung der Zahl der
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Jutta Dümpe-KrügerZivildienstleistenden kommt. BundesfamilienministerinRenate Schmidt hat damals versprochen, dass diese Kür-zungen nur für ein Jahr gelten würden.Ich habe das Geschrei der FDP noch gut im Ohr, HerrHaupt.
Von der Austrocknung des Zivildienstes und von einemfinanziellen Kahlschlag war damals und auch heute wie-der die Rede. Es wurde behauptet, dass die Kürzungenim Leben nicht zurückgenommen würden.Wir stellen fest: Die Ministerin hat Wort gehalten.Trotz schwieriger Haushaltslage ist der alte Zustand wie-derhergestellt. Ich bin der Ansicht, dass es an dieserStelle einmal Zeit für eine Entschuldigung wäre.
Ich habe im Übrigen kein Verständnis dafür, dass wiruns zwar einerseits darüber im Klaren sind, dass der Zi-vildienst ein Auslaufmodell ist,
aber andererseits ständig beklagt wird, dass dann nie-mand mehr zur Betreuung bereitsteht. Wir alle wissen,dass die ersten Träger für den Fall der Fälle Konzepte inder Schublade haben. Der Mix heißt: Ausweitung derFreiwilligendienste sowie Umwandlung in sozialversi-cherungspflichtige Arbeitsplätze und Minijobs. Damitkönnten wir als Grüne ganz gut leben.Weil meine Redezeit gleich abgelaufen ist, kommeich zum Schluss. Uns war es auch wichtig, dass bei denFreiwilligendiensten nicht gekürzt wurde. In diesem Be-reich wurden die Mittel – im Gegenteil – sogar geringfü-gig erhöht. Außerdem ist es uns gelungen, die Mittel fürdie Programme gegen Rechtsextremismus zu versteti-gen. Meine Kollegin hat das eben schon angesprochen.Ich denke, hier wurden durch die Koalition weitere Zei-chen gesetzt. Abschließend möchte ich mich an dieserStelle ganz ausdrücklich bei allen Berichterstatterinnenund Berichterstattern bedanken.Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Kollege Fricke hat um eine Kurzintervention gebeten.
Ich verbinde das mit dem Hinweis, dass es auch eine
kurze Intervention sein möge.
– Aber selbstverständlich, Herr Präsident.
Liebe Kollegin Dümpe-Krüger, als Journalistin sind
Sie ja fast noch mehr als wir anderen in erster Linie der
Wahrheit verpflichtet,
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n zweiter Linie aber auch einer stärkeren Recherche-
nd Informationspflicht. Wenn Sie hier wider besseres
issen und vor allen Dingen ohne Rücksprache mit Ih-
en Haushältern behaupten, dass sich die FDP aus den
eratungen verabschieden wolle, dann darf ich Sie
reundlich auf Folgendes hinweisen: Unser Verständnis
st, dass es im Vermittlungsausschuss um mehrere Milli-
rden Euro geht. Die Ergebnisse, die dort erzielt werden,
ätte man abwarten können. Notfalls wäre die FDP auch
ereit, zwischen den Feiertagen Sondersitzungen durch-
uführen. Mit Ihrem Verhalten, indem Sie zum Beispiel
eine Zwischenfragen zulassen, wollen Sie im Endeffekt
ur vertuschen, dass Sie schon jetzt wissen, dass Sie
uch für das nächste Jahr einen Nachtragshaushalt be-
ommen werden.
Zur Erwiderung, bitte schön.
Herr Kollege, ich habe gesagt – ich glaube, das war
anz laut und deutlich –, dass Sie gestern mit Ihrem An-
rag auf Absetzung der Beratungen zum Haushalt eben-
alls im Aussteigerboot Platz genommen haben. So ähn-
ich habe ich es formuliert. Ich glaube, dass ich ganz
trikt bei der Wahrheit geblieben bin.
Danke schön.
Das Wort hat nun die Kollegin Maria Eichhorn, CDU/
SU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Familien-olitik muss in den Mittelpunkt aller anstehenden Refor-en rücken. Das haben die Diskussionen in den letztenochen und Monaten gezeigt.
Leistungen zielgenau denen zugute kommen zu las-sen, die sie wirklich benötigen: Das ist die Maximedieser Bundesregierung.as haben Sie, Frau Ministerin, in der ersten Lesungum Haushalt 2004 erklärt.Aber nach den neuesten Zahlen des Statistischen Bun-esamtes landen immer mehr Kinder und Frauen in derrmut. Jede vierte Alleinerziehende war zuletzt auf So-ialhilfe angewiesen. Dabei steigt ihre Bedürftigkeiteutlich mit der Kinderzahl. Bei Müttern mit drei und
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6830 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Maria Eichhornmehr Kindern sind es 48 Prozent; das ist jede zweite Al-leinerziehende. Gegenwärtig erhalten 6,6 Prozent derKinder und Jugendlichen unter 18 Jahren Sozialhilfe.Dies ist ein doppelt so hoher Anteil wie in der Gesamt-bevölkerung. Allein von 2001 auf 2002, Frau Hagedorn,stieg diese Quote bei Kindern um 1,9 Prozent.
Die Verantwortung für diese katastrophale Entwicklungliegt allein bei Ihnen.
Künftig wollen Sie Ihre Familienpolitik nur noch aufFamilien in prekären Einkommensverhältnissen und Al-leinerziehende reduzieren. So steht es in einem Antragvon Ihrem letzten Bundesparteitag.
Das ist schließlich die völlige Bankrotterklärung. AlleFachleute sind sich einig, dass Familien insbesondere inder Familiengründungsphase finanzielle Unterstützungbenötigen. Statt Familien zu fördern, haben Sie jedochdrastische Einschnitte beim Erziehungsgeld vorgenom-men. Diese Verschlechterung beim Erziehungsgeld istuntragbar. Ihre Behauptung, dass von der Kürzung derEinkommensgrenzen nur ein geringer Teil der Familienbetroffen ist, wurde von den Experten in der Anhörungtotal widerlegt.Heute hat die überwiegende Mehrzahl der Familiennach der Geburt des Kindes einen Erziehungsgeldan-spruch. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsfor-schung geht in seiner Stellungnahme davon aus, dass abdem Jahr 2005 aufgrund der Kürzungen jährlich etwajede dritte Familie ihren Anspruch auf Erziehungsgeld inden ersten sechs Monaten nach Geburt des Kindes ver-lieren wird.Die Aussage, dass fast alle Frauen mit Kindern unterdrei Jahren sofort wieder eine Erwerbstätigkeit aufneh-men wollen, ist nicht haltbar. Zwei Drittel dieser Frauenverzichten auf eine Erwerbstätigkeit und nehmen sichganz bewusst Zeit für ihre Kinder. Diese Zahl haben Sie,Frau Schmidt, im April dieses Jahres selbst vorgestellt.Dennoch kürzen Sie wider besseres Wissen das Erzie-hungsgeld. Die Arbeitsgemeinschaft Interessenvertre-tung Alleinerziehender befürwortet dagegen ein Erzie-hungsgeld von 500 Euro für insgesamt drei Jahre. Daransollten Sie sich orientieren.
In fünf Bundesländern – vier davon sind unions-regiert – wird im Anschluss an die Gewährung von Bun-deserziehungsgeld im dritten Jahr ein Landeserziehungs-geld gezahlt.
In Rheinland-Pfalz dagegen hatte die SPD-Regierung1997 nichts anderes zu tun, als das Landeserziehungs-geld zu streichen.umEztvEdbssIwENttkFnKSezhdmnFhbsdzHgKuzKzüsn
indergeldzuschläge für Geringverdienende sind ausicht des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väterin Armutsbeschönigungszuschlag. Dem ist nichts hin-uzufügen.
Der Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandesat bei der Sachverständigenanhörung am 8. Oktobereutlich gemacht, dass diese Neuregelung das Problematerieller Armut von gering verdienenden Familienicht lösen wird.
amilien mit Kindern bleiben bei Rot-Grün auch weiter-in auf der Strecke.
Nach Schätzungen des Paritätischen Wohlfahrtsver-andes steigt durch die Zusammenlegung von Arbeitslo-en- und Sozialhilfe die Quote der Kinderarmut vonerzeit 6,6 Prozent auf 9,2 Prozent. Mit welchen Kon-epten werden Sie dieser Entwicklung begegnen? Frauagedorn, wir haben mit dem Vorschlag, ein Familien-eld einzuführen, ein schlüssiges Konzept vorgelegt, dasinder aus der Sozialhilfe holt. Das Familiengeld wirdnabhängig von Erwerbstätigkeit und Einkommen ge-ahlt und ersetzt die Kosten in voller Höhe, die durchinder entstehen. Und das nennen Sie unsozial?
Eine Diskussion über eine familienfreundliche undukunftsorientierte Politik ist in Deutschland mehr alsberfällig. Schließlich sind die Folgen der demographi-chen Entwicklung in allen Bereichen spürbar. Mit ei-er Geburtenrate von 1,3 Kindern pro Frau liegt
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6831
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Maria EichhornDeutschland im weltweiten Vergleich am unteren Ende.Die Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter in Deutsch-land wird langfristig von derzeit 11 Millionen Frauen auf9 Millionen Frauen im Jahr 2030 zurückgehen.
Wirtschaftsverbände beklagen schon heute den Mangelan Fachkräften. Die Überalterung der Gesellschaft ge-fährdet die Innovationsfähigkeit von Wirtschaft und Ge-sellschaft
und damit auch den technischen Fortschritt.
Auf dem jüngsten Bundesparteitag der SPD haben Sie,Frau Schmidt, gesagt, Deutschland brauche mehr Kin-der. Wenn Sie wollen, dass sich mehr junge Menschenfür Kinder entscheiden, müssen Sie ein familien- undkinderfreundliches Klima schaffen.Eltern nehmen mit der Erziehung der Kinder nicht nurVerantwortung auf sich, sondern auch erhebliche Kos-ten. Der Betrag, den Eltern für ein Kind vom ersten biszum 18. Lebensjahr ausgeben, beläuft sich auf rund281 000 Euro; bei zwei Kindern sind es 399 000 Euro.Das ist ein enormer Betrag. Daher ist eine ausreichendefinanzielle Förderung für eine zukunftsorientierte Politiknach wie vor unverzichtbar.
Einig sind wir uns über das Erfordernis eines vielfälti-gen und bedarfsgerechten Ausbaus der Kinderbetreuung.Da vorhin von fehlenden Kinderbetreuungsmöglichkei-ten gesprochen wurde, darf ich Ihnen die neuesten Zah-len – Stand: November 2003 – vortragen:Die schlechteste Versorgung mit Plätzen in Kinderta-gesstätten für Kinder von drei bis sechs Jahren hatNiedersachsen – bisher SPD-regiert – mit 90,6 Prozent.Mecklenburg-Vorpommern – SPD-regiert – weist 90,7 Pro-zent auf.
– Es geht um den Versorgungsgrad. – Es folgt Sachsen-Anhalt – bisher SPD-regiert – mit 91,9 Prozent. Die bes-ten drei sind das Saarland – CDU-regiert – mit119 Prozent, Sachsen – CDU-regiert – mit 99,4 Prozentund Bayern – CSU-regiert – mit 98,6 Prozent. Das habeich der Länderübersicht zur Versorgungssituation im Be-reich der Kindertagesstätten entnommen. Sie können dasganz aktuell nachlesen. Das ist die Wahrheit.
Eine zukunftsorientierte familienfreundliche Politikbeinhaltet aber mehr als Kinderbetreuung und Kinder-geld. Dazu gehören auch Maßnahmen eines verbessertenZugangs zum Arbeitsmarkt für diejenigen, die nach ei-ner Elternzeit wieder in den Beruf einsteigen wollen.Genauso wichtig sind auch bessere Chancen für Fami-lcIbvgRnVHrutvbgddhwdbtdzDnwgzsdssGdJu
Wir alle wissen, dass eine nachhaltige Familienpolitikie Zukunftsfähigkeit unseres Landes sichert. Was unsiese Zukunftsfähigkeit wert ist, wird sich bei den anste-enden Reformen zeigen. Deutschland fehlt der Nach-uchs; wir haben zu wenig Kinder. Die wenigen Kinder,ie wir haben, sind zudem überproportional von Armutetroffen. Die Familienpolitik muss daher oberste Priori-ät haben.
Wir müssen endlich anerkennen und berücksichtigen,ass die Erziehung von Kindern der wichtigste Beitragum Generationenvertrag ist.
ie Unterstützung und Förderung von Familien ist nichtur ein Gebot sozialer Gerechtigkeit, sondern dadurchird auch für eine junge nachwachsende Gesellschaftesorgt. Diese wird dringend gebraucht, um unser So-ialsystem zu sichern und um den technischen Fort-chritt und Innovationen voranzubringen. Wir müssenie Benachteiligungen von Familien beseitigen.Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Ent-cheidung vom 3. April 2001 zur Pflegeversicherung ge-agt – ich zitiere –:Die gleiche Belastung mit Versicherungsbeiträgenführt zu einem erkennbaren Ungleichgewicht zwi-schen dem Gesamtbeitrag, den Kindererziehende indie Versicherung einbringen, und dem Geldbeitragvon Kinderlosen.enerationengerechtigkeit erreichen wir nur, wenn dieemographische Entwicklung positiv beeinflusst wird.unge und Alte, Eltern und Kinderlose, Arbeitnehmernd Arbeitgeber sind hier gleichermaßen gefordert.
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6832 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Maria EichhornIch zitiere am Schluss Gertrud Bäumer, Frauenrecht-lerin und Politikerin, die bereits 1933 festgestellt hat:Der Inbegriff der Politik eines Volkes ist die Frage:Was habt ihr euren Kindern zu bieten? Eine solchePolitik führt an den Ursprung zurück. Sie beginntbei der Familie.Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam gehen!
Das Wort hat nun die Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend, Frau Schmidt.
Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie, Se-
nioren, Frauen und Jugend:
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe
Kolleginnen! Lassen Sie mich ganz am Anfang den drei
Haushälterinnen und dem einen Haushälter ganz herz-
lich danken. Ich tue dies am Anfang nicht deshalb, weil
ich Sie milde stimmen will, sondern schlicht und ein-
fach, weil ich diese Zusammenarbeit schätze und ich sie
– das ist an alle Fraktionen gerichtet – als gut und ver-
trauensvoll empfinde.
Ich glaube, das ist beispielhaft. Ich finde das wirklich
ganz ausgezeichnet.
Liebe Frau Tillmann, liebe Frau Eichhorn, wissen Sie,
worüber ich mich besonders gefreut hätte? Wenn wir
heute bei diesen Haushaltsberatungen endlich einmal
über wirklich unterschiedliche Konzepte zur Familien-,
Frauen-, Jugend- und Seniorenpolitik geredet hätten –
und wenn dies nicht leere Worthülsen geblieben wären,
sondern erhärtet worden wären durch ganz konkrete
Anträge, die zu diesem Haushalt gestellt sind.
Wenn Sie zum Beispiel beim Erziehungsgeld be-
stimmte Regelungen ablehnen, dann hätte ich mich ge-
freut, wenn endlich einmal klar geworden wäre, wie Sie
denn eigentlich das, was Sie vorschlagen und für richtig
halten, konkret umsetzen wollen. Leider muss ich wieder
einmal feststellen: Fehlanzeige! Klar ist, was Sie nicht
wollen, nämlich alles, was wir wollen.
Klar ist, was Sie kritisieren, nämlich die Kürzungen
beim Erziehungsgeld, die Regelungen für Alleinerzie-
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Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
ollegin Tillmann?
Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie, Se-
ioren, Frauen und Jugend:
Ja, gerne.
Frau Tillmann, bitte schön.
Frau Ministerin, stimmen Sie mir zu, dass es auch bis-er in der Sozialhilfe einen Erhöhungsbetrag für Kinderibt? Stimmen Sie mir weiter zu, dass es einen ähnlichenrhöhungsbetrag demnächst im Arbeitslosengeld II ge-en wird? Und stimmen Sie mir dann noch zu, dass die-er Erhöhungsbetrag fast auf den Euro genau der Betragst, den Sie als Kinderzuschlag in die Welt setzen, dasslso diese Familien – wenn sich nicht zusätzlich Dingendern, zum Beispiel durch Erwerbstätigkeit – durch deninderzuschlag nicht einen Euro mehr in der Tasche ha-en werden?Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie, Se-ioren, Frauen und Jugend:Frau Tillmann, wir sind uns in einer Frage vollkom-en einig: Dreh- und Angelpunkt ist natürlich die Er-erbstätigkeit. Das ist überhaupt keine Frage. Das kön-en wir hier aber nicht diskutieren.
Herr Kampeter, ich habe Sie und Ihre Zurufe ein paartunden genossen. Vielleicht ist es möglich, sich eineiertelstunde zurückzuhalten. Das wäre reizend.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6833
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Bundesministerin Renate Schmidt– Ich weiche nicht aus, aber ich möchte gerne einigerma-ßen ungestört meine Rede zu Ende führen, HerrKampeter. Ich habe ein paar Benimmregeln gelernt.Vielleicht könnten wir uns auf diese verständigen. Es istspät genug.
Jetzt zu Frau Tillmann: Sie haben vorhin richtiger-weise vorgerechnet, dass von dem für den Kinderzu-schlag eingestellten Gesamtbetrag ein gutes Drittel alstatsächliche zusätzliche Aufwendung übrig bleibt. Diesezusätzliche Aufwendung kommt den Familien zugute.Sie können gerne sagen, dass diese paar Millionen zuwenig sind. Das ist Ihr gutes Recht. Ich habe aber diegroße Bitte, dass Sie auch einmal einen Blick auf Ihrenoch nicht so lange zurückliegende Regierungszeit wer-fen und zur Kenntnis nehmen, dass schon damals1,1 Millionen Kinder in der Sozialhilfe waren. Dass die-ser Zustand angesichts der jetzigen Situation nicht miteinem Schlag beseitigt werden kann, dürfte doch wohlklar sein.Für die Familien bleibt etwas übrig. Ich bin stolz da-rauf, dass es in dieser prekären Situation gelungen ist, indiesem Bereich etwas für die Familien zu erreichen.
Es gibt aber nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten.Eine der Pflichten einer Opposition, die ernst genommenwerden will, besteht darin, eine gangbare finanzierbareAlternative vorzulegen, statt – wie Sie es tun – in einerfantasielosen Verweigerungs- und Blockadehaltung zuverharren. Was wollen Sie denn nun? Sie haben heutewieder gesagt, Sie wollen ein Familiengeld. In der End-stufe – ich weiß, dass man das nicht auf einmal umsetzenkann; das kritisiere ich auch gar nicht – kostet das31,8 Milliarden Euro.Herr Mißfelder – ich zitiere ihn nicht allzu häufig –hat in der „Frankfurter Rundschau“ heute ein Interviewgegeben. Ich zitiere daraus:Wo es richtig schief gegangen ist, war der FallKatherina Reiche. Man zaubert eine junge Frau ausdem Hut, die vorher nie etwas mit Familienpolitikzu tun gehabt hat, reicht sie im Wahlkampf rum undzieht sie dann zurück. So etwas wird einem übel ge-nommen. Oder nehmen Sie das Familiengeld. Daswurde propagiert, ohne zu sagen, wie man es finan-zieren will – und hat es dann stillschweigend ein-kassiert. So geht das nicht!
Im weiteren Verlauf sagt Herr Mißfelder, dass man aufdem Leipziger Parteitag versuchen werde, das Familien-geld wieder aus der Versenkung zu holen. FrauEichhorn, ich habe vollständig zitiert.Sie müssen sich entscheiden: Wollen Sie nun das Fa-miliengeld oder wollen Sie die Steuerreform à la Merz,der zwar behauptet, Familien entlasten zu wollen, ihnenanAwgWlrcbRmtBwsbHrk2SWVgszRwNgkbIlgl
ußerdem frage ich Sie: In welchem Einzelplan scheintenigstens eine Idee Ihrer Vorschläge durch? – Nir-endwo!
orüber soll man sich denn streiten, wenn nichts vor-iegt? Es wäre richtig, etwas vorzulegen. Nur zu kritisie-en ist einfach; aber einen Vorschlag und das entspre-hende Finanzierungskonzept vorzulegen ist einisschen schwieriger.
Frau Eichhorn, Sie haben richtigerweise die Frage derente angesprochen. Was wollen Sie in diesem Zusam-enhang? Wollen Sie die Anrechnung zusätzlicher Ren-enversicherungsjahre für Kindererziehung – à laöhmer und Merkel –, was dann über Steuern finanziertird? Für die Geburten vor 1992 sollen zwei Rentenver-icherungsjahre berücksichtigt werden und für die Ge-urten nach 1992 drei Jahre; hinzu soll ein Abschlag inöhe von 50 Euro pro Kind auf den Rentenversiche-ungsbeitrag kommen. Wenn Sie das zusammenrechnen,ommen Sie auf einen Bedarf von mindestens0 Milliarden Euro jährlich. Sie haben keinen einzigenatz dazu gesagt, wie Sie das finanzieren wollen.
ollen Sie das oder wollen Sie die an die Grenze dererfassungsmäßigkeit gehende Strafaktion à la Stoiberegen Kinderlose? Was wollen Sie denn nun? Womitoll man sich in diesem Parlament denn auseinander set-en? Man weiß ja gar nicht, was Sie eigentlich wollen.
Frau Eichhorn, in einem gebe ich Ihnen vollkommenecht: Auch bezüglich der Rente muss noch etwas getanerden.
atürlich haben wir – das sage ich verhältnismäßig un-eschützt – in der Hinterbliebenenversorgung Möglich-eiten, Umschichtungen zugunsten derer, die Kinder ha-en, vorzunehmen.
ch halte das für notwendig, wenn auch mit langen Vor-aufzeiten, weil wir den Vertrauensschutz für diejenigenewährleisten müssen, die sich auf diese Leistungen ver-assen haben.
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6834 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Bundesministerin Renate SchmidtWir müssen einfach sehen: Verläufe ununterbrochenerErwerbstätigkeit von kinderlosen Ehepaaren werden inabsehbarer Zeit dazu führen, dass diese satte Hinterblie-benenversorgungen kassieren, ohne dass für die Hinter-bliebenenversorgung jemals ein einziger Euro Beitraggeleistet wurde. An dieser Stelle kann man zusammen-kommen. Da sehe ich Möglichkeiten, aber nicht bei Ih-ren unfinanzierbaren Vorstellungen, mit denen Sie unsjeden Tag überhäufen
und mit denen Sie zur Verunsicherung von Menschenbeitragen.
Ich sehe, dass sich Ihre Familienpolitik nach wie vor inder Forderung nach milliardenschweren finanziellenLeistungen erschöpft.Damit komme ich jetzt zu dem, was meinen Haushaltleitet: Wir nehmen einen wirklichen Paradigmenwechselvor, und zwar weg von der Diskussion, die sich in derForderung nach mehr materiellen Leistungen und höhe-rem Kindergeld erschöpft, und hin zur Priorität für dieVerbesserung der Infrastruktur für die Familien. Ichglaube, das ist dringend notwendig, weil wir uns von derIllusion verabschieden müssen, dass es irgendwann undirgendwie möglich sein könnte, über Steuern, Transfer-leistungen oder Leistungen der sozialen Sicherungssys-teme ein gesamtes Erwerbseinkommen annähernd zu er-setzen. Das geht nicht.
Das müssen wir wissen. Wenn wir gleichzeitig wissen,dass die meisten jungen Menschen beides unter einenHut bringen wollen, dann müssen wir der Erfüllung die-ser Wünsche die Priorität geben. Genau das versuchenwir zu tun. Wir versuchen das mit dem Projekt Ganz-tagsschulen und mit dem Projekt der Verbesserung derBetreuung für die unter 3-Jährigen.
Ich habe die herzliche Bitte an Sie, Folgendes zu be-denken: Wenn Sie im Vermittlungsausschuss die Ge-meindefinanzreform und die Hartz-IV-Reformen blo-ckieren, dann blockieren Sie auch die Verbesserung derInfrastruktur für die unter 3-Jährigen. Deshalb mein Ap-pell an Sie, die Konsequenzen Ihrer Blockadepolitik ins-gesamt zu sehen.
Frau Eichhorn, Sie haben aufgezählt, welche Bundes-länder bei den Betreuungszahlen vorne liegen.
Zum einen haben Sie nur die Zahlen für die über 3-Jähri-gen genannt und zum anderen müssen Sie sehen, dassdsGUDFkzDDugrveagndMmgFzcmdDttbfhWmwHsgPtvfMd
as kann nicht der Bund alleine. Hier sind auch Ländernd Kommunen gefordert.Ich habe so gut wie keine Redezeit mehr, würde abererne noch die Frage von Herrn Haupt zur UN-Kinder-echtskonvention beantworten. Herr Haupt, Sie habenollkommen Recht: Ich habe hier mehrfach die Initiativergriffen und Gott sei Dank gibt es in der Zwischenzeituch von den Ländern das eine oder andere positive Si-nal, dass wir bei diesem Thema vorwärts kommen kön-en. Bisher sind die Signale noch bescheiden. Die Bun-esregierung allein wird das nicht schaffen. Wir sind dereinung, der Vorbehalt zur UN-Kinderrechtskonventionuss endlich zurückgenommen werden. Meine Bitteeht an Sie, dass Sie auch die von der Union und derDP regierten Länder dazu auffordern, ihre Vorbehalteurückzunehmen, damit wir an dieser Stelle ein Stück-hen weiterkommen.
Meine sehr geehrten Herren, meine sehr geehrten Da-en, ich habe mir vorgenommen, das, was ich angekün-igt habe, umzusetzen.
azu gehört, dass wir beim Zivildienst zu den alten Be-rägen zurückgekehrt sind – für die Wohlfahrtsorganisa-ionen und die anderen Träger, die Zivildienstleistendeeschäftigen – und dass wir eine verlässliche Grundlageür die einbezogenen Zivildienstleistenden geschaffenaben, mit der alle Träger einverstanden sind.
ir haben dafür gesorgt, dass die Mittel für den Jugend-edienschutz aufgestockt werden und auch personell et-as getan werden kann. Auch hier gilt mein Dank denaushältern.Wir haben – an dieser Stelle kann ich Ihnen nicht zu-timmen, Frau Tillmann – bei der Bekämpfung der Ju-endarbeitslosigkeit sehr wohl etwas getan. Wir habenrogramme, von denen über 100 000 Jugendliche profi-ieren, erneut in Angriff genommen und in diesem Jahror sämtlichen Rotstiften gerettet. Das gilt zum Beispielür das Freiwillige Soziale Trainingsjahr, welches jungeenschen überhaupt erst einmal in die Lage versetzt, inen Beruf einzusteigen und ausbildungsfähig zu werden.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6835
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Bundesministerin Renate SchmidtSolche Programme sind dringend notwendig, weil es lei-der stimmt, dass manche junge Menschen nicht vonvornherein geeignet sind, eine Ausbildung zu beginnen.Wir haben das angekündigte Gender-Kompetenz-Zentrum gegründet und den runden Tisch Pflege einge-richtet, um zugunsten älterer Menschen eine Entbürokra-tisierung und die Verzahnung ambulanter und stationärerPflege zu erreichen.Ich glaube, dass das alles in diesen schwierigen Zei-ten nicht möglich gewesen wäre, wenn diese Bundesre-gierung es nicht ermöglicht hätte, mehr zu erreichen alserwartet. Dieser Bundesregierung sind nämlich Kinderund Jugendliche und deren Familien wichtig. Sie setztauf Generationensolidarität statt auf die Konfrontationder Generationen. Sie setzt auf die am besten ausgebil-dete Frauengeneration, die es in Deutschland je gegebenhat, und will deren Chancen nicht schmälern, sondern er-weitern.Diesen Weg werde ich weiter verfolgen, und zwar mitIhrer Unterstützung, aber sicherlich manchmal auchohne sie. Ich glaube, dass wir Erfolge haben werden unddass es in Deutschland künftig wieder Mut zum Kind ge-ben wird.
Ich erteile der Kollegin Ingrid Fischbach, CDU/CSU-
Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich dankeIhnen für den Anfangsapplaus, den ich – obwohl Sienoch gar nichts von mir gehört haben – auch auf michbeziehe. Ich habe mich schon einmal an das Rednerpultbegeben und da Sie so gut erzogen sind, wie die FrauMinisterin festgestellt hat, haben Sie sicherlich uns beidegemeint.
Frau Ministerin, auch ich bin gut erzogen. Ich habe inmeinem Elternhaus einiges gelernt, darunter zum Bei-spiel, dass jemand, der laut wird und schreit, noch langenicht Recht hat.
Auch wenn Sie lauter geworden sind, zeugt das nichtunbedingt von der Qualität und Wahrheit Ihrer Aussage.Wenn Sie den Kollegen Mißfelder zitieren, dann bitte ichum die ehrliche und vollständige Wiedergabe des Zitats.Sie haben sich auf das Interview in der „FrankfurterRundschau“ bezogen. Darin hat Herr Mißfelder nochFolgendes festgestellt:Auf dem Leipziger Parteitag werden wir uns ge-meinsam mit der CDA und der Frauen-Union des-halb dafür einsetzen, dass dies–ElbKzIMwmWddwsnFddfkwddmbäwddIzt„iwbsndrDd
s geht nicht, dass Sie nur Teile vortragen; wenn mög-ich, sollten Sie komplett zitieren.
Frau Ministerin, Sie mahnen konkrete Anträge an undeklagen, dass es in unseren Reihen unterschiedlicheonzepte gibt. Sie haben es nötig! Wo ist denn Ihr Kon-ept? Ich habe es gesucht.Als Sie angetreten sind, habe ich gedacht – ich sage eshnen ganz ehrlich –: Nachdem Ihre Vorgängerin, Frauinisterin Bergmann, im Kabinett etwas untergegangenar, kommt jetzt eine Ministerin, die zugunsten der Fa-ilien auf den Tisch hauen wird. Wo aber bleiben Ihreortmeldungen? Wo haben Sie Ihre Prioritäten vertei-igt? Ihre Namensvetterin im Kabinett hat ab und zu aufen Tisch gehauen – das muss neidlos anerkannterden –, wenn auch ohne großen Erfolg. Aber sie hatich zumindest bemüht. In Ihrem Hause war es zu mei-em Bedauern in letzter Zeit sehr ruhig.Die Kollegin Hagedorn hat festgestellt, dass es einerage des Willens ist, Prioritäten zu setzen. Wenn manen Willen hat, dann muss man versuchen, diesen auchurchzusetzen. Das hätte ich von Ihnen erwartet.In den Haushaltsberatungen können nur dann Anträgeormuliert werden, wenn auch der Haushaltsentwurfonkret ist. Dass Ihr Haushalt Luftnummern beinhaltet,issen Sie genauso gut wie ich. Sie wissen auch, dassie darin verpackten Zahlen keinen Bestand haben wer-en.Ich habe zu Hause unter anderem auch gelernt, miteiner Arbeitszeit effektiv umzugehen. Deswegen ha-en wir die Position vertreten, uns erst dann konkret zuußern, wenn Sie den Nachtragshaushalt einbringen undir die genauen Zahlen kennen. Dann werden wir unsazu konkret äußern. Aber an den Luftbuchungen wer-en wir uns nicht beteiligen, Frau Schmidt.
Als Sie noch nicht Ministerin waren, hat der Kanzlerhr Ressort als Ministerium für „Frauen und Gedöns“ be-eichnet. Er hat zum Jubiläum „50 Jahre Familienminis-erium“ damit geprahlt, er habe jetzt gelernt, es heißeFamilie, Senioren, Frauen und Jugend“. Damals habech geglaubt, dieser Mann habe es erkannt, auch ererde jetzt Prioritäten setzen und Sie in den Haushalts-eratungen unterstützen. Aber es ist absolut nichts pas-iert. Man merkt bei Ihren Reformvorhaben überhaupticht, dass Familien eine Rolle spielen. Das tut mir fürie Familien Leid.Familien haben mit deutlich mehr Belastungen zuechnen. Sie werden keineswegs gefördert und entlastet.ie Hauptlasten der zukünftigen Reformen tragen sieurch höhere Zuzahlungen sowie die Streichung oder
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6836 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Ingrid FischbachAbsenkung von familienpolitischen Leistungen. Fami-lien sind die großen Lastenträger dieser Regierung.Dabei hängt das Schicksal eines Staates – so hat esAlexandre Vinet schon im 17. Jahrhundert festgestellt –„vom Zustand der Familie ab“. Wie Recht er hat! Wie istder Zustand der Familien heute? Da Sie uns ja nicht im-mer Glauben schenken, Frau Ministerin, zitiere ich jetztden Präsidenten des Deutschen Kinderhilfswerks,Thomas Krüger, der anlässlich der Eröffnung des Welt-kindertagfestes Ende September in Berlin sagte:Deutschland marschiert in die demographische Ka-tastrophe. Kinder sind Armutsrisiko Nr. 1. Da sindSteuerfreibeträge für Alleinerziehende, Kindergeldund Kinderzuschläge für gering verdienende Elternoder das Erziehungsgeld kaum Anreiz zum Kinder-kriegen. Diese Förderungen sichern Kinder undihre Familien nicht einmal vor Armut. Deutschlandmuss deutliche Zeichen setzen, ... Durch die für2004 im Rahmen der Agenda 2010– das ist Ihr Reformwerk, nicht unseres –geplante Zusammenlegung von Sozialhilfe und Ar-beitslosenhilfe zum Arbeitslosengeld II steigt dieZahl der … von Armut betroffenen Kinder von jetzteiner halben Million auf 1,5 Millionen.So etwas sagt ein Präsident nicht einfach aus der hohlenHand; dazu hat er wohlweislich Informationen einge-holt. Deshalb kann ich überhaupt nicht verstehen, FrauHagedorn, dass Sie sich hier noch rühmen, dass den49 000 Kindern in Pflegefamilien etwas geholfen wird.Diese Maßnahme ist zwar für sich genommen gut, aberzugleich bringen Sie deutlich mehr, nämlich 500 000Kinder in die Sozialhilfe. Da würde ich mich schämen;so etwas ist unverantwortlich.
Frau Ministerin, Sie müssen auch auf die TatsacheAntworten geben, warum die jungen Leute, die Kinderhaben wollen, sie nicht bekommen. Wo haben Sie daeine Familienoffensive, wo findet Ihre Familienförde-rung statt? Ich kann gut verstehen, dass Ihnen unsereVorschläge nicht passen und Sie sich deshalb – nicht nurhier, sondern auch auf verschiedenen anderen Veranstal-tungen – aufregen. Wir alle wissen, dass weniger Kinderweniger Wachstum, weniger Wachstum weniger Kon-sum und weniger Konsum weniger Wohlstand bedeuten.Dazu zitiere ich den Präsidenten des Diakonischen Wer-kes, Jürgen Gohde:Mit Migration allein lässt sich dieses Defizit nichtausgleichen. Für die sozialstaatliche Entwicklungist ein Klima des Vertrauens grundlegend, sowohlim wirtschaftlichen, im politischen wie im persönli-chen Bereich.Bei diesem Zickzackkurs – dies hat der Kollege Hauptvorhin ganz deutlich gemacht – ist Vertrauen leider aufder Strecke geblieben.
Jürgen Gohde fährt fort:BavSelsZsWtgil–Fgaeld3hvdHhtmg
Ich möchte jetzt keine Frage beantworten, wie Sie,rau Hagedorn, es auch nicht getan haben. Wenn Sieleich eine Kurzintervention machen, werde ich daraufntworten.
Nein, Frau Kollegin, ich muss Sie fragen: Lassen Sie
ine Zwischenfrage der Kollegin Hagedorn zu?
Nein, lasse ich nicht zu.
Gut.
Betrachtet man die Kürzungen im Bereich der gesetz-ichen Leistungen für Familien, dann stellt man fest,ass der Etat von 3,7 Milliarden Euro im Jahr 2003 auf,5 Milliarden Euro im Jahr 2004 gekürzt wurde. Die Er-öhungen nach dem Bundeskindergeldgesetz in Höheon 124 Millionen Euro sind dabei schon einbezogen.Auf die drastische Reduzierung des Erziehungsgel-es hat schon meine Kollegin Eichhorn hingewiesen.ier werden gerade junge Eltern, die wegen der Erzie-ung ihrer Kinder für eine gewisse Zeit auf Erwerbstä-igkeit verzichten wollen, richtig zur Kasse gebeten. Sieüssen herhalten, um Finanzierungslöcher zu be-renzen.
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Ingrid Fischbach– Liebe Frau Kollegin, die einzigen positiven familien-politischen Leistungen – ich kann Ihnen die entspre-chenden Unterlagen zuschicken – sind unter der vonCDU/CSU und FDP geführten Bundesregierung er-bracht worden. Wenn Sie das einmal erreichen sollten,dann können wir gerne weiter diskutieren.
– Ich werde sofort darauf eingehen, werte Frau Kollegin.An dieser Stelle muss man festhalten, dass es seit derEinführung des Erziehungsgeldes 1986 eine solch drasti-sche Kürzung noch nie gegeben hat.
Daran müssen Sie sich messen lassen. Ich schicke Ihnen,wie gesagt, gerne die entsprechenden Unterlagen zu, da-mit Sie das nachlesen können.Unsere Bedenken sind sehr groß; denn es werden ein-deutig die Familien bestraft, die Kinder erziehen. Daskönnen wir nicht gutheißen. Das ist ein falsches politi-sches Signal. Gerade in der jetzigen Zeit dürfen solcheSignale nicht gesandt werden.Nun zu Ihrem Versprechen, Frau Ministerin – ichwürde mich freuen, wenn auch Sie zuhörten –, mehrGanztagsschulen einzurichten: Man muss feststellen,dass Ihre diesbezüglichen Angebote gut gemeint waren,dass sie aber nicht so angenommen wurden, wie Sie daserhofft haben. Wir wissen, warum das so gekommen ist.Die Förderung ist auf die Sanierung der Schulen be-grenzt worden und die Kommunen sind bei der personel-len Ausstattung allein gelassen worden.
– Frau Humme, Sie wissen doch, dass in NRW, demBundesland, aus dem Sie kommen, Horte geschlossenwerden, um Ganztagsschulen einzurichten. Es kommtauch vor, dass Schulen saniert werden, dass aber dasPersonal fehlt, um die Stunden abzudecken. Das istkeine Förderung, sondern eine Verwahrung von Kindern.Das hat mit Bildung nichts mehr zu tun.
– Frau Humme, in Herne regiert seit 40 Jahren die SPDund Sie sind als Pädagogin tätig gewesen. Sie wissendoch genau, dass es so ist.
Ich bin mir aber ganz sicher, dass sich dort demnächstnach der Wahl etwas ändern wird.„Das Schicksal des Staates hängt vom Zustand derFamilien ab.“ Den heutigen Zustand können wir nurdurch eine vernünftige Förderung der Familien, insbe-sondere der jungen Eltern sowie der jungen Menschenändern.idddtadrkKhssrm1rsdbdKgZwdEHgdz
Ich erteile der Kollegin Hagedorn das Wort zu einer
urzintervention.
Verehrte Kollegin, nehmen Sie bitte Ihre falsche Be-
auptung, die Sie vorhin in aller Öffentlichkeit aufge-
tellt haben, zurück, dass das Land Schleswig-Holstein
eine Zuschüsse zur Kindertagesstättenförderung zu-
ückfahre. Wenn Sie das nicht zurücknehmen, dann
uss ich Sie darüber aufklären, dass diese Förderung
988 – damals gab es noch eine CDU-geführte Landes-
egierung – bei 1,5 Millionen DM im Jahr lag, während
ie heute bei knapp 60 Millionen Euro im Jahr liegt, und
ass das Land auf Bitte der kommunalen Spitzenver-
ände den Kommunen angeboten hat, die Förderung auf
iesem Niveau zu belassen, wenn im Gegenzug die
ommunen ihre Zuschüsse nicht kürzen. Vier CDU-re-
ierte Kreise und CDU-regierte Kommunen haben ihre
uschüsse halbiert; darum wird diese Vereinbarung
ahrscheinlich nicht zustande kommen. Das Land hat
iese Zuschüsse nicht gekürzt.
Frau Kollegin Fischbach, Sie haben das Wort zu einer
rwiderung.
Ich glaube, die Kollegin Hagedorn war wegen deraushaltsberatungen im Stress.Werte Frau Kollegin Hagedorn, wenn Sie uns hier sa-en wollen, dass die Kommunen allein, also ohne Lan-eszuschüsse, die Kinderbetreuungseinrichtungen finan-ieren können, dann erzählen Sie absoluten Blödsinn.
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6838 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Ingrid FischbachIch habe Sie gerade darauf hingewiesen, dass Ihre Re-gierung in Schleswig-Holstein über die Reduzierung derZuschüsse streitet.
Nichts anderes habe ich gesagt. Man sollte immer ehr-lich bei dem bleiben, was gesagt wurde. Presseartikel be-legen, dass es diesen Streit gibt. Wenn Sie die entspre-chenden Unterlagen nicht haben, dann lasse ich sieIhnen gern mit der Publikation über die familienpoliti-schen Leistungen der CDU und der CSU zukommen.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Ekin Deligöz,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Mein Fazit aus dieser Debatte ist, dass wir alle mehrüber bessere Rahmenbedingungen für Familien redenmüssen. Wir alle sprechen über Generationengerechtig-keit und darüber, was wir für Kinder und das Zusam-menleben mit Kindern tun können. Wenn es aber darumgeht, das, was ich gerade angesprochen habe, ernst zunehmen und es umzusetzen, dann macht die Oppositionnicht mit.Wir reden hier tatsächlich auch über Sparmaßnahmen.Wir kürzen das Erziehungsgeld für Ehepaare, die einNettoeinkommen von mindestens 50 000 Euro haben.Der Durchschnittsverdienst in Deutschland liegt nochimmer bei 30 000 Euro. Gleichzeitig wollen wir dafürsorgen, dass Erziehungszeiten bei kurz aufeinander fol-genden Geburten nicht mehr gekürzt werden. Sie werdendagegenstimmen.Wir wollen ein verfassungskonformes Gesetz verab-schieden, das regelt, dass Alleinerziehende einen Steuer-freibetrag bekommen. Sie waren in Ihrer Regierungszeitnämlich nicht in der Lage, ein entsprechendes verfas-sungskonformes Gesetz zu verabschieden: Ihr Gesetzwurde vom Bundesverfassungsgericht einkassiert.
Unser Gesetzentwurf, der diesen Freibetrag vorsieht, istverfassungskonform. Sie werden dagegen stimmen.Wir wollen einen Kinderzuschlag für Familien mitprekären Einkommensverhältnissen einführen. Dabeigeht es nicht nur darum, dass bestimmte Familien mehrGeld bekommen. Es geht vielmehr darum, den mit demBezug von Sozialhilfe verbundenen Teufelskreis zudurchbrechen, also Familien aus dem Bezug von Sozial-hilfe und dem damit verbundenen Bittstellerstatus he-rauszuholen. Es geht darum, dass sich in diesem LandErwerbstätigkeit rentiert und dass derjenige, der arbeitet,mmGKMhtbugdiddeddnb–dIwUtfsDtnRtmuubzMteaDbKf
Wir wollen ein 4-Milliarden-Euro-Programm füranztagsschulen einführen. Für die Betreuung vonindern im Alter von null bis drei Jahren soll es ein 1,5-illiarden-Euro-Programm geben. Obwohl Sie hier be-aupten, auch Sie seien für die Förderung der Kinderbe-reuung, werden Sie dagegen stimmen. Sie sind nichtesonders konstruktiv. Überall dort, wo es tatsächlichm die Änderung der Rahmenbedingungen für Familieneht, stimmen Sie einfach dagegen.Zu Beginn dieser Debatte haben Sie sich ein bisschenarüber lustig gemacht, dass Herr Rürup uns geraten hat,n die Infrastruktur zu investieren. Um Ihnen zu zeigen,ass wir richtig liegen, verweise ich auf einen Artikel iner Frauenzeitschrift „Lisa“, die beim Emnid-Institutine Studie in Auftrag gegeben hat. Diese Studie ist zuem Ergebnis gekommen, dass 60 Prozent der Frauen iniesem Land gerne arbeiten würden, es aber nicht kön-en, weil ihnen dazu die Infrastruktur für die Kinder-etreuung fehlt.
Nein. Diese Frauen sagen, sie könnten es nicht, weilie entsprechende Infrastruktur fehlt.
nsbesondere bei einer Ganztagsstelle wüssten sie nicht,ohin mit ihrem Kind, weil der Kindergarten um 11.30hr zumacht oder die Schule eine Halbtagsschule ist.Ein weiteres Ergebnis dieser Studie ist, dass ein Groß-eil dieser Mütter die heutigen Kinderbetreuungsplätzeür nicht zufriedenstellend halten. 95 Prozent der Mütteragen: In den Kinderbetreuungseinrichtungen ineutschland sind die Gruppen zu groß, die Öffnungszei-en zu unflexibel, die Kosten zu hoch und die Betreuungicht qualitativ hochwertig. Genau da investiert dieseegierung. Wir sagen: Wir investieren in die Kinderbe-reuung, in die Infrastruktur. Das werden wir im kom-enden Haushalt mit dem 4-Milliarden-Euro-Programmnd mit den Investitionen in die Kinderbetreuung für dienter Dreijährigen im Umfang von 1,5 Milliarden Euroesiegeln.Ich nenne Ihnen noch ein Beispiel, das zeigt, dass wiru Recht in die Infrastruktur investieren. Sie sind dereinung, man müsse in Familiengeld investieren. Kos-enfaktor: 30 Milliarden Euro. Wir wissen nicht, wie Sies finanzieren wollen. Sie sagen weiter, wir bräuchtenuch bei der Rente bessere Leistungen für die Familien.ie Kosten dafür werden mit 19 bis 20 Milliarden Euroeziffert. Damit wollen Sie Frauen motivieren, mehrinder zu bekommen. Ich sage Ihnen: Das ist genau deralsche Ansatz.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6839
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Ekin DeligözWir brauchen die Infrastruktur. Den Beweis dafür fin-den wir in der Stadt Laer in Nordrhein-Westfalen. DieseStadt hat 6 500 Einwohner, 13,5 Geburten pro 1 000 Ein-wohner und damit die höchste Geburtenquote in ganzDeutschland. Das liegt nicht daran, dass es dort billigesBauland, besonders tolle Supermärkte, McDonald‘s oderKinos gibt; ganz und gar nicht! Diese Stadt Laer hat fünfwichtige Einrichtungen: eine Ganztagsschule und vierGanztagskindertagesstätten.
Inzwischen wird soziologisch untersucht, warum esdazu gekommen ist, dass die Stadt Laer die höchste Ge-burtenquote in ganz Deutschland hat. Es liegt an diesenfünf Einrichtungen und an sonst nichts.Noch eine Zusatzinformation: Die Stadt Laer hat übri-gens einen grünen Bürgermeister, nämlich den Hans-Jürgen Schimke.
Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin
Christel Humme, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kollegin-nen! Ich muss sagen: Am Schluss der Debatte bin ichkein bisschen schlauer geworden
und kann der Ministerin Renate Schmidt absolut Rechtgeben: Sie haben kein Konzept. Sie sind zerstritten. Siehaben überhaupt keinen Mut, Verantwortung zu über-nehmen. Ihnen fehlt der Mut, den wir haben, nämlich derMut,
in dieser schweren Situation – das gebe ich zu – tatsäch-lich Verantwortung zu übernehmen.Mit unserer Agenda 2010 machen wir heute die nöti-gen Reformen, damit es uns morgen wieder besser geht.Dass das notwendig ist, zeigt Ihr Umgang mit demHaushalt in den 90er-Jahren. Wir zahlen heute für IhreSünden der Vergangenheit, meine Damen und Herrenvon der Opposition.
Damit unsere Kinder und Kindeskinder nicht die glei-chen Erfahrungen machen, setzen wir unseren Konsoli-dierungskurs fort.grwKtufMrs2bid4ma–kSwsgFu4lWBdwBwtusbg
Milliarden Euro gibt der Bund den Ländern und Kom-unen dazu, um den Ausbau der Ganztagsschulen vor-nzutreiben.
Die Ministerin hat es natürlich auch dargestellt; gareine Frage. Das habe ich damit nicht gemeint.
ie haben gar kein Konzept vorgestellt. Von daher ist esichtig – da beißt die Maus keinen Faden ab –, dass un-er Konzept zum Schluss noch einmal in den Vorder-rund gestellt wird.Die entsprechende Infrastruktur brauchen wir, Frauischbach, und da sind natürlich in erster Linie Ländernd Kommunen gefordert. Wir als Bund gebenMilliarden Euro, damit der Ausbau von Ganztagsschu-en vorangebracht werden kann.
ir geben jährlich weitere 1,5 Milliarden Euro für dieetreuung von Kindern unter drei Jahren,
amit entsprechende Investitionen auf den Weg gebrachterden können. Dass das geht, haben wir gerade ameispiel der Stadt Laer vernommen. Es gibt noch eineeitere beispielhafte Gemeinde in Holstein. Diese Poli-ik muss nur vor Ort umgesetzt werden. Genau das istnser Konzept: Wir wollen mit unserer Politik für bes-ere Bildungschancen, höhere Geburtenraten und füressere Chancen für Frauen auf dem Arbeitsmarkt sor-en.
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6840 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Tillmann?
Bitte erst zum Schluss meiner Rede. Ich habe nicht
mehr viel Zeit, wie ich gerade sehe.
Mehr Bildungs- und Betreuungsmöglichkeiten
brauchen Familien am nötigsten. Das wissen wir mittler-
weile. Die heutigen Eltern – auch das muss man
feststellen – haben leider sehr lange auf diesen so wichti-
gen Kurswechsel in der Familienpolitik warten müssen;
viel länger als Eltern in Frankreich, Großbritannien oder
Skandinavien. Dort hat man bereits vor 20 bzw.
30 Jahren in Bildungs- und Betreuungsmöglichkeiten in-
vestiert. Sie haben schon damals Ihre Verantwortung
nicht wahrgenommen, meine Damen und Herren von der
Opposition. Sie haben selig geschlafen und den Zug der
Zeit verpasst. Auch dafür müssen wir heute zahlen.
Welche Vorstellungen propagieren Sie nach wie vor?
Man kann es kaum glauben. Dies ist die dritte Debatte
darüber und Sie holen immer wieder das gleiche Kon-
zept aus der Mottenkiste, nämlich das Konzept eines
Familiengeldes. Der Vorschlag eines Familiengeldes
– das wiederhole ich auch zum dritten Male, damit es
endlich jeder wahrnimmt – ist unseriös, weil es in der
gegenwärtigen Situation nicht finanzierbar ist. Das weiß
jeder.
Das Familiengeld ist aber auch ungerecht, weil das Geld
per Gießkannenprinzip an alle Familien unabhängig vom
Einkommen verteilt wird. Auch dieser Aspekt darf nicht
vergessen werden: Es ist absolut unmodern, weil es die
Frauen nach Hause schickt. In Wirklichkeit handelt es
sich hierbei nämlich um eine Zu-Hause-bleib-Prämie.
Da beißt die Maus keinen Faden ab.
Wenn ich mir das Konzept von Herrn Merz ansehe,
stelle ich fest, dass es die gleichen Attribute verdient: Es
ist ebenfalls unseriös, ungerecht und unmodern.
Sie, meine Damen und Herren von der Opposition – das
muss ich leider feststellen –, haben nichts dazugelernt.
Sie setzen immer noch auf das falsche Pferd und entzie-
hen sich damit absolut der Verantwortung.
Frau Kollegin Humme, gestatten Sie eine Zwischen-
frage der Kollegin Eichhorn?
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Wir haben vorhin gehört, dass bei unserem Konzeptie Mittel zielgenau eingesetzt werden. Erziehungsgeldnd Kinderzuschlag sind ein wichtiger Einstieg in dierundsicherung für Kinder. Das ist ein Fortschritt.amit helfen wir 150 000 Kindern. Wenn Sie behaupten,as sei nicht das richtige Instrument, dann schlagen Sieen Kindern und den Eltern, die dieses Geld dringendrauchen, absolut ins Gesicht.Meine Damen und Herren von der Union, wir habenn der Agenda 2010 einen wichtigen Impuls für die Kon-unktur vorgesehen, nämlich das Vorziehen der Steuer-eform. Zugleich ist das auch ein wichtiger Impuls fürie Familien: Ab 1. Januar 2004 wird die Steuerbelas-ung der Familien um 10 Prozent sinken.
as betrifft, Frau Fischbach, in der Tat das Thema „Las-enträger Familie“. Durch das Vorziehen der Steuerreformerden Familien nämlich erheblich entlastet, sie zahlenm Durchschnitt circa 2 400 Euro weniger als 1998.
Arbeitsplätze werden wir nicht nur dadurch schaffen,ass die Eltern mehr Geld im Portemonnaie haben undeshalb mehr ausgeben können, sondern auch durch dieerbesserung der Infrastruktur. Denn wenn es mehranztagsbetreuung gibt – das ist erwiesen –, dann wer-en mehr Menschen einer Beschäftigung nachgehen, vorllen Dingen Frauen.
ann werden mehr haushaltsnahe Dienstleistungenachgefragt werden. All das wird Impulse geben. Es gibtine Untersuchung, in der festgestellt wurde, dass sicheder Euro, der in diesen Bereich investiert wird, drei-is viermal rechnet. Beschäftigung ist im Übrigen, Frauichhorn, genau das, was Familien brauchen, um vorrmut geschützt zu sein. Wir helfen ihnen an diesertelle durch die Förderung von Ganztagsbetreuung.Mehr Bildung und Betreuung sind Schlüssel für dieösung vieler Probleme in unserer Gesellschaft. Das istnser Ziel.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6841
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Christel HummeLassen Sie mich zum Abschluss noch einen Blick aufdie jungen Menschen richten, die ja auch zu unsererZielgruppe – Familie, Senioren, Frauen und Jugend –gehören. Unser Ziel ist – das ist nicht zu verachten –, al-len Jugendlichen einen Ausbildungsplatz und eine Qua-lifikation nach der Schulzeit zu geben. Wir machen dasmit zwei Instrumenten: Erstens haben wir JUMP-Plusmit 210 Millionen Euro auf den Weg gebracht und zwei-tens werden wir die Ausbildungsumlage einführen.Letztere soll immer dann greifen, wenn die Wirtschaftnicht allen jungen Menschen eine Chance auf Ausbil-dung einräumt.
Junge Menschen brauchen die Chance auf Ausbildungund Arbeit. Dafür übernehmen wir gerne die Verantwor-tung.
Jugendlichen eine Zukunftsperspektive zu geben undsie stark zu machen gegen Rechtsextremismus und fürToleranz gegenüber Andersdenkenden, das ist eine derwichtigen Säulen unseres demokratischen Systems. Des-halb kann ich nicht nachvollziehen, dass Sie von derUnion immer wieder versuchen, unsere Programme ge-gen Rechtsextremismus – Entimon und Civitas –, fürdie wir – da danke ich Frau Hagedorn ausdrücklich –jetzt wieder mehr Geld zur Verfügung stellen können, in-frage zu stellen.
Es ist verantwortungslos, Rechtsextremismus nurdann als Problem wahrzunehmen, wenn aufgrund einesaktuellen Vorfalls öffentlich darüber debattiert wird; die-ser falsche Umgang zeigt sich sogar im Deutschen Bun-destag. Die Zahl derer, die zu Rechtsextremismus undAntisemitismus neigen, hat sich in den vergangenenJahrzehnten nicht verändert. Deshalb sind und bleibenunsere Programme Entimon und Civitas sehr wichtig;denn die Bekämpfung des Rechtsextremismus bleibt füruns alle eine Daueraufgabe.
Meine Damen und Herren von der Union, wir sind aufden Zug der Zeit aufgesprungen, den Sie vor 20 Jahrenverpasst haben. Ich kann Sie nur auffordern, schnellst-möglich ein Ticket für diesen Zug zu kaufen,
und ich kann Ihnen auch sagen, wo es dieses Ticket gibt:am Schalter des Vermittlungsausschusses. Dann könnenwir gemeinsam in die Richtung gehen, die Familien,Kinder, Jugendliche, Frauen und Ältere brauchen.Danke schön.lbwnwdPWddeuvebndlkWfvSstHlgdgpFzL
Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich der Kol-
egin Eichhorn.
Frau Kollegin Humme, ich muss Ihnen ins Stamm-
uch schreiben, dass Sie wider besseres Wissen die Un-
ahrheit sagen. Würden Sie erstens bitte zur Kenntnis
ehmen, dass das Familiengeld unabhängig von der Er-
erbstätigkeit der Mütter und Väter gezahlt wird und
eswegen genau das Gegenteil von der Zu-Hause-bleib-
rämie ist, als die Sie es bezeichnen? Denn damit wird
ahlfreiheit ermöglicht.
Würden Sie zweitens bitte zur Kenntnis nehmen, dass
er Erfolg in Frankreich auf drei Säulen basiert: erstens
er Kinderbetreuung – da sind wir uns einig –, zweitens
iner einkommensabhängigen Förderung von Familien
nd drittens einer einkommensunabhängigen Förderung
on Familien? Diese drei Säulen sind wichtig, um das zu
rreichen, was es in Frankreich gibt, nämlich eine Ge-
urtenrate von 1,8 Kindern pro Frau.
Frau Kollegin Humme, bitte.
Frau Eichhorn, ich nehme das sehr gerne zur Kennt-
is, denn genau darauf bezog sich meine Äußerung, dass
as Familiengeld eigentlich ungerecht sei: Es geht ziel-
os an alle Familien, unabhängig von der Höhe des Ein-
ommens.
enn Sie sich unser Konzept anschauen, werden Sie
eststellen, dass die Summe, die Sie für das Familiengeld
eranschlagen, dort schon lange vorgesehen ist. Wenn
ie nämlich das Kindergeld und das Erziehungsgeld zu-
ammenrechnen, dann kommen Sie bei Familien im un-
eren Einkommensbereich auf eine Zahlung in dieser
öhe. Damit fördern wir Familien im unteren und mitt-
eren Einkommensbereich. Wir brauchen das Familien-
eld nicht für die, die ein hohes Einkommen haben. Von
aher ist unser Konzept sozial gerecht und Ihres ist un-
erecht.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-lan 17 – Bundesministerium für Familie, Senioren,rauen und Jugend – in der Ausschussfassung. Es liegenwei Änderungsanträge der Abgeordneten Dr. Gesineötzsch und Petra Pau vor, über die wir zuerst abstimmen.
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6842 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerWer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache15/2074? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – DerÄnderungsantrag ist mit den Stimmen des ganzen Hau-ses abgelehnt.Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache15/2075? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – DerÄnderungsantrag ist mit den Stimmen des ganzen Hau-ses abgelehnt.Damit kommen wir zur Abstimmung über den Einzel-plan 17 in der Ausschussfassung. Wer stimmtdafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – DerEinzelplan 17 ist mit den Stimmen der Koalition gegendie Stimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt I. 7 auf:Einzelplan 10Bundesministerium für Verbraucherschutz,Ernährung und Landwirtschaft– Drucksachen 15/1910 und 15/1921 –Berichterstattung:Abgeordnete Jürgen KoppelinErnst Bahr
Ilse AignerFranziska Eichstädt-BohligNach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ichhöre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die der De-batte nicht folgen wollen, den Plenarsaal möglichst zü-gig zu verlassen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-gin Gerda Hasselfeldt, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vor-liegende Landwirtschaftshaushalt ist ein Schlag ins Ge-sicht aller Bäuerinnen und Bauern. Er enthält keine Si-gnale, die den Landwirten eine Perspektive geben unddie die strukturellen Probleme der Landwirtschaft lösen.Vielmehr enthält er Maßnahmen, die sich direkt massivund negativ auf die Einkommen der Landwirte auswir-ken.
Das was er enthält, sind Maßnahmen, die die internatio-nale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtemassiv verschlechtern, und dies in einer Situation, in derdie Landwirtschaft alles andere als rosige Zeiten vor sichhat.Nach den uns vorliegenden Informationen über dieEinkommenssituation im Wirtschaftsjahr 2002/2003 ha-ben wir in manchen Bereichen Einkommensrückgängevon bis zu 40 Prozent zu verzeichnen; im Durchschnittliegen sie sogar bei 25 Prozent.Ich weiß nicht, was in diesem Land los wäre, wenndiese Einbrüche auch bei anderen Wirtschaftszweigen zuverzeichnen wären. Wir müssen diese Tatsache zurKdIgMtdjStitiIHfwdddstBInwM2dseSUskfmmSrsfk1Pdo
Zum Dritten ist Fakt, dass auch das fehlende Ver-rauen in die gesamte Wirtschafts- und Finanzpolitik derundesregierung ausschlaggebend ist für die fehlendenvestitionsfähigkeit und -bereitschaft der Landwirte.
Es wird häufig davon geredet, man müsse Subventio-en in der Landwirtschaft abbauen, da gerade die Land-irtschaft so viele Subventionen bekommen würde.
an sollte ganz deutlich sagen: In den Jahren 1998 bis002 ist die Hälfte des Subventionsabbaus auf Kostener Landwirtschaft gegangen. Man muss auch deutlichagen, dass beispielsweise die Agrarsozialleistungenben keine Subventionen sind; sie sind auch nicht imubventionsbericht der Bundesregierung enthalten.mso befremdlicher ist es, dass Sie gerade jetzt bei die-em Haushalt einschneidende Maßnahmen in der Kran-enversicherung der Landwirte vorsehen.
Ich will daran erinnern, dass es damals bei der Schaf-ung der eigenständigen agrarsozialen Sicherung ein-al Konsens in diesem Hause gab, dass nicht nur die de-ographische Entwicklung, sondern insbesondere dertrukturwandel in der Landwirtschaft durch einen höhe-en Bundeszuschuss abgesichert wird. Die Absicherungollte auch dadurch erfolgen, dass der Bund die Kostenür die Leistungen, die für die Altenteiler in der Kran-enversicherung der Landwirte erbracht werden, zu00 Prozent übernimmt.Nun haben Sie in den vergangenen Jahren durch Ihreolitik dazu beigetragen, dass sich der Strukturwandel iner Landwirtschaft noch schneller vollzieht, als er sichhnehin vollzogen hätte. Gerade in der Zeit, in der Sie)
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Gerda Hasselfeldteigentlich den Bundeszuschuss hätten erhöhen müssen,kürzen Sie ihn. Sie rücken von der 100-prozentigen De-ckung der Altenteilerkosten ab. Das Ergebnis sind mas-sive Beitragssatzsteigerungen für die Landwirte.Dies geschieht in einer Zeit, in der die Landwirtedurch das Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz diegleichen Einschränkungen bei den Leistungen wie dieanderen gesetzlich Versicherten in Kauf nehmen müs-sen. Zum einen haben sie aber – anders als diese gesetz-lich Versicherten – keine Wahlfreiheit. Das heißt, siekönnen, wenn sie nicht freiwillig versichert sind, nichtdie Kasse wechseln. Zum anderen müssen sie neben die-sen zusätzlichen Zuzahlungen auch noch höhere Bei-träge in Kauf nehmen. Diese einseitige Belastung derLandwirte lassen wir nicht durchgehen. Wir werden allesdaransetzen, dies im Vermittlungsverfahren zu ändern.
Nun wissen wir angesichts einer Reihe von Maßnah-men, dass vieles in der Landwirtschaft von Entscheidun-gen auf EU-Ebene abhängig ist. Gerade deshalb ist esnotwendig, dass wir einigermaßen vergleichbare Pro-duktions- und Wettbewerbsbedingungen schaffen. Sieunterlaufen dieses Ziel ständig nicht nur durch Maßnah-men im Bereich des Pflanzenschutzes und des Tierschut-zes, sondern auch – neuerdings verstärkt – durch dieAgrardieselbesteuerung. In vielen anderen europäi-schen Ländern ist die Agrardieselsteuer weit niedrigerals bei uns. Sie liegt zum Teil nur bei 3 oder 5 Cent proLiter, in einigen Ländern sogar bei null Cent. InDeutschland beträgt sie 25,6 Cent. Frau Minister, washaben Sie bisher getan, um dieses Ungleichgewicht zuändern? Anstatt für eine Harmonisierung auf europäi-scher Ebene zu sorgen, machen Sie mit Ihren Haushalts-entwürfen und Ihren aktuellen Entscheidungen das Ge-genteil dessen, was notwendig wäre. Sie wollen nämlichdie Agrardieselbesteuerung noch anheben, und zwar umdurchschnittlich 56 Prozent. Dies wirkt sich unmittelbarauf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirteaus. Sie müssen einmal die Bedingungen der deutschenLandwirte mit denen in anderen Ländern vergleichen.
Die niedrigere Besteuerung von Agrardiesel ist imÜbrigen keine Subvention, sondern diese Regelung trägtdem Umstand Rechnung, dass die landwirtschaftlichenFahrzeuge eben nicht überwiegend auf der Straße, son-dern auf Feldern, Wiesen, Äckern, in den Wäldern undauf dem Hof fahren.Ähnliches gilt für die Umsatzsteuerpauschalierung,die ebenfalls im Haushalt vorkommt. Man kann fast denEindruck haben, dass Sie alles tun, um die Landwirte zuschikanieren, wo es nur geht. In Ihren Sonntagsreden tö-nen Sie großartig, dass Bürokratie abgebaut und der Ver-waltungsaufwand reduziert werden soll. Aber im Alltagmachen Sie genau das Gegenteil.
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Das sage ich Ihnen sofort. – Ansätze zum Streichenibt es bei so mancher rot-grünen Spielwiese, beispiels-eise beim Bundesprogramm für Ökolandbau. Es istirklich abenteuerlich, dass Millionen von Euro ausge-eben werden für derartige Programme, die rein ideolo-isch bedingt sind, dass aber gleichzeitig den Landwir-en der Boden unter den Füßen weggezogen wird.
Mit dem Haushalt, den Sie heute zur Abstimmungorlegen, beweisen Sie einmal mehr, dass Sie zu einemchten Konsolidierungs- und Wachstumskurs nicht iner Lage sind. Vielmehr machen Sie unter dem Deck-antel eines solchen Kurses einen für uns alle wichtigennd vor allem notwendigen Wirtschaftszweig kaputt.azu, meine Damen und Herren, werden wir unsereand nicht reichen.
Nächster Redner ist der Kollege Ernst Bahr, SPD-raktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kollegin-nen und Kollegen! Verehrte Kollegin Hasselfeldt, waswir jetzt im Strukturwandel der Landwirtschaft aufzuar-beiten haben, ist das, was Sie uns hinterlassen haben.
Sie haben über Jahrzehnte den Strukturwandel in derLandwirtschaft blockiert. In der Art und Weise, wie Siedie Haushaltsberatungen als Fraktion und auch imAusschuss begleitet haben, ist deutlich zu sehen, wie Siedie Dinge begleiten wollen, nämlich nicht konstruktiv.Sie sind völlig destruktiv. Sie haben im Grunde genom-men nur gezeigt, wie schlecht der Zustand Ihrer Fraktionund Ihrer Partei ist.
Sie sehen nämlich keine Lösungen. Deswegen könnenSie sich an dieser Beratung gar nicht beteiligen.
Ich will die Einzelheiten gar nicht beschreiben; daswurde heute schon zur Genüge getan. Ich finde aber dieArt und Weise, wie Sie an der Haushaltsberatung nichtbeteiligt waren, unwürdig, und zwar in vielerlei Hin-sicht. Ich finde sie unter anderem deshalb unwürdig,weil Sie den Mitarbeitern des Ausschussdienstes zuge-mutet haben, über 300 Anträge – nein, nicht Anträge,sondern inhaltlose Papiere – in Nachtarbeit einzuarbei-ten. Am nächsten Morgen ziehen Sie diese Anträge dannzurück. Das ist den Mitarbeitern des Ausschussdienstesgegenüber wirklich unwürdig. So sind Sie auch mit unsumgegangen. Es ist unwürdig, mit uns als Ausschussmit-gliedern, mit Ihren Kolleginnen und Kollegen, so umzu-gehen.
Es ist vor allen Dingen auch unwürdig den Menschengegenüber, für die wir hier zusammenarbeiten sollen.Wenn Sie sich dieser Arbeit verweigern, so wie Sie esgetan haben, dann ist das wirklich nicht in Ordnung.
Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir jetzt wieder zursachlichen Arbeit im Haushaltsausschuss zurückkom-men könnten. Die Berichterstattergespräche haben aus-drücklich gezeigt, dass wir sachlich arbeiten können; wirwaren in den Berichterstattergesprächen sehr erfolg-reich. Wir haben in wenigen Beratungen in sehr kon-struktiver Arbeit all das geschaffen, was jetzt hier zupräsentieren ist. Insofern richte ich meinen herzlichenDank im Besonderen an Ihre Kollegin Frau Aigner, die,soweit sie das aus ihrer Position konnte, ordentlich mit-gearbeitet hat. Ich danke auch meinen anderen Kollegin-nen und Kollegen und den Mitarbeitern des Ministeri-ums.bicgdnddstvf8wtnhddrblsiscüeageEscKaal
Ich gehe aus Zeitgründen nicht so sehr auf den Ver-raucherschutz ein; denn die Verbraucherschutzpolitikst offenbar so gut, dass sie in den Berichterstattergesprä-hen nicht strittig war. Ich denke, hier hat die Regierungute Arbeit geleistet.
Was den Agrarhaushalt betrifft, so muss man sagen,ass wir hier in der Tat bewusst Einsparungen vorge-ommen haben, allerdings auch in dem Wissen, dass wiren Landwirten an einigen Stellen einiges zumuten. Wirenken aber, dass diese Zumutungen durchaus vertretbarind.Die Agrarsozialpolitik ist ein Bereich, in dem wirrotz Kürzungen schon bei einem prozentualen Anteilon 73 Prozent des Einzelplans 10 sind. Wenn wir soortfahren würden, wären wir in wenigen Jahren bei0 bis 90 Prozent. Das kann einfach nicht hingenommenerden, unter anderem deshalb, weil wir eine gestal-ende Politik machen wollen, die man mit den restlichenicht einmal mehr 30 Prozent aber nicht machen kann.Wir sind uns bewusst, dass wir eine wettbewerbsfä-ige Landwirtschaft brauchen,
ie auch im ländlichen Raum der eigentliche Motor fürie wirtschaftliche Entwicklung und auch für den kultu-ellen Fortschritt ist. Das ist uns sehr bewusst. Deswegenrauchen die Landwirte eine Situation, in der sie denändlichen Raum attraktiv gestalten können. Dafür müs-en wir die Voraussetzungen schaffen. Das tun wir auch.
Nach intensiver Diskussion haben wir beispielsweisem Bereich der Agrarsozialausgaben in der landwirt-chaftlichen Krankenversicherung eine Lösung entwi-kelt, die die landwirtschaftlichen Unternehmen nichtberproportional belastet. Im Haushaltsbegleitgesetz istine Absenkung der Defizitdeckung bei den Altenteilernuf 95 Prozent im nächsten Jahr, also im Jahr 2004, vor-esehen, ab 2005 dann auf 93 Prozent. Hinzu kommt eininmaliger Vermögensabbau in Höhe von 120 Millionenuro. Wegen der Auswirkungen der Gesundheitsreformteigt die Mehrbelastung für die in der landwirtschaftli-hen Krankenversicherung Versicherten nach diesemonzept bundesweit um durchschnittlich 4,8 Prozent.Ich denke, diese Regelungen sind sehr moderat, vorllen Dingen wenn man berücksichtigt, dass von Ihnennders darüber diskutiert worden ist. Die maximale Be-astung liegt bei 9,8 Prozent in Rheinland-Pfalz,
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Ernst Bahr
die maximale Entlastung bei minus 6,8 Prozent in Sach-sen. Dem ist hinzuzufügen, dass die Beiträge jetzt zwarsteigen, dass sie in den nächsten Jahren aber stabil blei-ben bzw. sogar leicht sinken werden. Insofern denke ich,dass das Konzept, das wir entwickelt haben, durchauszumutbar ist.
Im Grunde genommen konnten wir damit die Maßnah-men, die im ursprünglichen Haushaltsbegleitgesetz vor-gesehen waren, sogar milder gestalten. Auch das ist einErfolg unserer parlamentarischen Arbeit. Ich freue mich,dass dies gelungen ist.Dieser Kompromiss hat allerdings ein Problem aufge-worfen. Wir mussten nämlich gegenüber dem Regie-rungsentwurf Mehrausgaben in Höhe von 26 Millio-nen Euro feststellen. Dieser Betrag musste in diesemEinzelplan eingespart werden. Wir haben das geschafft,indem wir die Mittel für die tiergerechten Haltungsver-fahren, für Baumaßnahmen und für die Gemeinschafts-aufgabe moderat gesenkt haben.
– Nein, auf diesen Punkt komme ich gleich zurück.Die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Agrar-struktur und Küstenschutz“ haben wir gegenüber demRegierungsentwurf um etwa 6 Millionen Euro gekürzt.Wir meinen, das ist eine Größenordnung, die noch zuvertreten ist, obwohl wir sehr wohl wissen, wie wichtigdiese Gemeinschaftsaufgabe für die ländlichen Räumeist. Deshalb hat es mich umso mehr gewundert, dass so-wohl die FDP-Fraktion als auch die CDU/CSU-Fraktiondie Mittel für diese Gemeinschaftsaufgabe sogar um100 Millionen Euro kürzen wollte.
Derzeit haben wir einen Betrag von 735 Mil-lionen Euro eingespart. Aber im Regierungsentwurf sindschon 720 Millionen Euro aus den Vorjahren gebunden,und zwar durch Kassenmittel für den Küstenschutz,durch Anmeldungen der Länder bei der Ausgleichszu-lage und durch die Kofinanzierung des Bundes im Rah-men der Modulation.
Herr Kollege Bahr, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Carstensen?
Ja, bitte.
Herr Kollege Bahr, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu
nehmen, dass die Zustimmung zu der im Antrag der FDP
enthaltenen Kürzung ein Fehler war, den ich auf meine
Kappe genommen habe, dass es sich dabei also nicht um
eine Zustimmung durch die CDU/CSU-Fraktion gehan-
delt hat, sondern um einen Fehler, den ich, weil ich nicht
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Herr Kollege Bahr, gestatten Sie eine weitere Zwi-
chenfrage des Kollegen Koppelin?
Nein, ich würde in meinen Äußerungen gerne fortfah-en. Die Zeit ist schon fortgeschritten. Andere Kollegenollen auch noch reden.Es stehen noch 720 Millionen Euro an gebundenenitteln und 15 Millionen Euro an freien Mitteln zur Ver-ügung. Diese Mittel sind von großer Bedeutung für denändlichen Raum. Sie müssen wissen, dass jeder Euroine viel höhere Wirkung hat und demnach auch jedeürzung. Aus 1 Euro werden im Rahmen dieser Ge-einschaftsaufgabe in den alten Bundesländern 3,33 Eurond in den neuen Bundesländern 6,67 Euro; die Verviel-achung ist hier sogar noch beachtlicher. Der Verantwor-ung, die sich hieraus ergibt, müssen wir uns bewusstein.Trotzdem müssen wir die Mischfinanzierung und dieompetenzverschränkung der Gemeinschaftsaufgabewischen Bund und Ländern noch einmal überdenken.s wird meiner Meinung nach Aufgabe der Föderalis-uskommission sein, in dieser Frage Klarheit zu schaf-en und Möglichkeiten zu eröffnen, die die Finanzierunger Entwicklung der ländlichen Räume weiterhin si-hern. Eine Reduzierung oder gar eine ersatzlose Strei-hung ist nicht hinzunehmen. Wir werden uns auch nichtamit abfinden, wenn an der einen oder anderen Stellein entsprechender Versuch unternommen werden sollte.Die Welthandelsorganisation hat gezeigt, dass derarkt eines jeden Landes von vielen anderen Ländernedrängt wird. Das wissen wir. Deshalb müssen wir un-ere Landwirte in die Situation versetzen, dass sie imettbewerb mithalten können. Wir sind – auch das wis-en wir sehr wohl – Exportnation bei Agrarprodukten.nsofern ist es sehr wichtig, dass wir unsere Landwirtenterstützen und deren Wettbewerbsfähigkeit sichern.Es stellt sich für uns aber auch eine Aufgabe in einemnderen Bereich, wodurch der Landwirtschaft neue Zu-unftsmöglichkeiten eröffnet werden könnten. Nebener Produktion hochwertiger Nahrungsmittel und derandschaftspflege wollen wir dafür sorgen, dass dieandwirte durch den Anbau nachwachsender Rohstoffe
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Ernst Bahr
die Möglichkeit haben, ihre Flächen zu nutzen undgleichzeitig zu produzieren. Das halten wir für sehrwichtig. Dadurch könnten die Landwirte zum BeispielEnergien erzeugen und nutzen, die sie selber bewirt-schaften. Das ist eine weitere Möglichkeit, eine Zukunftfür die Landwirtschaft zu eröffnen. Deswegen werdenwir diesen Bereich ausbauen.
In meinem Heimatland Brandenburg gibt es zurzeit1 500 Anlagen von unterschiedlicher Größe, in denenBiomasse energetisch genutzt wird. Die Größenordnungbeträgt etwa 400 Megawatt. Ich denke, das ist eine be-achtliche Leistung. Damit zeigt sich, dass in diesem Be-reich noch Potenziale liegen, die man ausbauen kann.Ich hoffe, dass es uns gelingt, diese Technik in dennächsten Jahren durch gesetzgeberische Maßnahmenund durch Meinungsbildungsprozesse so zu befördern,dass die Landwirte darin eine Chance sehen können.
Wir beschreiten, wie Sie sehen, neue Wege und rü-cken davon ab, alte Konzepte zu verwenden. Subventio-nen und Protektionismus sind für die Landwirtschaftkein Zukunftsweg. Das ist ein Weg in die Vergangenheit,den wir nicht gehen wollen.Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Michael Goldmann,
FDP-Fraktion.
Du oller Fischkopp, wat sägst du doa?
De meent, ick wär’n Hühnerbaron. Dat is aber nich so.Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Eigentlich könnte das eine richtig gute Agrar-woche sein, wenn man sich ansieht, wie viele Tagesord-nungspunkte zum Bereich Agrar auch im Bundesrat aufder Tagesordnung stehen. Angesichts des schlechtenHaushaltes ist es aber keine gute Agrarwoche.Liebe Frau Künast, Sie betreiben eine schlechteAgrarpolitik. Mit Agrarwende hat das wirklich nichtsmehr zu tun. Sie führt in Deutschland schlicht und er-greifend zu einem Agrarende für viele, viele Bauern undfür weite Teile der Lebensmittelwirtschaft.
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Herr Kollege Bahr, mit einigen Zumutungen hat dasberhaupt nichts mehr zu tun. Mit Ihrer Kritik an dem,as Herr Carstensen getan hat, sind Sie schnell bei derand. Erkundigen Sie sich einmal nach dem, was überie Europäische Union zum Beispiel auf die Landwirt-chaft zukommt. Dort wurden massive Einschränkungenei den Finanzmitteln auf den Weg gebracht. Erkundigenie sich einfach einmal, wie die Einkommenssituationer Bauern zum Beispiel in der Milchwirtschaft aussiehtnd wie sie sich in der letzten Zeit verändert hat. Mit ei-igen Zumutungen ist es hier nicht getan. In meinen Au-en haben wir es hier schlicht und ergreifend mit eineruch durch Ihre Arbeit hervorgerufenen völlig falscheneichenstellung zu tun.
Die FDP hat gewisse Grundvorstellungen, die mit Ih-em Haushalt natürlich nicht in Einklang zu bringenind; das erwarten wir auch nicht. Wir erwarten nicht,
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Hans-Michael Goldmanndass Sie sich für unternehmerische Landwirtschaft undzukunftsorientierte Technologien, wie die grüne Gen-technik, einsetzen.
Wir erwarten aber, dass Sie mit bestimmten Dingen eini-germaßen fair umgehen.
Ihr Haushalt enthält eine Sachverständigenposition,eine Personalposition und eine Position für die Mittelbe-reitstellung im Zusammenhang mit der ökologischenOrientierung, die nicht zum Tragen kommen. Der Bun-desrechnungshof hat Ihnen diese Positionen um die Oh-ren gehauen. Frau Künast, ich muss wirklich sagen: Ichbin von Ihnen enttäuscht, dass Sie das auf diesem Wegtun. Das hat nichts mit einer fachgerechten Politik zutun. Das ist ein ideologisch bestimmter Umbau in eineRichtung, die in die Sackgasse führt. Das ist schändlichfür unser Land.
Herr Bahr, Sie erkundigen sich immer genau danach,was wir im Bereich der Gemeinschaftsaufgabe „Küs-tenschutz“ vorhaben. Ich will es Ihnen sagen: Es ist rich-tig, dass wir in diesem Bereich um 100 Millionen Eurokürzen. Gleichzeitig stellen wir aber einen Antrag, auf-grund dessen die nationale Modulation beendet werdensoll. Wenn Sie die nationale Modulation beenden wür-den, dann würden 96 Millionen Euro direkt wieder beiden Bauern ankommen und nicht durch irre und an derSache vorbeigehende Verschleuderungs- und bürokrati-sche Systeme aufgezehrt werden.
– Du nennst den Haushalt in Niedersachsen. Lieber Kol-lege Ortel, du kennst ja die Geschichten vor Ort. Ichkann nur sagen: In keinem einzigen Bereich in Nieder-sachsen gibt es ein so großes Aufatmen wie im Bereichder Agrarwirtschaft.
Gott sei Dank gibt es im Bereich der Agrarwirtschaft inNiedersachsen wieder Perspektiven. Du weißt ganz ge-nau, worüber wir reden. Du hast vor zwei Tagen auf demGut Altona sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dassNiedersachsen im Agrarbereich auf dem besten Weg ist.Wenn du noch mehr dazu wissen willst, dann bitte ichdich, eine Zwischenfrage dazu zu stellen.
– Warst du nicht auf dem Gut Altona? Du hast in derZeitung gestanden.Liebe Freunde, ich komme zum Haushaltsbegleitge-setz und nenne den Agrardiesel und die Umsatzsteuer-pauschalierung. Schauen Sie sich das einmal genau anund lassen Sie sich das verklickern. Dann werden Sie da-hinter kommen, dass die Abschaffung der Umsatzsteuer-pisDsdm–cdlfSwEniDbLdsMhHwKBSddwismBgdWsdtihksDFb
as ist der einzige Bereich, in dem es noch einfacheteuerrechtliche Bedingungen gibt. Wenn Sie das än-ern, wird es zu Mindereinnnahmen des Staates kom-en. Das haben auch die Vertreter der Agrarwirtschaftund zwar nicht die Lobbyisten, sondern die Durchbli-ker aus dem Bereich des Landvolkes – all denen erklärt,ie es hören wollten.Es ist überhaupt keine Frage, dass wir im Bereich derandwirtschaftlichen Sozialversicherungen vor Heraus-orderungen stehen. Herr Kollege Bahr, wenn Sie dietrukturen im ländlichen Raum ein Stück weit erhaltenollen, dann dürfen Sie gerade in diesem Bereich keineingriffe vornehmen; denn damit würden Sie die Klei-en treffen, die dafür sorgen, dass die ländliche Strukturm ländlichen Raum noch einigermaßen erhalten wird.ie Großbetriebe im Osten, in der Region, in der Sie ge-oren wurden und in der Sie leben, haben damit keineast. Die Veränderungen, die Sie in diesen Bereichen aufen Weg gebracht haben, treffen gerade die Betriebe, dieich um eine gute fachliche Praxis im Einklang mit denenschen, den Tieren und der Natur insgesamt bemü-en.
Wir müssen natürlich aufpassen, liebe Frauasselfeldt, dass wir uns dabei nicht ins Knie schießen,enn wir alles ablehnen und das Koch/Steinbrück-onzept aufgreifen.
ei Agrardiesel zum Beispiel bin ich mit den Koch/teinbrück-Positionen nicht einverstanden. Ich denke,ass wir uns darin einig sind und dass wir gemeinsamafür kämpfen, zusätzliche Belastungen für die Agrar-irtschaft abzuwehren.Nationale Umsetzung der EU-Agrarreform. Für unst völlig klar: Wir wollen auf die Dauer die Flächenprä-ien. Wir sehen ein, dass es eine Übergangszeit mit deretriebsprämie geben muss. Unsere Fürsorgehaltung ge-enüber den Milchbauern und den Tierhaltern ist genauie richtige. Lassen Sie uns am besten schon in dieseroche gemeinsam eine Lösung finden, die uns in die-em Bereich ein bisschen mehr Luft verschafft.Nun komme ich zu einem meiner Lieblingsthemen,em Tierschutz. Ich sage Ihnen klipp und klar: Die Ini-ativen, die von einigen Ländern ergriffen worden sind,abe ich zumindest zu diesem Zeitpunkt für nicht sehrlug gehalten. Ich sage ebenso klar: Der alte Käfig sollo schnell wie irgend möglich sterben.
er alte Käfig bietet keine artgerechte Haltungsform.rau Künast, das ist aber nicht das Problem. Das Pro-lem ist, dass Sie Käfig mit Käfig gleichsetzen. Das läuft
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6848 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Hans-Michael Goldmannwohl nach dem Motto: Wohnzimmer ist gleich Wohn-zimmer. Ich will doch hoffen, dass sich Ihr Wohnzimmervon meinem unterscheidet.
Ich kenne Ihr Wohnzimmer nicht, aber ein BerlinerWohnzimmer unterscheidet sich sicher von einemWohnzimmer im ländlichen Raum. Ich schaue von mei-nem Wohnzimmer aus ins Grüne und auf weidendeKühe.
Das werden Sie so wahrscheinlich nicht haben. Viel-leicht bin ich deswegen dem Lande stärker als Sie ver-bunden.Frau Künast, zurück zur Sache. Es reicht nicht, beiMaischberger mit irgendwelchen Papierchen aufzuwar-ten. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Diese Simpelpolitik istIhrer unwürdig. Lassen Sie uns doch auf Folgendes eini-gen: Die alten Käfige sind tot. Ich rede von einem ausge-stalteten Käfig, der aber noch Käfig heißt.
Mein Goldhamster hat auch in einem Käfig gelebt. Aberdieser unterschied sich sehr deutlich von einem Lege-hennenhaltungskäfig und anderen Käfigen. Hören wirauf, zu sagen: Käfig ist gleich Käfig. Vielmehr mussman genau hinschauen.Wir müssen uns gemeinsam fragen, ob nicht der aus-gestaltete Käfig, der einen Legeplatz und Einstreu hat,sodass die Tiere scharren und sich plustern können, wieSie gestern Abend so schön gesagt haben, und wo dieTiere eine Stange finden, auf der sie sich in der Nachtaufständern können, ein möglicher Weg ist. Lassen Sieuns diesen Weg gehen. Hören Sie endlich damit auf, dieAgrarwirtschaft und in diesem Fall die Geflügelwirt-schaft damit zu diskriminieren, dass Sie sie als Tier-schutzfeinde bezeichnen, weil sie an dem alten Käfigfesthalten. Das ist nicht der Fall. Es geht hier einzig undallein darum, einen ausgestalteten Käfig als Möglichkeitzu diskutieren, der meiner Meinung nach mit einemganzheitlichen Ansatz unter ökologischen, ökonomi-schen und sozialen Gesichtspunkten eine sehr gute Lö-sung wäre.Machen Sie es sich in diesem Bereich nicht zu leicht.Auch in anderen Bereichen des Tierschutzes müssen wirüber diese Dinge miteinander ins Gespräch kommen.Frau Künast, es macht keinen Sinn, ein Mittel gegenSchwarzkopfkrankheit vom Markt zu nehmen, währendgleichzeitig aus Gründen des Tierschutzes 75 Prozent al-ler Puten, die gehalten werden, leiden müssen. Diese Po-litik, die Sie betreiben, ist unseriös. Ich denke, das habenSie nicht nötig. Wir sind politisch in vielen Punkten an-derer Meinung, aber wir sollten auch die Gemeinsamkei-ten nicht vernachlässigen.Mein Fazit: Das ist ein wirklich erbärmlicher Haus-halt.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ieber Kollege Goldmann, abgesehen davon, dass Sieas Bild eines Hühnerkäfigs mit Sofa und Ohrensesselezeichnet haben, haben Sie sehr deutlich gesagt: Hoch-eistungsagrarindustrie ist und bleibt das Leitbild. Wirollen die Zeit um 30 Jahre zurückdrehen. –
er Rede von Frau Kollegin Hasselfeldt habe ich ent-ommen, dass es eigentlich keine Veränderungen gebenolle. Bei beiden – leider auch bei der FDP – habe ichehr deutlich herausgehört, dass die alte Verteilungspoli-ik insbesondere im Agrarsektor aufrechterhalten werdenoll.
aut Frau Hasselfeldt soll alles so sein, wie es vor zehnder zwanzig Jahren war. Herr Goldmann sagte, dasszusätzliche Belastungen für die Agrarwirtschaft abzu-ehren“ sind.
Das passt in Zeiten so harter Umstrukturierungenirklich nicht in die Landschaft. Man muss irgendwanninmal sagen, dass auch der Agrarbereich etwas beitra-en muss.In dieser Woche hören wir von beiden Parteien: „Ihrpart nicht genug! Ihr haltet die Maastricht-Kriterienicht ein! Ihr seid nicht verfassungsgemäß!“
abei achten wir sehr genau darauf, ab welchem Punktas wirtschaftliche Gleichgewicht gestört ist. Unseraushalt ist insgesamt sehr wohl verfassungsgemäß. Dieerfassung lässt nämlich einen Spielraum offen, wennan nachweist, was zur Stärkung der Wirtschaft vorge-ehen ist. Sehen Sie das bitte ein.
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Franziska Eichstädt-Bohlig– Nein, Kollege Koppelin, ich möchte noch eine Weilemeinen Beitrag leisten. Vielleicht kommen wir späternoch einmal zusammen.
– Wir kennen uns gut genug. Wir kennen unsere Sprü-che.Die Aussagen der Fachpolitiker und Fachpolitike-rinnen stehen in klarem Widerspruch zu den Klagelie-dern Ihrer Haushaltspolitiker und Ihres Kollegen Merz.Ihre Haushaltspolitiker sagen: „Sparen, sparen, sparen!Wo sind die 6 Milliarden Euro für Maastricht?“ Und wassagen Sie, die Fachpolitiker, hier?
Diesen Widerspruch müssen Sie endlich auflösen.
Ich sage das in aller Deutlichkeit, weil es nicht an unsist, diesen Widerspruch aufzulösen.Wir stellen uns dieser Aufgabe. Wir haben sehr hart,aber kollegial um die abverlangten Zumutungen undVerzichtsleistungen der Landwirte gerungen – wir wis-sen, wie hart diese sind –, und zwar vor dem Hintergrundder haushaltspolitischen Gegebenheiten einerseits undder Wünsche der Fachpolitiker andererseits. Im gesamt-staatlichen Interesse und der Haushaltskonsolidierungmüssen wir ihnen diese aber abverlangen. Es ist wichtig,achtsam und sorgfältig mit diesem Umstand umzugehen.Die Zumutbarkeitsgrenze muss im Einzelnen sehr ge-nau austariert werden.
In der Agrarsozialpolitik haben wir das gemacht.Der Kollege Bahr hat das im Wesentlichen eben schonsehr deutlich geschildert. Den Entwurf des Haushaltsbe-gleitgesetzes haben wir modifiziert. Im Interesse derLandwirte haben wir die Sparleistung etwas abgemil-dert.
Bei der landwirtschaftlichen Krankenversicherung be-trägt der Zuschuss 95 Prozent. Ab 2005 ist ein Zuschussvon 93 Prozent vorgesehen.
Wir haben das Gesetz also so behutsam wie möglich,aber auch so verantwortungsvoll wie nötig ausgestaltet.Ich denke, das ist der richtige Weg. Wir müssen denAgrariern zumuten, dass sie die Einsparvolumina bei derRentenanpassung ebenfalls leisten. Das machen wirnicht aus Spaß und Begeisterung, sondern aus Einsichtin die Notwendigkeit.isdWtrkfKWgssdFhnZAAEgffsfmhnSleIbwAsa
ir wissen sehr wohl um die europapolitische Asymme-ie in diesem Bereich. Wir wissen, dass das für die Kon-urrenz schwierig ist. Ich sage aber auch deutlich: Woinden sich denn im Konzept von Herrn Merz und imirchhof-Gutachten die Subventionen für Agrardiesel?enn Sie sein Konzept ernst nehmen und begeistert sa-en, dass es dann erhebliche Steuersenkungen gibt – wirehen sie noch lange nicht, weil wir noch hohe Staats-chulden abtragen müssen –,
ann müssen Sie ehrlich mit dem Thema umgehen. Ihreachpolitiker können nicht alles fordern und Ihre Haus-altspolitiker alles wieder einkassieren. So einfach kön-en Sie sich das in Zukunft nicht mehr machen. Dieseeiten sind schlicht vorbei.
Uns ist es gelungen – das sage ich ganz deutlich –, diegrarwende teilweise herbeizuführen. Wir haben diensprüche, die wir mit der Agrarwende verbinden – imtat haben wir sie teilweise bescheidener formuliert –esichert. Wir haben den Landwirten Mut gemacht, sichür gesunde und naturverträgliche Nahrungsmittel sowieür artgerechte Tierhaltung verstärkt zu engagieren undelbst darauf umzustellen. Das halten wir nach wie vorür ein richtiges Ziel. Ich finde das besser, als zu meinen,it Chemikalien, Pestiziden und der alten Legehennen-altung zu einer zukunftsfähigen Landwirtschaft und ei-er gesunden Ernährung kommen zu können.
o ist das. Es würde Ihnen gut tun, wenn Sie das einmalrnen würden.
nsofern bin ich stolz, dass wir den ökologischen Land-au haben, auch wenn er gerade von der FDP immerieder infrage gestellt wurde. Auch Kollegeustermann und Kollegin Hasselfeldt haben gesagt, dasei alles ideologischer Kram. Das ist es nicht. Das sindlles Maßnahmen zur schrittweisen Umstellung.
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Franziska Eichstädt-BohligWir wissen sehr wohl, dass die Landwirte den ökologi-schen Landbau und die artgerechte Tierhaltung nicht indem Maße annehmen, das wir uns gewünscht haben.Aber irgendwann, wie auch immer das in dieser Wocheausgeht,
wird die Legehennenverordnung geändert. Wir werdenhart daran arbeiten, dass sie kommt. Entsprechende Re-gelungen werden auch für die Schweinehaltung getrof-fen. Dann werden sich die Landwirte ärgern, dass sie dieProgramme, die wir ihnen anbieten, nicht in Anspruchnehmen. Dann sollen sie aber auch nicht jammern, dasssie nicht konkurrenzfähig wirtschaften können. Dahersollten Sie helfen, dem Berufsstand Mut zu machen, stattimmer wieder die Illusion zu nähren, er könnte zurückzu der Situation der 70er- und 80er-Jahre. Das ist eingroßer Irrtum. Das wollen die Landwirte teilweise schonlängst selbst nicht mehr.
Der nächste Punkt betrifft die Gemeinschaftsauf-gabe. Da haben wir uns genau anders verhalten als dieFDP. Wir sind der Meinung, dass sie im Wesentlichengehalten werden soll, sie aber auch zunehmend einenBeitrag zur ländlichen Entwicklung leisten soll. ZumBereich der nachwachsenden Rohstoffe hat KollegeBahr das Wichtigste gesagt. Das ist wichtig, um demAgrarwirt schrittweise ein zweites Standbein als Ener-giewirt zu geben.Als Letztes möchte ich eines erwähnen. Es ist unsauch gelungen, auf der Grundlage des Konzepts, dasFrau Wedel seinerzeit für den Verbraucherschutz aus-gearbeitet hat,
das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-sicherheit und das Bundesinstitut für Risikobewertungpersonell schrittweise auszubauen, so wie es konzeptio-nell vorgesehen ist. Das halte ich für sehr wichtig. Ichsage aber gleich eines dazu: Überwiegend wird dasdurch Umstrukturierungen und eigene Mittel, die im Etataufgebracht werden, geleistet. Das ist auch für andereRessorts vorbildlich.
Ein letzter Satz. Ich würde mir wünschen, dass auchdie Opposition endlich Spaß an gesunder Ernährung be-kommt und aufhört, sich nach der alten Landwirtschaftzu sehnen. Im Übrigen danke ich allen Beteiligten andieser Stelle, auch der Opposition, dafür, dass bei der Er-arbeitung dieses wirklich nicht einfachen Haushalts sehrkonstruktiv zusammengearbeitet worden ist. Insofern analle Kolleginnen und Kollegen herzlichen Dank. Auchdas Ministerium war sehr engagiert. Wir hatten sehrviele Termine und die Gespräche waren sehr hilfreich,udKwlhkmnIbIdmrfElhSstPwhrGrfdddKhr
Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege
oppelin.
Frau Kollegin, ich glaube, es wäre für Landwirte,
enn sie uns zugehört hätten, bitter gewesen – hoffent-
ich hören sie uns zu so später Stunde nicht zu –, zu se-
en, dass Sie kaum Ahnung von der Landwirtschaft und
ein Gefühl für die Landwirte haben.
Ich habe mich gemeldet, weil Sie gesagt haben, es
üsse in diesem Etat gespart werden, aber wir seien
icht dazu bereit und wollten alles beim Alten lassen.
ch greife einen Punkt heraus, den Sie nicht erwähnt ha-
en: Das ist das Programm für den Ökolandbau.
ch bin Hauptberichterstatter für diesen Etat. Ich habe
arum gebeten, dass der Bundesrechnungshof das ein-
al überprüft. Inzwischen gibt es einen Zwischenbe-
icht. Der Bundesrechnungshof – das wissen Sie – stellt
est, dass die Mittel im Programm Ökolandbau – in dem
tat sind 20 Millionen Euro – überwiegend für Öffent-
ichkeitsarbeit vorgesehen sind und überhaupt nicht dort
inein gehören. Das ist Ihre Politik. Sie haben unter dem
tichwort „Ökolandbau“ eine reine Propagandama-
chine aufgebaut. Für Landwirte, die im Ökolandbau tä-
ig werden wollen, ist kein Geld übrig. Sie machen reine
ropagandaveranstaltungen.
Ich sage jetzt etwas bösartig: Ich möchte nicht wissen,
ie viele Wälder Sie abholzen müssen, damit das Papier
ergestellt werden kann, auf dem Ihr Propagandamate-
ial geschrieben wird.
Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig, bitte.
Herr Kollege Koppelin, darüber haben wir in den Be-ichterstattergesprächen und im Ausschuss schon mehr-ach diskutiert. Zunächst einmal ist deutlich erkennbar,ass es sich nicht nur um eine Werbeaktion handelt, son-ern um ein Ökolandbaukonzept, zu dem allerdings auchie Information und beispielsweise auch pädagogischeonzepte gehören, um Kinder, Jugendliche und Privat-aushalte an eine gesunde und naturverträgliche Ernäh-ung heranzuführen. Insofern umfasst es alle drei Be-
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Franziska Eichstädt-Bohligstandteile: Information, Pädagogik und konkrete Hilfefür den Ökolandbau. Dazu stehen wir auch.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Ilse Aigner, CDU/
CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Zunächst einmal möchte ich auf unser Verhal-ten im Haushaltsausschuss eingehen. Sie haben mir bestä-tigt – das kann ich auch für die anderen Kolleginnen undKollegen in den Berichterstattergesprächen feststellen –,dass wir uns sehr wohl konstruktiv an der Debatte betei-ligt haben. Das einzige, auf das wir verzichtet haben, war,Anträge in Mark und Pfennig zu stellen, weil wir grund-sätzlich der Meinung sind, dass der vorgelegte Haushalts-entwurf eines Haushaltsausschusses unwürdig ist.
Sie wissen genau, dass das, was Sie vorgelegt haben,weder verfassungskonform ist noch den Defizitkriterienentspricht und dass darin Risiken enthalten sind,
– Sie können unbesorgt sein; ich kann Ihnen das relativdeutlich belegen.Heute sind schon einige Punkte angesprochen wor-den, insbesondere solche Programme wie der Ökoland-bau. Liebe Kollegin Franziska Eichstädt-Bohlig, ichwürde gerne einen Titel sehen, der einen Zuschuss fürLandwirte vorsieht. Ich habe den Haushalt genau ge-prüft: Es ist kein einziger entsprechender Titel darin ent-halten.
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it dem schönen Konterfei der Frau Ministerin. Einepielanleitung als Öffentlichkeitsarbeit!
Wenn Sie sich in diesem Bereich einmal umgesehenätten, dann hätten Sie festgestellt, dass hinsichtlich dernformation von Kindern und Jugendlichen – im Vor-chulalter wie auch in den Schulen – die Landfrauen eineehr wertvolle Arbeit leisten. Fragen Sie einmal meineollegin Marlene Ortler, die den Landfrauen angehört!
Ich kann Ihnen den Inhalt der Broschüre im Einzelnenortragen: Woher kommt unser heimisches Gemüse?ie bereiten wir Müsli aus landwirtschaftlichen Erzeug-issen aus der Region selber zu? Wie stellen wir Zutatenür ein gesundes Frühstück her und so weiter und so fort.u all diesen Themen gibt es bereits Informationen. Da-ür muss keine umfangreiche Informationsbroschüre er-tellt werden, die 1,5 Millionen Euro kostet.
Ich habe noch etwas Schönes mitgebracht: Postkartenit Aufschriften wie „Amore Bio“, „Kein Schwein ruftich an“,
Komm, wir verkrümeln uns“ und „Mir ist heute da-ach“. So sieht die Information durch das Bundesland-irtschaftsministerium aus.Ich bin sehr daran interessiert, von Ihnen zu erfahren,elchen tieferen Sinn diese Aktion hat, für die das Geldum Fenster herausgeworfen wird.
ir hätten sicherlich – ähnlich wie die FDP – beantragt,0 Millionen Euro für dieses Programm zu streichen.amit hätten wir schon einen entsprechenden Sparbei-ag erzielt.Als Nächstes komme ich zu dem abenteuerlichenrogramm „Tiergerechte Haltungsverfahren“. Nochinmal zur Historie – das muss man sich auf der Zungeergehen lassen –: Im Haushalt 2002 waren 13 Millio-en Euro dafür eingestellt. Tatsächlich ist kein einzigeruro abgeflossen. Trotzdem wurde im Haushaltsent-urf 2003 der Ansatz auf 15 Millionen Euro erhöht.
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Ilse AignerJetzt hat man es wieder mit 15 Millionen Euro ausgewie-sen. Sie haben es jetzt Gott sei Dank etwas abgesenkt;aber die 15 Millionen Euro sind auf alle Fälle zu viel ge-wesen.Für Modell- und Demonstrationsvorhaben – ichhabe vergeblich versucht, herauszufinden, was sich da-hinter verbirgt – wurden 23,5 Millionen Euro ausgewie-sen.Wenn ich diese Titel zusammenzähle, komme ich auf60 Millionen Euro.
Angesichts dessen frage ich mich, wo die Schwerpunkt-setzung bleibt. Sie könnten nämlich Gelder in den Berei-chen belassen, in denen die Landwirte sie dringend brau-chen.Die landwirtschaftliche Krankenversicherung istschon mehrfach angesprochen worden. Ich stelle hier ei-nen Vergleich zu anderen Bereichen her: Schauen Siesich bitte einmal die Knappschaft an! Ich verlasse jetztdie Krankenversicherung und komme auf den Bundeszu-schuss zur Knappschaft in der Rentenversicherung zusprechen, der 7,45 Milliarden Euro für 1,498 MillionenBetroffene – Rentner und diejenigen, die versichertsind – ausmacht. Bei der Landwirtschaft beträgt der Zu-schuss 2,322 Milliarden Euro für gut 944 000 Betrof-fene. Der Unterschied liegt darin, dass bei der Knapp-schaft pro Kopf knapp 5 000 Euro zugeschossen werden,bei der Landwirtschaft nicht einmal die Hälfte. Ange-sichts dieses Unterschiedes bei der Förderung kann manwohl kaum von sozialer Gerechtigkeit sprechen.
Der landwirtschaftlichen Krankenversicherung ver-setzen Sie jetzt wirklich den Todesstoß. Sehr geehrterKollege Bahr, Sie haben gesagt, die Erhöhung der Bei-tragssätze betrage etwas über 4 Prozent. Das stimmtnicht ganz. Die Berechnungen der Versicherung spre-chen inklusive Pflegeversicherung, die man immer dazurechnen muss, im Schnitt von 5,91 Prozent für 2004 undvon noch einmal 5,45 Prozent für 2005.
Die Erhöhungen wären noch stärker, wenn Sie nicht indie Betriebsmittel eingriffen und dort 120 MillionenEuro abzögen. Das ist eigentlich ein Skandal.
Wie wirkt sich dies aus? Beim Gesundheitsmoderni-sierungsgesetz werden höhere Eigenbeiträge eingefor-dert. Das gilt auch für die landwirtschaftliche Kranken-versicherung, allerdings mit dem Unterschied, dass beiden gesetzlichen Krankenversicherungen die Beiträgeabgesenkt werden sollen, während sie hier steigen. Da-mit werden Sie irgendwann einmal ein Problem bekom-men.ssüKnsLSgskdgdlecmlismPSASvmnblestekkeSwdtrwisbS
Dann gibt es zwei Optionen: Entweder ermöglichenie es den Pflichtversicherten, bei Beitragssatzsteigerun-en in andere Krankenkassen zu wechseln, oder Siechließen die Krankenkasse der Landwirte in den Risi-ostrukturausgleich ein, wie es bei der Knappschaft aucher Fall ist. Wenn Sie die LKK in den Risikostrukturaus-leich eingliederten, dann kostete es wesentlich mehr alser jetzige Bundeszuschuss, wobei die Mehrkosten al-in von den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversi-herung getragen würden. Sie wären dann also nichtehr aus Steuern finanziert. Wäre dieses Modell Sie bil-ger gekommen, hätten Sie es schon gemacht. Sie wis-en aber ganz genau, dass es Sie im Prinzip teurer kom-en wird.In diesem Haushalt ist noch eine Reihe weitererunkte, bei denen man streichen könnte: Fachbeiräte,achverständige, Aushilfskräfte usw.
ll diese Titel führe ich jetzt nicht auf, auch nicht dieteigerungen, die in anderen Teilen des Haushalts zuerzeichnen sind. Hätten wir Anträge gestellt, hätten wirit Sicherheit mehr Änderungsanträge nach unten alsach oben gestellt. Wir hätten mit Sicherheit auch nichtei der GAK eine Erhöhung beantragt. Wir hätten viel-icht bei der FDP nicht mitgestimmt, meinen aberchon, dass die GAK stabilisiert werden muss. Wir hät-n den Schwerpunkt auf die landwirtschaftliche Kran-enversicherung gelegt. Aber, Herr Kollege Bahr, ichann mich noch an die Debatte über den Haushalt 2003rinnern, als die Mittel für die GAK abgesenkt wurden.einerzeit habe ich fast dieselben Argumente gebrachtie Sie. Daher empfinde ich es als sehr bedauerlich, dassiese Argumente in diesem Jahr kommen.Wir hätten also andere Schwerpunkte gesetzt und An-äge gestellt,
enn es ein beratungsfähiger Haushalt gewesen wäre; ert es aber nicht. Ich glaube nach wie vor, dass wir näherei den Menschen und Sie näher an Ihrer Ideologie sind.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Waltraud Wolff,PD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen undHerren! Am Anfang möchte ich ein paar Worte loswer-den,
bevor ich zu meiner eigentlichen Rede komme. HerrGoldmann, von Ihnen bin ich, ehrlich gesagt, ziemlichenttäuscht.
Die konstruktiven Vorschläge, die Sie im Ausschuss ge-macht haben, sind es sicherlich wert, genannt zu werden.Aber ich habe den Eindruck, dass Sie vor dem heutigenTag eine Gehirnwäsche erfahren haben; denn das, wasSie im Plenum losgelassen haben – anders kann ich dasnicht bezeichnen –, ist Ihrer nicht würdig.
Ich möchte gern wiederholen, dass wir uns in einerschwierigen weltwirtschaftlichen Situation befinden. Diedamit verbundenen Probleme will und wird Rot-Grünmeistern. Alles, was die CDU/CSU heute vorgeschlagenhat, sind durch die Bank alte Zöpfe. Es waren keine Vi-sion, keine Ziele und kein Wille zu erkennen, die Pro-bleme zu lösen. Das haben Ihre Reden eindeutig gezeigt.
Der Einzelplan 10 kann 2004 nicht von Sparmaßnah-men verschont bleiben. Trotzdem setzt die rot-grüne Bun-desregierung weiterhin positive Akzente zugunsten einerzukunftsorientierten Agrar- und Verbraucherpolitik.
– Hören Sie gut zu, dann werden Sie das mitbekommen.Vielleicht lernen Sie heute Abend auch noch ein biss-chen dazu.Wir werden die Zuwendungen für die Stiftung Wa-rentest und die Verbraucherzentrale Bundesverbandauch im nächsten Jahr konstant halten. Wir werden dieZuschüsse für die Verbraucherzentralen der Länderum 2,5 Millionen Euro steigern; denn nur umfassend in-formierte Bürgerinnen und Bürger können verantwor-tungsvolle Entscheidungen beim Konsum treffen. DieMenschen in unserem Land erwarten mehr Informatio-nen. Diese bekommen sie von Rot-Grün.
Die landwirtschaftliche Sozialpolitik macht mitcirca 3,8 Milliarden Euro etwa drei Viertel des Gesamt-etats unseres Einzelplans aus. Aus diesem Grund war esundsAmmzdKwgtbvwgLcasdsggdwDudtvewddankgkAnsaSDÜSr
Fakt ist: Nur ein geringer Prozentsatz der Kinder vonandwirten wird Beitragszahler in der landwirtschaftli-hen Sozialversicherung werden. Sie werden größtenteilsndere Berufe ergreifen und damit in anderen Sozial-ystemen integriert. Auf gut Deutsch: Den Bauern wer-en die eigenen Kinder – zumindest in der Haushaltsauf-tellung – nicht als Beitragszahler zugeordnet. Um esanz klar und deutlich zu sagen: Bei den Mittelzuweisun-en zur landwirtschaftlichen Krankenversicherung han-elt es sich nicht um Subventionen im klassischen Sinne,ie das beispielsweise bei Prämienzahlungen der Fall ist.ie Zuwendungen des Bundes sind gesetzlich geregeltnd betreffen die Leistungsaufwendungen im Rahmener gesundheitlichen Fürsorge für die Bauern im Ren-enalter. Bäuerliche Altenteile brauchen eine Kranken-ersorgung, die der gesetzlichen Krankenversicherungbenbürtig ist. Trotzdem wird es auch in Zukunft immerieder Diskussionen über Mittelkürzungen im Bereicher landwirtschaftlichen Sozialversicherung geben; dennie Gesamtkosten werden aufgrund der Alterspyramidensteigen. Deshalb wird die Politik stets neu darüberachdenken müssen, wie die Kosten gedämpft werdenönnen. Selbst die Verwaltungskosten können nur be-renzt reduziert werden. Genau darum muss es in der Zu-unft neue Reformschritte in diesem System geben.Das, was ich von Frau Hasselfeldt und auch von Frauigner vorhin vernommen habe, heißt im Grunde ge-ommen: Sie wollen das alte System erhalten, neue Zu-chüsse vom Bund bekommen und überhaupt nicht be-chten, dass es immer weniger Beitragszahler gibt.
o kann man dieses System nicht auf Dauer erhalten.aher müssen wir neue Überlegungen anstellen. Solcheberlegungen fehlen bei Ihnen eindeutig; das beweisenie mit jeder Rede. Es ist ganz schwierig, in diesem Be-eich mit der Opposition zusammenzuarbeiten.
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Waltraud Wolff
Wir müssen Sicherheit für die Zukunft der landwirt-schaftlichen Krankenversicherung – dort sind die Bäue-rinnen und Bauern pflichtversichert – schaffen. Deshalbbegrüße ich die Diskussion um eine Bürgerversiche-rung außerordentlich. Daran knüpfe ich persönlich dieHoffnung, dass wir auch für die Landwirtschaft eine all-gemein gültige Lösung finden.Größter Subventionsempfänger innerhalb des Bun-deshaushaltes war und ist – man muss es so feststellen –unser Haushaltstitel.
Das ist weder der Wunsch der Bauern und Bäuerinnennoch ist es der unserige. Selbstredend stellt sich dieserBerufsstand angesichts dieser Situation aber auf die jähr-lichen Zahlungen ein. Damit will ich nicht sagen, dasszukünftig keine Gelder mehr in die Agrarproduktionfließen sollen; denn es bleibt unbestritten, dass die Land-wirtschaft in Deutschland nur dann funktionieren kann,wenn wir auch in Zukunft staatliche Unterstützungen ge-währen. Das muss auch in Zukunft möglich sein; aber esmuss gezielt und gerechter geschehen.Seit drei Jahren stagniert unsere Wirtschaft. LogischeFolge: Mindereinnahmen im Steuerbereich. Woraus wer-den staatliche Subventionen bestritten? Logischerweiseauch aus dem allgemeinen Finanzhaushalt. Da dieseraber nur noch in verminderter Form zur Verfügung steht,ist das Fazit doch klar: Als Erstes werden die Subventio-nen auf den Prüfstand gestellt. Die Kürzungen im Be-reich des Agrardiesels müssen uns dazu veranlassen,neue Wege einzuschlagen. Auch diesbezüglich habe ichVorschläge der Opposition vermisst.Ist es nicht wirklich das Beste, wir verständigen unsgleich darauf, den Einsatz von Biodiesel in landwirt-schaftlichen Maschinen zu ermöglichen und zu fördern?
Bislang wird Biodiesel in der Landwirtschaft zwar pro-duziert, aber es wird dort kaum damit gefahren.
Das Programm zur Förderung der Umstellung auf Bio-diesel kann ausgesprochen hilfreich sein. Außerdemkönnte auf diese Weise auch eine neue Art von landwirt-schaftlichem Kreislauf entstehen.
Zusätzlich zum schon jetzt steuerbefreiten Biodieselwerden endgültig auch andere Biokraftstoffe von derSteuer befreit. In den entsprechenden Ausschüssen desBundesrates hat eine Mehrheit dem Steuerrechtsände-rungsgesetz schon zugestimmt.tivBfsvdscIkdudsHtaDebKFwvzHWeIHeSeDtebd
Meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Frak-on, Sie haben sich gegenüber den Lobbys immer soerhalten, als wäre die Mineralölsteuerbefreiung füriokraftstoffe eine feststehende Größe. Daher bin ichroh, dass wenigstens an dieser Stelle ein Konsens zwi-chen Koalition und Opposition besteht.Die Landwirte könnten von den Auswirkungen des soeränderten Mineralölsteuergesetzes zukünftig sogaroppelt profitieren: zum einen als Erzeuger der Roh-toffe für Biokraftstoffe, zum anderen auch als Verbrau-her.
n diesem Bereich liegt ein großes Potenzial für die Zu-unft.Wenn ich mir manche Pressemitteilungen anschaue,ann frage ich mich ernsthaft, ob sich die Kolleginnennd Kollegen der CDU/CSU im luftleeren Raum befin-en oder ob sie mit ihren Gedanken möglicherweisechon irgendwie im Nirwana verschwunden sind. Frauasselfeldt, die stellvertretende Vorsitzende der Bundes-gsfraktion, schreibt am 10. November:Bundesrat stoppt rot-grüne Kahlschlagspläne ge-genüber der Landwirtschaft.er Tenor dieser Pressemitteilung ist: Alles bleibt, wies ist. – Ich kann nirgends Alternativen zu den vorgege-enen Einsparmaßnahmen entdecken. Es sind keineonzepte vorhanden.Auch heute habe ich von Frau Hasselfeldt und vonrau Aigner nur „Wir hätten …“, „Wir wollten …“, „Wirären …“ gehört. – Damit kann man natürlich keineernünftige Politik bestreiten.In dieser Pressemitteilung gibt es aber auch einen Be-ug auf den Agrardiesel. Frau Hasselfeldt fordert einearmonisierung mit den anderen europäischen Staaten.enn das mit Details untersetzt gewesen wäre, hätte ichs verstanden. Aber nein, auch hier wieder Fehlanzeige!m Klartext heißt das doch: Subventionen hoch!
ätte sie gesagt: „Abbau in den anderen Staaten“, wäres anders gewesen. Haben Sie das Papier vom Koch/teinbrück noch nicht gelesen? Sagt bei Ihnen jeder, wasr will?
iesen Eindruck kann man haben. Gerade vor dem Hin-rgrund des Koch/Steinbrück-Papiers, nach dem aucheim Agrardiesel abgeschmolzen werden soll, kann maniese Pressemitteilung wirklich nicht ernst nehmen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6855
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Waltraud Wolff
Wenn alte, ausgefahrene Straßen den heutigen Anfor-derungen nicht genügen, wenn sie dem Verkehr nichtmehr standhalten können, muss man neue Straßenbauen. In der Landwirtschaft ist es ganz genauso. Voruns liegt jetzt die Umsetzung der EU-Agrarreform. Sievon der CDU/CSU haben ihr lange mit Ablehnung ge-genübergestanden. Wir mussten in Deutschland nach derBSE-Krise in der Landwirtschaft eine neue Richtungeinschlagen.
Sie haben sich nicht daran beteiligt.Heute haben wir unter Sparzwängen einen Haushaltzu verabschieden. Wir müssen neue Quellen der Ein-kommenssicherung erschließen.
Wir müssen wegen der notwendigen Einsparungen inder Sozialpolitik neu über das Sozialsystem nachdenken.Mit Blockade und Meckern in der Meckerecke kann manaber nicht an der Gestaltung der Zukunft teilhaben. Ichfordere Sie auf: Tun Sie das nicht, sondern lassen Sie unsin schwieriger Zeit gemeinsam für Deutschland und fürdie deutschen Landwirte etwas tun!Danke schön.
Das Wort hat die Kollegin Ursula Heinen, CDU/CSU-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!Die wirtschaftlichen und finanziellen Rahmendaten ge-ben es eindeutig vor: In den einzelnen Ressorts gibt esüberhaupt keinen Spielraum und keinen Anlass für poli-tisch-ideologisch motivierte Eskapaden. Genau dassollte auch für den Haushalt des Bundesministeriums fürVerbraucherschutz gelten, der in der Vergangenheit im-mer wieder Spielwiese der ideologischen Ideen der rot-grünen Bundesregierung war. Nach wie vor gibt es indiesem Haushalt einiges, was doch mehr als wundert;meine Kollegin Ilse Aigner hat es vorhin schon ange-sprochen.
– Gut zuhören, Kollege!Zu nennen sind zum Beispiel die Mittel für Öffent-lichkeitsarbeit, die nicht gesenkt werden, obgleich dasdringend notwendig gewesen wäre. Begründet wird dasvon Ihrer Seite aus mit einer ständig wachsenden Nach-frage nach Informationsmaterial und dem Informations-avDumhfvAgAbItwIssUgdSnDfh–eCVmldJKs
och die Begründung trägt überhaupt nicht. Es ist völlignklar, was Sie mit der ständig wachsenden Nachfrageeinen. Sie haben uns bisher nicht gesagt, wer da über-aupt welche Daten nachfragt.Noch etwas anderes im Zusammenhang mit der Öf-entlichkeitsarbeit. Im Normalfall steht das Ausgebenon Geld für Öffentlichkeitsarbeit am Ende und nicht amnfang der Arbeit. Bei Ihnen ist es dagegen immer um-ekehrt: Die Öffentlichkeitsarbeit steht am Anfang Ihrerrbeit und wird in der Regel nicht durch inhaltliche Ar-eit fortgesetzt.
ch erinnere beispielsweise an die Grüne Woche im letz-en Jahr, auf der Sie groß angekündigt haben, dass Sie et-as im Bereich des Preisdumpings tun wollen.
hnen war damals aber überhaupt nicht klar, dass es bei-pielsweise bereits das Verbot des Verkaufs unter Ein-tandspreis gibt.
nsere Regierung hat das noch 1998 eingeführt.
Jetzt haben wir gehört, dass Sie bereits eine Kampa-ne zum Verbraucherinformationsgesetz planen – Sie re-en ja anschließend; vielleicht können Sie dann dazutellung nehmen –, zu dem es aus Ihrem Haus bisheroch überhaupt keine Ansätze gibt.
as würde allerdings dazu passen, dass Sie zuerst Öf-entlichkeitsarbeit machen und anschließend die In-alte festlegen.
Bevor Sie sich aufregen, lassen Sie mich sagen, dasss ganz einfach ist: Gerda Hasselfeldt hat im Namen derDU/CSU-Fraktion einen Antrag mit Eckpunkten zurerbesserung der Verbraucherinformation vorgelegt. Sieüssten eigentlich nur unserem Ansatz folgen; aber bis-ang sind wir noch kein Jota weitergekommen, obwohler Antrag dem Ausschuss seit mehr als einem halbenahr vorliegt.
Daher schlage ich vor: Vergeuden Sie nicht Geld undraft in Papier und Plakate! In diesem Zusammenhangei noch einmal an das Ei am Checkpoint Charlie erinnert:
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6856 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Ursula HeinenIch frage mich, ob Sie es am Freitag wieder auspacken,mit der Aufschrift „Freiheit“ darunter. Sie sollten viel-mehr wirklich etwas für die Verbraucher in Deutschlandtun: Kürzen Sie die Ausgaben für Ihre Luftblase Öffent-lichkeitsarbeit, von der der einzelne Verbraucher nur sel-ten konkret etwas hat!Mit Sorge betrachten wir aber auch, was im BereichVerbraucheraufklärung, bei den Modellvorhaben und imÖkolandbau geschieht. Da zeigt die Ministerin ihr wah-res Gesicht: Sie sind nämlich nicht die Ministerin allerVerbraucher in Deutschland, sondern nur die Ministerineiner bestimmten Gruppe von Verbrauchern in Deutsch-land, nämlich derjenigen, die sich ausschließlich fürökologische Produkte interessieren. Nur diese Verbrau-cher werden von Ihnen unterstützt.
So erleben wir, wie die Verbraucheraufklärung einsei-tig ausgerichtet wird. Es gibt nur zwei Themen: einmalder nachhaltige Konsum und zum anderen der gesamteErnährungsbereich. Beides ist zweifellos wichtig; da-rüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Aber Verbrau-cherpolitik umfasst doch nicht nur nachhaltigen Konsumund Ernährungsfragen. Es geht heutzutage noch um ganzandere Themen. Ich nenne Stichworte wie Altersvor-sorge, Mietfragen, Finanzierung des Eigenheims, Pro-dukt- und Energieberatung etc.
Gerade heute, da der Arbeitsplatz vieler Menschen nichtsicher ist – das hat ja auch schwer etwas mit Ihrer Politikzu tun –, stehen doch Fragen der Sicherung der Existenz-grundlagen im Vordergrund. Dazu gehören beispiels-weise auch Fragen danach, wie ich mit geringem Ein-kommen eine vernünftige Altersvorsorge aufbaue bzw.wie ich mein Haus finanziere, damit ich diese Last nichtmehr im Alter tragen muss. Wo sind Projekte, um Schü-ler beispielsweise in den Schulen schon frühzeitig mitden Spielregeln des bargeldlosen Geschäftsverkehrs ver-traut zu machen? Für „Kater Krümel“ gibt es eineMenge Geld, aber für die Aufklärung von jungen Men-schen in Finanzfragen und bezüglich der Altersvorsorgegibt es kaum einen Cent.
Entsprechende Projekte müssen Sie auf die Beine stel-len. Da müssen Sie die Arbeit der Verbraucherzentralenunterstützen.
All diese Fragen, die die Verbraucher vor Ort tatsäch-lich stellen, werden von Ihnen außen vor gelassen. Dasist aber eine Querschnittsarbeit, zu der Sie sich in IhrenKoalitionsvereinbarungen und bei der Schaffung des Mi-nisteriums verpflichtet haben. Ich sage Ihnen eines: So-lange diese existenziellen Fragen für die Menschen offensind, werden sie sich nicht dafür interessieren, ob diesesoder jenes Produkt bezüglich seiner Ökobilanz nachhal-tPuhsVnpGb–IöBdIenktugcagdsSmawkeFswV
Auch die Posten „Modelle und Demonstrationsvorha-en“ wie auch das „Bundesprogramm Ökolandbau“Kollege Koppelin hat es erwähnt – zeigen klar: Allehre Vorhaben dienen nur einem Zweck, nämlich derkologisch orientierten Öffentlichkeitsarbeit wie zumeispiel für ein ökologisches Informationszentrum mitem Namen „Muh-seum“.
ch weiß gar nicht, ob es das nach wie vor gibt; das wäretwas für unseren Tierschutzbeauftragten Peter Bleser.In Ihren Programmen findet sich kein Wort zu Maß-ahmen für die moderne konventionelle Landwirtschaft,ein Wort zu Demonstrationsvorhaben zur grünen Gen-echnik. Kollege Heiderich, der sich bei uns um die Bio-nd Gentechnik kümmert, weiß ein Lied davon zu sin-en.
Wir fordern von Ihnen, dass Ihre Arbeit im Verbrau-herschutz, in der Ernährung und in der Landwirtschaftusgewogen ist und die Interessen aller Verbraucherleichermaßen berücksichtigt. Dazu würde gehören,ass Sie die Verbraucher darüber aufklären, dass bei-pielsweise Eier aus Freilandhaltung wesentlich mehralmonellen enthalten als Eier aus anderen Haltungsfor-en, worüber wir schon mehrfach diskutiert haben, wasber nicht so ganz in Ihren Kopf hinein will, obwohl er-iesen ist, dass es so ist.Ihre Art der Aufklärung, Frau Ministerin, ermöglichteine Wahlfreiheit, sondern ist schlicht ideologische Be-influssung.
ür solche ideologisch motivierten Projekte ist ange-ichts knapper Haushaltsmittel kein Platz. Ich bitte Sieirklich, Ihre Haushaltspolitik und Ihre Politik für dieerbraucherinnen und Verbraucher zu überdenken.Danke.
Das Wort hat die Bundesministerin Renate Künast.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6857
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Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucher-schutz, Ernährung und Landwirtschaft:Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heuteist kein guter Tag für die CSU, und zwar aus zwei Grün-den: erstens wegen des Ausgangs des ersten parlamenta-rischen Schafskopfturniers in der Vertretung des Frei-staates Bayern beim Bund unter der Schirmherrschaftvon Mariae Gloria Fürstin von Thurn und Taxis – das hatnämlich soeben Hans-Josef Fell gewonnen. Ich finde,das ist einen Applaus wert.
– Das sieht man. Aber vielleicht kann er es ja einfachbesser als Sie! Er kann ja auch andere Sachen besser alsdie CDU/CSU.Zweitens; da hört der Spaß auch schon auf. Ich wun-dere mich, ehrlich gesagt, dass Frau Hasselfeldt diesenPunkt nicht angesprochen hat und dass Herr Deß nichtauf der Rednerliste steht. Ich finde, Sie argumentieren inzweierlei Hinsicht nicht sauber: Punkt eins. Was geradehier geredet wurde, passt überhaupt nicht zu dem, wasvon Ihrer Fraktion heute Vormittag gesagt wurde. Siemüssen sich entscheiden; sonst nimmt Sie keiner, wirk-lich keiner ernst.
Sie reden immer nur davon, dass Sie überall sparen wür-den. Auch Frau Aigner hat davon gesprochen. Wenn Sieeine Regierungspartei sein wollen – Sie müssten ja eigent-lich eine „Regierungspartei im Wartestand“ sein –, dannsollten Sie jederzeit in der Lage sein, Ihre eigenen Zahlendarzustellen, gerade wenn Sie meinen, dass die Regierungeinen schlechten Haushaltsentwurf verfasst habe.Aber ich sage Ihnen, warum Sie das nicht getan ha-ben: Weil Sie sich an dieser Stelle untereinander nicht ei-nigen können, trauen Sie sich nicht, den Landwirten zusagen, wo Sie sparen würden.
Denn eines ist doch klar: Wenn alle sparen müssen,wenn Konsolidierung das Ziel ist, wenn Sie in Bezug aufden Stabilitätspakt Riesenblasen ablassen, wie Sie esgestern und heute getan haben, dann müssten Sie in derFolge den Landwirten im Zweifelsfall die doppelteSumme streichen. Es ist einfach Feigheit, dass Sie dasnicht sagen.
Zweiter Punkt, gerichtet vor allem an FrauHasselfeldt, Frau Aigner, Frau Mortler und Herrn Deß.Zu dem gestrigen Beschluss des bayerischen Kabinettshaben Sie kein Wort verloren und ich weiß auch, warum.Eigentlich sollten Sie sich schämen, uns bezüglich derSBSLsKWncmKsm1dgskddwIiegdd
Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Deß?
Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucher-
chutz, Ernährung und Landwirtschaft:
Bitte.
Frau Ministerin, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu neh-en, dass selbst dann, wenn in Bayern 10 Prozent oder2 Prozent gestrichen würden, noch doppelt so viel fürie Landwirtschaft ausgegeben wird wie in jedem rot-rün regierten Bundesland?
Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucher-chutz, Ernährung und Landwirtschaft:Ich bin, lieber Herr Deß, bereit, eine ganze Menge zuonzedieren. Aber ich sehe an Ihrer Frage, dass Sie nichten Satz negieren, den ich gesagt habe, dass nämlichort mit einer Streichung von 10 Prozent mehr gekürztird als bei uns.
ch sage Ihnen: Auch dort wissen die Bauern nicht, wom nächsten Jahr gestrichen wird. Ich habe gerade nochinmal auf die Website des Landwirtschaftsministeriumseschaut. Obwohl die Kartoffelernte zu Ende ist, stehtort: Wir warnen vor der Kartoffelfäule. Aber es stehtort nicht, wie die Sparquote verteilt wird.
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6858 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Bundesministerin Renate KünastWir wissen also: Wenn Sie nach Hause fahren, dannbrennt die Luft. Sie haben keine Lösung, Sie haben auchkeine angeboten. Vielleicht kommt ja Herr Carstensennachher noch dazu.Wir alle wissen auch, meine Damen und Herren: Wirmüssen konsolidieren, wir müssen sparen und wir müs-sen den Landwirten neue Möglichkeiten aufzeigen. Dastun wir in diesem Haushaltsplan und auch in anderen Be-reichen. Wir bauen vernetzte Konzepte auf. Wir küm-mern uns um eine moderne Technologie.
Wir geben den Landwirtinnen und Landwirten die Mög-lichkeit, als Energiewirte zu arbeiten. Wir unterstützensie beim Einsatz modernster Technik, bei der Förderungim Qualitätsmanagement, bei der Regionalität und beimTourismus.Meine Damen und Herren, ich weiß gar nicht mehr,wer vorhin nach den Gründen für die fehlende Investi-tionsbereitschaft gefragt hat. Es gibt sicherlich vieleGründe und ich schenke Ihnen jetzt einmal den Satz, esliege auch an mir.Ich weiß, woran es noch liegt, meine Damen und Her-ren: Seit Juni dieses Jahres, als wir auf europäischerEbene die Beschlüsse zur Agrarreform gefasst haben,treffe ich mich regelmäßig mit den Landwirtschaftsmi-nistern der Bundesländer, morgen wieder. Ich sage einesganz klar: Die Landwirte haben einen Anspruch darauf,dass auch die CDU/CSU und die Minister der B-Länderendlich sagen, wohin im nächsten Jahr die Reise gehenmuss. Das möchte ich wissen.
Meine Damen und Herren, wir haben allen Ländern,sowohl den B-Ländern als auch den A-Ländern, ein Mo-dell vorgeschlagen.
– Herr Goldmann, mir ist vollkommen egal, welches eu-ropäische Land weiter ist. Wenn unsere Bauern nicht in-vestieren, wenn die jungen Leute fragen: „Wo geht esdenn hin?“, dann ist mir vollkommen egal, wo die ande-ren sind. Wir haben vorne zu sein. Das werden wir dochwohl noch hinkriegen!
Ein Vorschlag für eine vernünftige Lösung liegt aufdem Tisch. Wir haben ein Kombimodell vorgeschlagen.–dWecnbdssnWAdmbBajshsSsKrwrczmunsPfMig
Vielleicht nicht Ihnen, aber den Länderministern, dieas umzusetzen haben.Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Sie haben doch überhaupt noch nichtsvorgeschlagen!)ir haben einen Vorschlag für ein Kombinationsmodellingebracht. Das Ziel ist die regional einheitliche Flä-henprämie. Viele, die hier sitzen, wissen das sehr ge-au.
Wenn Sie schon die fehlende Investitionsbereitschafteklagen, dann sollten morgen auch die Agrarministerer CDU/CSU klar sagen, wohin die Reise geht, und ent-prechende Beschlüsse fassen. Darauf warte ich. Es gibteitenweise Papiere, die Sie alle längst von Ihren B-Mi-istern bekommen haben. Vielleicht sagen Sie nicht dieahrheit.
Die Aussteller auf der „Agritechnica“ haben volleuftragsbücher aus dem Ausland. Weil sie die passen-en Angebote für eine moderne Landwirtschaft haben,üssen endlich auch deutsche Landwirte die Auftrags-ücher füllen.Im Übrigen habe ich im Bericht des Herrn von demusche gelesen, dass dieses Mal auch die Ökolandwirteuf der „Agritechnica“ stark vertreten waren. Ich liebe esa, wenn Sie alle immer über Ideologie reden. Aber ichage Ihnen: Das sind Reden, die Sie vor vier, fünf Jahrenätten halten können. Das interessiert heute keinen Men-chen mehr.
ie, Herr Deß, wollen EP-Abgeordneter werden. Ichage Ihnen und allen, die meinen, das sei irgendwie out:ommissar Fischler, der, parteilich betrachtet, mehr Ih-er Richtung als meiner angehört,
ird jetzt Vorschläge für einen Aktionsplan zur Förde-ung des Ökolandbaues in der Europäischen Union ma-hen. Alle wissen, dass der Ökobereich internationalweistellige Zuwachsraten hat. Deshalb sagen viele: Wirüssen in genau diesen Bereich investieren, damit auchnsere Landwirte davon profitieren. Ein Kollege von Ih-en, Miguel Cañete, ein Konservativer aus Spanien,agte mir vor kurzem, er kürze bei vielen Messen seineräsentationsmittel. Aber für die Teilnahme an der Bio-achmesse in Nürnberg – das ist die weltweit führendeesse im Biobereich – will er Geld ausgeben; denn erst der Meinung, dass es in diesem Bereich Wachstumibt und dass seine Bauern da Geld verdienen können.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6859
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Bundesministerin Renate KünastAlle diese Konservativen können sich doch nicht irren,nicht wahr?
Ich könnte noch etwas zu den Legehennen sagen.Eigentlich müsste ich das nicht tun, weil wir am Freitagim Bundesrat dazu Entscheidungen treffen werden. Aberich will deutlich sagen, dass auch in diesem Bereich dieDiskussion sehr rückwärts gewandt ist. Der Bund willein Prüfverfahren durchführen. Außerdem sollen dieForschungsergebnisse im Frühjahr des nächsten Jahresmit den entsprechenden Landesministern diskutiert wer-den. Das wird allemal besser sein, als Käfighaltern einenFragenkatalog vorzulegen, wobei das Einsammeln unddie Anonymisierung der Daten über eine Geschäftsstelleder Geflügelwirtschaft erfolgen soll. Das ist keine wis-senschaftliche Arbeit, sondern Lobbyarbeit. Von einersolchen Stelle lasse ich mich nicht – auch nicht unterdem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit – beraten.
Ich will wegen der Kürze der Zeit nur noch einige we-nige Bemerkungen machen. Herr Carstensen, ich mussIhnen ehrlich sagen: Ich nehme es Ihnen nicht ab, dassIhr Antrag, bei der Gemeinschaftsaufgabe um100 Millionen Euro zu kürzen, ein Irrtum war.
Ich will auch sagen, warum. Ich glaube vielmehr, dass eseher eine freudsche Fehlleistung war. Sie wissen näm-lich genau, dass Bayern, Hessen und andere CDU-re-gierte Länder bei der Gemeinschaftsaufgabe sparen wer-den, um ihre Sparquote von 10 Prozent zu erreichen.
Von Hessen wissen wir es längst. Insofern war es wahr-scheinlich kein Fehler, sondern vorauseilender Gehor-sam. Es ist zumindest der Beweis dafür, dass die Agrar-politik der CDU/CSU nicht hinreichend sorgfältig ist.Ich will eine letzte Bemerkung zur Krankenversi-cherung machen. Ich weiß, dass dies eine schwierigeSache ist. Mein Ziel ist es – deshalb haben wir an einementsprechenden Modell gearbeitet –, die Belastung mög-lichst niedrig zu halten und die landwirtschaftliche Kran-kenversicherung ein Stück weit an die gesetzliche Kran-kenversicherung anzupassen. Aber sie muss sozusagendarunter bleiben, weil man sonst dieses Zwangssystemnicht aufrechterhalten kann. Genau das haben wir imAugenblick sichergestellt.
– Doch, das haben wir erreicht. Wir haben es auch mit-hilfe der betroffenen Verbände nachgerechnet.Frau Hasselfeldt, auch ich habe mir die Liste vonKoch/Steinbrück angeschaut. Mir wäre es lieb, wenn SiebdHEwdwLddwesDisSnScaSZCHFHdSnzdprn
err Koch benutzt einen erweiterten Subventionsbegriff.r bezieht deshalb den Krankenkassenbereich mit ein.Ich möchte Sie bitten, sich sehr genau zu überlegen,elche Forderungen Sie stellen. Sie haben im Bereicher GA und im Bereich des Verbraucherschutzes kürzenollen. Da können Sie in Hessen eine ganze Mengeobbyarbeit machen. Wir hingegen haben die Mittel füren Verbraucherschutz erhöht. Das Ergebnis ist, dass unsie Landesverbraucherzentralen die Bude einrennen,eil die CDU-Landesminister ihre Aufgabe nicht mehrrfüllen können. Die Verbraucherzentralen sagen, dassie nicht mehr hinreichend sorgfältig beraten können.er Bund muss also retten, was noch zu retten ist. Dast die ganze Wahrheit über diesen Haushalt.
Ich kann Ihnen an dieser Stelle nur sagen: Kümmernie sich um die Zukunft der Landwirtschaft! Reden Sieicht nur in ideologischer und plakativer Weise!chauen Sie sich an, was die jungen Landwirte brau-hen! Sie arbeiten schon längst mehr mit uns zusammen,ls Sie zu träumen wagen.Bei aller Aufregung möchte ich diesen allerletztenatz sagen: Ich danke den Berichterstattern für die guteusammenarbeit.
Nächster Redner ist der Kollege Peter Harry
arstensen, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Erst einmal herzlichen Glückwunsch an Herrnell für das Gewinnen des Schafskopfturniers! Liebererr Fell, weil wir in der CDU/CSU der Meinung sind,ass sich Leistung wieder lohnen soll, sage ich Ihnen:ie haben Leistung erbracht und das wollen wir anerken-en.
Aber dieser Haushalt hat wirklich nichts mit Leistungu tun. Frau Künast, bei allem Respekt muss ich sagen,ass ich es unanständig fand, wie Sie den Fehler, den ichersönlich zu verantworten habe, werten. Ich habe wäh-end einer schnell durchgeführten Abstimmungsmaschi-erie nicht aufgepasst.
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6860 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Peter H. Carstensen
– Natürlich war das ein normales Verfahren. – Ich habein der folgenden Woche eine entsprechende Stellung-nahme zu Protokoll gegeben. Ich hatte den Eindruck,dass meine Erklärung im Ausschuss akzeptiert wordenist.
Ich finde es unanständig, die Fraktion für diesen Fehlerin Haftung zu nehmen; denn Sie wissen genau, dass un-sere Stellungnahmen zur Gemeinschaftsaufgabe – undinsbesondere meine – immer einen anderen Inhalt hat-ten.Frau Künast, es wäre schön, wenn Sie in Ihrem Be-reich die Konsistenz und Sicherheit hätten, die wir ge-rade im Bereich der Gemeinschaftsaufgabe haben, weilwir wissen, dass die Gemeinschaftsaufgabe mit zu denwichtigsten Instrumenten der Agrarpolitik in Deutsch-land gehört. Sie verwässern diese Aufgabe immer. ImMoment sind Sie – so höre ich – offensichtlich dabei,auch noch Pläne für ländliche Räume einzurichten – alsob die Leute nicht schon genug Pläne machen würden –und die Gemeinschaftsaufgabe nicht mehr für ihren ur-sprünglichen Zweck, nämlich für die Verbesserung derAgrarstruktur und der Wettbewerbsfähigkeit, zu nutzen.Es tut mir Leid, aber ich fand das, was Sie gesagt haben,unanständig.
Ein Wort zu dem Haushalt in Bayern: Schauen Siesich bitte erst einmal genau an, wo es Veränderungengibt, und überlegen Sie sich, ob es nicht richtig ist, in ei-nem Landeshaushalt dort aus der Landesfinanzierungauszusteigen, wo es nachher eine Bundesfinanzierungbzw. eine europäische Finanzierung gibt. Wenn Sie zurKenntnis genommen hätten, dass andere Bundesländerderzeit wesentlich weniger für ihre Landwirtschaft tunund in den letzten Jahren getan haben als die BayerischeStaatsregierung, bei der – im Gegensatz zur Bundesre-gierung – die Landwirtschaft noch einen bestimmtenStellenwert hat, dann würden Sie zu einem anderen Ur-teil kommen. Schauen Sie sich das doch bitte zuerst ein-mal bei Ihren Freunden an! In Bayern sind im letztenJahr 400 Millionen Euro für KULAP und andere Pro-gramme im ländlichen Raum sowie für den Naturschutzausgegeben worden. In Schleswig-Holstein sind – wennich es richtig weiß – in den letzten Monaten der rot-grü-nen Regierung null Euro dafür ausgegeben worden.
Man kann dort in diesem Bereich nicht kürzen, weil nieetwas gezahlt wurde, Frau Künast!
Ich wäre Ihnen schon dankbar, wenn Sie die Frage,warum in der Landwirtschaft nicht investiert wird, ein-mal ein bisschen selbstkritischer beantworten würden.Woher kommt diese fehlende Investitionsbereitschaft?Nur noch 40 Prozent der Landwirte wollen investieren;60 Prozent haben die Schnauze voll, weil sie nicht mehrwissen, worin sie investieren sollen, und weil in derLandwirtschaft Unsicherheit besteht. Sie sollten sichespdttALzlgwwhifzsnnhnIsSKgfaEaSwtedmkmbpuhASzB
ind das etwa die Vorschläge aus der Bund-Länder-ommission, die sehr unverbindlich sind und über dieesagt wird: „Wir wollen noch ein paar Dinge abprü-en“? Welche Vorschläge sind das? Hätten Sie hier nichtuch einmal sagen sollen, dass Sie auf die Kürzung dernvelope um 10 Prozent verzichten? Wäre das nichtuch etwas, was Sicherheit geben würde? Ihr Kollege inchleswig-Holstein sagt, dass er die 10 Prozent habenill. Von Ihnen kommt keine Äußerung dazu. Sie erwar-n, dass andere Äußerungen machen und die Arbeit tun,ie eigentlich Sie machen müssten. So spielen wir nichtiteinander, liebe Frau Künast.
Wenn Sie erwarten, dass Vorschläge von anderenommen, dann erwarte ich von Ihnen, dass Sie auch ein-al etwas über die Verteilung der Mittel im Bundesge-iet sagen. Wenn Sie sagen, dass Sie mit einer Betriebs-rämie anfangen und diese später in eine Flächenprämiemstaffeln wollen, dann sagen Sie uns bitte hier undeute auch, ob Sie bereits zu Beginn bereit sind, einenusgleich zwischen den Bundesländern herzustellen.Sagen Sie den Verantwortlichen in Bayern undchleswig-Holstein, dass sie 50 oder 60 Millionen Eurouschießen sollen, um einen Ausgleich zwischen denundesländern zu finden.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6861
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Peter H. Carstensen
Meine Damen und Herren, ich war schon ein bisschenerstaunt.
– Lieber Kollege, habe ich nicht gerade eben gesagt,dass die ersten Vorschläge von Niedersachsen vorgelegtworden sind? Haben wir nicht gemeinsam beschlossen,am 8. Dezember dieses Jahres eine Anhörung durchzu-führen? Warum möchten Sie eigentlich eine Anhörungdurchführen, wenn Sie schon jetzt 100-prozentig wissen,was Sie den Bauern in diesem wichtigen Bereich zumu-ten wollen? Ich sage: Ich möchte erst den Sachverstandvon außen berücksichtigen und dann entscheiden, nichtaber über die Schulter hinweg zu schnellen Entschlüssenkommen.Lieber Kollege Bahr, Sie wissen, dass ich Sie in derRegel sehr schätze, aber Sie haben von der Hinterlassen-schaft der CDU gesprochen und gesagt, dass sie denGrund für die jetzigen Schwierigkeiten darstellt. Ichhabe das Gefühl, dass Sie erst seit einem halben Jahr ander Regierung sind. Nein, Sie haben schon viel Verant-wortung getragen und diese Verantwortung gerade imAgrarbereich verspielt.
Lieber Kollege Bahr, der Unterschied zwischen dem,was die Politik der CDU im Bereich Landwirtschaft aus-gemacht hat, und dem, was die Politik der rot-grünenKoalition – insbesondere seit Karl-Heinz Funke nichtmehr die Verantwortung trägt und Frau Künast das Regi-ment übernommen hat – beinhaltet, ist, dass die Agrar-politik bei uns noch einen Stellenwert hatte und dass wiruns in die Landwirtschaft hineindenken konnten.
Sie haben von Unwürdigkeit gesprochen. Dazu sageich Ihnen: Unwürdig ist es, einen Haushalt vorzulegen,von dem Sie wissen, dass er verfassungswidrig ist.
Unwürdig ist es, dass Sie den Abschied vom Stabili-tätspakt akzeptieren. Unwürdig sind die Kürzungen, dieSie, liebe Frau Künast, in diesem Haushalt akzeptieren,die nicht zu Ihren Lasten oder zulasten Ihrer Spielwie-sen, sondern ausschließlich zulasten des Einkommensder Landwirte gehen. Nicht Sie sparen in diesem Haus-halt ein, sondern die Bauern.
Sie reißen, insbesondere in der Sozialversicherung,Löcher auf, die Sie wahrscheinlich nicht wieder schlie-ßen können.
Herr Kollege Bahr, es ist schon erstaunlich, wie Sie überdie Zumutbarkeit von Belastungen in der Landwirtschaftsprechen. Auf der einen Seite haben Herr Seehofer undFrau Schmidt, was sicherlich nicht unbedingt vergnüg-lich gewesen ist, in Nachtarbeit für mehr Stabilität beidzBSzSivzEzvucnawFsKvaTdbia
s sind also nicht nur höchstens 10 Prozent, die Sie alsumutbar bezeichnet haben.
Meine Damen und Herren, Sie haben einen Haushaltorgelegt, der nicht dem entspricht, was notwendig ist,m eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft zu ermögli-hen und um die Herausforderungen, die sich uns in denächsten Jahren stellen werden, zu bewältigen. Er sorgtuf keinen Fall für Wettbewerbsfähigkeit in der Land-irtschaft.
Lassen Sie mich ein letztes Wort zum Tierschutz, denrau Künast auch hinsichtlich der Legehennen ange-prochen hat, sagen. Selbstverständlich sollen die altenäfige verschwinden. Aber wir wollen nicht, dass sie soerschwinden, wie es jetzt der Fall ist: Sie werden nurus Deutschland verschwinden und nach Polen oderschechien gebracht, damit dort weiter produziert wer-en kann. Die Eier werden dann hier auf den Markt ge-racht.
Herr Kollege, schauen Sie bitte einmal auf die Uhr.
Frau Präsidentin, das tue ich gerne. Deswegen nenne
ch nur noch einige Zahlen.
Nein, Herr Kollege, das tun Sie nicht mehr.
Dann höre ich jetzt auf und trinke mein Glas Wasser
uf Ihr Wohl.
Das, Herr Kollege Carstensen, dürfen Sie.
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6862 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin
Dr. Herta Däubler-Gmelin, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wir haben nun 23.04 Uhr. Da der Ablaufplan die Bera-tung unseres Einzelhaushaltes im Rahmen der Haus-haltsberatungen insgesamt zu dieser späten Zeit vorsieht,bitte ich Sie um etwas Aufmerksamkeit.Lieber Kollege Carstensen, Sie haben eben in IhrerRede wieder Worte wie „unwürdig“, „nicht verfassungs-mäßig“ oder „unverantwortlich“ verwendet und die FrauMinisterin beschimpft, was sicherlich nicht freundlichgemeint war. Das haben wir alle satt.
In der jetzigen Situation, brauchen wir Wachstum undBeschäftigung; das wissen wir ganz genau. Weil Sie16 Jahre dazu nicht in der Lage waren,
müssen nun wir im Bereich der Landwirtschaft wie in al-len anderen Bereichen umsteuern, was besonders amHaushalt deutlich wird, und der Landwirtschaft endlichdie Wahrheit sagen, dass wir einsparen müssen. Die Ein-sparungen müssen wir mit Augenmaß vornehmen unddürfen dabei nicht den Sinn für soziale Gerechtigkeitverlieren.
Nicht nur die Ministerin, sondern auch dieses HoheHaus hätte es verdient, wenn Sie zu dieser späten Stundeetwas mehr Ernsthaftigkeit gezeigt
und nicht nur Sprüche gemacht hätten wie den, dass sichLeistung wieder lohnen müsse, selbst wenn es nur umein Spiel gehe.In Ihren Debattenbeiträgen zu jedem einzelnen Haus-haltsplan hat man über den ganzen Tag hinweg das glei-che Muster feststellen können.
Sie teilen sich die Aufgaben: Merkel und Merz sind da-für da, den Bundeskanzler und den Finanzminister zuschelten, ja sogar übel zu beschimpfen, weil die beidenangeblich nicht genug einsparen würden.
In den Beratungen zu den Einzelhaushalten dagegen ar-gumentieren Sie, die jeweiligen Fachminister würdenEinschnitte an der falschen Stelle vornehmen und insge-samt zu viel kürzen; sie hätten sich für die Klientel, dieSgSSrtlmwd–rnmptDn–enSlanÖndAdbun
ie müssen sich entscheiden, was Sie eigentlich wollen.ie müssen sich entscheiden, ob Sie bei der Umstruktu-ierung helfen wollen, ob Sie zu den Einsparungen bei-ragen wollen und so die Zukunftsfähigkeit sichern wol-en. Ich denke, diese Aufgabe hätten Sie übernehmenüssen – wenn nicht in der ersten Lesung, dann dochenigstens in der zweiten Lesung oder am Freitag in derritten Lesung.
Lieber Kollege Goldmann, ich habe mit großem Inte-esse zugehört, als Sie in Ihrer Rede über die Subventio-en geschimpft haben. Komisch: Immer dann, wenn Sieeinen, für eine bestimmte Gruppe zu sprechen, sind Sielötzlich für mehr Geld vom Staat und für mehr Subven-ionen.
enken Sie einmal darüber nach, so jedenfalls kann dasicht gehen.
Herr Koppelin, wenn ich fertig bin, können Sie gerneine Kurzintervention machen. So lange müssen Sie sichoch gedulden.Nun zu Frau Aigner. Sie hat gesagt, sie habe einentreichungsvorschlag gemacht. Darauf hat ihr der Kol-ege Bahr vorgehalten, dass sie über vieles geredet hätte,ber keinen Antrag dazu eingebracht habe. Das hat sieicht widerlegen können.Anschließend hat sie darüber gesprochen, dass ihr dieffentlichkeitsarbeit für den biologischen Landbauicht passe. Als ob wir nicht schon längst gehört hätten,ass Sie etwas gegen biologischen Landbau haben!
ber selbst wenn Sie die Mittel hierfür einsparen wür-en, würde das noch nicht einmal 20 Millionen Euroringen. Das, was an Einsparungen, Umstrukturierungennd Gerechtigkeit notwendig ist, berührt diese Summeoch nicht einmal am Rande.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003 6863
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Dr. Herta Däubler-Gmelin
Ich komme zur peinlichen Abstimmung über den An-trag im Ausschuss hinsichtlich der Einsparung von100 Millionen Euro im Rahmen der Gemeinschaftsauf-gabe. Kollege Carstensen hat gesagt, dass er die Schuldan seinem Irrtum eine Woche später in der Sitzung unse-res Fachausschusses auf sich genommen habe. Aber wa-rum haben so viele Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU, als die FDP gerade erklärt hat, was sie mit diesemAntrag erreichen wolle und dass es in Wirklichkeit keinEinschnitt sei, geklatscht? Sind Sie nun dafür oder dage-gen? War es der individuelle Fehler von HerrnCarstensen oder nicht?Verehrte Frau Hasselfeldt, ich habe heute schon um15.26 Uhr die Presseerklärung über Ihre Rede, die Sievorhin gehalten haben, zur Kenntnis nehmen können.Sie war schon gedruckt. Die Kollegin Wolff hat schongesagt, welch eindrucksvolle Presseerklärung Sie am10. November 2003 vorgetragen haben. Ihre Presse-erklärung von heute, 15.26 Uhr – ich habe sie hier –,schließt sich hier wirklich würdig an. Sie enthält nichteinen Umstrukturierungsvorschlag, nicht einen Antragund nicht einen einzigen Gerechtigkeitsvorschlag. Ichwill dem Hohen Hause jetzt doch noch vortragen, dassSie gesagt haben, die CDU/CSU-Bundestagsfraktionwerde sich im laufenden Vermittlungsverfahren – passenSie bitte gut auf – weiterhin dafür einsetzen, dass dieüberproportional vorgenommenen Kürzungen imAgrarhaushalt 2004 gemindert werden. Da sind wir abergespannt.
Sie stellen keinen Antrag und rechnen jetzt auch nochdamit, dass sich die Leute daran erinnern werden, dassder Vermittlungsausschuss ohnehin eine Blackbox istund niemand darüber redet, was tatsächlich passiert, da-mit Sie hier anders reden können als draußen bei denLobbygruppen. Das geht nicht.
Das ist das Grundübel Ihrer Politik und lässt sich aufDauer, wenn die Politik insgesamt ernst genommen wer-den soll, nicht weiterführen.
Frau Heinen, Sie haben zum Verbraucherschutz ge-redet. Sie wissen genau, dass wir gerade in dieser Frageüber die Parteigrenzen hinweg einen ziemlich großenKonsens haben; Gott sei Dank. Das heißt, wir wollen ei-nen vernünftigen und tragbaren Verbraucherschutz ge-rade auch im Bereich des Verbraucherinformationsgeset-zes. Ich fand es nicht in Ordnung, dass Sie gesagt haben,wir hätten in den vergangenen Jahren nur wenig – Siehaben sogar gesagt: nichts – für den Verbraucherschutzgetan. Das trifft nicht zu. Wir haben beim Mietrecht an-gefangen und haben das fortgesetzt über die Schuld-rechtsmodernisierung bis hin zum VerbraucherschutzüstDCBCLSMaEslWsHudntzfbDtEdßnselDHdzWzrtW
iesen Punkt sollten Sie vielleicht einmal klären.Ich habe jetzt noch eine Bitte an die Opposition. Herrarstensen, es macht überhaupt keinen Sinn, die klareitte der Ministerin, Sie möchten doch in den von derDU/CSU regierten Ländern dafür sorgen, dass alleandwirte wissen, wohin die Reise geht, mit einemchwall an unklaren Äußerungen zu beantworten. Dieinisterin hat darum gebeten, dass Sie Ihren Einflussuf die von Ihnen regierten Länder wahrnehmen, sodassnde dieser Woche ein gemeinsamer Vorschlag zur Um-etzung der Luxemburger Beschlüsse auf dem Tischiegt. Dann wüssten nämlich alle, wohin die Reise geht.enn Sie das nicht können und wollen, dann unter-treicht das den gesamten Eindruck, den ich an diesemaushaltstag gewonnen habe, dass Sie hier nämlich sond draußen anders reden. So kommen wir nicht weiter.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich am Endeer Beratung dieses Einzelplans Ihnen, Frau Hasselfeldt,och eine kleine Anregung geben. Sie haben Ihre heu-ige Presseerklärung von 15.26 Uhr mit „Anlässlich derweiten Lesung des Haushaltes des Bundesministeriumsür Ernährung, Landwirtschaft und Forsten“ überschrie-en.
as erklärt, warum Sie so argumentieren, wie Sie es ge-an haben.
igentlich sollten Sie schon bemerkt haben, dass sowohler Einzelplan als auch das Ministerium ganz anders hei-en. Wenn nicht meinetwegen, dann nehmen Sie das we-igstens Ihrer Kollegin Heinen zuliebe zur Kenntnis, dieich, wie ich finde, richtig gut für den Verbraucherschutzinsetzt.Ich bedanke mich bei der Ministerin und bei den Kol-eginnen und Kollegen der SPD und des Bündnisses 90/ie Grünen, dass sie in einer sehr schwierigen Zeit einenaushalt mit beraten haben und unterstützen, durch denrei wirklich wichtige Ziele erreicht werden können:um Ersten, Umstrukturierungen endlich nicht nur in dieege zu leiten, sondern auch einen guten Schritt weiter-utreiben, zum Zweiten, die notwendigen Konsolidie-ungen und Einsparungen vorzunehmen, und zum Drit-en, den Blick für die Gerechtigkeit und den Sinn fürachstum und Beschäftigung nicht zu verlieren.Herzlichen Dank.
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6864 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 26. November 2003
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Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 10, Bundesministerium für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft, in der Ausschussfas-
sung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Ent-
haltungen? – Der Einzelplan 10 ist mit den Stimmen der
Koalition bei Gegenstimmen der CDU/CSU und der
FDP angenommen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 27. Novem-
ber 2003, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.