Protokoll:
18201

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 201

  • date_rangeDatum: 22. November 2016

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 10:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 19:23 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/201 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 201. Sitzung Berlin, Dienstag, den 22. November 2016 Inhalt: Tagesordnungspunkt I: a) Zweite Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2017 (Haushaltsgesetz 2017) Drucksachen 18/9200, 18/9202 . . . . . . . . . 20051 B b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrich- tung durch die Bundesregierung: Finanz- plan des Bundes 2016 bis 2020 Drucksachen 18/9201, 18/9202, 18/9827 . . . 20051 B I .1 Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidi- alamt Drucksachen 18/9824, 18/9825 . . . . . . 20051 B I .2 Einzelplan 02 Deutscher Bundestag Drucksachen 18/9802, 18/9824 . . . . . . 20051 B Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20051 C I .3 Einzelplan 03 Bundesrat Drucksachen 18/9824, 18/9825 . . . . . . 20052 B I .4 a) Einzelplan 08 Bundesministerium der Finanzen Drucksachen 18/9808, 18/9824 . . . . . . 20052 B b) Einzelplan 20 Bundesrechnungshof Drucksachen 18/9824, 18/9825 . . . . . . 20052 B Dr . Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 20052 C Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 20053 D Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20055 B Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20057 C Dr . Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20059 B Susanna Karawanskij (DIE LINKE) . . . . . . . . 20061 A Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . . 20062 C Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20064 A Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 20065 B Dr . Hans-Ulrich Krüger (SPD) . . . . . . . . . . . . 20067 B Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 20068 C Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . 20069 D Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 20071 A Carsten Körber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20071 C I .5 a) Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Drucksachen 18/9807, 18/9824 . . . . . . 20072 C b) Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht Drucksachen 18/9824, 18/9825 . . . . . . 20072 C Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 20072 C Dr . Johannes Fechner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 20073 C Dr . Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20075 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 201 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 22 . November 2016II Klaus-Dieter Gröhler (CDU/CSU) . . . . . . . . . 20076 A Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . 20077 D Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) . . . 20079 C Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20080 D Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20082 B Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . 20083 C Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20084 B Dr . Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . 20085 A Christian Flisek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 20086 C Dr . Stephan Harbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . . 20087 D Christina Jantz-Herrmann (SPD) . . . . . . . . . . 20088 A Helmut Brandt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20088 D Dennis Rohde (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20090 B Dr . Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 20091 C I .6 a) Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern Drucksachen 18/9806, 18/9824 . . . . . . 20092 D b) Einzelplan 21 Bundesbeauftragte für den Daten- schutz und Informationsfreiheit Drucksachen 18/9824, 18/9825 . . . . . . 20092 D Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 20093 A Dr . Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 20094 B Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20095 D Martin Gerster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20097 B Dr . Thomas de Maizière, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20099 B Dr . André Hahn (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 20102 A Sebastian Hartmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 20103 C Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20105 A Dr . Stephan Harbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . . 20106 B Uli Grötsch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20107 C Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . 20108 C Michaela Engelmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 20110 C Dr . André Berghegger (CDU/CSU) . . . . . . . . 20111 D I .7 Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit Drucksachen 18/9814, 18/9824 . . . . . . 20113 B Dr . Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 20113 B Helmut Heiderich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 20114 D Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20116 C Burkhard Blienert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 20118 A Hermann Gröhe, Bundesminister BMG . . . . . 20120 A Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 20122 A Bärbel Bas (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20123 C Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20125 A Erich Irlstorfer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20126 D Dr . Edgar Franke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 20128 A Dr . Katja Leikert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 20130 A Thomas Stritzl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20131 C I .8 Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Na- turschutz, Bau und Reaktorsicherheit Drucksachen 18/9815, 18/9824 . . . . . . 20133 C Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 20133 C Steffen-Claudio Lemme (SPD) . . . . . . . . . . . . 20135 A Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20135 D Dr . Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 20137 B Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . 20138 A Dr . Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20140 A Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20142 B Dr . Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20142 D Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 20143 C Josef Rief (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20144 C Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20145 D Manfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 20146 B Carsten Träger (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20148 A Hubertus Zdebel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 20149 A Christian Hirte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20149 D Michael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20151 D Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU) . . . . 20153 A Dr . Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU) . . . . . . . 20154 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20156 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 20157 A (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 201 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 22 . November 2016 20051 201. Sitzung Berlin, Dienstag, den 22. November 2016 Beginn: 10 .01 Uhr
  • folderAnlagen
    Dr. Klaus-Peter Schulze (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 201 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 22 . November 2016 20157 Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22 .11 .2016 Binder, Karin DIE LINKE 22 .11 .2016 Connemann, Gitta CDU/CSU 22 .11 .2016 De Ridder, Dr . Daniela SPD 22 .11 .2016 Ebner, Harald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22 .11 .2016 Heller, Uda CDU/CSU 22 .11 .2016 Hintze, Peter CDU/CSU 22 .11 .2016 Höger, Inge DIE LINKE 22 .11 .2016 Kofler, Dr. Bärbel SPD 22 .11 .2016 Kühn (Dresden), Stephan BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22 .11 .2016 Marwitz, Hans-Georg von der CDU/CSU 22 .11 .2016 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Möhring, Cornelia DIE LINKE 22 .11 .2016 Schimke, Jana CDU/CSU 22 .11 .2016 Schlecht, Michael DIE LINKE 22 .11 .2016 Schnieder, Patrick CDU/CSU 22 .11 .2016 Strebl, Matthäus CDU/CSU 22 .11 .2016 Tank, Azize DIE LINKE 22 .11 .2016 Timmermann-Fechter, Astrid CDU/CSU 22 .11 .2016 Tressel, Markus BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22 .11 .2016 Troost, Dr . Axel DIE LINKE 22 .11 .2016 Wawzyniak, Halina DIE LINKE 22 .11 .2016 Zeulner, Emmi * CDU/CSU 22 .11 .2016 *aufgrund gesetzlichen Mutterschutzes Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 201. Sitzung Inhaltsverzeichnis EPL 01 Bundespräsident EPL 02 Bundestag EPL 03 Bundesrat EPL 08 Finanzen EPL 20 Bundesrechnungshof EPL 07 Justiz und Verbraucherschutz EPL 19 Bundesverfassungsgericht EPL 06 Innen EPL 21 Datenschutz und Informationsfreiheit EPL 15 Gesundheit EPL 16 Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Anlage
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820100000

Nehmen Sie bitte Platz . Die Sitzung ist eröffnet .

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie herzlich zu unserer Haushaltswoche und rufe
gleich ohne weitere Ankündigungen die Tagesordnungs-
punkte I a und b auf:

a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2017 (Haushaltsgesetz 2017)


Drucksachen 18/9200, 18/9202

b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haus-
haltsausschusses (8 . Ausschuss) zu der Unter-
richtung durch die Bundesregierung

Finanzplan des Bundes 2016 bis 2020

Drucksachen 18/9201, 18/9202, 18/9827

Wir kommen zur Beratung der Einzelpläne, und zwar
zunächst der drei Einzelpläne, zu denen keine Ausspra-
che vorgesehen ist .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt I .1 auf:

Einzelplan 01
Bundespräsident und Bundespräsidialamt

Drucksachen 18/9824, 18/9825

Berichterstatter sind die Abgeordneten Kerstin
Radomski, Steffen-Claudio Lemme, Dr . Dietmar Bartsch
und Ekin Deligöz .

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 01
in der Ausschussfassung, und ich frage, wer dem zustim-
men möchte . – Wer stimmt dagegen? – Möchte sich je-
mand der Stimme enthalten? – Dann ist der Einzelplan 01
mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt I .2 auf:

Einzelplan 02
Deutscher Bundestag

Drucksachen 18/9802, 18/9824

Hier sind Berichterstatter die Abgeordneten Johannes
Kahrs, Bernhard Schulte-Drüggelte, Roland Claus und
Anja Hajduk .

Wir stimmen über die Empfehlungen des Haushalts-
ausschusses ab . Dazu gibt es eine Wortmeldung der Kol-
legin Hajduk . – Bitte schön .


Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820100100


Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Meine Fraktion hat im Haushaltsausschuss den Ein-
zelplan des Deutschen Bundestages abgelehnt vor dem
Hintergrund der Finanzierung des Deutschen Instituts für
Menschenrechte .

Das Deutsche Institut für Menschenrechte ist seit die-
sem Jahr angebunden an den Einzelplan 02 . Wir haben
also für die Finanzierung dieser Aufgabe aus diesem
Einzelplan heraus Sorge zu tragen . Das Institut selber ist
schon 2001 gegründet worden, arbeitet mit zehn Stellen,
sodass gerade einmal sechs wissenschaftliche Mitarbei-
terinnen und Mitarbeiter für die Prüfung der Einhaltung
der Menschenrechte abgestellt werden können .

Wir reden hier nicht nur über ein sehr wichtiges In-
stitut – was das Thema Menschenrechte angeht, brauche
ich, glaube ich, nicht zu erklären, in was für einem poli-
tischen Umfeld wir uns gerade bewegen –, sondern wir
reden hier über den Einzelplan 02 mit einem Volumen
von rund 870 Millionen Euro . Das Deutsche Institut für
Menschenrechte braucht davon rund 2,6 Millionen Euro,
also 0,3 Prozent .

Es ist gute Tradition, dass wir uns beim Haushalt des
Deutschen Bundestages alle untereinander verständigen
und einigen, wie wir mit den Bedarfen umgehen . Vor dem
Hintergrund, dass das Institut für Menschenrechte seit
15 Jahren wichtige Arbeit leistet, aber sehr bescheiden
ausgestattet ist, haben wir sehr intensiv darüber diskutiert,
ob wir hier nicht eine Stellenerhöhung vornehmen kön-
nen . Als Kompromiss lag auf dem Tisch: 186 000 Euro
für zwei Stellen zusätzlich . Das sind 0,02 Prozent dieses






(A) (C)



(B) (D)


Etats . – Darauf haben sich die großen Fraktionen nicht
eingelassen. Ich finde, das ist ein Skandal,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


insbesondere wenn man weiß, wie bedroht die Men-
schenrechte sind und dass Deutschland es sich leistet –
im europäischen Vergleich –, nach Griechenland das
kleinste Menschenrechtsinstitut zu haben . Ich muss na-
mentlich die CDU auffordern: Wir erwarten von Ihnen,
dass Sie das zukünftig ändern


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Heike Hänsel [DIE LINKE])


und diese Kleinlichkeit, diese Peinlichkeit dem Haushalt
des Deutschen Bundestages ersparen .

Wir in der grünen Bundestagsfraktion haben uns ent-
schieden, trotz dieser grundsätzlichen Kontroverse, in
der es darum geht, für die Arbeit für die Menschenrechte
mehr Geld bereitzustellen – ich finde es traurig, dass es
darüber überhaupt eine Kontroverse gibt –, hier im Ple-
num dem Haushalt des Verfassungsorgans Bundestag die
Zustimmung nicht zu verweigern .

Danke schön .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820100200

Da diese Frage nicht nur im Haushaltsausschuss, son-

dern auch im Ältestenrat aus guten Gründen eine erheb-
liche Rolle gespielt hat, will ich mich ausdrücklich dafür
bedanken, dass Sie der Anregung, den Unterschied deut-
lich zu machen und gleichzeitig keinen Zweifel daran
bestehen zu lassen, dass der Etat des Deutschen Bundes-
tages unter allen Fraktionen unstreitig ist, folgen .

Wir stimmen jetzt über den Einzelplan 02 in der Aus-
schussfassung ab . Wer stimmt dafür? – Wer stimmt da-
gegen? – Wer enthält sich? – Damit ist auch dieser Ein-
zelplan mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt I .3 auf:

Einzelplan 03
Bundesrat

Drucksachen 18/9824, 18/9825

Berichterstatter sind die Abgeordneten Ulrich Freese,
Kerstin Radomski, Heidrun Bluhm und Tobias Lindner .

Wir stimmen über diesen Einzelplan in der Ausschuss-
fassung ab . Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Auch dieser Einzelplan ist einstim-
mig angenommen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt I .4 auf:

a) Einzelplan 08
Bundesministerium der Finanzen

Drucksachen 18/9808, 18/9824

b) Einzelplan 20
Bundesrechnungshof

Drucksachen 18/9824, 18/9825

Berichterstatter zum Einzelplan 08 sind die Abgeord-
neten André Berghegger, Hans-Ulrich Krüger, Gesine
Lötzsch und Tobias Lindner .

Berichterstatter zum Einzelplan 20 sind die Abgeord-
neten Michael Leutert, Carsten Körber, Bettina Hagedorn
und Tobias Lindner .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache zu diesen Einzelplänen 96 Minuten vor-
gesehen . – Dazu gibt es offensichtlich Einvernehmen .
Also können wir so verfahren .

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der
Kollegin Gesine Lötzsch .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820100300

Vielen Dank . – Herr Präsident! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Sicher wird in dieser Debatte wie-
der viel über die schwarze Null gesprochen werden . Ich
will Ihnen in aller Deutlichkeit sagen, was mich an die-
ser Diskussion am meisten stört: Es wird bewusst davon
abgelenkt, wie ungerecht unser Steuersystem ist – die
Reichen werden verschont, und die Mittelschicht muss
löhnen . – Das muss ein Ende haben, meine Damen und
Herren .


(Beifall bei der LINKEN)


Wir Linke haben gute Vorschläge in die Haushaltsbe-
ratungen eingebracht . Unser Ziel ist es, unser Land ge-
rechter und sicherer zu machen . Nur ein Beispiel – wir
haben uns dabei an der Forderung des Paritätischen Wohl-
fahrtsverbandes orientiert –: Wir wollen das Kindergeld
deutlich erhöhen . Das wäre ein Anfang im Kampf gegen
steigende Kinderarmut . Aber Sie haben den Antrag ab-
gelehnt . Sie haben kein Herz für Kinder . Das ist ein Ar-
mutszeugnis für diese Koalition .


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Alle unsere Vorschläge sind finanzierbar. Wir müssen
nur endlich in diesem Land ein gerechtes Steuersystem
haben, und die Vermögenden müssen endlich ihren Bei-
trag im Kampf gegen die Armut leisten . Das ist die zen-
trale Frage . Dafür kämpfen wir Linke: für Gerechtigkeit
und Solidarität .


(Beifall bei der LINKEN)


Es gibt ja noch einige Kollegen, die sich über die Wah-
lerfolge der AfD wundern . Aber schauen Sie sich doch
einmal die Vermögensverteilung in unserem Land genau
an . Gab es im Jahr 2002 34 deutsche Milliardäre, waren
es 2012 schon 55 . 1 Prozent der Vermögenden besitzt ein
Drittel des Gesamtvermögens . Das ist das Ergebnis einer
falschen Steuerpolitik . Das können wir nicht länger hin-
nehmen, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der LINKEN)


Selbst die Bertelsmann-Stiftung stellt in einer aktuel-
len Studie fest, dass die Zahl der Menschen, die von ihrer
Arbeit nicht leben können, in unserem Land dramatisch
angestiegen ist . Der Chef der Stiftung kommentiert:

Anja Hajduk






(A) (C)



(B) (D)


Ein steigender Anteil von Menschen, die . . . nicht
von ihrer Arbeit leben können, untergräbt die Le-
gitimität unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsord-
nung .

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen ganz deutlich:
Die AfD ist ein Kind der Politik der Großen Koalition .


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Oh!)


Mit dieser Politik haben Sie die AfD stark gemacht .


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Oh!)


Wir müssen in unserem Land endlich umsteuern .


(Beifall bei der LINKEN – Manfred Grund [CDU/CSU]: Ihnen laufen doch die letzten Wähler weg!)


Die Stimmen in den USA waren noch gar nicht aus-
gezählt, da forderte die Verteidigungsministerin schon
wieder mehr Geld für die Bundeswehr . Ich glaube, Frau
von der Leyen, wäre die US-Wahl anders ausgegangen,
hätten Sie wohl den gleichen Sprechzettel vorgetragen .
Obwohl das Verteidigungsministerium in den nächsten
Jahren 130 Milliarden Euro für Kriegsgeräte ausgeben
will, kam in der Bereinigungssitzung noch eine Nachfor-
derung von 1,5 Milliarden Euro auf den Tisch . Es handel-
te sich um fünf Korvetten . Angeblich würde die NATO
fünf Korvetten von Deutschland fordern, und dieser For-
derung müsse man entsprechen . Nur: Die Bundesrepu-
blik besitzt bereits fünf dieser Korvetten . Das Problem
ist: Von den fünf ist in der Regel nur eine einsatzfähig .
Die Bundeswehr braucht also zehn Korvetten, damit
zwei halbwegs funktionieren . Meine Damen und Herren,
das ist doch Misswirtschaft, und Misswirtschaft wollen
wir nicht finanzieren.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich stelle auch die Frage: Warum sagt Frau von der
Leyen nicht ehrlich, dass sie fünf neue Schiffe haben
will? Warum versteckt sie sich hinter der NATO? Oder
vielleicht ist es gar nicht die NATO, die das will . Viel-
leicht vertritt sie wieder einmal die Interessen der Rüs-
tungslobbyisten . Ich bin der Meinung, wenn wir aus der
Atomindustrie aussteigen können, dann können wir auch
aus der Rüstungsindustrie aussteigen .


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, viele Menschen in unse-
rem Land haben Angst vor Altersarmut, vor steigenden
Mieten, vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes und vor
steigenden Gesundheits- und Pflegekosten. Ich sage ganz
deutlich: Das sind reale Ängste und keine eingebildeten .
Die Linke will den Menschen diese Ängste nehmen, in-
dem wir nicht nur darüber reden, sondern wirklich in So-
lidarität investieren, nämlich in eine solidarische Rente
und in ein solidarisches Gesundheitssystem . Wir brau-
chen endlich eine Rentenversicherung, in die alle einzah-
len und in die die Menschen aufgrund von guten Löhnen
einzahlen können, damit sie eine Rente bekommen, von
der sie im Alter leben können .


(Beifall bei der LINKEN)


Noch einmal zur schwarzen Null . Der Bundesrech-
nungshof spricht in seinem jüngsten Bericht von „an-
strengungsloser Verbesserung“ der Bundesfinanzen auf-
grund fallender Zinslasten . Ich glaube, Herr Schäuble,
das ist doch wirklich ein harter Schlag für Sie . Sie haben
die schwarze Null ja als Krönung Ihrer Karriere ange-
sehen . Nun schreibt Ihnen der Bundesrechnungshof, der
wahrlich nicht von der Linken geleitet wird, dass das al-
les anstrengungslos erreicht worden sein soll .

Ja, muss ich Ihnen sagen, der Bundesrechnungshof
hat recht: Niedrige Zinsen, niedriger Wechselkurs und
billiges Öl wären großartige Voraussetzungen für einen
Finanzminister gewesen, endlich eine Gerechtigkeitsof-
fensive zu starten . Seit 2008 haben wir wegen sinkender
Zinsen rund 100 Milliarden Euro Zinszahlungen ein-
gespart . Ich frage mich, warum der Finanzminister aus
diesen guten Rahmenbedingungen nichts Vernünftiges
gemacht hat . Im Gegenteil: Er kritisiert die EU-Kom-
mission für Investitionspläne . Dabei müssten Sie, Herr
Schäuble, doch endlich einsehen, dass die Kürzungs-
politik Europa in eine schwere Krise getrieben hat . Sie
müssen sich doch nur die Arbeitslosenzahlen in Europa
anschauen . Sogar in Italien sind 30 Prozent der Jugendli-
chen ohne Ausbildung und ohne Arbeit . Die Kürzungspo-
litik raubt der europäischen Jugend ihre Zukunft . Meine
Damen und Herren, wir müssen diese Politik spätestens
im Herbst 2017 beenden .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Die Linke steht für Solidarität, soziale Sicherheit und Zu-
kunft . Und dafür streiten wir .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820100400

Eckhardt Rehberg ist der nächste Redner für die CDU/

CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Eckhardt Rehberg (CDU):
Rede ID: ID1820100500

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

legen! Frau Kollegin Lötzsch, wenn Sie die Politik der
Großen Koaliton als Ursache des Erfolges der AfD se-
hen, dann müssen Sie mir einmal erklären, warum die
Linke am 4 . September in Mecklenburg-Vorpommern
bei der Landtagswahl die größten Verluste gehabt hat .


(Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Sie haben ein Minus von 17 Prozent bekommen!)


– Sie haben 5 Prozent verloren und in Mecklenburg-Vor-
pommern die größten Verluste erlitten . Deswegen würde
ich mir erst einmal an die eigene Nase fassen, bevor ich
Schuldzuweisungen an andere vornehme .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: 17 Prozent in MV!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die schwarze Null
ist Generationengerechtigkeit . Das ist Basis für eine gute

Dr. Gesine Lötzsch






(A) (C)



(B) (D)


Politik . Wir sind 2010 mit 86 Milliarden Euro Schulden-
neuaufnahme gestartet . 2014 hatten wir zum ersten Mal
im Ist einen ausgeglichenen Haushalt . Und jetzt haben
wir den dritten Haushalt in Folge, bei dem wir keine neu-
en Schulden aufnehmen .

Diese Politik hat dazu geführt, dass wir ohne neue
Schulden mit 36 Milliarden Euro bzw . 11 Prozent die
höchste Investitionsquote der letzten 15 Jahre haben . Sie
hat dazu geführt, dass wir die Herausforderungen beim
Thema „Flüchtlinge und Fluchtursachenbekämpfung“
ohne neue Schulden bewältigen können . Diese Politik
hat auch dazu geführt, dass wir mit 52 Prozent seit Ge-
nerationen bzw . Jahrzehnten die höchste Sozialquote im
Bundeshaushalt haben . Deswegen ist die schwarze Null
kein Selbstzweck an sich, sondern sie ist Basis für solide
Politik sowie für Generationengerechtigkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir senden zwei Signale . Einmal haben wir in der
Bereinigungssitzung vereinbart, dass der über 2,5 Mil-
liarden Euro hinausgehende Betrag des Bundesbankge-
winnes wieder zur Tilgung eingesetzt wird . Wir gehen
Stück für Stück auf einen Schuldenstand von 60 Prozent
zu . Aktuell sind wir bei 63,5 Prozent .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen kei-
ne Belehrung der EU-Kommission . Deutschland zeigt,
dass man mit stabiler Haushaltspolitik die soziale Ba-
lance halten und auch investieren kann . Deswegen ist es
grundsätzlich falsch, wenn die EU-Kommission meint,
dass man über Schulden Investitionen bzw . Haushalte
finanzieren könne. Wohin das geführt hat, haben wir in
der Euro-Krise zu Beginn dieses Jahrzehnts deutlich ge-
sehen . Deswegen ist der deutsche Weg der richtige und
der, den die EU-Kommission vorschlägt, der falsche .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben doch gar nicht mehr das Problem, dass nicht
genug Geld für Investitionen bereitsteht . Wir haben doch
eher das Problem, dass wir in vielen Bereichen das Geld,
das für Investitionen bereitsteht, gar nicht mehr umge-
setzt bekommen, weil unser Planungs- und Baurecht viel
zu kompliziert ist, weil unsere Standards zu hoch sind .
Bei den Kommunen fehlen Planungskapazitäten . Von
den 3,5 Milliarden Euro an Kommunalinvestitionen sind
gerade einmal 50 Millionen Euro abgeflossen und gerade
einmal 1,8 Milliarden Euro gebunden .

Wir mussten dieses Programm um zwei Jahre nach
hinten schieben . Bei den Kitainvestitionen gab es eine
Verlängerung um ein Jahr . Wir haben, obwohl im Ver-
kehrshaushalt genug Geld vorhanden ist, Mühe, das
Geld bei den Straßen, der Schiene und den Wasserstra-
ßen umzusetzen . Mittlerweile sind wir so weit, dass je-
des Straßenneubauprojekt, das baurechtlich genehmigt
ist, ausfinanziert werden kann. Hierzu kann ich nur sa-
gen: 36 Milliarden Euro und eine Investitionsquote von
11 Prozent sprechen eine deutliche Sprache . Der Bil-
dungs- und Forschungsetat ist verdoppelt worden . Des-
wegen kann ich nur sagen: Die schwarze Null ist auch
Basis für Zukunftsinvestitionen, liebe Kolleginnen und
Kollegen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zur Zukunft gehört für mich – im Gegensatz zu Ihnen
von den Linken – auch das Thema Sicherheit . Wir ver-
stärken die Finanzmittel bzw . die Personalstellen im Be-
reich der inneren Sicherheit massiv . Es gibt bei der Bun-
despolizei in den nächsten Jahren einen Aufwuchs um
über 7 000 Stellen . Ich erwarte ganz einfach, dass innere
Sicherheit auch bei den Ländern – bei allen 16 Bundes-
ländern – wieder Priorität bekommt . Es reicht nicht aus,
dass der Bund die Bundespolizei um über 7 000 Stellen
aufwachsen lässt . Nein, auch die Länder müssen ihre De-
fizite beheben. Die innere Sicherheit muss eine gesamt-
staatliche Aufgabe sein .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht wegen der
Wahl in Amerika, sondern schon weit vorher haben diese
Koalition und diese Bundesregierung entschieden, den
Verteidigungshaushalt massiv aufwachsen zu lassen . Auf
uns werden weitere Anforderungen zukommen, und die-
sen werden wir gerecht . Wir werden in den nächsten Jah-
ren 20 Milliarden Euro mehr für Verteidigung ausgeben,
damit Deutschland seinen Aufgaben in Europa und in der
Welt nachkommen kann .

Wir haben heute Morgen beschlossen, dass in den
nächsten drei Jahren über 17 Milliarden Euro zur Be-
wältigung der Flüchtlingskosten an die Länder und
Kommunen fließen. Was ich hier schon für ein Stück
aus dem politischen Tollhaus halte, ist das, was der
nordrhein-westfälische Finanzminister, Herr Wal-
ter-Borjans, in der letzten Woche in Nordrhein-Westfa-
len getan hat . Er hat die 434 Millionen Euro, den Anteil
Nordrhein-Westfalens an der Integrationspauschale in
Höhe von 2 Milliarden Euro, als verbesserte Steuerein-
nahmen deklariert. Ich kann dem Landesfinanzminister
von Nordrhein-Westfalen, Herrn Walter-Borjans, nur ins
Stammbuch schreiben: Dieses Geld ist dazu da, damit die
Kommunen nicht auf ihren Kosten sitzen bleiben, und
nicht zur Sanierung des Landeshaushaltes .


(Beifall bei der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU], an den Abg . Thomas Oppermann [SPD] gewandt: Thomas, wir wollen doch die Kommunen entlasten! – Zuruf von der SPD: Sachsen auch!)


Deswegen ist es umso wichtiger, dass die Vereinba-
rungen zwischen Bund und Ländern über die sogenannte
B-Liste zum Bund-Länder-Finanzausgleich erfüllt wer-
den . Ich denke hier an die Änderung der Artikel 104b und
114 des Grundgesetzes . Der Bund muss wieder mitbe-
stimmen, was mit dem Geld des Bundes gemacht wird,
und der Bundesrechnungshof muss nicht nur im Einver-
nehmen mit den Landesrechnungshöfen, sondern im Be-
nehmen wieder prüfen dürfen .

Ich halte das für wesentliche Punkte, wenn ich alleine
daran denke, dass wir heute Morgen beschlossen haben,
in den nächsten drei Jahren über 17 Milliarden Euro als
Entlastung in Richtung Länder und Kommunen „rüber-
zuschieben“ .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: „Rüberzuschieben“!)


Eckhardt Rehberg






(A) (C)



(B) (D)


– Ja, man kann „rüberzuschieben“ sagen, lieber Volker
Kauder .

Der Bundesrechnungshof hat festgestellt, dass jeder
fünfte Euro aus dem Bundeshaushalt – 71 Milliarden
Euro – im kommenden Jahr Finanzleistungen bzw . Fi-
nanzhilfen für Länder und Kommunen sind, und zwar
für Dinge, für die der Bund eigentlich nicht zuständig
ist . Das heißt, mit jedem fünften Euro entlasten wir die
kommunalen und die Länderhaushalte . Das hat es in der
Geschichte der Bundesrepublik in dieser Art und Weise
noch nicht gegeben .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die gute finanzielle Situation hat sicher etwas mit den
niedrigen Zinsen zu tun . Sie hat aber auch etwas mit der
guten wirtschaftlichen Entwicklung zu tun . Die Steuer-
einnahmen von Bund, Ländern und Kommunen wach-
sen .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir leben in einer
unsicheren Zeit: die Wahl in den USA, der Brexit, die
Möglichkeit eines Zinsanstiegs . Die Sozialquote in un-
serem Bundeshaushalt beträgt 52 Prozent, Frau Kollegin
Lötzsch . Das heißt, mehr als jeder zweite Euro wird für
Soziales ausgegeben . Deswegen sollten und müssen wir
schon ein Stückchen darauf achten, dass wir uns in die-
sem Bereich nicht überheben .

Ich möchte gerne zusammenfassen: Dieser Haushalt –
es ist der letzte Haushalt der Großen Koalition in dieser
Legislaturperiode – ist erstens generationengerecht und
zweitens zukunftsfest . Er gibt die richtigen Antworten
zur Bekämpfung der Fluchtursachen . Der Haushalt ist
sozial ausgewogen und länder- und kommunalfreundlich .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Grundstein da-
für, dass wir keine Schulden machen, wurde in der letz-
ten Legislaturperiode gelegt . In dieser Legislaturperiode
haben wir hier das Fundament verfestigt und verbreitert .
Deswegen kann ich als haushaltspolitischer Sprecher für
die Union sagen: Die Haushalte der letzten Jahre tragen
unsere Handschrift .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Du wirst im Alter immer besser!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820100600

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der

Kollege Kindler das Wort .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Eckhardt Rehberg hat gerade gesagt: „Es ist
der letzte Haushalt der Großen Koalition“ .


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: In dieser Legislaturperiode!)


Ich kann nur sagen: zum Glück . Es ist gut so, dass dies
der letzte Haushalt der Großen Koalition ist .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: In dieser Legislaturperiode!)


Wir sehen: Die finanzielle Lage sieht kurzfristig güns-
tig aus: sehr niedrige Zinsen, gute Steuereinnahmen, ro-
buster Arbeitsmarkt . Es sind also alle Möglichkeiten und
alle Chancen da, um wirklich etwas zu gestalten . Gleich-
zeitig sehen wir: Unsere Gesellschaft steht vor großen
Aufgaben . Der soziale Zusammenhalt ist gefährdet . Die
Klimakrise verschärft sich . In unserem Land gibt es ei-
nen riesigen Investitionsstau. Für diese Probleme finden
sich in diesem Haushalt sehr wenige Lösungen . Das ist
leider nur ein Verwalten des Status quo . Das ist deutlich
zu wenig . Angesichts der großen Aufgaben und ange-
sichts der Möglichkeiten ist das leider ein Haushalt der
verpassten Chancen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


Zum Investitionsstau . 2012 wurden nominal 36 Mil-
liarden Euro investiert, auch 2017 sollen 36 Milliarden
Euro investiert werden – keine Steigerung, obwohl die
Situation deutlich besser geworden ist . Im Finanzplan
sinkt die Investitionsquote bis 2020 wieder ab . Das ist
keine Antwort auf die maroden Schulen in diesem Land,
keine Antwort auf langsames Internet, keine Antwort auf
den großen Bedarf an bezahlbaren Wohnungen . Das In-
vestitionsdefizit bleibt im Haushalt bestehen. Ich finde,
das geht nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


Woran liegt das? Das liegt auch daran, dass es keine
sinnvolle Investitionsstrategie vom Bundesfinanzminis-
ter, von Ihnen, Herr Schäuble, gibt . Sie haben sich lan-
ge dagegen gesträubt – Sie sträuben sich sogar immer
noch –, einzusehen, dass es ein Investitionsdefizit in
Deutschland und in Europa gibt. Ich finde, wir sollten uns
freuen, wenn die Europäische Kommission vorschlägt,
die öffentlichen Ausgaben für Investitionen zu erhöhen .
Dagegen darf man keine Brandbriefe schreiben, Herr
Schäuble . Das muss man begrüßen und unterstützen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE] – Volker Kauder [CDU/CSU]: Was?)


Angesichts des mangelnden Zusammenhalts in Eu-
ropa, angesichts der großen Jugendarbeitslosigkeit, an-
gesichts des großen Investitionsbedarfs in Europa kann
man doch nicht stur auf einer harten Austeritätspolitik
beharren – gegen große Teile Europas, gegen den IWF .
Ich finde, gerade in diesen schwierigen Zeiten muss man
zusammenhalten und darf nicht spalten . Jetzt muss man
in Europa mutig nach vorne gehen . Jetzt muss man mutig

Eckhardt Rehberg






(A) (C)



(B) (D)


in unsere gemeinsame europäische Zukunft investieren .
Das wäre jetzt angesagt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Stichwort „Zusammenhalt“ . Wo ist denn Ihr Konzept
gegen Altersarmut? Wo ist Ihr Konzept gegen Kinderar-
mut? Wo sind die Konzepte für den Bildungsaufbruch
bei Krippen, bei Ausbildung? Wo sind die neuen Ideen
für bezahlbaren Wohnraum? Der soziale Wohnungsbau
bleibt in diesem Etat weiterhin unterfinanziert. Wohnen –
das wissen wir doch alle – wird immer mehr zu der sozi-
alen Frage in unseren Städten .

Frau Bundeskanzlerin, Sie haben am Sonntag bei Anne
Will vom Zusammenhalt geredet . Als einen Punkt gegen
mangelnden Wohnraum haben Sie von mehr Wohneigen-
tum, zum Beispiel in München, gesprochen . Da frage ich
mich ernsthaft: Wo leben Sie eigentlich? Das ist doch in
diesem Bereich fernab von jeglicher Realität . Schauen
wir uns an, worum es geht . Es geht um bezahlbare Mie-
ten in unseren Innenstädten . Das wollen die Menschen .
Wir wollen keine neue Eigenheimzulage, sondern wir
brauchen bezahlbare Mieten für Wohnungen in unseren
Innenstädten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Die Leute sollen aber Eigentum haben, nicht Mieten zahlen!)


Zur Gerechtigkeit, Herr Kauder, gehört eben auch,
dass Besitzer großer Vermögen wieder ihren Beitrag leis-
ten . In keinem Land der Euro-Zone ist die Ungleichheit
bei Vermögen so groß wie in Deutschland . Das liegt auch
daran, dass im OECD-Vergleich hier Vermögen sehr ge-
ring besteuert werden . Wir Grüne wollen, dass man Brü-
cken baut, um die soziale Spaltung zu überwinden . Wir
sagen: Wer stärkere Schultern hat, der kann einen grö-
ßeren Beitrag leisten . Besitzer großer Vermögen können
helfen, die soziale Spaltung zu überwinden . Das wäre
gerecht . Wir brauchen jetzt Maßnahmen gegen die Un-
gleichheit in diesem Land . Das ist jetzt angesagt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir reden über den Haushalt und die Haushaltspoli-
tik der Großen Koalition . Da muss man Entscheidungen
treffen und Prioritäten setzen . Ein Blick auf die Priori-
täten der Bereinigungsnacht lässt sehr klar den Kurs der
Großen Koalition erkennen . Man sieht, dass der Verteidi-
gungs- und Rüstungsetat extrem aufgebläht ist . Als wenn
das nicht schlimm genug wäre, haben die Wahlkreisabge-
ordneten von CDU und SPD aus Hamburg und Rostock
sich fünf neue Korvetten für ihre Wahlkreise genehmigt:
für 1,5 Milliarden Euro .


(Lachen bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


– Ich finde es unglaublich, dass Sie lachen und sich dafür
feiern. Ich finde es unverschämt, wie Sie mit dem Haus-
halt umgehen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Die haben aber in ihrem Wahlkreis gar kein Wasser!)


Denn gleichzeitig – das haben Sie auch gemacht – ha-
ben Sie die Mittel für die Arbeitsmarktintegration von
Geflüchteten und Langzeitarbeitslosen um 300 Millio-
nen Euro gesenkt, obwohl jeder weiß, dass die Jobcen-
ter strukturell unterfinanziert sind. Für Rüstung sitzt das
Geld bei SPD, CDU und CSU extrem locker; wenn es um
die Jobcenter geht, dann wird geknausert: Das ist, finde
ich, eine völlig falsche Entscheidung .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir sehen auch beim Klimaschutz falsche Prioritäten
und falsche Entscheidungen – obwohl bekannt ist, dass
auch die Klimakrise Auswirkungen auf diesen Haushalt
hat . Die Klimakrise ist mittelbar ein Haushaltsrisiko . An-
gesichts dessen müssen wir doch gerade jetzt investieren .
Jetzt müssen wir in Klimaschutz, in Gebäudesanierung,
in eine ökologische bäuerliche Landwirtschaft, in Busse
und Bahnen, in den öffentlichen Nahverkehr investieren .
Wenn wir jetzt investieren, zahlen wir nicht später dop-
pelt und dreifach für Klimaschäden . Deswegen wäre es
jetzt angesagt, in diesem Haushalt deutlich in den Klima-
schutz zu investieren . Das wäre jetzt nötig .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Doch was passiert stattdessen? Die umwelt- und kli-
maschädlichen Subventionen liegen immer noch bei
über 50 Milliarden Euro . Sie sind in Ihrer Amtszeit um
10 Milliarden Euro gestiegen, Frau Merkel . In der Be-
reinigungsnacht sind weitere 200 Millionen Euro für die
Flugindustrie dazugekommen .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Super!)


Auf der anderen Seite sehen wir: Der Klimaschutzplan
von Frau Hendricks wurde zerschreddert; er wurde von
Herrn Dobrindt, vom Landwirtschaftsminister und auch
von Herrn Gabriel massiv zerlöchert. Ich finde es, ehrlich
gesagt, angesichts der riesigen Klimakrise, die wir ha-
ben, und der großen internationalen Verantwortung, die
Deutschland hat, ignorant und verantwortungslos, was
die Bundesregierung beim Klimaschutz macht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Noch ein Wort zur Autobahnprivatisierung: Niemand,
Herr Schäuble, braucht eine Allianz-Autobahn oder eine
Deutsche-Bank-Brücke . Diese direkte Privatisierung der
Autobahn müssen wir im Deutschen Bundestag verhin-
dern .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wir haben die Allianz-Arena in München!)


Das will anscheinend auch die SPD; das habe ich
jedenfalls gelesen . Aber es ist ein schönes Schauspiel,
was Sie da aufführen . Sie wissen doch selbst: Der Teufel
steckt im Detail . Der eigentliche Plan ist doch, dass diese
Gesellschaft nachher für weite Teile des Autobahnnetzes
große Netz-ÖPPs bereitstellt, obwohl wir wissen, dass
öffentlich-private Partnerschaften im Straßenbau laut
Bundesrechnungshof im Schnitt 20 Prozent teurer sind .

Sven-Christian Kindler






(A) (C)



(B) (D)


Deswegen, liebe SPD: Wenn Sie es im Kampf gegen
die Privatisierung wirklich ernst meinen, dann dürfen Sie
nicht nur gegen die direkte Beteiligung der Investoren
sein, sondern dann müssen Sie auch gegen öffentlich-pri-
vate Partnerschaften bei dieser Gesellschaft eintreten .
Das erwarte ich von Ihnen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich hoffe nicht, dass die Deutsche Bank, Ergo oder
die Allianz schon Treffen mit SPD-Politikern über die
SPD-Agentur gebucht haben, wie gerade in Frontal 21
berichtet wurde . Offenbar kann man inzwischen Treffen
mit der SPD-Spitze buchen . Das können Sie alle nachle-
sen . Ich hoffe nicht, dass diese Unternehmen schon Tref-
fen gebucht haben, um das einzutüten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Kahrs ist der nächste Redner . Vielleicht können
Sie sagen, wie viel ein Treffen mit Ihnen kostet, wenn
man Sie buchen will .


(Zuruf von der CDU/CSU: Unbezahlbar!)


Ich komme zum Schluss . Was bleibt eigentlich von
vier Jahren schwarz-roter Haushaltspolitik? Was bleibt
mehr übrig als eine Zahl? Sie wissen selber: Es bleibt
nicht viel übrig . Man kann Haushaltspolitik nicht auf
eine Zahl beschränken . Es kann nicht das Ziel einer gu-
ten Finanzpolitik sein, nur auf eine Zahl zu schauen . Man
muss mehr machen . Man muss diese Zahl mit Leben fül-
len, und man muss den Haushalt mit Leben füllen . Weil
Sie das nicht gemacht haben, gibt es – das wissen Sie
selber – viele Verliererinnen und Verlierer: arme Kinder,
arme Rentner, Klima und Umwelt .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820100700


Herr Kollege Kindler .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident, ich könnte noch ganz viele andere Bei-
spiele aufführen, –


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820100800


Ich habe keinen Zweifel daran .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– aber ich komme zum Schluss . – Es ist und bleibt ein
Haushalt der verpassten Chancen, und es ist gut, dass es
der letzte Haushalt der Großen Koalition ist .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820100900

Nun hat der Kollege Johannes Kahrs genauso wenig

Zeit, eine etwas andere Perspektive des Haushaltes vor-
zustellen .


(Beifall bei der SPD – Volker Kauder [CDU/ CSU]: Das muss aber nicht sein! – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ich hoffe, kostenlos! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was kostet Kahrs?)



Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1820101000

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ich habe dem Kollegen Rehberg gelauscht .
Wir hatten eigentlich vereinbart, dass wir uns mit Wahl-
kampf etwas zurückhalten; denn keiner braucht ein Jahr
Wahlkampf .


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was kostet denn nun ein Treffen mit Ihnen?)


Aber ich bin gerne bereit, die zwei, drei Spitzen, die ich
abbekommen habe, zurückzugeben . Ich denke noch da-
rüber nach, wie ich das vernünftig hinbekomme .


(Heiterkeit bei der SPD)


Ich werde meine normale, mir selbst auferlegte Zurück-
haltung in den Griff bekommen .


(Thomas Oppermann [SPD]: Wenigstens einer!)


Im Kern sprechen wir Sozialdemokraten nicht von der
schwarzen Null . Davon sitzen zu viele im Parlament; das
ist meine erste Spitze .


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Aber Herr Kahrs, Sie bleiben unter Ihrem Niveau! Das ist ja ganz schwach!)


– Ich bemühe mich, das Niveau hier zu halten .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Dann kürzen wir die Redezeit!)


Ansonsten reden wir davon, dass wir keine neuen Schul-
den machen .

In der Sache sind wir uns aber einig . Wir werden kei-
ne neuen Schulden machen, und wir haben auch keine
neuen Schulden gemacht . Zum Vergleich muss man
sich einmal die letzte Legislaturperiode anschauen . Herr
Schäuble hat in vier Jahren noch 106 Milliarden Euro
neue Schulden gemacht . Das heißt, es braucht die SPD,
damit es keine neuen Schulden gibt;


(Lachen bei der CDU/CSU)


auch da sind wir uns sicherlich einig . Das heißt, Schwarz-
Gelb kostet .


(Beifall bei der SPD – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Das ist jetzt wirklich neu! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist der Lacher des Tages!)


– Sie wissen doch, wie sich Getretene verhalten .

Sven-Christian Kindler






(A) (C)



(B) (D)


Wir Sozialdemokraten sagen aber, dass schuldenfreie
Haushalte kein Selbstzweck sind . Vielmehr ist es wich-
tig, dass man auch investiert in Bildung, Infrastruktur und
zugunsten der Kommunen . Wir haben das hier getan . Wir
haben ein zusätzliches Zukunftsinvestitionsprogramm
mit einem Volumen von 10 Milliarden Euro beschlossen .
Wir haben finanzschwache Kommunen mit 3,5 Milliar-
den Euro unterstützt, und wir werden sie mit weiteren
3,5 Milliarden Euro unterstützen . Das führt zum Beispiel
dazu, dass selbst der Bundesverkehrsminister kein Geld
mehr für die Infrastruktur ausgeben kann, weil es keine
planfestgestellten Projekte mehr gibt, selbst in Bayern
nicht . Ich bin mir sicher, dass er intensiv nach solchen
Projekten gesucht hat . Das heißt, viel mehr Geld für die
Infrastruktur können wir vonseiten des Bundes nicht aus-
geben, weil es gar nicht abfließt. Wir bekommen inzwi-
schen sogar Geld zurück, das für die Wasserstraße, die
Straße und die Schiene vorgesehen war . Wir haben also
ein Problem in der Umsetzung und nicht bei der Summe,
die wir investieren . Auch das gehört zur Wahrheit .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Wir haben zu Beginn der Wahlperiode nicht damit
rechnen können, dass so viele Flüchtlinge nach Deutsch-
land kommen. Wir haben dies finanziert; wir haben das
gemeinsam gemacht . Die Menschen in diesem Land
haben zusammengestanden . Ohne die vielen Ehrenamt-
lichen wäre das gar nicht möglich gewesen . Wir haben
als Bund die Kommunen und die Länder unterstützt; das
halte ich für richtig . Wir haben mehr Personal zur Ver-
fügung gestellt . Wir haben mehr Geld ausgegeben . Wir
haben die Länder und die Kommunen mit Milliarden un-
terstützt . Wir haben zum Beispiel 1 200 Immobilien des
Bundes kostenlos zur Verfügung gestellt . Ich glaube, das
ist richtig, das ist vernünftig und das ist gut .

Wir haben gleichzeitig das von Sigmar Gabriel initi-
ierte Solidarprojekt durchgesetzt . Wir werden bis 2020
über 20 Milliarden Euro in dieses Projekt investieren .
Das bedeutet mehr für den sozialen Wohnungsbau, mehr
für soziale Integration, mehr für Familien und Langzeit-
arbeitslose . Das heißt konkret: Für Integration in Arbeit
und Ausbildung gibt es 2,2 Milliarden Euro mehr . Auch
für die Sprachförderung gibt es mehr . Für Wohnungsbau
und Stadtentwicklung werden 1,3 Milliarden Euro zu-
sätzlich zur Verfügung gestellt . 2 Milliarden Euro sind
für den sozialen Wohnungsbau beschlossen . Wir geben
viel Geld für die Bundespolizei aus . Wir haben nicht nur
3 000 neue Stellen geschaffen, sondern in diesem Haus-
halt auch weitere 3 000 Stellen beschlossen . Wir haben
Stellen für das Bundeskriminalamt, die Dienste und das
THW geschaffen . Wir haben überall investiert . Das sind
die Erfolge, die diese Koalition erzielt hat; das ist wich-
tig .

Wenn man sich die Zahlen anschaut, dann ist man be-
eindruckt, insbesondere wenn man weiß, dass das alles
ohne neue Schulden funktioniert hat .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Gleichzeitig stellen wir von der Koalition in diesem
Haushalt 1,1 Milliarden Euro zusätzlich für das Auswär-
tige Amt und die Entwicklungshilfe zur Verfügung . Ich

glaube, das ist auch eine gute Maßnahme, um Fluchtur-
sachen zu bekämpfen . Das heißt, beides muss möglich
sein .

Ich habe mich zudem mit dem Kollegen Rehberg für
Schuldentilgung eingesetzt . Im Haushalt sind Bundes-
bankgewinne in Höhe von 2,5 Milliarden Euro vorgese-
hen . Fällt der Gewinn höher aus, sollte der Betrag in die
Flüchtlingskostenrücklage fließen. Wir haben durchge-
setzt, dass er in die Schuldentilgung fließt. Ich glaube,
das war auch früher so; das ist ein wichtiges Signal, und
das soll auch so bleiben .

In den nächsten Tagen werden die Kollegen vortra-
gen, was wir in den Einzeletats inhaltlich alles umge-
setzt haben . Ich glaube, dass das sehr viel ist und dass
wir stolz darauf sein können, das alles umgesetzt zu ha-
ben . Ich möchte mir aber noch eine Anmerkung zu den
Bund-Länder-Finanzbeziehungen erlauben . Darüber ist
viel diskutiert worden, und die Länder haben sich mit
dem Bund geeinigt . Als Bund waren wir sicher nicht die
ersten Sieger, aber das ist so, wenn sich 16 Länder einig
sind .

Wir haben uns aber auch darauf geeinigt – der Kollege
Kindler hat es angesprochen –, dass wir eine Bundesfern-
straßengesellschaft gründen . Wir als SPD sind der Auf-
fassung: Wenn man das denn macht, dann muss klar sein,
dass das hundertprozentige Eigentum des Staates an den
Straßen und an der Gesellschaft im Grundgesetz festge-
schrieben wird;


(Beifall bei der SPD)


denn die Bundesautobahnen sind alle schon vom Steu-
erzahler bezahlt worden . Man muss sie dann auch nicht
privatisieren; dazu gibt es keine Notwendigkeit .

Herr Kindler, man muss nicht immer nur böswillig
sein, es reicht, ab und zu einmal zu lesen . Die gemeinsa-
me Erklärung der SPD-Fraktionsvorsitzenden der Länder
und des Bundes besagt ganz klar: „Keine Privatisierung
von Bundesfernstraßen – Eigentum und Betrieb der Bun-
desfernstraßen muss in Staatshand bleiben!“

Wenn man diese Erklärung liest, stellt man fest, dass
im Grundgesetz nicht nur festgeschrieben werden soll,
dass das Eigentum an den Straßen beim Bund verbleibt,
sondern auch, dass das Eigentum an der Betreibergesell-
schaft beim Bund bleiben muss . Wenn man diese Erklä-
rung liest, stellt man auch fest, dass wir uns vorstellen
können, eine Anstalt des öffentlichen Rechts oder eine
Behörde zu gründen . Wir wollen – das kann man einfach
einmal zitieren –:

Die Infrastrukturgesellschaft Verkehr muss deswe-
gen vollständig im Eigentum des Bundes bleiben .
Sie soll für die Planung, den Bau, Betrieb und Er-
halt der Bundesfernstraßen verantwortlich sein und
ist damit Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge . Die
Infrastrukturgesellschaft Verkehr soll die künftigen
Vergabeverfahren vor allem im Hinblick auf Los-
größen so gestalten, dass die Chancen der mittel-
ständisch geprägten Bauwirtschaft im Wettbewerb
gewahrt bleiben . Wir bestehen darauf, dass die In-

Johannes Kahrs






(A) (C)



(B) (D)


teressen der Arbeitnehmerschaft vollumfänglich be-
rücksichtigt werden .


(Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Wie langweilig!)


Kein Beschäftigter darf hinsichtlich seines Sta-
tus, seines Arbeitsplatzes und seines Arbeitsortes
schlechter gestellt werden . Wir erwarten, dass die
Personalvertretungen mit eingebunden werden .

Wenn man das alles liest, Herr Kindler, dann kann
man eigentlich nicht zu dem Schluss kommen, den Sie
hier vorgetragen haben .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie teuer ist jetzt Herr Kahrs?)


Zusammenfassend sei dargestellt: Ich glaube, dass wir
uns hier alle einigen werden, dass wir keine Privatisie-
rung der Bundesautobahnen wollen .


(Beifall bei der SPD)


Ich glaube, das ist nicht im Interesse der deutschen Be-
völkerung . Die Autobahnen sind alle schon einmal be-
zahlt worden . Deswegen ist die Gründung der Infrastruk-
turgesellschaft richtig und gut . Wenn man das in dieser
Legislaturperiode noch macht, dann muss man das auch
in dieser Legislaturperiode im Grundgesetz festschrei-
ben .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820101100

Das Wort erhält nun der Bundesfinanzminister

Wolfgang Schäuble .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-
zen:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
habe bei der Einbringung des Bundeshaushalts im Sep-
tember hier über die finanzpolitische Entwicklung der
letzten Jahre gesprochen . Wir haben wahrgemacht, was
wir versprochen haben, nämlich dass wir bei einer nor-
malen wirtschaftlichen Entwicklung ohne neue Schulden
auskommen und dass wir die Folgen der großen Krise,
die wir im letzten Jahrzehnt hatten, schrittweise überwin-
den werden . Das hat dazu geführt, dass wir im Gegensatz
zu vielen anderen Ländern, auch in Europa, die es schwe-
rer haben, in Deutschland ein solides Wachstum haben .
Das hat dazu beigetragen, dass die Löhne, die Gehälter
und die Renten real stärker gestiegen sind als in zurück-
liegenden Jahrzehnten . Die Arbeitslosigkeit in Deutsch-
land ist so niedrig wie nie seit der Wiedervereinigung .
Der Beschäftigungsstand ist, gemessen an regulären so-
zialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis-
sen, so hoch wie niemals in der deutschen Geschichte .
Das ist nicht schlecht als Ergebnis einer kontinuierlichen
Finanzpolitik, und es dient den Menschen und unserem
Lande .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Sprecherinnen und Sprecher der Opposition haben
in ihren Reden leider beides kritisiert, und es tut mir leid,
Herr Kindler, sagen zu müssen: Das hebt sich gegenseitig
auf . Sie haben auf der einen Seite gesagt, wir hätten zu
viel gespart, und Sie haben auf der anderen Seite gesagt,
wir hätten überhaupt nicht gespart .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Das stimmt ja nicht!)


Irgendwann müssen Sie sich für die nächsten Reden
überlegen, was wir nun eigentlich gemacht haben und
was Sie uns vorwerfen wollen .

Wir haben eine glückliche Entwicklung gehabt; das
ist wahr . Dass die Zinsen so stark zurückgegangen sind,
hat uns bei dieser Entwicklung natürlich sehr geholfen .
Wer wollte das denn bestreiten? Es gibt auch gar keinen
Grund, darüber zu streiten . Aber damit haben wir eben
die Möglichkeiten gewonnen, neue Aufgaben, die wir so
nicht erwartet hatten – die Migrationsherausforderung
seit dem vergangenen Jahr ist ja schon erwähnt wor-
den –, zu bewältigen, und zwar ohne dass wir bei irgend-
welchen Leistungen kürzen mussten . Wir haben in einer
Größenordnung von gut 20 Milliarden Euro im Haushalt
des Bundes pro Jahr – bei Ländern und Kommunen sind
die Größenordnungen übrigens ähnlich – zusätzliche
Leistungen aufbringen können, ohne dass wir an anderen
Stellen zu Einschränkungen kommen mussten . Das zeigt,
dass wir die Möglichkeiten genutzt haben .

Der Kollege Kahrs hat eben beschrieben, wie wir mit
den Investitionen verfahren sind . Wir haben die Mittel
ganz massiv erhöht. Die Mittel fließen nicht ab, und das
ist unser Problem . An dessen Lösung müssen wir ge-
meinsam, Bund, Länder und Kommunen in Deutschland,
besser arbeiten . Dazu haben wir Vereinbarungen mit den
Ländern getroffen . Diese Vereinbarungen wollen wir
schrittweise und vernünftig umsetzen . Auf diesem Weg
gehen wir weiter .

Ich will im Rahmen der Debatte, die in Europa ein
Stück weit geführt wird, noch auf einige Zahlen hinwei-
sen, die ich mir einmal habe aufschreiben lassen: Die
Staatseinnahmen in Deutschland sind in den Jahren von
2005 bis einschließlich 2015 – das ist, Frau Bundeskanz-
lerin, die Zeit, seit Sie Bundeskanzlerin der Bundesre-
publik Deutschland sind – pro Jahr um 3,3 Prozent ge-
stiegen; in der Euro-Zone sind sie im selben Zeitraum
um 2,7 Prozent gestiegen . Die Staatsausgaben sind in
Deutschland um 2,3 Prozent pro Jahr gestiegen, in der
Euro-Zone im Durchschnitt um 2,5 Prozent . Die Inves-
titionen sind in Deutschland um 3,9 Prozent pro Jahr ge-
stiegen, in der Euro-Zone um 0,7 Prozent. Ich finde, die
Empfehlungen der EU-Kommission gehen irgendwie an
den Falschen in der europäischen Politik .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das Problem bei diesen Empfehlungen ist ja nicht, dass
wir Empfehlungen bekommen, die uns vielleicht nicht
gefallen . Solche Empfehlungen sind ja völlig in Ord-
nung . Das ist der Alltag, und es gibt ja auch unterschied-
liche Meinungen dazu . Das Problem dabei ist vielmehr,
dass die Empfehlungen der Kommission von dem ablen-
ken, was die Aufgabe der Kommission ist, nämlich die

Johannes Kahrs






(A) (C)



(B) (D)


Haushalte und die Budgetplanungen der einzelnen euro-
päischen Länder danach zu beurteilen, ob sie den europä-
ischen Regeln und Vereinbarungen entsprechen . Das ist
die Aufgabe der Kommission . Das ist die Voraussetzung
dafür, dass die Euro-Zone stabil zusammenbleiben kann,
dass die europäische Währung stark bleibt . Diese Aufga-
be erfüllt die Kommission mit dieser Empfehlung nicht,
sondern sie macht das Gegenteil, und deswegen müssen
wir dagegen antreten .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dann will ich noch eine zweite Bemerkung machen,
auch für die nächsten Jahre . Liebe Kolleginnen und Kol-
legen, ich finde, wir sollten in aller Ernsthaftigkeit darü-
ber reden . Ich glaube, dass es für die vielen Debatten, die
wir ansonsten aufgrund von Entwicklungen so führen,
viel besser ist, wenn wir uns bemühen, streitig, mit un-
terschiedlichen Meinungen, aber doch sachlich und viel-
leicht ein Stück weit auf der Grundlage von Realitäten
vorzugehen, damit wir nicht nur postfaktische, sondern
auch ein bisschen realitätsbezogene Debatten führen . Die
Lage wird in den kommenden Jahren nicht einfacher,
sondern sie wird eher herausfordernder werden . Auf der
einen Seite werden die Spielräume auf der Einnahmesei-
te nicht größer werden können .


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Doch!)


Die Zinsen können nicht weiter sinken


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Mit einer Vermögensteuer schon!)


– Moment; langsam –, weil sie so niedrig sind, und wir
gewinnen durch niedrige Zinsen in der Zukunft keine
neuen Spielräume mehr; die haben wir schon . Deswegen
werden wir das, was in den letzten Jahren gewesen ist,
für die kommenden Jahre nicht haben . Die Steuereinnah-
men werden in den kommenden Jahren nicht steigen, es
sei denn, wir – oder eine andere Mehrheit – treffen ande-
re steuerpolitische Entscheidungen .


(Dr . Sahra Wagenknecht [DIE LINKE]: Das wäre doch mal eine Idee!)


– Dafür können Sie selbstverständlich kämpfen .

Ich weise allerdings darauf hin: Ich werde mit großer
Entschiedenheit, soweit ich kann, dafür argumentieren,
darauf zu achten, dass wir im Wettbewerb um Investitio-
nen und Arbeitsplätze sind und dass wir unsere steuerpo-
litischen Entscheidungen in der Zukunft nicht so treffen
können, dass wir zwar 100 Prozent Steuern, aber 0 Pro-
zent Einnahmen haben . Das ist sozialistische Politik . Sie
führt leider ins Elend .


(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN)


– Gucken Sie sich das an! Es geht nämlich internatio-
nal schon wieder los mit dem Steuerwettbewerb und den
Versuchen von Steuerdumping . Dagegen müssen wir
vorgehen .

Ich wollte noch eine andere Bemerkung machen . Die
Steuereinnahmen werden in der Zukunft nicht weiter
steigen . Schauen Sie sich das Ergebnis der letzten Steu-
erschätzung vom November an! Schon im Zeitraum der

Steuerschätzung hat sich das Wachstum eher verlang-
samt als verstärkt. Mittelfristig wird die demografische
Entwicklung nicht nur unsere sozialen Sicherungssyste-
me belasten, sondern sie wird auch unsere Spielräume
bei den Steuereinnahmen nicht größer machen, sondern
eher verringern . Also werden die Spielräume auf der Ein-
nahmeseite nicht größer, die Aufgaben aber werden mit
Sicherheit größer .

Die Aufgaben werden durch die Herausforderungen
größer . Die Migrationsherausforderung ist nur ein The-
ma . Deswegen ist es gut, dass wir die Ausgaben für die
Bekämpfung der Ursachen der Flüchtlingsbewegung im
Auswärtigen Amt wie in der Entwicklungszusammenar-
beit deutlich aufgestockt haben . Wir werden das in den
kommenden Jahren fortsetzen müssen . Ich habe übrigens
schon bei der Einbringung des Bundeshaushalts 2015 ge-
sagt, dass unsere Priorität dort liegen muss . Wir werden
in dieser globalisierten Welt keine gute Zukunft haben,
wenn es uns nicht gelingt, unsere Nachbarschaft, unsere
Umwelt, vor allen Dingen auch Afrika, stärker zu stabili-
sieren . Dies wird größere Anforderungen an uns stellen .

Wir werden auch für die Sicherheit, die äußere und
die innere Sicherheit, mehr Aufwendungen vorsehen
müssen . Auch das spiegelt der Haushalt richtig wider .
Die Kollegen Kahrs und Rehberg haben das beschrieben .
Das ist gut so, und die Entwicklung wird in den kom-
menden Jahren im Interesse unserer Zukunft fortgesetzt
werden müssen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir werden durch die absehbare demografische Ent-
wicklung, wie immer wir die Probleme durch gesteuerte
oder sonst gelingende Zuwanderung auch ein Stück weit
mildern können, größere Herausforderungen in den sozi-
alen Sicherungssystemen haben . Ich will darauf hinwei-
sen – ich habe das schon öfter getan –: Rund 55 Prozent
des Bundeshaushalts sind bereits durch den Bereich der
sozialpolitischen Maßnahmen im weiteren Sinn belegt .
Spätestens bei 100 Prozent haben wir eine Obergrenze
erreicht, sodass wir nicht mehr handeln können .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Dann ist die soziale Gerechtigkeit vollendet!)


Wir müssen also darauf achten, dass wir unsere Zu-
kunftsfähigkeit bewahren .

Deswegen haben wir die Mittel für Infrastruktur sowie
für Forschung und Entwicklung erhöht . Deswegen helfen
wir den Ländern, ihre Aufgaben in der Bildungspolitik
besser als in der Vergangenheit zu erfüllen . Das sind die
entscheidenden Punkte, in denen wir die Zukunftsfähig-
keit unseres Landes stärken können .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine letzte Bemer-
kung ist, auch weil dies in der Tat der letzte Haushalt
dieser Legislaturperiode ist – wir werden im nächsten
Jahr noch einen Haushaltsentwurf vorlegen, aber der
wird in dieser Legislaturperiode nicht mehr beschlossen
werden –: Es ist immer die Gefahr groß – das habe ich in
den letzten Monaten natürlich gespürt; darüber können
wir offen reden –, dass man, weil die Lage gut ist und die
Entwicklung günstig ist, der Versuchung erliegt, zu mei-

Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble






(A) (C)



(B) (D)


nen, wir könnten in den Anstrengungen nachlassen . Wir
dürfen uns auf den erreichten Erfolgen aber nicht ausru-
hen . Wir haben viel erreicht . Die Lage für das Land ist
besser geworden . Die Aufgaben für unser Land sind grö-
ßer geworden . Die Lage für die Menschen ist gut . Aber
es gibt viele Probleme . Wir dürfen uns auf den Erfolgen
nicht ausruhen .

Deswegen ist mein Rat: Lassen Sie uns auch in den
kommenden Wahlkampfmonaten so ehrlich wie möglich
und so realistisch wie möglich über die Zukunftsheraus-
forderungen und die Alternativen reden . Je besser wir
dies tun, umso kleiner werden wir den Raum für dieje-
nigen machen, die mit demagogischen, populistischen
Parolen unsere Demokratie schwächen wollen . Realisti-
sche Ehrlichkeit ist die beste Voraussetzung, um Freiheit,
Rechtsstaatlichkeit, Demokratie auch für die Zukunft zu
sichern . Das können wir auch in der Finanz- und Haus-
haltspolitik ganz konkret umsetzen . Dafür bitte ich Sie
um Ihre Zustimmung und um Ihre Unterstützung .


(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820101200

Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin

Karawanskij das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Susanna Karawanskij (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820101300

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Liebe Gäste! Herr Rehberg, als ich Ihnen vor-
hin bei Ihrer Rede zugehört habe, da ist bei mir vor allen
Dingen hängen geblieben, dass Sie Sicherheit einfach
nur mit mehr Polizei verbinden . Der zentrale Aspekt, der
unsere Politik von Ihrer unterscheidet, ist, dass wir vor
allen Dingen soziale Sicherheit meinen .


(Beifall bei der LINKEN – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Man kann auch beides machen!)


Schauen Sie sich die Realität da draußen doch einmal an:


(Zuruf des Abg . Eckhardt Rehberg [CDU/ CSU])


Die Schere zwischen Arm und Reich geht auseinander;
die soziale Spaltung im Land nimmt zu . Und die Bundes-
regierung? Sie lobt sich selber . Auch Sie kommen da gar
nicht mehr aus dem Lob heraus .


(Johannes Kahrs [SPD]: Ja! Wir haben ja auch recht!)


Sie betonen die finanziellen Überschüsse, aber Sie ver-
gessen, zu erwähnen, wer denn eigentlich die finanziellen
Überschüsse erwirtschaftet . Das sind nämlich genau die
Menschen da draußen . Für die muss das Geld bereitge-
stellt werden, und für die müssen die Überschüsse ein-
gesetzt werden – und nicht für die Wahrung einer abs-
trakten Zahl, nämlich der schwarzen Null, die Sie hier
präsentieren .


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, wir brauchen Gerechtig-
keit in diesem Land, allem voran Steuergerechtigkeit .
Wir Linke schlagen ein Steuerkonzept vor, durch das wir
wirklich die unteren und mittleren Einkommen entlasten
und Großverdiener und Superreiche mit Augenmaß be-
lasten . Schauen wir uns doch einmal die Beispiele auf der
Einnahmenseite des Bundes und der Länder an:

Bei der Erbschaftsteuer liefern Sie von der Großen
Koalition wirklich ein Trauerspiel . Wir reden hier nicht
über das kleine Blumengeschäft oder den Friseursalon
um die Ecke, wir reden an dieser Stelle über schwerrei-
che Unternehmen, die anzutasten Sie nicht gewillt sind .
Es werden nach wie vor große Vermögen vererbt . Un-
ternehmenserben werden rechtswidrig im großen Stil be-
vorzugt und können nur allzu leicht die Steuer umgehen .
Um die soziale Spaltung in diesem Land zu kitten, ist
eine angemessene Besteuerung großer Erbschaften bitter
nötig .


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, soziale Gerechtigkeit
würde auch die Wiederbelebung der Vermögensteuer
schaffen, für die die Linke eintritt . Es kann doch nicht
angehen, dass 10 Prozent der Deutschen 60 Prozent des
Gesamtvermögens besitzen . Hier braucht es eine Umver-
teilung . Wir brauchen eine Umverteilung von oben nach
unten, sonst bleiben die Armen in Ost und West weiterhin
abgehängt, während Superreiche große Teile ihres Gel-
des wieder ungeniert nutzen, um auf den Finanzmärkten
dieser Welt das Geld gewinnbringend anzulegen .

Damit komme ich zum zweiten Punkt meiner Rede:
Finanzmarktregulierung . Da bleibt viel zu tun . Natür-
lich gab es einige Gesetze, vor allen Dingen angestoßen
durch die europäische Ebene, die die Finanzmärkte si-
cherer und vor allen Dingen zukunftsfest machen sollten
für zukünftige Krisen . Aber man muss an dieser Stelle
sagen, dass Quantität nicht gleich Qualität bedeutet . Im-
mer wieder kommen hier Stimmen, die sagen: Ja, wir
brauchen jetzt ein Ende der Regulierung . – Sie sprechen
gar von Überregulierung .

Herr Schäuble, Sie haben sich ja gerade auf europäi-
scher Ebene vehement für eine Finanztransaktionsteuer
eingesetzt . Aber wo bleibt die? Fakt ist: Wir haben im-
mer noch keine . Wir haben genauso wenig ein funktio-
nierendes Trennbankensystem, in dem die Einlagen der
Sparerinnen und Sparer von den hochriskanten Speku-
lationsgeschäften getrennt sind . Aber das Problem, dass
es weiterhin Kapitalstöcke gibt, die nach renditeträchti-
gen Anlagen suchen, besteht doch weiter . Hier muss man
überlegen, welche Geschäfte tatsächlich mit wie viel
Eigenkapital hinterlegt sind . Außerdem müssen wir über
eine sozial gerechte Besteuerung sprechen,


(Beifall bei der LINKEN)


damit hier für Augenhöhe gesorgt wird .

Denn trotz einer Vielzahl von Gesetzen seit Ausbruch
der Finanzkrise geht das Zocken an den Finanzmärkten
fast uneingeschränkt weiter . Täglich kommt eine Vielzahl
von Finanzmarktprodukten auf den Markt – meistens un-
durchsichtig, meistens hochriskant . Und diese sind häu-
fig volkswirtschaftlich überhaupt nicht notwendig.

Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble






(A) (C)



(B) (D)


Deswegen sagen wir: Wir brauchen einen Fi-
nanz-TÜV . Wir schlagen vor, dass Finanzgeschäfte und
Finanzinstrumente in Zukunft einer verbindlichen Zulas-
sungsprüfung zu unterwerfen sind, damit intransparente
und gefährliche Finanzmarktinstrumente überhaupt nicht
in Umlauf kommen . Die BaFin macht ja auch deutlich,
dass das eine Ultima Ratio und ein richtiger Schritt ist,
indem sie zum Beispiel vorschlägt, Bonitätsanleihen zu
verbieten, damit entsprechende Produkte hier nicht auf
den Markt gelangen und vor allen Dingen nicht in die
falschen Hände kommen . Aus unserer Sicht sollen die
Finanzdienstleister die Unbedenklichkeit ihrer Produkte
erst einmal nachweisen .

Ein solcher Finanz-TÜV, der auf europäischer Ebene
eingeführt und verankert wird, würde vor allen Dingen
für übersichtliche Finanzmärkte mit ökonomisch sinn-
vollen und transparenten Finanzmarktinstrumenten sor-
gen und damit tatsächlich eine gute, effektive Grundlage
für finanziellen Verbraucherschutz schaffen.


(Beifall bei der LINKEN)


Mein abschließender Blick gilt den Kommunalfinan-
zen . Ja, es ist mehr Geld in die Länder und Kommunen
geflossen –


(Zuruf von CDU: So viel wie nie!)


aber vor allen Dingen häppchenweise . Beim Vorschlag
zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen fehlt es an
einem Konzept zur Stärkung der Finanzkraft von Län-
dern und Kommunen . Die Kommunen müssen dauerhaft
bei den Sozialausgaben entlastet werden und vor allen
Dingen auf der Einnahmeseite auf stabile Füße gesetzt
werden .


(Beifall bei der LINKEN)


Entsprechende Anträge haben wir als Linke vorgelegt .

Um es an dieser Stelle noch einmal zu sagen: Es ist
der völlig falsche Weg, durch die Privatisierung von Au-
tobahnen und Fernstraßen Banken und Versicherungen
einzubeziehen . Solche Projekte können die Gebietskör-
perschaften auch selber umsetzen . Herr Kahrs, Sie ha-
ben vorhin gesagt, wenn die Mittel gar nicht abflössen,
bräuchten wir das auch nicht durch private Investoren
machen zu lassen . Dann können wir es aber direkt als
Bund machen .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Meine Damen und Herren, die schwarze Null auf dem
Papier ist nichts wert, wenn das Geld nicht bei den Men-
schen ankommt . Wir brauchen Investitionen in Infra-
struktur, in Bildung und in Forschung . Wir brauchen die
Stärkung der Binnennachfrage . Wir brauchen vor allen
Dingen gute, stabile Sicherungssysteme, damit niemand
Angst vor Kinderarmut, vor Altersarmut und insbesonde-
re auch vor Erwerbslosigkeit haben muss .

Auf verschiedenen Ebenen, auch hier im Bundestag,
haben wir entsprechende Konzepte vorgelegt . Wir setzen
auf Steuergerechtigkeit, Finanzmarktregulierung und

nicht zuletzt auf stabile Haushalte in Bund, Ländern und
Kommunen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820101400

Das Wort erhält nun der Kollege Carsten Schneider

für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Carsten Schneider (SPD):
Rede ID: ID1820101500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Karawanskij, Sie haben eben einen Widerspruch
zwischen öffentlicher Sicherheit und sozialer Sicher-
heit aufgemacht . Diesen Widerspruch sehe ich nicht .
Ich sehe ihn auch nicht in diesem Haushalt abgebildet,
der ja die Grundlage für die Arbeit der Bundesrepublik
bildet . Denn wir haben sowohl die öffentliche Sicherheit
gestärkt – ich weiß nicht, ob das bei Ihnen unstrittig ist;
wenn ich mir die eine oder andere Äußerung aus Ihren
Reihen anhöre, habe ich den Eindruck, dass zumindest
Teile von Ihnen Probleme haben mit öffentlicher Sicher-
heit, Polizei und Staat – als auch die soziale Sicherheit .

Deswegen kann ich frohgemut sagen: Die SPD-Frak-
tion wird diesem Haushalt 2017 zustimmen . Das ist in
der Tat ein sehr guter Haushalt, der Deutschland voran-
bringen wird, sowohl im Zusammenleben der Menschen
untereinander – das ist die soziale Frage – als auch inter-
national .

Ich will auf einzelne Aspekte eingehen – auch auf
den europäischen Aspekt, den Herr Minister Schäuble
angesprochen hat . Ehrlicherweise muss ich sagen: Eine
solche Haushaltsrede hätte ich mir vor zehn Jahren nicht
vorstellen können . Entgegen dem, was Herr Kindler ge-
sagt hat, haben wir eine Situation, die nicht allein durch
Sparen geprägt ist . Im Vollzug des Haushalts werden wir
wahrscheinlich Überschüsse haben, obwohl wir die Be-
darfe, die für die Zukunft Deutschlands notwendig sind,
auskömmlich finanzieren.

Der erste Punkt: Die Mittel für den sozialen Woh-
nungsbau, auf den schon hingewiesen worden ist, werden
verdreifacht . Es wird schwer, diese Mittel noch sinnvoll
und effizient einzusetzen. Unser Ziel ist ja nicht, dass
sich nur die Gewinne der Unternehmen erhöhen, die
diese Aufträge dann ausführen . Vielmehr brauchen wir
Preise, die noch angemessen sind . Schließlich wollen wir
auch effizient und sinnvoll mit dem Geld der Steuerzah-
ler umgehen .

Es erfolgt also eine Verdreifachung der Mittel für den
sozialen Wohnungsbau . Das ist ein großer Erfolg von
Sigmar Gabriel mit dem Solidarprojekt für Deutschland .


(Beifall bei der SPD)


Die Investitionsmittel für die Kommunen – in den
Kommunen ist die größte Substanz, weil sie die meisten
Schulen und Gebäude besitzen; der Bund hat ja überhaupt
nicht so viel Eigentum, sodass er konjunkturpolitisch gar
nicht so stark steuern kann – erhöhen wir noch einmal um

Susanna Karawanskij






(A) (C)



(B) (D)


3,5 Milliarden Euro. Damit stellen wir den finanzschwa-
chen Kommunen 7 Milliarden Euro für Investitionen zur
Verfügung, um die gleichen Chancen und insbesondere
auch gleiche Lebensverhältnisse in Deutschland herzu-
stellen .

Wir haben die Investitionen insgesamt auf 11 Prozent
erhöht . 11 Prozent, das ist gewaltig . Das sind Zukunfts-
investitionen; denn nur wenn ich heute investiere, habe
ich in Zukunft einen Ertrag davon, wenn der Kapitalstock
nicht nur bei Unternehmen, sondern auch parallel beim
Staat steigt . Von Austerität, Herr Kindler, kann zumin-
dest in Deutschland keine Rede sein . Es ist eher das glat-
te Gegenteil der Fall .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir steigern die Ausgaben des Jahres 2013 in Höhe von
308 Milliarden Euro auf jetzt 329 Milliarden Euro, bei
sinkenden Zinsausgaben . Das heißt, real sind die Ausga-
ben sogar noch mehr gestiegen . Irgendwann ist die Situ-
ation erreicht, wo ich sage: Die Ausgaben müssen auch
noch sinnvoll sein .

Der zweite Punkt ist der soziale Zusammenhalt . Für
uns als Sozialdemokraten ist das besonders wichtig . Es
stehen in dieser Woche in der Koalition noch einige Ent-
scheidungen an . Ich nenne hier die Rente . Wir haben eine
Steigerung der Rente im Osten von über 6 Prozent – und
zwar aufgrund der Einführung des Mindestlohns, den wir
Sozialdemokraten durchgesetzt haben; dadurch gibt es
höhere Löhne und dementsprechend höhere Renten –,
im Westen von über 4 Prozent . Was wir jetzt aber noch
machen müssen und die SPD auch durchsetzen wird, ist
die Ost-West-Angleichung bis 2020 . Es ist ganz entschei-
dend, dass wir in Deutschland nach 30 Jahren ein einheit-
liches Rentenrecht erhalten .


(Beifall bei der SPD)


Dritter Punkt: Es gibt im Sozialstaat immer noch Lü-
cken, die man füllen muss . Ein ganz offensichtlicher
Mangel besteht bei der Situation von Alleinerziehenden .
Dabei handelt es sich zum großen Teil um erwerbstäti-
ge Frauen . Trotzdem verfügen sie nicht über genügend
Geld . Hier liegt die Armutsquote bei 30 Prozent . Das ist
nicht hinnehmbar . Aus diesem Grund haben wir Sozial-
demokraten – ich bin froh, dass die Union zugestimmt
hat – uns dafür ausgesprochen, dass der Unterhaltsvor-
schuss nicht mehr auf Kinder bis zum 12 . Lebensjahr
begrenzt ist – danach werden die Kinder erst richtig teu-
er –, sondern dass er ohne zeitliche Begrenzung der Be-
zugsdauer bis zum 18 . Lebensjahr gezahlt wird . Das hilft
insbesondere denjenigen Kindern, die finanziell in einer
schwierigen Situation sind .


(Beifall der Abg . Ulrike Gottschalck [SPD])


Ich finde, das ist nicht nur vertretbar, sondern es ist not-
wendig, um den sozialen Zusammenhalt in Deutschland
zu stärken .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir sind die größte Volkswirtschaft in der EU . Ohne
Deutschland geht in der Europäischen Union relativ we-

nig . Wir haben in den letzten Jahren heftige Auseinan-
dersetzungen über die Frage von Hilfspaketen für andere
Länder gehabt . Der Minister hat vorhin die verschiedenen
Zahlen erwähnt und die Kommission für die Empfehlun-
gen kritisiert, die sie uns im Rahmen der Begutachtung
des Haushalts gemacht hat . Sie hat uns empfohlen, mehr
in Forschung, in Infrastruktur und auch in die Integration
von Asylbewerbern zu investieren, weil wir den fiskali-
schen Spielraum dafür hätten . Wenn man sich das sehr
genau ansieht, dann erkennt man, dass wir das alles tun –
ob im ausreichenden Maße, sei bezüglich der Länder und
Kommunen dahingestellt . Aber wir engagieren uns hier
so, wie wir es können .

Es gibt aber noch eine zweite Komponente, und das
ist die Privatwirtschaft . Wenn ich mir das in Deutschland
ansehe, dann stelle ich fest, dass wir eine sehr gute wirt-
schaftliche Situation haben . Wir haben uns im Zuge der
Finanzreformen in der EU ein neues Regularium gege-
ben, sowohl bei Defiziten als auch bei Überschüssen. Wir
sind in der Situation, dass wir einen Leistungsbilanzüber-
schuss haben . Er liegt jetzt bei 9 Prozent . Das heißt, in
Deutschland produzieren wir Waren, exportieren sie und
bekommen dafür Schuldscheine zurück . Das läuft meis-
tens über die Banken . Es ist die Frage, ob diese Schuld-
scheine tatsächlich etwas wert sind .

Die Kommission soll einschreiten – wir haben uns
selbst diese Regel gegeben –, wenn der Leistungsbilanz-
überschuss über 6 Prozent liegt . Wir verletzen also diese
Regel . Deswegen ist es klug, darüber nachzudenken, wie
wir zu mehr privaten Investitionen in Deutschland kom-
men können . Das ist aller Schweiß der Edlen wert . Es
geht auch um die Frage: Wie viel Geld haben die Men-
schen tatsächlich zur Verfügung? Ich meine, dass wir ins-
besondere untere und mittlere Einkommen sowie Fami-
lien mit Kindern finanziell stärker entlasten können. Es
macht ja keinen Sinn, ihnen das Geld erst wegzunehmen
und es dann über Sozialleistungen, Transfers oder Steu-
ersubventionen zurückzugeben .

Unser Schritt wäre, dass das Steuerdumping, das ei-
nige Länder – Großbritannien vorneweg – ankündigen
und wodurch die internationale Zusammenarbeit mehr
oder weniger aufgekündigt wird, ein klares Stoppsignal
erfährt . Nur wenn wir Großunternehmen gerecht besteu-
ern, wird es uns gelingen, insgesamt zu einer gerechten
Besteuerung zu kommen .


(Beifall bei der SPD)


Der Buchhändler bei mir vor Ort soll die gleiche Wett-
bewerbssituation vorfinden wie ein Versandhändler wie
Amazon, der fast gar keine Steuern zahlt . Das ist von
zentraler Bedeutung . Wenn die Kommission die Proble-
matik des zu hohen Leistungsbilanzüberschusses auf-
greift, würde ich nicht so harsch reagieren; denn im Kern
haben wir sie damit beauftragt, dies zu tun . Wir verletzen
diese Regeln .

Ich will Ihnen einen letzten kurzen Ausblick geben .
Die Amerikaner werden in den nächsten Jahren sehr viel
investieren. Sie werden dies über Schulden finanzieren.
Dort werden die Zinsen steigen . Was werden die deut-
schen Lebensversicherungen und Banken mit dem Geld
der Deutschen machen? Sie werden es dort anlegen . Das

Carsten Schneider (Erfurt)







(A) (C)



(B) (D)


heißt, wir werden einen Kapitalausfluss aus Deutschland,
aus Europa in die USA beobachten . Ich weiß nicht, ob es
Potemkinsche Dörfer sind . Aber die Frage, ob das Geld
tatsächlich gut angelegt ist oder besser angelegt werden
kann, ist eine Frage, die für die Finanzstabilität von zen-
traler Bedeutung ist . Deswegen sollten wir alles unter-
nehmen, damit die Zinsen auch in Deutschland wieder
steigen . Sie steigen nur dann, wenn auch hier genügend
Anlageformen zur Verfügung stehen .

Deswegen sind Investitionen der Realwirtschaft, der
Unternehmen selbst – sie sollen nicht nur Dividenden
ausschütten, sondern auch investieren – von zentraler
Bedeutung . Alles, was wir dafür tun können – Binnen-
nachfrage stärken, Kaufkraft stärken, Investitionen in
Forschung und Entwicklung stärken –, ist aus meiner
Sicht die richtige Antwort . Einen großen Teil der Ant-
worten geben wir schon mit diesem Haushalt, aber es
bleibt auch noch einiges zu tun .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820101600

Nächste Rednerin ist die Kollegin Ekin Deligöz für

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820101700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

hören heute in den Debatten sehr viel Selbstlob für die-
sen Haushalt . Aber ich will Ihnen ein bisschen Wasser in
den Wein schütten . Denn die sogenannte schwarze Null,
über die wir reden, hat Kratzer, und darüber kann man
auch nicht hinwegsehen .

Ich fange mit dem an, was hier die größte Rolle ge-
spielt hat: die Investitionen . Ja, Sie können natürlich
sagen, Herr Schneider: „Eigentlich geben wir doch jetzt
viel mehr Geld aus und betreiben keine Austeritätspoli-
tik .“ Aber es ist doch in einem Land, dem es wirtschaft-
lich so gut geht, selbstverständlich, dass wir nicht von
Austerität reden müssen . Die Frage ist doch, wie es mit
dem prozentualen Anteil der Investitionen aussieht . Ob-
wohl Sie 50 Milliarden Euro mehr Einnahmen als 2012
haben, bleibt der Anteil der Investitionen bei 10 Prozent .
Darum geht es doch, wenn wir sagen, die Investitionen
stagnieren: Es wäre mehr möglich, und es sind mehr Ge-
staltungsspielräume im Haushalt vorhanden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Kollege Rehberg, wenn Sie sagen, es liege an
den Kommunen und den Ländern sowie an der großen
Bürokratie, dass Investitionen ausbleiben, dann machen
Sie es sich ein bisschen zu einfach . Das liegt schon auch
daran, dass die Hausaufgaben nicht erledigt werden . Wir
haben einen ganzen Dschungel von Bundesförderpro-
grammen für Investitionen, in dem keiner mehr richtig
durchblickt . Sie fordern von den Kommunen, dass sie
einen Eigenanteil von 10 Prozent übernehmen, und über-
sehen dabei, dass gerade Kommunen, die im Haushalts-
sicherungsverfahren sind und mit hohen Kassenkrediten
belastet sind, oftmals einfach nicht das Geld haben, um

die Kofinanzierung zu erbringen. Oder wie sieht es mit
der zeitlichen Begrenzung aus, die Sie immer vorsehen?
Natürlich müssen Sie die Fristen einiger Förderprogram-
me des Bundes verlängern; denn die Planungszeiträume
für Kommunen betragen oft rund fünf Jahre . Wenn Ihre
Mittel aber nach zwei Jahren auslaufen, funktioniert das
so nicht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Oder warum haben wir bei der Bahn keinen Planungs-
vorrat, damit wir sofort loslegen können, wenn das Geld
da ist? – Das sind doch die Hausaufgaben des Verkehrs-
ministers . Er macht sie nicht, und er verpasst damit die
Chance, dass dieses Land wirklich in die Infrastruktur
investiert .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn die Schulen
verfallen, wenn die Brücken nicht mehr befahrbar sind,
wenn Sie es sich nach wie vor leisten, klimaschädliche
Investitionen stark zu fördern, dann können wir nicht
mehr von einem zukunftsfähigen Haushalt und von In-
vestitionen für die Zukunft reden, und das ist Fakt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dieser Substanzverzehr, über den wir da reden, ist die
eigentliche Verschuldung, für die unsere Kinder und En-
kelkinder irgendwann einmal zahlen müssen, und die
Kosten werden sehr hoch sein .

In diesem Land fahren immer noch Dienstwagen auf
Steuerzahlerkosten durch die Straßen, immer noch wird
Diesel subventioniert, und auch Flugbenzin ist immer
noch steuerfrei .


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Auch in Baden-Württemberg!)


Das sind die klimaschädlichen Subventionen, die wir ab-
schaffen wollen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir wollen sie auch deshalb abschaffen, weil das im Sin-
ne des Klimaschutzes ist, und Sie bleiben da weit hinter
dem Möglichen und Notwendigen zurück . Da wünsch-
te ich mir etwas mehr Entschlossenheit, damit Sie die
Chancen, die sich bieten, auch ergreifen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es geht uns in der Opposition übrigens nicht nur da-
rum, dass wir mehr Geld ausgeben, sondern dass wir
die richtigen Prioritäten im Bundeshaushalt setzen . Je-
den Tag zeigt sich von neuem, dass Armut und soziale
Spaltung in unserem Land zunehmen . Warum investie-
ren Sie nicht in den sozialen Arbeitsmarkt? Warum hal-
ten Sie immer noch an Beschlüssen aus dem Jahr 2009
fest, zum Beispiel an dem, die Eingliederungsmittel für
die Jobcenter zu deckeln? Hier könnten Sie etwas gegen
Langzeitarbeitslosigkeit tun . Außerdem ist es nötig, ei-
nen sozialen Arbeitsmarkt zu schaffen . – Diese Chance
habe Sie verpasst .

Zum Unterhaltsvorschuss . Super – endlich kommen
Sie auf die Idee, hier etwas zu tun . Alleinerziehende in
unserem Land sind viel zu lange alleine gelassen worden .

Carsten Schneider (Erfurt)







(A) (C)



(B) (D)


Jetzt kündigen Sie die Umsetzung im Schnellverfahren
zum 1 . Januar an, die Kosten sollen aber zum größten
Teil die Länder und die Kommunen tragen, sowohl die
für die Verwaltung als auch die für die Leistung an sich .
Da müssen Sie sich auch auf Bundesebene bewegen; an-
ders funktioniert das nicht . Die Kommunen gehen baden,
die Alleinerziehenden werden wieder alleine gelassen,
und Sie kommen zu keinem Ergebnis . Das ist keine red-
liche Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Nicht zuletzt: Was tun Sie für einen transparenten
Haushalt? – Ich komme zu meinem letzten Argument,
Herr Präsident . – Wir haben eine ganze Reihe von Vor-
lagen im Sinne von Good Governance eingebracht, zum
Beispiel zum Thema „geschlechtergerechte Haushalts-
politik“ . Dann wüssten wir, wer wie von den Ausgaben
profitiert. Sie haben noch nicht einmal den Mut, für mehr
Transparenz im Haushaltsverfahren zu sorgen . Das wür-
de auch zu mehr Akzeptanz bei den Bürgern führen, aber
Sie machen es trotzdem nicht . – Verpasste Chancen .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auf all diese Herausforderungen haben wir als grüne
Fraktion während der Haushaltsberatungen Antworten
gegeben . Nichts davon haben Sie übernommen, Sie sind
noch nicht einmal darauf eingegangen . Das wird sich
hoffentlich in der nächsten Wahlperiode ändern .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820101800

Nächster Redner für die CDU/CSU-Fraktion ist der

Kollege Ralph Brinkhaus .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ralph Brinkhaus (CDU):
Rede ID: ID1820101900

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hat-

ten im Januar 2015 eine Aktuelle Stunde durchgeführt,
als das Jahr 2014 abgerechnet worden ist . Im Jahr 2014
wurde erstmals seit sehr langer Zeit ein ausgeglichener
Haushalt realisiert . Es saß damals niemand im Deutschen
Bundestag, der sich daran erinnern konnte, dass so etwas
während seiner aktiven Zeit schon einmal vorgekommen
ist . Das war etwas ganz Spezielles, und wir haben uns
dementsprechend gefreut .

Wir haben es geschafft, die Entwicklung in den Jah-
ren 2015, 2016 und jetzt für das Jahr 2017 fortzusetzen .
Und wir haben das geschafft, obwohl wir – mehrere Vor-
redner haben darauf hingewiesen – viele Herausforde-
rungen zu bewältigen hatten, zum Beispiel im Bereich
Migration, obwohl wir mehr Geld für innere Sicherheit
ausgegeben haben, obwohl wir mehr Geld in die äu-
ßere Sicherheit investiert haben, obwohl mehr Geld in
die Bildung geflossen ist, obwohl wir mehr Geld an die
Kommunen – Klammer auf: gerne; Klammer zu – und
an die Länder – Klammer auf: weniger gerne; Klammer
zu – gegeben haben


(Heiterkeit des Abg . Johannes Kahrs [SPD])


und obwohl wir viele Dinge gemacht haben, die der Kol-
lege Kahrs im besseren Teil seiner Rede so eindrucksvoll
erläutert hat .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Insofern können wir sehr stolz auf das sein, was wir ge-
schafft haben .

Wenn man sich die Situation in anderen Ländern die-
ser Erde anschaut, dann stellt man fest: Das ist schon
etwas ganz besonderes, was wir hier und heute beschlie-
ßen – wieder einmal beschließen –, und das sollten wir
auch durchaus würdigen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ein guter Haushalt, ein nachhaltig guter Haushalt ist
immer auch ein Spiegel dessen, was in der Gesellschaft,
was im Land abläuft . Im Gegensatz zur Opposition bin
ich der Meinung, dass vieles sehr gut in unserem Land
läuft . Wir haben Beschäftigungszahlen, von denen wir
vor zehn Jahren noch geträumt hätten; übrigens verbun-
den mit realen Lohnerhöhungen . Wir haben reale Ren-
tensteigerungen . Wir haben in sehr vielen Bereichen,
insbesondere im Bereich der sozialen Gerechtigkeit, Ver-
besserungen erzielt . Wir haben sehr viel Geld investiert .
Wir haben Verbesserungen im Gesundheitssystem und
im Pflegebereich erzielt.

Vieles – natürlich nicht alles – ist gut geworden in un-
serem Land . Das ist eine großartige Gemeinschaftsleis-
tung der Politik, ja, auch der etablierten Parteien, die das
Ganze hier seit 70 Jahren am Laufen halten . Das ist aber
auch eine Leistung der Menschen in der Verwaltung und
in den Unternehmen, der Arbeitgeber, aber auch ganz
besonders der Arbeitnehmer . Das ist eine Leistung des
Ehrenamtes, aber das ist auch eine Leistung – und darü-
ber reden wir zu wenig –, die sehr viel in den Familien
erbracht wird, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Aber es ist nicht nur unsere eigene Leistung; denn
wenn die gleichen Politiker, die gleichen Beamten, die
gleichen Unternehmer, die gleichen Arbeitnehmer und
die gleichen Ehrenamtler das gleiche Engagement, die
gleiche Mühe und den gleichen Schweiß nicht in der Mit-
te Europas in die Sache gesteckt hätten, sondern in Afri-
ka oder in anderen Teilen der Erde, dann wäre weitaus
weniger dabei herausgekommen . Deswegen sollten wir
uns immer vor Augen halten, dass wir nicht nur aufgrund
unserer eigenen Leistung so gut dastehen, sondern dass
das auch ein ganz großes Glück ist . Vielleicht sollten wir
gerade in einer Haushaltswoche einmal innehalten und
ein bisschen über dieses große Glück nachdenken . Viel-
leicht sollten wir uns vor Augen führen, dass wir sehr viel
Anlass haben, fröhlich und dankbar zu sein für das, was
wir hier heute beschließen .

Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn
eine Schulklasse zu mir kommt, dann erkläre ich denen
immer, dass es Ihr Job ist und dass Sie dafür bezahlt wer-
den, die Regierung zu kritisieren, egal wie gut es läuft
in diesem Land, dass das zu einer Demokratie dazuge-
hört . Aber vielleicht wäre es gut, wenn Sie in Ihrer Ar-

Ekin Deligöz






(A) (C)



(B) (D)


gumentation an der einen oder anderen Stelle ein wenig
mehr Maß und Mitte zeigen würden, wenn Sie nicht alles
schlechtreden würden,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen wir doch nicht!)


sondern einmal auch die Dinge darstellen würden, die gut
laufen .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh!)


Ich denke, ein bisschen mehr Dankbarkeit würde uns an
der Stelle guttun, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Dr . Hans-Ulrich Krüger [SPD] – SvenChristian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein bisschen mehr Demut würde Ihnen auch guttun!)


Wir sollten aufgrund unserer guten Leistungen, auf-
grund des Glücks, das wir gehabt haben, nicht übermütig
werden, sondern wir müssen mit viel Respekt – der Bun-
desfinanzminister hat darauf hingewiesen – die Heraus-
forderungen, die vor uns liegen, angehen . Dabei geht es
nicht nur um die innere Sicherheit, für die wir viel Geld
ausgeben müssen, und um die äußere Sicherheit, sondern
insbesondere auch um das Thema Migration . Wenn wir
etwas gegen ungezügelte Migration tun wollen, dann
müssen wir vor Ort anfangen, Fluchtursachen zu be-
kämpfen, ja, auch Deals abschließen – der Deal mit der
Türkei wird nicht der letzte Deal sein, sondern wir wer-
den auch mit anderen Ländern Deals machen müssen –,
und wir müssen etwas von unserem Reichtum abgeben .
Das bedeutet, dass wir haushalterische Belastungen ha-
ben . Deswegen besteht kein Anlass, jetzt das Geld mit
dem Füllhorn auszuschütten .

Ich weise auf noch eine Sache hin: Momentan läuft
die Wirtschaft gut . Das ist nicht selbstverständlich . Wenn
die Wirtschaft nicht mehr gut läuft, ist der Bund drei-
mal dabei: durch geringere Steuereinnahmen, durch die
Notwendigkeit, die Sozialversicherungssysteme zu sta-
bilisieren, und durch die Notwendigkeit, konjunkturelle
Anreize zu setzen .

Die Wirtschaft steht vor dem wahrscheinlich größ-
ten Umbruch in der Nachkriegsgeschichte . Dabei geht
es nicht nur um die Digitalisierung und die E-Mobili-
tät im Bereich der Autoindustrie, sondern auch um den
3D-Druck und ganz viele andere Sachen . Dementspre-
chend tun wir gut daran, unsere Haushalte heute nicht
auf Kante zu nähen, sondern Reserven zu bilden, die wir
nutzen können, wenn das Land diese Reserven braucht .
Das sollte uns bei allen Haushaltsberatungen mit Blick
auf die Ausgabenwünsche mehr leiten als die gute Ein-
nahmesituation, die wir momentan haben .

Respekt vor der Aufgabe, aber auch Respekt vor den
kommenden Generationen – das ist heute noch gar nicht
angesprochen worden .


(Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Doch, von uns!)


Wir machen momentan Geschäfte zulasten Dritter, näm-
lich Geschäfte zulasten der kommenden Generation . Das
gilt insbesondere für das Thema Rente . Diese Diskussion
werden wir auch in dieser Woche an der einen oder an-
deren Stelle aufnehmen . Zu der Rentendiskussion muss
man Folgendes sagen: Wir haben viel im Bereich der
Rente gemacht . Ob das nun gut oder schlecht war, es war
auf alle Fälle teuer:


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


der zusätzliche Mütterrentenpunkt, die Rente mit 63, not-
wendige Verbesserungen im Bereich der Erwerbsminde-
rungsrente und im Bereich der Reha sowie die Flexirente,
die ich ausdrücklich gutheiße .

Jetzt diskutieren wir aber über weitere Punkte, die
zu Belastungen führen: über Rentenuntergrenzen, über
die Lebensleistungsrente, über weitere Verbesserungen
im Bereich der Erwerbsminderung, über die Ost-West-
Angleichung und über viele andere Sachen . Das können
wir alles machen, wenn diese Generation das bezahlt .
Das können wir aber nicht machen, wenn wir sagen:
„Das muss die nächste Generation bezahlen“; denn, egal
ob wir Zuwanderung haben oder nicht, in Zukunft wer-
den weniger Menschen im Berufsleben stehen . Das heißt
für die kommende Generation: Die Lasten, die getragen
werden müssen, werden auf weniger Schultern verteilt .

Ich habe es von dieser Stelle aus schon einmal ge-
sagt: Ich halte es für nahezu unverantwortlich, dass wir
die Spielräume für diejenigen, die in 20, 30 Jahren hier
sitzen werden, durch unsere heutigen Beschlüsse, insbe-
sondere im Bereich der Sozialversicherungssysteme, ein-
schränken; denn die Generation, die in 20 oder 30 Jahren
hier sitzen wird, wird auch vor Herausforderungen ste-
hen . Sie wird ebenso wie wir Herausforderungen in den
Bereichen Migration und Klima meistern müssen – das
ist zu Recht angesprochen worden –, aber sie wird auch
vor neuen Herausforderungen stehen, von denen wir heu-
te noch überhaupt nichts wissen .

Dementsprechend lautet mein dringender Appell, dass
wir in den anstehenden Beratungen und bei der Formu-
lierung der Wahlkampfprogramme immer im Hinterkopf
haben, insbesondere bei den Themen Rente und Sozial-
versicherung, dass die kommende Generation das Ganze
bezahlen muss und wir eine größere Verantwortung für
die kommende Generation haben als für diese Generati-
on . Das sollte uns an der Stelle leiten .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe von Dank-
barkeit und Respekt gesprochen . Aber ich möchte auch
von Optimismus sprechen . Die Herausforderungen, die
vor uns liegen, sind von meinen Vorrednern bereits skiz-
ziert worden; sie betreffen das Klima, die Migration, die
innere und äußere Sicherheit und viele andere Aspekte .
Aber ich glaube, wir in Deutschland sind stark genug,
um diesen Herausforderungen etwas entgegenzusetzen .

Wir haben seit nunmehr fast 70 Jahren – die ersten
Bundesländer feiern gerade entsprechende Jubiläen – ein
politisches System, das es immer geschafft hat, auf die

Ralph Brinkhaus






(A) (C)



(B) (D)


jeweiligen Herausforderungen am Ende eine gute Ant-
wort zu finden. Unser politisches System ist – im Gegen-
satz zum System vieler anderer Länder, beispielsweise zu
dem der Vereinigten Staaten – zwar langsam und müh-
sam . Es hat es aber immer geschafft, einen breiten gesell-
schaftlichen Konsens herzustellen, zumindest zwischen
den großen und – ich sage es noch einmal – momentan
so verpönten etablierten Parteien . Es ist ein unglaublich
großer Wert, dass es in diesem Land Parteien gibt, die
zwar miteinander streiten, die es aber in irgendeiner Art
und Weise trotz unterschiedlicher Meinungen schaffen,
einen Konsens zu erzielen . Es wäre in vielen Ländern der
Welt nicht möglich, eine Große Koalition zu bilden . In
Deutschland ist das möglich . Das ist für die Politik ein
ganz großer Wert .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820102000

Das ist eigentlich ein schöner Schlusssatz, Herr

Brinkhaus .


Ralph Brinkhaus (CDU):
Rede ID: ID1820102100

Jetzt kommt der Schlusssatz . – Von Bedeutung ist aber

nicht nur das politische System . Wichtig sind auch die
Menschen in diesem Land, die unglaublich leistungsstark
sind . Auch die Wirtschaft in diesem Land ist leistungs-
stark: mit ihren Familienunternehmen, mit ihrer Innova-
tionskraft, mit den gut ausgebildeten Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern . Wenn man all das zusammennimmt –
unser gesellschaftliches System, unseren Zusammenhalt,
die leistungsbereiten und motivierten Menschen, die im
Ehrenamt oder sonst wo engagiert sind, und unsere gute
Wirtschaft –, dann muss man sagen: Wir sollten nicht
nur dankbar sein und Respekt vor den vor uns liegenden
Aufgaben haben, sondern wir sollten auch zuversichtlich
und optimistisch sein, dass wir auch im nächsten Jahr –
hoffentlich in einer gut arbeitenden Koalition; sicher in
einer Koalition mit uns – einen guten Haushalt vorlegen
werden .

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820102200

Der Kollege Krüger ist der nächste Redner für die

SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD):
Rede ID: ID1820102300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Nach diesen vielen vortrefflichen Schlusssätzen des Kol-
legen Brinkhaus weiß ich gar nicht, wie ich den Schritt
zurück auf die Sachebene hinbekommen soll; aber ich
versuche es .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Das schaffst du schon!)


Wir haben es, liebe Kolleginnen und Kollegen, wieder
einmal geschafft: 329,1 Milliarden Euro – das sind genau
400 Millionen Euro mehr als im Regierungsentwurf vor-
gesehen –, das ist der Betrag, den sich der Haushaltsaus-
schuss aktuell auf die Fahne schreibt . Zu den Investitio-
nen in Höhe von 36,07 Milliarden Euro ist schon einiges
gesagt worden . Ohne die einzelnen Etats anzusprechen,
muss man sagen: Es ist eine echte Herausforderung, so
viel PS – 36,07 Milliarden Euro – auf die Straße zu brin-
gen und dabei nicht nur Gummiabrieb zu erzeugen . Das
wird die große Aufgabe der einzelnen Ressorts sein . Es
ist ein Signal an die deutsche Wirtschaft und die Beschäf-
tigten, dass Bundesregierung und Bundestag ihre Aufga-
be wahrnehmen .

Es wird vor allen Dingen – das ist auch den Notwen-
digkeiten geschuldet – deutlich mehr Geld in ein zweites
Sicherheitspaket gesteckt . Es sollen bis zum Jahre 2020
4 300 neue Stellen bei den Sicherheitsbehörden geschaf-
fen und 876 Millionen Euro für Personal- und Sachmittel
zur Verfügung gestellt werden . Das sind Maßnahmen,
mit denen wir den Herausforderungen der Zeit im Sinne
unserer Bürgerinnen und Bürger effizient begegnen.

Zur Bekämpfung der Fluchtursachen erhalten das
Auswärtige Amt circa 628 Millionen Euro und das Ent-
wicklungshilfeministerium 554 Millionen Euro mehr als
im Regierungsentwurf vorgesehen . Das sind klare Si-
gnale, dass sich Deutschland zu seiner Verantwortung in
der Welt bekennt .

Im Rahmen unseres Solidarpakts – er wurde schon
mehrfach angesprochen – stellen wir 5 Milliarden Euro
für sozialen Wohnungsbau, Integration und Langzeitar-
beitslose bereit . Durch diese Schwerpunkte im sozialen
Bereich machen wir deutlich, dass wir die Menschen in
unserem Lande nicht im Stich lassen .

Trotz dieser Schwerpunktsetzungen und trotz unvor-
hersehbarer zusätzlicher Kosten, gerade bei der Unter-
bringung der zu uns gekommenen Menschen, haben wir
einen ausgeglichenen Haushalt . Natürlich: Das hängt
auch mit den niedrigen Zinsen und der guten Konjunk-
tur – beides ist angesprochen worden – zusammen .
Gleichwohl tun wir gut daran, unsere Erfolge beim Na-
men zu nennen. Wir dürfen die fiskalischen und wirt-
schaftlichen Erfolge der Großen Koalition nicht kleinre-
den .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Nun zu zwei Punkten, die den Etat des Bundesfinanz-
ministeriums betreffen. Im Etat des Bundesfinanzminis-
ters, welcher sehr stark durch Verwaltungskosten, Perso-
nalkosten etc . geprägt ist, ist für 2017 ein Ausgabensoll
von knapp 6 Milliarden Euro vorgesehen . In den Bera-
tungen haben wir noch 111 Millionen Euro drauflegen
können . Warum haben wir das gemacht? Wir haben uns
die Personalausgaben beim Zoll, aber auch die Ausgaben
für Investitionen in die Informationstechnik zur Gewähr-
leistung der Sicherheit und Integrität finanzrelevanter
Daten einmal angeschaut und sind dann zu dem Schluss
gekommen: Hier müssen wir etwas tun . Bei der Zollver-
waltung gibt es einen Aufwuchs von 505 Stellen . Auf die

Ralph Brinkhaus






(A) (C)



(B) (D)


Finanzkontrolle Schwarzarbeit entfallen dabei 346 Stel-
len .

Wir alle wissen – das ist jedenfalls die Meinung mei-
ner Fraktion –, dass der Mindestlohn ein sozialer Meilen-
stein war und ist .


(Beifall bei der SPD)


Die düsteren Szenarien – vor zwei Jahren von einzelnen
Arbeitgebern an die Wand gemalt – sind allesamt wider-
legt worden . Wir sehen allerdings heute, dass es immer
noch Arbeitgeber gibt, die mit allen Mitteln und Tricks
versuchen, die Arbeitnehmer um ihren verdienten Lohn
zu bringen . Das ist schäbig und muss vonseiten des Staats
sanktioniert und effektiv bekämpft werden .


(Beifall bei der SPD)


Es ist ein wichtiger Punkt gewesen – zusätzlich zu den
bereits ausgebrachten 200 Stellen –, dafür zu sorgen,
dass die Finanzkontrolle Schwarzarbeit kein zahnloser
Tiger ist oder wird .

Lassen Sie mich daher zum Abschluss noch einige
Bemerkungen – auch das ist im Einzelplan 08 etatisiert –
zu Fragen des sozialen Wohnungsbaus der BImA, die so
häufig angesprochen wird, machen. Wir hatten im Ko-
alitionsvertrag vereinbart, 100 Millionen Euro für die
Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern im
Rahmen des sozialen Wohnungsbaus – auf Konversions-
flächen etc. – aufzubringen. Dann ergab sich plötzlich die
Notwendigkeit, mehrere Hunderttausend Menschen bin-
nen kürzester Zeit hier in menschenwürdigen Unterkünf-
ten unterzubringen und zu versorgen . Dabei hat uns die
BImA – das sollte an dieser Stelle auch einmal deutlich
gesagt werden – geholfen . Es wurden 165 000 Unterbrin-
gungsplätze in 1 155 BImA-Liegenschaften zur Verfü-
gung gestellt . Das ging einher mit der Zurverfügungstel-
lung von Mitteln in Höhe von mehr als 150 Millionen
Euro aus dem Etat . Das ist die Leistung, die wir erbracht
haben, um den Kommunen bei den ihnen obliegenden
Aufgaben – wie ich denke, auch effizient – zu helfen.

Da ist natürlich – das war die logische Konsequenz –
Folgendes passiert . Die 100 Millionen Euro, welche die
Große Koalition im Koalitionsvertrag festgeschrieben
hatte, sind nur zu einem Bruchteil abgeflossen, weil die
Kommunen in ihrer Not schlicht und ergreifend die miet-
zinsfreie Überlassung von Liegenschaften und die Über-
nahme von Herrichtungskosten zur Unterbringung von
Flüchtlingen und Asylbegehrenden der Eigenentwick-
lung, die zudem noch Zeit kostete, vorzogen . Von daher
haben wir im Haushalt ein kleines, aber, wie ich denke,
wichtiges Detail verankert: Wir haben nämlich die ur-
sprüngliche Befristung auf vier Jahre für die Verwendung
der 100 Millionen Euro um zwei weitere Jahre erweitert,
sodass es also möglich sein wird, auch in der nächsten
Wahlperiode auf diesen Topf zurückzugreifen, um dann
den Kommunen, die sich mithilfe entbehrlicher Grund-
stücke der BImA fortentwickeln wollen, die Möglichkeit
zu geben, die entsprechenden Flächen preisgünstig zu
erwerben . Sie könnten diese dann, sofern sie sozialen
Wohnungsbau betreiben, sogar mit einem nennenswerten
Nachlass von 25 000 Euro pro geschaffener Wohneinheit

zugunsten ihrer Bürgerinnen und Bürger am Markt an-
bieten .

Ich denke also – das sage ich als kleine Überschrift –,
dass dieser Haushalt Maß und Mitte wahrt . Er setzt sozi-
ale Akzente, vernachlässigt nicht die Herausforderungen
der Zukunft und ist ein Haushalt für die Bürgerinnen und
Bürger . Daher kann er sich sehen lassen .

Ich danke Ihnen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820102400

Ich erteile nun das Wort dem Kollegen Barthalomäus

Kalb für die CDU/CSU .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1820102500

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen

und Kollegen! Dieser Bundeshaushalt macht Freude . Wir
können wiederum einen ausgeglichenen Haushalt vorle-
gen . Seit 45 Jahren hat es Derartiges nicht gegeben . Ich
glaube, darauf können wir stolz sein . Das ist eine histo-
rische Leistung . Diese Leistung ist aber auch nur deswe-
gen möglich, weil es viele fleißige, tüchtige und kreative
Menschen in diesem Land gibt, die unser Volkseinkom-
men bzw . unser Bruttoinlandsprodukt erwirtschaften und
sich jeden Tag anstrengen .

Dieser Haushalt ist aber auch das Ergebnis der rich-
tigen Rahmensetzung durch die Politik . Wir haben in
der Vergangenheit wichtige Weichenstellungen vor-
nehmen müssen . Ich erinnere an die Situation in den
Jahren 2007/2008 . Da haben wir in der Finanz-, Wirt-
schafts-, Banken- und Euroverschuldungskrise – bei all
diesen Ereignissen – die richtigen Maßnahmen ergriffen .

Vielleicht sollten wir heute auch darauf hinweisen,
dass sich diese Maßnahmen, über die wir seinerzeit ernst-
haft gerungen haben – es gab viele Diskussionen darüber,
ob sie richtig sind –, letztlich als richtig und stabilisie-
rend herausgestellt haben . Ich darf nur erwähnen, dass
die Garantien für die Bankenrettung samt und sonders
ohne einen Cent Verlust wieder zurückgegeben werden
konnten . Ähnlich war es bei den Maßnahmen, die zur
Stabilisierung des Euros beigetragen haben . Auch sie –
wir haben hier sehr streitig darüber diskutiert und darum
gerungen, ob sie richtig sind oder nicht – haben sich als
richtig erwiesen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Dr . Hans-Ulrich Krüger [SPD])


Das Wohlergehen der Menschen bei uns hängt auch
vom Wohlergehen Europas – von der Stabilität des Euros
sowie von der Einheit und der Zukunftsfähigkeit Euro-
pas – ab . Das wird in Zukunft vermutlich sogar noch stär-
ker der Fall sein, weil sich die Dinge auch international
sehr rasant verändern und die Bedrohungen eher zuneh-
men . Diese Vorgänge führen natürlich zu einer wachsen-
den Verunsicherung in der Bevölkerung – auch bei uns .

Objektiv gesehen geht es uns so gut wie selten zuvor:
Die Wirtschaft wächst, wir haben den höchsten Stand

Dr. Hans-Ulrich Krüger






(A) (C)



(B) (D)


an Erwerbstätigen und sozialversicherungspflichtig Be-
schäftigten, die Lage der Sozialversicherungssysteme ist
gut, und insbesondere in Bezug auf die Jugendarbeits-
losigkeit würden sich viele Länder Europas unsere Si-
tuation wünschen . Die jungen Menschen haben derzeit
Chancen wie in kaum einer Zeit vorher .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: In Deutschland, ja!)


Trotzdem gibt es auch in diesen guten Zeiten Men-
schen, die nicht auf der Sonnenseite stehen . Auch für sie
treffen wir in diesem Bundeshaushalt Vorsorge: Ich darf
einmal darauf hinweisen, dass weit mehr als 50 Prozent
des Bundeshaushaltes für Soziales verwendet wird . Das
zeigt, dass wir auch für diejenigen da sind, die es im Le-
ben nicht so leicht haben .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir unterstützen – auch das ist bereits mehrfach ange-
sprochen worden – die Länder und die Gemeinden, damit
sie ihre Aufgaben erfüllen können . Das gilt vor allen Din-
gen hinsichtlich der Bewältigung der Probleme, die sich
aus den Flüchtlingswellen ergeben . Daneben darf man
sagen, dass auch die Neuregelung des Länderfinanzaus-
gleichs, der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern,
nicht zum Nachteil der Länder ausgefallen ist .

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir ge-
ben die richtigen Antworten auf die Herausforderungen
in der kommenden Zeit . Wir stärken die Investitionen .
Wie oft hätte ich mir in der Vergangenheit gewünscht,
im Bundeshaushalt eine Investitionsquote von 11 Pro-
zent feststellen zu können! Diese Mittel fließen in den
Substanzerhalt, in die Erneuerung und Ergänzung der
Verkehrsinfrastruktur und auch, Herr Kollege Rehberg,
in die Stärkung der ländlichen Räume sowie den Ausbau
der digitalen Infrastruktur . Das alles gehört zusammen .

Ein ganz wichtiges Anliegen ist uns die Sicherheit .
Auf dieses berechtigte Anliegen der Bevölkerung gehen
wir mit großen Anstrengungen für die Bundespolizei und
unsere Sicherheitsorgane ein . Wir geben auch die richti-
gen Antworten auf die Fragen – auch das ist angespro-
chen worden –, die sich aus der Bekämpfung der Flucht-
ursachen und der daraus entstehenden Risiken ergeben .
„Entwicklungszusammenarbeit“ ist hier ein Stichwort .

Natürlich müssen wir auch für die äußere Sicherheit
sorgen . Deswegen unternehmen wir verstärkte Anstren-
gungen im Verteidigungsbereich . Auch wenn man das
kritisieren mag: Die allermeisten Menschen im Lande
wissen, dass auch die Belange der äußeren Sicherheit zu-
nehmend an Bedeutung für uns gewinnen .

Die Steuerschätzung vom November hat gezeigt, dass
zwar die Einnahmen steigen, dass aber die Bäume auch
hier nicht in den Himmel wachsen . Deswegen müssen
wir jetzt, in guten Zeiten, Vorsorge treffen, damit wir
uns in schlechten Zeiten nicht wieder überfordert fühlen
müssen .

Meine Damen und Herren, natürlich müssen wir uns
auch Gedanken über die Entwicklung der Steuerquote
machen . Wir wissen, sollte die Steuerquote einmal über

23 Prozent steigen, so wird sich das eher konjunktur-
dämpfend bis konjunkturschädlich auswirken . Deswegen
werden wir in der nächsten Legislaturperiode eine Steu-
erreform angehen müssen . Ich denke an die Überprüfung
der kalten Progression, wie wir sie uns vorgenommen
haben, und insbesondere an den Abbau des sogenannten
Mittelstandsbauches . Das hat nichts mit dem klassischen
Mittelstand zu tun, sondern mit den Beziehern kleinerer
und mittlerer Einkommen .

Natürlich stellt sich auch die Frage: Wann greift der
Spitzensteuersatz? Ich glaube, niemand im Lande fühlt
sich mit einem Einkommen von gut 53 000 Euro bereits
als Besserverdiener oder gar als Spitzenverdiener . Auch
darauf müssen wir eine Antwort geben . Später müssen
wir uns mit dem Solidaritätszuschlag befassen . Bund und
Länder haben sich bereits darauf verständigt, dass wir all
dies angehen wollen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube,
auch hier gilt, dass wir immer abwägen müssen: Wie viel
Einnahmen brauchen der Staat und die öffentliche Hand,
um die Aufgaben zu erfüllen, die sie erfüllen müssen?
Auf der anderen Seite gilt: Wie viel muss man dem Bür-
ger belassen? In Abwandlung eines Bibelwortes möchte
ich sagen: Gebt dem Staat, was des Staates ist, und lasst
dem Bürger, was des Bürgers ist .

Lassen Sie uns also mit Leidenschaft, Hingabe und
Begeisterung für die Menschen und deren Zukunft in un-
serem Lande arbeiten . Dies gilt auch eingedenk dessen,
was Helmut Schmidt gesagt hat – ich darf ihn zitieren –:

Keine Begeisterung sollte größer sein als die nüch-
terne Leidenschaft zur praktischen Vernunft .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820102600

Der Kollege Lothar Binding hat nun das Wort für die

SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Lothar Binding (SPD):
Rede ID: ID1820102700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte erst einmal
allen Bürgerinnen und Bürgern sowie allen Unternehmen
danken, die ihre Steuern fair und korrekt zahlen .


(Beifall bei der SPD sowie der Abg . Margaret Horb [CDU/CSU] – Zuruf von der SPD: Bravo!)


Ich bin in der Haushaltsdebatte für die Einnahmen zu-
ständig . Aber die Einnahmen kommen von anderen,
nämlich von denen, die hier oder woanders sind .

Immerhin haben wir Gesamteinnahmen von etwa
700 Milliarden Euro . Das ist für unseren Staat schon eine
erkleckliche Summe . Allein für den Bund belaufen sich
die Einnahmen auf 300 Milliarden Euro, und zwar trotz,

Bartholomäus Kalb






(A) (C)



(B) (D)


vielleicht auch wegen unseres Systems, das zwar ein biss-
chen kompliziert ist, aber doch zu solchen Einnahmen
führt . Dies geschieht sogar dann noch, wenn sich viele
bemühen, die Steuern zu umgehen, zu sparen, auch ein
bisschen zu betrügen; all diese Dinge gibt es . Aber insge-
samt ist die Leistung aller Bürgerinnen und Bürger sehr
groß . Deshalb haben wir ein tolles Land . Ein tolles Land
braucht Politiker, die das alles organisieren; das stimmt .
Es braucht aber auch die Bürger, die sich beteiligen .

Immerhin: Wir können in Sicherheit auf die Stra-
ße gehen, jedenfalls fast überall . Wir haben seit langer
Zeit Frieden . Ich kann ins Krankenhaus gehen und mich
dort behandeln lassen . Wir können sicher Zug fahren .
Wir haben gute Wohnungen . Meine Mutter genießt eine
gute Pflege. Und doch geht es vielen Leuten in unserem
Land richtig schlecht . Um diese Menschen müssen wir
uns kümmern . Das ist sicherlich eine Zukunftsaufgabe
für das kommende Jahr und die folgenden Jahre . Wenn
die Situation aber so bleibt, wird die Spannung in der Be-
völkerung steigen, und dann wird es zu Problemen kom-
men . Die Hauptaufgabe in der Politik ist es, für soziale
Gerechtigkeit zu sorgen .


(Beifall bei der SPD)


Gesine Lötzsch hat vorhin gesagt: Die AfD ist ein Kind
der Großen Koalition . – Ich muss sagen, das hat mich et-
was irritiert . Die PVV in Holland, der Front National in
Frankreich, die Nationale Allianz in Italien, die Wahren
Finnen in Finnland und auch die Wahl von Trump waren
nicht alles Folgen der Großen Koalition .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das habe ich auch nicht gesagt!)


Ich möchte sogar sagen: Die Tatsache, dass die Hälfte
deines Wahlkreises an die AfD gegangen ist, ist nicht al-
lein deine Schuld .


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich glaube, wir müssen schauen, dass wir hier nicht
die Politik als Ganzes beschädigen . Unsere Aufgabe ist
es nämlich, Vertrauen in die Politik und Glaubwürdig-
keit in uns, die Politiker, herzustellen . Da ist eine billige
Schuldzuweisung ein Schaden für alle, auch gegenüber
denen, die sich ernsthaft anstrengen, etwas für das Volk
zu machen . Solche Worte sind kontraproduktiv und zer-
stören Vertrauen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich will eine Bemerkung in Sachen Ökonomie zu
Ekin Deligöz machen, die gesagt hat: Die Investitionen
in diesem Haushalt sind sehr gering . – Ich bin froh, dass
sie in diesem Haushalt genau so sind, wie sie sind . Denn
was würde passieren, wenn alle Brückenbauer beschäf-
tigt wären, wenn alle Schulsanierer am Bau wären und
alle Bauarbeiter mit sozialem Wohnungsbau beschäftigt
wären und wir jetzt – in diesem Jahr bzw . kurzfristig –
noch mehr investierten? Es würden lediglich die Preise

steigen, aber es würde keine einzige Schule mehr saniert
und keine einzige Straße mehr gebaut .


(Bettina Hagedorn [SPD]: Richtig! Es würde überhitzt!)


Deshalb ist es kluge Politik, dass wir die Investitionen
jetzt planen und das Baurecht für den Zeitpunkt schaffen,
wenn die Konjunktur nachlässt und eine Zunahme der
Arbeitslosigkeit eventuell durch Investitionen zu vermei-
den wäre . Genau in den Moment investieren wir und ma-
chen dann eine antizyklische Globalsteuerung, die auch
funktioniert . Das ist sehr gut .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Jetzt muss ich leider etwas zu dem Kollegen Rehberg
sagen; denn er hat – nicht ganz zufällig – vorhin nicht
Mecklenburg-Vorpommern, sondern ein anderes Land
angeprangert . Aber es gibt – darauf hat mich der Kollege
Bernhard Daldrup hingewiesen – ein Protokoll der Ver-
handlungen zwischen der Bundesregierung und den Län-
dern vom 7 . Juli . Darin heißt es, die dreimal 2 Milliarden
Euro für die Integrationspauschale dienen der Entlastung
der Länder . Da hat jemand, ehrlich gesagt, schlecht ver-
handelt, sonst wären nämlich die Kommunen explizit ge-
nannt worden . Das ist leider nicht der Fall .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Die Ländermilliarden werden von Schleswig-Hol-
stein, vom Saarland, von Brandenburg und von Meck-
lenburg-Vorpommern – dort kennen Sie sich ja genauer
aus – leider nicht weitergegeben . Auch die Integrations-
pauschale wird oft nicht weitergegeben, und zwar von
NRW – das wurde als Einzelland erwähnt –, Branden-
burg, Niedersachsen und – man höre – Bayern . Man
merkt: Einzelne Länder zu nennen, eignet sich oft nicht,
um sich selber reinzuwaschen . Denn wenn das plötzlich
jemand merkt, ist das unangenehm .


(Beifall bei der SPD)


Man fragt sich, wer eigentlich überhaupt Steuern
zahlt . Es gibt gar nicht so viele Leute, die Steuern zahlen .
Das sind vor allem die Lohnempfänger . Bei ihnen wird
nämlich die Lohnsteuer gleich vom Lohn abgezogen .

Auch die Unternehmen zahlen Steuern, etwa die Kör-
perschaftsteuer . Komischerweise nehmen wir damit rela-
tiv wenig ein, obwohl die Körperschaften hohe Gewinne
machen . Aber irgendetwas bewirkt, dass die extrem star-
ken Unternehmen extrem wenig Steuern bezahlen . Das
müsste einmal genauer untersucht werden . Wir haben
das als Parlament gemeinsam mit dem Bundesfinanzmi-
nisterium untersucht, wobei wir uns sehr gut gegenseitig
unterstützt haben . Wir machen ein Programm gegen in-
ternationale Steuergestaltung und gegen Steuerhinterzie-
hung .

Last, but not least gibt es – darin sind wir uns nicht
ganz einig – an ganz anderer Stelle Betrug, zum Beispiel
überall dort, wo es keine Kassen gibt . Man kann zwar
sagen: „Lasst den Leuten doch diese kleinen Einkommen
aus der Eisdiele oder vielleicht aus dem Friseurladen

Lothar Binding (Heidelberg)







(A) (C)



(B) (D)


oder einer Gaststätte“; das wäre aber leider ein Wettbe-
werbsnachteil für die Ehrlichen .


(Bettina Hagedorn [SPD]: So ist es!)


Wir sind dafür, einen fairen Markt zu schaffen . Des-
halb sagen wir: Wir brauchen die Kassenpflicht, die Re-
gistrierung der Kassen und die Bonausgabepflicht, um
Betrug zu verhindern, und wir brauchen BEPS: Base
Erosion and Profit Shifting. Das ist das gemeinsame
Programm für die Konzerne . Aus diesen beiden Kom-
ponenten werden wir auch künftig die Steuereinnahmen
sichern und für eine gute Zukunft sorgen .

Schönen Dank .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820102800

Für eine Kurzintervention erhält der Kollege Rehberg

das Wort .


Eckhardt Rehberg (CDU):
Rede ID: ID1820102900

Herr Kollege Binding, man sollte sich immer zu

100 Prozent informieren .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sonst fällt das irgendwann auf!)


Die Wahrheit ist, dass drei Bundesländer von Beginn an
100 Prozent der Flüchtlingskosten übernommen haben,
und zwar das Saarland, Bayern und Mecklenburg-Vor-
pommern, dass sich aber Nordrhein-Westfalen von Be-
ginn an dadurch ausgezeichnet hat, nicht einmal ein Drit-
tel der Kosten zu übernehmen .


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)


Ich zitiere als Kronzeugen den Duisburger Oberbür-
germeister Sören Link . Er kritisiert, das Land verwen-
de die Integrationspauschale zur Entlastung des eigenen
Haushaltes . Und der Städte- und Gemeindebund macht
deutlich, dass das Land Nordrhein-Westfalen eben
nicht – im Gegensatz zu Baden-Württemberg und Rhein-
land-Pfalz, wo zumindest die Bundesmittel aufgeteilt
worden sind – vorher die Kosten übernommen hat .

Wenn man also hier etwas vorträgt, dann sollte man
sich zuvor zu 100 Prozent informieren . Mecklenburg-Vor-
pommern stehen – weil es von Beginn an 100 Prozent der
Kosten selber getragen hat – die Mittel der Integrations-
pauschale für den Landeshaushalt zur Verfügung .


(Beifall bei der CDU/CSU – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ich glaube, das hat es nicht besser gemacht!)


– Nein, das, was NRW gemacht hat, hat es nicht besser
gemacht .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820103000

Letzter Redner zu diesem Einzelplan ist der Kollege

Carsten Körber für die CDU/CSU .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Carsten Körber (CDU):
Rede ID: ID1820103100

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
2 974 Seiten, Drucksache 18/9200, das ist der Entwurf
des Bundeshaushaltsgesetzes 2017 . Wir haben über ihn
im Haushaltsausschuss in der letzten Sitzungswoche
beraten . Er umfasst insgesamt 23 verschiedene Einzel-
pläne, vom Haushalt des Bundespräsidenten bis hin zum
Haushalt der Allgemeinen Finanzverwaltung . Nach den
Beratungen hier im Plenum werden wir diesen letzten
Haushalt dieser Legislaturperiode am Freitag beschlie-
ßen .

Neulich wurde ich gefragt, was denn für mich die be-
deutendste Zahl in diesem Haushalt ist . Einige werden
sicherlich erahnen, wie meine Antwort gelautet hat: Na-
türlich die schwarze Null!


(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Oh! Oh!)


Denn keine andere Zahl beschreibt die verantwortungs-
volle und weitsichtige Haushalts- und Finanzpolitik bes-
ser, die im Bund seit Jahren unter Führung der Union
betrieben wird . Es war sicher nicht immer ganz leicht,
innerhalb der Koalition eine gemeinsame Linie zu fin-
den . Doch am Ende zählt das Ergebnis, und das kann sich
sehen lassen . Auch eine verlässliche Haushaltspolitik
schafft Vertrauen . Vertrauen ist in diesen Tagen leider ein
sehr knappes Gut .

Die Welt ist in den letzten Jahren eine andere gewor-
den . Jahrelang als selbstverständlich hingenommene
Bedingungen existieren nicht mehr . Schauen wir in die
Ukraine, nach Syrien oder in die Türkei . Oder schauen
wir nach Deutschland mit den Herausforderungen der
Flüchtlingskrise, denen wir im vergangenen Jahr gegen-
überstanden und zum Teil noch gegenüberstehen . Wir
müssen dabei erkennen, dass die klassische Trennung
zwischen Außen- und Innenpolitik immer mehr ver-
schwimmt und dass Dinge, die in Syrien passieren, auch
eine unmittelbare Wirkung hier in Deutschland haben
können . Vieles ist in Bewegung geraten . Gerade in sol-
chen Zeiten muss Politik Handlungsfähigkeit beweisen .
Ich bin froh, sagen zu können, dass wir das mit diesem
Haushalt tun .

Wir haben deutliche Schwerpunkte in den Bereichen
innere und äußere Sicherheit gesetzt . Wir stärken die
Bundeswehr genauso wie die Bundespolizei . Aber auch
bei der humanitären Hilfe und der Bekämpfung von
Fluchtursachen haben wir deutlich aufgestockt . Insge-
samt sind die Investitionen mit rund 11 Prozent des Etats
so hoch wie schon lange nicht mehr . In unseren Beratun-
gen haben wir zudem die Mittel für wichtige Zukunfts-
investitionen um beinahe 3 Milliarden auf insgesamt
36 Milliarden Euro erhöht .

Wir haben im vergangenen Jahr viel erreicht . Natür-
lich ist dabei nicht alles immer perfekt gelaufen . Aber die
Asylpakete I und II haben gewirkt und maßgeblich dazu
beigetragen, die Situation in den Griff zu bekommen .
Natürlich ist es genauso richtig, dass wir noch viel zu
tun haben . So ist es zum Beispiel dringend geboten, dass
die Grünen endlich ihre Blockade im Bundesrat bei der

Lothar Binding (Heidelberg)







(A) (C)



(B) (D)


Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten auf Tunesien,
Marokko und Algerien aufgeben .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der Vorschlag unseres Innenministers, Asylanträge di-
rekt vor Ort in Nordafrika zu prüfen, ist sinnvoll und auch
unter humanitären Gesichtspunkten dringend geboten .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Denn dann würden weniger Menschen die lebensgefähr-
liche Überfahrt über das Mittelmeer antreten . Dass sich
in Berlin eine linke Landesregierung just darauf verstän-
digt hat, auf Abschiebungen künftig weitgehend zu ver-
zichten, ist sicher kein Signal, das die Menschen im Land
verstehen werden .


(Beifall bei der CDU/CSU – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Das kostet Vertrauen in den Rechtsstaat! – Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Aber es ist richtig und human!)


Dabei ist es doch gerade in unruhigen Zeiten wichtig,
Handlungsfähigkeit zu beweisen; denn es steht viel auf
dem Spiel . Vielerorts haben die Menschen das Gefühl,
dass Sicherheit verloren geht . Es wächst die Sehnsucht
nach vermeintlich einfachen Antworten, nicht nur in
Deutschland . Um diesem Vertrauensverlust entgegenzu-
wirken, muss Politik nachvollziehbare Antworten liefern
und Verlässlichkeit bieten . Das ist uns mit dem vorlie-
genden Haushaltsentwurf 2017 gelungen .

Erlauben Sie mir zum Abschluss dazu ein kleines Bei-
spiel . Wir haben im Haushaltsausschuss 200 000 Euro
Startkapital für das Forum RECHT bewilligt . Mit dem
Bonner Haus der Geschichte vergleichbar, soll dieses
Dokumentationszentrum die Entwicklung, die Bedeu-
tung, aber vor allem auch den Wert des Rechtsstaates
einer breiten Öffentlichkeit vor Augen führen . Dabei
soll auch erlebbar gemacht werden, dass der Rechtsstaat
keine Selbstverständlichkeit ist . Das Forum RECHT soll
unter Federführung des Bundesverfassungsgerichts und
des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe entstehen – eine
gute Sache, für die wir uns gerne eingesetzt haben .

Zum Abschluss erlauben Sie mir bitte noch, dass ich
meinem Kollegen Bartholomäus Kalb ganz herzlich für
sein Wirken über eine Politikergeneration hinweg im
Deutschen Bundestag und im Haushaltsausschuss danke .
Er hat eben seine wohl letzte Haushaltsrede gehalten .


(Beifall)


Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820103200

Ich schließe die Aussprache .

Wir kommen nun zu den Abstimmungen . Zunächst
kommen wir zur Abstimmung über den Einzelplan 08 –
Bundesministerium der Finanzen – in der Ausschussfas-
sung . Wer stimmt dieser Ausschussfassung zu? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der
Einzelplan 08 mit den Stimmen der Koalition gegen die
Stimmen der Opposition angenommen .

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzel-
plan 20 – Bundesrechnungshof – ebenfalls in der Aus-
schussfassung . Wer stimmt dem zu? – Wer stimmt da-
gegen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Einzelplan
einstimmig angenommen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt I .5 auf:

a) Einzelplan 07
Bundesministerium der Justiz und für Ver-
braucherschutz

Drucksachen 18/9807, 18/9824

b) Einzelplan 19
Bundesverfassungsgericht

Drucksachen 18/9824, 18/9825

Berichterstatter sind die Abgeordneten Tobias Lindner,
Klaus-Dieter Gröhler, Dennis Rohde und Roland Claus
und mit Blick auf das Bundesverfassungsgericht, Ein-
zelplan 19, die Kollegen Carsten Körber, Dennis Rohde,
Roland Claus und Manuel Sarrazin .

Für die Aussprache sind wiederum 96 Minuten vor-
gesehen . – Das ist offensichtlich einvernehmlich . Also
verfahren wir so .

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Roland Claus für die Fraktion Die Linke das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820103300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bun-

desminister Maas! Wir sprechen jetzt über das Fachmi-
nisterium mit dem kleinsten Etat und mit der höchsten
Einnahmequote . Die Steuerzahlerinnen und Steuerzah-
ler müssen wissen, dass 1 Euro für das Ministerium von
Heiko Maas sie nur 25 Cent kosten . Das hängt mit den
hohen Einnahmen, die beim Patentamt und bei den Ge-
richten erzielt werden, zusammen . Diese Fakten besche-
ren dem Justizminister zunächst einmal ein fraktions-
übergreifendes Wohlwollen im Haushaltsausschuss .


(Heiterkeit bei der LINKEN)


Ihr Problem, Herr Minister, ist nur, dass die Öffent-
lichkeit von Ihnen nicht nur Haushaltssicherheit, sondern
auch mehr Rechtssicherheit erwartet .


(Beifall bei der LINKEN)


Bei den Ankündigungen haben Sie mit vielen Äußerun-
gen durchaus geliefert, bei den Resultaten leider nicht .
Zuweilen muss man Sie daran erinnern; Sie sind schließ-
lich nicht der Pressesprecher des Ressorts, sondern der
Minister, und daher wollen wir sehen, dass Sie mehr lie-
fern .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will zuerst auf das – aus meiner Sicht – Hauptpro-
blem des diesjährigen Haushalts in Sachen Innen- und
Justizpolitik zu sprechen kommen . Das Entscheidende
ist nämlich in diesem Falle das, was nicht im Etat des
Bundesjustizministers steht . Wir werden beim nächsten
Tagesordnungspunkt den Etat des Bundesinnenminis-

Carsten Körber






(A) (C)



(B) (D)


teriums besprechen . Dort wird es zusätzliches Geld für
Polizei und Geheimdienste nahezu ohne Ende geben . Ich
meine ein riesiges Sicherheitspaket, über das wir später
reden und das wir bewerten werden . Hier geht es um die
Frage, warum nicht auch im Justizbereich mehr Geld in
die Hand genommen wurde . Ich habe die Bundesminister
de Maizière und Maas in den Haushaltsberatungen im-
mer wieder vergeblich gefragt: Leute, wie passt das denn
zusammen? Ein riesiges Sicherheitspaket auf der einen
Seite müsste doch schlüssigerweise auf der anderen Seite
wenigstens ein – meinethalben auch etwas kleineres –
Rechtssicherheitspaket nach sich ziehen .


(Beifall bei der LINKEN – Dr . Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Es kommt auf Inhalte an!)


Hier gilt aber leider Fehlanzeige .

Resultat ist, dass das Bundeskriminalamt zwar mehr
Ermittlungserfolge erzielt, dass aber der Generalbundes-
anwalt und der Bundesgerichtshof wegen fehlender Aus-
stattung nicht nachkommen . Wenn es so ist, dann ist es
doch nicht wirklich besser geworden .


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn die Verdächtigen bei den Bundesrichtern Schlange
stehen, bis sie aus Fristgründen freigelassen werden müs-
sen, dann stimmt doch etwas nicht in der Abstimmung
von Justiz- und Innenpolitik . Ich sage mir immer: Das
müssen doch auch Sie sehen . Das ist doch nicht einfach
hinzunehmen .


(Beifall bei der LINKEN)


Ich sage noch einmal: Logisch und vernünftig wäre
die Regierungspolitik in der Tat nur, wenn ein so giganti-
sches Sicherheitspaket auch durch ein Rechtssicherheits-
paket ergänzt würde . Mit gescheitem Regieren hat das
nichts zu tun .


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn Sie vom Rechtsstaat enttäuschte Wählerinnen
und Wähler zurückgewinnen wollen, dann doch be-
stimmt nicht so, im sicherheitspolitischen Vorwahlkampf
von CDU und SPD . Machen Sie Ihren Job . Wahlkampf
kriegen wir später .


(Beifall bei der LINKEN)


Nun zum Verbraucherschutzminister . Auch hier gilt:
Ankündigungen gut, Resultate mangelhaft . Ein aktuelles
Beispiel: Es gab und gibt den Nationalen IT-Gipfel in
Saarbrücken . Da ist viel geredet worden . Es ging auch
um Verbraucherpolitik in der digitalen Welt . Mehr Da-
tenschutz durch bessere Technik heißt das große Verspre-
chen . Das Ministerium sieht hier gar den Schlüssel zur
Datensouveränität . Wir bewerten die Ergebnisse wirklich
als ein Armutszeugnis .


(Beifall bei der LINKEN)


Das Problem ist doch im Moment, dass sich die An-
bieter digitaler Dienstleistungen und die Nutzer digitaler
Dienstleistungen höchst ungleich gegenüberstehen . Hier
wäre staatlich gestützter Verbraucherschutz in ganz ande-
rer Dimension nötig, um Verbraucherinnen und Verbrau-

cher besser vor Abzockern und digitalen Fehlleitungen
zu schützen . Das ist doch der Punkt .


(Beifall bei der LINKEN)


In einem Punkt sind wir uns alle, glaube ich, in Sachen
Internet mit einer Forderung einig: Wir alle wollen keine
digitale Hasswelt . – Aber leider ist die digitale Realität
eine andere . Mit diesem Bundeshaushalt bekommen wir
mehr staatlich organisierte Freiheitsbeschränkungen und
weniger zivilen Rechtsstaat . Dazu sagen die Koalition Ja
und die Linke Nein .


(Beifall bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820103400

Vielen Dank, Herr Kollege Claus . – Einen schönen

Tag Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, von mir . Den
hatten Sie wahrscheinlich auch schon ohne mich .

Nächster Redner: Dr . Johannes Fechner für die SPD .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Johannes Fechner (SPD):
Rede ID: ID1820103500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen!
Wenn wir heute über den Haushalt beraten, dann will ich
zunächst einmal festhalten, dass wir in diesen drei Jah-
ren rechtspolitisch enorm viel geleistet haben: Wir haben
über 50 Gesetze auf den verschiedensten Rechtsgebieten
verabschiedet, und an dieser Stelle deshalb ein herzliches
Dankeschön an unseren Justizminister, der aktiv und en-
gagiert diese vielen Gesetzesinitiativen auf den Weg ge-
bracht hat . Insbesondere will ich Ihnen, Herr Maas, dafür
danken, dass Sie klare Kante gegen Rechtspopulismus
gezeigt haben und dass Sie sich immer konsequent für
eine offene Gesellschaft, für einen starken demokrati-
schen Rechtsstaat einsetzen .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Dr . Hendrik Hoppenstedt [CDU/CSU])


Genau diese Haltung brauchen wir in dieser Zeit . Vielen
Dank, Herr Minister .

Es ist nicht zu leugnen, dass sich viele Bürgerinnen
und Bürger verunsichert fühlen . Deshalb ist es auch Auf-
gabe der Rechtspolitik, für die Sicherheit der Bürgerin-
nen und Bürger zu sorgen .

Wir haben in diesem Bereich eine Menge gemacht .
Wir haben die Ausreise in terroristischer Absicht unter
Strafe gestellt. Wir haben die Regelung zur Terrorfinan-
zierung verschärft . Wir haben das Sexualstrafrecht refor-
miert und das Anti-Doping-Gesetz geschaffen . Vor allem
haben wir aber eines getan, auch jetzt in diesem Haus-
halt: Wir haben den Sicherheitsbehörden mehr Personal,
und zwar deutlich mehr Personal, zur Verfügung gestellt .
Wir haben für 2016 auf unsere Initiative 1 500 neue Stel-
len bei der Bundespolizei geschaffen und jetzt weitere
2 000 neue Stellen für die Bundespolizei vorgesehen . Der
Generalbundesanwalt und das Bundeskriminalamt be-
kommen mehr Stellen . In Nordrhein-Westfalen werden
300 zusätzliche Richter und Staatsanwälte eingestellt .

Roland Claus






(A) (C)



(B) (D)


Im Berliner Koalitionsvertrag sind 1 600 neue Polizisten
vorgesehen .

Meine Damen und Herren, so bekämpfen wir den Ter-
ror und die Kriminalität effektiv:


(Dr . Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Guter Minister!)


erstens Gesetze dort verschärfen, wo es erforderlich ist,
wo tatsächlich Lücken bestehen, zweitens mehr Personal
bei Sicherheitsbehörden, damit die Gesetze auch umge-
setzt und vollzogen werden können . Damit schaffen wir
Sicherheit .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Immer wieder wird der erweiterte Einsatz der Bun-
deswehr gefordert . Die Bundeswehr kann in Sondersitu-
ationen, etwa beim Elbehochwasser, durchaus wichtige
Hilfe leisten . Aber was nicht geht, ist, dass wir Personal-
engpässe bei der Polizei dadurch beheben wollen, dass
wir Bundeswehreinsätze im Innern weiter und umfang-
reicher zulassen. Ich finde, der Ruf nach Ausweitung des
Einsatzes der Bundeswehr im Innern wirkt immer wie
ein Misstrauensvotum gegenüber der Polizei –


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!)


so nach dem Motto: Die Polizei schafft es nicht, für inne-
re Sicherheit zu sorgen; wir brauchen die Bundeswehr . –
Das kann es nicht sein . Wir müssen den Einsatzbereich
der Bundeswehr nicht ausweiten, sondern mehr Polizis-
tinnen und Polizisten einstellen .


(Beifall bei der SPD)


Ein zunehmendes Problem in Deutschland ist die
Gewalt gegen Polizisten . Wir können nicht zuschauen,
wenn Polizisten, die sich in gefährlichen Situationen für
die Allgemeinheit einsetzen, derart massiv und zuneh-
mend attackiert werden, wie wir es leider erleben . Wir
wollen deshalb Polizisten mit Bodycams ausrüsten . Wir
haben jetzt im Haushalt 5 Millionen Euro für eine Kam-
pagne gegen Gewalt gegen Polizisten vorgesehen .


(Dr . Volker Ullrich [CDU/CSU]: Und Rettungskräfte und Sanitäter bitte!)


Wir sollten den strafrechtlichen Schutz der Polizistinnen
und Polizisten verbessern . Wenn staatliche Organe – Po-
lizisten, Gerichtsvollzieher oder auch Feuerwehrleute –
angegriffen werden, dann muss das hart bestraft werden,
liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Leider ist die Zahl der Wohnungseinbrüche gestiegen .
Das sind Eingriffe in die Intimsphäre, unter denen die
Opfer noch jahrelang leiden. Ich finde, auch hier müssen
wir tätig werden . Wir sollten einen Gesetzgebungsunfall
der Vorgängerregierung korrigieren . Damals ist der Tat-
bestand des minder schweren Falls von Wohnungsein-
bruchsdiebstahl eingeführt worden . Wenn in eine Woh-
nung eingebrochen wird, ist der intimste Bereich verletzt .
Ich finde, dann kann ein Einbrecher nicht das Privileg

eines minder schweren Falls genießen, das eigentlich für
ganz andere Konstellationen vorgesehen ist . Den minder
schweren Fall des Wohnungseinbruchs sollten wir des-
halb streichen, liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei der SPD)


Effizienter als jede Gesetzesverschärfung bei der Be-
kämpfung von Wohnungseinbruch ist, dass wir dafür
sorgen, dass sich Bürgerinnen und Bürger ausreichend
und vor allem mit qualitativ hochwertiger Technik gegen
Einbrüche sichern können . Deswegen war es wichtig,
dass die SPD-Forderung durchgegangen ist, die Förde-
rung von Einbruchssicherungstechnik von 10 Prozent auf
20 Prozent zu verdoppeln . Wenn jemand beispielsweise
1 000 Euro in Sicherungstechnik, in gute Schlösser, in-
vestiert, bekommt er zukünftig 200 Euro vom Staat ge-
schenkt . Das ist richtig und wichtig; denn für uns gilt:
Sicherheit darf keine Sache des Geldbeutels sein .


(Beifall bei der SPD)


Wir alle haben mit einem gewissen Entsetzen den
US-Wahlkampf beobachtet, der phasenweise zu einer
Schlammschlacht ausartete, wobei insbesondere über die
sozialen Netzwerke Lügen und Manipulationen verbrei-
tet wurden . Auch bei uns in Deutschland gibt es schon
heute in erschreckendem Umfang Hassmails . Was Face-
book hiergegen tut, das ist mir viel zu wenig . Wenn Face-
book nicht zeitnah dafür sorgt, dass Hassmails und straf-
bare Inhalte schnell gelöscht werden, dann sind wir hier
als Gesetzgeber gefordert .


(Dr . Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Richtig!)


Auch in der digitalen Welt darf es keinen rechtsfreien
Raum geben . Mordaufrufe, Volksverhetzung oder Mob-
bing, das alles darf nicht folgenlos über das Netz verbrei-
tet werden können . Da müssen wir notfalls tätig werden,
liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Rechtspolitisch war und ist uns der Schutz von Kin-
dern besonders wichtig . Deswegen war es wichtig, dass
wir gleich zu Beginn der Legislaturperiode die Straf-
vorschriften zum sexuellen Missbrauch von Kindern
verschärft haben . Ich hoffe, dass wir in der Koalition
möglichst rasch zu einer Einigung darüber kommen, dass
Minderjährige nicht mehr heiraten können . Damit schüt-
zen wir die Mädchen vor Zwangsehen, und wir verhin-
dern, dass minderjährige Mädchen mit älteren Männern
verheiratet werden . Für uns, für die SPD-Fraktion, ist
klar: Mädchen gehören in die Schule, nicht in die Ehe .
Deshalb wollen wir noch in dieser Legislaturperiode ein
Verbot der Minderjährigenehe .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie sehen: Wir haben in den letzten drei Jahren enorm
viel erreicht . Herzlichen Dank dafür an alle, die dabei
konstruktiv mitgearbeitet haben . Lassen Sie uns den Rest
der Legislaturperiode noch nutzen, um weitere wichtige
Gesetze umzusetzen . Wir brauchen ein besseres Miet-
recht . Wir müssen es den Handwerkern ermöglichen, Er-
stattungen für Ein- und Ausbaukosten zu verlangen, und

Dr. Johannes Fechner






(A) (C)



(B) (D)


wir sollten für die Angehörigen von Unfallopfern endlich
eine Grundlage für Schmerzensgeldansprüche schaffen .


(Beifall bei der SPD)


In diesem Sinne lassen Sie uns den Rest der Legislatur-
periode angehen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820103600

Vielen Dank, Dr . Fechner . – Nächster Redner:

Dr . Tobias Lindner für Bündnis 90/Die Grünen .


Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820103700

Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Es ist ja bezeichnend, dass bei dieser Etatdebatte bisher
nur über den Justizbereich gesprochen wurde bzw . Sie
sich für vieles, Herr Fechner, wofür Sie sich bedanken,
bei Herrn de Maizière bedanken müssten; denn es be-
rührt den Innenetat .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Dr . Johannes Fechner [SPD]: Den wir durchgesetzt haben!)


– Streitigkeiten in der Koalition müssen Sie unter sich
ausmachen; da kann Ihnen jetzt die Opposition nicht
auch noch helfen .


(Dr . Johannes Fechner [SPD]: Gern! – Dr . Volker Ullrich [CDU/CSU]: Wo Herr Lindner recht hat, hat er recht!)


Ich will sehr gerne ein paar Dinge zum Verbraucher-
schutz sagen . Es fällt ja oft hinten herunter, dass dieses
Ministerium noch eine zweite Aufgabe hat: Es ist das
Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz . Das
haben Sie selbst in den Koalitionsverhandlungen so
entschieden . 2014 haben Sie einen Etat hingelegt: rund
650 Millionen Euro – Kollege Claus hat es erwähnt –,
der kleinste Etat der Ressorts im Bundeshaushalt . Inzwi-
schen – es ist ja ein guter Zeitpunkt, Bilanz zu ziehen –
ist dieser Etat auf 825 Millionen Euro angewachsen; das
heißt um 27 Prozent gestiegen .

Wenn wir jetzt den Einmaleffekt herausrechnen, näm-
lich eine Kapitalerhöhung für die Stiftung Warentest in
Höhe von 90 Millionen Euro, dann bleiben noch rund
90 Millionen Euro als Etatsteigerung in dieser Legis-
laturperiode übrig . Nur, was ist davon, liebe Kollegin-
nen und Kollegen, in den Verbraucherschutz gegangen?
Ganze 9 Millionen Euro, ein Zehntel davon . Sie, Herr
Minister Maas, führen kein Ministerium der Justiz und
für Verbraucherschutz; das ist eher ein Justizministerium
mit einem Hauch von Verbraucherschutz . Sie haben hier
die Chance verpasst, die Ressortumorganisation auch
im Haushalt wirklich vernünftig nachzuvollziehen, Herr
Maas .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Jetzt schauen wir einmal auf das, was Sie inhaltlich ge-
macht haben . Schauen wir einmal auf die Marktwächter .
Sie wissen: Wir als Grüne haben diese Instrumente un-
terstützt und gutgeheißen . Aber auch hier haben Sie eine
Chance verpasst . Sie sagen ja selbst, Marktwächter stel-
len eine Daueraufgabe dar; das ist ein neues Instrument,
das Sie in die Hand nehmen wollen . Aber dann frage ich
Sie zunächst: Warum lassen Sie dann dieses Instrument
nach wie vor in der Projektförderung? Warum sorgen Sie
nicht, wenn Sie selbst der Auffassung sind, dass das ein
dauerhaftes Instrument ist, auch für eine dauerhafte Fi-
nanzierung? Und warum gehen Sie dann noch her und
legen in der Bereinigungsnacht noch 1,5 Millionen Euro
drauf für einen dritten Marktwächter, anstatt die ersten
beiden vernünftig zu konsolidieren? Das bleibt Ihr Ge-
heimnis, Herr Minister .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dennis Rohde [SPD]: Ist doch gut!)


Das zweite Problem ist: Sie werden nicht alles, was
im Bereich Verbraucherschutz passiert, von Marktwäch-
tern bewachen lassen können . Wichtig sind die Themen,
die es sonst noch gibt . Wichtig sind Forschungsthemen,
wichtig sind andere Bereiche wie Gesundheits-Apps, wie
der Schutz von Kindern und Jugendlichen, wie neue Ge-
schäftsmodelle, die sich im Internet auftun . Wenn man
sich da die restlichen Mittel, die Sie haben, anschaut,
dann muss man sich leider eingestehen: Die Mittel sind
in Ihrer Zeit eher gesunken als gestiegen . Sie haben sich
so sehr auf die Marktwächter konzentriert, dass bei-
spielsweise für Forschung nicht mehr Geld zur Verfü-
gung steht, Herr Minister .

Lassen Sie mich einen letzten Punkt ansprechen: die
Stiftung Warentest . Auch wir Grüne befürworten, dass
die Stiftung unabhängiger wird . Es ist prinzipiell richtig,
das Stiftungskapital zu erhöhen . Sie haben allerdings den
jährlichen Zuschuss erst um 1,5 Millionen Euro gekürzt,
nehmen jetzt 90 Millionen Euro in die Hand, die Sie noch
in der Bereinigungsnacht gefunden haben, und pumpen
die in die Stiftung hinein . Dazu sagt Ihnen der Bundes-
rechnungshof: Na ja, die Rendite, die Sie erwarten kön-
nen, liegt etwa bei 0,5 Prozent . – Rein faktisch heißt das
nicht nur, dass Sie vielleicht zum falschen Zeitpunkt,
also in einer Niedrigzinsphase, das Stiftungskapital auf-
blähen, nein, es heißt auch, dass die Stiftung de facto im
kommenden Jahr mit 1 Million Euro weniger auskom-
men müssen wird, schlichtweg, weil sie aus dieser enor-
men Summe von 90 Millionen Euro vermutlich gar nicht
die Summe erwirtschaften kann, die notwendig ist, um
die bei ihr vorgenommenen Kürzungen auszugleichen .


(Dennis Rohde [SPD]: Es ist keine Kürzung! Es ist der Ansatz des letzten Jahres!)


Herr Minister, ich muss Ihnen eines gestehen: Nach
vier Jahren ist nur ein Ansatz in Ihrem Etat deutlich ge-
stiegen: Das ist der für die Öffentlichkeitsarbeit; der hat
sich mehr als verdoppelt . Damit vollziehen Sie nach, wie
Sie auch wahrgenommen werden: als Minister, der gerne
Ankündigungen macht, aber wenig liefert .


(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)


Dr. Johannes Fechner






(A) (C)



(B) (D)


Das ist schade, vor allem, weil wir Grüne in den Haus-
haltsberatungen eine Menge an Vorschlägen gemacht ha-
ben, wie man auch im Etat wirklich ein Ministerium für
Justiz und Verbraucherschutz hätte abbilden können .

Herzlichen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820103800

Vielen Dank, Tobias Lindner . – Nächster Redner:

Klaus-Dieter Gröhler für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Klaus-Dieter Gröhler (CDU):
Rede ID: ID1820103900

Danke schön . – Frau Präsidentin! Meine Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Etat des
Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucher-
schutz ist mit einem Ansatz von 735 Millionen Euro in
die Haushaltsberatungen eingebracht worden und hat
diese Haushaltsberatungen mit einer Steigerung um
103 Millionen Euro auf jetzt 838 Millionen Euro verlas-
sen .

Diese Steigerung ist beim kleinsten Etat aller Bun-
desministerien außergewöhnlich . Deshalb will ich an
drei unterschiedlichen Beispielen skizzieren, wie es dazu
gekommen ist . Denn wir Haushälter sind nun wahrlich
nicht dafür bekannt, dass wir in den Haushaltsberatungen
noch viele Millionen Euro draufsatteln würden . An die-
ser Stelle hat das aber seinen guten Grund .

Lassen Sie mich mit der größten Etatveränderung
beginnen, auf die Tobias Lindner eben auch schon hin-
gewiesen hat . Ich freue mich ja darüber, dass wir uns
insgesamt in dieser Frage im Kern sogar einig sind . Es
gibt ein Plus von 90 Millionen Euro als Zustiftung in das
Vermögen der Stiftung Warentest im Haushaltsjahr 2017 .

Diese sehr wichtige Unterstützung des Verbraucher-
schutzes geht auf eine Initiative unseres Fraktionsvorsit-
zenden Volker Kauder zurück . Nachdem wir bereits mit
dem Etat 2016 das Stiftungsvermögen um 10 Millionen
Euro erhöht haben, ist der jetzige Schritt die konsequen-
te Umsetzung unserer Absicht, die Stiftung Warentest zu
stärken . Wir wollen sie aber nicht nur stärken, sondern
sie auch dauerhaft von laufenden Zuschüssen aus dem
Bundeshaushalt unabhängig machen . Wir wollen verhin-
dern, dass die Stiftung Warentest auf Dauer jedes Jahr
schauen muss: Was kommt denn nun bei den Haushalts-
beratungen für uns heraus?

Denn wir von der Union sind davon überzeugt, dass
die Stiftung in den über 50 Jahren ihres Bestehens gute
Arbeit für die Verbraucherinnen und Verbraucher in un-
serem Land geleistet hat . Zu dieser guten Arbeit soll sie
auch weiterhin in der Lage sein . Sie soll frei und unab-
hängig testen können und die Ergebnisse ihrer Untersu-
chungen veröffentlichen können . Sie soll auch zukünftig
eine objektive Informationsquelle für Kundeninnen und
Kunden sein .

Die Stiftung Warentest entstammt einer Regierungs-
erklärung von Konrad Adenauer aus dem Jahr 1962 und
hat seit ihrer Schaffung 1964 knapp 6 000 Tests durchge-

führt . Dabei hat sie über 95 000 Produkte und mehr als
2 500 Dienstleistungen bewertet . Sie ist für das Konsum-
verhalten in Deutschland ein unverzichtbarer Wegweiser
geworden und hilft auch, bei Händlern und Produzenten
die Spreu vom Weizen zu trennen . Sie hat in den Fragen
der Warendeklaration, des Bekämpfens der Mogelpa-
ckungen und der Entsorgung von Produkten bereits früh-
zeitig Maßstäbe gesetzt und genießt in der Öffentlichkeit
ein hohes Maß an Vertrauen .

Damit das so bleiben kann, wollen wir die Stiftung
Warentest mit dieser Zustiftung frei von den jeweiligen
Haushaltsberatungen machen und sie auf eigene Beine
stellen .

Die Stiftung Warentest hat bisher im Jahr etwa 40 Mil-
lionen Euro selbst erwirtschaftet . Rund 5 Millionen Euro
hat sie jährlich vom Bund als ihrem Stifter erhalten . In
Zukunft wird die Stiftung deutlich weniger auf diese
jährlichen Zuweisungen des Bundes angewiesen sein;
denn die Zinsen werden ja auch wieder ein Normalmaß
erreichen, lieber Tobias Lindner . Davon gehen wir alle
aus .


(Dr . Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen wir es hoffen! Nächstes Jahr werden es weniger sein!)


Irgendwann wird die Stiftung dann gar keinen Bundeszu-
schuss mehr benötigen, sondern kann komplett auf eige-
nen Beinen stehen und damit nach außen noch objektiver
auftreten, als das bisher schon der Fall war .

Wir glauben, dass wir damit den Verbraucherschutz in
Deutschland klar stärken – so wie mit dem ersten Grund-
stein, den wir schon vor über 50 Jahren gelegt haben .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Herr Minister Maas, an dieser Stelle darf ich aber auch
die Erwartung zum Ausdruck bringen, dass die 10 Mil-
lionen Euro Zustiftung, die wir in den Haushalt 2016
eingestellt haben, nun auch tatsächlich in den nächsten
Tagen vor dem Kassenschluss zur Auszahlung kommen .
Sollte das nicht der Fall sein, müsste ich mich einmal bei
Ihnen um einen Gesprächstermin bemühen, müsste also
sozusagen einen solchen Termin buchen . Ich hoffe, dass
ich da nichts zahlen muss,


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


sondern dass wir das dann so klären können .

Ich will dem Ministerium natürlich nicht das Recht
absprechen, vor der Auszahlung eines derartigen Betra-
ges zu prüfen, ob alle Voraussetzungen vorliegen – gerne
auch im Benehmen mit dem Bundesrechnungshof . Aber
eines will ich auch deutlich machen: Wenn der Haus-
haltsgesetzgeber und damit wir nach sorgfältiger Prüfung
im letzten Herbst entschieden haben, dass wir dem Stif-
tungsvermögen 10 Millionen Euro zugeben wollen, dann
liegt es nicht im Belieben eines Ministeriums, erstmalig
im August dieses Jahres zu prüfen, ob das als sinnvoll
erachtet wird . Gerne möchte ich an dieser Stelle den Ge-
dankengang unseres Bundestagspräsidenten bemühen,
dass das Parlament nicht Vollzugsorgan der Bundesregie-
rung, sondern umgekehrt ihr Auftraggeber ist . Das gilt
auch beim Haushaltsvollzug .

Dr. Tobias Lindner






(A) (C)



(B) (D)


Diese Betrachtung unseres Verfassungsgefüges, mei-
ne Damen und Herren, bietet mir eine gute Überleitung
zu einer weiteren Ausgabe, die wir im Zuge der Etatbe-
ratungen in den Haushalt eingefügt haben . Auch wenn
der Betrag deutlich kleiner ausfällt als der, den ich eben
genannt habe, halte ich die dahinterstehende Überlegung
für sehr wichtig . Wir bringen einen neuen Bundesschü-
lerwettbewerb auf den Weg, nämlich den Bundesschüler-
wettbewerb „Rechtsstaat“ . Ich habe schon in der Debatte
zur Einbringung des Etats darauf hingewiesen, dass ein
derartiger Schülerwettbewerb sinnvoll sein könnte . Ich
habe mich damals darauf berufen, dass nach einer Umfra-
ge von Infratest aus dem Jahre 2016 nicht einmal 60 Pro-
zent der Befragten der deutschen Justiz vertrauen . Dieser
Wert betrübt und alarmiert zugleich: Wir müssen etwas
dagegen tun, zum einen durch konsequentes Handeln der
Justiz zur Durchsetzung von Sicherheit und Recht,


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Das wäre mal nicht schlecht!)


zum anderen müssen wir aber auch für unseren Rechts-
staat werben, gerade bei der jüngeren Generation .

Für vieles gibt es in Deutschland Schülerwettbewerbe:
„Jugend forscht“, „Jugend komponiert“, „Jugend grün-
det“, Bundesumweltwettbewerb, einen bundesweiten In-
formatikwettbewerb und einen Mathematikwettbewerb .
Aber für das Thema „Recht“ gab es bisher eine derartige
Veranstaltung nicht . Das wollen wir ändern . Wir wollen
junge Menschen in Deutschland motivieren, sich abseits
des schulischen Alltags mit unserem Rechtssystem zu
beschäftigen . Sie sollen der Frage nachgehen können,
was ein faires Gerichtsverfahren auszeichnet, warum bei
uns der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“
gilt, warum bei uns Folter und Todesstrafe verboten sind
und wie auch der Bürger seinen Staat verklagen kann .
Der Rechtsstaat soll für Jugendliche bemerkbar, erlebbar
und erfassbar gemacht werden . Im Jahre 2017 soll mit
der Finanzierung die Konzeption eines solchen Wettbe-
werbs ermöglicht werden, und ich wünsche mir, dass er
2018 erstmalig ausgelobt wird . Ich halte einen derarti-
gen Wettbewerb für einen sehr kleinen, aber elementaren
Baustein, der wichtig ist, um zu zeigen, dass der Rechts-
staat nicht nur eine leere Worthülse ist, sondern dass je-
der, der in diesem Land lebt, ein ganz eigenes Interesse
haben muss, diesen Rechtsstaat tatsächlich weiterzuent-
wickeln und zu stärken; in diesen Zeiten mehr denn je .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Und mein drittes Beispiel soll eine Einrichtung an-
schieben, die den Rechtsstaat erlebbar machen soll . Wir
haben 200 000 Euro in den Haushalt eingestellt, um zu
klären, ob und zu welchen Bedingungen in Karlsruhe das
„Forum RECHT“ etabliert werden kann . Mein Kollege
Carsten Körber hat beim vorherigen Tagesordnungs-
punkt schon darauf hingewiesen . Das „Forum RECHT“
soll, ähnlich dem Haus der Geschichte in Bonn, eine
Informations-, Dokumentations- und Kommunikations-
plattform zum Thema „Rechtsstaat“ – deutscher und eu-
ropäischer – werden . Dafür ist die Stadt Karlsruhe mit
ihrem Sitz von Bundesverfassungsgericht und BGH so-
wie ihrer Nähe zu Straßburg geradezu prädestiniert . Ich
bin an dieser Stelle unter anderem dem Präsidenten und

dem Vizepräsidenten unseres Verfassungsgerichtes sehr
dankbar, dass sie vor den Haushaltsberatungen nochmals
den Anstoß für diese erste Förderung durch den Bund ge-
geben haben . Jetzt wird es darum gehen, dass der Bund,
das Land Baden-Württemberg und die Stadt Karlsruhe
gemeinsam eine Konzeption auf den Weg bringen und
sich dann um die Verwirklichung dieses Forums küm-
mern .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Im Kern geht es hier aber um mehr als nur ein muse-
umsähnliches Vorhaben . Es geht bei dieser Maßnahme
genau wie bei dem neuen Bundesschülerwettbewerb um
die Frage, wie wir die Werte, die uns ganz maßgeblich
geholfen haben, dieses Land zu dem zu machen, was es
heute ist, dauerhaft bei dem ganz überwiegenden Teil der
Menschen in unserem Land verankern können: Werte
wie Gleichheit und Würde der Menschen, Gewalt- und
Justizmonopol des Staates, Meinungs- und Versamm-
lungsfreiheit, Werte, die offensichtlich neuerdings – nicht
nur in unserem Lande – wieder infrage gestellt werden,
in einer Form, die wir vor vielen Jahren für undenkbar
gehalten haben . Ich glaube, dass eine unserer wichtigs-
ten Aufgaben in den kommenden Jahren darin bestehen
wird, deutlich zu machen, dass nicht Demokratie allein,
also die Umsetzung des Volkswillens bzw . des mehrheit-
lichen Volkswillens, der schützenswerte Kern unseres
Staates ist, sondern sie erst im Zusammenwirken mit der
Herrschaft des Rechts unser Leben lebenswert macht
und vor Willkür schützt . In diesem Sinne lassen Sie uns
gemeinsam den Rechtsstaat weiterentwickeln, nicht nur
mithilfe des Haushaltsrechts .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820104000

Vielen Dank, Klaus-Dieter Gröhler . – Jetzt hat der Mi-

nister Heiko Maas das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! In den vergangenen Monaten und
Wochen ist auf beiden Seiten des Atlantiks viel über das
sogenannte postfaktische Zeitalter gesprochen worden .
Es ist ein Zeitalter der falschen Propheten und der po-
litischen Wunderheiler, und für die Demokratie sind das
oftmals gefährliche Zeiten .


(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Wenn Gefühle wichtiger werden als Fakten, dann wird
die Realität irgendwann etwas sehr Subjektives . Und wie
können wir eigentlich um die besten Lösungen streiten,
wenn wir uns nicht einmal mehr über die Probleme einig
sind? In einer solchen Zeit braucht demokratische Politik
vor allem Mut zum eigenen Urteil . Die Populisten ha-

Klaus-Dieter Gröhler






(A) (C)



(B) (D)


ben nämlich nicht recht; Deutschland schafft sich nicht
ab, Deutschland ist kein sicherer Hafen für Terroristen,
und uns droht auch keine Islamisierung des Abendlandes .
Politik wird auch nicht dadurch besonders demokratisch,
dass man gerade einer lautstarken Minderheit ganz be-
sonders aufs Maul schaut .

Was sind denn zurzeit die wirklichen, die häufigsten
Fragen der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger? Ist
mein Arbeitsplatz sicher, und kann ich von dem Lohn,
den ich dort erhalte, meine Familie finanzieren? Bin ich
vor Kriminalität und Terrorismus gut geschützt? Bleibt
meine Wohnung bezahlbar? Auf diese Fragen Antworten
zu geben, ist die beste Agenda gegen jegliche Form von
Populismus, und auch die Rechts- und Verbraucherpoli-
tik ist hier gefordert .

Das haben wir auch getan, zum Beispiel im sozialen
Mietrecht . In einem ersten Schritt haben wir Menschen
geholfen, die sich eine neue Wohnung suchen . Wir haben
sie mit Einführung des Bestellerprinzips von Maklerkos-
ten entlastet und mit der Mietpreisbremse den Anstieg
der Mieten begrenzt; Niedersachsen ist gerade das zwölf-
te Land, das die Mietpreisbremse eingeführt hat . Dass sie
in einigen Ländern oder Städten nicht die Wirkung hat,
die wir uns davon versprochen haben – in anderen aller-
dings sehr wohl –, ist kein Grund, das Instrument insge-
samt infrage zu stellen .

Wir wollen in einem zweiten Schritt Menschen, die
schon eine Wohnung haben, besser vor Mieterhöhungen
schützen, vor allen Dingen im Zusammenhang mit Mo-
dernisierungen . Auch die Mieter haben etwas von ener-
getischer Sanierung und altersgerechtem Umbau; aber
wenn nur modernisiert wird, um die Miete exorbitant zu
erhöhen, die Mieter zu vertreiben und anschließend die
Mietwohnung als teure Eigentumswohnung zu verkau-
fen, dann muss das soziale Mietrecht Instrumente dage-
gen vorhalten .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Insofern wird das, in welcher Form auch immer, ein The-
ma sein, mit dem wir uns weiter beschäftigen müssen,
weil es eine der großen Fragen vieler Bürgerinnen und
Bürger ist .

Meine Damen und Herren, wir haben uns in der Koali-
tion auch darauf verständigt – Herr Fechner hat es bereits
angesprochen –, Menschen besser vor Wohnungseinbrü-
chen zu schützen . Dazu muss die Aufklärungsquote ver-
bessert werden .


(Michaela Noll [CDU/CSU]: In NRW!)


Dafür brauchen wir vor allen Dingen auch eine Polizei,
die personell und organisatorisch so ausgestattet ist, dass
sie entsprechende Straftaten verfolgen und auch verhin-
dern kann . Wir werden außerdem die Zuschüsse für den
Einbruchsschutz ausweiten, und das vor allen Dingen
auch für Mietwohnungen . Und wir wollen, wie bereits
angesprochen, im Strafgesetzbuch den minder schweren
Fall bei Wohnungseinbrüchen streichen, auch um zu zei-
gen, dass ein Einbruch in die Intimsphäre – mit vielen

traumatischen Folgen für die Opfer – eben kein minder
schweres Unrecht darstellt .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, nach dem Zusammen-
bruch des Kommunismus hat ein amerikanischer Histo-
riker bekanntlich das „Ende der Geschichte“ ausgerufen,
also den ultimativen Sieg von Demokratie, Rechtsstaat
und Markwirtschaft. Ich finde, nicht erst die Wahl von
Donald Trump hat deutlich gemacht, dass dies vielleicht
doch etwas voreilig gewesen ist . In den USA, aber vor
allen Dingen auch in der Türkei, in Polen, in Ungarn, bei
Pegida und der AfD – überall attackieren Populisten vor
allen Dingen eines, nämlich den Rechtsstaat: die Rechte
von Minderheiten, die Freiheit der Presse, die Unabhän-
gigkeit der Justiz und auch eine starke Verfassungsge-
richtsbarkeit .

Vielleicht haben wir diese Werte und Institutionen zu
lange für selbstverständlich gehalten . Und vielleicht ha-
ben wir auch in Deutschland Wertschätzung und Achtung
für unseren Rechtsstaat manchmal vermissen lassen,
wenn etwa beim Personal oder auch bei der Besoldung
und Ausstattung der Justiz über Gebühr gespart wurde
oder wenn die Justiz nur noch als ein lästiger Bremser
und Bedenkenträger dargestellt worden ist .

Mit dem Rechtsstaat ist es so ähnlich wie mit der Luft
zum Atmen: Erst wenn sie fehlen, fällt es manchem auf,
wie wichtig sie sind . Deshalb ist das ein Thema, mit dem
wir uns auseinandersetzen müssen . Daher passen solche
Projekte, wie Sie sie angesprochen haben, Herr Gröhler,
durchaus gut in die Zeit: Auch junge Menschen müssen
sich mit dem Wert des Rechtsstaats vielleicht etwas in-
tensiver auseinandersetzen .

Es ist deshalb gut, dass wir bei der Ausstattung der
Justiz in vielen Ländern – das können wir überall wahr-
nehmen – längst eine Trendwende haben . Mit diesem
Haushalt, Herr Claus, schaffen wir neue Stellen beim
Bundesgerichtshof und beim Generalbundesanwalt, weil
wir das, was die Sicherheitsbehörden aufdecken und er-
mitteln, in rechtsstaatlichen Verfahren zu einem Ergebnis
führen wollen .

Wir wollen künftig diejenigen besser schützen – und
auch das ist ein wichtiger Punkt –, die unseren Rechts-
staat repräsentieren und ihn täglich durchsetzen . In der
vergangenen Woche hat wieder ein sogenannter „Reichs-
bürger“ sechs Polizisten angegriffen und diese zum Teil
schwer verletzt . Hier wollen wir das Strafrecht so ändern,
dass Straftaten, die unter Verwendung von gefährlichen
Werkzeugen begangen werden, oder Gruppenstraftaten
besser erfasst werden können; denn es sind nicht nur
„Reichsbürger“, die unseren Rechtsstaat herausfordern,
sondern es sind auch gewalttätige Hooligans und Frem-
denfeinde . Wir wollen diejenigen, die den Rechtsstaat,
unsere Sicherheit und Freiheit verteidigen, besser schüt-
zen, und das sollen in Zukunft auch die Täter zu spüren
bekommen .

Meine Damen und Herren, die Stärke eines Rechts-
staats zeigt sich auch daran, dass er die Kraft hat, eige-
ne Fehler zu korrigieren . Die Strafurteile nach § 175 des

Bundesminister Heiko Maas






(A) (C)



(B) (D)


Strafgesetzbuches waren ein solcher Fehler . Deshalb
werden wir diese Urteile aufheben und die Betroffenen
endlich von ihrem Strafmakel befreien .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Mit dem vorliegenden Haushalt schaffen wir – dafür bin
ich besonders dankbar – die Voraussetzung für eine indi-
viduelle Entschädigung der Opfer, und wir sorgen – sozu-
sagen als kollektive Entschädigung – auch für eine wei-
tere Förderung der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld,
die sich gerade mit diesem Projekt intensiv beschäftigt .

Meine Damen und Herren, danken möchte ich auch
dem Haushaltsausschuss und seinen Berichterstattern für
die finanziellen Mittel, mit denen wir den Verbraucher-
schutz weiter stärken können . Wir werden mit diesem
und dem laufenden Haushalt das Kapital der Stiftung
Warentest um 100 Millionen Euro erhöhen . Sehr geehr-
ter Herr Gröhler, darüber zu entscheiden, ob der Stiftung
Warentest 10 Millionen Euro zugegeben werden, steht
nicht im Belieben eines Ministers, wohl aber ist der Bun-
desrechnungshof beteiligt; aber ich bin zuversichtlich,
dass wir auch das zeitnah hinbekommen .


(Klaus-Dieter Gröhler [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Wir schaffen eine Anschubfinanzierung für den neuen
Marktwächter Energie, und wir verstetigen die Arbeit
beim Bundesverband der Verbraucherzentralen durch
32 neue Stellen, die es dort geben wird .

Ein anderes Projekt, an dem man ablesen kann, dass
das Geld, das wir zur Verfügung gestellt bekommen, gut
investiert wird, ist das Rosenburg-Projekt in unserem
Haus . Die Untersuchung, wie das Bundesjustizministe-
rium in den 50er- und 60er-Jahren mit der NS-Vergan-
genheit umgegangen ist, ist abgeschlossen . Die Akte Ro-
senburg liegt auf dem Tisch . Das Ergebnis ist wahrlich
kein Ruhmesblatt für unser Ressort, aber deshalb war es
notwendig und überfällig, die Geschichte des Ministeri-
ums, gerade auch in dieser Zeit, zu erforschen . Das haben
Sie als Haushaltsgesetzgeber möglich gemacht, und da-
für danke ich Ihnen sehr .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Angesichts des gegenwärtigen Populismus, der uns al-
len Sorgen bereitet, täte ein Blick in die Geschichte viel-
leicht auch jenen ganz gut, die heute überall Verfall und
Niedergang ausmachen, die fest davon überzeugt sind,
dass alles immer schlimmer wird . Wenn wir frei wählen
könnten, zu welchem Zeitpunkt der deutschen Geschich-
te wir geboren sein möchten – und wir wüssten vorher
nicht, ob wir als Mann oder Frau, in einer armen oder
in einer reichen Familie, in Ost oder West auf die Welt
kommen würden –: Die meisten von uns würden die Ge-
genwart wählen; denn nie zuvor – zumindest aufs Gan-
ze besehen – waren Freiheit und Frieden höher, waren
Wohlstand und Chancen fairer verteilt, als das heute der
Fall ist . Auch das gilt es zu verteidigen, und das wollen

wir mit den Mitteln, die uns zur Verfügung gestellt wer-
den, gerne tun .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820104100

Vielen Dank, Heiko Maas . – Der Nächste auf der Re-

deliste ist Harald Petzold für die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Harald Petzold (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820104200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen

und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Am
6 . Mai 1933 plünderten die Nazis die Bestände des Se-
xualwissenschaftlichen Instituts von Magnus Hirschfeld
hier in Berlin, wenige Meter von uns entfernt, in der Vil-
la Joachim im Tiergarten, ehemalige Beethovenstraße 3,
dort, wo heute das Haus der Kulturen der Welt steht . Sie
verbrannten seine Bücher und vernichteten sein For-
schungsinstitut .

Am 1 . September 1935 verschärften sie dann den
berüchtigten § 175 des Reichsstrafgesetzbuches, der
sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen
Geschlechts unter Strafe stellte . Diesen Paragrafen gab
es seit dem 1 . Januar 1872, und er galt bis zum 11 . Juni
1994 . Die Nazis verschärften diesen Paragrafen, indem
sie die Höchststrafe von sechs Monaten auf fünf Jahre
Gefängnis anhoben . Darüber hinaus weiteten sie den Tat-
bestand der sogenannten beischlafähnlichen Handlungen
auf sämtliche „unzüchtige“ Handlungen aus . Es reichte
dann schon ein flirtender Blick aus, um verhaftet und ver-
urteilt werden zu können . Sie führten darüber hinaus ei-
nen neuen § 175a ein, der für erschwerte Fälle zwischen
einem Jahr und zehn Jahren Zuchthaus bestimmte .

Dieser § 175 des Strafgesetzbuchs wurde am 11 . Juni
1994 gestrichen . Er galt in der alten Bundesrepublik in
der Nazifassung fort und hat zwischen 1945 und 1969
noch über 50 000 schwule Männer ins Gefängnis ge-
bracht . Leider galt er in der Fassung der Weimarer Repu-
blik auch in der DDR fort . Es gab auch dort den § 175a
für erschwerte Fälle, allerdings ab 1957 faktisch ausge-
setzt .

Ich bin froh, dass die Große Koalition sich dazu ent-
schlossen hat, mit den Nachwirkungen dieses Unrechts
Schluss zu machen und die nach § 175 Verurteilten, also
diejenigen, die nach 1945 verurteilt worden sind, endlich
zu rehabilitieren und zu entschädigen . Auch wenn noch
kein konkreter Gesetzentwurf hier im Bundestag vorliegt
oder beschlossen worden ist, haben die Mitglieder des
Haushaltsausschusses für das Jahr 2017 Mittel für eine
individuelle Entschädigung der Verurteilten in Höhe von
4,5 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt . Das ist
gut so, und das verdient Dank .


(Beifall im ganzen Hause)


Ich halte es trotzdem darüber hinaus für richtig und
wichtig – und ich werbe dafür –, unbedingt auch einen
Härtefallfonds für all diejenigen einzurichten, die zwar
nicht verurteilt worden sind, aber aufgrund von Ermitt-

Bundesminister Heiko Maas






(A) (C)



(B) (D)


lungen nach § 175, als deren Ergebnis im Regelfall die
Homosexualität dieser Personen offenkundig geworden
ist, ihre bürgerliche Existenz, ihre Wohnung, ihren Ar-
beitsplatz verloren haben und die ebenfalls in ihrer Men-
schenwürde erheblich verletzt worden sind .

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, am
6 . Juli 1994, also wenige Wochen nach der Streichung
des Unrechtsparagrafen 175 aus dem Strafgesetzbuch,
wurde zur Erinnerung an das Institut Magnus Hirschfelds
eine Gedenktafel im Tiergarten aufgestellt . Es brauchte
dann noch einmal 17 Jahre, bis zum Jahr 2011, bis die
Bundesstiftung Magnus Hirschfeld durch die Bundesre-
gierung eingerichtet wurde, namentlich durch das Bun-
desministerium der Justiz, dessen Einzelhaushalt wir in
dieser Woche abschließend beraten . Es ist, wie bei keiner
anderen Stiftung, Aufgabe dieser Stiftung, die Geschich-
te der Diskriminierung und Verfolgung von Homosexu-
ellen in Deutschland und in Europa zu erforschen und
zu dokumentieren . Wie keine andere wirkt sie mit ihren
Maßnahmen und Projekten darauf hin, dass diese Dis-
kriminierung abgebaut wird, dass Menschen über un-
terschiedliche sexuelle und geschlechtliche Identitäten
aufgeklärt werden und dass Verfolgung nie wieder statt-
findet.

Ich möchte in dem Zusammenhang auf die erfolgrei-
chen Hirschfeld-Tage hinweisen, die im Moment in den
Bundesländern Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt
stattfinden, mit denen die Bundesstiftung gemeinsam mit
zahlreichen Nichtregierungsorganisationen nachweist,
wie ernst sie diesen Auftrag nimmt . Sehr dankbar bin
ich sowohl dem Linken-Ministerpräsidenten Thürin-
gens, Bodo Ramelow, als auch dem Bundesjustizminis-
ter Heiko Maas von der SPD als auch der sächsischen
Ministerin Petra Köpping von der SPD als auch der
sachsen-anhaltinischen CDU-Ministerin Anne-Marie
Keding, dass sie gemeinsam die Schirmherrschaft über
die Hirschfeld-Tage übernommen haben . Damit zeigen
sie, was möglich ist, wenn ein Anliegen, das man für
wichtig und richtig erachtet, über Parteigrenzen hinweg
gemeinsam umgesetzt wird, nämlich: Respekt vor unter-
schiedlichen sexuellen Orientierungen und Identitäten,
Aufklärung über geschlechtliche und sexuelle Vielfalt
sowie Abbau von Diskriminierung und Ausgrenzung .


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es zeigt auch, was möglich ist, wenn politische Ak-
teure bereit sind, über ihren Schatten zu springen . Das
war 2011 genauso, als die Bundesstiftung eingerichtet
und ein Kompromiss eingegangen worden ist, der diese
Bundesstiftung sowohl in der Sache als auch in der Fi-
nanzierung ermöglicht hat .

Wenn ich mir heute ansehe, wie dramatisch die Fi-
nanzsituation der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld ist,
muss ich sagen: Möglicherweise braucht es noch einmal
den Mut, über den eigenen Schatten zu springen, um si-
cherzustellen, dass die Bundesstiftung auch weiterhin
erfolgreich arbeiten kann . Da nützt uns Ihre Ankündi-
gung nichts, Herr Bundesminister, sondern wir müssen
es tatsächlich schaffen, eine institutionelle Förderung
der Bundesstiftung, die ihre Arbeit künftig weiter mög-

lich macht, hinzubekommen . Dafür wirbt meine Frakti-
on nach wie vor . Deswegen fordern wir im fünften Jahr
des Bestehens der Bundesstiftung – ausgerechnet in dem
Jahr, in dem wir diejenigen rehabilitieren und entschädi-
gen wollen, die nach § 175 zu Unrecht verurteilt worden
sind –, dass es endlich eine solche institutionelle Förde-
rung gibt .


(Beifall bei der LINKEN – Dennis Rohde [SPD]: Beschlossen!)


Zum Abschluss meiner Rede möchte ich auf eine For-
derung meiner Fraktion hinweisen, die wir ebenfalls seit
vielen Jahren erheben, nämlich einen Justizopferentschä-
digungsfonds einzurichten . Menschen, die aus meiner
Sicht einen berechtigten Anspruch auf Leistungen aus
einem solchen Fonds hätten, verfolgen jede unserer De-
batten sehr aufmerksam. Ich finde, sie haben – ebenso
wie all diejenigen, die zu Unrecht nach § 175 verurteilt
worden sind – einen Anspruch darauf, dass Politikerin-
nen und Politiker über ihren Schatten springen und end-
lich für Gerechtigkeit sorgen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820104300

Vielen Dank, Harald Petzold . – Nächste Rednerin:

Elisabeth Winkelmeier-Becker für die CDU/CSU-Frak-
tion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU):
Rede ID: ID1820104400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! An den Anfang meiner heutigen Haushaltsrede
darf ich einen herzlichen Dank an unseren Finanzminis-
ter stellen . Die vierte schwarze Null in Folge zeigt vor
allem, dass die finanz- und haushaltspolitische Ausrich-
tung der Politik dieser Bundesregierung sehr erfolgreich
und sehr gut ist . Dafür unser herzlicher Dank!


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das ist nicht nur „nice to have“, sondern hat auch sub-
stanzielle Bedeutung . Mir als Mutter von drei erwachse-
nen Kindern ist ganz wichtig, dass dies ein Beitrag zur
Generationengerechtigkeit ist . Wir wollen nicht heute da-
rüber entscheiden, wofür die kommenden Generationen
das Geld, das sie erwirtschaften, ausgeben, sondern das
sollen sie selber entscheiden . Deshalb ist es wichtig, dass
wir keine neuen Schulden machen .

Mir ist auch wichtig, zu unterstreichen, dass diese
schwarze Null dem Bund politischen Handlungsspiel-
raum eröffnet, einen Handlungsspielraum, den man eben
nicht hat, wenn man immer an der Grenze zur Verschul-
dung arbeiten muss . Das war in den vergangenen Jahren,
als wir in der Finanzmarktkrise und in der Euro-Krise
waren, ganz wichtig . Da hat uns diese wirtschaftliche
Stärke die Option gegeben, zu agieren und Verantwor-
tung zu übernehmen . Mir wird immer ganz mulmig bei
dem Gedanken, was passiert wäre, wenn diese Krisen

Harald Petzold (Havelland)







(A) (C)



(B) (D)


Anfang dieses Jahrtausends, unter ganz anderen Vorzei-
chen, über uns hereingebrochen wären .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich bin froh, dass die gute Haushaltslage dem Bund
die Möglichkeit gibt, den Ländern unter die Arme zu
greifen, zum Beispiel im Rahmen des künftig neu gere-
gelten Bund-Länder-Finanzausgleichs . Wenn man weiß,
dass ich aus Nordrhein-Westfalen komme, ist das, glaube
ich, selbsterklärend .


(Zuruf von der CDU/CSU: Wohl wahr!)


Der Justiz- und Verbraucherschutzhaushalt ist der
kleinste Haushalt; das steht natürlich in umgekehrt pro-
portionalem Verhältnis zur seiner Bedeutung . Vielleicht
wird die Bedeutung dieses Haushalts dadurch unterstri-
chen, dass wir ihn heute schon sehr früh, nämlich direkt
nach dem Einzelplan des Bundesfinanzministeriums, de-
battieren .

Wir haben unseren Haushalt gegenüber dem Regie-
rungsentwurf immerhin noch um 103 Millionen Euro
aufgestockt . Damit können wir auch ganz klar Akzente
setzen . Den wesentlichen Aufwuchs gibt es im Bereich
der Stärkung der Verbraucherrechte und des Verbrau-
cherschutzes . Die Stiftung Warentest wird ganz massiv
durch neues, frisches Geld – 90 Millionen Euro – ge-
stärkt . Damit unterstreichen wir, wie wichtig uns ihre
Arbeit für die Verbraucher ist, die hier ganz konkret in
ihrer Verbraucherkompetenz unterstützt werden . Das ist
gelebter Verbraucherschutz . Deshalb geben wir diese
90 Millionen Euro gerne an die Stiftung Warentest .

Von unserem Ansatz her sind wir gegen eine Bevor-
mundung der Verbraucher .


(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Das sind wir aber auch!)


Wir halten es auch für in Ordnung, wenn ein Verbraucher
einmal sagt: Ich möchte nicht immer nur ganz vernünftig
sein, nicht immer nur an die Gesundheit und dergleichen
denken . – Deshalb wollen wir Verbraucher nicht über-
bevormunden . Aber wir sehen, dass es Bereiche, Märkte
gibt, in denen ein strukturelles Ungleichgewicht vor-
handen ist und wo es wichtig ist, dass die Verbraucher
gestärkt werden . Der Energiemarkt ist so ein Bereich .
Deshalb ist es in Ordnung, dass wir auch an der Stelle in
Bezug auf das Konzept der Marktwächter weitergehen
und einen ersten Schritt tun, um auch auf diesem Markt
einen Marktwächter zu etablieren .

Ich komme zu einem weiteren Akzent in der Rechts-
politik . Mir ist der Bundesschülerwettbewerb „Rechts-
staat“ wichtig . Ich sage das nicht nur als rechtspolitische
Sprecherin, sondern auch als Richterin außer Dienst ist es
mir wichtig, noch einmal zu betonen, welche Bedeutung
der Rechtsstaat hat . Er sorgt im Prinzip für die Stärkung
des Schwachen, dem materielles Recht bzw . Verfahrens-
recht an die Seite gestellt wird, damit er auch bei einem
übermächtigen oder übermächtig scheinenden Gegner
nicht rechtlos gestellt ist . Das geht bis hin zu Klagen ge-
gen den Staat, die durch unseren Rechtsstaat ermöglicht
werden . Das ist essenziell, wie es auch nicht unbedingt

selbstverständlich ist . Es ist gut, dass sich die Schüler da-
mit auseinandersetzen und das auch zu schätzen wissen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, wichtiges Leitmotiv für
die Union in der Rechtspolitik – in der es ansonsten we-
niger um das Ausgeben von Geld, sondern eher um das
Schaffen von guten Regeln geht – ist der Opferschutz .
Da sehen wir in einigen Punkten durchaus noch Verbes-
serungsmöglichkeiten . Vom Kollegen Fechner wurden
schon die Verbesserungen angesprochen, die wir im Be-
reich des Schutzes vor Einbruchdiebstahl vornehmen
wollen . Wir wollen den minderschweren Fall abschaffen .
Auch wollen wir – aber nicht aus unserem Haushalt –
Geld zur Verfügung stellen, um dabei zu helfen, einen
besseren Einbruchschutz auch finanzieren zu können.

Im Übrigen wollen wir die Polizei – personell und
auch sachlich – besser ausstatten und dafür eine Kam-
pagne durchführen . Nun hat der Kollege Dr . Lindner
schon darauf hingewiesen, dass das Geld dafür gar nicht
aus unserem Justizhaushalt, sondern aus dem Haushalt
des Innenministeriums, also von Minister de Maizière,
kommt . Ich kann hinzufügen, dass auch die Ideen von
der Union kommen . Deshalb sind das gute Ideen, die wir
gerne zusammen umsetzen können .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es gibt viele Beispiele dafür, dass uns der Opferschutz
wichtig ist . Aktuell reden wir über den Schutz vor Stal-
king . Mittlerweile haben wir die entsprechende Sachver-
ständigenanhörung durchgeführt . Ich glaube, da hat sich
gezeigt, dass wir im Sinne des Opferschutzes noch einige
Strafbarkeitslücken eliminieren müssen . Vor allen Din-
gen müssen wir an der Generalklausel festhalten . Gerade
da, wo es um neue Kommunikationsmittel geht, ist der
Fantasie der Täter keine Grenze gesetzt, doch noch über-
griffig zu werden, ohne dass der Wortlaut des Gesetzes
erfüllt ist . Da müssen wir vorbeugen .

Wenn wir über neue Kommunikationsmittel reden,
sind wir aber auch ganz schnell bei einem anderen wich-
tigen Thema unserer heutigen Diskussion, nämlich bei
der Frage: Wie können wir gegen Hasskommentare,
Drohungen, erfundene Lügengeschichten und Verleum-
dungen in den sozialen Netzwerken effektiv vorgehen?
Ich denke, wir müssen da – nachdem lange versucht
worden ist, zu freiwilligen Lösungen zu kommen – jetzt
auch gesetzliche Vorgaben machen . Menschen, die von
so etwas betroffen sind, sollten ganz schnell den richti-
gen Ansprechpartner bzw. einen einfachen Weg finden,
um Verleumderisches bzw. Übergriffiges aus dem Netz
zu löschen . Hier müssen wir auch die Plattformbetreiber
in die Verantwortung nehmen . Es geht nicht an, dass sie
ein Geschäftsmodell aus dem Ganzen machen, sich aber
einen schlanken Fuß machen und keine Verantwortung
übernehmen wollen .

Für uns ist es allerdings auch noch einmal wichtig,
klar zu sagen: Es geht dabei nicht um die Einschränkung
von Meinungsfreiheit . Demokratie muss Diskussionen
und Kritik aushalten – auch harsche Kritik . Wenn aber
die Grenze überschritten wird, dann darf nichts anderes
als auch in der analogen Welt gelten . Das Internet darf

Elisabeth Winkelmeier-Becker






(A) (C)



(B) (D)


kein rechtsfreier Raum sein . Hier müssen wir unbedingt
eine gesetzliche Regelung angehen, die auch umfasst,
dass die Beweissicherung durch die Betreiber mit unter-
stützt werden muss .

Ein weiteres wichtiges Anliegen betrifft den Schutz
von jungen Frauen, die sich nicht selbst helfen können:
Ich meine das Vorgehen gegen aufgezwungene Kin-
derehen . Wenn man den Zahlen glauben darf, dann gibt
es bei uns etwa 1 500 Betroffene, die als Zuwanderer zu
uns gekommen sind . Aber auch hier in Deutschland gibt
es teilweise Rituale religiöser und traditioneller Art, die
solche Verbindungen mit einem Anspruch auf Verbind-
lichkeit schließen .

Uns ist es hier ganz wichtig, zu sagen, dass das mit
unseren Werten und Vorstellungen nicht vereinbar ist .
Deshalb sind wir entschlossen, hier sehr schnell zu einer
gesetzlichen Regelung zu kommen, die diese Ehen auf-
hebt . Wir fordern den Justizminister, der dazu ja schon
Vorschläge entwickelt hat, auf, seine Vorschläge jetzt
sehr schnell ins parlamentarische Verfahren einzubrin-
gen, damit wir rasch zu einer Rechtsgrundlage kommen,
um den jungen Mädchen zu helfen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich sehe, dass meine Redezeit begrenzt ist . – Deshalb
darf ich nur noch einmal kurz an das anknüpfen, was
Kollege Petzold gerade ausgeführt hat . Sie haben sich
ja auch sehr ausführlich mit der Entschädigung der nach
§ 175 verurteilten Männer beschäftigt . Daher möchte ich
hier noch einmal betonen, dass auch wir das sehr begrü-
ßen und dass wir das Geld dafür sehr gerne in den Haus-
halt eingestellt haben . Um eine gute Regelung werden
wir uns auch in den nächsten Wochen und Monaten noch
gemeinsam kümmern .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820104500

Vielen Dank, Elisabeth Winkelmeier-Becker . – Nächs-

te Rednerin: Katja Keul für Bündnis 90/Die Grünen .


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820104600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Maas, ich
will die allgemeine Aussprache heute für einen Appell
an Sie nutzen, einen Appell an den Justizminister, in der
verbleibenden Zeit dieser Legislatur den gröbsten Un-
sinn zu verhindern und gegen die immer populistischer
anmutenden Debatten standzuhalten; denn auch bei uns
scheint das Zeitalter des Postfaktischen schon Einzug zu
halten . Kenntnisse von der geltenden Rechtslage sind da
offenbar oft nur noch ein Störfaktor in der allgemeinen
Erregung .

Bestes Beispiel dafür ist die Debatte um die soge-
nannten Kinderehen . Der Ruf nach einem Verbot von
Kinderehen suggeriert zunächst einmal, so etwas sei in
Deutschland erlaubt . Fakt ist aber: Eheschließungen sind
bei uns grundsätzlich nur ab 18 Jahren und auch nur vor
dem Standesbeamten möglich . Fakt ist auch: Irgendwel-

che religiösen Zeremonien, wie Imam-Ehen oder Ähnli-
ches, haben bei uns keinerlei Rechtswirkungen und sind
schlicht nichtig .

Einige wollen jetzt, dass solche Zeremonien mit einem
Bußgeld verfolgt werden . Ich sehe quasi schon vor mei-
nem inneren Auge, wie Beamte der Ordnungsbehörden
in den Moscheen beim Gottesdienst Protokoll führen .
Das kann man nur noch als groben Unfug bezeichnen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr . Volker Ullrich [CDU/CSU]: Relativieren Sie Kinderehen, oder was?)


Bei einer sachlichen Befassung damit stellen wir fest:
Es gibt an einem Punkt tatsächlich Handlungsbedarf .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben!)


Wenn Minderjährige zu uns kommen, die im Ausland
wirksam geheiratet haben, dann brauchen wir ein Ver-
fahren, mit dem die Aufhebung der Ehe aus Kindeswohl-
gründen auch von Amts wegen erfolgen kann .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


Dabei geht es aber weder um Anerkennung oder Nich-
tigkeit, sondern um eine Aufhebung mit Wirkung für die
Zukunft. Ich finde, so viel juristische Differenziertheit
muss schon sein .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])


Stattdessen verzetteln sich jetzt einige in der völlig
unerheblichen Frage, ob die Möglichkeit, in Deutsch-
land mit familiengerichtlicher Genehmigung schon mit
16 Jahren zu heiraten, abgeschafft werden muss . Als ob
wir keine anderen Probleme hätten!


(Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU]: Wenn es danach geht!)


Diese Ausnahmegenehmigung wird in Deutschland un-
gefähr 100 Mal im Jahr erteilt, meist aus guten Gründen
und nach Prüfung des Kindeswohls . Zu dieser völlig ir-
relevanten Frage erhalte ich als Bundestagsabgeordnete
seitenlange Schreiben aus Landesjustizministerien, von
denen ich in den letzten drei Jahren bei all den gravieren-
den Einschnitten in die freiheitliche Rechtsordnung


(Beifall der Abg . Dr . Eva Högl [SPD])


durch immer neue Strafverschärfungen noch nie ein Wort
des Widerstands gehört habe .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr . Eva Högl [SPD]: Das gefällt mir!)


Herr Maas, ich bitte Sie: Legen Sie eine konkrete,
sachbezogene Lösung vor, und bieten Sie dem populisti-
schen Geschrei Einhalt! Dann können Sie auch auf unse-
re Unterstützung zählen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Harald Petzold [Havelland] Elisabeth Winkelmeier-Becker [DIE LINKE] – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nur dann!)





(A) (C)


(B) (D)


Ich wundere mich allerdings auch, wie schnell Sie in
dieser Sache plötzlich aktiv werden, während wir die
Hoffnung längst aufgegeben haben, in dieser Legisla-
turperiode lang angekündigte Gesetzentwürfe, wie bei-
spielsweise zum kollektiven Rechtsschutz oder zum
Schmerzensgeld für Angehörige, zu Gesicht zu bekom-
men . Aber vielleicht geschehen ja noch Wunder .

Ich wünsche mir von einem Justizminister aber auch,
dass er dem ständigen Verlangen der Konservativen nach
neuen Sicherheitspaketen standhält . Es wird doch kein
einziger Anschlag dadurch verhindert, dass Sie sich jetzt
mit dem Innenminister auf Fußfesseln für Extremisten
und Videoüberwachungen im öffentlichen Raum geei-
nigt haben .


(Zurufe von der CDU/CSU: Haben wir gar nicht! – Woher wollen Sie das wissen?)


Im Gegenteil: Es ist eine gefährliche Illusion, zu glauben,
wir könnten ein Gefühl von Sicherheit vermitteln, indem
wir ständig die Gesetze ändern . Das ist wie eine Droge,
bei der wir ständig die Dosis erhöhen müssen, um die
Wirkung zu erhalten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE] – Dr . Volker Ullrich [CDU/ CSU]: Ich würde Sicherheitsgesetze nicht als Droge bezeichnen!)


Was die Menschen in diesem Land brauchen, ist we-
der Fußfessel noch Burkaverbot, sondern eine politische
Führung, die mit Bedacht handelt, statt Ängste zu schü-
ren;


(Dr . Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Machen wir ja!)


eine politische Führung, die zugesteht, nicht jeden An-
schlag verhindern zu können, die aber deutlich macht,
dass unser Rechtsstaat über die Instrumente verfügt,
mit den Herausforderungen umzugehen; eine politische
Führung, die gerade jetzt den freiheitlichen Rechtsstaat
verteidigt und sich dem Ansturm der Populisten entge-
genstellt .

Herr Justizminister, je stärker dieser Wind bläst, desto
mehr sind gerade Sie gefordert . Seien Sie also bitte kein
Fähnchen im Wind, sondern ein Fels in der Brandung!
Denn das ist es, was unser Land und unser Rechtsstaat
jetzt braucht .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820104700

Vielen Dank, Katja Keul . – Nächste Rednerin: Elvira

Drobinski-Weiß für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Elvira Drobinski-Weiß (SPD):
Rede ID: ID1820104800

Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Verehrte Zuschauerinnen und Zuschau-
er auf den Tribünen! 2013 sind wir mit dem Ziel in den
Wahlkampf gezogen, Verbraucherinnen und Verbraucher
besser vor Risiken zu schützen und ihnen zu helfen, ihre
Rechte wirksamer durchzusetzen . Das Ziel war und ist,
transparente Märkte zu schaffen, auf denen sichere und
nachhaltige Produkte angeboten werden .

Ich kann heute nur stichpunktartig Bilanz ziehen – das
ist der letzte Haushalt in dieser Legislaturperiode, den wir
hier miteinander beschließen; ich konzentriere mich auf
die für eine gute Verbraucherpolitik notwendigen Struk-
turen –: Wir haben zum Beispiel bei der Bundesanstalt
für Finanzdienstleistungsaufsicht, abgekürzt BaFin, den
kollektiven Verbraucherschutz als weiteres Aufsichtsziel
mit dem Kleinanlegerschutzgesetz im Finanzdienstleis-
tungsaufsichtsgesetz, abgekürzt FinDAG, verankert .

Außerdem haben wir 2014 den Sachverständigenrat
für Verbraucherfragen eingerichtet . Es ist uns wichtig,
dass Erkenntnisse aus verbraucherbezogenen Wissen-
schaften in unsere Strategien für eine gute Verbraucher-
politik einfließen. Tatsächlich sind die Mittel für die Ver-
braucherforschung in den vergangenen Jahren nahezu
verdoppelt und nicht gekürzt worden .


(Dr . Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der Summe schon!)


Die alternative Streitbeilegung ist mein nächstes
Stichwort. Es muss ein flächendeckendes Angebot außer-
gerichtlicher Streitbeilegungsstellen vorhanden sein . Das
Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz fördert
im Rahmen eines Pilotprojektes bis 2019 eine privat or-
ganisierte, sogenannte Allgemeine Verbraucherschlich-
tungsstelle .

Neu geschaffen und einem sehr großen Teil der Bevöl-
kerung schon bekannt sind die Marktwächter für Finan-
zen und für die Digitale Welt . Im Gegensatz zu dem, was
hier vorhin gesagt worden ist, finde ich, das ist genau der
richtige Weg . Auf Basis eigener Untersuchungen und auf
die Beschwerden von vielen Tausenden von Menschen
hin haben die Marktwächter bereits die Öffentlichkeit,
die Behörden und die Politik auf Probleme und Missstän-
de im Markt aufmerksam machen und Verbraucherwar-
nungen aussprechen können . Das ist gut, und wir haben
immer betont, dass wir die beiden Marktwächter verste-
tigen


(Dr . Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie es doch! Unsere Unterstützung hätten Sie!)


und den Ausbau weiterer Marktwächter anstoßen wollen,
Herr Lindner . Ich bin besonders stolz darauf, dass es jetzt
1,5 Millionen Euro für einen Marktwächter Energie gibt .


(Beifall bei der SPD – Dr . Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Dann verstetigen Sie die beiden anderen!)


Das betrachte ich sehr wohl als Anschubfinanzierung in
dem vorliegenden Haushalt . Wir werden uns auch dafür

Katja Keul






(A) (C)



(B) (D)


einsetzen, dass genau diese Politik engagiert fortgesetzt
und dauerhaft etabliert wird .


(Dr . Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir werden sehen!)


Spätestens seit den Verhandlungen zu CETA und TTIP
wissen wir, dass auch international der Verbraucher-
schutz einen hohen Stellenwert hat . Allen ist auch klar,
wie wichtig es ist, sich frühzeitig gemeinsam über die
Verbraucherstandards auszutauschen . Ich begrüße des-
halb, dass es im Rahmen der G-20-Ratspräsidentschaft
im nächsten Jahr am Weltverbrauchertag, am 15 . März,
eine große Veranstaltung zum Thema „Digitaler Ver-
braucherschutz“ geben wird, die auch mit einer entspre-
chenden Summe aus dem Ministerium der Justiz und für
Verbraucherschutz finanziert wird, ebenso wie die Ver-
anstaltung beim Deutschen Verbrauchertag im nächsten
Jahr, der unter dem Thema „Verbraucherschutz schafft
Sicherheit“ steht; denn Sicherheit schafft Vertrauen . Ich
bin dem Minister der Justiz und für Verbraucherschutz
dankbar dafür, dass dies finanziert wird.

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820104900

Vielen Dank, Elvira Drobinski-Weiß . – Nächste Red-

nerin: Nicole Maisch für Bündnis 90/Die Grünen .


Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820105000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Minister, im Fußball sagt man: Geld schießt kei-
ne Tore . – Im übertragenen Sinne gilt das auch für die
schwarz-rote Verbraucherpolitik . Über die Bereiche
„Ernährung“ und „gesundheitlicher Verbraucherschutz“
sage ich an dieser Stelle nichts; dafür kann Herr Maas
wirklich nichts . Aber auch in Ihrem Geschäftsbereich
klaffen Lücken in der Verbraucherpolitik .

Nehmen wir das Zukunftsthema „nachhaltiger Kon-
sum“. Im Haushalt findet sich kein Cent für die Um-
setzung des Nationalen Programms für nachhaltigen
Konsum. Es findet sich auch nichts zu einer verbraucher-
gerechten Umsetzung der CSR-Richtlinie . Dabei brau-
chen wir das doch so dringend, damit die Konsumenten
die seitenlangen Berichte, die die Unternehmen in Zu-
kunft verfassen sollen, verstehen und vergleichen kön-
nen. Wir finden auch nichts zur Förderung nachhaltiger
Geldanlagen . Dabei brauchen wir endlich ein verlässli-
ches Label, damit nicht zum Beispiel der Ökostrombezie-
her über seinen Fondssparplan in Kohle und Atom inves-
tiert oder die Eine-Welt-Aktivistin nicht feststellen muss,
dass sie mit ihrer privaten Altersvorsorge ausbeuterische
Kinderarbeit oder Rüstungsgüter finanziert. Hier, finden
wir, hätte ein Verbraucherminister wirklich etwas zu tun .
Im Bereich „nachhaltiger Konsum“ sehen wir aber leider
nichts . Das sollte sich dringend ändern .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Minister, wir werfen Ihnen auch vor, wichti-
ge Verbrauchergruppen nicht im Blick zu haben . Wenn

man sich damit beschäftigt, wofür im Bereich Verbrau-
cherinformation Geld ausgegeben wird, findet man eine
starke Fokussierung auf den Bereich „Seniorinnen und
Senioren“ . Das ist sicher nicht falsch; auch alte Kon-
sumentinnen und Konsumenten müssen berücksichtigt
werden . Aber wo tun Sie etwas für die schutzbedürftigste
Konsumentengruppe von allen, nämlich die Kinder? Wir
fordern Sie auf: Sichern Sie die Finanzierung des Mate-
rialkompasses dauerhaft, damit Lehrmaterialien Kinder
schlau machen, statt Schleichwerbung für Konzerne zu
betreiben! Sie haben das für den digitalen Bereich zu-
gesagt; aber wir finden, dass auch in den Bereichen Fi-
nanzen und Ernährung Kinder im Unterricht qualitativ
hochwertige Unterrichtsmaterialien statt Schleichwer-
bung brauchen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Und wir fordern Sie auf: Starten Sie ein Projekt „digi-
taler Verbraucherschutz für Kinder“! Im Netz sind Kinder
noch schlechter als im Fernsehen oder Radio vor direkten
Kaufaufforderungen und illegaler Werbung geschützt .
Zum Beispiel bei den In-App-Käufen gibt es Praktiken,
die nicht fortgeführt werden dürfen . In einem solchen
Projekt bestünde die Möglichkeit, die Verbandsklage im
Datenschutz, die Sie neu eingeführt haben, zu nutzen und
den Anbietern zu zeigen, dass das Netz kein rechtsfreier
Raum ist, besonders wenn es um den Schutz von Kindern
geht .

Klar ist: Geld allein macht keine gute Politik . Das
merkt man an den Marktwächtern . Wir fordern Sie auf,
dieses wichtige Instrument endlich institutionell zu för-
dern und besser mit den Aufsichtsbehörden zu verzah-
nen . Geben Sie Ihren Marktwächtern endlich richtige
Zähne!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dazu hätte es eines etwas kämpferischen Verbraucher-
schutzministers bedurft . Wenn man sich anschaut, wie
diese Regierung im Konflikt mit großen Unternehmen
agiert, dann ist es nicht verwunderlich, dass VW-Chef
Müller glaubt, in Deutschland als Reaktion auf Diesel-
skandal und Versagen bei E-Mobilität die Kundinnen und
Kunden beschimpfen zu können, statt darüber nachzu-
denken, was man für mehr Verbraucherschutz tun könnte .

Schauen wir uns an, was Sie im Finanzbereich ge-
macht haben, Stichwort „Wohnimmobilienkreditrichtli-
nie“ . Es ist erstaunlich, dass diese Bundesregierung zu-
sammen mit der schwarz-roten Koalition rückwirkend in
die Widerrufsrechte von Kundinnen und Kunden einge-
griffen hat, nur weil die Sparkassen sie auf die Bäume ge-
trieben haben . Das ist unglaublich und bleibt noch immer
ein schwarzer Fleck auf Ihrer Verbraucherschutzweste .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir wünschen uns für den Rest der Legislaturperio-
de, dass den Ankündigungen des Ministers endlich Taten
folgen . Wir wünschen uns mehr Verbraucherschutz und

Elvira Drobinski-Weiß






(A) (C)



(B) (D)


weniger Ankündigung . Damit ist klar, dass wir diesem
Haushalt nicht zustimmen können .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820105100

Vielen Dank, Nicole Maisch . – Nächster Redner:

Dr . Patrick Sensburg für die Unionsfraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Patrick Sensburg (CDU):
Rede ID: ID1820105200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine Damen und Herren! Der vorliegende
Bundeshaushaltsentwurf für das Jahr 2017 weist mit ei-
nem Gesamtvolumen von rund 320 Milliarden Euro ei-
nen guten Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben aus .
Ich danke in erster Linie den Haushältern für die gute
Zusammenarbeit mit den Fachpolitikern aus dem Jus-
tiz- und Verbraucherschutzressort . Das hat in den letzten
Wochen der Beratungen gut geklappt . Ganz herzlichen
Dank, dass die Zusammenarbeit von Fachpolitikern und
Haushaltspolitikern immer so exzellent klappt!

Lassen Sie mich eines vorweg sagen: Der Ausgleich
von Einnahmen und Ausgaben ist wirklich ein Marken-
kern der Union . Wir achten darauf, dass die Wünsche,
die in einem Einzelplan ihren Ausdruck finden, den
Ausgaben, die man sich leisten kann, entsprechen und
das Ganze nicht aus dem Ruder läuft, sondern zu einem
Ausgleich gebracht wird . Es ist ein Markenzeichen der
Union, zu einem Ausgleich zu kommen . Es ist gut, dass
wir das so machen .

Verfolgen wir einmal, wie es in den Bundesländern
läuft . Schauen wir nach Nordrhein-Westfalen, wo eine
anders geführte Landesregierung den Haushalt aufstellt .


(Dr . Johannes Fechner [SPD]: So viel Angst vor einer Wahlniederlage? – Weitere Zurufe von der SPD)


Man sieht, dass dort die Ausgaben aus dem Ruder laufen;
das ist festzustellen . Ich wünsche mir, dass auch die Lan-
desregierungen eine so gute Haushaltspolitik betreiben,
wie sie unter Führung von Angela Merkel und Finanzmi-
nister Schäuble betrieben wird .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Fast alle Redner der einzelnen Fraktionen, die zuvor
zum Haushalt für Justiz und Verbraucherschutz geredet
haben, haben sich Zeit genommen, um das Ressort des
Innenministeriums zu loben .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Dazu kommen wir nachher noch!)


An dieser Stelle muss man Innenminister de Maizière
und Staatssekretär Krings danken . Wenn in den Bera-
tungen über den Einzelplan für Justiz und Verbraucher-
schutz das Innenministerium so breit gelobt wird,


(Dr . Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann zeigt das, dass der Haushalt nicht verstanden wurde!)


dann scheinen wir doch viel richtig gemacht zu haben .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Wir kommen ja noch zu dem Ressort!)


– Lieber Kollege Hahn, die einzige Fraktion, die nicht
gelobt hat, ist die Linke; diese hat sich beim Lob sehr
zurückgehalten . Sie haben offenkundig noch immer ein
etwas gestörtes Verhältnis zu staatlichen Institutionen
und der Rechtsstaatspolitik . Daher kann ich verstehen,
dass Sie die einzige Fraktion waren, die das Innenressort
nicht gelobt hat .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Lassen Sie mich nun auf den zur Diskussion stehenden
Einzelplan eingehen – Kollege Gröhler hat das bereits
gesagt –, der „lediglich“ rund 800 Millionen Euro auf-
weist . Das sind knapp 2,5 Prozent des Gesamthaushalts .
Man kann sagen, dass sich gute Rechtspolitik und gute
Verbraucherpolitik nicht ausschließlich nach dem Volu-
men bemessen lassen, sondern nach den Inhalten . Dieses
Politikfeld hat für die Verbraucherinnen und Verbraucher
bzw . die Bürgerinnen und Bürger eine große Bedeutung .
Dennoch lässt sich feststellen, dass es ein gewisses Un-
gleichgewicht zwischen den Bereichen Recht und Ver-
braucherschutz gibt . Für den Verbraucherschutz ist mehr
Geld eingestellt . Ich wünsche mir, dass wir im Rechtsbe-
reich noch das eine oder andere akzentuiert vorantreiben .


(Dr . Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hätten Sie ja machen können!)


Um es deutlich zu sagen: Es ist wichtig, für guten
Verbraucherschutz ausreichend Mittel einzustellen . Aber
Verbraucherschutz darf den mündigen Bürger nicht
völlig an die Hand nehmen und seine Eigenverantwor-
tung außer Acht lassen . Ich wünsche mir, dass wir das
Gleichgewicht, wie es in den letzten Jahren existiert hat,
fortschreiben . Es darf keinen überschießenden Verbrau-
cherschutz geben, sondern es muss ein Gleichgewicht
zwischen den Interessen des mündigen Bürgers auf der
einen und der Schutzfunktion und der Fürsorgepflicht des
Staates auf der anderen Seite geben .

Insbesondere bei der Digitalisierung gibt es im Be-
reich der Rechts- und Verbraucherschutzpolitik noch ei-
niges zu machen . Herr Minister Maas, Sie hatten den run-
den Tisch zum Thema „Hate Speech“ einberufen . Dabei
ist leider bisher effektiv noch nichts herausgekommen .
Ich bin sehr dankbar, dass der Vorsitzende der CDU/
CSU-Fraktion, Volker Kauder, mit seinen eindringlichen
Worten Bewegung in die Diskussion über eine mögliche
Novelle zum Teledienstegesetz gebracht hat . Sonst wer-
den wir in diesem Bereich möglicherweise keinen Erfolg
haben . Hate Speech können wir nicht akzeptieren; viele
Redner haben das schon gesagt . Dieses Thema müssen
wir jetzt entschlossen anpacken .

Zunehmend sind Verbraucher mit dem Phänomen
des Individual Pricing konfrontiert . Dabei erzeugen Al-
gorithmen auf der Basis generierter Daten individuelle
Preise, wobei nicht transparent ist, wie die Preise zu-
stande kommen . Ich glaube aber, dass uns der Grundsatz
der sozialen Marktwirtschaft sagt, dass die Preisbildung
transparent sein muss und es nicht Algorithmen überlas-
sen sein darf, wer wie viel für ein bestimmtes Produkt

Nicole Maisch






(A) (C)



(B) (D)


bezahlt . Hier müssen wir nachbessern . Ich glaube, es ist
auch eine Aufgabe effektiven Verbraucherschutzes, et-
was gegen das Individual Pricing zu machen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der andere Bereich, wo wir schon angesetzt haben,
aber wo wir noch mehr machen müssen – es ist noch kein
Ergebnis da –, ist die Praxis des Geoblockings . Dabei
bestimmt der Standort des Verbrauchers und nicht das
Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage den Preis .
Auch hier sind wir nicht weitergekommen . Auch hier
müssen wir im Rahmen der Verbraucherpolitik mehr tun .

Nicht weniger als einen New Deal forderten Sie, Herr
Minister, im vergangenen Jahr im Bereich des Urheber-
rechts . Man muss sagen: Etwas Neues hat es nicht gege-
ben . Wir sind immer noch weit von Lösungen entfernt .
Ich wünsche mir, dass wir hier einen weiteren Schritt ge-
hen . Herr Minister, Sie haben die Unterstützung der Uni-
o
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1820105300
Staatssekretär Billen und Staats-
sekretär Kelber . Ich glaube, mit den Fachleuten und mit
Unterstützung der Union müsste es uns gelingen, eine
gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit bei diesen
Themen zu erreichen .

Im Rechtsbereich ist es uns auf vielen Feldern leider
nicht gelungen, die angestoßenen und ins Visier gefass-
ten Gesetzesvorhaben zum Abschluss zu bringen . Ich
möchte aber Staatssekretär Lange danken . Nach einigen
Jahren Verspätung ist es uns gelungen, die Verordnung
zum Mediationsgesetz auf den Weg zu bringen . Das ist
gut; die Verbände freuen sich, sie sind zufrieden, dass
wir weitermachen können . Meine Vorrednerin hat es an-
gesprochen: Was die außergerichtliche Streitbeilegung
betrifft, wünsche auch ich mir, dass wir im Grunde bei
allen Verfahren, die es im Bereich der außergerichtli-
chen Streitbeilegung gibt, schauen, dass wir eine gewisse
Konsistenz zwischen Schlichtung, Obmännern bzw . Ob-
frauen, der Mediation und anderen Verfahren erreichen .
Wir müssen in die Verfahren im deutschen Rechtssystem
mehr Konsistenz bringen .

Weitere Projekte sind leider immer noch auf der lan-
gen Bank . Ich erinnere an das wichtige Projekt der Insol-
venzanfechtung .


(Dr . Johannes Fechner [SPD]: Das liegt doch an euch!)


Hier finden noch Gespräche statt; aber das Projekt ist
nicht umgesetzt . Herr Kollege Fechner, ich erinnere mich
an das Ende der letzten Legislaturperiode . Da haben wir
mit dem Wirtschaftsministerium und dem damaligen
BMJ intensive Gespräche geführt und wollten die Insol-
venzanfechtung anpacken . Das BMJ blockierte damals,
und jetzt blockiert das BMJV in den Gesprächen . So
empfindet es die Wirtschaft.


(Dr . Eva Högl [SPD]: Damals war aber jemand anderes an der Spitze, wenn Sie sich erinnern!)


Das Wirtschaftsministerium würde sich deutlich mehr
wünschen . Das hat sich in dieser Legislaturperiode lei-
der nicht geändert . Ich wünsche mir, dass wir das Thema

Insolvenzanfechtung intensiv aufnehmen . Es ist Aufgabe
des Justizministeriums, die Wirtschaft an dieser Stelle
nicht alleine zu lassen .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820105400

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder

-bemerkung von Herrn Kollegen Flisek?


Dr. Patrick Sensburg (CDU):
Rede ID: ID1820105500

Na klar, logisch .


Christian Flisek (SPD):
Rede ID: ID1820105600

Herr Kollege Sensburg, Sie haben gerade auf die durch-

aus nicht ganz einfachen Verhandlungen zum wichtigen
Urhebervertragsrecht verwiesen und haben, wenn ich
Sie richtig verstanden habe, bedauert, dass in der Sache
nichts weitergehe . Da möchte ich Sie schon fragen – weil
wir an einem Punkt sind, wo wir ein wenig Farbe beken-
nen müssen –, ob die Unionsfraktion, wenn sie das hier
zum Gegenstand der Debatte macht, denn bereit wäre,
sich bei der Frage eines angemessenen Auskunftsanspru-
ches zugunsten der Kreativen in diesem Land – wohlge-
merkt: der Auskunftsanspruch ist ein Hilfsanspruch, um
eine angemessene Vergütung durchzusetzen – endlich ein
Stück weit zu bewegen, damit wir das Paket zuschnüren
können . Sie fordern ein Leistungsschutzrecht für Presse-
verleger, das Sie den Kreativen nicht zubilligen wollen;
die Probleme, die Sie skizzieren, sind dieselben . Von den
Onlineplattformen aber wird das eingefordert . Wie kön-
nen Sie sich positionieren, damit daraus eine konsisten-
te Lösung wird? Ich würde Sie schon gerne bitten, sich
dazu mehr und deutlicher zu äußern; denn der Moment
wäre geeignet, die Sache wirklich nach vorne zu bringen .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Patrick Sensburg (CDU):
Rede ID: ID1820105700

Herr Kollege Flisek, als Berichterstatter der SPD-Frak-

tion für dieses Themengebiet verhandeln Sie jetzt seit
drei Jahren . Schon in der letzten Legislaturperiode hatten
wir das Thema Urheberschutz auf der Agenda .


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da ist es auch schon schiefgegangen!)


– Ja, das war am Ende der Legislaturperiode . Wir haben
kein Ergebnis erreichen können, auch weil die Zeit fehl-
te .


(Dagmar Ziegler [SPD]: Die Zeit war schuld! Jetzt wissen wir, wer schuld war: die Zeit!)


In dieser Legislaturperiode haben wir das Thema wie-
der aufgegriffen . Seit drei Jahren wird verhandelt . Sie ha-
ben jetzt zwei von mehreren Punkten der Verhandlungen
genannt, bei denen wir noch nicht im Konsens sind . Es
liegt erst einmal an den Verhandlern, über die Vielzahl
der Punkte einen Konsens zu erreichen . Ihn haben wir
nicht, weil Sie auch bei Ihren Punkten nicht nachgeben .


(Dr . Johannes Fechner [SPD]: Jetzt mal inhaltlich! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE Dr. Patrick Sensburg GRÜNEN]: Die CDU war immer dabei, wenn es nicht klappte!)





(A) (C)


(B) (D)


Insofern würde ich mir wünschen, dass diese Verhand-
lungen zu Ende gebracht werden und dass als Ergebnis
der Zusammenarbeit mit dem Justizministerium ein-
mal eine Lösung auf den Tisch kommt und nicht endlos
verhandelt wird . Dasselbe erleben wir – ich habe es er-
wähnt – bei den anderen Projekten, zum Beispiel bei der
Insolvenzanfechtung . Auch da haben wir Lösungen auf
dem Tisch liegen .


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch mal endlich, ob Sie den kleinen Kreativen etwas geben wollen!)


Auch hier wird das Vorliegende mit anderen Bereichen
vermengt . Das gesamte Insolvenzrecht wird plötzlich in
Angriff genommen, und eine Lösung wird nicht erreicht .
Von daher: Specken Sie das Ganze ab auf die wesentli-
chen Punkte!


(Dr . Eva Högl [SPD]: Ach! Das Auskunftsrecht ist kein wichtiger Punkt, ja? Das ist ja auch deutlich!)


Dann kommen wir zu einem Konsens . Aber so wird es
nicht gehen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gegenruf der Abg . Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU]: Der Gesetzentwurf des Ministers ist doch gut! Da braucht überhaupt nichts geändert zu werden!)


Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen, der das
Straf- und Prozessrecht betrifft . Auch hier haben wir mit
vielen Forderungen stark begonnen . Es sollte der Mord-
paragraf geändert werden . Es sollte eine große StPO-Re-
form geben . Beim Mordparagrafen sehen wir jetzt, dass
eine kluge Ausgestaltung dieser Norm gar nicht so ein-
fach ist, dass § 211 StGB eine gute Norm ist, mit einer
dezidierten Rechtsprechung .


(Dr . Eva Högl [SPD]: Was?)


Ich weiß zurzeit nichts von weiteren Initiativen aus dem
BMJV für eine Überarbeitung . Es ist still geworden . Ich
würde mir auch hier wünschen, dass Klarheit herrscht,
wie es weitergeht .

Besonders bedauerlich ist der Verlauf der großen
StPO-Reform . Es war am Anfang der Legislaturperiode
als wesentliches rechtspolitisches Projekt angedacht, die
gesamte StPO zu überarbeiten und vom Ermittlungs-
verfahren über das Zwischenverfahren über das Haupt-
verfahren bis zu den Rechtsmitteln und dem Strafvoll-
zug, also dem Vollstreckungsverfahren, ein konsistentes
Gesetzeswerk einer StPO zu schaffen, die im Grunde
beschleunigende Verfahren ermöglicht . All das ist im
Grunde schon in der eingesetzten Kommission geschei-
tert . Nur wesentliche Einzelpunkte sind übrig geblieben;
sie stehen derzeit in der Verhandlung . Regelungen für
einen effektiveren, beschleunigten Strafprozess finden
wir im derzeitigen Gesetzentwurf nicht mehr vor . Die
Neuregelung der Anbahnungsgespräche, die Sachver-
ständigenauswahl oder beispielsweise die gerichtliche

Überprüfung der Bestellung eines Pflichtverteidigers im
Ermittlungsverfahren, all das kostet mehr Zeit und be-
schleunigt das Verfahren nicht .

Nicht im Gesetz beinhaltet ist die sogenannte Quel-
len-TKÜ . Das ist aber eine Forderung der Justizminis-
terkonferenz, des Generalbundesanwalts und der Ge-
neralanwälte der Länder; sie wurde erst vor 14 Tagen
wieder aufgestellt . Herr Justizminister, Sie haben im
Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung einen
klugen Gesetzentwurf unterstützt und vorangebracht .
Jetzt müssen Sie sich auch bei der Quellen-TKÜ, wenn
die StPO-Reform kommen soll, bewegen . Dann bringen
wir gemeinsam ein gutes Gesetzeswerk zustande .

Viele Punkte müssen wir noch anpacken . Ich habe
einige im Bereich Verbraucherschutz genannt . Hinzu
kommen einige rechtspolitische Punkte . Ich hoffe, Herr
Minister, dass Sie sich im kommenden Jahr, das uns noch
verbleibt, mit der Unterstützung der Haushälter und die-
sem Haushaltsansatz zur Behandlung dieser Themen ent-
schließen können . Wir haben ja gerade gehört: Sogar für
die Magnus-Hirschfeld-Stiftung haben wir noch einmal
Geld in den Haushalt eingestellt . – Packen Sie die Pro-
jekte beherzt an! Sonst habe ich die Sorge, dass wir in
dieser Legislaturperiode, anders als in den letzten Jahren,
nicht viele rechtspolitische Vorhaben umsetzen werden,
und das wäre sehr schade .

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820105800

Vielen Dank, Dr . Sensburg . – Das Wort zu einer Kurz-

intervention hat Dr . Harbarth von der CDU/CSU-Frak-
tion .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Will er Herrn Sensburg korrigieren? Zu Flisek darf er aber nicht reden!)



Dr. Stephan Harbarth (CDU):
Rede ID: ID1820105900

Herr Kollege Flisek, Sie haben die Frage aufgewor-

fen, wann die Unionsfraktion endlich bereit sei, im Be-
reich des Urhebervertragsrechts, im Bereich des Aus-
kunftsrechts zu einer angemessenen Lösung zu kommen .
Es liegt ja ein Vorschlag Ihres Bundesjustizministers auf
dem Tisch . Mit diesem Vorschlag sind wir einverstanden .
Wenn Sie den Eindruck erwecken, dass dieser Vorschlag
unangemessen sei, dass wir endlich zu einer angemes-
senen Regelung kommen sollten, dann möchte ich diese
Kritik am Bundesjustizminister zurückweisen .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820106000

Weil ich heute gut aufgelegt bin, habe ich Sie nicht un-

terbrochen . Eine Kurzintervention muss sich eigentlich
auf den unmittelbaren Vorredner beziehen; das wissen
Sie ganz genau .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Dr. Patrick Sensburg






(A) (C)



(B) (D)


Weil ich heute besonders nett bin – das ist aber eigentlich
immer so –, habe ich das zugelassen .

Die nächste Rednerin ist Christina Jantz-Herrmann für
die SPD-Fraktion . – Bitte schön .


(Beifall bei der SPD)



Christina Jantz (SPD):
Rede ID: ID1820106100

Vielen Dank . – Frau Präsidentin! Meine lieben Kol-

leginnen und Kollegen! Sehr verehrte Zuhörerinnen
und Zuhörer! Es bedarf keiner großen mathematischen
Expertise, um festzustellen, dass auch im Jahr 2017 der
Haushalt des Bundesministeriums der Justiz und für
Verbraucherschutz im Vergleich zu den Haushalten der
anderen Ministerien eher schmal ist . Nun lässt sich aber
zum Glück nicht nur am Haushaltsvolumen beurteilen,
wie gut ein Ministerium arbeitet, sondern es sind die kon-
kreten Projekte, die maßgeblich sind . Hier braucht sich
gerade unser Bundesjustizminister Heiko Maas nicht zu
verstecken .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben großen Wert darauf gelegt, dass der Ver-
braucherschutz erneut viel Platz im Haushalt einnimmt .
Insbesondere die schrittweise Erhöhung des Stiftungska-
pitals der Stiftung Warentest auf 175 Millionen Euro und
auch die Anschubfinanzierung für die Marktwächter im
Bereich der Energie mit 1,5 Millionen Euro sind hier zu
nennen . Viele weitere Punkte hat meine Kollegin Elvira
Drobinski-Weiß schon angesprochen .

Für mich zeigt sich, dass es eine richtige Entschei-
dung der Großen Koalition war, den Verbraucherschutz
beim Justizministerium anzusiedeln; denn der rechtliche
Verbraucherschutz ist heutzutage wichtiger denn je . Ein
gutes Beispiel für einen praxisnahen Verbraucherschutz
ist das sehr informative Onlineverbraucherportal „Wis-
sen wappnet .“ . Es bietet Hilfestellung bei Finanzfragen
oder bei Problemen im Reiserecht . Es berät zudem auch
über Kostenfallen im Internet und vieles mehr . Es wer-
den komplexe Rechtsfragen verständlich erläutert, mitt-
lerweile sogar per App .

Loben möchte ich an dieser Stelle aber auch Heiko
Maas’ Engagement gegen Hasskriminalität im Internet;
denn wenngleich eigentlich klar sein sollte, dass auch im
Internet deutsches Recht zu gelten hat, sieht die Reali-
tät leider anders aus . Im Internet, auf den sozialen Platt-
formen, wird beleidigt und gepöbelt; falsche Tatsachen
werden willkürlich verbreitet, Mobbing steht ganz oben
auf der Tagesordnung . Hier ist es wichtig einzugreifen .
Genau das ist eine Form des Verbraucherschutzes, und
zwar des Schutzes der Kinder .

Durch die Einrichtung der Taskforce gegen Hassbot-
schaften im Internet im Jahr 2015 wurde ein Grundstein
dafür gelegt . Unsere Minister, allen voran Heiko Maas
und Manuela Schwesig, suchen die kritische Auseinan-
dersetzung mit Facebook & Co .; und das ist auch gut so .


(Beifall bei der SPD)


Wir brauchen eine viel schnellere und konsequentere
Entfernung rechtswidriger Hassposts . Hier müssen wir
den Druck aufrechterhalten und auch noch verstärken .

Das BMJV bildet zudem einen verlässlichen Partner,
wenn es darum geht, Gleichstellung voranzubringen so-
wie Familien und Frauen zu stärken . Neben der bereits
erfolgreich erkämpften Frauenquote gibt es weitere
Punkte; zwei möchte ich hier ganz besonders anspre-
chen: erstens die Unterstützung des dringend benötigten
Entgeltgleichheitsgesetzes und zweitens die Ausweitung
des Unterhaltsvorschusses . Bei der Ehe für alle, liebe
Kolleginnen und Kollegen der Union, knirscht es bei Ih-
nen leider immer noch etwas im Getriebe . Hier erhoffen
wir uns mehr Wind unter den Flügeln .


(Beifall bei der SPD)


Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld wird in die
institutionelle Förderung aufgenommen und erhält gute
500 000 Euro pro Jahr; Herr Petzold, Sie hatten das vor-
hin angesprochen . Dies zeigt, wie wichtig das BMJV die
Gleichstellungspolitik, die Antidiskriminierung nimmt .
Dass zudem im Rahmen des Gesetzes zur Entschädigung
der wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen
Verurteilten zunächst 4,5 Millionen Euro zur Verfügung
gestellt werden, ist aus meiner Sicht ein längst überfälli-
ger Schritt – umso wichtiger, dass dieser mit dem Bun-
deshaushalt 2017 gegangen wird .

Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820106200

Vielen Dank, Frau Kollegin Jantz-Herrmann .

Ich begrüße recht herzlich in unserem Haus – wir ha-
ben sie gerade entdeckt – Andrea Voßhoff, die Bundesbe-
auftragte für Informationsfreiheit .


(Beifall)


Nächster Redner: Helmut Brandt für die CDU/
CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Dr . Johannes Fechner [SPD])



Helmut Brandt (CDU):
Rede ID: ID1820106300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Verehrte Zuschauer und Zuschauerinnen!
Heute ist gesagt worden, dass es wichtig ist – ich halte
das auch für wichtig –, junge Leute an den Rechtsstaat
heranzuführen . Ich habe im Jahresdurchschnitt etwa
800 Schülerinnen und Schüler aus dem Wahlkreis, mit
denen ich die übliche Diskussionsstunde durchführe, und
muss leider feststellen, dass der Kenntnisstand minimal
ist .


(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber bei den Älteren nicht anders!)


Ich kann es eigentlich gar nicht nachvollziehen, dass die
Curricula offensichtlich zu selten vorsehen, dass dieses
Thema mit den Schülerinnen und Schülern angegangen
wird . Insofern halte ich das für eine wichtige Maßnahme .

Vizepräsidentin Claudia Roth






(A) (C)



(B) (D)


Meine Damen und Herren, ich möchte mich heute
vor allen Dingen mit dem ebenfalls jetzt vorgesehenen
Tagesordnungspunkt, nämlich dem Einzelplan zum Bun-
desverfassungsgericht, beschäftigen und dabei auch auf
die obersten Bundesgerichte eingehen . Ich möchte dabei
einem Eindruck widersprechen, der nach meiner Auf-
fassung hier eben erweckt wurde: Die deutsche Justiz
ist im Wesentlichen von unseren Bürgerinnen und Bür-
gern anerkannt . Ich glaube – das muss ich ganz ehrlich
sagen –, dass die meisten Bürgerinnen und Bürger sehr
auf unsere Justiz bauen und auch bauen können . Aller-
dings müssen auch die Bundesländer bei den unterins-
tanzlichen Gerichten verstärkt dafür Sorge tragen, dass
die Verfahrensdauern abgekürzt werden . Das gilt nach
meiner Einschätzung insbesondere für Strafverfahren im
Jugendstrafrecht; aber auch bei den Verwaltungsgerich-
ten ist eine überlange Verfahrensdauer festzustellen .

Der deutsche Rechtsstaat wird gerade auch im Ver-
gleich zu anderen Systemen und zu aktuellen Entwick-
lungen der heutigen Zeit insgesamt hoch eingeschätzt .
Das gilt insbesondere für das Ausland . Die vielen Rechts-
staatsdialoge zeigen ja, dass wir hierzu im Ausland bei-
tragen . Sowohl die Politik, die obersten Bundesgerichte,
die Gerichte insgesamt, aber auch die Anwaltschaft leis-
ten hier einen wichtigen Beitrag .

Unsere Gerichte und die Rechtsprechung genießen
hohe Akzeptanz und den Respekt der Bevölkerung . Das
gilt, wie ich eingangs sagte, nach meiner Auffassung
ganz überwiegend . Das gilt aber insbesondere auch für
die Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte und des
Bundesverfassungsgerichtes . Ich denke, dass zu dieser
hohen Qualität unserer Gerichtsbarkeit auch das Aus-
wahlverfahren für die obersten Bundesgerichte und für
das Bundesverfassungsgericht beitragen .

Wir sind in dieser Frage richtigerweise den Reform-
vorschlägen, die insbesondere zum Wahlverfahren von
Bundesrichtern von den Grünen kürzlich unterbreitet
worden sind, nicht gefolgt . Wir haben eine Sachverstän-
digenanhörung durchgeführt . Diese hat nach meiner Auf-
fassung schon eindeutig gezeigt, dass das keine sinnvol-
len Vorschläge sind . Insbesondere aber die Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts vom 20 . September 2016
hat doch sehr eindrucksvoll dargelegt, dass das Verfah-
ren in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung voll und ganz
den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt . Man
kann sagen, dass sich auch in diesem Zusammenhang
die Worte des berühmten französischen Staatsrechtlers
Charles-Louis de Montesquieu bewahrheiten; denn er
sagte:

Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen,
dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen .

Das sollten wir hier, Frau Keul, wirklich beachten .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mit dieser Entscheidung des Bundesverfassungsge-
richts wurde zum Glück auch die Blockade eines gewähl-
ten Richters aufgehoben . Ich hoffe, dass er in den nächs-
ten Tagen – wenn es nicht schon geschehen ist – seine
Urkunde erhält .

Meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsge-
richt ist in seiner Entscheidung den Argumenten, die wir
vorgetragen haben, ohne Einschränkungen gefolgt . Wir
haben ja die Problematik, dass auf der einen Seite Arti-
kel 33 des Grundgesetzes die sogenannte Bestenauslese
vorgibt, auf der anderen Seite Artikel 95 des Grundge-
setzes für die Berufung von Richterinnen und Richtern
zu den obersten Bundesgerichten eine Wahl vorsieht .
In diesem Spannungsverhältnis gibt es natürlich immer
wieder rechtliche Probleme, was ausschlaggebend ist .
Das Gericht hat aber klargestellt, dass die Mitglieder des
Richterwahlausschusses die Bindung des zuständigen
Ministers, also in der Regel des Justizministers oder der
Arbeitsministerin, an den Grundsatz der Bestenauslese
zu beachten haben, der eigentliche Wahlakt aber keiner
gerichtlichen Kontrolle unterliegt . Damit hat das Gericht
auch der Unmöglichkeit, eine Wahlentscheidung zu be-
gründen, Rechnung getragen . Es hat dazu wörtlich aus-
geführt – ich zitiere, Frau Präsidentin –:

Dem Wahlelement trüge eine strikte Bindung der
Entscheidung des Richterwahlausschusses an
Art . 33 Abs . 2 GG nicht ausreichend Rechnung .
Während Art . 33 Abs . 2 GG auf die eine „‚richtige‘
Antwort“ … beziehungsweise darauf gerichtet ist,
„von oben her“ den Besten auszuwählen, zeichnen
sich Wahlen gerade durch Wahlfreiheit aus, wenn-
gleich die Wählbarkeit zumeist von der Erfüllung
bestimmter Voraussetzungen abhängt …

Die Voraussetzungen sind natürlich klar: Man muss für
das Richteramt geeignet sein . Aber ansonsten ist dieser
Wahlakt frei .

Weiter heißt es:

Da der eigentliche Wahlakt keiner gerichtlichen
Kontrolle unterliegt, bedarf sein Ergebnis auch kei-
ner Begründung …

Das ist genau das Gegenteil dessen, was Sie gefordert
haben .

Deshalb wird vom Gericht auch konsequent gesagt,
dass der Minister, der diese Entscheidung dann ausführen
muss, wenn dem nicht besondere Gründe entgegenste-
hen, dies auch umzusetzen hat . In der Vergangenheit ist
das ja auch immer geschehen .

Nach dieser Entscheidung, meine Damen und Her-
ren, kann dieses bewährte Verfahren beibehalten werden .
Auch wir als Abgeordnete, die Mitglieder im Richter-
wahlausschuss sind, können mit dieser Entscheidung
nicht nur gut leben, wie ich meine, sondern haben jetzt
auch ganz klar vor Augen, dass wir dort eine Wahl durch-
führen .

Diese Wahlfreiheit ist im Übrigen kein Selbstzweck,
sondern auch in den Erfahrungen aus der Zeit des Na-
tionalsozialismus begründet . Mit der Betrauung eines
Wahlausschusses mit der Aufgabe der Auswahl von
Bundesrichtern wollte der Verfassungsgeber wieder eine
Vertrauensbasis für diese Richter herstellen und insbe-
sondere eine Selbstkooptation, also eine Erneuerung der
Bundesrichterschaft aus sich selbst heraus, verhindern .

Helmut Brandt






(A) (C)



(B) (D)


Der Minister hat eben zu Recht auf das Projekt Rosen-
burg und die Erkenntnisse daraus, die das Ministerium
betreffen, hingewiesen . Aber auch hier war nach dem
Zweiten Weltkrieg sicherlich eine wirksame Novellie-
rung notwendig, um sicherzustellen – davon hängt ja
immer auch ab, welches Vertrauen die Bevölkerung in
eine Entscheidung der Gerichte hat –, dass die Richter
unabhängig arbeiten und auch unabhängig als solche be-
stellt worden sind .

Auf die einzelnen Argumente derjenigen, die eine
Änderung gefordert haben, will ich jetzt nicht näher ein-
gehen . Man muss sich nur das Verfassungsgerichtsurteil
durchlesen, um zu wissen, dass eine Änderung nicht er-
forderlich ist und insbesondere auch nicht geboten ist .
Nach unserer Auffassung wäre sie sogar kontraproduktiv .

Insofern möchte ich meinen heutigen Vortrag hier
auch etwas versöhnlich abschließen, indem ich einfach
sage: Wir haben in Deutschland eine funktionierende,
eine gute Justiz . Diese sollten wir auch nicht infrage stel-
len . Deshalb ist es auch gut, dass es bei dem in 60 Jahren
bewährten Verfahren der Bundesrichterwahl verbleibt .
Wir können auf dieses System stolz sein und sollten es
allenfalls behutsam weiterentwickeln .

Allerdings sollten wir auch nicht zögern, die notwen-
digen Stellenvoraussetzungen bei den obersten Bundes-
gerichten zu schaffen und die Durchlässigkeit der Instan-
zenzüge zu gewährleisten .

Besten Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820106400

Vielen Dank, Helmut Brandt, für Ihre Rede . – Nächs-

ter Redner: Dennis Rohde für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Dennis Rohde (SPD):
Rede ID: ID1820106500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Das ist die letzte Lesung des Einzelplans 07 in
dieser Legislaturperiode . Ich möchte die Chance nutzen,
zu Beginn meinen Mitberichterstatterkollegen zu dan-
ken, nämlich Tobias Lindner, Roland Claus und natürlich
meinem Koalitionskollegen Klaus-Dieter Gröhler . Wir
waren vielleicht nicht bei jedem Thema immer von An-
fang an einer Meinung .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Ach was!)


Aber ich finde, es zählt das, was am Ende dabei heraus-
kommt, und ich glaube, dass sich das sehen lassen kann .

Wir haben in dieser Legislaturperiode die Marktwäch-
ter auf den Weg gebracht – begonnen haben wir mit dem
Marktwächter Digitale Welt und dem Finanzmarktwäch-
ter –, weil wir von einer reagierenden Verbraucherpolitik,
die erst dann aktiv werden konnte, wenn ein Skandal auf-
ploppte, wegkommen wollten – hin zu einer agierenden
Verbraucherpolitik, die der Verbraucherzentrale, aber
auch uns als Parlamentariern frühzeitig die Möglichkeit
gibt, einzugreifen .

Diese zwei Marktwächter erweitern wir heute um
einen dritten, den Marktwächter Energie . Eigentlich ist
er gar nicht neu; denn die rot-grüne Landesregierung in
Niedersachsen hat ihn parallel zu unseren beiden Markt-
wächtern schon damals auf den Weg gebracht . Ich bin
froh darüber und stolz darauf, dass wir uns als Bund jetzt
an dieser sehr guten Maßnahme beteiligen .


(Beifall bei der SPD)


Wir geben in 2017 allein für die Marktwächter
11,5 Millionen Euro aus . Das ist mehr Geld, als der
schwarz-gelbe Regierungsentwurf für 2014 für die ge-
samte Information der Verbraucherinnen und Verbrau-
cher vorgesehen hat . Allein in diesem Haushaltstitel ge-
ben wir für Verbraucherschutz mehr als das Doppelte im
Vergleich zur letzten Legislaturperiode aus. Ich finde, das
kann sich sehen lassen . Das zeigt, welchen Stellenwert
das Thema für uns hat, liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei der SPD)


Wir satteln im Vergleich zur Vorgängerregierung auch
bei anderen Posten auf . Die Verbraucherforschung wurde
gerade von Tobias Lindner kritisiert . Das Gegenteil von
dem, was er gesagt hat, ist der Fall .


(Dr . Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Soll ich es Ihnen vorrechnen?)


Wir geben fast doppelt so viel aus, als noch in der letzten
Legislaturperiode für 2014 vorgesehen war . Wir geben
deutlich mehr Geld für die Verbraucherzentrale Bundes-
verband aus . Wir schaffen allein dieses Mal 32 neue Stel-
len . Wir ermöglichen eine gigantische Aufstockung des
Stiftungskapitals bei der Stiftung Warentest – 100 Mil-
lionen Euro; die Summe ist genannt worden –, um sie
vollkommen unabhängig von staatlicher Förderung zu
machen . Wir senken – auch das muss ich richtigstellen –
natürlich nicht das Budget im Gegensatz zu 2015 bei der
Stiftung Warentest . Sie bekommt das gleiche Geld wie
im letzten Haushalt und zusätzlich die Aufstockung des
Stiftungskapitals, sodass wir auch die Stiftung Warentest
nachhaltig stärken werden .

Wir machen all das nicht nur im Verbraucherbereich,
sondern wir haben uns in den letzten drei Jahren auch
die anderen Positionen des Haushalts angesehen . Ich
erinnere daran, dass es diese Regierung war, die für ei-
nen enormen Stellenaufwuchs im Deutschen Patent- und
Markenamt gesorgt hat . Wir haben den exorbitanten Per-
sonalmangel abgebaut. Ich finde, das sollte man an dieser
Stelle noch einmal betonen .


(Beifall bei der SPD sowie der Abg . Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU])


Wir sind die Herausforderungen im Justizbereich an-
gegangen . Viele Redner haben deutlich gemacht, wo wir
stehen . Wir müssen uns mit organisiertem Terrorismus
auseinandersetzen . Wir müssen uns mit Cyberattacken
auseinandersetzen und natürlich auch mit der Rückkehr
von Kriegsverbrechern . Wir haben darauf reagiert . Wir
haben allein in dieser Legislaturperiode beim General-
bundesanwalt 33 neue Stellen geschaffen . Wir haben
beim Bundesgerichtshof 18 neue Stellen geschaffen . Ich
glaube, beide Institutionen wissen nicht, in welcher Le-

Helmut Brandt






(A) (C)



(B) (D)


gislaturperiode sie eine solche Stärkung erfahren haben .
Ich finde, auch das kann sich sehen lassen, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir gehen auch mit diesem Haushalt aktuelle He-
rausforderungen an . Eine – sie wurde schon mehrfach
genannt – ist sicherlich die Rehabilitierung der wegen
einvernehmlich homosexueller Handlungen Verurteil-
ter, derjenigen, die nach dem damaligen § 175 StGB
verurteilt wurden . Wir geben als Haushälter bereits
jetzt, obwohl es die Rechtsgrundlage noch nicht gibt,
4,5 Millionen Euro für die Individualentschädigung aus .
Wir stärken auch die Magnus-Hirschfeld-Stiftung, und
zwar genau so, wie es Kollege Petzold gerade gefor-
dert hat . Das, was er fordert, setzen wir um . Wir bringen
die Magnus-Hirschfeld-Stiftung in eine institutionelle
Förderung . Wir wissen: Wir können Unrecht nicht un-
geschehen machen, aber wir können alle daran arbei-
ten, dass sich Unrecht nicht wiederholt . Ich glaube, die
Magnus-Hirschfeld-Stiftung leistet dazu einen wichtigen
Beitrag, liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir machen andere Dinge . Wir wissen – auch das
wurde mehrfach betont – um die Herausforderungen, vor
denen unsere Demokratie steht, vor denen unser Rechts-
staat steht . Deshalb ist es richtig und wichtig, das „Forum
RECHT“ zu implementieren und dafür zu sorgen, dass
in Karlsruhe das, was wir an Rechtsgeschichte haben,
auch lebendig wird . Es ist aber zum Beispiel auch wich-
tig, den Verein „Weimarer Republik“ zu fördern . Er be-
kommt von uns ebenfalls eine stattliche Summe, um die
Fehler in der ersten deutschen Demokratie aufzuarbeiten
und um das in die Schulen zu tragen. Ich finde, das ist ein
wichtiges Merkmal, damit wir unsere eigene Geschichte
nicht vergessen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben im Haus-
halt des Bundesministeriums der Justiz und für Verbrau-
cherschutz das gemacht, was man erwarten konnte und
durfte. Ich finde, wir haben den Verbraucherschutz nach-
haltig gestärkt und sind die Herausforderungen im Justiz-
bereich angegangen . Man kann zusammenfassend sagen:
Es waren vier gute Haushalte . Das sind vier gute Jahre
für Recht und Verbraucherschutz in Deutschland .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820106600


Vielen Dank, Dennis Rohde . – Der letzte Red-
ner zu diesem Einzelplan ist Dr . Volker Ullrich, CDU/
CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Volker Ullrich (CSU):
Rede ID: ID1820106700

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Die Debatte um den Justizhaushalt ist auch
immer eine Standortbestimmung der Rechtspolitik und
guter Rechtsetzung . Wir müssen in jüngster Zeit mit gro-
ßem Unbehagen eine besorgniserregende Entwicklung
beobachten: die deutliche Zunahme von Gewalt gegen
Polizeibeamte, Rettungskräfte und Feuerwehrleute .


(Frank Tempel [DIE LINKE]: Und Flüchtlinge!)


Diejenigen, die helfen, retten und schützen, werden selbst
zur Zielscheibe von Angriffen . Es beginnt mit groben Be-
leidigungen und reicht bis hin zu schweren Körperverlet-
zungen . Allein im Jahr 2015 sind über 60 000 Angriffe
auf Polizeibeamte zu verzeichnen . Diesen Umstand kann
und wird der Rechtsstaat nicht hinnehmen . Wir brauchen
einen stärkeren gesetzlichen Schutz von Polizeibeamten
und Rettungskräften im Einsatz . Dafür machen wir uns
stark .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das ersetzt natürlich nicht die gesamtgesellschaftliche
Ursachenforschung, weshalb und aus welchen Motiven
die Hemmschwelle für Gewalt gegen Polizeibeamte und
Rettungskräfte sowie ganz allgemein in dieser Gesell-
schaft abgenommen hat . Eine solche Strafrechtsänderung
ist aber zur Selbstbehauptung des Rechtsstaats und seiner
Organe notwendig . Wir schützen die, die uns schützen .
Insofern ist ein solcher Gesetzentwurf in den nächsten
Wochen dringend notwendig .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Im Zusammenhang mit der Arbeit unserer Polizei
möchte ich auch darauf hinweisen, dass mich die jüngs-
ten Äußerungen der Integrationsbeauftragten etwas be-
fremdet haben . Es wäre schön gewesen, wenn sich Frau
Özoğuz als Integrationsbeauftragte und Staatsministerin
einfach einmal beim Verfassungsschutz und bei der Po-
lizei für besonnenes und konsequentes Vorgehen gegen
Verfassungsfeinde bedankt hätte .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, in den letzten Wochen ist
die Frage des Umgangs mit sogenannten Kinderehen in
den Mittelpunkt der rechtspolitischen Debatte gerückt .
Ich möchte eines deutlich ansprechen: Der Begriff der
Kinderehe ist eigentlich drastisch beschönigend . Wir
müssen diesen Umstand deutlich beim Namen nen-
nen: Sogenannte Kinderehen sind Formen fortgesetzten
schweren Kindesmissbrauchs .


(Beifall bei der CDU/CSU)


194 Staaten dieser Erde haben die UN-Kinderrechts-
konvention unterzeichnet . Diese gewährt allen Kindern
das Recht, unversehrt aufzuwachsen und vor Missbrauch
geschützt zu werden . Daher kann und darf es nirgendwo
auf der Welt und in keinem Kulturkreis und aus keinem
weltlichen oder religiösen Gebot heraus eine Rechtferti-
gung für sogenannte Kinderehen geben . Der Schutz der

Dennis Rohde






(A) (C)



(B) (D)


Kleinsten und Schwächsten muss absolut gelten, meine
Damen und Herren .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Kinderehen verstoßen gegen unsere Rechts- und
Werteordnung . Sie dürfen daher nicht nur irgendwie
aufhebbar sein, nicht auch noch zu einer Belastung wer-
den, einen Anwalt aufzusuchen oder das Jugendamt ein-
zuschalten, sondern sie sind, wenn es um Kinder unter
14 Jahren geht, von vornherein als nichtig zu betrach-
ten . Auch diese Regelung müssen wir zügig auf den Weg
bringen .


(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Dr . Matthias Bartke [SPD])


Wir brauchen, meine Damen und Herren, im Bereich
des Verbraucherschutzes eine gesetzliche Klarstellung
für all die Menschen, die für sich oder ihre Familie
Wohneigentum schaffen und einen Kredit benötigen .
Nach der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditricht-
linie in deutsches Recht mehren sich ernstzunehmende
Berichte, dass nach der Kreditwürdigkeitsprüfung vor
allem Familien mit Kindern oder ältere Menschen deut-
lich größere Schwierigkeiten haben, ihren Traum vom
Eigenheim zu finanzieren. Der Schutz vor finanzieller
Überforderung ist sicherlich ein wichtiges Anliegen,
gerade in Zeiten niedriger Zinsen . Auch darf die Gefahr
möglicher Blasenbildungen auf den Immobilienmärkten
nicht unterschätzt werden . Wir glauben dennoch, dass
eine selbstgenutzte Immobilie die beste Altersvorsorge
darstellt und eine hohe Eigentumsquote daher insgesamt
zur wirtschaftlichen Stabilität einer Gesellschaft beiträgt .
Daher sollten wir die Regelungen der Kreditvergabe so
überarbeiten, dass junge Familien mit Kindern oder älte-
re Menschen, die ihre Immobilie sanieren wollen, mehr
Chancen auf einen Kredit bekommen . Das sind wir dem
Immobilienmarkt schuldig .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, ein wichtiges Thema bleibt
der Umgang mit Hass und Hetze im Internet, insbesonde-
re in den sozialen Medien . Festzuhalten ist zunächst, dass
die freie Rede und die Meinungsfreiheit für das Funk-
tionieren eines liberalen und demokratischen Gemein-
wesens unverzichtbar sind . Die Gesellschaft hat dabei
auch solche Meinungen zu dulden, die wenig opportun
erscheinen, als politisch unkorrekt gelten oder gar offen
zum Widerspruch herausfordern . Die Grenze der Mei-
nungsfreiheit ist jedoch dort überschritten, wo unmittel-
bar zu Gewalt aufgerufen wird oder Menschen bedroht
und beleidigt werden .

Die Meinungsfreiheit findet ihre Grenzen im Recht
und in der Würde des Anderen . Das richtige Vorgehen
gegen Hass in den sozialen Medien kann nicht mehr al-
lein an runden Tischen oder in wohlfeilen Appellen er-
schöpfend behandelt werden . Es kann auch nicht darin
bestehen, dass private Organisationen eine Art Wäch-
terfunktion erhalten und in staatlichem Auftrag bestim-
men, welche Meinung akzeptabel ist oder nicht . Es sind
vielmehr Staatsanwaltschaften und Gerichte sowie die

Betreiber der Netzwerke selbst, die jetzt deutlich in der
Pflicht stehen.

Vonseiten der Staatsanwaltschaften und Gerichte gibt
es erfreuliche Nachrichten . Sie kümmern sich deutlich
stärker um Verurteilungen wegen Aufrufs zu Straftaten,
Volksverhetzung, Holocaustleugnung oder Beleidigung .
Das entlässt die Betreiber sozialer Medien aber nicht aus
ihrer Pflicht. Im Gegenteil: Wenn die Betreiber der Seiten
ihrer Pflicht zur Löschung nicht unmittelbar nachkom-
men, dann dulden sie irgendwie mittelbar die auf ihren
Seiten begangenen Rechtsverletzungen . Sie sind daher
in der Pflicht – das werden wir auch gesetzlich regeln –,
schneller zu löschen . Sie sollen keine Chance mehr ha-
ben, sich hinter Gerichtsständen im Ausland zu verste-
cken . Die Demokratie braucht im Interesse eines funktio-
nierenden Gemeinwesens auch hier eine klare rechtliche
Regelung . Dafür werden wir uns einsetzen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, die wichtigste Aufgabe der
Rechtspolitik ist es, das Vertrauen in den Rechtsstaat und
seine Organe zu festigen und auszubauen, auf den Wert
von Gewaltenteilung und einer unabhängigen Justiz hin-
zuweisen und damit unser liberales und demokratisches
Gemeinwesen zu stärken . Dafür stehen wir mit unseren
Überzeugungen, und dafür steht auch dieser Haushalt .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820106800

Vielen Dank, Volker Ullrich . – Ich schließe die Aus-

sprache .

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Ein-
zelplan 07 – Bundesministerium der Justiz und für Ver-
braucherschutz – in der Ausschussfassung . Wer stimmt
dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Es gibt
keine . Der Einzelplan 07 ist angenommen . Zugestimmt
haben CDU/CSU und SPD, dagegen waren Bündnis 90/
Die Grünen und die Linke .

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzel-
plan 19 – Bundesverfassungsgericht – in der Ausschuss-
fassung . Wer stimmt dafür? – Stimmt irgendjemand
dagegen? – Dann enthält sich auch niemand? – Der Ein-
zelplan 19 ist bei Zustimmung aller Fraktionen einstim-
mig angenommen .

Ich rufe Tagesordnungspunkt I .6 auf:

a) Einzelplan 06
Bundesministerium des Innern

Drucksachen 18/9806, 18/9824

b) Einzelplan 21
Bundesbeauftragte für den Datenschutz und
Informationsfreiheit

Drucksachen 18/9824, 18/9825

Berichterstatter zum Einzelplan 06 sind die Abgeord-
neten Dr . Reinhard Brandl, Martin Gerster, Roland Claus
und Kollegin Anja Hajduk .

Dr. Volker Ullrich






(A) (C)



(B) (D)


Berichterstatter zum Einzelplan 21 sind die Abgeord-
neten Martin Gerster, Carsten Körber, Roland Claus und
Anja Hajduk .

Zum Einzelplan 06 liegt ein Entschließungsantrag und
zu Einzelplan 21 liegen zwei Entschließungsanträge der
Fraktion Die Linke vor, über die wir am Freitag nach der
Schlussabstimmung abstimmen werden .

Nach interfraktioneller Vereinbarung sind für die Aus-
sprache 96 Minuten vorgesehen . – Ich höre keinen Wi-
derspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Das Wort als erster Red-
ner hat Roland Claus für die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820106900

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Die höchsten Zugewinne im Verlauf der Haus-
haltsberatungen dieses Jahres teilen sich Frau von der
Leyen und Herr de Maizière; das sind wirklich „adelige“
Zugewinne .


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Das hat ja auch Gründe!)


Ich bin mir sicher, dass nach mir der Kollege Reinhard
Brandl das in aller Ausführlichkeit darstellen wird .


(Dr . Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Ja! – Michaela Noll [CDU/CSU]: Und erklären!)


Wir nehmen wahr: Die Union setzt im Bundestags-
wahlkampf offenbar voll auf Sicherheitspolitik .


(Beifall bei der CDU/CSU – Michaela Noll [CDU/CSU]: Ist ja nicht verkehrt, oder?)


Das ist zunächst ja auch Ihr gutes Recht . Wir müssen Sie
nur darauf hinweisen: Der Bundeshaushalt ist nicht die
Wahlkampfkasse der Union . Das muss man hier einmal
deutlich sagen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Um auch das klarzustellen: Auch für die Linke ist öf-
fentliche Sicherheit in Zeiten wachsender Bedrohungen
ein hohes und schützenswertes Gut . Deshalb haben wir
im Haushaltsausschuss einer riesengroßen Zahl einzelner
Anträge zugestimmt . Der Unterschied ist: Wir setzen auf
die Stärkung der staatlichen und der zivilgesellschaftli-
chen Strukturen, und Sie setzen auf die Einschränkung
von Freiheitsrechten und auf staatlichen Druck .


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Michaela Noll [CDU/CSU]: Kompletter Unsinn!)


Insofern sind wir der Auffassung, dass Sie wirklich nichts
gelernt haben nach 9/11, aus dem 11 . September 2001
und der Zeit danach . Krieg als Mittel der Außenpolitik
und Freiheitsbeschränkungen als Mittel der Innenpoli-
tik sind ein Weiter-so in einer geopolitischen Sackgasse .
Lassen Sie sich das gesagt sein .


(Beifall bei der LINKEN)


Viel Geld und viel mehr Stellen für neues Personal
sind im Einzelplan des Bundesinnenministeriums vorge-
sehen . Aber auch sehr viel mehr Geld für eine falsche
Sicherheitspolitik ist keine Lösung . Wir hätten uns ge-
wünscht – ich habe das bereits im Zusammenhang mit
dem Etat des Justizministeriums angesprochen –, dass
dieses gigantische Sicherheitspaket, das in den Haus-
haltsberatungen ja noch einmal aufgestockt wurde, eine
Entsprechung gefunden hätte in einem Rechtssicherheits-
paket, das wir im Etat des Justizministeriums hätten ver-
ankern können . Leider Fehlanzeige!

Inmitten der Haushaltsberatungen gab es ein bedeu-
tendes Ereignis, über das wir auch gesprochen haben .
Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik wurde
in Magdeburg eine Einrichtung der Bundespolizei von
Neonazis überfallen, um einen inhaftierten Kumpanen ir-
gendwie herauszuholen . Darüber haben wir diskutiert . Es
gab entsprechende Meldungen . Bis heute kenne ich aber
weder Ermittlungsergebnisse noch Urteile. Hier sind, fin-
de ich, Polizei und Justiz wirklich erheblich gefordert .
Ich wünschte mir, hierzu bald Erkenntnisse und Ergeb-
nisse zu sehen .


(Beifall bei der LINKEN)


Natürlich entstehen durch den enorm aufgewachsenen
Sicherheitsapparat auf der Bundesebene auch Probleme,
da er nur schwer mit den Konzepten bei den Ländern zu-
sammenpasst . In der Innenministerkonferenz hat es of-
fenbar wenig bis keine Abstimmung dazu gegeben . Wir
freuen uns natürlich über jede Höherbewertung von Stel-
len in der Bundespolizei; aber wir wissen auch, dass da-
durch eine Konkurrenz um Bewerber entsteht, bei der die
Länder nicht werden mithalten können . Auch das müssen
wir hier ansprechen .

Beim Bundeskriminalamt erleben wir gar einen Auf-
wuchs um 25 Prozent . Da ist einiges Sinnvolles dabei,
was unsere Zustimmung gefunden hat . Sie setzen aber
stark auf die sogenannte TKÜ, die Telekommunikations-
überwachung, zu Deutsch: auf Abhören. Das findet unse-
re Zustimmung natürlich nicht .

Wenig Fürsorge wurde gezeigt für die zivilen Sicher-
heitsbehörden, für das Technische Hilfswerk und das
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophen-
hilfe . Hier musste der Haushaltsausschuss korrigierend
eingreifen; das hat er dann auch getan .

Viel mehr Geld wird für den Verfassungsschutz und
andere Geheimdienste vorgesehen . Als hätten Sie die
Rolle des Verfassungsschutzes beim Agieren des Nati-
onalsozialistischen Untergrundes schon vergessen und
als hätten Sie vergessen, welches Maß an Versagen beim
Verfassungsschutz, auch bei der Aufklärung der Untaten
des NSU, zu verzeichnen war – es sei denn, das Versagen
war Ihr Plan .


(Dr . Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Böse, böse!)


Herr Bundesminister, Sie sollen ja auch Integrations-
minister sein . Als ich die Schlagzeile las, dass auf dem
Mittelmeer aufgegriffene Flüchtlinge nach Afrika zu-
rückgebracht werden sollen, und nicht gleich die Quel-
le entdeckt habe, dachte ich zunächst: „Was hat sich der

Vizepräsidentin Claudia Roth






(A) (C)



(B) (D)


Trump in Amerika da wieder ausgedacht?“, um dann
feststellen zu müssen: Es war der Bundesinnenminister .
Ich finde das wirklich zynisch und beschämend.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Meine Damen und Herren, wir behandeln zum ersten
Mal den Haushalt der Bundesbeauftragten für den Daten-
schutz und die Informationsfreiheit . Die Linke wird die-
sem Etat zustimmen . Wir wollen der Bundesbeauftragten
auch dadurch hilfreich zur Seite stehen, dass wir einen
Antrag einbringen, den Dienstsitz doch nicht in Bonn,
sondern hier in Berlin, wo in der Bundespolitik die Mu-
sik spielt, einzurichten . Wir wissen, dass es gesetzlich so
geregelt ist . Aber es ist ja unser Job, unser ureigener Job,
schlechte Gesetze dort, wo sie schlecht sind, nachzubes-
sern .


(Beifall bei der LINKEN)


Die Linke steht für mehr und bessere öffentliche Si-
cherheit . Mit diesem Haushalt bekommt das Bundesin-
nenministerium viel mehr Geld und Deutschland we-
niger zukunftsfähige öffentliche Sicherheit . Das ist ein
Haushalt von gestern . Ein Haushalt im Sinne moderner
Sicherheitspolitik sieht anders aus .


(Beifall bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820107000

Vielen Dank, Roland Claus . – Der nächste Redner:

Dr . Reinhard Brandl für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Reinhard Brandl (CSU):
Rede ID: ID1820107100

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Den ersten Innenhaushalt, den wir in dieser
Legislaturperiode hier beraten haben – das war 2014 –,
hatte ein Volumen von 5,9 Milliarden Euro . Wir beraten
heute den letzten Haushalt für diese Legislaturperiode .
Er hat ein Volumen von 8,9 Milliarden Euro . Das ist eine
Steigerung um über 50 Prozent in vier Jahren .


(Frank Tempel [DIE LINKE]: Ist das etwas Gutes oder etwas Schlechtes?)


Diese Steigerung war aufgrund der veränderten Si-
cherheits- und Migrationslage notwendig . Diese Stei-
gerung war aber nur möglich, weil diese Koalition ent-
schlossen war, auf die Herausforderungen zu reagieren
und massiv in den Ausbau der inneren Sicherheit und
in Integrationsmaßnahmen zu investieren . Aber diese
Steigerung war auch nur möglich, weil an zwei entschei-
denden Stellen zwei Männer der Union sitzen, denen
die innere Sicherheit ein Herzensanliegen ist: erstens im
Innenministerium Thomas de Maizière und zweitens im
Finanzministerium Wolfgang Schäuble .


(Beifall bei der CDU/CSU – Burkhard Lischka [SPD]: Bei uns gibt es auch noch welche! – Gegenruf des Abg . Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr existiert gar nicht!)


Insbesondere die Bundespolizei wird sich noch Jahr-
zehnte an die de-Maizière/Schäuble-Pakete zurückerin-
nern . Sie wird sich an die fünf Jahre zurückerinnern, in
denen sie um 20 Prozent aufgewachsen ist .


(Burkhard Lischka [SPD]: Ja, auf SPDDruck! – Gegenruf des Abg . Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat euch schon aufgegeben!)


Die Schaffung eines Teils dieser insgesamt 7 500 Stellen,
nämlich von genau 1 970 Stellen, beschließen wir heute
mit diesem Haushalt . Auf diesen Stellen werden in den
kommenden Monaten junge Polizistinnen und Polizisten
eingestellt . Sie werden drei Jahre ausgebildet und sind
dann 35 Jahre, 40 Jahre oder vielleicht sogar noch länger
im Dienst . An diesem Punkt sieht man, um was es uns
geht . Es geht uns nämlich nicht um einen kurzfristigen
Effekt mit Blick auf nächstes Jahr, sondern wir als CDU/
CSU sind davon überzeugt, dass wir in dieser unsicherer
werdenden Welt langfristig mehr in die Sicherheit unse-
rer Bürgerinnen und Bürger investieren müssen . Das tun
wir heute mit den Beschlüssen zu diesem Haushalt .

Dass es einen Unterschied macht, wer in Deutschland
regiert, sieht man vor allem an dem, was wir nicht be-
schlossen haben, was aber auch zur Abstimmung vorlag .
Ich habe deswegen zwei Anträge der Opposition zum
Bundesamt für Verfassungsschutz dabei . Der Antrag der
AG Haushalt der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom
20 . September 2016 sieht vor: minus 64 Millionen Euro;
das bedeutet die Rücknahme des Mittelaufwuchses . Der
Antrag der AG Haushalt der Fraktion Die Linke, eben-
falls vom 20 . September 2016, sieht vor: minus 119 Mil-
lionen Euro .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Beides gute Anträge!)


Damit soll der Rückbau des Bundesamtes eingeleitet
werden .

Meine Damen und Herren, weil wir regieren, steht an
dieser Stelle kein Minus, sondern ein Plus: ein Plus von
88 Millionen Euro . Ich kann Ihnen auch sagen, warum:
weil wir in dieser Zeit – wir haben ja in der Vergangen-
heit die Entwicklung des islamistischen Terrorismus ge-
sehen; sie wird aber auch, das ist absehbar, in der Zukunft
weitergehen – mehr in die Kapazitäten des Verfassungs-
schutzes investieren müssen . Wir dürfen also diese Ka-
pazitäten nicht zurückbauen. Denn ohne die fleißige
Arbeit und das Gespür der Mitarbeiter des Bundesam-
tes für Verfassungsschutz wäre es zum Beispiel Anfang
Oktober nicht gelungen, den Chemnitzer Bombenbauer
Jaber Albakr zu identifizieren. Wenn er nicht identifiziert
worden wäre und der Anschlag hier in Berlin tatsächlich
stattgefunden hätte, dann hätten wir heute eine ganz an-
dere Diskussion . Eine politische Diskussion danach hätte
aber den Anschlag nicht verhindert . Deswegen investie-
ren wir schon vorher – das machen wir nicht nur heute,
sondern schon die ganze Legislaturperiode über – strate-
gisch in die Aufrüstung, in die Stärkung unserer Sicher-
heitsbehörden .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Roland Claus






(A) (C)



(B) (D)


Das ist Politik der CDU/CSU mit ihren beiden Ministern .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir nehmen mit diesem Haushalt aber auch die He-
rausforderungen an, die uns im Zusammenhang mit der
großen Anzahl an Flüchtlingen gestellt worden sind . Al-
lein für den Bereich der Integrationskurse stehen in die-
sem Haushalt 610 Millionen Euro bereit . Wir erhöhen die
Mittel für die Migrationsberatung, und wir stellen jetzt
neu 40 Millionen Euro für Erstorientierungsangebote für
Asylbewerber mit unklarer Bleibeperspektive bereit .

Meine Damen und Herren, wir stellen aber auch
40 Millionen Euro für ein Anreizprogramm zur freiwil-
ligen Ausreise bereit . Wenn ein Asylbewerber erkennt,
dass er hier in Deutschland keine langfristige Bleibe-
perspektive hat, wollen wir ihm mit diesen Mitteln den
Neustart in seiner Heimat erleichtern . Unterschätzen
Sie den dadurch bewirkten Effekt nicht . Wir haben in
Deutschland in den ersten neun Monaten dieses Jahres
etwa 20 000 Abschiebungen gesehen . Es gab aber auch
50 000 freiwillige Ausreisen . An diesem Punkt setzen wir
an und erhöhen den Anreiz .

Meine Damen und Herren, wir haben im vergangenen
Jahr aber auch gesehen, wie stark das Ehrenamt in un-
serer Gesellschaft zum Tragen kommt, wenn der Staat
an seine Grenzen kommt . Davor können wir nur den
Hut ziehen . Es gibt im Bund eine große Ehrenamtsorga-
nisation, die dabei – aber auch bei vielen anderen Ein-
sätzen – eine hervorragende Rolle gespielt hat, nämlich
das Technische Hilfswerk . Wir haben uns deshalb be-
wusst entschlossen – nicht nur, aber auch in Bezug auf
die Erfahrungen des letzten Jahres –, in unseren Haus-
haltsberatungen einen Schwerpunkt beim Technischen
Hilfswerk zu setzen . Wir investieren, lieber Präsident
Stephan Mayer, in ein Fahrzeugprogramm des Techni-
schen Hilfswerks . Wir stellen 100 Millionen Euro für
die Erneuerung des überalterten Fahrzeugbestandes des
THWs zur Verfügung . Und wir starten eine Werbekam-
pagne zur Gewinnung von ehrenamtlichem Nachwuchs
für das THW . Des Weiteren gibt es einen Aufwuchs von
150 hauptamtlichen Stellen, um die Ehrenamtlichen ge-
zielt von Verwaltungsaufgaben zu entlasten .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Wir danken!)


Von diesem Haushalt soll ein Signal ausgehen, dass wir
das THW nicht nur mit warmen Worten und bei Weih-
nachtsfeiern preisen, sondern dass wir dessen Arbeit ganz
konkret auch im Rahmen des Haushalts mit unterstützen .

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, in den letzten
Jahren haben wir, was diesen Haushalt angeht, sehr viel
erreicht . Ich könnte jetzt, ehrlich gesagt, noch eine ganze
Stunde darüber sprechen .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Besser nicht!)


Aber ich verstehe, dass es zu den Regeln dieses Hauses
gehört, auch andere zu Wort kommen zu lassen . Deswe-
gen möchte ich am Ende nur noch einen einzigen Punkt
ansprechen . Dieser Haushalt ist ein Gemeinschaftswerk .

Die Rolle der beiden Minister habe ich bereits erwähnt .
Hinter diesem Haushalt steht auch hier im Bundestag ein
Team . Ganz wichtig in ihm ist Martin Gerstner, mein
Koalitionspartner von der SPD . Vielen Dank für deine
Unterstützung .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich möchte mich aber auch ganz herzlich bei der Opposi-
tion – namentlich bei Anja Hajduk von den Grünen und
Roland Claus von der Linken – bedanken . Wir haben
zwar nicht allem zugestimmt, was ihr uns vorgelegt habt,
aber wir hatten in den vergangenen vier Jahren eine sehr
vertrauensvolle und an der Sache orientierte Zusammen-
arbeit . Dafür möchte ich mich ganz persönlich bei euch
bedanken .

Noch habt ihr die Chance, dem Haushalt zuzustimmen .
Überlegt es euch!

Herzlichen Dank für eure Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Roland Claus [DIE LINKE]: Ihr könnt unseren Anträgen auch zustimmen! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Du glaubst auch an den Weihnachtsmann, oder?)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820107200

Das Wort hat die Kollegin Luise Amtsberg für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .


Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820107300

Vielen Dank . – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Seit drei Legislaturperioden verantwortet
die Union nun die Innenpolitik im Bund .


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Gut für die Sicherheit in unserem Land! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Super!)


– Das ist nicht super . – Für uns ist das kein Grund zur
Freude; denn das Ergebnis ist alles andere als gut – vor
allen Dingen für die Bürgerrechte in unserem Land .


(Beifall des Abg . Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Ich wollte das noch mit Beispielen unterfüttern . – Mas-
senüberwachung, Benachteiligung von Geflüchteten und
Minderheiten, Versagen des Verfassungsschutzes und be-
ständig neue Planspiele für den Einsatz der Bundeswehr
im Inneren sind hier zu nennen .

Wir Grüne habe das auch in dieser Legislaturperiode
in zahlreichen Debatten herausgearbeitet . Die meisten
Vorschläge der Großen Koalition sind wenig bis gar nicht
dafür geeignet, tatsächlich mehr Sicherheit im Land her-
zustellen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Ulla Jelpke [DIE LINKE])


Das überrascht auch gar nicht so doll; denn wenn man
sich Ihre Innenpolitik ansieht, wird schnell klar, was das
Kalkül dahinter ist: Man möchte sich abgrenzen und
nicht viel Spielraum nach rechts lassen . Das verstehe ich

Dr. Reinhard Brandl






(A) (C)



(B) (D)


auch, aber ich bin eher eine Freundin davon, dem mit
politischer Haltung zu entgegnen und nicht mehr Mei-
nungen aus diesem Bereich hier im Parlament Gehör
zu verschaffen . Deshalb glaube ich, dass dieses Kalkül,
diese Rechnung, nicht aufgehen wird, sondern dass man
damit eher Vorurteile bestärkt . Am Ende schafft man im
Prinzip einen neuen Weg dafür, Sicherheitslücken in un-
serem Land entstehen zu lassen . Deshalb glaube ich, dass
wir hier einen ganz anderen Kurs steuern müssen .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn eine ohnehin
fragwürdige Symbolpolitik in einen konkreten Abbau
von Bürgerrechten und Grundrechten mündet, dann ist
für uns Grüne die Grenze des Zumutbaren erreicht; denn
den Preis für eine solche Politik zahlen wir alle mit dem
Verlust mühsam erstrittener Bürgerrechte: die Bürgerin-
nen und Bürger in diesem Land, wir als Abgeordnete,
aber auch unser politisches System . Das wollen und kön-
nen wir hier so nicht stehen lassen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir sind mit dieser Meinung auch nicht alleine . Auch
Karlsruhe hat Ihnen das mehrfach ins Stammbuch schrei-
ben müssen – zuletzt in Bezug auf das BKA-Gesetz .

Der Abbau der Grund- und Bürgerrechte wird aber
am deutlichsten, wenn man sich den Bundesnachrichten-
dienst anschaut . Schon seit über einem Jahrzehnt arbei-
tet er eigentlich fast schon spektakulär am Grundgesetz
vorbei . Für die absolut gängige Massenüberwachung,
die der BND betreibt, hat er von Ihnen, liebe Kollegin-
nen und Kollegen der Großen Koalition, keinen Tadel
bekommen, sondern sie wurde anschließend legitimiert
und legalisiert . Belohnung statt Tadel: Ich glaube, damit
haben Sie sehr deutlich die Chance verpasst, unsere Ge-
heimdienste auf einer klaren und an den Bürgerrechten
orientierten Grundlage arbeiten zu lassen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Ulla Jelpke [DIE LINKE] – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und an Recht und Gesetz!)


Ähnlich bedrückend ist die Lage beim Verfas-
sungsschutz . Auch hier haben Sie trotz kritischer Aus-
schussberichte über das Versagen der Behörde bei der
NSU-Mordserie an vielen Stellen mit einem Ausbau der
Geheimdienstbehörde geantwortet, obwohl uns noch im-
mer täglich Hiobsbotschaften, wie verschwundene Akten
und Telefone sowie Zeugen, die nicht erscheinen, errei-
chen . Das ist nicht nur im Interesse der Aufklärung und
vor allen Dingen für die Opfer bedauerlich, sondern das
ist auch eine ausgemachte Respektlosigkeit gegenüber
dem Parlament, und die sollte uns alle hier besorgen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Vielleicht ganz grundlegend, weil das auch immer wie-
der debattiert wird: Wir finden es wirklich einen Jammer,
dass wir so viele sachbezogene Debatten, die wir hier
im Bundestag führen, nach Karlsruhe verlagern müssen,
weil dieser Weg nach Karlsruhe von Ihnen anscheinend
schon mit eingerechnet und nicht von Anfang an der Ver-
such unternommen wird, eine wirklich verfassungsfeste
Rechtsgrundlage, ein verfassungsfestes Gesetz, zu schaf-

fen, sodass dieser Schritt nicht notwendig ist . Das sollte
aber eigentlich unser Anspruch hier im Parlament sein .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir reden hier über die Innenpolitik . Dabei muss man
natürlich auch – es wundert mich, dass das außer von
meinen Kollegen der Linken noch nicht angesprochen
wurde – die weiterhin wirklich erschreckend hohe Zahl
an Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte nennen . Das
BKA zählt bis jetzt rund 850 Angriffe . Eine wirksame
Strategie gegen die Angriffe durch Neonazis und andere
extrem rechte Gruppen hat die Bundesregierung bisher
nicht .

Man muss es wirklich noch einmal ausdrücklich sa-
gen: Wer will, dass sich die Menschen, die vor Krieg und
Terror nach Deutschland fliehen, in unserem Land gut in-
tegrieren können, der darf nicht zulassen, dass sie auch
hier einer erneuten Bedrohung ausgesetzt sind und erneut
Angst um ihre Gesundheit und ihr Leben haben müssen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Im vergangenen Jahr sind viele Menschen zu uns ge-
kommen, die bei uns Schutz vor Krieg und Terror ge-
sucht haben . Sie willkommen zu heißen und ihnen die
Möglichkeit zu geben, hier eine Existenz aufzubauen,
muss unser oberster Anspruch und unser Interesse sein .
In Zeiten allgemeiner Verunsicherung geht es auch da-
rum, wieder Hoffnung und Mut zu machen . Mit einem
Blick zurück auf das vergangene Jahr ist erst einmal
denjenigen Anerkennung zu zollen, die sich mit großem
Engagement für geflüchtete Menschen in unserem Land
eingesetzt haben und die Erstversorgung da gewährleistet
haben, wo der Staat dazu nicht in der Lage war . Das gilt
im Übrigen auch für viele Geflüchtete selbst.

Die Rahmenbedingungen für dieses Engagement sind
anhaltend schwierig, wodurch die Integrationsbemühun-
gen an vielen Stellen konterkariert werden . Das beste,
aber auch traurigste Beispiel ist die Beschränkung des
Familiennachzugs . Wir glauben, dass ein Mensch erst
dann richtig ankommen kann, wenn er eben nicht in stän-
diger Sorge um seine Familie sein muss . Aber auch hier
haben Sie, wie wir finden, die völlig falschen Antworten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wenn es um Flüchtlinge geht, stolpert die Große Ko-
alition zerstritten hin und her und verbaut ganz bewusst
die Chancen vieler Menschen in diesem Land . Indem sie
Flüchtlinge in zwei Klassen einteilt, die mit guter und die
mit schlechter Bleibeperspektive, wird ein ganzer Teil
von Menschen von Integrationsmaßnahmen von Tag eins
an ausgeschlossen; denn eine schlechte Bleibeperspekti-
ve heißt für diese Bundesregierung, dass diejenigen, die
aus einem Land kommen, in dem die Schutzquote unter
50 Prozent liegt, keinen Zugang zu Integrationsleistun-
gen haben . Das bedeutet zum Beispiel für afghanische
Flüchtlinge, dass die alleinige Zugehörigkeit zu einer
Gruppe, losgelöst vom eigenen Fluchtschicksal, dazu
führt, dass man keinen Sprachkurs machen kann, obwohl
sie absehbar viele Jahre in Deutschland leben werden .

Luise Amtsberg






(A) (C)



(B) (D)


So macht man keine Integrationspolitik . So verbaut man
Chancen . Auch das wollen wir ausdrücklich ändern .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Ulla Jelpke [DIE LINKE])


Der Bund hat die Mittel für die Integrationskurse zwar
erhöht, aber sie reichen nach wie vor nicht aus . Das ist
absehbar . Wir als Fraktion fordern daher eine Aufsto-
ckung auf insgesamt 750 Millionen Euro, weil es doch
unser Anspruch sein muss, die Nachfrage zu decken . Das
ist bisher nicht gelungen .

Auch die Beratungsstellen, die exzellente Arbeit leis-
ten, sind seit Jahren chronisch unterfinanziert. Hier muss
man deutlich betonen, dass selbst die Bundesregierung
davon ausgeht, dass es im nächsten Jahr eine Erhöhung
des Beratungsbedarfs geben wird . Trotzdem verweigert
sie sich der Forderung, die Beratungsstellen mit Haus-
haltsmitteln von 62 Millionen Euro – diese bräuchte es
nämlich – zu flankieren.

Es reicht nicht, finde ich, über Probleme der Integra-
tion zu philosophieren, wenn zum Beispiel die Finanzie-
rung von Integrationskursen für Frauen, die aus anderen
Kulturkreisen kommen und die von den konventionellen
Integrationsangeboten gar nicht erreicht werden, in ih-
rem Haushalt überhaupt nicht mitgedacht wird . Genau da
sind die Stellen, wo wir künftige Integration und Zusam-
menleben in Deutschland gestalten können . Da sind Sie
völlig ideenlos . Dasselbe gilt auch für die Psychosozia-
len Zentren . Hier braucht es deutlich mehr als Lippenbe-
kenntnisse . Vor allem braucht es die Finanzierung der bis
jetzt schon bestehenden Angebote, sodass sie ausgebaut
werden und die Menschen dort vernünftig arbeiten kön-
nen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Auch hier gilt: Natürlich könnten wir Ihrem Haushalt
zustimmen . Sie könnten aber auch unseren Änderungs-
anträgen zustimmen . Dann würde uns die Zustimmung
zu Ihrem Haushalt leichter fallen . Ich glaube, wir stel-
len hier keine absurden Forderungen, sondern mit Blick
auf die Integration und die immensen Herausforderun-
gen, die wir in den nächsten Jahren zu leisten haben, sind
sie genau der richtige Weg . Also öffnen Sie sich in diese
Richtung .

Herzlichen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820107400

Das Wort hat der Kollege Martin Gerster für die

SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Martin Gerster (SPD):
Rede ID: ID1820107500

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Es soll noch immer Leute geben, die Haushaltspolitik
und Haushaltsverhandlungen als reine Zahlenhuberei
abtun . Ja, Geld ist nicht alles . Aber ohne Geld ist vieles
eben nichts . Das gilt vor allem, wenn es um die Frage

geht, wie wir Probleme und Krisen beheben können und
die Dinge, die in unserer Gesellschaft gut sind, ausbauen
können .

Deswegen ist es zunächst einmal eine sehr gute Nach-
richt, dass wir es wieder einmal und erneut geschafft
haben, die Mittel im Einzelplan 06, dem Haushalt des
Bundesinnenministeriums, anzuheben, von knapp 8 Mil-
liarden Euro auf jetzt knapp 9 Milliarden Euro . Das wird
in diesem Land einiges verändern und verbessern . Ich
möchte gerne meine Redezeit dafür verwenden, um da-
rüber zu diskutieren .

Ich will mit der Situation der vielen Ehrenamtlichen
beginnen, die sich tagein, tagaus engagieren, ohne zu fra-
gen, welche Vorteile es für sie selbst bringt . Letztendlich
geht es hier um die Antiegoistinnen und Antiegoisten in
unserer Gesellschaft, vor allem bei unseren Rettungs-
kräften und bei unseren Hilfsorganisationen . Ich will hier
beispielhaft das THW herausstellen. Ich finde es unglaub-
lich, wie sich die Menschen einbringen . Sie sind immer
da, wenn jemand Hilfe braucht: selbstlos, kompetent und
zuverlässig . Dafür will ich Danke sagen . Ich glaube, das
sind wahre Vorbilder in unserer Gesellschaft und sozialer
Kitt, den wir gerade in diesen Zeiten brauchen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg . Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Aber ich meine – ich denke, darin sind wir uns in die-
sem Haus einig –: Engagement braucht gute Rahmenbe-
dingungen . Hier lag einiges im Argen . Der Fuhrpark des
Technischen Hilfswerks gleicht hier und da einer Old-
timersammlung . Wir haben jetzt als SPD und als Gro-
ße Koalition in der Bereinigungssitzung des Haushalts-
ausschusses ein XXL-Fahrzeugprogramm beschlossen .
100 Millionen Euro stehen in den nächsten Jahren zu-
sätzlich bereit, um neue Einsatzfahrzeuge für das THW
zu beschaffen . Das bedeutet eine Verdopplung der Zahl
neuer Fahrzeuge in den kommenden Jahren .

Weiter haben wir 150 zusätzliche Stellen beim THW
zur Unterstützung der Arbeit der Ortsverbände auf den
Weg gebracht, nachdem wir im vergangenen Jahr bereits
208 zusätzliche Stellen geschaffen haben . 3 Millionen
Euro setzen wir für eine Kampagne zur Gewinnung wei-
terer Helferinnen und Helfer und von Nachwuchs ein . Ich
finde, wir dürfen an dieser Stelle das Ehrenamt nicht hän-
gen lassen, sondern wir müssen es durch mehr Kräfte im
Hauptamt unterstützen, damit es auch in einigen Jahren
noch genügend Leute gibt, die bereit sind, sich ehrenamt-
lich in unserer Gesellschaft einzubringen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir bringen auch denjenigen Wertschätzung entge-
gen, die sich hauptamtlich einbringen . Wir haben über
160 zusätzliche Stellenhebungen durchgesetzt . Ich erin-
nere noch einmal an die Beschlüsse in den letzten Jahren,
die wir – darauf lege ich Wert – im parlamentarischen
Verfahren als Koalition bzw . als Abgeordnete gefasst ha-
ben .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Luise Amtsberg






(A) (C)



(B) (D)


Wir haben die Anhebung der Selbstbewirtschaftungs-
mittel um jährlich 8 Millionen Euro auf den Weg ge-
bracht . Wir haben ein Liegenschaftsprogramm aufgelegt,
damit marode Unterkünfte durch Neubauten ersetzt oder
saniert werden . All das ist, glaube ich, ein gutes Signal
in unser Ehrenamt hinein . Ich freue mich, dass wir das
THW so aufstocken konnten, wie es das verdient .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Bundespoli-
zei und bei den Sicherheitskräften insgesamt gilt dassel-
be: viel zu wenig Personal, viel zu wenig Material . Das
war die Klage und die Bestandsaufnahme, als die letzte
Legislaturperiode zu Ende ging und wir in die Koaliti-
onsverhandlungen gingen . Ich glaube, dass wir als SPD
und als Große Koalition insgesamt ganz Wichtiges auf
den Weg gebracht haben .

Allein bei der Bundespolizei haben wir über 7 000 zu-
sätzliche Stellen auf den Weg gebracht: knapp 3 500 Stel-
len in dieser Legislaturperiode und über 3 500 zusätzliche
Stellen bis 2020 . Das ist die größte Personalaufstockung
aller Zeiten bei der Bundespolizei . Ich denke, das muss
man den Leuten auch einmal sagen; denn es ist aller Eh-
ren wert, was wir hier tun . Deswegen ist es gut, dass die
SPD mitregiert . Denn in der letzten Legislaturperiode
gab es noch einen Abbau von 1 000 Stellen . Ich glaube,
wir arbeiten gut zusammen, auch zum Wohle derer bei
unserer Bundespolizei und bei den Sicherheitskräften,
die sich so engagieren und reinhängen, damit wir in Si-
cherheit und Freiheit leben können .


(Beifall bei der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sieht der Kollege Kindler aber anders!)


Wir haben 2015 1 500 Hebungen im mittleren Dienst
und 2016 – auch im parlamentarischen Verfahren – wei-
tere 1 000 Hebungen im einfachen Dienst im Tarifbereich
bereits durchgesetzt . Hier mangelt es – so hört man hier
und da – noch an der Umsetzung . Deswegen, sehr geehr-
ter Herr Minister de Maizière, möchte ich neben meinem
Dank an Sie und Ihr Haus für die gute Zusammenarbeit
auch eine Bitte äußern: Dort, wo Höhergruppierungen
noch an mangelnden Voraussetzungen scheitern, müssen
Qualifizierungen angeboten werden, damit die Beschäf-
tigten der Bundespolizei auch die Chance haben, von un-
seren Stellenhebungen zu profitieren. Ich denke, das ist
eine wichtige Bitte; hier muss man noch verstärkt etwas
tun .

In der Bereinigungssitzung der vorletzten Woche
haben wir als SPD bzw . als Große Koalition weitere
1 000 Hebungen durchgesetzt: 200 im mittleren Dienst
und 800 vom mittleren in den gehobenen Dienst . Das
schafft durch den sogenannten Kamineffekt Beförde-
rungsmöglichkeiten für 2 400 Bundespolizistinnen und
-polizisten . Das kommt vor allem denjenigen Polizeibe-
amtinnen und -beamten zugute, die unter schwierigs-
ten Bedingungen die operative Polizeiarbeit bewältigen
müssen. Das ist, wie ich finde, eine große Leistung, die
wir Abgeordnete im Haushaltsausschuss für unsere Bun-
despolizei erbracht haben . Angesichts dessen und des
Liegenschaftsprogramms, mit dem wir erreichen, dass

zahlreiche Standorte der Bundespolizei saniert bzw .
dass neue Liegenschaften begründet werden, ist das die
erfolgreichste Legislaturperiode für die Bundespolizei .
Das muss an dieser Stelle auch einmal gesagt werden .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Auch bei der Ausstattung haben wir auf parlamentari-
scher Ebene nachgelegt, und zwar mit neuen Hubschrau-
bern und Schiffen sowie vielem anderen mehr, was letzt-
lich unsere Bundespolizei in die Lage versetzt, besser zu
agieren .

Beim Bundeskriminalamt haben wir ebenfalls nach-
gelegt . Zusätzlich zu den im Regierungsentwurf vorgese-
henen 290 Stellen kommen 530 Stellen . Auch das Bun-
desamt für Verfassungsschutz haben wir – wie ich finde:
zu Recht – mit mehr als ursprünglich im Regierungsent-
wurf vorgesehenen Stellen gestärkt; denn wir meinen,
dass Anhänger eines sogenannten Islamischen Staats, ei-
ner Scharia-Polizei oder der Salafistenvereinigung „Die
wahre Religion“ in unserer Gesellschaft genauso wenig
Platz haben wie „Reichsbürger“, der sogenannte Natio-
nalsozialistische Untergrund oder vermeintlich besorgte
Bürger, die Flüchtlingsunterkünfte anzünden . Wir setzen
ein klares Signal dagegen; und das ist auch gut so und
notwendig .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Im Bereich der Asyl- und Flüchtlingspolitik haben wir
in dieser Legislaturperiode viel getan und werden das
auch im Rahmen des nun zu beschließenden Haushalts
weiterhin tun . Wir haben in den letzten Jahren das Bun-
desamt für Migration und Flüchtlinge personell deutlich
gestärkt . Viele Anträge auf Asyl können nun zügiger ab-
gearbeitet werden . Der Antragsstau wird geringer . Unsere
Maßnahmen haben Erfolg . Das bedeutet aber auch, dass
sich nun der Schwerpunkt verlagert . Wir haben die Mit-
tel für die Integrationskurse von ursprünglich knapp über
200 Millionen auf nun über 600 Millionen Euro verdrei-
facht . Wir stellen zudem viel Geld für Orientierungskurse
für Asylsuchende mit weniger guten Bleibeperspektiven
zur Verfügung . Das sind gute Entscheidungen . Ich will
ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir die Situation der
Lehrkräfte und der Träger der Integrationskurse verbes-
sert haben . Auch das gehört zum Gesamtpaket dazu und
sollte nicht verschwiegen werden .


(Beifall bei der SPD)


Ich freue mich, dass es wieder gelungen ist, die Mittel
für die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer,
MBE, noch einmal um 5 Millionen Euro aufzustocken,
nachdem wir im Jahr zuvor bereits 10,5 Millionen Euro
drauflegen konnten. Das ist sehr gut investiertes Geld,
weil es die Lebensperspektive Einzelner verbessern kann,


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das reicht nicht!)


weil es gut für unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft
ist und weil es die beste Prävention gegen die falsche An-
sprache demokratiefeindlicher Organisationen mit ihren

Martin Gerster






(A) (C)



(B) (D)


staatsfeindlichen Ideologien darstellt . Es ist gut, dass wir
als Abgeordnete im Haushaltsausschuss hier noch etwas
drauflegen konnten.


(Beifall bei der SPD)


Ich will noch einen Satz zur Bundeszentrale für po-
litische Bildung sagen . Das ist eine ganz wichtige und
wertvolle Einrichtung, deren Arbeit eine enorme Bedeu-
tung in Zeiten hat, in denen gefährlicher Islamismus und
Salafismus zunehmend Raum greifen, Rechtsextremis-
mus leider wieder Konjunktur hat und es zunehmende
Attacken auf Demokratie, Rechtsstaat und unsere Insti-
tutionen gibt . Wir konnten in der Bereinigungssitzung
des Haushaltsausschusses weitere Stellen organisieren
und die Stellen bzw . die Mittel für eine Aktivierungs-
kampagne zur Mobilisierung vor allem junger Leute für
die Bundestagswahl um 5 bzw . 3 Millionen Euro auf-
stocken . Diese Legislaturperiode ist die erfolgreichste
für die Bundeszentrale für politische Bildung . Ich freue
mich, dass wir nicht nur die Kürzungen der letzten Wahl-
periode unter Schwarz-Gelb wettmachen konnten, son-
dern deutlich etwas drauflegen konnten. Ich glaube, das
ist notwendig in diesen Zeiten und eine absolut richtige
Schwerpunktsetzung .


(Beifall bei der SPD)


Zum Sport will ich sagen: Wir haben in dieser Wahl-
periode strukturell bereits 15 Millionen Euro draufgesat-
telt, um Nöte im Bereich des Sports zu lindern . Ich denke
an die Dopingbekämpfung, und ich denke an unsere In-
stitute IAT/FES und viele andere . Wir legen jetzt noch
einmal beim Behindertensport und den neuen olympi-
schen Sportarten drauf, aber schaffen auch die Voraus-
setzungen für die Leistungssportreform, die wichtig ist .

In diesem Sinne will ich sagen: Haushaltspolitik ist
mehr als in Zahlen gegossene Politik; sie ist vielmehr
eine Frage des politischen Kompasses, der in dieser Le-
gislaturperiode mithilfe der SPD in die richtige Richtung
zeigt .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820107600

Das Wort hat der Bundesminister des Innern,

Dr . Thomas de Maizière .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Haushalt des Bundesministeriums des Innern, den
wir heute abschließend beraten, ist wirklich ein Haushalt
der neuen Dimension . Man sollte mit Superlativen in der
Politik sparsam sein – und ich bin das ohnehin –,


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Das stimmt! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man hört es!)


aber hier und heute passt ein Superlativ . Dieser Haus-
halt und die damit verbundenen Inhalte, über die Herr
Gerster, Herr Brandl und andere gesprochen haben, set-
zen für die kommenden Jahre Maßstäbe . Im Vergleich
zum laufenden Haushalt wächst der Einzelplan um rund
1,18 Milliarden Euro . Der Stellenhaushalt umfasst nun-
mehr 66 000 Stellen und Planstellen . Das ist außeror-
dentlich, das ist wichtig, und das ist richtig .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Bei all diesen Maßnahmen sollten wir nicht vergessen,
wofür der Einzelplan inhaltlich steht . Er steht für eine
klare, er steht für eine seriöse und er steht für eine ver-
antwortungsvolle Innen- und Sicherheitspolitik, und er
bildet ab, was wichtig ist: Wie viel investiert der Staat in
die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger? Wie viel
investiert er in einen sicheren Cyberraum? Davon war
heute noch wenig die Rede . Wie viel investiert er in die
Zukunftsfragen Migration und Integration? Wie viel in-
vestiert er in die innere Verfasstheit Deutschlands? Das
sind fünf Grundsatzthemen, die die Menschen in unse-
rem Land umtreiben .

Wir alle wissen: Der Zustrom von Flüchtlingen im
vergangenen Jahr hat die Bürgerinnen und Bürger auf-
gewühlt . Die angespannte Sicherheitslage macht vielen
Menschen Sorge . Politische Ränder erhalten Zulauf . Ag-
gressive Bildwahl, gefährliche Rhetorik und Polarisie-
rung der Menschen bleiben nicht folgenlos, nirgendwo
auf der Welt . Hierauf muss verantwortungsvolle Politik
antworten . Diese Antwort liegt nicht in einfachen, son-
dern in richtigen Lösungen, sie liegt nicht in hektischem
und lautstarkem, sondern in überlegtem Handeln, und sie
liegt nicht in Abgrenzung von anderen, sondern in ge-
meinsamer Gestaltung . Der Haushalt 2017 ist eine solche
Antwort, an den richtigen Stellen, mit Vorausschau und
mit Augenmaß .

Meine Damen und Herren, bereits im letzten Jahr
hatten wir erhebliche Aufwüchse im Sicherheitsbereich
beschlossen . Diese werden in den kommenden Jahren
noch einmal übertroffen . Schon mit dem Regierungs-
entwurf hatten wir ein eindrucksvolles Sicherheitspaket
vorgelegt . Nach dem Sommer haben dann der Bundes-
finanzminister und ich noch einmal mit der sogenannten
Bereinigungsvorlage eine substanzielle Stärkung vorge-
schlagen . Dieses Parlament hat dann an verschiedenen
Stellen noch einmal für Sicherheit etliches draufgepackt .
Sie haben dem allen zugestimmt, Sie haben das so ent-
schieden, und deswegen steht es mir, glaube ich, als Ver-
treter der Regierung gut an, mich bei Ihnen für diese Ar-
beit herzlich zu bedanken .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Deutschland ist uns wichtig, die Bürgerinnen und Bür-
ger sind uns wichtig . Deshalb investieren wir in eine gute
gemeinsame Zukunft . Wir investieren in neue Fahrzeuge,
Hubschrauber, Einsatzschiffe bei der Bundespolizei, in
die Sanierung und den Neubau von Diensträumen, in den
Aufbau von Kapazitäten für Aus- und Fortbildung . Denn
für diese vielen neuen Stellen müssen auch erst einmal
Menschen ausgesucht, eingestellt und dann ausgebildet
werden, was große Anforderungen an die bestehende Or-

Martin Gerster






(A) (C)



(B) (D)


ganisation der Bundespolizei und des Bundeskriminal-
amtes darstellt . Wir investieren in mehr Sicherheit mit
der neuen Zentralstelle für Informationstechnik im Si-
cherheitsbereich, um BKA, Bundespolizei und das Bun-
desamt für Verfassungsschutz zu unterstützen .

Wir verstärken abermals unser Personal, und das mas-
siv: Die Bundespolizei erhält von 2015 bis 2020 mehr als
7 000 zusätzliche Stellen . Auch das Bundeskriminalamt
wird in diesem Zeitraum um über 1 300 Stellen anwach-
sen . Umgerechnet sind es etwas über 20 Prozent bei der
Bundespolizei und – Herr Gerster hat es schon gesagt –
etwa 25 Prozent beim Bundeskriminalamt . Herr Claus,
ehrlich gesagt, wir haben eine Fürsorgepflicht für unsere
Bediensteten beim Bund, und die Länder sind aufgefor-
dert, mehr zu zahlen . Wenn wir die Besten bekommen, ist
mir das gerade recht . Das muss ich Ihnen einmal sagen .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Na ja!)


Die Grünen haben normalerweise einen anderen Text-
baustein, als Frau Amtsberg ihn hatte .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind keine Textbausteine, das ist Überzeugung! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist jetzt ganz unklug gewesen!)


– Warten Sie doch einmal ab, was ich sagen will . Ganz
ruhig .


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)


Herr von Notz, Frau Mihalic und andere haben früher im
Grunde andere Textbausteine benutzt . Sie haben gesagt:
Macht doch nicht so viele neue Gesetze, sondern schafft
lieber neues Personal heran . – Textbausteine wie diesen
können Sie jetzt einpacken .


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frage: Wer hat Ihnen diesen Textbaustein aufgeschrieben? – Gegenruf des Abg . Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In weiser Voraussicht!)


Jetzt müssen Sie inhaltlich klarstellen, was Sie gegen
neue Gesetze haben . Darauf komme ich gleich .


(Zuruf des Abg . Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Ganz ruhig .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ich bin doch ganz ruhig! – Gegenruf des Abg . Burkhard Lischka [SPD]: Ziemlich nervös seid ihr!)


Ich möchte eine Bitte an Sie äußern: dass Sie Ihren
Textbaustein „Mehr Personal statt neue Gesetze“ jetzt
nicht mehr von diesem Pult an die Bundesregierung rich-
ten, sondern dass Sie ihn jetzt einmal an die Finanzminis-
ter in den Bundesländern richten, wo Sie selber mitregie-
ren . Das wäre eine gute Leistung .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da können Sie genau hingucken, in den Län dern! – Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aufwuchs in Schleswig-Holstein! Rekordeinstellungen in Nordrhein-Westfalen! Das ist doch super! Das ist doch eine tolle Bilanz!)


– Nun seien Sie doch einmal ganz ruhig . Ich habe gehört:
Die Polizei in Nordrhein-Westfalen stellt etwa 150 Be-
werber neu ein, so in der Größenordnung . Da ist noch
Luft nach oben .


(Burkhard Lischka [SPD]: Da macht ja Sachsen-Anhalt mehr!)


Frau Amtsberg, ich wollte Ihnen aber gerne etwas an-
deres sagen . Sie haben gesagt: Diese Legislaturperiode
war eine Legislaturperiode der Einschränkung von Bür-
gerrechten .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zutreffend!)


Ich muss Ihnen sagen: Das Land, über das Sie reden,
kann nicht Deutschland sein . Diese Legislaturperiode ist
eine Legislaturperiode, in der wir maßvoll und verant-
wortungsvoll die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger
auch mit neuen Gesetzen erhöht haben . Unsere Sicher-
heitspolitik schützt die Freiheit und schränkt sie nicht ein .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sehen wir ganz anders!)


– Darüber kann man ja diskutieren .

Dann haben Sie gesagt: Jetzt braucht man aber Hal-
tung . – Da stimme ich zu . Jetzt kommt es nur darauf an,
wozu und wie .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und welche!)


– Genau . – Da will ich Ihnen sagen: Zu guten Gesetzen
und zu viel und gutem Personal und zu, ehrlich gesagt,
guter Technik, worüber ich häufiger mit Herrn von Notz
streite, gehört auch exekutives Handeln . Zum exekutiven
Handeln gehört, dass wir in einer beispiellosen Weise in
den letzten Wochen und Monaten durch internationale
Zusammenarbeit und durch die tüchtige Arbeit der Si-
cherheitsbehörden von Bund und Ländern einige schwe-
re Anschläge in Deutschland verhindert haben . Ich hätte
mir gewünscht, dass Sie etwas häufiger sagen: Bravo!
Gut gemacht! – Das wäre Ausdruck einer Haltung ge-
wesen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagen wir regelmäßig!)


Wir haben rechtsextremistische Vereine verboten . Ich
habe sogar eine rechtsterroristische Vereinigung verbo-
ten . Ich habe das Bundesamt für Verfassungsschutz und
die Länder gebeten, zu prüfen, ob die „Reichsbürger“ zu
beobachten sind . Wir haben in dieser Woche Einigkeit
erzielt, dass ab sofort auch die „Reichsbürger“ in ganz
Deutschland Sammelbeobachtungsobjekt des Bundes-
amtes für Verfassungsschutz und der Länder werden .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Bundesminister Dr. Thomas de Maizière






(A) (C)



(B) (D)


Ich sage hier noch einmal ganz klar: Wer diesen Staat
ablehnt, der kann keinen Cent vom Staat erhalten und
glauben, er könne Polizist oder etwas anderes im öffent-
lichen Dienst sein . Dergleichen ist vollständig unverein-
bar .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich habe in der letzten Woche die hinter der
„Lies!“-Kampagne stehende Vereinigung, „Die wahre
Religion“, verboten . Wir haben nichts dagegen, wenn an
öffentlichen Plätzen, in Einkaufszentren, überall Bibeln,
Korane und sonst etwas verteilt werden . Wenn das aber
der Ausgangspunkt für eine Radikalisierung ist, die hin
zum Terror führt, dann ist Schluss, und dann wird eine
solche Einrichtung verboten; das gilt auch für ähnliche
Einrichtungen in der Zukunft . Das hätten Sie einmal be-
grüßen können . Das war im Übrigen alles mit Augenmaß .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hatte nur sechs Minuten!)


Nun ein Wort zur Integration . Dazu haben Sie auch
etwas Erstaunliches gesagt, nämlich wir würden die
Flüchtlinge teilen in diejenigen mit Bleibeperspekti-
ve und diejenigen ohne Bleibeperspektive, und das sei
falsch . Soll ich Ihnen mal was sagen? Das ist deutsche
Rechtslage, das ist europäische Rechtslage, das ist in-
ternationale Rechtslage . Es gibt kein einziges Land in
der Welt, das nicht zwischen Flüchtlingen mit und ohne
Bleibeperspektive unterscheidet . Wenn Sie das vollstän-
dig verändern wollen, dann müssen Sie das von diesem
Pult aus mal sagen, und dann bin ich gespannt, wie Ihre
Wählerinnen und Wähler das finden.


(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist trotzdem keine Lösung für die vielen Afghanen, die hier sind!)


Der Grundsatz kann nicht streitig sein . Streitig kann
sein – das ist auch streitig, zwischen uns, manchmal auch
in der Koalition –, wie man damit umgeht . Aber dass
der Grundsatz unstreitig ist, nämlich dass es Menschen
gibt, die nach Prüfung eine Bleibeperspektive haben oder
nicht, müssten Sie vielleicht mal anerkennen .


(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das wäre individuell! Sie machen das auf Gruppen bezogen!)


Es wäre nicht schlecht, Sie würden das mal tun .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Deswegen gilt, dass wir für diejenigen mit Bleibeper-
spektive so viel tun wie nie zuvor in diesem Land . Die
Zahlen sind schon genannt worden: über 600 Millionen
Euro für Integrationskurse, erstmalig Orientierungskurse
sogar für Menschen ohne Bleibeperspektive . Nicht nur
die Mittel für die Migrationserstberatung sind erhöht
worden, sondern auch die für die sonstigen Programme,
die wir zur Unterstützung des Ehrenamts haben . Auch
Moscheevereine, wenn sie bei der Integration mithelfen,
werden gestützt und gefördert . Das kann sich wirklich
sehen lassen .

Gleichzeitig erhöhen wir die Mittel für die freiwilli-
ge Rückkehr . Freiwillige Rückkehr ist allemal besser als
Abschiebung, aber freiwillige Rückkehr und Abschie-
bung stehen in einem engen Zusammenhang . Ohne Ab-
schiebung haben Maßnahmen zur freiwilligen Rückkehr
relativ wenig Erfolg . Sie können das sehen . Das ist unge-
fähr im Verhältnis 1 : 2 . Das heißt, wenn man abschiebt,
kommen manche auf die Idee, dass sie vielleicht frei-
willig zurückgehen sollten . Deswegen ist beides richtig:
Mittel für freiwillige Rückkehr und Abschiebung .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir werden sicher auch noch über Gesetzesänderun-
gen reden . Hier ist nicht der Ort, das heute streitig zu tun;
das werden wir sicher noch an anderer Stelle ausdisku-
tieren .

Viel steckt in diesem Haushalt: Mittel für das Tech-
nische Hilfswerk – darüber ist gesprochen worden –,
Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, Netze des
Bundes, IT-Konsolidierung . Auch hier noch einmal ei-
nen Dank an den Haushaltsausschuss! Ohne den Druck
des Haushaltsausschusses wären wir bei der IT-Konso-
lidierung der Bundesministerien nicht so weit vorange-
kommen . Zur Reform der Spitzensportförderung werden
sicher noch Herr Mutlu und Frau Engelmeier reden .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Ich auch!)


– Herr Hahn auch .


(Michaela Engelmeier [SPD]: Ladys first!)


Natürlich ist das Thema Aussiedler zu nennen und vieles
andere mehr . Ich habe nicht die Zeit, das heute auszu-
führen .

Ich will nur noch sagen, dass die Steigerungen in der
Sache und die damit zusammenhängenden inhaltlichen
Schwerpunkte in dieser Legislaturperiode beispiellos in
der Geschichte des Bundesinnenministeriums sind . Das
gilt sogar für den Stil, in dem das zustande gekommen
ist . Es gab sehr viele Anträge, denen auch die Opposition
zugestimmt hat . Zum Schluss fanden Sie von der Oppo-
sition es aber irgendwie peinlich, dem ganzen Haushalt
zuzustimmen . An sich wäre es in der Logik gewesen, das
zu tun . Nun gut; Sie brauchen es für Ihre Klientel, dass
Sie ihn ablehnen . Auch recht!


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das merken wir uns, wenn Sie in der Opposition sind!)


Trotzdem: Die Art und Weise, wie das zustande ge-
kommen ist, auch im Haushaltsausschuss, bei einem
Haushalt, der normalerweise zu den umstrittensten ge-
hört, ist beispielgebend in diesem Jahr, in dem wir kurz
vor Bundestagswahlen stehen . Das ist auch, glaube ich,
gut für die Sicherheit unseres Landes .

Wir werden verantwortungsvoll, seriös und klug mit
diesen Mitteln umgehen . Auch dabei hoffe und setze ich
auf Ihre Unterstützung .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Bundesminister Dr. Thomas de Maizière






(A) (C)



(B) (D)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820107700

Das Wort hat der Kollege Dr . André Hahn für die

Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. André Hahn (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820107800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich fan-

ge heute einmal mit dem einzigen Lichtblick im Etat des
Innenministeriums an .


(Armin Schuster [Weil am Rhein] [CDU/ CSU]: Mit dem Minister!)


– Nein, der Minister ist es wirklich nicht, Herr Schuster . Es
tut mir leid . – Die Bundespolizei wird deutlich gestärkt;
es gibt einen Aufwuchs um insgesamt fast 2 000 Stellen .
Wir als Linke haben seit langem den Personalmangel
bei der Polizei auf Bundes- und Länderebene kritisiert .
Deshalb begrüßen wir, dass hier endlich gehandelt wird;
denn in diesem Bereich ist das Geld deutlich besser ein-
gesetzt als bei den zum Teil wirklich abenteuerlichen
Aufstockungen für die Geheimdienste .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Aber wenn ich vom einzigen Lichtblick im Haushalt
des BMI spreche, dann ist klar, dass es aus unserer Sicht
dort vor allem sehr viel Schatten gibt . Was hier an Steu-
ergeld verpulvert wird, ist schier unglaublich . Schon der
ursprüngliche Regierungsentwurf, Herr de Maizière,
sah für das Innenministerium eine satte Erhöhung um
537 Millionen Euro vor . In den Ausschussberatungen
wurden dann zum Teil völlig konzeptionslos noch ein-
mal 640 Millionen Euro obendrauf gepackt . Eine derarti-
ge Aufstockung hat es vermutlich seit Jahrzehnten nicht
mehr gegeben . Und neben dem Verteidigungsetat ist nur
noch der Innenhaushalt von jedweden Sparauflagen frei-
gestellt . Dadurch wird deutlich, wo die Große Koaliti-
on ihre politischen Schwerpunkte setzt: Repression und
Überwachung im Innern, immer neue und sinnlosere
Kriegsbeteiligungen im Ausland


(Sebastian Hartmann [SPD]: Integration!)


statt Deeskalation und Unterstützung friedlicher Kon-
fliktlösungen. Das, meine Damen und Herren, kann und
wird nie die Politik der Linken sein .


(Beifall bei der LINKEN)


Dass wir grundsätzlich begrüßen, dass es zusätzliche
Stellen bei der Bundespolizei gibt, habe ich eingangs
schon festgestellt . Es kann aber doch nicht ernsthaft der
Weg sein, bei der Polizei und vor allem bei den Geheim-
diensten quasi auf Zuruf einfach mal so im Ausschuss ein
paar Hundert Planstellen mehr in den Haushalt zu schrei-
ben, ohne dass klar ist, wofür diese künftig vorgesehen
sind . Statt immer mehr neue Stellen zu schaffen, sollten
vielleicht erst einmal die bestehenden Stellen richtig be-
setzt werden .


(Beifall bei der LINKEN)


Was fehlt, ist eine grundlegende Aufgabenkritik . Ist es
wirklich nötig, dass Polizistinnen und Polizisten an der

Grenze gegen Flüchtlinge wegen sogenannter illegaler
Einreisen Tausende offizielle und bürokratisch aufwen-
dige Verfahren eröffnen,


(Armin Schuster [Weil am Rhein] [CDU/ CSU]: Natürlich!)


die später in aller Regel ohnehin wieder eingestellt wer-
den?


(Armin Schuster [Weil am Rhein] [CDU/ CSU]: Nein!)


Brauchen wir 300 neue Beamte, die allein für die Ab-
schottungsoperationen von Frontex eingestellt werden
sollen? Wir als Linke wollen das nicht .


(Beifall bei der LINKEN)


Überaus bescheiden sind dagegen die Stellenzuwäch-
se beim Technischen Hilfswerk und beim Bundesamt für
Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe .


(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Bescheiden? Wieso denn bescheiden?)


Sie erhalten gerade so viel, dass sie ihre Aufgaben halb-
wegs erfüllen können . Vor allem hinken die Ausgaben im
Bereich der technischen Ausstattung trotz der erfolgten
Aufstockung, die wir auch sehen, dem tatsächlichen Be-
darf weiter hinterher . Anstatt hier im wahrsten Sinne des
Wortes einmal aufzurüsten, schaffen die Großkoalitionä-
re lieber neue Stellen für Vorratsdatenspeicherung und
Big-Data-Projekte .

Nach dem Willen von Union und SPD sollen die drei
deutschen Geheimdienste für 2017 zusammen sage und
schreibe 1 250 Millionen Euro erhalten . 1 250 Millionen
Euro – eine utopische und, wie wir meinen, durch nichts
zu rechtfertigende Summe .


(Beifall bei der LINKEN)


Allein der Haushalt des Bundesamtes für Verfassungs-
schutz soll um 88 Millionen Euro steigen, der Etat des
Bundesnachrichtendienstes gar um 108 Millionen Euro .
Wir als Linke halten ein derartiges Konjunkturprogramm
für die Geheimdienste für unverantwortlich und werden
ihm auch nicht zustimmen .

Der BND will demnächst – so hört man – sogar eige-
ne Spionagesatelliten in den Orbit schicken . Glaubt man
zeit .de, sollen dafür bis 2022 mindestens 400 Millionen
Euro an Steuergeldern bereitgestellt werden . Wir als Lin-
ke lehnen ein solches Weiterdrehen der Überwachungs-
spirale ganz entschieden ab . Und im Übrigen zeigen alle
Erfahrungen mit derartigen Projekten, zum Beispiel in
den USA, dass die veranschlagten 400 Millionen Euro
niemals ausreichen werden . Man wird wohl eher in den
Milliardenbereich kommen . Deshalb unser klarer Appell
als Linke: Beerdigen Sie dieses Vorhaben, ehe wieder
einmal Steuergelder sinnlos verbrannt werden .


(Beifall bei der LINKEN)


Abschließend noch einige Bemerkungen zum Sport-
bereich . Hier ist gegenüber 2016 eine Reduzierung um
11 Millionen Euro vorgesehen . Auch wenn im kommen-
den Jahr keine Entsendungskosten für Olympische und

http://www.zeit.de





(A) (C)



(B) (D)


Paralympische Spiele anfallen, halten wir diese Kürzung
für nicht akzeptabel .


(Matthias Schmidt [Berlin] [SPD]: Was ist mit Hamburg?)


Es gibt einen positiven Punkt, nämlich die Erhöhung der
Zuweisung für den Deutschen Behindertensportverband .
Im Sportausschuss hatte die Koalition den diesbezügli-
chen Antrag der Linken noch abgelehnt, im Haushalts-
ausschuss hat man die Mittel dann doch klammheimlich
erhöht . Opposition wirkt also, auch wenn Union und
SPD das niemals zugeben werden .


(Beifall bei der LINKEN – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Opposition wirkt immer!)


Für uns ist klar: Die Stärkung des Behindertensports
war längst überfällig . Der gesamte Sportetat ist unter dem
Strich aber unzureichend und auch nicht geeignet, das in
Geheimverhandlungen zwischen DOSB und Innenmi-
nisterium ausgehandelte und hochumstrittene Konzept
zur künftigen Spitzensportförderung finanziell auch nur
halbwegs zu untersetzen .

Wir halten dieses Konzept ohnehin für sehr problema-
tisch . So fehlt darin jeder Bezug zum Breitensport, der
letztlich die Basis aller späteren Erfolge im Leistungs-
sportbereich ist .

Bei aller Akzeptanz für einen Leistungsbezug als Kri-
terium für die Förderung des Spitzensports haben wir er-
hebliche Zweifel, ob die in der Konzeption aufgeführten
Ziele und Methoden wirklich richtig definiert sind. Was
reitet eigentlich einen Bundesinnenminister, wenn er von
den deutschen Spitzensportlern bei gleicher Förderhöhe
ein Drittel mehr Medaillen fordert? Ist denn die Doping-
debatte an Ihnen, Herr de Maizière, komplett vorbeige-
gangen? Haben Sie nicht verstanden, dass immer mehr
Nationen aussichtsreich um eine gleichbleibende Anzahl
von Podestplätzen wetteifern?

Wer ernsthaft glaubt – das ist die letzte Bemerkung –,
mit irgendwelchen Computerprogrammen, für die 2017
erstmals 700 000 Euro bereitstehen, auch nur halbwegs
verlässlich künftige Olympiasieger herausfiltern zu kön-
nen, wird gnadenlos scheitern .

Das haben unsere Spitzensportlerinnen und -sportler
und auch die Trainer nicht verdient . Die Reform darf
nicht über ihre Köpfe hinweg, sondern kann nur mit ih-
nen gemeinsam umgesetzt werden .

Aus diesen Gründen werden wir den Etat des Innen-
ministeriums ablehnen .


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820107900

Gestatten Sie mir, bevor ich dem nächsten Redner das

Wort gebe, einen Hinweis, der fraktionsübergreifend gilt:
Die Ankündigung des Schlusses des Redebeitrages er-
setzt nicht den Schlusspunkt .


(Heiterkeit bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich bitte, das zukünftig möglichst zu beachten .

Das Wort hat der Kollege Sebastian Hartmann für die
SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Sebastian Hartmann (SPD):
Rede ID: ID1820108000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Wenn mich jemand nach der politischen
Leitlinie der Sozialdemokraten fragt, dann antworte ich
ihm oder ihr: Wir Sozialdemokraten organisieren den
gesellschaftlichen Zusammenhalt aller Menschen in
Deutschland . Wir haben eine klare Idee von unserem
Land . Deutschland ist ein weltoffenes, ein spannendes,
ein modernes Land .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Wahlprogramm!)


Dass es so bleiben soll, ist ein Ansatz . Und da, wo wir
noch besser werden können, wollen wir mutig für unsere
Ideen werben .

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten kön-
nen daher mit Stolz auf den Haushalt, der jetzt zur Verab-
schiedung kommt, und den Einzelplan 06 schauen, liebe
Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei der SPD – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hier ist kein Parteitag!)


Hieraus folgt aber auch untrennbar, dass die Integra-
tion eine doppelte Aufgabe ist, die darin besteht, die In-
tegration der Einwanderer und Flüchtlinge auf der einen
Seite und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft auf
der anderen Seite zu stärken . Wir müssen zwei zentra-
le Aufgaben im Innenbereich erkennen und diese auch
beherzt anpacken: Wir müssen für innere und äußere Si-
cherheit sorgen, und wir müssen ein modernes Einwan-
derungsrecht schaffen,


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann macht mal!)


um zu differenzieren: zwischen den Flüchtlingen und
dem Asyl auf der einen Seite – international haben wir
eine nicht aufgebbare rechtliche Verpflichtung, humanes
Asyl- und Flüchtlingsrecht zur Anwendung zu bringen –
und einer Einwanderung auf der anderen Seite, die zwar
wirtschaftlich motiviert ist, die uns als Gesellschaft aber
auch nutzt und uns voranbringt . Denken Sie alleine da-
ran, dass wir in den nächsten zehn Jahren vermutlich
6 Millionen Erwerbstätige in diesem Land verlieren wer-
den . Daraus können wir etwas machen . Das ist eine gro-
ße Verantwortung für unsere Gesellschaft .

Ich bin unseren Haushältern sehr dankbar dafür, dass
sie für die innere und äußere Sicherheit die entsprechen-
den Mittel zur Verfügung gestellt haben . Die Zahlen kön-
nen sich sehen lassen .

Zur Kritik der Opposition muss ich Folgendes sagen:
Man mag einerseits kritisieren, dass es einen Aufwuchs
an Mitteln gibt . Mit diesem Aufwuchs an Mitteln un-

Dr. André Hahn






(A) (C)



(B) (D)


trennbar verbunden ist aber auch 1 Milliarde Euro mehr
für Sprach- und Integrationskurse .


(Beifall bei der SPD)


Das ist 1 Milliarde Euro mehr für Chancen, für neue
Möglichkeiten, für den Zusammenhalt unserer Gesell-
schaft . Darauf sind wir stolz .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Auf die Geheimdienste auch?)


Da müssen wir uns nicht verstecken . Diese Zahlen kön-
nen sich sehen lassen . Es gibt 1 Milliarde Euro mehr für
Sprach- und Integrationskurse . Jeder, der den Innenhaus-
halt kritisiert, muss sich auch gefallen lassen,


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Ich habe über Geheimdienste geredet!)


dass wir ihm diese Zahl mutig entgegenhalten .

Darum tragen wir Sozialdemokratinnen und Sozialde-
mokraten in diesem Land Verantwortung, liebe Kollegin-
nen und Kollegen . Darauf sind wir stolz .


(Beifall bei der SPD)


Einwanderung muss im Interesse unserer Gesellschaft
auch politisch gesteuert werden . Wir haben als SPD ei-
nen eigenen Vorschlag für ein modernes Einwanderungs-
gesetz gemacht . Dieser Vorschlag kann sich sehen lassen .

Wir wollen aber klar trennen zwischen den Menschen,
die vor Krieg, vor Not und aus anderen Verfolgungsgrün-
den zu uns fliehen und damit humanitäre Gründe haben,
und denjenigen, die aus anderen Gründen eine Einwan-
derung nach Deutschland anstreben . Je deutlicher wir das
machen, desto eher kommen wir dem Prinzip nach, dass
wir Verfahren ordnen müssen . Das ist die Linie in der
Innenpolitik .

Als wir 2015 vor großen Herausforderungen stan-
den, weil viele Menschen zu uns geflohen sind, haben
wir Ordnung in die Verfahren gebracht . Wir haben aber
keine der staatlichen Ebenen alleingelassen . Wir haben
Geld für die Kommunen zur Verfügung gestellt, damit
die Kommunen Geld für die Unterbringung haben . Wir
haben die ehrenamtlich Tätigen in diesem Land, die sich
um die Aufnahme gekümmert haben, nicht alleingelas-
sen . Wir haben die Länder nicht alleingelassen . Wir ha-
ben als Bund insgesamt 24 Milliarden Euro für diese so
zentrale Aufgabe zur Verfügung gestellt . Es hat uns Sozi-
aldemokratinnen und Sozialdemokraten nie gereicht, nur
zu sagen: „Wir schaffen das .“ Wir haben daraus gemacht:
„Wir machen das“, indem wir die Verfahren geordnet und
das Asylrecht so gestaltet haben, dass die Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeiter des BAMF in der Lage waren, die
Verfahren ordnungsgemäß durchzuführen und schnelle
und rechtssichere Entscheidungen herbeizuführen . Das
ist unsere Linie in der Innenpolitik, liebe Kolleginnen
und Kollegen .


(Beifall bei der SPD – Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sebastian, wo lebst du denn? Schnelle Verfahren?)


Dafür brauchen wir einen starken und handlungsfä-
higen Staat . Wir sind stolz darauf, dass das Spardiktat

zurückgedreht worden ist, dass es beendet worden ist und
dass es jetzt nicht weniger Personal gibt, sondern mehr
Personal an den richtigen Stellen im Bereich Inneres . Das
haben wir beim BAMF gemacht . Das haben wir bei den
Sicherheitsbehörden gemacht . Das haben wir aber auch
bei denjenigen gemacht, die Integration in unserem Land
organisieren: in den Integrations- und Sprachkursen, bei
den Lehrenden, bei denen, die die Aufnahme der neuen
Mitbürgerinnen und Mitbürger organisieren . Darauf sind
wir stolz . Da müssen wir uns nicht verstecken .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben das aber nie isoliert betrachtet . Wir haben
auch Fluchtursachen bekämpft . Wir haben dafür gesorgt,
dass die Haushalte entsprechend ausgestaltet werden .
Auch im Jahr 2016 – unser Haushälter Martin Gerster
hat das noch einmal auf den Punkt gebracht – haben wir
diesen Punkt noch einmal gesetzt .

Ich habe auf die Sprach- und Integrationskurse hinge-
wiesen . Das ist die Fortsetzung einer langen Reihe . Wir
haben mit den Asylpaketen I und II begonnen, und wir
haben noch im Juli dieses Jahres ein Integrationsgesetz
beschlossen, das im August in Kraft getreten ist .

Natürlich Dank an diejenigen, die uns das Geld zur
Verfügung stellen, und auch an den Innenminister für die
Klarstellung . Ja, es wird auch Menschen geben, die die-
ses Land wieder verlassen müssen . Aber Sie haben den
Fokus richtig gelegt: Es geht um die freiwillige Rück-
kehr, da diese für uns viel kostengünstiger ist als die sehr
aufwendigen Abschiebungen . Hier muss man Klarheit
schaffen, indem man die Verfahren entsprechend sortiert .

Die Integration aller Menschen in Deutschland ist der
zweite Teil der doppelten Integrationsaufgabe . Ich möch-
te abschließend – Frau Präsidentin, ich habe Ihren Hin-
weis bezüglich der Zeit sehr ernst genommen –, wenn
wir über die gleichberechtigte Teilhabe sprechen, einen
Punkt noch einmal sehr deutlich machen: Wenn wir über
die doppelte Aufgabe der Integration sprechen, dann
sprechen wir auch über Menschen, die auf der Suche nach
Orientierung sind, die Sorgen haben, die auch Ängste ha-
ben . Wir sollten keine dieser Sorgen oder Ängste wegwi-
schen, aber wir sollten sie ehrlichen, wirksamen und vor
allen Dingen politisch vertretbaren Lösungen zuführen .
Das ist die Stunde von Politik . Das ist Politik . Olof Palme
hat 1965 gesagt:

Politik heißt: etwas wollen . Sozialdemokratische
Politik heißt Veränderung wollen . Weil Verände-
rungen Verbesserungen verheißen, weil sie Fantasie
und Visionen anregen .

Eine Veränderung kann eine Verbesserung sein . Dafür
setzen wir uns ein: es zum Besseren zu wenden .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820108100

Das Wort hat der Kollege Özcan Mutlu für die Frakti-

on Bündnis 90/Die Grünen .

Sebastian Hartmann






(A) (C)



(B) (D)



Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820108200

Zunächst einmal zwei Sätze zum Sportminister de

Maizière . Ich spreche heute als Sportpolitiker, und ich
muss Sie heute ebenfalls enttäuschen: Auch ich habe kein
Lob für Sie übrig, wie meine Kollegin Amtsberg . Denn
Sie haben in Ihrer zwölfminütigen Rede als zuständiger
Minister nur ein einziges Mal das Stichwort „Spitzen-
steuerreform“ verwendet. Das finde ich ein bisschen zu
wenig .


(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Spitzensport!)


– Spitzensportreform, Entschuldigung .


(Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


– Ja, ja, jetzt ergötzt euch mal daran .

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer
morgens den Sportteil der Zeitung aufschlägt, liest dort
über Fußball, über Doping, über Manipulation, Korrupti-
on, Vetternwirtschaft


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Hoeneß!)


und Gigantomanie . Der Sport steckt in einer weltweiten
Glaubwürdigkeitskrise . IOC, FIFA, UEFA und sogar un-
ser DFB sind Teil des Problems . Den Funktionären geht
es nur um die eigenen Interessen und oft um die Ver-
tuschung ihrer eigenen Skandale . Zuschauerinnen und
Zuschauer werden veräppelt, Sportlerinnen und Sportler
werden alleingelassen, Trainerinnen und Trainer werden
für ihre Arbeit nicht wertgeschätzt .

Daran ändert sich auch mit Ihrem vorliegenden Haus-
halt für 2017 nichts . Wieder einmal hat die Bundesregie-
rung die Chance verpasst, Weichen zu stellen und Ver-
besserungen auf den Weg zu bringen . So eine verpasste
Chance ist zum Beispiel ein klares Zeichen im Kampf
gegen Doping . Ja, Sie haben ein Anti-Doping-Gesetz
verabschiedet – schön und gut –, aber geändert hat sich
kaum etwas . Wichtiger ist eine nachhaltige Antidoping-
arbeit, die auf Kontrollen und Prävention setzt, national
wie international .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In Russland gibt es staatlich verordnetes Doping, und
das ist wahrscheinlich auch kein Einzelfall . In manchen
Ländern gibt es gar keine Dopingkontrollen . Unser DFB
hat letzte Woche seine Antidopingregeln gelockert . Des-
halb sagen wir: Eine Reform des Antidopingsystems, das
chronisch unterfinanziert ist, ist weiterhin bitter nötig.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Eine Erhöhung der deutschen Beiträge für die Welt-An-
ti-Doping-Agentur, mit der Deutschland als gutes Bei-
spiel hätte vorangehen können, ist als erster Schritt leider
nicht erfolgt, weil Sie unseren Antrag dazu abgelehnt
haben .

Ein anderes Beispiel: Anbieter illegaler Sportwetten
werden von der Bundesregierung anscheinend mit einem
laschen Gesetzentwurf gegen Sportwettbetrug und Spiel-
manipulation beglückt. Dieses überflüssige Gesetz ver-
hindert Sportwettbetrug und Spielmanipulationen nicht .

Letztlich wird es zur Beschäftigungstherapie für die oh-
nehin überlasteten Justizbehörden .

Das ist ein klassisches Eigentor, und das kennen wir
von Sportminister de Maizière . Fast täglich – meine Kol-
legin Amtsberg hat es gesagt – überschlägt er sich mit
neuen Forderungen: diverse Antiterrorpakete, Auswei-
tung der Vorratsdatenspeicherung, Ausweitung der Vi-
deoüberwachung etc . Als würde das nicht reichen, wer-
den dann auch noch Scheindebatten geführt, die völlig an
den gesellschaftlichen Realitäten vorbeigehen oder mit
denen bewusst Ängste geschürt werden . Ich nenne da nur
ein Stichwort: Burkaverbot . Für die meisten Ihrer Vor-
schläge gilt: Sie sind wenig bis überhaupt nicht geeignet,
ein tatsächliches Mehr an Sicherheit zu gewährleisten . In
den letzten Monaten haben wir sogar einen beispiellosen
Abbau von Grund- und Bürgerrechten erlebt, durchge-
fochten in einer Augen-zu-und-durch-Mentalität .

„Augen zu und durch“ erleben wir auch bei der soge-
nannten Spitzensportreform . Gleich mehrere Chancen hat
die Bundesregierung hier verpasst: erstens eine öffentli-
che und transparente Debatte darüber zu führen, welche
Art von Sport wir in Deutschland wollen und fördern
sollten, anstatt Geheimniskrämerei hinter verschlossenen
Türen zu betreiben, zweitens eine Debatte, die eine breite
Gruppe aus Athletinnen und Trainerinnen, Sportvereinen
und -verbänden, also die Menschen in Deutschland mit
einschließt und nicht nur den zuständigen Minister und
die Spitze des DOSB, drittens eine Debatte über die Wer-
te des Sports, den fairen Wettstreit, Respekt, die Motiva-
tion zur Leistung und die Förderung dessen, anstatt wie
Minister de Maizière Erbsenzählerei – pardon: schlicht
Medaillenzählerei – zu betreiben . Herr Minister, damit
haben Sie sogar Vertreter der eigenen Koalition im Sport-
ausschuss verärgert . Dabei halten diese viel aus und las-
sen Ihnen sehr viel durchgehen .

Jetzt legen Sie uns ein Bürokratiemonster vor, bei
dem man mit der Lupe nach einer Beteiligung von Ath-
letinnen und Athleten, Trainerinnen und Trainern suchen
muss . Ich sage hier klar und deutlich: Ihr Konzept zur
Reform der Spitzensportförderung wird dem deutschen
Sport mehr schaden, als es Nutzen bringen wird, und das
ist schäbig .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dies ist im Übrigen auch das Ergebnis der öffentlichen
Anhörung, in der alle anwesenden Expertinnen das Kon-
zept unisono scharf kritisiert haben .


(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Stimmt doch überhaupt nicht!)


Dazu noch einen letzten Satz: Breitensport – Kollege
Hahn hat es gesagt – scheint für Sie ein Fremdwort zu
sein . Auch das können wir nicht akzeptieren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Dr . André Hahn [DIE LINKE])


Meine Damen und Herren, eine weitere verpasste
Chance, die ich hier ansprechen möchte, ist die besse-
re Unterstützung der Ehrenamtlichen im Sport; denn der
Sport war es und ist es, der in Krisenzeiten angepackt hat
und weiterhin anpackt, während die Politik gezögert oder






(A) (C)



(B) (D)


Arbeitskreise gebildet hat . Tausende Sportlerinnen und
Sportler, Trainerinnen und Trainer sowie Helferinnen
und Helfer haben sich – im Verein oder einfach auf der
Wiese nebenan – um die Menschen gekümmert, die Zu-
flucht in Deutschland gesucht haben, damit sie sich hier
willkommen fühlen . Sport verbindet und hat eine große
integrative Kraft . Allen diesen Initiativen und den vielen
engagierten Menschen gebühren unser Dank und unser
Respekt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Dr . André Hahn [DIE LINKE])


Aber das reicht nicht .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820108300

Kollege .


Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820108400

Ich komme zum Schluss . – Die Vereine und die Initia-

tiven benötigen eine ausreichende Finanzierung vor Ort,
personell wie materiell. Davon profitieren wir alle. Hier
hätte die Bundesregierung mit gutem Beispiel vorange-
hen und mehr investieren können . Aber diese Chance
haben Sie verpasst .

Summa summarum: Ihr Haushalt 2017 produziert eine
Menge Verliererinnen und Verlierer . Er ist eine verpasste
Chance für unser Land .

Danke sehr .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820108500

Das Wort hat der Kollege Dr . Stephan Harbarth für die

CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Stephan Harbarth (CDU):
Rede ID: ID1820108600

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Meine sehr ge-
ehrten Damen und Herren! Die Bedrohung durch den is-
lamistischen Terror ist seit langer Zeit hoch, und sie wird
noch lange Zeit hoch bleiben . Union und SPD haben auf
diese Bedrohung gemeinsam mit einem Dreiklang geant-
wortet . Wir haben für mehr Polizistinnen und Polizisten
gesorgt, wir haben für bessere Ausstattung und Ausrüs-
tung gesorgt, und wir haben dort für bessere Gesetze ge-
sorgt, wo dies geboten und notwendig war .

Es gibt vor allem eine Zahl, die die Anstrengung und
auch Leistung der Koalition mehr verdeutlicht als alle
anderen . Es ist die Zahl von knapp 9 000 zusätzlichen
Polizistinnen und Polizisten, für deren Einstellung wir
in dieser Legislaturperiode die Weichen gestellt haben .
Das kann man ohne Übertreibung als eine ganz großarti-
ge Leistung bezeichnen . Es ist das Werk vieler; doch in
ganz besonderer Weise das Werk unseres Innenministers
Thomas de Maizière . Ohne Ihre unermüdliche Arbeit,
ohne Ihren beharrlichen Einsatz wäre ein solcher Auf-

wuchs nicht möglich gewesen, und dafür sage ich Ihnen
heute sehr herzlich Danke .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Danken möchte ich auch unserem Koalitionspartner
SPD für die guten Beratungen zum Haushalt des Bundes-
innenministeriums und für die konstruktiven Gespräche,
die wir zeitgleich hinsichtlich derjenigen Maßnahmen
geführt haben, die Thomas de Maizière im August unter-
breitet hat und mit denen wir den Druck auf Islamisten
in Deutschland weiter erhöhen wollen . Diese Gespräche
zeigen: Diese Koalition arbeitet konstruktiv zusammen,
sie arbeitet bis in die letzten Monate der Legislaturperio-
de hinein gut zusammen, und das ist ein gutes Signal für
Deutschland .

Sie von den Grünen haben die Frage aufgeworfen –
wie Sie das gebetsmühlenartig immer wieder tun –, wie
wir es mit den Bürgerrechten halten .


(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist richtig!)


Wir haben all diese Maßnahmen nicht beschlossen, um
Bürgerrechte zu beschädigen, sondern um etwas für die
Rechte der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland zu
tun . Wir haben alle Bürgerrechte im Blick . Dazu gehört
das Recht, nicht Opfer von Kriminalität zu werden . Dazu
gehört auch das Recht, nicht Opfer von Einbrüchen zu
werden, nicht niedergeschlagen zu werden, nicht nie-
dergestochen zu werden und nicht in die Luft gesprengt
zu werden . Wer wie Sie jedes einzelne Gesetz, das wir
im Deutschen Bundestag für ein Mehr an Sicherheit be-
schließen,


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf Kosten der Freiheit!)


kategorisch bekämpft,


(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Das ist eben nicht kategorisch!)


der befördert nicht die Bürgerrechte in unserem Land,
sondern er beschädigt sie . Deshalb werden Sie Ihrer poli-
tischen Verantwortung nicht gerecht .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich möchte an dieser Stelle – bei allen Gemeinsamkei-
ten, die wir mit unserem Koalitionspartner haben – aber
auch den Blick auf trennende Punkte richten . Das zeigt
sich etwa in der Frage des Zuzugs nach Deutschland . Für
uns ist klar: Die Situation des Herbstes letzten Jahres darf
sich nicht wiederholen, sie kann sich nicht wiederholen,
und sie wird sich nicht wiederholen . Wir haben in der
Großen Koalition sehr viel gemeinsam getan . Wir haben
die größte Asylrechtsreform seit den 1990er-Jahren ins
Werk gesetzt . Kamen vor genau einem Jahr noch über
100 000 Menschen pro Monat, so sind es heute nur noch
wenige 1 000, und wir als Union werden alles dafür tun,
dass dies auch so bleibt .

In der letzten Sitzungswoche haben wir über den Fa-
miliennachzug bei subsidiär Schutzberechtigten disku-
tiert . Wir haben den Familiennachzug für diese Gruppe
ausgesetzt . Richtig ist aber auch, dass das damals nicht
durch eine Korrektur der Bestimmungen, sondern allein

Özcan Mutlu






(A) (C)



(B) (D)


durch ihre Suspension möglich war . Mit anderen Worten:
Nach geltender Rechtslage werden wir im März 2018
zu einer Regelung zurückkehren, die auch für subsidiär
Schutzberechtigte den voraussetzungsfreien Familien-
nachzug garantiert .


(Zuruf der Abg . Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Mit dieser Regelung ginge Deutschland weit über die
Rechtslage in vielen Nachbarstaaten hinaus und würde
einen Anreiz für einen Asylantrag in Deutschland schaf-
fen . Deshalb wird die entscheidende politische Frage,
die wir zu beantworten haben, nicht sein, ob man einen
vorzeitigen Familiennachzug ins Werk setzen kann, son-
dern: Ist es möglich, eine Regelung zu vereinbaren, die
den Familiennachzug an Bedingungen knüpft, die die
Vernunft diktiert, an ein ausreichendes Einkommen und
an ausreichenden Wohnraum? Für uns ist klar: Wir soll-
ten unseren Kommunen keine Lasten aufbürden, die sie
nicht tragen können .

Ich würde mir wünschen, dass Sie in der gleichen
Art und Weise und mit der gleichen Ernsthaftigkeit, mit
der Sie über den Familiennachzug diskutieren, auf die
grün-roten Regierungen in den Bundesländern zugingen,
wenn es um das Thema der sicheren Herkunftsstaaten
geht . Es ist leider noch immer so, dass von den Grünen
mitregierte Länder diese Einstufung blockieren, obwohl
sie genau wissen, dass nicht Verfolgung, sondern öko-
nomische Gründe Migranten aus Marokko, Algerien und
Tunesien zur Stellung eines Asylantrags in Deutschland
veranlassen, und obwohl sie genau wissen, dass Asylbe-
werber aus diesen drei Staaten – leider – weit überpro-
portional an Straftaten beteiligt sind . Deshalb haben wir
ein großes Interesse daran, dass diese Leute in ein ver-
kürztes Asylverfahren überführt und anschließend kon-
sequent zurückgeführt werden .


(Beifall bei der CDU/CSU – Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sehen die Länder scheinbar anders!)


Das traurige Ergebnis dieser Blockade ist, dass wir lei-
der noch nicht alle Möglichkeiten ausschöpfen, um rasch
und wirksam zwischen Schutzbedürftigen und Migran-
ten zu trennen . Das ist genau das falsche Signal, wenn
wir dafür sorgen wollen, dass sich eine Situation wie im
Herbst letzten Jahres nicht wiederholt .

Ein weiteres Thema, das ich ansprechen will, ist die
große Herausforderung der Rückführungen . Wir in der
Union sind der Überzeugung: Wer kein Asyl in Deutsch-
land erhält, muss in seinen Heimatstaat zurückkehren .


(Dr . Eva Högl [SPD]: Außer, er wird geduldet!)


Reist er nicht freiwillig aus – unsere Präferenz ist immer
die freiwillige Ausreise –, muss der Betroffene zurückge-
führt werden, und zwar rasch . Erst mit der konsequenten
Durchsetzung negativer Bescheide senden wir das klare
Signal aus: Wer keines Schutzes bedarf und gleichwohl
in Deutschland einen Asylantrag stellt, der hat keine
Bleibeperspektive und sollte sich am besten gar nicht erst
auf den Weg nach Deutschland machen .

Ich weiß, dass es beim Thema Abschiebungen keine
gordische Lösung gibt . Es gibt nicht den einfachen Hieb,
um den Knoten zu durchschlagen, sondern man muss
diesen Knoten an vielen Stellen mühsam lockern, um ihn
dann zu lösen . Aber wir sollten doch wenigstens darin
übereinkommen können, dass wir den Druck auf dieje-
nigen erhöhen, die sich ihrer Ausreisepflicht mit allen
Mitteln und Tricks widersetzen, indem wir ihnen keine
Duldung mehr erteilen .

Ich bin überzeugt, dass der Handlungsdruck in dieser
Frage erheblich zunehmen wird, weil sich die Zahl der
Asylbescheide und damit natürlich auch die Zahl der
negativen Bescheide in den nächsten Monaten beträcht-
lich erhöhen werden . Mit einer gemeinsamen Lösung in
Sachen Abschiebung würden wir unser Ziel noch einmal
deutlich unterstreichen: Eine Situation wie im vergange-
nen Jahr darf und kann sich nicht wiederholen . Wir in der
Union sind fest entschlossen, dafür zu sorgen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820108700

Das Wort hat der Kollege Uli Grötsch für die

SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Uli Grötsch (SPD):
Rede ID: ID1820108800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Festnahme der Terrorverdächtigen in Leipzig und in
Berlin-Schöneberg oder jüngst die bundesweite Razzia
gegen das Dschihadistennetzwerk „Die wahre Religion“
zeigen: Deutschland war vielleicht noch niemals zuvor
so sehr bedroht, aber gleichzeitig auch so sicher wie heu-
te . Ich sage Ihnen, warum: Wir haben die vielleicht bes-
ten Gesetze und ganz bestimmt die besten Beamten in
allen Bereichen der Sicherheitsbehörden .

Dieses hohe Niveau an Sicherheit und Qualität schrei-
ben wir mit dem vorliegenden Haushalt für den Bereich
„öffentliche Sicherheit“ im Jahr 2017 fort . Beispiel Bun-
despolizei: Es ist aus unserer Sicht ein großer Erfolg für
das Parlament, dass zusätzlich zu den bereits im Regie-
rungsentwurf vorgesehenen 270 Stellen noch einmal
700 Stellen bei der Bundespolizei geschaffen werden .
Das sind dann – mit den bereits vorher auf Initiative der
SPD beschlossenen Stellen – insgesamt fast 2 000 neue
Stellen nur in 2017 plus fast 200 Millionen Euro für spe-
zielle Fahrzeuge, Schutzausstattungen und Ähnliches so-
wie drei Einsatzschiffe .

Aber zusätzliche Stellen allein reichen uns nicht . Es
ist schon seit den Tagen von Otto Schily gute Traditi-
on in der Sozialdemokratie, einen Schwerpunkt bei den
Stellenhebungen zu setzen . Aktuell haben wir 1 000 Stel-
lenhebungen durchgesetzt und gleichzeitig neue Beför-
derungsmöglichkeiten geschaffen, sowohl innerhalb des
mittleren Dienstes als auch vom mittleren in den gehobe-
nen Dienst . Das kommt insbesondere den normalen Po-

Dr. Stephan Harbarth






(A) (C)



(B) (D)


lizisten im operativen Bereich zugute, die dies für ihren
tagtäglichen Einsatz ohne Frage mehr als verdient haben .


(Beifall bei der SPD)


Die 7 000 Polizeibeamten bis 2020 kommen aber nicht
über Nacht . Sie müssen natürlich ausgebildet werden .
Das ist angesichts der erwähnten Zahlen eine riesengroße
Herausforderung . Damit das gut gelingt, wurde das nun-
mehr sechste und größte Ausbildungszentrum in Bam-
berg eröffnet, das ebenfalls fast 20 Millionen Euro erhält .
Wir als SPD-Bundestagsfraktion werden im nächsten
Jahr den engen Austausch mit den Ausbildungszentren
suchen, weil wir sichergehen müssen, dass das hohe
Qualitätsniveau in der Ausbildung auch angesichts der
ungewöhnlich hohen Einstellungszahlen gewährleistet
bleibt . Wichtig ist aber auch, dass die dann ausgebildeten
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten dort verwendet
werden, wo sie am dringendsten gebraucht werden, zum
Beispiel an der deutsch-tschechischen Grenze, um dem
großen Problembereich der Tageswohnungseinbrüche zu
begegnen .


(Beifall bei der SPD)


Ich bin froh, dass 450 der neuen Stellen für 2017 zur
Verstärkung des grenzpolizeilichen Dienstes vorgesehen
sind . Denn bei aller Terrorgefahr und allen neuen Krimi-
nalitätsphänomenen dürfen wir die ureigenen Aufgaben
der Polizei nicht vergessen,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


nämlich die, für die ganz alltägliche Sicherheit der Men-
schen in diesem Land zu sorgen . Das geht nun einmal
nur mit einer vernünftigen Personalpolitik, etwa – um es
noch einmal zu sagen – im Bereich der Schleierfahndung
an der deutschen Ostgrenze .

Sehr geehrte Damen und Herren, bestmöglich be-
kämpfen wollen wir sowohl den islamistischen Terroris-
mus als auch den Terror von rechts, der erst vor einigen
Wochen einen Polizeibeamten in Deutschland das Leben
gekostet hat . Völlig zu Recht wird in den Medien aktuell
heftig darüber diskutiert, wie es sein kann, dass Extremis-
ten in Deutschland legal Waffen besitzen können . Leider,
Herr Minister de Maizière, sehen Sie bislang offenbar
keine Veranlassung, einer sogenannten Regelabfrage bei
den zuständigen Waffenbehörden und den Verfassungs-
schutzbehörden zuzustimmen, um die Zuverlässigkeit ei-
nes Antragstellers zu prüfen . Das wäre uns sehr wichtig .
Uns Sozialdemokraten hätten Sie dabei auf Ihrer Seite .


(Beifall bei der SPD)


Meine Redezeit reicht nicht mehr aus, um auf den
Aufwuchs und die Verbesserungen beim Bundeskrimi-
nalamt einzugehen . Dieses Thema hätte eine eigene Rede
verdient . Insgesamt sind in den beiden Sicherheitspake-
ten 820 Stellen vorgesehen, und beim Bundeskriminal-
amt kommt es zu einem Aufwuchs um 1 100 auf dann
6 100 Stellen . Innerhalb von zwei Jahren wird es beim
BKA also etwa 20 Prozent mehr Leute geben . Aber, wie
gesagt, die größte Geißel des Abgeordneten ist und bleibt
die Redezeit .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


Frau Präsidentin, abschließend will ich den Haushäl-
tern der Großen Koalition danken . Lieber Martin Gerster,
lieber Reinhard Brandl, es war richtig gut mit euch . Das,
was ihr in den letzten Jahren als Haushälter bewirkt habt,
war wirklich nachhaltig . Wir Innenpolitiker wussten den
Einzelplan 06, den Haushalt des Bundesinnenministeri-
ums, bei euch in den besten Händen und danken euch
für die auch in diesem Jahr wie immer sehr gute Zusam-
menarbeit .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820108900

Der Kollege Stephan Mayer hat für die CDU/

CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Mayer, sagen Sie doch mal, was nicht großartig war!)



Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1820109000

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolle-

ginnen! Sehr geehrte Kollegen! Ich möchte mit Fug und
Recht behaupten: Dieser Etat des Bundesinnenministeri-
ums, den wir heute abschließend behandeln, ist ein gro-
ßer Erfolg .


(Lachen des Abg . Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Er ist ein großer Erfolg der Bundesregierung, und er ist
ein großer Erfolg der Großen Koalition .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Superlative!)


Der Erfolg hat natürlich immer viele Väter . Ich möchte
aber schon betonen: Er ist insbesondere ein Erfolg unse-
res Bundesinnenministers Thomas de Maizière .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich möchte Ihnen, sehr geehrter Herr Bundesinnenmi-
nister, ganz herzlich dafür danken . Dieser Etat, den wir
heute abschließend beraten, ist einzigartig in der bundes-
republikanischen Geschichte .

Wenn man sich diese Legislaturperiode einmal vor
Augen führt, sieht man, dass wir allein im Einzelplan 06,
im Einzelplan des Bundesinnenministers, einen Auf-
wuchs von sage und schreibe 53 Prozent haben . Es gab
eine Steigerung von knapp 6 Milliarden Euro im Jah-
re 2014 auf jetzt knapp 9 Milliarden Euro im Jahr 2017 .
Allein in diesen vier Jahren sind 13 000 zusätzliche Stel-
len im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums
geschaffen worden . Weiter werden zwischen 2015 und
2020 7 500 zusätzliche Stellen bei der Bundespolizei
geschaffen . Beim Bundeskriminalamt wird es 1 300 zu-
sätzliche Stellen geben . Für 2018 bis 2020 gibt es bereits
heute klare Zusagen, dass 4 000 zusätzliche Stellen im
Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums etabliert
werden . Das kann sich wirklich sehen lassen .

Uli Grötsch






(A) (C)



(B) (D)


Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich
möchte aber auch nicht verhehlen, dass dieser deutliche
finanzielle Aufwuchs – und auch Stellenaufwuchs – in
den Sicherheitsbehörden insbesondere aufgrund eines
nachdrücklichen, nachhaltigen und langfristigen Wirkens
und Drängens der CDU/CSU-Fraktion zustande kommt .
Wir waren es, die sich nicht erst seit kurzem, meine lie-
ben Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und den
Linken, für eine bessere personelle und finanzielle Aus-
stattung der Sicherheitsbehörden eingesetzt haben . Über
Jahre hinweg haben wir dies nachdrücklich gefordert .
Und jetzt kann sich, glaube ich, dieser Erfolg auch wirk-
lich sehen lassen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von
den Linken und von den Grünen, Sie haben noch vor
zwei oder drei Jahren, wenn es um die Sicherheitsbehör-
den ging, von einem „Repressionsapparat“ gesprochen .
Sie haben zu der Zeit noch davon gesprochen, dass hier
ein Überwachungsstaat geschaffen wird . Mittlerweile
sind Sie kleinlaut geworden und geben zu, dass wir eine
bessere personelle Ausstattung unserer Sicherheitsbehör-
den dringend benötigen .


(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Woher hat der Herr Mayer seine Textbausteine?)


Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die-
se deutlich bessere finanzielle und materielle Ausstattung
der Sicherheitsbehörden ist aber natürlich auch den ge-
stiegenen Herausforderungen geschuldet . Ich möchte
ausdrücklich betonen, dass wir in den letzten zwei Jah-
ren eine weitgehende gesetzgeberische Tätigkeit insbe-
sondere im Hinblick auf die Bekämpfung des islamisti-
schen Terrorismus an den Tag gelegt haben . Wir haben
die Auslandsreisen zu terroristischen Zwecken stärker
unter Strafe gestellt, und wir haben die Regelungen zur
Terrorismusfinanzierung verschärft. Des Weiteren haben
wir die Möglichkeit geschaffen, dass ausreisewilligen
Dschihadisten der Personalausweis sowie der Reisepass
entzogen werden kann . Außerdem haben wir die Verfas-
sungsschutzbehörden in Bund und Ländern in die Lage
versetzt, besser zu kooperieren .

Endlich haben wir zumindest wieder den Fuß in der
Tür, was die Wiedereinführung der Mindestspeicherfris-
ten anbelangt . Wir haben die Gültigkeitsdauer des Ter-
rorismusbekämpfungsgesetzes verlängert, und wir haben
kurz vor der Sommerpause in diesem Jahr ein Antiter-
rorpaket verabschiedet, das insbesondere auch zum Ge-
genstand hat, dass sich in Zukunft auch die Bezieher von
Prepaidhandykarten registrieren lassen müssen . All das
waren richtige und sachgerechte Maßnahmen, die ins-
besondere auf Drängen der CDU/CSU ins Werk gesetzt
wurden .

Ich möchte aber betonen, dass insbesondere auch kon-
sequentes und entschiedenes Handeln auf der Ebene der
Exekutive wichtig ist und auch stattgefunden hat . Ich
möchte Ihnen, sehr geehrter Herr Bundesinnenminister,
ausdrücklich dafür danken, dass Sie heute vor einer Wo-
che eine islamistische Organisation namens „Die wahre

Religion“ verboten haben, welche über Jahre hinweg ihr
Unwesen in Deutschland getrieben hat . Es gab durchaus
manche, die etwas naseweis gefragt haben: Warum wird
diese Organisation erst jetzt verboten? Denen möchte
ich einmal deutlich ins Stammbuch schreiben: Es ist –
auch in verschiedenen Bundesländern – nicht so einfach,
die substanzielle Grundlage dafür zu schaffen, in knapp
200 Liegenschaften Hausdurchsuchungen durchzuführen
und ein Verbot auszusprechen, das dann auch gerichtsfest
ist . Ich möchte insbesondere Ihnen, Herr Bundesinnen-
minister, aber auch den beteiligten Mitarbeitern in Ihrem
Haus und darüber hinaus ganz herzlich dafür danken,
dass es jetzt gelungen ist, diese Organisation zu verbie-
ten .

Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen: Allein
140 Dschihadisten von den knapp 880, die bislang in den
Dschihad nach Syrien oder in den Nordirak ausgereist
sind, hatten Kontakt zu der Organisation „Die wahre Re-
ligion“ . Diese Organisation hat über die letzten Jahre hin-
weg knapp 2 000 Hassbotschaften im Internet verbreitet .
Diese sind über 15 Millionen Mal aufgerufen worden .
Und 35 000 Personen haben diese Hassbotschaften auch
abonniert . Ich sage dies hier auch deshalb ausdrücklich,
weil ich der festen Überzeugung bin, dass allein diese
Zahlen eindeutig belegen, dass es sinnvoll wäre, die
Sympathiewerbung für terroristische Organisationen
wieder unter Strafe zu stellen . Das, was schon bis 2002
im deutschen Strafgesetzbuch geregelt war, unter Rot-
Grün aber abgeschafft wurde, gehört wieder eingeführt .

Ich möchte auch ausdrücklich betonen, dass ich kein
Verständnis für die Äußerungen der Staatsministerin
Özoğuz habe, die am Tag nach den Hausdurchsuchun-
gen etwas relativierend ausgeführt hat, dass man bei dem
Umgang mit Islamisten doch mehr Augenmaß an den
Tag legen müsse . Dafür habe ich kein Verständnis . Das
ist hanebüchen, und davon muss man sich auch wesent-
lich deutlicher und wesentlich eindeutiger distanzieren .


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Ist doch klargestellt worden!)


Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die
deutlichen Stellenmehrungen und auch die finanziellen
Verbesserungen beim THW sind schon ausdrücklich er-
wähnt worden . Ich möchte hier betonen: Das THW ist
dankbar dafür und zufrieden mit dem, was jetzt durch
den Haushalt 2017 geschaffen wird .

Um es noch einmal in Erinnerung zu rufen: Allein im
Jahr 2015 haben knapp 80 000 ehrenamtliche THW-Hel-
ferinnen und -Helfer mit Verzicht auf Anwesenheit bei
ihren Familien und auf Freizeit 1,3 Millionen Einsatz-
stunden in der Flüchtlingshilfe geleistet .


(Beifall des Abg . Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Allein in diesem Jahr waren es über 600 000 Stunden .
Während der sehr schwerwiegenden Hochwasserkata-
strophe im Frühjahr dieses Jahres haben über 11 000 Ein-
satzkräfte des THW circa 139 000 Einsatzstunden an
355 Einsatzorten geleistet . 310 Ortsverbände, also knapp
die Hälfte aller Ortsverbände des THW, waren im Früh-
jahr dieses Jahres im Hochwassereinsatz . Dabei wur-

Stephan Mayer (Altötting)







(A) (C)



(B) (D)


den beispielsweise 5,5 Millionen Liter Frischwasser,
Trinkwasser, produziert . Wer also glaubt, die Trinkwas-
seraufbereitung ist nur etwas für Schwellenländer oder
Entwicklungsländer, der irrt kolossal . Die Trinkwasser-
aufbereitung und die dafür erforderlichen technischen
Anlagen sind auch im Inland dringend notwendig . In
der Stadt Simbach sind die Menschen zum Beispiel über
zwei Wochen hinweg ausschließlich mithilfe der Trink-
wasseraufbereitungsanlage des THW versorgt worden .

Ich sage dies deshalb hier so ausdrücklich und auch
ausführlich, weil dies aus meiner Sicht in besonderer
Weise zeigt, dass es richtig ist, dass wir ein Fahrzeugbe-
schaffungsprogramm für das THW mit einem Volumen
von 100 Millionen Euro auf die Beine stellen, dass es
zu 170 zusätzlichen Stellen und zu 150 Stellenhebungen
beim THW kommt und dass in Zukunft weitere 3,2 Mil-
lionen Euro für die Helfergewinnung und die Helferbin-
dung zur Verfügung stehen werden . Das kann sich aus
meiner Sicht wirklich sehen lassen, und dafür sagt das
THW Danke . Das ist aber auch das klare Signal, dass
es der Deutsche Bundestag, insbesondere die Regie-
rungskoalition, ausdrücklich zu schätzen weiß, was hier
Tausende von Ehrenamtlichen tagtäglich in Deutschland
leisten .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Zum Abschluss ein kurzes Wort zur Sportförderung:
Das Sportförderkonzept des Bundesinnenministeriums
ist richtig und sachgerecht,


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie bei der Anhörung nicht zugehört?)


und ich bin der festen Überzeugung, dass man mit den
vorhandenen Mitteln durchaus noch mehr Leistungen
bewirken kann .

Abschließend sage ich aber auch noch deutlich dazu:
Wenn der DOSB in seiner Mitgliederversammlung An-
fang Dezember dieses Jahres in Magdeburg dieses Sport-
förderkonzept billigt und unterstützt, dann bedarf es
aus meiner Sicht spätestens im Haushalt 2018 weiterer
Mittel, um dieses Sportförderkonzept tatsächlich auch
umzusetzen und die entsprechenden Umstellungen und
Transferleistungen vor Ort zu bewirken .

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820109100

Ich muss noch einmal darauf aufmerksam machen:

Wenn Sie die Zeit in dieser Weise überziehen, dann geht
das nach unserer Verabredung auf Kosten der Ihnen
nachfolgenden Kolleginnen und Kollegen Ihrer Fraktion .
Ich bin hier nicht frei, wenn es um die Durchsetzung die-
ser Verabredung geht . Ich bitte also alle Fraktionen noch
einmal, sich an die angegebene Redezeit zu halten .

Das Wort hat die Kollegin Michaela Engelmeier für
die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Michaela Engelmeier (SPD):
Rede ID: ID1820109200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren! Ich werde wahrscheinlich offene Türen bei Ihnen
einrennen, wenn ich Ihnen erzähle, dass der Sport in sei-
ner Vielseitigkeit ein wichtiger Bestandteil unserer Ge-
sellschaft ist . Neben der körperlichen Betätigung ist er
nicht nur Freizeit- und Unterhaltungsfaktor, sondern ins-
besondere auch Quelle für ehrenamtliches Engagement
in den Vereinen, die häufig mit vielfältigen Aktivitäten zu
einer lebendigen Stadt- und Dorfgemeinschaft beitragen .

Sport bringt die Menschen zusammen, ganz unabhän-
gig von ihrer Herkunft, ihrem Alter, ihrem Geschlecht,
ihrer Sexualität oder Religion, und vermittelt dabei ele-
mentare Werte unserer Gesellschaft; denn Sport lebt von
Toleranz, Fairness, Teamgeist, Leistungsbereitschaft und
gegenseitigem Respekt . Der Sport wirkt völkerverbin-
dend, überwindet politische Grenzen und hilft, Vorurteile
abzubauen . Sie sehen: Sport ist also mehr als bloße Be-
geisterung auf dem Spielfeld, am Spielfeldrand und – Sie
erlauben einen kleinen Exkurs in meine Sportart – auf
der Judomatte .

Daher hat die Große Koalition in den letzten drei Jah-
ren für den organisierten Sport mit seinen über 27 Mil-
lionen Mitgliedern in über 90 000 Sportvereinen, übri-
gens die größte gesellschaftliche Gruppe in diesem Land,
wirklich Großes und Gutes geleistet . In der laufenden
Legislaturperiode haben wir es geschafft, die Mittel für
den Spitzensport im zuständigen Bundesinnenministe-
rium von 140 Millionen Euro auf über 165 Millionen
Euro anzuheben . Das ist übrigens ein Plus von mehr als
25 Millionen Euro .


(Bärbel Bas [SPD]: Hört! Hört!)


Lieber André Hahn, du weißt, dass ich dich wirklich
schätze, aber du hast gerade erzählt, es gäbe in diesem
Bereich 11 Millionen Euro weniger . Wir müssen bei der
Wahrheit bleiben und sagen: Die 10 Millionen Euro, die
für die Bewerbung von Hamburg als Austragungsort für
die Olympischen Spiele im letzten Haushalt standen, sind
nicht mehr enthalten, weil wir alle wissen, dass Hamburg
mit seiner Bewerbung – leider – gescheitert ist .

Allein für das kommende Jahr stellt der Bund für die
Förderung des deutschen Spitzensports 5,2 Millionen
Euro mehr zur Verfügung . Der darin enthaltene Auf-
wuchs von 1,5 Millionen Euro für die Förderung des
Behindertenleistungssports – übrigens, André, nicht erst
nach eurem Antrag, sondern die Sozialdemokraten sind
schon immer ein großer Förderer und begeisterter Fan
des deutschen Behindertensports und seines Personals
gewesen –


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an die LINKE gewandt: Im Sportausschuss habt ihr keinen Antrag gehabt!)


Stephan Mayer (Altötting)







(A) (C)



(B) (D)


freut uns .


(Beifall bei der SPD – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr hättet euch ein paar Wochen eher freuen können!)


Wir alle haben die Bilder der Paralympischen Spiele
in Rio vor Augen . Ich bin bei den Olympischen Spielen
gewesen; auch das ist schon eine tolle Geschichte . Aber
ich sage Ihnen: Als ich die Bilder von den Paralympi-
schen Spielen im Fernsehen gesehen habe, ist mir wirk-
lich ein Schauer über den Rücken gelaufen . Das, was da
passierte, ist gelebte Inklusion . Deswegen freuen wir uns
über diesen Mittelaufwuchs .

Unsere paralympischen Athletinnen und Athleten
haben in Rio gezeigt, was in ihnen steckt . Mit 57 Me-
daillen kehrten sie stolz nach Deutschland zurück . Mit
diesem Aufwuchs an Mitteln möchten wir einen Beitrag
zur gelebten Inklusion leisten und vor allen Dingen für
Planungssicherheit bei den Verbänden sorgen .

Über die Bereitstellung von finanziellen Ressourcen
können sich auch die fünf neuen olympischen Sportarten
Baseball/Softball, Karate, Skateboard, Sportklettern und
Surfen freuen . Um diesen Verbänden mit ihren Athletin-
nen und Athleten eine optimale Vorbereitungsphase für
die Olympischen Sommerspiele 2020 in Tokio zu ermög-
lichen, stellt der Bund ab sofort Fördermittel in Höhe von
3 Millionen Euro zur Verfügung .


(Beifall bei der SPD)


An dieser Stelle möchte ich aber jemandem besonders
danken, der eigentlich nicht im Fokus des Sports steht:
Das ist unser Fraktionsvorsitzender Thomas Oppermann .


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)


Er hat sich in den Haushaltsverhandlungen dafür einge-
setzt, dass im Bundesumweltministerium für die ener-
getische Gebäudesanierung weitere 100 Millionen Euro
bereitgestellt werden können . Hiervon sollen die Berei-
che Jugend, Kultur und Sport besonders profitieren. Zu
häufig sind in Deutschland Vereine in ihrer Existenz
bedroht, weil in der Turn- oder Schwimmhalle die Be-
leuchtung nicht funktioniert, die Heizung defekt ist, die
Duschen kaputt sind oder die Nebenkosten zu hoch sind .
Wir können in Deutschland die Gesundheit, die Lebens-
freude, die Integration und die Inklusion nur mit intakten
Sportstätten sichern . Umso wichtiger ist es, dass wir den
Investitionsstau besonders bei maroden Sportanlagen
endlich abbauen .


(Beifall bei der SPD)


Zum Ende meiner Rede möchte ich gerne auf die Re-
form der Spitzensportförderung zu sprechen kommen .
Der Deutsche Olympische Sportbund benötigt nach eige-
nen Aussagen mehr finanzielle Mittel zur Durchführung
der Reform, die den internationalen sportlichen Erfolg
von deutschen Athletinnen und Athleten sichern sollen .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er sagt uns nicht mal, was er will!)


Der Deutsche Bundestag unterstützt die Reformbemü-
hungen des organisierten Sports in Deutschland aus-

drücklich . Doch können wir heute noch keine Reform
finanzieren, die der Sport erst einmal intern anstoßen und
ausdiskutieren sollte .

Das Ziel der Reform ist klar, doch der Weg dahin ist
weiter mit vielen Fragezeichen behaftet . Übrigens hätte
ich mir dazu auch eine breite gesellschaftliche Diskussi-
on mit allen Playern gewünscht .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und nicht hinter verschlossenen Türen!)


Das hätte uns, glaube ich, auch ganz gut zu Gesicht ge-
standen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Um mit den Worten von Willy Brandt zu schließen:

Der Förderung des Sports werden wir unsere be-
sondere Aufmerksamkeit widmen, ohne von dem
Grundsatz abzulassen, dass der Sport von staatlicher
Bevormundung frei bleiben muss .

Ich danke Ihnen .


(Beifall bei der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820109300

Das Wort hat der Kollege Dr . André Berghegger für

die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. André Berghegger (CDU):
Rede ID: ID1820109400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Als letzter
Redner der Debatte werde auch ich versuchen, den Ein-
zelplan aus meiner Sicht zu beschreiben und zu bewerten .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das können Sie auch kürzer machen!)


Die eine oder andere Wiederholung wird sich nicht ver-
meiden lassen .

Natürlich trägt der Einzelplan 06 die Handschrift der
Union und unseres Innenministers Thomas de Maizière .
In der laufenden Legislaturperiode ist der Etat um gut
50 Prozent auf beinahe 9 Milliarden Euro gestiegen . Das
ist eine beeindruckende Leistung, wie wir schon mehr-
fach gehört haben .

Aber hier schließt sich vielleicht der Kreis zum Be-
ginn der Debatte . Der Kollege Claus hatte zu Beginn der
Debatte für die Linke gesagt, dass im Rahmen der Haus-
haltsberatungen die größten Zugewinne bei Frau von der
Leyen und bei Herrn de Maizière zu verzeichnen gewe-
sen seien . Herr Claus, dem muss ich widersprechen: Die
größten Zugewinne im Rahmen der Haushaltsberatungen
sind bei der inneren und äußeren Sicherheit zu verzeich-
nen, und das ist gut so und auch angebracht .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Denn es gibt Gründe dafür . Wir bewegen uns in einer
schnelllebigen und teilweise auch unruhigen Zeit, und

Michaela Engelmeier






(A) (C)



(B) (D)


der Etat ist natürlich auch eine Reaktion darauf . Die inne-
re Sicherheit braucht ein festes Wertefundament, und das
haben wir auch . Die freiheitlich-demokratische Grund-
ordnung in unserem Grundgesetz und die europäischen
Grundwerte bilden unsere Basis .

Wir müssen uns nicht für unsere staatliche und gesell-
schaftliche Ordnung entschuldigen . Wir müssen für sie
werben und darauf bestehen, dass sie gilt . Denn diese
Ordnung hat erstens ein hohes Maß an demokratischer
Legitimation . Zweitens bildet sie die Voraussetzung da-
für, dass wir auch in Zukunft in Freiheit, Frieden und To-
leranz miteinander leben können . Drittens ist diese Ord-
nung dazu geeignet, Ungerechtigkeiten und Spannungen,
die es auch in unserer Gesellschaft gibt, abzubauen, und
viertens erlaubt sie es, aus konkreten Erfahrungen zu ler-
nen, manchmal auch im Wege des Trial and Error .

Wir dürfen nur nicht in Hektik verfallen, sondern müs-
sen entschieden und mutig handeln . Auch unbequeme
Wahrheiten sind umzusetzen . Wir sollten in langen Lini-
en denken, und wir sollten Vertrauen und Überzeugung
zurückgewinnen oder bilden .

Auch wenn es, wie der Innenminister immer wieder
betont, keine hundertprozentige Sicherheit bzw . keine
Garantie dafür gibt, werden wir alles Erdenkliche tun,
um die Sicherheit und eine entsprechende Prävention für
unsere Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten . Der
Etat des Einzelplans 06 setzt ein klares Zeichen in diese
Richtung .

Der Etat im Einzelnen: Der Bereich „Innere Sicher-
heit“ wird von vielen Behörden und Einrichtungen wahr-
genommen . Im kommenden Haushaltsjahr werden diese
Bereiche deutlich gestärkt . Bereits im Regierungsent-
wurf konnten wir ein erstes Sicherheitspaket mit mehr als
900 zusätzlichen Stellen für 2017 sowie Personal- und
Sachmitteln in Höhe von über 730 Millionen Euro bis
zum Jahr 2020 beschließen .

Im parlamentarischen Verfahren haben wir ein zwei-
tes Sicherheitspaket mit nochmals 4 300 neuen Stellen
für 2017 und den entsprechenden Personal- und Sach-
mitteln in Höhe von gut 870 Millionen Euro beraten und
beschlossen .

Das ist die dringend notwendige finanzielle Unterstüt-
zung für unsere Sicherheitsbehörden, insbesondere für
ihre wichtige Arbeit zur Bekämpfung des Terrorismus .
Wir müssen jedoch darauf achten, dass die Behörden und
Einrichtungen organisch mitwachsen können . Es reicht
nicht, nur Stellen auszuweisen und Mittel zur Verfügung
zu stellen; sie müssen auch effektiv eingesetzt werden
können . Das ist bis jetzt aber wohl austariert .

Wenige Schwerpunkte des Etats: Die Bundespolizei
verzeichnet zusätzliche Stellen, um eine Entlastung der
vorhandenen Beamtinnen und Beamten zu gewährleis-
ten, die derzeit viele Überstunden ansammeln . Es wird
etliche Stellenanhebungen für verdiente Beförderungen
in diesen Bereichen geben . Das fördert die Motivation
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den großartigen
Einsatz und eröffnet Perspektiven .

Wir werden die Ansätze für Materialbeschaffungen
zugunsten einer effektiven Arbeit dieser Mitarbeiterin-

nen und Mitarbeiter erhöhen . Insbesondere möchte ich
die drei neuen Einsatzschiffe und den neuen Transport-
hubschrauber für die Einheiten der BFE+ bei der Bundes-
polizei hervorheben . Abgerundet wird die Wertschätzung
für die Bundespolizei durch unser langfristiges Liegen-
schaftsprogramm, das sowohl die Dienstliegenschaften
als auch die Bahnhöfe sowie die Flug- und Seehäfen
umfasst . Eine Konkretisierung durch die Bundespolizei
erfolgt noch im Laufe der Zeit .

Das THW bildet den zweiten Schwerpunkt . Die Per-
sonalstruktur wird verbessert durch 170 neue Stellen und
150 Stellenanhebungen . Das Fahrzeugbeschaffungspro-
gramm sorgt bis 2023 Schritt für Schritt für die Erneu-
erung der in die Jahre gekommenen Fahrzeugbestände .
Das schafft langfristige Planbarkeit und stellt ein aus-
drückliches Bekenntnis zu unseren ehrenamtlichen Hel-
ferinnen und Helfern in diesem Bereich dar .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Um dem THW eine Perspektive zu geben, haben wir uns
für eine Nachwuchskampagne mit einem Volumen von
3 Millionen Euro eingesetzt .

Jeder von uns spürt es in den Gesprächen – ob hier
oder im Wahlkreis –: Der Zusammenhalt in der Gesell-
schaft ist ein wichtiger Aspekt . Ein Schwerpunkt unseres
Handelns wird weiterhin die Verbesserung der Flücht-
lingssituation sein . Die Zahl derjenigen, die auf der
Suche nach Schutz und Sicherheit zu uns kommen, ist
zuletzt deutlich gesunken . Die Herausforderungen haben
sich verschoben, bzw . es sind neue hinzugekommen .

Erstens . Wir werden uns weiterhin intensiv derjenigen
annehmen, die eine langfristige Perspektive bei uns ha-
ben . Die Mittel für das Programm „Migrationsberatung
für erwachsene Zuwanderer“ werden auf 50 Millionen
Euro angehoben . Damit werden zusätzliche Beraterstel-
len ermöglicht und wird die Qualität trotz hoher Fallzah-
len aufrechterhalten .

Zweitens . Wir werden uns auch um die Asylbewerber
mit unklarer Bleibeperspektive kümmern . Die Erstorien-
tierungsangebote – bislang befristete Pilotprojekte – wer-
den durch zusätzliche Mittel bundesweit ausgeweitet .

Drittens . Wir wollen – das ist ein wichtiger Aspekt –
die Zahl der freiwilligen Ausreisen derjenigen steigern,
die zur Ausreise verpflichtet sind. Deshalb gibt es im
kommenden Jahr ein Anreizprogramm des Bundes mit
einem Volumen von 40 Millionen Euro, ergänzend zu
den entsprechenden Programmen der Länder . Zusammen
mit den verbindlichen Rückführungen im Rahmen des
Asylverfahrens soll die Anzahl derer, die unser Land ver-
lassen, deutlich erhöht werden . Ich bin der festen Über-
zeugung, dass die Durchsetzung des Rechts die Akzep-
tanz in der Bevölkerung erhöhen wird .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Gegen Ende meiner Rede – ich darf den Schluss ja
nicht ankündigen – noch ein Gedanke: Unser Wertefun-
dament beinhaltet natürlich auch die föderale Ordnung
des Grundgesetzes . Nicht der Bund alleine ist für alle
Kriminalitätsfacetten und Probleme zuständig . Die vor-

Dr. André Berghegger






(A) (C)



(B) (D)


rangige Zuständigkeit liegt naturgemäß bei den Ländern .
Um Werte zu vermitteln und durchzusetzen, sind Nähe
und Vertrautheit von Vorteil . Hier haben kleinere Ein-
heiten ihre Vorzüge . Aber ich würde mich freuen, wenn
die Länder – an diese appelliere ich – im Durchschnitt
die Stellen der Polizeivollzugsbeamten so sehr aufwach-
sen lassen würden, wie wir das in den letzten Jahren bei
der Bundespolizei getan haben . Dann könnten wir in der
gemeinsamen Arbeit eine ganze Menge erreichen . Wir
könnten Tendenzen entgegenwirken, die mir Sorge be-
reiten . Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung könnte
verbessert werden . Das Verständnis für die Polizeiarbeit
könnte wieder wachsen . Die Polizei bekäme endlich wie-
der den Respekt, den sie verdient . Sie setzt sich schließ-
lich jeden Tag für uns und unsere Sicherheit ein . Dadurch
könnten das Wertefundament und damit auch der Zusam-
menhalt in unserer Gesellschaft gestärkt werden .

Vielen Dank für das freundliche Zuhören .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820109500

Vielen Dank, auch für das Unterschreiten der Rede-

zeit . – Ich schließe die Aussprache .

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Ein-
zelplan 06 – Bundesministerium des Innern – in der Aus-
schussfassung . Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dage-
gen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 06 ist mit den
Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion
gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen angenommen .

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzel-
plan 21 – Bundesbeauftragte für den Datenschutz und
die Informationsfreiheit – in der Ausschussfassung . Wer
stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Der Einzelplan 21 ist einstimmig angenommen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt I .7 auf:

Einzelplan 15
Bundesministerium für Gesundheit

Drucksachen 18/9814, 18/9824

Die Berichterstattung haben die Abgeordneten
Burkhard Blienert, Helmut Heiderich, Dr . Gesine Lötzsch
und Ekin Deligöz inne .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist es so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat die Kollegin
Dr . Gesine Lötzsch für die Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820109600

Herzlichen Dank . – Frau Präsidentin! Meine sehr ge-

ehrten Damen und Herren! Für die Linke ist es ein wich-
tiges Ziel, endlich wieder die paritätische Finanzierung
der Krankenversicherung herzustellen . Das erkennen im-
mer mehr Menschen in unserem Land . Beispiel: Schles-

wig-Holsteinischer Landtag in Kiel . Der Landtag in Kiel
hat beschlossen, dass die Arbeitgeber wieder einen eben-
so hohen Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung
leisten sollen wie die Arbeitnehmer . Das wurde am ver-
gangenen Freitag mit den Stimmen der SPD, der Grünen,
des SSW und der Piraten beschlossen . Wir brauchen sol-
che Beschlüsse nicht nur in den Landtagen, sondern vor
allem hier im Bundestag .


(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Wie hat denn die Linke in Kiel abgestimmt?)


In Berlin bereitet sich die künftige Koalition von
SPD, Linken und Grünen auf die Regierung vor . Auch
hier wurde beschlossen, die Wiedereinführung der pari-
tätischen Finanzierung zu fordern . Auch das ist eine gute
Entwicklung .


(Beifall bei der LINKEN – Mechthild Rawert [SPD]: Genau deshalb haben wir es gemacht!)


– Es ist gut, wenn wir uns so einig sind. – Darum, finde
ich, sollten wir hier im Bundestag endlich dafür sorgen,
dass Kostensteigerungen im Gesundheitssystem nicht al-
lein den Versicherten aufgebürdet werden . Die beste Lö-
sung wäre, wenn wir endlich die schon lange diskutierte
und versprochene Bürgerversicherung einführen würden .


(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der CDU/CSU)


Sie, Herr Gröhe – das verstehe ich in gewisser Wei-
se –, möchten vor der Bundestagswahl am liebsten gar
nicht über Kostensteigerungen und Zusatzbeiträge spre-
chen .


(Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Dafür haben wir Sie ja!)


– Ja, genau . Deshalb sollten Sie genau zuhören und eini-
ge Lehren aus unseren Vorschlägen ableiten .


(Reiner Meier [CDU/CSU]: Rote Märchen!)


Das Problem ist, dass die Kostensteigerungen, die
Zusatzbeiträge garantiert nach der Bundestagswahl kom-
men werden, aber wir haben alle gemeinsam die Mög-
lichkeit, das zu verhindern, wenn wir endlich wieder die
Parität herstellen .


(Beifall bei der LINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Ihre Prophezeiungen sind noch nie eingetroffen!)


Wir können auch direkt einen Beitrag zur Beitrags-
stabilität leisten . Sie alle wissen, dass es einen Bundes-
zuschuss gibt, der die versicherungsfremden Leistungen
bei den Kassen abdecken soll . Der betrug im Jahr 2012
14 Milliarden Euro . Zur Konsolidierung des Bundes-
haushaltes wurde er in den darauffolgenden Jahren abge-
senkt. Der Finanzminister ist also seinen Verpflichtungen
gegenüber den Beitragszahlern nicht nachgekommen
und hat einfach den Bundeszuschuss um Milliarden ge-
senkt, um seine schwarze Null aufs Papier schreiben zu
können . Ich könnte Ihnen noch andere Beispiele nennen,

Dr. André Berghegger






(A) (C)



(B) (D)


die zeigen, dass die schwarze Null mindestens genauso
manipuliert ist wie die Abgaswerte von Volkswagen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Uns geht es aber nicht nur um die Versicherten, son-
dern auch und vor allem um die Beschäftigten im Ge-
sundheitswesen . Ein großes Thema ist der Personalman-
gel, insbesondere im Pflegebereich. Das Verhältnis von
Beschäftigten zu Patienten liegt in unserem Land bei
1 : 21 . In Dänemark kommen auf einen Beschäftigen
zehn Patienten, in Norwegen sogar nur neun . Ich versi-
chere Ihnen: Wenn wir eine Umfrage in den Krankenhäu-
sern machen würden, ob die Patienten und die Beschäf-
tigten die schwarze Null oder mehr Personal wichtiger
finden würden, dann wäre das Ergebnis – ich glaube, wir
kennen die Antwort – nicht die schwarze Null .


(Beifall bei der LINKEN)


Wir hören immer wieder Klagen aus Krankenhäusern,
dass die Länder zu wenig in die Krankenhäuser inves-
tieren .


(Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Das ist allerdings wahr!)


Wir als Linke haben einen Antrag gestellt, mit 2,5 Mil-
liarden Euro Bundesmitteln die Sanierung der Kranken-
häuser voranzutreiben .


(Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Haben Sie mal die Verfassung gelesen?)


Leider wurde dieser Antrag von der Koalition abgelehnt .
Dabei ist doch schon geplant – wir werden nächste Wo-
che etwas über den Nachtragshaushalt erfahren –, die
Schulen mit Bundesmitteln zu sanieren . Warum machen
wir das nicht genauso bei den Krankenhäusern? Das ist
doch eine gute Idee. Ich finde, der sollten Sie sich an-
schließen .


(Beifall bei der LINKEN – Reiner Meier [CDU/CSU]: Verfassung lesen!)


– Wir bekommen nächste Woche Nachricht über den
Nachtragshaushalt . Da werden Sie das lesen .

Es gibt allerdings auch eine gute Nachricht: Der Haus-
haltsausschuss hat die Bundesregierung einstimmig auf-
gefordert, noch in dieser Wahlperiode Prüfungsrechte für
den Bundesrechnungshof gegenüber den Kassenärztli-
chen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen und deren
Bundesvereinigung sowie gegenüber dem Gemeinsamen
Bundesausschuss und der Deutschen Krankenhausge-
sellschaft in das laufende Gesetzgebungsverfahren ein-
zubringen . Das ist wirklich ein gemeinsamer Erfolg, den
wir hier erarbeitet haben . Er muss jetzt umgesetzt wer-
den; das ist bitter nötig .


(Beifall des Abg . Harald Weinberg [DIE LINKE])


Nach all den Skandalen bei Deutschlands obersten Kas-
senärzten müssen die Geschäfte dieser Spitzenorganisa-
tionen im Gesundheitswesen in Zukunft deutlich strenger
überprüft werden .


(Beifall bei der LINKEN)


– Sie können eigentlich alle klatschen, weil ja alle Frak-
tionen zugestimmt haben . Aber das nur als kleiner Hin-
weis von mir .

Die oberste Verwaltung der Kassenärzte steht wegen
überhöhter Zuzahlungen an Ruheständler und wegen du-
bioser Immobilienfinanzierungen in der Kritik. Die Auf-
gabe dieser Vereinigung ist aber eine ganz andere . Sie
soll nämlich die medizinische Versorgung in unserem
Land sicherstellen und eben nicht in die eigene Tasche
wirtschaften . Das muss ein Ende haben .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Kuchen im Gesundheitswesen ist groß, und viele
wollen davon etwas haben. Immer häufiger werden wirt-
schaftliche Interessen höher bewertet als medizinische
Notwendigkeiten . Eine Umfrage, die der Lehrstuhl für
Medizinmanagement der Universität Duisburg-Essen
durchgeführt hat, hat ergeben, dass Chefärzte der Auffas-
sung sind, dass 39 Prozent der Eingriffe allein aus ökono-
mischen und nicht aus medizinischen Gründen erfolgen .
Das darf nicht passieren . Herr Gröhe, jeder muss sich
von dem Gedanken verabschieden, dass ein Krankenhaus
wie eine Schraubenfabrik zu führen ist . An erster Stelle
muss wieder die Gesundheit stehen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820109700

Das Wort hat der Kollege Helmut Heiderich für die

CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1820109800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Man hat eben gemerkt, dass es Frau Dr . Lötzsch schon
ziemlich schwergefallen ist, große Pirouetten zu drehen,
um irgendwelche Kritikpunkte am Gesundheitssystem zu
finden.


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Nein! – Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Deswegen hat sie auch nicht zum Thema gesprochen!)


Tatsache ist: Der Gesundheitsetat, den wir heute vor-
legen, ist der beste Gesundheitsetat, der jemals in diesem
Hause bearbeitet und beraten worden ist .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Tatsache ist auch: Das deutsche Gesundheitssystem ist
nach wie vor in Europa und weltweit ein Spitzensystem
mit Spitzenleistungen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das hat im letzten Jahr wieder eine OECD-Studie erge-
ben, und das haben auch andere Studien vorher ergeben .

Dr. Gesine Lötzsch






(A) (C)



(B) (D)


Wenn man bei den Pirouetten, die Sie eben punktuell
gedreht haben, einmal das Gesamtsystem im Auge be-
hält, dann erkennt man: Es ist doch keineswegs selbstver-
ständlich, dass jeder Bürger in Deutschland den Schutz
einer Krankenversicherung genießt . Denken Sie einmal
darüber vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion
in den USA nach . Es ist auch keineswegs selbstverständ-
lich, dass jeder Bürger den direkten Zugang zur Medizin
und zur Spitzenmedizin hat, wenn er diese braucht . Dass
hier jeder diesen Zugang hat, ist ebenfalls eine Leistung
des deutschen Gesundheitssystems .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dass jeder in seinem Leben präventive Unterstützung
hat, vom Impfschutz des Kleinkindes bis zur Versorgung
des Senioren im Vorfeld therapeutischer Behandlungen,
ist ebenfalls eine Leistung, die wir hier herausstellen
können und die deutlich macht: Dieses Gesundheitssys-
tem ist eines der besten .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Natürlich ist es – Sie haben eben schon davon gespro-
chen – ein riesiges System . Es sind laut Destatis mehr
als 5 Millionen Menschen, die jeden Tag arbeiten und
sich Mühe geben, um anderen ihre Gesundheit zu erhal-
ten oder wiederzugeben . Es sind mehr als 350 Milliarden
Euro, die Jahr für Jahr eingesetzt werden – mehr als der
Bundeshaushalt . Natürlich muss man ein solches System
ständig fortentwickeln, im Auge behalten . Man muss
Missstände abstellen und die Herausforderungen der Zu-
kunft annehmen .

Ich glaube – das muss an dieser Stelle auch einmal ge-
sagt werden –, Bundesminister Hermann Gröhe hat das
in den drei Jahren dieser Wahlperiode ganz hervorragend
geleistet .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Er hat bis dato diesem Haus insgesamt 16 Gesetzentwür-
fe vorgelegt und sie zur Beschlussfassung gebracht, mit
denen deutliche Fortschritte erzielt werden .

Ich will, Frau Präsidentin, wenn Sie genehmigen, kurz
aus der Debatte von vor zwei Jahren zitieren . Aus den
Reihen der Grünen hieß es:

Es bleibt dabei, dass wichtige Vorhaben auf den
Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden,


(Beifall der Abg . Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


wie die Einführung des neuen Pflegebegriffs,

– wir dürfen den Minister und auch Karl-Josef Laumann
dafür loben, dass das nicht so ist –

eine Krankenhausreform

– die Qualitätsreform ist in Gang gesetzt –

oder das Präventionsgesetz .

Das ist auch in Kraft getreten . – Ich glaube auch Sie kön-
nen zustimmen: Da ist in zwei Jahren viel geschehen,

und da dürfte man auch mal ein Lob an den Minister und
seine Mannschaft aussprechen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Das kommt nachher sicherlich noch!)


Meine Damen und Herren, wir haben auch auf der fi-
nanziellen Seite – das wird sicherlich heute noch mehr-
fach angesprochen werden – erheblich zugelegt . Wir
haben jetzt wieder einen Zuschuss von 14,5 Milliarden
Euro aus dem Bundeshaushalt an den Gesundheits-
fonds . Wir haben im Gesundheitsfonds eine Reserve von
10 Milliarden Euro . Wir haben bei den Krankenkassen –
so meine letzte Zahl – eine Reserve von 15 Milliarden
Euro . Es gibt auch nicht, was Anfang des Jahres immer
wieder und überall geschrieben wurde, auch in der Pres-
se – man wollte das sozusagen schon herbeireden –, eine
deutliche Beitragserhöhung für die Mitglieder der Kran-
kenkassen, sondern auch da haben wir eine stabile Wei-
terentwicklung .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich glaube, dass sich vor diesem Hintergrund dieser
Haushalt sehr sehen lassen kann .

Wir haben in den Beratungen der Berichterstatter und
mit dem Haus eine ganze Reihe von Themen erörtert . Ich
darf mich beim Kollegen Burkhard Blienert herzlich be-
danken, dass wir sehr vertrauensvoll zusammenarbeiten
konnten . Wir haben eine Reihe von neuen Schwerpunk-
ten gesetzt; er wird sicherlich auch noch einige Punkte
nennen .

Einer von diesen Punkten ist, dass wir international
mehr Verantwortung übernehmen als bisher . Die Bun-
desrepublik war bei der WHO schon bisher der dritt-
größte Beitragszahler, was die Pflichtbeiträge angeht.
Das erhalten wir aufrecht . Aber wir geben jetzt weitere
Mittel an diese Organisation . Wir werden in diesem Jahr
erstmals freiwillige Beiträge in Höhe von 35 Millionen
Euro an die WHO leisten . Wir erwarten, dass mit die-
sen freiwilligen Beiträgen die Strukturentwicklung in der
WHO verbessert wird . Wir alle haben beim Ausbruch der
Ebola krise erlebt, dass es dort strukturelle Schwierigkei-
ten gab, auf dieses Problem zu reagieren . Die Situation
wollen wir mit unserem Einsatz verbessern helfen . Dafür
stehen diese 35 Millionen Euro zur Verfügung .

Wir geben weiterhin Mittel, weil wir im nächsten Jahr
auch die G-20-Präsidentschaft innehaben . Es sind zusätz-
liche Mittel, insgesamt 5 Millionen Euro, um im Rahmen
des G-20-Vorsitzes international Beiträge zu leisten und
Zeichen zu setzen . Wir geben noch einmal 5 Millionen
Euro für die Krisenreaktion und für verschiedene Aufga-
ben im G-7-Bereich . Hier geht es insbesondere darum –
darüber haben wir hier auch schon mehrfach diskutiert –,
etwas gegen die Entwicklung von Antibiotikaresisten-
zen zu tun . Auch das ist ein Thema, mit dem wir uns im
Haushaltsverfahren beschäftigt haben und für das wir zu-
sätzliche Mittel einsetzen wollen .

Wir geben auch zusätzliche Mittel – ich habe es eben
schon gesagt – in den Bereich der Prävention . Das ist
ein neues Thema . Dafür haben wir im vergangenen Jahr
die Strukturen neu geschaffen . Jetzt werden aus dem

Helmut Heiderich






(A) (C)



(B) (D)


Haushalt heraus die Mittel noch einmal erhöht, damit wir
überall dort, wo Prävention stattfinden soll – es wird ja
so schön gesagt: direkt im täglichen Leben –, also vom
Kleinkindbereich bis hin zum Seniorenbereich, neue An-
gebote machen können, die Menschen mit einbeziehen
können und natürlich am Schluss Krankheiten verhin-
dern und das Krankheitsausmaß reduzieren können; das
ist der Sinn von Prävention . Hier stehen – auch für den
Impfschutz bei Kindern, der mit einbezogen ist – insge-
samt 45,5 Millionen Euro zur Verfügung . Auch das ist
ein Ergebnis unserer Beratungen .

Ich will noch auf einen Punkt eingehen, den ich hier
schon mehrfach angesprochen habe und der mir sehr
wichtig ist . Das ist das Thema einer gleichgewichteten
medizinischen Versorgung in Stadt und Land . Wir haben
ja auf der einen Seite jedes Jahr steigende Arztzahlen, wir
haben aber auf der anderen Seite zur Kenntnis zu nehmen,
dass die Zahl der Hausärzte und Fachärzte im ländlichen
Raum ständig abnimmt . Ich habe einmal herausgesucht:
Bei mir im Hessenland liegt der Altersdurchschnitt der
Haus- und Fachärzte im Moment bei 55 Jahren . Da sind
die Ballungszentren schon einbezogen . Sie können sich
vorstellen, dass das in den ländlichen Regionen deutlich
problematischer aussieht . Bei mir im Landkreis zum Bei-
spiel, so sagte mir mein Landrat, sieht es im Moment so
aus, dass 45 Prozent der Hausärzte 2020 die Altersgrenze
überschritten haben werden . Von daher entsteht dort ein
riesiges Problem .

Wir haben in der Vergangenheit ja schon gesetzlich
vorgesorgt – 2012 Versorgungsstrukturgesetz und 2015
Versorgungsstärkungsgesetz – und haben neue Möglich-
keiten eröffnet . Deswegen habe ich das Haus einmal ge-
beten, dem nachzugehen und zu prüfen, was denn daraus
geworden ist . Ich muss sagen: Da bin ich doch einiger-
maßen enttäuscht . 2012 haben auf die Vorgaben, die wir
gemacht haben, ganze vier Bundesländer reagiert . 2015
haben weitere sieben Bundesländer nachgezogen . Sie
haben relativ breit gefächerte Angebote entwickelt; aber
wenn wir auf die Zahlen schauen, die mir genannt wur-
den, dann sehen wir, dass die Beträge irgendwo so um
die 2 oder 3 Millionen Euro liegen . Das ist, mit Verlaub,
nicht ausreichend, um diesem Problem entsprechend zu
begegnen oder es gar zu beheben .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich glaube deshalb, dass wir – das ist auch meine Bitte
an die Fachkollegen – nicht nur die gesetzlichen Voraus-
setzungen schaffen und den kassenärztlichen Vereinigun-
gen Möglichkeiten an die Hand geben dürfen, sondern
dass wir auch ein Stück weit nachschauen müssen, was
dort tatsächlich passiert . Werden die Möglichkeiten, die
wir geschaffen haben, auch ausgenutzt? Findet eine ent-
sprechende Umsetzung statt? Wird daraus Positives ent-
wickelt? Das sollten wir in der nächsten Zeit vielleicht
noch verstärkt tun, damit mithilfe der Möglichkeiten des
Strukturfonds eine bessere medizinische Versorgung im
ländlichen Raum möglich wird .

Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine Re-
dezeit nähert sich schon wieder dem Ende . Ich möchte
sagen: Wir legen hier mit diesem Haushalt eine hervor-
ragende Grundlage für eine gute Gesundheitsversorgung

in Deutschland . Wir wissen, es kommen immer neue
Aufgaben auf uns zu . Wir wollen nicht jedem alles ver-
sprechen, aber wir wollen stets daran arbeiten, dass un-
ser Gesundheitssystem besser wird, dass es in Stadt und
Land gleich gut bleibt und dass es bezahlbar bleibt für
die Bürger und den Bundeshaushalt . Da bin ich mir bei
Hermann Gröhe ganz sicher, dass wir das schaffen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820109900

Die Kollegin Ekin Deligöz hat für die Fraktion Bünd-

nis 90/Die Grünen das Wort .


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820110000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrter Herr Kollege Heiderich, ja, Sie haben
schon recht: Das Gesundheitssystem in Deutschland ist
schon eines der besten der Welt . Es sind alleine in den
GKVs 71 Millionen Menschen versichert, 85 Prozent da-
von in den 20 größten Einrichtungen . Damit haben wir
eine gewisse Verlässlichkeit . Aber die Frage ist ja nicht,
ob es gut ist, sondern die Frage ist: Wie können wir so
vorausschauend handeln, dass es auch morgen noch so
gut ist . Dafür müssen wir doch arbeiten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn uns das gelingen soll, dürfen auch wir Haus-
hälter unseren Blick nicht nur auf den Etat des Ministers
richten, sondern müssen ihn auch auf die Sozialkassen
richten . Auch da schaut es im Moment noch sehr gut
aus: Die Krankenkassen schreiben schwarze Zahlen, die
Rücklagen betragen – Sie haben es erwähnt – 15 Milli-
arden Euro . Aber, tut mir leid, das ist nicht Ihr Verdienst .
Das liegt auch daran, dass wir eine hohe Beschäftigungs-
quote haben, dass wir eine gute Konjunktur haben, dass
wir eine geringe Arbeitslosigkeit haben . Und all das
wirkt sich dann auf die Sozialversicherungen entspre-
chend aus .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der CDU/CSU: Alles schön! Alles wunderbar!)


Das ist doch das, was dahinter liegt .


(Reiner Meier [CDU/CSU]: Danke für das Lob!)


Aber was Sie machen, ist, dass Sie die Kosten für die
gesetzlichen Krankenkassen steigern . Im Moment liegen
sie noch bei 220 Milliarden Euro . Sie werden aber unab-
dingbar steigen . Das hat drei Gründe: erstens die tech-
nischen Entwicklungen und der medizinisch-technische
Fortschritt, zweitens der demografische Wandel – wir
werden älter; damit werden entsprechende Kosten auf
uns zukommen – und drittens die Gesetze und sogenann-
ten Reformen, die Sie in diesem Land beschlossen haben .

Diese Kosten müssen ausschließlich von den Kran-
kenkassen geschultert werden – und dann auch noch al-

Helmut Heiderich






(A) (C)



(B) (D)


lein von den Beitragszahlern . Das sind die Konsequen-
zen . Diese Kosten spiegeln sich auch nicht in diesem
Haushalt wider, sondern da lassen Sie die Versicherten
alleine und im Stich .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das ist besonders bedauerlich; denn weil es uns gera-
de gut geht, hätten wir jetzt auch die Chance, die Kran-
kenversicherung fit für die Zukunft zu machen, sie zu
erneuern, sie besser aufzubauen und sie stabil zu machen .


(Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Fordern Sie weniger Leistungen?)


Aber das machen Sie nicht . Eine verpasste Chance für
die Versicherung!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Minister, Ihre Gesetze sind teuer . Die Kaufmän-
nische Krankenkasse hat erklärt – es gibt auch andere
Krankenkassen, die das genauso vorrechnen –, dass den
Krankenkassen schon im nächsten Jahr Mehrausgaben
von 3 Milliarden Euro drohen . Diese Mehrausgaben wer-
den sukzessive zunehmen . Bis zum Jahre 2020 belaufen
sich die Mehrkosten aufgrund der Gesetze, die in dieser
Wahlperiode verabschiedet werden, wahrscheinlich auf
14 Milliarden Euro .

Wer zahlt diese Mehrkosten? Alleine die Versicherten .
Und warum? Weil Sie nicht den Mumm haben, zu einem
echten paritätischen System zurückzukehren und die Ar-
beitgeber mit daran zu beteiligen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wenn Ihnen wirklich an Solidarität gelegen wäre,
dann würden Sie hier etwas verändern und nicht an über-
holten Strukturen festhalten; denn zu echter Solidarität
gehört nun einmal, dass sich auch die Arbeitgeber daran
beteiligen .

Sie haben zwar zehn Gesetze verabschiedet, dennoch
bleibe ich bei meiner Aussage: Kernbereiche müssen wir
immer noch angehen . Und vor allem: Verwechseln Sie
nicht Quantität mit Qualität .

Hier nenne ich zum Beispiel das Pflegestärkungsge-
setz II . Sie haben da zwar sehr vieles verändert . Wenn
ich vor Ort Gespräche führe, höre ich aber, dass das Pro-
blem des Personalmangels in der Pflege immer noch be-
steht . Daran wird – es tut mir leid – mehr Werbung für
Pflege allein nichts ändern. Vielmehr müssen wir an die
Strukturen herangehen und für bessere Bezahlung dieser
Dienstleistung eintreten . Wenn wir diesem Personalman-
gel abhelfen wollen, müssen wir im Grundsatz viel mehr
für Pflege und auch für diesen Berufsstand tun, als nur
Hochglanzbroschüren herauszugeben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb fordern wir als Grüne auch, etwas gegen den
Personalmangel in medizinischen Berufen zu tun . Übri-
gens fordern wir auch deshalb eine Pflegebürgerversi-
cherung, weil wir mit der Ausweitung der Solidarität auf
mehr Schultern auch eine Stabilität im System bekom-
men würden .

Den Pflegevorsorgefonds könnten Sie übrigens, wenn
Sie ehrlich sind, genauso gut streichen . Er ist schon total
zaghaft angelaufen . Jetzt haben wir ein Zwischenhoch,
weil die Zinsen niedrig sind und die Leute diese Mög-
lichkeit gerne mitnehmen . Aber obwohl die Bedingun-
gen dafür bestens sind, erreichen Sie bei weitem nicht
das, was angedacht war und was Sie eigentlich von vorn-
herein hätten erreichen müssen . Das heißt, dass die Men-
schen diese Form von Pflegevorsorge nicht annehmen.
Wenn etwas nicht funktioniert, muss man auch einmal
den Mumm haben, zu sagen: Wir streichen das und den-
ken neu nach . – Das haben Sie aber nicht getan . Verpass-
te Chance!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE])


Wir haben zuletzt auch noch einmal den Antrag ein-
gebracht, 50 Millionen Euro zusätzlich für die Psycho-
sozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer bereit-
zustellen . Warum wollen wir das? Flüchtlinge kommen
nach einer langen schwierigen Reise mit vielen Torturen
hierher . Sie haben etwas Schreckliches erlebt und sind
traumatisiert . Wir verlangen von ihnen, dass sie Deutsch
lernen, dass sie erwerbstätig werden und dass sie für ihre
eigene Existenz sorgen . Solange es uns aber nicht ge-
lingt, diese durch die Traumata entstandenen Blockaden
aufzulösen, wird uns oftmals auch die Integration nicht
gelingen .

Deshalb müssen wir diese Strukturen, bei denen es
nicht nur um Behandlung, sondern auch um Präventiv-
maßnahmen geht, stärken . Dazu gehört übrigens auch
der Einsatz von Dolmetscherinnen und Dolmetschern im
Rahmen einer Behandlung .

Die von uns hierfür beantragten 50 Millionen Euro be-
reitzustellen, hätten wir bei diesem Haushaltsplan wahr-
haftig auch noch hinkriegen können . Verglichen mit dem
großen Haushalt ist das eine relativ kleine Summe . Es
hätte aber große Auswirkungen auf die Zukunft der Men-
schen, die neu in diesem Land ankommen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE])


Ich möchte mich an dieser Stelle aber noch für drei
Dinge bedanken:

Erstens . Herr Minister, vielen Dank dafür, dass Sie die
WHO-Mittel gestärkt haben . Das ist gut für ein interna-
tionales Gesundheitssystem, für unabhängige Strukturen
und vor allem für verlässliche Strukturen .

Zweitens . Danke, dass Sie unseren Antrag zur Suizid-
prävention übernommen haben . 11 000 bis 12 000 Men-
schen begehen Suizid in diesem Land . In diesem Bereich
sensibler zu sein, steht uns gut zu Gesicht .

Drittens . An dieser Stelle bedanke ich mich ganz
herzlich bei meinen Mitberichterstatterinnen und Mitbe-
richterstattern, insbesondere aber bei Herrn Blienert . Am
Ende ist uns gemeinsam ein Maßgabenbeschluss gelun-
gen, in dem wir sagen, zu Verlässlichkeit und Vertrauen
gehört eine gute Kontrolle und damit eine Stärkung des

Ekin Deligöz






(A) (C)



(B) (D)


Bundesrechnungshofes . Es ist unser Hauptauftrag als
Haushälter, Missbrauch zu verhindern und dafür zu sor-
gen, dass sich die Menschen auf uns verlassen können .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg . Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE])



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820110100

Vielen Dank . – Nächster Redner für die SPD ist der

Kollege Burkhard Blienert .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Burkhard Blienert (SPD):
Rede ID: ID1820110200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Der Haushalt des BMG ist ein guter Haushalt,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


jedoch gemessen am Bundeshaushalt immer noch ein
kleiner Haushalt . Aber er erfährt eine große öffentliche
Wahrnehmung . Das Gesundheitswesen und seine Finan-
zierung – das haben wir schon ausgiebig gehört – betrifft
jede und jeden direkt, sodass auch in der Bevölkerung
alle Maßnahmen hier genauestens verfolgt werden .

Natürlich gab es im Laufe dieses Jahres vielerorts Ver-
unsicherung, wie es mit den Finanzen im Gesundheitsbe-
reich aussieht . Noch Anfang des Jahres wurde orakelt, in
welch astronomische Höhen der Krankenkassenbeitrag
2017 schnellen und welche Mehrbelastung jeder Einzel-
ne zu schultern haben werde . Heute können wir zumin-
dest vorerst Entwarnung geben: Im ersten halben Jahr
wurde bei den Kassen ein Überschuss von 600 Millionen
Euro erwirtschaftet, und die Finanzreserven sind deshalb
auch auf 15 Milliarden Euro gestiegen . Die Folge: Nun –
einige Monate später – teilt der Schätzerkreis mit, dass
die Beiträge zur GKV im kommenden Jahr wohl stabil
bleiben . Das ist doch erst einmal ein gutes Signal an die
Versicherten in der GKV .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir wissen: Nichts ist von Dauer . Wir müssen aufpas-
sen,


(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Natürlich!)


dass die Krankenkassenbeiträge die Versicherten auch
mittel- und langfristig nicht stärker belasten . Deswegen
sage ich gleich vorweg: Die paritätische Finanzierung
der GKV ist kein Traumschloss, sondern eine zwingende
Notwendigkeit .


(Beifall bei der SPD)


Deshalb werden wir in der nächsten Zeit bei dieser Frage
weiterhin aktiv sein . Es ist ein wichtiger Schritt, insbe-
sondere auch Leistungsträger, die Mitte der Gesellschaft,
zu entlasten .

Wenn ich von einem ersten Schritt an dieser Stelle
spreche, so liegt es auf der Hand, dass ein weiterer not-
wendig ist und uns sicherlich in den nächsten Monaten
auch verstärkt beschäftigen wird, nämlich die Antwort

auf die Frage: Wie stelle ich die Finanzierung der gesetz-
lichen Krankenversicherung langfristig auf ein sicheres
Fundament? Und da ist unsere Antwort eindeutig:


(Bettina Hagedorn [SPD]: Bürgerversicherung!)


Wir werden als SPD weiterhin das Konzept der Bürger-
versicherung verfolgen .


(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU/ CSU)


Nur sie gewährleistet aus unserer Sicht eine sozial ge-
rechte und ausgewogene Lastenverteilung aller Bevölke-
rungsteile .

Da wir mit den heutigen Beratungen den letzten Ge-
sundheitsetat für diese Wahlperiode beraten, ist es durch-
aus lohnend, die Zahlen für 2017 mit den Zahlen von
2013 zu vergleichen . Wir haben uns 2013 auf den Weg
gemacht, die Gesundheitsversorgung zu verbessern, An-
gebote zu optimieren, Gelder zweckoptimiert und nicht
ideologisch zu verwenden . Wir haben daher in einem ers-
ten Schritt die Aufwendungen für den sogenannten Pfle-
ge-Bahr der realen Nachfrage angepasst, andere Haus-
haltstitel im Gegenzug gestärkt .

Über 15 Milliarden Euro stehen dem Gesundheitsmi-
nister auf der Ausgabenseite zur Verfügung . Und wie in
den letzten Jahren macht der Gesundheitsfonds den über-
großen Anteil hiervon aus: 14,5 Milliarden Euro . Schon
an dieser Zahl lässt sich festmachen, dass die jetzige Ko-
alition Wort gehalten hat . Sie hat daran festgehalten, die-
sen Gesundheitsfonds über den Verlauf der Wahlperiode
auf nunmehr 14,5 Milliarden Euro ansteigen zu lassen .
Dann bleiben dem Ministerium noch circa 500 Millionen
Euro zur Gestaltung im Gesundheitsbereich übrig . Uns
als Sozialdemokratie war dabei besonders wichtig: mehr
Geld für Beratung und Hilfe sowie Prävention .

Erinnern wir uns: Der Entwurf für den Gesundheitse-
tat 2014, der noch von Schwarz-Gelb erarbeitet worden
war, sah zum Beispiel keine Finanzierung der so wichti-
gen HIV-Stiftung mehr vor . Viele Betroffene hätten da-
runter gelitten . Es war diese Koalition, die das abgeän-
dert und dafür gesorgt hat, dass die Institution weiterhin
auskömmlich finanziert wird: Erhöhung des Plafonds für
2017 auf 2 Millionen Euro, perspektivisch auf 4,5 Milli-
onen Euro . Das ist verlässliche Politik über den Wahltag
hinaus .

Genauso wichtig in den nächsten Monaten: die ge-
sundheitlichen Aspekte im Bereich der Migration . Ich
bin sehr zufrieden damit, dass wir gerade in diesem Be-
reich die Mittel im Vergleich zum Regierungsentwurf
nun maßgeblich, auf 3 Millionen Euro, aufstocken konn-
ten . Somit ist es möglich, Projekte zum Umgang mit
traumatisierten Flüchtlingskindern zu realisieren oder
Mediatorenprogramme zum Umgang mit drogenabhän-
gigen Migranten an mehreren Orten durchzuführen . Das
sind konkrete Herausforderungen in diesen Wochen und
Monaten, und wir ermöglichen mit diesem Haushalt kon-
krete Hilfsangebote .

Auch immer wieder ein Thema sind die Gefahren der
Influenzaimpfung. Mittels einer Titelaufstockung im Be-

Ekin Deligöz






(A) (C)



(B) (D)


reich der Arzneimittelsicherheit werden wir nun eine Pi-
lotstudie über die Wirkungen dieser Impfung durchfüh-
ren können .

Ein weiteres Thema: das große Thema Kindergesund-
heit . Auch hier hat diese Koalition in den vergangenen
Jahren ordentlich investiert . 2014 haben wir diesen
Titel mit 500 000 Euro erstmals wieder gefüllt, 2015
wurden 2 Millionen Euro etatisiert, 2016 schließlich
2,5 Millionen Euro, und nun, 2017, packen wir noch-
mals 200 000 Euro obendrauf . Insgesamt 2,7 Millionen
Euro stehen mittlerweile zur Verfügung . Das ist ein gutes
Zeichen und zeigt, dass uns dieses Thema wichtig war,
wir Wort gehalten und dementsprechend auch geliefert
haben .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Helmut Heiderich [CDU/CSU])


Ein Punkt ist uns sehr wichtig gewesen: der Punkt
der Beratung . 1 Million Euro mehr als ursprünglich vom
Minister vorgesehen haben wir für entsprechende Auf-
klärungsmaßnahmen nunmehr im Haushalt verankert .
In diesem konkreten Fall handelt es sich um Beratungs-
angebote der BZgA, die ausgebaut werden, da konkret
tatsächlich die Telefone bei der Raucherhotline stark fre-
quentiert sind . Viele Menschen suchen rund um das The-
ma Rauchen und Rauchentwöhnung Hilfe und nutzen die
Hotline, deren Rufnummer mittlerweile verpflichtend
auf jede Zigarettenschachtel aufgedruckt werden muss .


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist Gewaltverherrlichung!)


Das veranlasst mich, noch einmal einen Appell an die
Kolleginnen und Kollegen von der Union zu richten:
Geben Sie die Blockadehaltung bei der Umsetzung des
Tabakwerbeverbotes endlich auf!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg . Harald Weinberg [DIE LINKE] und Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wenn Sie vielleicht nicht mir oder der SPD-Fraktion ver-
trauen, dann folgen Sie dort endlich den Ausführungen
Ihrer Minister und der Drogenbeauftragten .


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Je schneller wir nun endlich das Tabakwerbeverbot
umsetzen, desto größer ist die Chance, dass weniger
Menschen zum Rauchen verleitet werden . Auf jährlich
80 Milliarden Euro werden die Kosten der Folgen des
Rauchens von Experten beziffert . Selbst wenn man die
Mindereinnahmen bei der Tabaksteuer gegenrechnen
würde, bliebe trotzdem eine beachtliche Summe übrig .
Je weniger Menschen zum Glimmstängel greifen, des-
to besser! Deshalb: Geben Sie dort Ihre Zurückhaltung
auf, und lassen Sie das Tabakwerbeverbot in Deutschland
endlich Wirklichkeit werden .


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Mit diesem Haushalt kommen wir auch unseren in-
ternationalen Verpflichtungen nach. 35 Millionen Euro
stellt Deutschland der WHO als freiwillige Beiträge zur
Verfügung – neben dem Regulärbeitrag . Auch im Hin-

blick auf den G-20-Vorsitz werden insgesamt 3 Millio-
nen Euro mehr in Haushaltstitel mit internationaler Inten-
sion gesteckt – ein wichtiges und richtiges Signal, das in
Zeiten weltweiter gesundheitlicher Herausforderungen
angebracht ist .

Ich möchte auf einen weiteren Punkt eingehen – Frau
Kollegin Lötzsch ist schon darauf eingegangen; richtig
und wichtig war es, dort ein deutliches Zeichen zu set-
zen –: Anfang des Jahres waren wir über die Skandale bei
der Kassenärztlichen Vereinigung verärgert .


(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Ja!)


Es herrschte daher Einvernehmen unter den Fraktionen,
dass hier etwas getan werden muss . Mit dem Maßgabe-
beschluss zu den Prüfrechten des Bundesrechnungshofs
hat das Parlament nunmehr gezeigt, dass wir nicht taten-
los zusehen werden . Das konnte nur gemeinsam gesche-
hen, und es ist eine gute Grundlage dafür, dass der Bun-
desrechnungshof jetzt arbeiten kann .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte mich an dieser Stelle ganz ausdrücklich bei
meinen Mitberichterstattern, den Kolleginnen und Kol-
legen Herrn Heiderich, Frau Lötzsch und Frau Deligöz,
bedanken . Es war ja für uns jetzt am Ende der Legisla-
turperiode tatsächlich die erste Zusammenarbeit; aber ich
finde, wir haben das vertrauensvoll, gut und konstruktiv
hinbekommen . Ganz herzlichen Dank dafür! Ich würde
es gern in den kommenden Jahren mit Ihnen fortsetzen .


(Beifall des Abg . Thomas Stritzl [CDU/ CSU] – Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Zum ersten Mal Zusammenarbeit!)


Nicht versäumen will ich auch einen Dank ans Haus
und möchte da auch gern Minister Gröhe


(Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Es hieß Große Koalition!)


und Staatssekretär Stroppe, aber auch die Abteilungslei-
ter, deren jeweiligen Mitarbeiterstab sowie alle anderen
Kolleginnen und Kollegen im Gesundheitsbereich nen-
nen . Das war eine gute Zusammenarbeit; auch meiner-
seits ganz herzlichen Dank dafür .


(Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Das war schön!)


Ich denke, wir können mit diesem Etat selbstbewusst
agieren und mit Fug und Recht behaupten, dass wir in
den Verhandlungen der letzten Wochen und Monate aus
einer guten Grundlage einen noch besseren Etat gemacht
haben .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Burkhard Blienert






(A) (C)



(B) (D)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820110300

Vielen Dank . – Für die Bundesregierung erhält jetzt

Bundesminister Hermann Gröhe das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Hermann Gröhe (CDU):
Rede ID: ID1820110400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Auch ich möchte mit einem Dank beginnen, mit dem
Dank an Sie, Kollege Blienert, aber auch an die Bericht-
erstatterinnen, den Berichterstatter, an den Haushalts-
wie den Gesundheitsausschuss für eine gute Beratung zu
einem Haushalt, von dem ich überzeugt bin, dass er eine
gute Grundlage für die Arbeit des nächsten Jahres legt
und wir mit ihm wichtige Weichen in der Gesetzgebung
stellen, die weit darüber hinausreichen . Dank also dem
Parlament!

Aber ich danke auch den Parlamentarischen Staats-
sekretärinnen Annette Widmann-Mauz und Ingrid
Fischbach, den Beauftragten Karl-Josef Laumann und
Marlene Mortler, dem ganzen Team, das in wichtigen
Dingen – die Pflege, das Aufgabengebiet der Drogenbe-
auftragten und die Prävention wurden genannt – mit da-
für gesorgt hat, dass wir Themen, die zum Teil dringend
einer weiteren Verbesserung harrten, angepackt haben .
Und da wir so gut und konstruktiv zusammengearbeitet
haben, hätte ich mich gefreut, wenn sogar Sprecherinnen
und Sprecher der Opposition etwas zum Haushalt gesagt
hätten . Das kam weniger vor und unterstreicht wahr-
scheinlich auch, was Kollege Heiderich gesagt hat: dass
es dazu nicht so viel Kritisches anzumerken gibt .


(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Das spricht für sich!)


Zu den anderen Bemerkungen will ich natürlich etwas
sagen . Wenn Sie etwa, Frau Kollegin Lötzsch, auf das
hinweisen, was jetzt in Landesparlamenten unter kräfti-
ger Mitwirkung der Linken gesagt wird, was die Kran-
kenkassen finanzieren sollen, was aus dem Bundesetat
finanziert werden soll – und das, nachdem Sie beklagt
haben, dass die Länderhaushalte zu wenig Investitions-
mittel für Krankenhäuser vorsehen –, wie wäre es denn
dann, wenn Sie sich in den Ländern, in denen Sie Mit-
verantwortung tragen, darauf konzentrierten, dass es dort
einen richtig kräftigen Ruck nach vorn, in Richtung mehr
Investitionen in Krankenhäuser gibt? Nicht auf andere
zeigen, sondern – wenn Sie schon Mitverantwortung tra-
gen – selbst etwas tun! Da sind wir schon sehr gespannt .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Wir machen was!)


Wir stehen bei klarer Aufgabenverteilung in der Mit-
verantwortung . Wer die Krankenhausplanung macht,
trägt im Grundsatz die Investitionsmittel . Das können Sie
daran sehen, dass wir im Rahmen der Krankenhausre-
form einen Strukturfonds auflegen, der den Ländern hilft,
die Krankenhauslandschaft zukunftsfähig umzubauen .
Ich hoffe sehr, dass die Länder den Mut haben, die damit
verbundenen nicht ganz leichten Entscheidungen auch
anzupacken . Das dient der Schaffung einer zukunftsfes-

ten Versorgungslandschaft . Wir nennen beispielsweise
im Investitionsprogramm für finanziell schwache Kom-
munen als ersten Investitionszweck ausdrücklich Kran-
kenhausinvestitionen . Beim Strukturfonds muss also
nicht nur der Bereich der Beitragsfinanzierung bedacht
werden, sondern auch der Bereich der kommunalen Fi-
nanzierungsunterstützung bezüglich der Krankenhausin-
vestitionen .

Des Weiteren ist das Thema Bundeszuschuss, schwar-
ze Null angesprochen worden . Wer kritisiert, dass eine
vorübergehende Absenkung einen Beitrag zur Haushalts-
konsolidierung geleistet hat, muss auch erwähnen, dass
diese Absenkung – nach einer deutlichen Erhöhung des
Bundeszuschusses in den Jahren 2009 und 2010 – dazu
beigetragen hat, dass neben den Auswirkungen der Fi-
nanzmarktkrise nicht zusätzlich noch die Beiträge an-
gestiegen sind . Damals wurde – übrigens unter Inkauf-
nahme erhöhter Staatsverschuldung – mit Steuergeld
Beitragsstabilisierung betrieben, und danach wurde sinn-
vollerweise ein Konsolidierungsbeitrag geleistet . Heute
stehen wir da, wo wir es Ihnen zugesagt haben – von
Ihnen immer wieder hier vom Pult aus angezweifelt –,
erhöhen nämlich den Bundeszuschuss auf 14,5 Milliar-
den Euro . Insofern warne ich davor, immer nur die halbe
Wahrheit zu sagen . Die Panikmache im Sommer in Sa-
chen Beiträge hat sich auch als solch ein Versuch heraus-
gestellt . Der Schätzerkreis hat eindeutig klargestellt, dass
mit stabilen Beiträgen zu rechnen ist .

Es zeigt sich auch, dass wir bei den Leistungsverbes-
serungen mit Augenmaß vorgegangen sind . Wir gestalten
die Leistungsverbesserungen stets so, dass wir dort, wo
wir es für geboten halten, Leistungsverbesserungen vor-
nehmen, aber wir setzen beispielsweise auch mehr auf
Prävention, auf eine bessere Vernetzung der Leistungser-
bringer und auf den Umbau der Krankenhauslandschaft .
Damit setzen wir ein Zeichen dafür, dass wir die nach-
haltige Finanzierbarkeit unseres Gesundheitswesens im
Blick behalten . Wir nutzen also gerade jetzt die Zeit – die
Kollegin Deligöz hat das ja bezweifelt –, um Weichen für
eine langfristige Finanzierbarkeit zu stellen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Dr . Edgar Franke [SPD])


Sie haben mehr Solidarität in unserer Gesellschaft an-
gemahnt . Lassen Sie mich mit einigem Stolz sagen: Zehn
Jahre haben wir darüber geredet, aber jetzt kommt die
umfassende Reform der Pflegeversicherung. Von diesem
Pult aus war zu hören: Sie kommt in dieser Legislatur-
periode nicht, sie wird auf den Sankt-Nimmerleins-Tag
verschoben . Ich sage Ihnen: Sie kommt . Am 1 . Januar
des nächsten Jahres tritt die umfassendste Erneuerung
der Pflegeversicherung seit ihrer Einführung in Kraft.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Mechthild Rawert [SPD]: Das ist auch gut so!)


– Ich höre: Das ist auch gut so . Das unterstreiche ich ger-
ne . – Sie wird solidarisch und paritätisch von Arbeitge-
bern und Arbeitnehmern finanziert. Das Eindrucksvolle
ist: Niemand in diesem Land bestreitet, dass es richtig ist,
dass wir diese moderate Beitragserhöhung durchführen .
Denn alle wissen: Es geht um eine Aufgabe, die uns ge-
meinsam am Herzen liegen muss, nämlich eine würdige,






(A) (C)



(B) (D)


eine gute Versorgung der Pflegebedürftigen in unserem
Land zu gewährleisten. Damit nehmen wir die Pflegebe-
dürftigen und deren Angehörige in den Blick, denen wir
mit diesen erheblich verbesserten Leistungen den Rü-
cken stärken. Damit nehmen wir auch – die Pflegeberufe
sind zu Recht angesprochen worden – die Situation der
Pflegekräfte in unserem Land in den Blick.

Ich weise darauf hin, dass wir die Absicherung durch
die Refinanzierung von Tariflöhnen rechtlich klar regeln
und dass wir für andere Hilfstätigkeiten einen erhöhten
Mindestlohn in dieser Legislaturperiode vereinbart ha-
ben . Ich weise auf die Erleichterung durch die Einstel-
lung von 20 000 zusätzlichen Betreuungskräften hin, auf
den Abbau der Bürokratie und schließlich darauf, dass
in allen Bundesländern bis Ende dieses Jahres neue Per-
sonalschlüssel verhandelt wurden und dass dies in den
allermeisten Fällen zu einer deutlichen Verbesserung der
Personalschlüssel geführt hat . Wir bleiben an diesem
Thema dran, so wie wir im Rahmen der Krankenhaus-
reform einen wesentlichen Akzent auf die Stärkung der
Stationspflege gesetzt haben. Dass diese Arbeit wei-
tergeht, das sehen Sie auch daran, dass inzwischen mit
Pflegeverbänden, mit Kostenträgern, mit Krankenhaus-
gesellschaften und mit Gewerkschaften weiter über die
Stärkung der Pflege in unseren Krankenhäusern beraten
wird .

Ich habe das Thema Vernetzung angesprochen . Der
Innovationsausschuss hat in diesen Wochen erste Ent-
scheidungen hinsichtlich der Stärkung der sektorüber-
greifenden Versorgung getroffen . Das dient einer bes-
seren, einer den Leitlinien gerechter werdenden, besser
ineinandergreifenden Behandlung und macht unser Ge-
sundheitssystem insgesamt effizienter. Wir haben mit
großer Einmütigkeit – dafür will ich mich bedanken – das
Gesetz zur Stärkung der Hospiz- und Palliativmedizin
beschlossen, das auch ganz wesentliche Elemente einer
bestmöglichen Vernetzung der Pflege mit der örtlichen
Palliativmedizin enthält . Und dass die Krankenhausre-
form wesentlich auf Arbeitsteilung und kluge Vernetzung
in der Krankenhauslandschaft zielt, das wissen Sie . Das
unterstreiche ich gerne noch einmal .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ein wesentliches Instrument für die Vernetzung ist,
dass wir die Instrumente der Telemedizin deutlich of-
fensiver nutzen . Hier war es nötig, Tempo zu machen;
wie bei so manch anderem Thema . Das haben wir getan .
Ich freue mich, dass gestern eine Vernetzung von Pra-
xen mit einer Universitätsklinik in Echtzeit gestartet ist .
Jetzt geht es darum – zunächst mit einem umfassenden
Stammdatenmanagement und dann mit Notfalldaten, mit
Medikationsplan –, auch die Telematikinfrastruktur end-
lich mit Nutzen für die Patientinnen und Patienten, für
alle Versicherten zu füllen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wenn wir über Gesundheit diskutieren – und wir er-
leben es alle in unseren Wahlkreisen –, dann merkt man:
Es ist ein lokales Thema . Es geht um die Frage: Wie sieht
es mit unserer Krankenhausversorgung aus, mit unserer

niedergelassenen Ärzteschaft, mit unserem Pflegedienst?
Wir werden sicher noch darüber diskutieren, was wir tun
müssen, damit wir uns auch weiterhin auf eine flächen-
deckende Rund-um-die-Uhr-Versorgung mit Apotheken-
dienstleistungen verlassen können . Das hat alles lokale
Dimensionen, aber in der Tat: Spätestens mit der Ebolak-
rise – man könnte weitere nennen, zum Beispiel auch die
weltweite Zunahme von Antibiotikaresistenzen – wird
deutlich, dass lokale Qualität und globale Verantwortung
in der Gesundheit zusammenhängen .

Ich bin Bundeskanzlerin Angela Merkel dank-
bar dafür – ich sage das ausdrücklich –, dass wir die
G-7-Präsidentschaft Deutschlands genutzt haben und
die G-20-Präsidentschaft Deutschlands im nächsten Jahr
nutzen werden, um globale Gesundheitspolitik als ein
Markenzeichen der internationalen Verantwortung unse-
res Landes zu profilieren. Dies steht unserem Land wahr-
lich gut an .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir haben immer wieder eine Reform der WHO, der
Weltgesundheitsorganisation, angemahnt, damit sie ihren
wichtigen Aufgaben gerecht werden kann . Wir haben üb-
rigens auch schon immer die Bereitschaft bekundet, die
Pflichtbeiträge zur WHO zu erhöhen. In diesem Haus-
haltsentwurf sehen wir vor, dem Pflichtbeitrag von knapp
30 Millionen Euro einen freiwilligen Beitrag von über
30 Millionen Euro an die Seite zu stellen;


(Beifall der Abg . Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


das ist gut fünfmal so viel wie in den letzten Jahren . Die-
se Mittel, die bisher beim BMZ angesiedelt waren, etati-
sieren wir nunmehr in unserem Haus und machen damit
deutlich, dass die operative Verantwortung, die Deutsch-
land in der WHO übernimmt, mit einer großzügigeren
Bereitschaft verbunden ist, die Dinge zu unterstützen,
die uns gemeinsam am Herzen liegen . Das ist eine gute
Nachricht .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich bin davon überzeugt – das sage ich, weil es
ja manchmal die Sorge gibt, dass man selbst zu kurz
kommt –, dass beim Thema Gesundheit ebenso wie bei
wenigen anderen Themen gilt, dass die Verantwortung,
die wir weltweit übernehmen, unmittelbar auch den
Menschen in unserem Land zugutekommt . Ich bin da-
von überzeugt, dass wir die Menschen in unserem Land
auf Dauer nicht gut versorgen können ohne die Bereit-
schaft zu globaler Verantwortungsübernahme . Dies un-
terstreicht einmal mehr unser Haushalt .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820110500

Vielen Dank . – Nächster Redner für die Fraktion Die

Linke ist der Kollege Harald Weinberg .


(Beifall bei der LINKEN)


Bundesminister Hermann Gröhe






(A) (C)



(B) (D)



Harald Weinberg (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820110600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Kollege Heiderich, vielleicht haben wir ja unter-
schiedliche OECD-Studien gelesen;


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Vermutlich!)


denn nach der OECD-Studie, die ich gelesen habe, liegt
Deutschland hinsichtlich der Kosten in der Tat auf dem
dritten Platz, also relativ weit oben, bei den Outcomes,
also sozusagen bei dem, was herauskommt – Säuglings-
sterblichkeit, Lebenserwartung, kardiologische Krank-
heiten und Ähnliches –, allerdings bestenfalls im Mit-
telfeld . Das heißt, man muss die Zusammenhänge etwas
genauer betrachten . In diesem Bereich sind wir keines-
wegs top, sondern wir haben noch einiges zu leisten in
diesem Lande .


(Beifall bei der LINKEN)


Sehr geehrter Herr Minister, worüber diskutieren wir
hier? Wir diskutieren hier über einen verhältnismäßig
kleinen Haushalt – 15 Milliarden Euro –, weil der größte
Anteil der Einnahmen im Bereich der Gesundheitsver-
sorgung logischerweise in den Beitragsmitteln steckt . Ich
glaube, darauf müssen wir ein Stück weit den Schwer-
punkt legen . Auch Sie haben ja von der Beitragsstabilität
gesprochen . In diesem Zusammenhang fällt mir Folgen-
des ein: Man hat in die Rücklagen des Gesundheitsfonds
gegriffen . 1,5 Milliarden Euro wurden entnommen . Im
Wesentlichen ist das der Grund dafür, dass die Beiträge
im nächsten Jahr stabil bleiben . Man könnte auch sagen:
Das ist ein Wahlkampfgeschenk .


(Rudolf Henke [CDU/CSU]: Das ist eine völlig einseitige Interpretation!)


Wenn Sie als Begründung für diesen Griff in die Rück-
lagen die Stabilisierung des Beitragssatzes als Wahl-
kampfgeschenk genannt hätten, hätten Sie von uns Kritik
geerntet . Das ist klar; das erleben Sie ja jetzt auch . We-
sentlich problematischer finde ich allerdings die Begrün-
dung, die dann tatsächlich angeführt wurde: Das sei für
die gestiegenen Kosten im Bereich der Gesundheitsver-
sorgung von Flüchtlingen in diesem Land . Das halte ich
nach wie vor für einen völlig falschen Zungenschlag .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Krankenkassen haben natürlich Danke gesagt, als ih-
nen das Geld in Aussicht gestellt wurde . Bemerkenswert
finde ich aber, dass sie gleichzeitig gesagt haben: Für die
Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge brauchen wir das
Geld eigentlich nicht .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Sie nutzen das Geld also im Wesentlichen zur Stabilisie-
rung der Beiträge .

Es gibt aber natürlich ein Problem – das ist allerdings
allgemeinerer Art –: Einnahmen und Kosten bei den
ALG-II-Empfängern klaffen auseinander . Das ist seit
Jahren bekannt und führt immer zu Defiziten. In diese
Gruppe können auch Flüchtlinge fallen, die geduldet

sind, subsidiären Schutz oder Asyl bekommen . Ord-
nungspolitisch ist das allerdings aus unserer Sicht aus
Steuermitteln zu finanzieren und nicht aus Beitragsmit-
teln .


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


An dieser Stelle möchte ich etwas zu dem Bundeszu-
schuss sagen: Das große Problem ist, dass der Bundeszu-
schuss im Moment im Wesentlichen eine Manövriermas-
se des Finanzministers ist . Das kann meines Erachtens
nicht so weitergehen . Wir brauchen so etwas wie eine
Regelgebundenheit des Bundeszuschusses, weil es von
den Aufgaben, die aus Steuermitteln zu finanzieren sind,
nicht in dem einen Jahr ganz wenige und in dem anderen
Jahr ganz viele gibt . Sie bleiben relativ gleich groß . Inso-
fern müssen wir schauen, dass wir da zu einer Regelge-
bundenheit kommen .


(Beifall bei der LINKEN)


Ich möchte noch ganz kurz auf unsere Änderungsan-
träge zu sprechen kommen . All unsere Änderungsanträge
sind ja im Haushaltsausschuss abgelehnt worden .


(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Zu Recht!)


Ich will nur einige herausgreifen und fürs Protokoll deut-
lich machen, worum es da eigentlich geht; denn das hat
schon ein bisschen mit dem Thema, über das wir reden,
zu tun .

Wir haben beispielsweise einen Änderungsantrag ein-
gebracht, Herr Heiderich, in dem es um die Nichtversi-
cherten in diesem Lande geht – es gibt sie nämlich in
der Tat –, also um die Menschen, die keinen Zugang zur
Gesundheitsversorgung haben . Ihre Zahl ist gar nicht so
gering .


(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Na, na! Doch!)


Es sind in diesem Land – geschätzt – ungefähr
300 000 Personen . Wir haben beantragt, dass sie Zugang
zur Gesundheitsversorgung bekommen sollen . Dieser
Antrag ist abgelehnt worden .

Wir haben auch den Antrag eingebracht, die Pflege in
ambulant betreuten Wohngemeinschaften zu fördern . Ist
abgelehnt worden .

Wir haben einen Antrag zur Stiftung „Humanitäre Hil-
fe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen“ ein-
gebracht. Diese Stiftung ist unterfinanziert; davon war ja
schon die Rede . Wir haben beantragt, die Mittel aufzu-
stocken . Ist abgelehnt worden .

Wir wollten die Möglichkeit, medizinische Versor-
gungszentren in kommunaler Trägerschaft zu haben,
stärken und fördern;


(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Das machen wir doch! Das tun wir doch!)







(A) (C)



(B) (D)


das hat übrigens auch mit der Frage der Ärztedichte auf
dem Land zu tun . Auch diese Fördermöglichkeit ist ab-
gelehnt worden .


(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Das haben wir doch längst getan!)


Wir wollten die nichtkommerzielle Pharmaforschung
stärken und eigenständig fördern . Ist abgelehnt worden .

Wir wollten Mittel für die Erforschung der medizi-
nischen Verwendung von Cannabis bereitstellen, wir
wollten eine Evaluation des Betäubungsmittelrechts, und
wir wollten Drug-Checking-Projekte durchführen . Alles
abgelehnt worden . Ich sage das nur, weil dies meines Er-
achtens wichtige Projekte sind, die die Gesundheitsver-
sorgung gestärkt hätten .


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich vermute sogar: Wenn ich Sie fragen würde, ob Sie
unsere Anträge überhaupt gelesen haben,


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, haben wir!)


dann würde herauskommen, dass die meisten von Ihnen
nicht einmal hineingeschaut haben . Aber abgelehnt ha-
ben Sie sie .


(Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: Oh, oh! Hätten Sie mal den Haushalt gelesen! Das wäre schön gewesen!)


Und zuletzt: Wir haben auch einen Antrag einge-
bracht, in dem es um den seit Jahren bestehenden Inves-
titionsstau in den deutschen Krankenhäusern geht . Es
ist in der Tat so, dass die Förderung der Bundesländer
unzureichend ist. Dies hat die Folge, dass sich der Pfle-
genotstand, der in den Krankenhäusern ohnehin schon
vorhanden ist, weiter verstärkt – Stichwort „gefährliche
Pflege“ –, weil die Betriebsmittel, also Fallpauschalen,
zur Finanzierung notwendiger Investitionen herangezo-
gen werden . Diese Mittel fehlen dann beim Personal, vor
allen Dingen natürlich beim nichtärztlichen Personal;
denn da wird im Wesentlichen an der Schraube gedreht .
Deswegen haben wir den Vorschlag gemacht, für diesen
Bereich 2,5 Milliarden Euro in den Haushalt einzustel-
len und die Finanzierung so zu regeln wie beispielsweise
beim Strukturfonds im Rahmen des Krankenhausstär-
kungsgesetzes, dass das Land also für jeden Euro, der
vom Bund bezogen wird, einen Euro dazutun muss .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Dr . Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Das machen wir doch!)


Ich sage Ihnen eines – das ist dann auch mein letzter
Satz –: Ich besuche relativ viele Einrichtungen . Wenn ich
dort erzähle, dass wir diesen Antrag seit sieben, acht Jah-
ren immer wieder einbringen, ernte ich Unglauben . Ich
sage den Menschen dann immer: Na ja, vielleicht liegt
das auch daran, dass Sie falsch gewählt haben . Wählen
Sie das nächste Mal die richtige Partei; dann haben wir
eine Chance .

Danke .


(Beifall bei der LINKEN – Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Aber Sie ja nicht mehr!)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820110700

Vielen Dank . – Nächste Rednerin für die SPD-Frakti-

on ist die Kollegin Bärbel Bas .


(Beifall bei der SPD)



Bärbel Bas (SPD):
Rede ID: ID1820110800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Kollege Weinberg, auch ich
will gerne auf die Finanzierung eingehen . Ich kann mich
noch sehr gut an die Debatten erinnern, die wir 2013 ge-
führt haben, als wir die Mittel im Gesundheitsfonds vo-
rübergehend abgesenkt haben; Kollege Blienert hat das
angesprochen . Wir als SPD-Fraktion haben damals ge-
sagt: Ja, wenn es vorübergehend ist, tragen wir das mit;
aber wir werden dafür sorgen, dass die Mittel wieder
aufwachsen . – Heute wissen wir: Im Haushalt werden
14,5 Milliarden Euro bereitgestellt, und 2012 waren es
14 Milliarden Euro . Insofern kann man sagen – ich kann
mich, wie gesagt, noch sehr gut an die Debatten erin-
nern –: An dieser Stelle haben wir Wort gehalten .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg . Harald Weinberg [DIE LINKE])


– Ja, ich komme noch zu diesem Punkt .

Es geht beim Gesundheitsfonds – ich will das einmal
nennen – um die pauschale Abgeltung der Aufwendun-
gen der Krankenkassen für gesamtgesellschaftliche Auf-
gaben; das ist das, was Sie gerade angesprochen haben .
Da geht es um die Mitversicherung von Ehegatten und
Kindern, um Leistungen bei Schwangerschaft und Mut-
terschaft und vieles mehr .


(Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: Genau! Mehr Schutz!)


Uns ist vollkommen klar, dass das Geld nicht ausreicht;
es gibt dazu unterschiedliche Schätzungen, auch von den
Krankenkassen . Trotzdem will ich hier festhalten, dass
wir Wort gehalten und diesen Aufwuchs ermöglicht ha-
ben .


(Beifall des Abg . Thomas Stritzl [CDU/ CSU])


Sie haben die Liquiditätsreserve angesprochen . Dazu
muss man noch einmal erklären: Das sind geparkte Rück-
lagen im Gesundheitsfonds . Im Moment haben wir in
dieser Liquiditätsreserve, die zurzeit so nicht gebraucht
wird, 10 Milliarden Euro . Deshalb ist es richtig, dass man
den Kassen diese 1,5 Milliarden Euro jetzt auch wieder
zurückgibt . Ich erinnere daran, was in den letzten Tagen
in der Presselandschaft zu erfahren war, dass Strafzin-
sen anfallen, weil da so viel Geld liegt . Deswegen halte
ich persönlich es für richtig, dass wir das zurückgeben .
Über die Begründung können wir uns gerne streiten . Wir
als SPD haben dazu gesagt: Die Begründung halten wir
für falsch, weil das Geld – die 1,5 Milliarden Euro – im

Harald Weinberg






(A) (C)



(B) (D)


Rahmen des Risikostrukturausgleichs zurückgegeben
wird und deshalb auch Kassen davon profitieren werden,
die vielleicht gar keine Flüchtlinge zu versorgen haben,
etwa geschlossene Betriebskrankenkassen . Die würden
das Geld ebenfalls bekommen . Deswegen ist die Begrün-
dung genauso falsch, wie Sie das geschildert haben . Aber
dass wir dafür sorgen, dass die Kassen das Geld zurück-
bekommen, ist richtig, weil eben 10 Milliarden Euro in
der Rücklage sind, die nicht benötigt werden . Die gute
Nachricht für die Versicherten ist, dass damit der Bei-
tragssatz im nächsten Jahr stabil gehalten wird .


(Beifall bei der SPD sowie der Abg . Maria Michalk [CDU/CSU])


Dennoch dürfen uns diese gute Situation und die vie-
len positiven Beschlüsse, die wir zur Verbesserung der
Versorgung gefasst haben, nicht darüber hinwegtäu-
schen, dass wir strukturelle Probleme haben . Ich will
das hier noch einmal ansprechen, weil wir das als SPD
klar benannt haben: Der Risikostrukturausgleich ist – ich
weiß das – etwas für Feinschmecker . Wir haben da, wie
gesagt, strukturelle Probleme . Denn wenn wir feststellen
müssen, dass Kassen auf perfide Art und Weise auf die
Idee kommen, Kodierungen mit Ärzten abzusprechen,
um damit den Anteil, den sie aus dem Risikostrukturaus-
gleich bekommen, zu erhöhen, dann ist das – das muss
man hier einmal festhalten – ein Skandal .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Insofern kann ich die Fachaufsicht und die Versiche-
rungsämter nur bitten, das ganz kritisch zu prüfen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Dennoch scheint auch eine Ursache zu sein, dass der
Risikostrukturausgleich Verteilungsprobleme mit sich
bringt. Deshalb finde ich es richtig, dass wir in der Gro-
ßen Koalition gemeinsam beschlossen haben, ein wei-
teres großes Gutachten zum Risikostrukturausgleich in
Auftrag zu geben . Denn die alte Datenbasis ist aus 2009 .
Der letzte große Bericht zu diesem Risikostrukturaus-
gleich stammt aus dem Jahr 2012 . Deshalb ist es nur
richtig, dass wir jetzt einen Punkt setzen und sagen: Wir
brauchen ein Folgegutachten, um uns möglicherweise
vorhandene Fehlentwicklungen in der Verteilung genau
angucken zu können . Dann können wir auch vernünftige
Rückschlüsse ziehen . Das sollten wir auf jeden Fall tun .


(Beifall bei der SPD)


Und wir sollten noch einmal darüber nachdenken, ob wir
nicht auch – das will ich noch einmal in die Debatte wer-
fen – Kodierrichtlinien brauchen, um genau dieser Mani-
pulation entgegenwirken zu können . Ich weiß, dass das
ein schwieriges Thema ist . Es würde uns aber vielleicht
vor diesen Manipulationen mithilfe falscher Kodierun-
gen schützen .

Vorhin ist angesprochen worden, dass wir mit Blick
auf die finanziellen Folgen der Gesetze, die wir gemacht
haben, die Beitragssätze stabil halten . Aber wir wissen
nicht, ob das so bleibt . Deswegen ist der Zusatzbeitrag
von einigen meiner Vorredner angesprochen worden . Ich
glaube, es ist auch im Sinne der Arbeitgeber, dass wieder

Parität hergestellt wird . Denn es kann nicht sein, dass zu-
künftige Leistungsverbesserungen – die wir alle wollen
und hier beschlossen haben – allein durch die Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmer bezahlt werden . Deshalb ist
die Rückkehr zur Parität wichtig, richtig und auch im
Sinne von Arbeitgebern .


(Beifall bei der SPD)


Zum Schluss will ich auf das Thema HIV-Stiftung
eingehen, weil der Kollege Weinberg das im Zusammen-
hang mit einem Antrag der Linken angesprochen hat .
In der ersten Lesung habe ich das Thema schon einmal
angesprochen . Hier geht es um die Personen, die in den
80er-Jahren über Blutprodukte mit HIV infiziert wurden.
Ich bin den Haushältern – ich habe bei der ersten Le-
sung angekündigt, dass wir uns dafür einsetzen werden –
sehr dankbar dafür, dass wir bis ins Jahr 2018 – so ist
die Botschaft bei mir angekommen – die Finanzierung
der Stiftung gesichert haben . Das ist für mich eine gute
Botschaft in Richtung der Betroffenen .


(Beifall bei der SPD)


Aber – jetzt kommt mein großes Aber – wir sind damit
noch nicht am Ende. Wir müssen, wie ich finde, darü-
ber diskutieren und beschließen – ob in dieser Legislatur
oder in der nächsten; mir wäre es lieber, in dieser –, dass
der Finanzierungsvorbehalt aus dem HIV-Hilfegesetz he-
rauskommt . Wenn wir immer wieder von Jahr zu Jahr gu-
cken müssen, dass wir die Haushaltsmittel sicherstellen,
bedeutet das keine sichere Situation für die Betroffenen
und ihre Familien .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Als SPD werden wir auch die Dynamisierung der
Leistungen fordern . Ich sage das hier auch, weil es seit
1995 keine Veränderung der Leistungen für die Betroffe-
nen gegeben hat, nicht einmal einen Inflationsausgleich.
Deshalb und weil wir das auch gemeinsam beraten müs-
sen, wollte ich dieses Thema hier noch einmal anspre-
chen .

Ich will aber deshalb abwarten, weil im Moment – das
ist für uns wichtig; deshalb haben wir Ihren Antrag auch
abgelehnt, Herr Weinberg – immer noch Verhandlungen
auch mit den Organisationen stattfinden, die damals bei
dem Bluterskandal mit involviert waren, nämlich mit der
Pharmaindustrie und mit dem Deutschen Roten Kreuz .
Wir wollen nach wie vor, dass sich diese Institutionen an
der Finanzierung beteiligen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist ein wichtiger Punkt, und das wollen wir erst ab-
warten .

Spätestens im nächsten Jahr werden wir aber wissen,
welche Beteiligung dieser Institutionen es geben wird .
Dann werden wir auch über die Dynamisierung der Leis-
tungen für die Betroffenen reden müssen . Das tun wir bei
anderen Stiftungen auch, und ich finde, bei dieser Stif-
tung sollten wir das ebenfalls tun .

Bärbel Bas






(A) (C)



(B) (D)


Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820110900

Vielen Dank . – Nächste Rednerin ist Elisabeth

Scharfenberg, Bündnis 90/Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr
Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr
geehrte Damen und Herren! Zum letzten Mal in dieser
Legislaturperiode lesen wir den Einzelplan des Gesund-
heitsministeriums . Das Gesundheitsministerium hat eine
beeindruckende Zahl an Gesetzentwürfen vorgelegt .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


– Ich wollte Ihnen während meiner Rede einmal die Ge-
legenheit geben, von Herzen klatschen zu können . Das
haben Sie getan .


(Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Lob tut gut!)


Jetzt geht es weiter .

„Viel hilft viel“, könnte man hier ja sagen, aber mei-
ne Kollegin Ekin Deligöz hat es vorhin schon bemerkt:
Quantität ist eben nicht immer Qualität .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Sie entschuldigt sich ja noch!)


Sieht man sich die Gesetze im Einzelnen an, dann fällt
einem vor allem eines auf: Es wurde eine ganze Menge
Geld in die Hand genommen . Auch hier galt wohl wieder
die Devise: Viel hilft viel . Die Mittel wurden aber nicht
wirklich klug eingesetzt, sondern sie wurden verteilt, um
Konflikte zu vermeiden und Probleme zuzukleistern. Das
kann man machen, wenn man auf kurzfristige Erfolge
setzt . Eigentlich herrscht hier aber das Prinzip: Nach mir
die Sintflut!


(Hilde Mattheis [SPD]: Wenn ihr so viel für die Pflege gemacht hättet wie wir, dann könntet ihr vor Kraft gar nicht mehr laufen!)


Die Sintflut deutet sich schon beim Zusatzbeitrag an.
Im Wahljahr wird er stabil bleiben, weil die Koalition
den Bundeszuschuss anhebt und in die Notreserven des
Gesundheitsfonds greift . Umso mehr wird er nach der
Wahl steigen . Damit werden der Beitragszahler und die
Beitragszahlerin eingelullt, während ihnen zugleich still
und heimlich immer mehr Lasten aufgebürdet werden,
Lasten, die eigentlich gesamtgesellschaftliche Aufgaben
sind, zum Beispiel bei der Prävention .

Unsere Gesellschaft altert, die Finanzkrise ist noch
nicht lange her, und mit den Auswirkungen kämpft die
Welt noch immer: In dieser Situation sollte sich die Poli-

tik um eine stabile, um eine verlässliche, um eine gerech-
te Finanzierung der Gesundheitsversorgung kümmern,


(Mechthild Rawert [SPD]: Machen wir!)


damit weiterhin auch jeder und jede die Versorgung er-
hält, die er oder sie auch braucht . Wir fordern dafür die
Bürgerversicherung in Gesundheit und Pflege.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Das klang aber sehr überzeugend!)


Offenbar sind Patientinnen und Patienten, Pflegebe-
dürftige und Versicherte aber nicht die Hauptzielgruppen
der derzeitigen Gesundheitspolitik .


(Hilde Mattheis [SPD]: Das kann man sich ja nicht anhören!)


In letzter Zeit gab es auffällig viele Entscheidungen zu-
gunsten starker Interessengruppen .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Oh!)


Ich nenne die Apotheker, die Ärzte und die Pharmain-
dustrie .


(Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Das ist doch gar nicht der Parteitag der Grünen!)


Ein Beispiel: Das Versandhandelsverbot für verschrei-
bungspflichtige Arzneimittel hilft scheinbar den Apothe-
kern . Verkauft wird es als Sicherstellung der Versorgung
vor Ort . Aber um die Versorgung gerade im ländlichen
Raum sicherzustellen, sind ganz andere Konzepte not-
wendig . Das Versandhandelsverbot bringt keinen ein-
zigen Arzt und keine einzige Ärztin dazu, sich in einer
strukturschwachen Region niederzulassen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Das ist aber ein sehr schlechter Vergleich!)


Patientinnen und Patienten sowie Versicherte sind bei
diesen Reformen niemals die Profiteure.

Besonders unrühmlich war die Rolle des Ministers bei
den fremdnützigen Studien an Demenzkranken .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das stimmt allerdings! – Maria Michalk [CDU/ CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)


Diese sollten um jeden Preis durchgedrückt werden .


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD)


Doch ich frage Sie: Zu wessen Nutzen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ein weiteres Debakel zulasten der Patientinnen und
Patienten war die Zerschlagung der Unabhängigen Pa-
tientenberatung .


(Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Das stimmt doch einfach nicht!)


Bärbel Bas






(A) (C)



(B) (D)


Von Unabhängigkeit kann keine Rede mehr sein . Nicht
nur das: Eine Kleine Anfrage unserer Fraktion hat erge-
ben, dass sich die Beratung massiv verschlechtert hat .
Besonders der Anteil der Beratung vor Ort ist massiv zu-
rückgegangen .


(Reiner Meier [CDU/CSU]: Massiv erweitert!)


Die UPD hat sich zu einem Callcenter entwickelt: ano-
nym und unverbindlich .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Reiner Meier [CDU/CSU]: Mehr Anrufe als vorher! – Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Sie wird mehr in Anspruch genommen als vorher!)


Last, but not least – ich bin schließlich die pflegepoli-
tische Sprecherin –: die Pflege. Ich glaube, so viele Pfle-
gereformen in einer Legislaturperiode gab es noch nie .


(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Sie haben sie doch gefordert!)


Ich gebe Ihnen noch einmal die Gelegenheit zum Klat-
schen . Sie sprachen gerade von dem größten Reformpa-
ket seit Beginn der Pflegeversicherung. Was ist passiert?
Die Beitragssätze wurden massiv erhöht .


(Thomas Stritzl [CDU/CSU]: 0,5 Prozent!)


Der neue Pflegebegriff soll demnächst eingeführt wer-
den, und die Kommunen sollen gestärkt werden . Aber
was bedeutet das alles am Ende des Tages? Heißt mehr
Geld auch mehr Qualität? Wird mit dem neuen Pflegebe-
griff die Minutenpflege abgeschafft?


(Dr . Katja Leikert [CDU/CSU]: Ja!)


Landet denn das Geld in Form von besseren Leistungen
wirklich bei den Betroffenen?


(Reiner Meier [CDU/CSU]: Natürlich! Alles mit Ja beantwortet!)


– Ich bin da nicht so hoffnungsvoll wie Sie . Ich bin da
eher skeptisch .


(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Das scheint die Grundeinstellung zu sein!)


Für einen neuen Pflegebegriff, für eine andere Art der
Pflege, die die noch vorhandenen Fähigkeiten stärken
soll, brauchen wir ausreichend und qualifiziertes Pflege-
personal . Daran fehlt es doch schon jetzt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Mit einer halben Million mehr Anspruchsberechtig-
ter und einer personalintensiveren Pflege wird die Per-
sonallücke einfach noch größer werden . Das werden die
Betroffenen noch schmerzlicher spüren . In Sachen Per-
sonal hat die Koalition am Ende des Tages nichts Kon-
kretes unternommen .


(Mechthild Rawert [SPD]: So ein Quatsch!)


Um die Pflegeausbildung ist es still geworden. Dazu
kann ich nur sagen: Gut so! Eine komplette Vereinheitli-

chung der drei Pflegeberufe wertet den Pflegeberuf nicht
auf, und sie sorgt auch nicht für mehr Personal .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Mechthild Rawert [SPD]: So ein Quatsch!)


Leider ist bei der Finanzierung der Pflege nichts pas-
siert . Immer noch gibt es keine regelmäßige Dynamisie-
rung in der Pflegeversicherung. Das Geld fließt nach Lust
und Laune, oder es fließt eben auch nicht.


(Hilde Mattheis [SPD]: Das ist eine böswillige Unterstellung!)


Wir fordern auch in der Pflege die Bürgerversicherung:
für mehr Gerechtigkeit, für mehr Berechenbarkeit und
für eine nachhaltige Finanzierung der dynamisierten
Leistungen,


(Hilde Mattheis [SPD]: Das ist ein Beitrag zur Politikverdrossenheit!)


damit die Pflege eben nicht an Wert verliert.

Natürlich muss der unsägliche Pflegevorsorgefonds
weg . Er bringt nichts . Er verschlingt jedes Jahr 1,2 Mil-
liarden Euro, 1,2 Milliarden Euro, die bei den Pflege-
bedürftigen und beim Pflegepersonal besser aufgehoben
wären und derzeit ganz dringend gebraucht würden .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820111000

Vielen Dank . – Jetzt hat der Kollege Erich Irlstorfer,

CDU/CSU-Fraktion, das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Dr . Edgar Franke [SPD] – Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Jetzt geht es rund!)



Erich Irlstorfer (CSU):
Rede ID: ID1820111100

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kollegin-

nen und Kollegen! Wie bereits Bundesminister Hermann
Gröhe sowie Kollege Heiderich hier ausgeführt haben,
beschließen wir heute den Bundeshaushalt für Gesund-
heit für 2017, der die Erhöhung des Bundeszuschusses an
die GKV auf 14,5 Milliarden Euro beinhaltet . Insgesamt
sieht die Bundesregierung 15,1 Milliarden Euro für die
Finanzierung des Gesundheitswesens in unserem Land
vor . Das ist richtig, und das ist gut .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen,
was wir hier von der Opposition erleben, ist ein mangel-
hafter Versuch, Dinge schlechtzureden, die sehr ordent-
lich und gut gemacht wurden .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Regierungskoalition aus CDU, CSU und SPD hat
wichtige und elementare Maßnahmen für unser Gesund-
heitssystem in Deutschland auf den Weg gebracht, die im
kommenden Jahr in Kraft treten werden . Insbesondere
möchte ich hier die Pflegestärkungsgesetze II und III er-

Elisabeth Scharfenberg






(A) (C)



(B) (D)


wähnen, welche die Pflege und die damit verbundenen
Verantwortlichkeiten auf ein neues Niveau heben .

Mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff, den wir
im PSG II neu definiert haben, werden ab dem kommen-
den Jahr nicht nur Menschen mit körperlichen, sondern
auch Menschen mit psychischen Einschränkungen er-
fasst, denen wir nun die dringend notwendige Unterstüt-
zung geben können . Das, meine Damen und Herren, ist
ein Erfolg und der richtige Weg .

Mit dem Dritten Pflegestärkungsgesetz werden die
Kommunen mit ins Boot, aber auch mit in die Pflicht ge-
nommen, die Pflege entscheidend mitzutragen und pfle-
gebedürftige Menschen über Möglichkeiten und Ansprü-
che in der Pflege aufzuklären. Auch das ist richtig, meine
sehr geehrten Damen und Herren .

Natürlich sind solche grundlegenden Reformen mit
komplexen Sachverhalten verbunden, die einer genaue-
ren Beratung bedürfen, um den Ansprüchen der Betroffe-
nen optimal Rechnung zu tragen . An dieser Stelle möch-
te ich dem Hohen Hause noch einmal vergegenwärtigen,
dass wir mit diesen Maßnahmen in der Pflege eine Vor-
reiterrolle in der Europäischen Union einnehmen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Und bei aller Wertschätzung für Ihre Wortmeldungen:
Sie können auch ein Stück weit stolz sein, dass es so weit
gekommen ist, meine sehr geehrten Damen und Herren .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich freue mich auch, dass auch die Förderung der frei-
willigen privaten Pflegevorsorge gegenüber dem Jahr
2016 um rund 6,75 Millionen Euro auf rund 45,75 Milli-
onen Euro erhöht wird .

Das soll nicht heißen, dass wir uns ausruhen können
und die Arbeit getan ist . Natürlich sind wir auch in an-
deren Bereichen dabei, die Gesundheitsversorgung der
Menschen in Deutschland weiter zu verbessern . Hier
möchte ich das Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz
erwähnen, das die Versorgung und Prävention von chro-
nisch Erkrankten sowie die selbstbestimmte Bewältigung
im Alltag der Betroffenen fördern soll . Dabei sind wir
ebenfalls auf einem guten Weg .

Mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz set-
zen wir die Ergebnisse eines konstruktiven Austausches
im Pharmadialog um .

Es ist uns als Regierungskoalition ein großes Anlie-
gen, auf der einen Seite die Kosten für neue Therapien
im Blick zu behalten, welche die Beitragszahler und die
Kassen nicht übermäßig belasten sollen . Auf der anderen
Seite wollen wir auch den Forschungsstandort Deutsch-
land stärken und gerade auch Menschen mit seltene-
ren Krankheiten den Zugang zu innovativen Therapien
ermöglichen . Hier ist es wichtig, den Mehrwert neuer
Medikamente wissenschaftlich klar nachzuweisen, aber
auch bürokratischen Hürden für Innovationen entgegen-
zuwirken .

In diesem Zusammenhang ist uns freilich bewusst,
dass die Arzneimittelausgaben in den vergangenen Jah-
ren stetig angestiegen sind und dass dies auch Auswir-

kungen auf die Krankenkassenbeiträge hat . Allerdings
können wir einen sehr moderaten Anstieg der Zusatz-
beiträge feststellen . CDU, CSU und SPD haben sich im
Koalitionsvertrag ganz bewusst auf einen festen Arbeit-
nehmeranteil von 7,3 Prozent geeinigt, damit wir den
Krankenkassen einen wirtschaftlichen Anreiz für einen
Wettbewerb untereinander geben . Laut Bundesversiche-
rungsamt ist für das kommende Jahr auch keine großarti-
ge Steigerung des durchschnittlichen Zusatzbeitrages zu
erwarten .

Wir können nicht auf der einen Seite für eine immer
älter werdende Gesellschaft Spitzenmedizin fordern, aber
auf der anderen Seite keine Kosten dafür tragen wollen .
Wir haben in Deutschland eines der besten Gesundheits-
systeme weltweit, und das gibt es nicht zum Nulltarif .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wenn man die Debatte über Gerechtigkeit im Gesund-
heitswesen mitverfolgt, bekommt man den Eindruck, die
Einführung einer Bürgerversicherung löse alle Probleme .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Nein! Nicht alle, aber viele! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht alle, aber viele!)


Das, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, der
Linken und vor allem auch der SPD, ist mitnichten der
Fall . Die FAZ und das Handelsblatt veröffentlichten erst
vergangene Woche eine neue Studie im Auftrag der ge-
werkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, die genau die
Ideen der Linken und der Grünen untersuchte .


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Gutachten muss man ganz lesen!)


Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Einführung einer
gesetzlichen Bürgerversicherung Zehntausende von Ar-
beitsplätzen in der privaten Krankenversicherung kosten
könnte .

Dieser Stellenabbau entspricht einer Größenordnung
von etwa dem Drei- bis Sechsfachen der aktuell bei Kai-
serʼs Tengelmann bedrohten Belegschaft. An dieser Stel-
le würde mich die Antwort der Oppositionsfraktionen auf
die Frage der Gerechtigkeit sehr interessieren . Sie kön-
nen nicht formulieren, was der wirkliche Mehrwert einer
Bürgerversicherung ist, meine sehr geehrten Damen und
Herren . Das ist doch die Wahrheit .


(Beifall bei der CDU/CSU – Mechthild Rawert [SPD]: Das stimmt nicht! Zuhören!)


Mit verantwortungsvoller Gesundheits- oder Arbeits-
marktpolitik hat das meiner Ansicht nach wenig zu tun,
auch wenn Sie das noch so oft in Ihren Reden behaupten .

Abschließend möchte ich noch auf ein Thema zu
sprechen kommen, das mir sehr am Herzen liegt . Der
Haushaltsplan für das Jahr 2017 sieht auch eine Erhö-
hung der Mittel für Prävention und Aufklärung vor, was
ich außerordentlich begrüße . Wir müssen aber noch in
verschiedensten Bereichen Geld in die Hand nehmen . Im
Bereich der Zahnmedizin haben wir aktuell 12 Millionen
Menschen zu verzeichnen, die von Parodontitis betrof-
fen sind . Über 80 Prozent der über 35-Jährigen leiden

Erich Irlstorfer






(A) (C)



(B) (D)


an einer Form der Zahnbetterkrankung . Gerade im Al-
ter nimmt diese Volkskrankheit immer mehr zu . Davor
dürfen wir nicht die Augen verschließen . Hier haben wir
erste Schritte im Präventionsgesetz unternommen, diesen
Entwicklungen frühzeitig entgegenzuwirken . Allerdings
sind weitere Maßnahmen erforderlich, um dieser grund-
sätzlich hohen Erkrankungslast in der Bevölkerung zu
begegnen . Ähnliches gilt für die Hauterkrankung Psoria-
sis – im Volksmund auch Schuppenflechte genannt –, von
der in Deutschland rund 2 Millionen Menschen betroffen
sind . Hier sollten wir als Politik versuchen, eine Sensibi-
lisierung der Bürgerinnen und Bürger zu erreichen . Un-
ser Ansatz ist die Prävention .

Mit diesem Haushalt intensivieren wir die Bemühun-
gen, die Versorgung und die Lebensqualität der Men-
schen in unserem Land zu verbessern . Ich bitte Sie daher
um Ihre Zustimmung .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820111200

Vielen Dank . – Jetzt hat der Kollege Dr . Edgar Franke,

SPD-Fraktion, das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Edgar Franke (SPD):
Rede ID: ID1820111300

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Meine Vorredner haben bereits einiges zum Ein-
zelplan 15, zum Plan des Gesundheitsministers, ausge-
führt . Wir haben rund 15 Milliarden Euro in den Haushalt
eingestellt . Bärbel Bas hat zu Recht gesagt: Wir als SPD
begrüßen ausdrücklich, dass wir den Bundeszuschuss für
den Gesundheitsfonds wieder auf 14,5 Milliarden Euro
erhöht haben . Wir begrüßen es deshalb, weil wir damit
gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie Familienmitver-
sicherung und Leistungen im Rahmen der Mutterschaft
finanzieren. Diese können wir dauerhaft nur mit einem
ordentlichen Bundeszuschuss finanzieren. Das ist der
richtige Weg .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Mich freut auch, dass wir über 45 Millionen Euro für
gesundheitliche Aufklärung und Prävention ausgeben
werden . Durch Primärprävention und Vorbeugemedizin
soll die Entstehung von Krankheiten vermieden wer-
den . Wir haben das Präventionsgesetz relativ gemein-
schaftlich beschlossen und geben in vielen Lebenswel-
ten – in Kita, Schule, am Arbeitsplatz, für Jugendliche
und Pflegeheime – Geld aus. Ich arbeite im Beirat des
Vereins „Jugend gegen AIDS“ . Dieser Verein leistet tol-
le ehrenamtliche Arbeit bei der sexuellen Aufklärung in
den Lebenswelten der Jugendlichen . Er führt Aktions-
wochen durch, ist auf Festivals vertreten und sorgt für
Verteilaktionen in der Disco- und Kneipenszene, also in
den Lebenswelten der jungen Menschen . Ich freue mich,
dass wir mehr Geld für Aufklärung gerade über sexuell
übertragbare Krankheiten ausgeben . Wir sollten darüber
nachdenken, ob wir in Zukunft nicht noch mehr Geld für

ehrenamtliches Engagement wie das des Vereins „Jugend
gegen AIDS“ ausgeben sollten; denn solche Vereine er-
reichen die Zielgruppen mit kreativen Ideen viel direkter,
als das teure Werbekampagnen tun können .


(Beifall bei der SPD)


Gut ist auch, dass wir mehr Geld für Prävention und
Früherkennung von Diabetes, der Volkskrankheit in den
Industrieländern schlechthin, ausgeben . Wir sollten aber
auch hier Aufklärung und Information im Hinblick auf
bestehende Versorgungsangebote intensivieren .

Herr Minister, es ist ein guter und ausgewogener Etat,
wobei wir wissen, dass das meiste Geld über den Ge-
sundheitsfonds und die Krankenkassen läuft . Ich darf
mich als Ausschussvorsitzender persönlich und im Na-
men der SPD für die gute Zusammenarbeit beim Haus-
halt bedanken, Herr Minister .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir haben vieles aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt .
Helmut Heiderich hat von 16 Gesetzen gesprochen . Ich
habe das nicht nachgezählt, wenn das aber ein Nordhesse
sagt, wird das schon stimmen .


(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: So ist es! Vielen Dank! – Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Und wenn es ein Südhesse sagt, nicht?)


Wir haben mit Herrn Gröhe zwar einen schwarzen
Gesundheitsminister . Aber wir haben in der Gesundheits-
politik – das Bild habe ich schon oft verwendet – einen
roten Faden im doppelten Sinn des Wortes . Herr Stritzl,
wir haben auch ein paar schwarze Nullen – das haben wir
auch gehört –,


(Heiterkeit bei der SPD)


nämlich im Gesundheitsfonds und bei den Kranken-
kassen . Alles in allem: Ein guter Haushalt . Einen roten
Faden haben wir, weil wir Sozis dabei sind und für uns
immer wichtig ist, dass wir Gesundheitspolitik aus Sicht
der Versicherten sehen und zur Verbesserung der Versor-
gung beitragen . Für die SPD ist wichtig, dass die Men-
schen Zugang zu guter Gesundheitsversorgung haben,
und zwar unabhängig vom Einkommen, unabhängig vom
Wohnort und unabhängig vom Alter .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Helmut Heiderich [CDU/CSU])


Jetzt muss ich noch etwas zur Pflege sagen, hochge-
schätzte Kollegin Scharfenberg; ich glaube, das sage
ich auch im Namen meiner Kollegen zur Rechten, der
schwarzen Kollegen . Wir haben eine Strukturreform ge-
macht und den Reformstau in der Pflege aufgelöst. Wir
geben ab 2017 5 Milliarden Euro mehr für die Pflege
aus . Ich glaube, das haben alle Menschen in diesem Lan-
de gesehen . Das war eine Strukturreform .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir haben 2015 die häusliche Pflege mit 1,4 Milliarden
Euro gestärkt, und wir haben dem Wunsch der Menschen
Rechnung getragen, dass sie zu Hause, in ihren eigenen
vier Wänden bleiben können, auch wenn sie pflegebe-
dürftig sind . Wenn das nichts ist, dann weiß ich es nicht .

Erich Irlstorfer






(A) (C)



(B) (D)


Wir haben die Kurzzeitpflege, wir haben die Verhin-
derungspflege von sechs Wochen, und wir haben eine
zehntägige Auszeit für die pflegenden Angehörigen. Das
ist eine erhebliche Entlastung . Es merkt jeder bei uns in
Deutschland, was das bewirkt hat .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Es mag auf den ersten Blick banal klingen; aber ich
bekomme 4 000 Euro, wenn ich mein Bad behinderten-
gerecht ausbaue oder wenn ich einen Treppenlift einbaue .
Das alles sind Sachen, mit denen wir menschenwürdige
Pflege, wenn man so will, konkretisiert haben. Nicht nur
das: Der erweiterte Pflegebedürftigkeitsbegriff, mit dem
wir Menschen ganzheitlich betrachten und individuelle
Bedürfnisse zum Maßstab unserer Politik machen, ist ein
weiterer Punkt . Ich habe eine demente Schwiegermutter
mit eingeschränkter Alltagskompetenz . Da weiß man,
was das im täglichen Leben bedeutet .

Nehmen wir einmal die Zahlen. Bei der Pflegestu-
fe V gibt es über 2 000 Euro . Das ist eine erhebliche
Leistungssteigerung . Es wird im Übrigen keiner bei der
Umstellung von Pflegestufen auf Pflegegrade schlechter-
gestellt. Nicht nur das: Wenn ich in einen höheren Pflege-
grad komme, steigt auch der Eigenanteil nicht an . – Das
bedeutet: Niemand muss mehr Angst haben, wenn er in
einen höheren Pflegegrad kommt. Auch das war etwas,
was wir Sozialdemokraten, aber auch die Kollegen von
der Union immer wieder gefordert haben .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir wissen natürlich: Die Pflegeversicherung ist eine
Teilkaskoversicherung . Deshalb verbleibt ein nicht un-
wesentlicher Anteil der Kosten bei den Versicherten und
oftmals auch bei den Kindern . Wir alle wissen, dass wir
diese oft in den Sprechstunden haben . So stellt sich schon
die Frage, wie man zumindest schrittweise in Richtung
einer Pflegevollversicherung kommen kann und was man
politisch dafür machen kann . Zwar sind im Etat über
45 Millionen Euro zur Förderung der privaten Pflegever-
sicherung, der Pflege-Bahr, enthalten. Diese Versiche-
rung schließen aber Gering- und Normalverdiener selten
ab, obwohl die sie am dringendsten brauchten . Aus Sicht
der SPD ist es deswegen sinnvoll, gerade die Pflegeversi-
cherung – die eignet sich besonders dafür – in eine Bür-
gerversicherung umzuwandeln .


(Beifall der Abg . Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Dann können die Ausgaben einer älter werdenden Ge-
sellschaft von allen Menschen solidarisch finanziert wer-
den, indem alle in ein System einzahlen, auch und vor
allem die gut Verdienenden .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg . Harald Weinberg [DIE LINKE] und Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Die private und die gesetzliche Pflegeversicherung haben
einen einheitlichen Leistungskatalog . Wenn es sich lohnt,
über eine Bürgerversicherung nachzudenken, dann bietet
sich die Pflegeversicherung an.


(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Einstiegsprozess!)


– Lieber Harald Weinberg, da sind wir einer Meinung .

Die zweite tiefgreifende Reform, die 2016 in Kraft ge-
treten ist, war das Krankenhausstrukturgesetz, das in Zu-
kunft noch viele Mehrausgaben, Herr Minister, bedingen
wird . Es ist uns wichtig gewesen, dass gerade die Quali-
tät der Behandlung in den Krankenhäusern ein Maßstab
für finanzielle Anreize sein sollte. Wir alle wissen, dass
sich die Krankenhauslandschaft in den letzten 20, 30 Jah-
ren vollkommen geändert hat . Wir haben Spezialisten für
alle Bereiche, für Onkologie, Kardiologie, für Bauch, für
Rücken, für Orthopädie, für Gynäkologie und viele ande-
re Bereiche mehr . Deshalb war es richtig, zu beschließen,
dass wir in Zukunft Geld nicht mit der Gießkanne vertei-
len, sondern zielgerichtet den Prozess der Qualitätsver-
besserung in den Krankenhäusern steuern . Ich glaube, da
gibt es keine andere Meinung hier im Haus .

Künftig sollen nur die Krankenhäuser bestimmte
Leistungen abrechnen, die die Leistungsvoraussetzungen
haben und die notwendige Erfahrung mitbringen . Wir
konnten jetzt lesen – auch Herr Henke wird es gelesen
haben –, dass 330 Krankenhäuser reichen sollten, dass
wir die Anzahl unserer Krankenhäuser von 2 000 auf 330
verringern sollten . Ich glaube aber, dass das nicht der
richtige Weg ist – das sage ich als Abgeordneter, der aus
Nordhessen kommt –; auch Herr Heiderich hat das eben
angedeutet . Wir brauchen nicht nur in den Städten, son-
dern auch auf dem Land Krankenhäuser, die eine Grund-
und Regelversorgung anbieten, vor allen Dingen deshalb,
weil dort viele ambulant tätige Ärzte verschwinden . Es
ist, glaube ich, wichtig, dass wir da etwas tun . Wichtig ist
auch, dass die Krankenhäuser auf dem Land Sicherstel-
lungszuschläge bekommen – der Gemeinsame Bundes-
ausschuss soll ja bis zum Jahresende „bundeseinheitliche
Vorgaben zur Vereinbarung von Sicherstellungszuschlä-
gen“, wie es im Beamtendeutsch so schön heißt, be-
schließen –; denn diese sind für die Versorgung absolut
notwendig . Ich glaube, das ist ein wichtiger Schritt, auch
im Krankenhausstrukturgesetz .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt einen
roten Faden in der Gesundheitspolitik . Es gibt schwarze
Nullen . Es ist eine Verbesserung der gesundheitlichen
Versorgung zu verzeichnen . Mich freut besonders, dass
dieser Gesundheitshaushalt und die Gesundheitspolitik
nicht nur einen roten, sondern vor allen Dingen einen so-
zialdemokratischen Faden enthalten, mit dem gesponnen
wurde .


(Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Ein Fädchen!)


In dem Sinne ist es ein wunderbares Ergebnis und ein
guter Haushalt, Herr Minister .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820111400

Vielen Dank . – Jetzt hat Dr . Katja Leikert, CDU/

CSU-Fraktion, das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Edgar Franke






(A) (C)



(B) (D)



Dr. Katja Leikert (CDU):
Rede ID: ID1820111500

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

legen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben seit
Beginn der Legislatur und damit auch im zurückliegen-
den Haushaltsjahr sehr viel für die Gesundheit aller Men-
schen in unserem Land getan, und wir haben noch viel
vor uns . Ich sage es gern noch einmal – wir haben es
jetzt schon öfter gehört –: Wir haben ein Gesundheits-
system, das weltweit eine Spitzenposition einnimmt, das
leistungsstark und sozial ist . Wenn wir uns den gesam-
ten Bundeshaushalt anschauen, dann erkennen wir, dass
dort mit 52 Prozent Ausgaben für Soziales veranschlagt
sind . Da kann man nicht davon sprechen, dass er nicht
ausgewogen sei, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
Linksfraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linksfrak-
tion, wir verschwenden unsere Zeit auch nicht mit per-
manenten Systemdebatten . Das schürt natürlich Emoti-
onen . Da kann man sich auch wunderbar aufregen . Aber
Ihre Fundamentaldebatten bringen den Menschen in der
Wirklichkeit nichts .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Für uns gilt besonders in einer Haushaltsdebatte, dass wir
ein nachhaltig finanzierbares Gesundheitssystem wollen
und das tun wollen, was für die Menschen wirklich wich-
tig ist .

Liebe Frau Deligöz, hier sollten Sie ein bisschen zu-
hören, nachdem Sie gesagt haben, unsere Gesetze seien
zu teuer . Ich gehe jetzt ein bisschen auf das ein, was wir
in der Legislatur getan haben, und Sie können dann gern
selbst entscheiden, worauf Sie verzichten möchten .

Was wirklich wichtig ist, ist zum Beispiel, dass wir,
wenn wir in ein Krankenhaus hineingehen, gesünder he-
rauskommen .


(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Das stimmt!)


Das ist aber nicht immer der Fall; das hat uns das Ro-
bert-Koch-Institut vorgerechnet . Mit einer Wahrschein-
lichkeit von 3,5 Prozent erleiden wir eine Krankenhau-
sinfektion, und das möchte keiner von uns . Bereits im
letzten Jahr hat Bundesminister Hermann Gröhe einen
Zehnpunkteplan zur Vermeidung von Krankenhausinfek-
tionen und Antibiotikaresistenzen vorgelegt . Sie alle wis-
sen, dass wir von der CDU Zehnpunktepläne lieben und
sie auch gerne in die Tat umsetzen . Deshalb investieren
wir in unsere Krankenhäuser zielgerichtet mehr Geld für
die Pflege und für die Hygiene. Dazu haben wir das Hy-
giene-Förderprogramm aufgestockt, und wir fördern die
Weiterbildung im Bereich der Infektologie . Gleichzeitig
schaffen wir mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungs-
gesetz Anreize dafür, dass an neuen Antibiotika geforscht
wird . Dieser Zehnpunkteplan, lieber Hermann Gröhe, ist
eine runde Sache und macht unser Gesundheitssystem
besser und sicherer .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es gibt einen anderen Bereich, der für uns alle wich-
tig ist – liebe Frau Deligöz, auch darauf können Sie gern
verzichten –: Das ist der Hospiz- und Palliativbereich .


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie finanzieren das nicht! Die Beitragszahler finanzieren das alles, und zwar nur die Beitragszahler!)


– Alles zahlen sie nicht .


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aus dem Etat finanzieren Sie das nicht!)


– Hören Sie doch erst einmal zu .


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, ich gebe Ihnen die Antwort, weil das falsch ist!)


Wir alle wollen, besonders in der letzten Lebenspha-
se, die Sicherheit haben, dass jemand zu uns kommt und
uns über vielleicht schmerzhafte Situationen hinweghilft .
Hier sind die Strukturen in Deutschland ziemlich unter-
schiedlich . Ich kann Ihnen aus meinem Wahlkreis, Ha-
nau – das grenzt an Frankfurt –, berichten, dass dort die
Strukturen sehr gut sind, weil es dort schon lange ehren-
amtliches Engagement im Hospizbereich gibt und weil
wir dort Ärzte haben, die sich für die Palliativmedizin
frühzeitig eingesetzt haben . Das kann aber ein paar Kilo-
meter weiter schon ganz anders aussehen . Dort wird zum
Beispiel erst ein Hospiz gebaut . Wir müssen dafür sor-
gen, dass wir in Gesamtdeutschland ein gutes Angebot
im Hospiz- und Palliativbereich haben . Auf diesem Weg
einen ganz herzlichen Dank an unseren Gesundheitsmi-
nister Hermann Gröhe für seine überzeugende Arbeit –
aber nicht nur dafür, sondern auch für deinen persönli-
chen Einsatz in diesem Bereich!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, als ich mir
den Einzelplan angeschaut habe, habe ich mich persön-
lich sehr darüber gefreut, dass die wichtige Arbeit der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung weiter
unterstützt wird . Insbesondere die Information der Be-
völkerung über das Thema Organspende ist für mich ganz
zentral . Sie alle wissen, dass immer noch 10 000 Men-
schen auf der Warteliste stehen; es sind wahrscheinlich
sogar noch viel mehr, weil wir die Dialysepatienten gar
nicht mit einrechnen . Kern unserer Politik ist, dass wir
nicht alle Menschen dazu verdonnern wollen, Organ-
spender zu sein . Wir wählen einen sensibleren Ansatz
und setzen auf Aufklärung und Information . Das heißt,
die Menschen brauchen eine gute Information, damit sie
entscheiden können, ob sie Spender sein möchten . Genau
das liefert die Bundeszentrale für gesundheitliche Auf-
klärung . Es ist kein einfaches Konzept, kein ethisch un-
anspruchsvolles Konzept, den Menschen beispielsweise
den Hirntod zu erklären und näherzubringen . Genau die-
se Aufgaben leistet die Bundeszentrale für gesundheitli-
che Aufklärung .

Ich möchte noch kurz bei dem Thema Organspende
bleiben, weil das ein Thema ist, in das wir alle, denke






(A) (C)



(B) (D)


ich, noch sehr viel investieren könnten . Gut ist, dass wir
im Sommer das Transplantationsregistergesetz auf den
Weg gebracht haben . Dieses Gesetz sieht vor, dass wir
erstmalig alle Daten sammeln, von der Organentnahme
bis zur Nachsorge . Das heißt, die Daten werden wirklich
langfristig gesammelt . Wir sorgen in diesem System, in
dem es auch Skandale gegeben hat, für mehr Transpa-
renz, und wir sorgen für bessere Kriterien, wie wir zu-
künftig Organe vergeben wollen . So ein Register kostet
nicht viel, bringt aber viel . Auch hier können Sie gern
entscheiden, Frau Deligöz: Möchten Sie darauf verzich-
ten oder nicht? – Ich jedenfalls möchte es nicht .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend möch-
te ich noch auf eines meiner Lieblingsprojekte eingehen;
Hermann Gröhe hat das Thema schon angesprochen . Je-
der von uns hat so seine Lieblingsprojekte; für mich ist es
das Thema „digitale Vernetzung im Gesundheitswesen“ .
Dieses Thema klingt sperrig, ist in der Praxis aber ganz
konkret . Da geht es beispielsweise um die fehlende Pa-
pierakte im Krankenhaus – wenn der Patient gerade ope-
riert wurde, befindet sie sich irgendwo im Keller, sucht
dann stundenlang den Weg nach oben auf die Abteilung;
manchmal fehlt sie dort auch tagelang – oder darum, dass
der niedergelassene Arzt auf den Arztbrief seines Kolle-
gen wartet .

Diese Situationen können richtig dramatisch sein . Ich
habe mir das in der letzten Woche in meinem Wahlkreis
bei einer Tour mit den Notfallsanitätern angeschaut . Die
Notfallsanitäter kommen in eine häusliche Situation, wo
eine Patientin auf dem Boden liegt und grundsätzliche
Informationen fehlen: Welche Medikamente nimmt die
Patientin? Wo ist der letzte Arztbrief? – Oft können die
Angehörigen das gar nicht sagen . Das sind aber Informa-
tionen, die schnell zur Hand sein müssen . Deshalb sorgen
wir jetzt dafür – ich möchte unseren Koalitionspartner
und Dirk Heidenblut für die Zusammenarbeit in diesem
Bereich der Digitalisierung ausdrücklich loben –, dass
die Notfalldaten auf die elektronische Gesundheitskarte
kommen . – Ihr dürft gern klatschen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Was auch zentral wichtig ist, ist, dass wir über Arz-
neimittelwechselwirkungen mehr Informationen haben .
Deswegen haben alle Menschen, die mehr als drei Me-
dikamente nehmen, ab dem 1 . Oktober dieses Jahres ein
Anrecht auf einen Medikationsplan . Es sterben immer
noch mehr Menschen an Arzneimittelwechselwirkungen
als im Straßenverkehr . Das sind grundlegende Informa-
tionen, die oft fehlen . Wir sorgen jetzt dafür, dass sie
schnell zur Verfügung sind .

Das Thema Telemedizin wurde schon angesprochen .
Auch hier geht es voran . Das alles sind Beschlüsse, die
Sie im Dezember 2015 gefasst haben . Hierzu gibt es neue
Abrechnungsziffern . Das Thema ist wichtig für die Stadt
und auch für den ländlichen Bereich .

Herr Gröhe hat schon gesagt, dass wir – das freut uns,
glaube ich, besonders – einigermaßen fristgerecht mit
dem Versichertenstammdatenmanagement anfangen .
Das ist jetzt mehr was für Feinschmecker; aber das ist die
Grundlage für unsere Telematikinfrastruktur und all das,
was da noch folgen soll . Auch die Grünen sind, glaube

ich, mit dabei, wenn ich sage, dass die elektronische Pa-
tientenakte dieses Projekt am Ende krönen wird . Das soll
2018 sein . Auch das haben wir gemeinsam beschlossen .

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Präsi-
dentin ist sehr großzügig mit mir . Vielen Dank dafür . Ich
komme jetzt auch zum Schluss . Das Fazit ist: Die Bun-
desregierung hat auf breiter Front geliefert – das kann
man festhalten –, um unser Gesundheitswesen kostenbe-
wusst, leistungsstark und zukunftsorientiert aufzustellen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820111600

Vielen Dank . – Jetzt hat der Kollege Thomas Stritzl,

CDU/CSU-Fraktion,


(Dr . Edgar Franke [SPD]: Guter Mann!)


die Gelegenheit, die Debatte zu diesem Einzelplan abzu-
schließen . Bitte schön, Herr Kollege .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Thomas Stritzl (CDU):
Rede ID: ID1820111700

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist zwar
schon alles gesagt, bloß noch nicht von mir . Das ist natür-
lich verlockend . Lassen Sie mich deshalb einfach noch
ein paar Punkte highlighten .

Das Erste ist etwas Grundsätzliches: Wir haben in die-
sem Haushalt als Koalition zum dritten Mal in Folge eine
schwarze Null . Wir werden sogar im Gesamtbundeshaus-
halt 700 Millionen Euro an Altschulden tilgen . Ich halte
das für eine große Leistung .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Dr . Edgar Franke [SPD])


Wenn man im Lande herumschaut – elf Länder werden ja
nicht von der Union regiert –,


(Zurufe von der SPD: Oh!)


können Sie da einen Unterschied feststellen . In dem Sin-
ne, lieber Herr Professor: Lieber eine schwarze Null als
ein roter Zocker .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


So, das war Punkt eins .

Punkt zwei: Versprochen und gehalten – das stimmt
auch für den Einzelplan des Bundesgesundheitsminis-
ters . Die im letzten Jahr weggenommenen 500 Millionen
Euro werden jetzt wieder draufgelegt . Das hat der Minis-
ter damals angekündigt – übrigens auch Herr Lauterbach,
wie ehrlicherweise zu sagen ist –; gemeinsam haben wir
dafür gesorgt, dass sie jetzt wieder draufgelegt werden .
Versprochen und gehalten ist ein weiteres Markenzei-
chen auch für diesen Bereich .

Lassen Sie es mich kurz machen . Man könnte eine
Menge aufzählen angesichts der guten Leistungen dieses
Ministeriums, seiner Führung, der Staatssekretärin, des

Dr. Katja Leikert






(A) (C)



(B) (D)


Staatssekretärs . Ich sage: Hut ab, Herr Minister, für das,
was Sie geleistet haben – für Ihr Ressort, für die Pati-
enten und Versicherten und damit für die Menschen in
unserem Land! Respekt!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Dr . Edgar Franke [SPD])


Statt sich von dieser Welle des Erfolges, die es ja gibt,
Herr Kollege, und an der Sie als Koalitionspartner natür-
lich einen Anteil haben – das ist ja unstrittig –, ein Stück
mittragen zu lassen, versuchen Sie die Axt an dieses er-
folgreiche Gesundheitssystem zu legen und beginnen
immer wieder die Diskussion über die sogenannte Bür-
gerversicherung .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ist doch richtig! Bürgerversicherung ist doch richtig!)


Ich will ja nicht bestreiten, dass es Ihnen damit gelun-
gen ist, einen relativ sympathisch klingenden Begriff zu
kreieren . Aber er suggeriert natürlich Falsches . Erstens
sind alle Leute versichert; das haben Sie ja vorhin selbst
dargestellt . Und zweitens ist es so, dass die Bürgerver-
sicherung wie auch immer geartete Probleme, die Sie ja
gar nicht erst beschreiben, nicht löst . Was, bitte schön,
löst sie nachhaltig wie? Bis heute haben Sie das nicht
dargelegt .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn mit den Rentnern? Was ist denn mit den Kleinselbstständigen? Wir könnten jetzt anfangen damit!)


– Ja, fangen Sie damit an; aber dann machen Sie es bitte
auch nachhaltig, und setzen Sie sich bitte auch mit den
Punkten auseinander, um die es bei der Bürgerversiche-
rung geht . Dann müssen Sie bitte schön auch sagen, dass
das Prinzip „allen Wohl, keinem Wehe“, was Sie sugge-
rieren, nicht stimmt . Richtig ist – das sagt Ihnen Verdi;
das sagt Ihnen die Hans-Böckler-Stiftung mittlerweile in
der zweiten Studie –, dass Sie so Zehntausende von Ar-
beitsplätzen vernichten würden . Und da sagen Sie: Das
wollen wir ja gar nicht .


(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Das ist Quatsch, was Sie sagen!)


– Nein, das ist nicht Quatsch .


(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Natürlich ist es Quatsch!)


Das steht doch sogar in den Studien . Ich habe sie gar nicht
in Auftrag gegeben . Dass wir die Hans-Böckler-Stiftung
beauftragt haben, stimmt nicht .


(Hilde Mattheis [SPD]: Aber Sie haben sie nicht gelesen, Herr Stritzl!)


Es gibt vier Szenarien, gnädige Frau, in denen es heißt:
im Zweifel ein Verlust zwischen 22 000 und 56 000 Ar-
beitsplätzen, die nicht kompensierbar sind . Ihr Ansatz – in
einer Zeitung habe ich ihn vom stellvertretenden Frakti-
onsvorsitzenden der SPD dargestellt gesehen –, das kön-
ne man kompensieren, daraus könne man ja Pflegestellen
machen, geht nach dem, was die Hans-Böckler-Stiftung
sagt, nicht auf . Sie müssen das dann hier und heute oder
auch woanders erklären und sagen, warum Ihr Bundes-

wirtschaftsminister bei Tengelmann sagt: „Wenn es um
15 000 Arbeitsplätze geht, beuge ich das Wirtschafts-
recht“,


(Widerspruch bei der SPD)


Sie aber zugleich, wenn es um 50 000 Arbeitsplätze geht,
es zum zentralen Ziel Ihres Wahlprogrammes erklären,
diese Arbeitsplätze zu riskieren . Das kann nicht angehen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Herr Gabriel muss sich
an dieser Stelle zu seiner Verantwortung bekennen und
erklären, ob er hier die gleiche Messlatte anlegt wie bei
Kaiser’s Tengelmann oder ob ihm 15 000 Arbeitsplätze
im Einzelhandel wichtiger sind als 50 000 Arbeitsplät-
ze in der Versicherungsbranche . Beides darf man nicht
unterschiedlich handhaben; man muss hier die gleiche
Messlatte anlegen . Die Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
ter der Versichertenbranche haben den gleichen Schut-
zanspruch wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im
Einzelhandel . Deswegen sage ich: Wenn er die Hand
reicht zu diesem Projekt, das nach allen uns vorliegenden
Gutachten im Wesentlichen dazu führt, Arbeitsplätze zu
vernichten


(Beifall des Abg . Erich Irlstorfer [CDU/ CSU])


– ich will mich gar nicht darüber streiten, ob es 50 000
oder 100 000 sind; das RWI sagt jedenfalls: volkswirt-
schaftlich nur negative Folgen –, und vor dem Hinter-
grund dessen, was er bei Kaiser’s Tengelmann gemacht
hat, zur Bürgerversicherung Ja sagt, dann kann er auch
gleich seinen Hut nehmen, finde ich.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben in der Diskussion zu diesem Haushalt heu-
te auch eine Menge dazu gehört, was verabsäumt wor-
den sein soll . Ich glaube, dass man bei dieser Regierung
und bei diesem Minister mit Recht sagen kann: Die Ge-
setze, die wir auf den Weg gebracht haben, haben den
Menschen genützt . Die Qualität in den Krankenhäusern
wurde erhöht . Die Ausschreibung zur Unabhängigen Pa-
tientenberatung wurde vom Parlament in den Strukturen
festgelegt .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von Ihnen, genau!)


– Sie ist vom Parlament festgelegt worden . – Es war die
Aufgabe des Ministeriums, des zuständigen Staatssekre-
tärs, aufgrund dieser Ausschreibung zu entscheiden . Das
hat er gemacht . Dazu ist die Vergabekammer angerufen
worden; sie hat keinen Verfahrensverstoß festgestellt .
Damit muss man dann auch leben . Dass eine Ausschrei-
bung ein aus Sicht von Dritten nicht gewünschtes Ergeb-
nis haben kann, mag sein . Dieses Verfahren ist aber nach
bestem Wissen und Gewissen durchgeführt worden . Das
Ergebnis ist, dass die telefonische Befragung deutlich
mehr in Anspruch genommen wird .

Eine höhere Durchdringung war doch unser Ziel . Wir
wollten, dass mehr Menschen die Möglichkeit haben,
dieses Instrument in Anspruch zu nehmen. Nun findet das
statt . Dann sollte man das nicht als irgendetwas Schlech-

Thomas Stritzl






(A) (C)



(B) (D)


tes oder irgendetwas Vorgeformtes kritisieren . Hier ist
in der Tat im Wettbewerb ein anderer Bewerber, als Sie
es sich vielleicht vorgestellt haben, ausgewählt worden .
Aber die Arbeit, die er leistet, erreicht offensichtlich
mehr bedürftige Menschen, Patienten und Versicherte,
als es vorher der Fall gewesen ist .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Offensichtlich nicht! Fragen Sie Ihr Ministerium! Die Zahlen liegen vor!)


Haben wir doch die Kraft, in Ruhe abzuwarten! Wenn es
in Zukunft Probleme geben sollte, dann wird man darauf
sachgerecht reagieren .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ein Letztes zum Thema Pflege. Vorhin ist gesagt wor-
den, wir hätten alles nur teurer gemacht und uns nicht
um die Probleme gekümmert . Ich verstehe das gar nicht,
weil auf der anderen Seite gefordert wird, die Pflegerin-
nen und Pfleger besser zu bezahlen. Ich bin schon der
Meinung, dass wir sehr aufpassen müssen, wie wir den
Dienst am Menschen – genauso wie den Dienst an der
Maschine – auf Dauer finanzieren. Da sind wir nicht so
weit auseinander, wie Sie vielleicht glauben . Aber die-
ser Minister erhebt dafür einen höheren Beitrag und gibt
auf diesem Weg jährlich 5 Milliarden Euro mehr ins
System . Damit schafft er doch die Voraussetzung, um
dem, was Sie sich wünschen, gerecht zu werden . Dafür
hat er, wie ich finde, Dank verdient; denn das war ein
mutiger Schritt, den die Große Koalition gemacht hat .
Wir haben gesagt: Wenn wir mehr Geld für die Pflege
brauchen, dann müssen wir auch bereit sein, mehr Geld
einzusammeln . – Das ist nicht populär . Aber gerade mit
Blick auf die älter werdende Generation, die Sie auch
angesprochen haben, kann man meines Erachtens sagen:
Das war der richtige Weg . Es war ein schwieriger Weg .
Aber gemessen an dem, was dort auf uns zukommt, war
der Mut zur Entscheidung bei diesem Minister und bei
der Großen Koalition zum richtigen Zeitpunkt gegeben .

Insofern bleibe ich dabei: Das, was der Minister zu-
sammen mit seinem Haus geleistet hat und was die Gro-
ße Koalition politisch unterlegt hat, indem sie diesen
Weg mitgetragen hat, war gut für die Gesundheitspolitik
Deutschlands . Hier ist mehr passiert als in vielen Legis-
laturperioden vor uns . Darauf sollten wir gemeinsam als
Koalition stolz sein .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Dr . Edgar Franke [SPD])



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820111800


Vielen Dank . – Wir kommen damit zur Abstimmung
über den Einzelplan 15 – Bundesministerium für Gesund-
heit – in der Ausschussfassung . Wer stimmt dafür? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 15
ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die
Stimmen der Opposition angenommen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt I .8 auf:

Einzelplan 16
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit

Drucksachen 18/9815, 18/9824

Die Berichterstattung liegt bei den Abgeordneten
Steffen-Claudio Lemme, Christian Hirte, Josef Rief,
Heidrun Bluhm und Sven-Christian Kindler .

Zu dem Einzelplan 16 liegen zwei Entschließungsan-
träge der Fraktion Die Linke und ein Entschließungsan-
trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über die
wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen . – Ich sehe kei-
nen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .

Ich darf Sie bitten, zügig die Plätze zu wechseln . – Ich
eröffne die Aussprache . Das Wort hat Heidrun Bluhm,
Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Heidrun Bluhm (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820111900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Nicht, dass ich zu Beginn der 18 . Legislaturperiode über-
schäumende Erwartungen gehabt hätte; aber wenigstens
gab es im Einzelplan 16 die leise Hoffnung, dass „Schlim-
mer geht nimmer“ nicht wieder eintreten wird . Und tat-
sächlich: Im Koalitionsvertrag fanden sich einige Passagen
zum Wohnungsbau und zur Stadtentwicklung, zu denen
man sagen konnte: Wenn nur die Hälfte davon umgesetzt
wird, wäre das schon ein beachtenswerter Fortschritt, vor
allem im Vergleich zu dem Nichts von vorher . Aber jetzt,
mit Vorliegen des letzten Haushalts dieser Regierung,
bleibt das ernüchternde Fazit: Nichts von dem, was die
Bundesregierung an Verbesserungen im Wohnungswesen
und im Städtebau angekündigt hat, ist wirklich umgesetzt
worden . Das wenige, das sie auf den Weg gebracht hat,
funktioniert nicht, zum Beispiel die Mietpreisbremse oder
die Wohngeldanpassung aus dem Jahr 2015 .

Der Haushalt 2017 sieht leider auch nicht nach einem
furiosen Endspurt dieser Legislatur aus, wie man es ei-
gentlich hätte erwarten können, vor allem, wenn man
Wahlgeschenke verteilen will . Ich erinnere: Der Koali-
tionsvertrag trägt den ambitionierten Titel „Deutschlands
Zukunft gestalten“ . Zum Einzelplan 16 für das Haus-
haltsjahr 2017 muss man aber sagen, dass es nicht einmal
dafür reicht, die Gegenwart zu verwalten .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Die Haushaltsansätze für sozialökologisch relevante Zie-
le bleiben wieder einmal weit hinter den realen Heraus-
forderungen der Gegenwart zurück, besonders im Woh-
nungsbau .

Erstes Beispiel: altersgerechtes Umbauen . Hier hat die
Koalition versprochen – ich zitiere –:

Thomas Stritzl






(A) (C)



(B) (D)


Zur Förderung des generationengerechten Umbaus
werden wir ein neues Programm „Altersgerecht
Umbauen“ auflegen, mit Investitionszuschüssen
ausstatten und damit das bestehende KfW-Darle-
hensprogramm ergänzen .

In den ergänzenden Erläuterungen, im sogenannten
Grünbuch, steht dazu: Bis 2030 werden nach einer Stu-
die der Prognos AG 2,9 Millionen altersgerechte Woh-
nungen benötigt; aber nur 1 oder maximal 2 Prozent des
gesamten Wohnungsbestandes von rund 41 Millionen
Wohnungen in Deutschland sind aktuell altersgerecht
umgebaut . – Insgesamt sollen im Haushalt 2017 36 Mil-
lionen Euro dafür ausgegeben werden . Das heißt – wenn
man die 2,9 Millionen Wohnungen auf die Jahre um-
rechnet –, dass man jährlich 220 000 Wohnungen alters-
gerecht umbauen müsste, um dieses Ziel zu erreichen .
Wenn man die 36 Millionen Euro darauf verteilt, gäbe
es für jede Wohnung einen Zuschuss von 163 Euro . Ich
finde, das ist ein schlechter Witz.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zweites Beispiel: sozialer Wohnungsbau . Ich höre
schon meine Kolleginnen und Kollegen aus der Koali-
tion sagen: Hierfür haben wir doch die Mittel verdrei-
facht . – Ja, das stimmt . Aber Sie verdreifachen damit
nicht den Bau von Sozialwohnungen . Selbst wenn dem
so wäre, hieße das: Statt der bisher 10 000 Sozialwoh-
nungen pro Jahr würden dann 30 000 Sozialwohnungen
gebaut . Immer noch viel zu wenig, weil wir wissen, dass
wir jedes Jahr mindestens 80 000 Wohnungen brauchten,
um die Zahl der jährlich aus der Sozialbindung herausfal-
lenden Sozialwohnungen zu kompensieren . Stattdessen
haben Sie sich, Frau Ministerin, von den Ländern den ur-
sprünglich vorgesehenen Titel „Wohnungsbauprogramm
zur Vermeidung von sozialen Brennpunkten in Städten
mit besonderem Wohnungsbedarf“ einfach einkassieren
lassen . Unter dieser Titelbezeichnung wären die Mittel
nämlich klar für den sozialen Wohnungsbau zweckge-
bunden gewesen .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!)


Dann sind diese 500 Millionen Euro aber auf wundersa-
me Weise den allgemeinen Kompensationsmitteln zuge-
schlagen worden, und damit war auch deren Zweckbin-
dung weg . Die Erklärung, dass die Länder allein über die
Verwendung der Mittel bestimmen, lasse ich nicht gelten;


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie des Abg . Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


denn wer das Geld gibt, der sagt auch, was damit passie-
ren soll .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind nur zwei
Beispiele, die belegen, dass die Bundesregierung nicht
nur zu wenig in eine soziale und ökologische Wohnungs-
und Stadtentwicklungspolitik investiert, sondern es auch
noch blind tut, ohne eigenen Gestaltungsanspruch . Das,
finde ich, ist kein Zufall.


(Beifall bei der LINKEN)


Mit der willkürlichen Abschaffung der Wohnungsge-
meinnützigkeit 1990 und der Föderalismusreform 2006
hat sich der Staat weitestgehend aus der Verantwortung
für das Wohnungswesen herausgewunden – das war Ab-
sicht, in der abwegigen Hoffnung, der Markt werde fort-
an alles regeln und auch die soziale Daseinsvorsorge für
den Staat übernehmen . Das war ein Irrglaube . Aber es
wäre heilbar, wenn man denn wollte .

Im öffentlichen Fachgespräch zur Einführung einer
neuen Wohnungsgemeinnützigkeit jetzt im November
haben wir viel Zustimmung zu diesem von uns, den Lin-
ken und den Grünen, formulierten Ziel erfahren, aber
auch einen bemerkenswerten Disput zwischen der Woh-
nungswirtschaft und der Regierung erlebt . Beide warfen
sich gegenseitig Versagen vor: die Wohnungswirtschaft
dem Staat das Staatsversagen, und die Regierung konter-
te in Richtung Wohnungswirtschaft mit dem Vorwurf des
Marktversagens . Hier ist heute für mich nicht die Zeit,
lange über Staats- oder Marktversagen zu philosophie-
ren . Wichtig ist aber das Offensichtliche: dass im Ver-
hältnis von Staat und Markt Grundlegendes verändert
werden muss .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der Staat muss sofort viel stärker als bisher selbststän-
dig eine am Gemeinwohl orientierte Gestaltungsfunktion
übernehmen .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Genau!)


Öffentliches Geld muss so eingesetzt werden, dass damit
der größte gemeinschaftliche Nutzen, und zwar dauer-
haft, erreicht wird . Das ist die einfache Grundidee einer
neuen Gemeinnützigkeit in der Wohnungswirtschaft .
Diese fordern wir in unserem Antrag „Bundesweiten Ak-
tionsplan für eine gemeinnützige Wohnungswirtschaft
auflegen“.


(Beifall bei der LINKEN)


Ein letztes Wort, bevor meine Redezeit vorüber ist .
Wir haben vor, jedes Jahr 5 Milliarden Euro für die För-
derung des sozialen Wohnungsbaus einzusetzen . Wenn
wir die Mittel nehmen, die dem Bund entgehen, weil er
an anderer Stelle auf Steuern vonseiten der Wohnungs-
wirtschaft verzichtet, die Mittel in Höhe von 1,5 Milli-
arden Euro draufrechnen, die der Bund bis 2019 in das
System pumpt, und berücksichtigen, dass der Bund durch
entsprechende Maßnahmen die Ausgaben beim Wohn-
geld senken könnte, kommen wir auf einen Betrag von
9,5 Milliarden Euro, der allein für die soziale Wohnraum-
versorgung zur Verfügung stünde . Das wäre haushalte-
risch vernünftig; das ist, was die Linke will .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820112000

Vielen Dank . – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der

Kollege Steffen-Claudio Lemme .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Heidrun Bluhm






(A) (C)



(B) (D)



Steffen-Claudio Lemme (SPD):
Rede ID: ID1820112100

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die kommen-
den Jahre und Jahrzehnte werden tiefgreifende Verän-
derungen gesellschaftlicher Natur mit sich bringen . Das
spüren wir, denke ich, alle gemeinsam sehr deutlich . Die
globalisierte Welt stellt uns vor große Herausforderun-
gen . Im Kern lässt es sich auf drei Merkmale reduzieren:
Weltweit werden die Menschen immer mobiler, die Le-
benserwartung steigt, und in der Folge teilen wir die Erde
mit immer mehr Menschen . Vor allem von diesen Fakto-
ren hängt das Gelingen einer friedlichen Entwicklung –
der Erfolg oder eben der Misserfolg – in den kommenden
Jahrzehnten ab: eine gesunde, nachhaltig genutzte Um-
welt und ein gutes Klima .

Wir müssen es immerhin schaffen, bis zum Jahre 2050
10 Milliarden Menschen mit sauberer Luft, mit sauberem
Trinkwasser und mit Nahrung zu versorgen . Gleichzeitig
muss eine bedürfnisgerechte Infrastruktur zur Verfügung
gestellt werden . Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis
setzen wir, wie ich meine, mit dem Haushalt des BMUB
in den Bereichen der Umwelt, des Naturschutzes und des
Baus richtige Impulse .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Einige Beispiele . Allein für die Internationale Klima-
schutzinitiative stehen im Jahr 2017 rund 387 Millionen
Euro zur Verfügung . Ab 2018 werden die Mittel auch
in diesem Bereich noch aufwachsen . Mit rund 30 Mil-
lionen Euro wollen wir eine neue europäische Klima-
schutzinitiative unterstützen . Mit diesem Geld wird auch
eine engere Kooperation mit Osteuropa angestrebt . Mit
20 Millionen Euro stärken wir ein Programm „Biologi-
sche Vielfalt“ .

Besonders wichtig ist es – auch mit Blick auf die
Herausforderungen der Globalisierung –, dass wir den
Menschen in ihrer Heimat wieder eine Perspektive ge-
ben . Oft mangelt es an den Grundvoraussetzungen für
wirtschaftliches Wachstum wie guten Straßen, sauberem
Wasser und Möglichkeiten der Energiegewinnung . Mit
der Exportinitiative grüner und nachhaltiger Umwelt-
infrastruktur leisten wir einen Beitrag dazu, dass diese
Grundvoraussetzungen geschaffen werden .


(Beifall bei der SPD)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, die beiden
Trends einer älter werdenden Bevölkerung und der glo-
balen Migrationsbewegung spürt Deutschland derzeit
wie kaum ein anderes Land . Vor wenigen Jahren haben
Demografen einstimmig die Annahme geäußert, die Be-
völkerungsentwicklung Deutschlands sei stark rückläu-
fig. Dies hat sich zumindest in den Ballungsgebieten als
Fehleinschätzung erwiesen . Deutschland ist ein attrakti-
ves Land, anders, als man angesichts der aktuellen Dis-
kussion denken könnte. Es kommen nicht nur geflüchtete
Menschen zu uns, sondern wir sind inzwischen auch für
junge und gebildete Eliten interessant geworden . Das
liegt sicherlich auch an Faktoren wie einer funktionieren-
den Infrastruktur, einer guten Gesundheitsvorsorge und

einem allgemein hohen Lebensstandard, der uns immer
gesünder alt werden lässt .

Mit dem Haushalt für das kommende Jahr antworten
wir auf den Zuzug und die demografischen Veränderun-
gen . Die dringendste Aufgabe ist hierbei die Schaffung
von bezahlbarem Wohnraum .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Bund lässt 1,5 Milliarden Euro in die soziale Wohn-
raumförderung fließen; der Bausektor nimmt deshalb ge-
rade Fahrt auf . Ja, aber es ist richtig – ein Wermutstrop-
fen ist dabei –, dass nach wie vor zu wenig preisgünstiger
Wohnraum geschaffen wird .

Meine Damen und Herren, solche Entwicklungen
können sozialer Sprengstoff werden . Es muss uns allen
ein Anliegen sein, für kleine Einkommen, junge Familien
und Senioren Wohnraum zu schaffen, sonst werden wir
in einen Verteilungskampf geraten, der den Populisten in
die Hände spielt .

Ein weiteres Stichwort heißt Sicherheit – auch und ge-
rade vor dem Hintergrund einer älter werdenden Bevöl-
kerung . Die Sicherheit hat im Baubereich zwei Dimensi-
onen, die wir mit dem neuen Haushalt beide aufgreifen .
Zum einen ist es die Stärkung des Sicherheitsgefühls .
Das Zuschussprogramm „Kriminalprävention durch Ein-
bruchschutz“ haben wir noch einmal aufgestockt . 2017
geht es mit 50 Millionen Euro an den Start . Die zweite
Dimension ist das sichere Gefühl, möglichst lange in den
eigenen vier Wänden leben zu können . Die SPD hat für
das Programm „Altersgerecht Umbauen“ gekämpft . Ins-
gesamt stehen uns nun 75 Millionen Euro zur Verfügung .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Über dieses Programm können Gelder zum Beispiel für
einen rollstuhlgerechten Umbau der Wohnung oder ein
seniorengerechtes Bad bei der KfW beantragt werden .
Das Geld ist in jedem Fall gut investiert . Wir ermögli-
chen es damit, länger selbstbestimmt und sicher im ver-
trauten Umfeld zu bleiben, und das, liebe Kolleginnen
und Kollegen, muss uns eine Herzensangelegenheit sein .

Fazit: Wir haben mit dem Haushalt des BMUB für das
Jahr 2017 einen guten Ansatz geschaffen . Lassen Sie uns
an die Umsetzung gehen! Wir als Sozialdemokratie ste-
hen für gutes Wohnen in einem guten Umfeld und einem
sicheren Klima .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820112200

Danke schön . – Jetzt hat Sven-Christian Kindler,

Bündnis 90/Die Grünen, das Wort .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Das ist der letzte Bau- und Umwelthaushalt,






(A) (C)



(B) (D)


den wir hier im Plenum diskutieren werden. Ich finde,
es ist an der Zeit, Bilanz zu ziehen . Frau Hendricks, Sie
sind jetzt drei Jahre Umweltministerin, und in einer Zeit,
in der offensichtlich wird, wie wichtig Klima- und Um-
weltschutz sind, muss man die Frage stellen: Was ist in
den letzten drei Jahren eigentlich passiert?


(Ulli Nissen [SPD]: Viel ist passiert in den letzten drei Jahren!)


Ich erinnere mich an sehr viel schöne Interviews, wo ich
gedacht habe: Wow, tolle Forderung, genau richtig, so
muss man es machen! Frau Hendricks, ich habe immer
innerlich genickt und gedacht: Endlich geht es voran .

Sie haben zum Beispiel gesagt: Sie wollen ein gen-
technikfreies Deutschland, und Sie haben sich für ein
Bundesverbot von Gentechnik ausgesprochen . Wer hat
sich am Ende durchgesetzt? Landwirtschaftsminister
Schmidt . Es gibt jetzt einen Flickenteppich in den Län-
dern .

Sie haben im Februar 2016 die Angleichung von Die-
selsteuer an die Benzinsteuer gefordert . Wer hat sich
nachher durchgesetzt? Wolfgang Schäuble . Es gibt keine
Angleichung bei Diesel und Benzin .

Sie haben sich im Oktober 2015 für eine verpflichten-
de Quote von Elektrofahrzeugen eingesetzt . Wer hat sich
am Ende durchgesetzt? Verkehrsminister Dobrindt . Eine
Quote gibt es also auch nicht .

Und Sie haben sich vor der UN-Klimakonferenz in
Paris für einen Ausstiegspfad bei der Kohle eingesetzt .
Sie haben gesagt, es solle einen Ausstiegspfad in 20 bis
25 Jahren ohne Strukturbrüche geben, und das könne
man hinbekommen . Dafür haben Sie sich eingesetzt . Wer
hat sich durchgesetzt? Sigmar Gabriel . Es gibt keinen
Fahrplan für den Kohleausstieg .

Frau Hendricks, all das zeigt leider: Sie geben schö-
ne Interviews, aber am Ende bleiben Sie eine Ankündi-
gungsministerin . Am Ende setzen sich immer die ande-
ren Minister im Kabinett durch . Das ist eine Katastrophe
für das Klima und den Umweltschutz in Deutschland .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das sieht man auch am sogenannten Klimaschutzplan .
Ich fand, das war ein sehr engagierter Entwurf, den Sie
im April 2016 vorgelegt haben . Aber dann haben die
besagten Minister Herr Dobrindt, Herr Schäuble, Herr
Schmidt und Ihr SPD-Kollege Gabriel nachher alles ge-
strichen, was Biss hatte, alles gestrichen, was verbindlich
war, was konkret war – das alles wurde rausgestrichen .

Wenn man die Entwürfe nebeneinanderlegt und kon-
kret vergleicht, sieht man genau, was herausgestrichen
wurde . Zum Beispiel: Der Klimaschutzplan als zentrales
Handlungsinstrument in allen Bereichen – wurde gestri-
chen; Zwischenziele – wurde gestrichen; der jährliche
Nettozubau von Wind-Onshore von mindestens 2,5 Gi-
gawatt – wurde gestrichen; bis 2050 sollte mindestens
eine Halbierung des derzeitigen Fleischkonsums erfol-
gen – gestrichen; ökologische Steuerreform weiterent-
wickeln – gestrichen . Im Klimaschutzplan wurde gestri-
chen, gestrichen, gestrichen . Die Konsequenz sieht man
jetzt sehr deutlich – Sie haben es öffentlich auch schon

zugegeben –: Wir werden das Klimaschutzziel, den
CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent zu senken, reißen .
Ich finde, einen deutlicheren Offenbarungseid kann man
als Klima- und Umweltschutzministerin gar nicht leisten .
Das ist wirklich peinlich und eine Blamage für die Kli-
maschutzpolitik .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Zum Thema internationaler Klimaschutz . Hier war
Deutschland lange der Vorreiter, Frau Hendricks . Rot-
Grün hat die Energiewende auf den Weg gebracht, und
wir haben den Atomausstieg beschlossen . Jetzt haben
48 Staaten in Marrakesch gesagt, dass sie komplett aus
den fossilen Energien aussteigen wollen . Die Bundesre-
gierung hält aber weiter an der Kohle fest . Sie hat keinen
konkreten Ausstiegsplan . Was ist die Konsequenz? Auf
dem Klimaschutz-Index von Germanwatch ist Deutsch-
land mittlerweile auf Platz 29 abgerutscht. Ich finde,
gerade jetzt, wo die USA mit Donald Trump, einem ex-
pliziten Klimaskeptiker, ausfallen, kann man doch nicht
weiter bremsen, weiter blockieren . Gerade jetzt müsste
Deutschland doch international vorangehen und endlich
Verantwortung für den Klimaschutz übernehmen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das muss sich auch bei den Geldern für den internatio-
nalen Klimaschutz widerspiegeln . Die Kanzlerin hat eine
Verdoppelung der Gelder auf 4 Milliarden Euro bis 2020
versprochen . Davon sehen wir nichts im Finanzplan . Es
gibt keinen Aufholplan . 2017 sind wir auf demselben Ni-
veau wie 2016 . Sie erhöhen im Haushalt die Mittel für
die IKI – es geht um 48 Millionen Euro –, aber gleichzei-
tig wird der Entwicklungsetat um 42 Millionen Euro ge-
senkt . Am Ende ist das doch nur das Spiel „linke Tasche,
rechte Tasche“ . Das ist ein Nullsummenspiel . Diese Au-
genwischerei hilft nachher niemandem, vor allen Dingen
nicht den Menschen in den Entwicklungsländern, die das
Geld dringend für die Anpassungsleistungen brauchen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zur Bau- und Wohnungspolitik will ich auch noch et-
was sagen . Wir sehen, dass Wohnen in unseren Innenstäd-
ten immer mehr zu einer sozialen Frage wird und dass die
große Aufgabe vor allen Dingen ist, jetzt für bezahlbare
Mieten zu sorgen und sozialen Wohnraum zu schaffen .
Da hat sich der Bund viel zu lange aus der Verantwortung
gestohlen . Wir sagen: Wir brauchen neue Ideen, gerade
wenn die soziale Wohnraumförderung 2019 ausläuft .
Auch wir als Grüne setzen uns für eine neue Wohnungs-
gemeinnützigkeit ein – Heidrun Bluhm hat das Thema
schon angesprochen –, weil wir private Vermieter, kom-
munale Unternehmen und Genossenschaften fördern
wollen, wenn sie bezahlbaren Wohnraum anbieten .


(Ulli Nissen [SPD]: Was machen Ihre Kollegen in Hessen?)


Viel zu lange wurde die Wohnungspolitik dem freien
Markt überlassen . Wir sagen: Das muss sich ändern . Wir

Sven-Christian Kindler






(A) (C)



(B) (D)


wollen endlich bezahlbare Mieten statt maximaler Ren-
diten in unseren Innenstädten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Auf der einen Seite geht es um mehr bezahlbare Woh-
nungen, auf der anderen Seite natürlich auch um die
Unterstützung von Menschen mit kleinen und mittle-
ren Einkommen durch das Wohngeld . Wir wollen – das
haben wir in den Haushaltsberatungen beantragt – das
Wohngeld verdoppeln, damit Menschen nicht mehr we-
gen zu hoher Mieten in die Armut, in die Grundsicherung
rutschen . Außerdem wollen wir einen Klimabonus beim
Wohngeld, damit energetische Sanierung stattfinden
kann, sie aber nicht zu einer Verdrängung von Mieterin-
nen und Mietern führt .

Wir sagen: Wohnungs- und Baupolitik muss beides
sein, ökologisch und sozial . Wenn ich mir diesen Haus-
haltsentwurf anschaue, stelle ich fest, dass dieser Weit-
blick leider fehlt . Deswegen ist dies ein Haushalt der ver-
passten Chancen, den wir ablehnen werden .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820112300

Vielen Dank . – Jetzt spricht für die CDU/CSU-Frakti-

on Dr . Georg Nüßlein .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Michael Groß [SPD])



Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1820112400

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Nach

zwei Reden von Vertretern der Opposition muss ich
sagen, dass ich mich ernsthaft schwer damit tue, mich
überhaupt in die Gedankenwelt zu versetzen, die Sie hier
offenbaren .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steffen-Claudio Lemme hat für die Regierung geredet!)


Frau Bluhm sagte, dass sie Wahlgeschenke erwartet
hätte, dass der Haushalt nicht so aussähe, wie sie ihn in
dieser Phase – letzte Haushaltsdebatte vor den Wahlen –
erwartet hätte . Für Sie kann es wohl nicht genug sein . Ich
sage Ihnen: Ich bin zufrieden mit der schwarzen Null,
mache mir aber, was unseren Haushalt insgesamt an-
geht, ernsthafte Sorgen . Überall gibt es Aufwüchse, und
zwischen den Häusern gibt es einen regelrechten Wett-
bewerb, immer noch mehr Geld auszugeben . Es werden
Zeiten kommen, in denen wir über andere Themen wer-
den diskutieren müssen, nämlich darüber, wie wir wieder
Geld sparen können . Wir tun uns da momentan schwer .
Wenn ich von Vertretern der Opposition höre, wir müss-
ten noch sehr viel mehr ausgeben, dann, denke ich, sind
Sie auf einem komplett falschen Pfad .


(Beifall bei der CDU/CSU – Heidrun Bluhm [DIE LINKE]: Das habe ich nicht gesagt!)


Das Primat der Grünen lautet: Wir stellen den Klima-
schutz über alles, koste es, was es wolle . Ich sage Ihnen,

Herr Kindler: Gerade in der Klimaschutzpolitik gibt es
nichts Wichtigeres, als Augenmaß zu bewahren und An-
spruch und Wirklichkeit in ein sinnvolles Verhältnis zu
setzen .


(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was ist Ihr Anspruch?)


– Ich erkläre es Ihnen . – Schauen Sie: Wenn ich vor
Schülern spreche, erlaube ich mir ab und zu den Spaß,
sie zu fragen: Was glaubt ihr, wenn Deutschland von heu-
te auf morgen keine CO2-Emissionen mehr produzieren
würde, wie lange würde es dauern, bis der Zuwachs in
China diese Einsparung ausgleicht? – Auf diese Frage
erhalte ich ganz unterschiedliche Zahlen als Antwort . Im
Regelfall wird ein Zeitraum zwischen 10 und 100 Jahren
genannt . Die realistische Zahl – zwischen einem und ein-
einhalb Jahren – kommt ganz selten .


(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das heißt?)


– Ich sage Ihnen gleich, was das heißt . – Das liegt da-
ran, dass wir so tun, als wäre der Klimaschutz national
zu bewältigen . Das Problem liegt aber ganz woanders:
Wir müssen bei diesen ganzen Überlegungen davon aus-
gehen, dass der deutsche Klimaschutz nur dann einen
Sinn macht, wenn uns andere folgen, wenn andere uns
das nachmachen .


(Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sind doch schon vor uns!)


Eine Deindustrialisierungsstrategie, die insbesondere die
Grünen vorschlagen, wird uns niemand auf dieser Welt
nachmachen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zu meiner großen Freude haben Sie die ausgeprägte
Schnapsidee angesprochen – ich sage das so drastisch –,
dass wir als Politik den Menschen vorgeben sollen, dass
sie nur noch halb so viel Fleisch essen sollen . Meine
Damen und Herren, das ist ein deutsches Thema . Das
mag unter gesundheitspolitischen Erwägungen durchaus
ein richtiger Ansatz sein, aber umweltpolitisch ist das
Schwachsinn; denn die Welt hat ein anderes Problem:


(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das haben Sie klimapolitisch nicht verstanden!)


Die Schwellen- und Entwicklungsländer, die mit ihrem
Bevölkerungswachstum momentan einen Beitrag dazu
leisten, dass wir ein noch sehr viel größeres Klimapro-
blem bekommen werden, haben eine ganz andere Prob-
lemlage .


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820112500

Herr Kollege Nüßlein, ehe Sie sich weiter in Fahrt re-

den: Gestatten Sie Zwischenfragen?


Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1820112600

Ja .

Sven-Christian Kindler






(A) (C)



(B) (D)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820112700

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin

Bulling-Schröter von der Linken?


Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1820112800

Ja .


Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820112900

Kollege Nüßlein, ich habe Ihnen gerade genau zuge-

hört, –


Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1820113000

Das ist gut .


Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820113100

– auch bei Ihren Schimpfkanonaden . Ich möchte Sie

fragen: Wie beurteilen Sie denn das Ergebnis von Mar-
rakesch? Sie waren ja nicht dabei . Wir waren dort und
haben auch mit Klimazeugen gesprochen . Denen steht
das Wasser bis zum Hals . Wir wissen, dass mittlerweile
37 der am meisten betroffenen Staaten überlegen, aus der
Kohle auszusteigen . Natürlich brauchen sie Unterstüt-
zung . Würden wir dem, was Sie hier erzählen, folgen,
würden wir die Klimaschutzziele bis 2020 nicht errei-
chen . Wenn wir davon ausgehen, dass wir den CO2-Aus-
stoß bis 2050 um 95 Prozent reduzieren müssen, dann
frage ich Sie: Wie sollen wir das schaffen, wenn wir dem,
was Sie sagen, folgen?

Eine weitere Frage: Haben Sie vielleicht verfolgt, dass
gerade China in Marrakesch gesagt hat, sie würden jetzt
Klimaschutzziele definieren, sie würden in Richtung
Kohleausstieg und CO2-Einsparung gehen, und sie woll-
ten mit Vorreiter sein?


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820113200

Danke, Frau Bulling-Schröter . – Bitte schön, Herr

Kollege .


Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1820113300

Frau Bulling-Schröter, ich habe, auch wenn Sie mich

an der falschen Stelle unterbrochen haben, in keiner
Weise gesagt, dass wir unsere Klimaziele nicht weiter
verfolgen sollten . Ich bin, was die Einschätzung des
Gipfels von Marrakesch angeht, eng bei der Bundesum-
weltministerin, die deutlich gemacht hat, dass die Welt
sehr wohl sieht, wie ambitioniert Deutschland diese Ziele
verfolgen wird . Nur, ich sage Ihnen: Es kann und wird
nicht helfen, wenn wir in Deutschland das für uns alleine
machen,


(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch gerade der Fehler!)


sondern wir müssen einen Beitrag dazu leisten, dass uns
andere Länder folgen . Wenn Sie abgewartet hätten, hät-
ten Sie gehört, dass ich Ihnen noch präzise beschrieben
hätte, unter welchen Umständen das Sinn macht . Eine
Deindustrialisierung Deutschlands macht überhaupt kei-
nen Sinn . Das ist aus meiner Sicht der falsche Ansatz .

Ich verstehe natürlich Ihre Ambitionen: Sie wollen
uns anhängen, wir hätten uns von diesen Themen und
Zielen verabschiedet . Das ist aber nicht der Fall . Ich will
eine Klimaschutzpolitik, die am Ende wirkt . Das wird
nur gehen, meine Damen und Herren, wenn andere dem
Vorreiter etwas nachmachen bzw . bereit sind, dies zu tun .
Das ist ganz entscheidend .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Jetzt will ich auf das Thema, das Herr Kindler ange-
sprochen hat, zurückkommen . Ich hätte dieses Thema gar
nicht angesprochen, weil ich es, ehrlich gesagt, kindisch
finde. Wenn es heißt, wir in Deutschland sollten nur halb
so viel Fleisch essen und die Politik solle das verordnen,
muss ich sagen: Ich halte das für eine kindische Nummer;
denn die Welt hat ein anderes Problem . In den Schwel-
lenländern, etwa in China, oder in den Entwicklungslän-
dern hat man doch eher die Sorge, überhaupt ein bisschen
Fleisch in die Schüssel Reis zu bekommen . Es geht doch
darum, meine Damen und Herren, wie wir die Menschen
in diesen Ländern in Zukunft ernähren und trotzdem das
Klima schützen können . Das ist das Thema, auf das wir
unser Gehirnschmalz verwenden sollten,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erst mal das Gehirn anschalten!)


statt die Bürgerinnen und Bürger hier in Deutschland mit
irgendwelchen Schnapsideen zu gängeln .


(Beifall bei der CDU/CSU – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Agrarpolitik zerstört die Existenz der kleinen Bauern!)


Von Ihnen ist sofort ein Diffamierungsversuch gestar-
tet worden, als unsere Fraktion zum Klimaschutzplan
gesagt hat: Da gibt es viele Dinge, die man überdenken
und überarbeiten muss . – Wir haben doch nicht gesagt:
„Wir wollen ihn nicht“, sondern wir haben uns die Mühe
gemacht, auf 57 Seiten Punkt für Punkt zu beschreiben,
was wir anders und besser machen wollen .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was Sie alles nicht wollen!)


Es ist beispielsweise unglaublich, beim Thema Mobilität
einseitig zu sagen – so geben Sie es ja auch hier wieder
vor –: Nur die Elektromobilität ist die Zukunft . – Als ob
wir, die Politik, das entscheiden könnten! Es gibt noch
eine ganze Menge anderer Themen – dazu gehören die
Leichtbauweise und die Biokraftstoffe der nächsten Ge-
neration – und eine ganze Menge Ansätze, wie man da
etwas bewegen kann .


(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Machen Sie doch da mal etwas! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie doch mal über den Plan von Frau Hendricks! – Gegenruf des Abg . Manfred Grund [CDU/CSU]: Es ist gut jetzt!)


Sie aber wollen einseitig vorgeben, wo die Reise hinge-
hen soll, weil es die Grünen natürlich, wie immer, schon
im Voraus wissen . Das glaube ich Ihnen ganz einfach
nicht .






(A) (C)



(B) (D)


Wir haben gesagt: Lasst uns innovationsorientiert und
technologiebasiert vorgehen . Wir wollen lieber Markt
und Anreiz statt Zwang und Gängelung . – Ich weiß, dass
Ihnen das nicht in den Kram passt, weil sich das nicht mit
Ihrer Politik deckt; das ist der Punkt .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das eine ideologische Rede?)


Ich glaube, am Ende werden wir einen Klimaschutzplan
vorliegen haben – unsere Fraktion wird ihn sich natürlich
nicht Punkt für Punkt und Komma für Komma zu eigen
machen –,


(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da
steht doch gar nichts mehr drin!)

der sehr deutlich zeigen wird, dass man Klimaschutz
auch mit mehr Offenheit und mehr Bürgerbeteiligung
erreichen kann .


(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Oh! Mehr Bürgerbeteiligung?)


Beim Thema Kohle – Sie haben es angesprochen –
geht es doch nicht nur darum, einen Ausstiegszeitpunkt
festzulegen, sondern es geht auch um einen Struktur-
wandel . Wir haben genau formuliert, wie dieser Struk-
turwandel stattzufinden hat und wie das am Ende laufen
soll . Wir wollen nicht eben nur einfach wieder eine neue
Wende nach der x-ten Wende . Vielmehr sollte man sich
ganz intelligent überlegen, wie man diesen Strukturwan-
del tatsächlich voranbringen kann . Ich glaube, dass das
wichtig ist; denn, meine Damen und Herren, die Zeche
für die Strukturbrüche, die Sie gerne hätten, würden die
Bürgerinnen und Bürger im Land zahlen . Ich kann mir
nicht vorstellen, dass es dann am Ende tatsächlich gut
gehen würde .

Ich will Ihnen auch noch einmal deutlich ins Stamm-
buch schreiben, dass jeder Renationalisierungsansatz im
Zusammenhang mit dem Klimawandel in die Irre führt .
Ich halte das für falsch .


(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn ein „Renationalisierungsansatz“?)


Sie haben auch die Veränderungen in den USA angespro-
chen .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie jetzt Trump folgen?)


Gerade deshalb muss uns, meine Damen und Her-
ren, doch klar sein, dass beim Thema Klimaschutz am
Schluss nur ein gemeinsamer europäischer Anspruch und
ein gemeinsames europäisches Vorgehen zum Ziel füh-
ren werden .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich könnte das durchdeklinieren . Es wird natürlich
schwierig sein, die EnEV und das EEWärmeG zusam-
menzulegen und gleichzeitig eine Baukostenbegrenzung
zu haben . Ich sage nicht, dass das nicht machbar ist . Ihr

Weg aber ist, Folgendes zu sagen: Klimaschutz geht über
alles, koste es, was es wolle . Wirtschaftlichkeit spielt
keine Rolle . Und immer dann, wenn es unwirtschaftlich
wird, soll der Staat durch Zuschüsse ausgleichen . – Da-
mit wird doch am Schluss jedes Wirtschaftlichkeitsgebot
ad absurdum geführt . Es hat mit Wirtschaftlichkeit nichts
mehr zu tun, wenn der Staat das alles ausgleicht . Diesen
Ansatz halte ich für falsch .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich habe zum Thema sozialer Wohnungsbau einiges
gehört . Die Linken – das kann man von ihnen nicht an-
ders erwarten – sind der Meinung: Der Staat wird es am
Schluss schon richten . Hier haben wir doch ein typisches
Beispiel dafür, dass es der Staat am Ende nicht richten
wird . Wir haben die entsprechenden Gelder jetzt auf im-
merhin stattliche 1,5 Milliarden Euro aufgestockt . Ich bin
ja gespannt, ob es der Staat am Schluss machen wird .
Bisher gab es die Erfahrung, dass die Länder das nicht
getan haben, dass das also nicht die Lösung aller Pro-
bleme bringt . Deswegen sagen wir als Union natürlich:
Wir müssen daneben selbstverständlich auch auf private
Initiativen setzen .

Ich sage Ihnen auch ganze offen, dass ich mir die steu-
erliche Wohnraumförderung sehr gewünscht hätte . Ich
hätte mir sehr gewünscht, dass sie wenigstens im Kleinen
eingeführt worden wäre, dass man nämlich von 2 Prozent
Abschreibung auf 3 Prozent gegangen wäre . Denn das
ist immerhin das, meine Damen und Herren, was dem
tatsächlichen Wertverschleiß von Immobilien – bei de-
nen es halt mehr Technik als früher gibt – entspricht . Es
spricht doch nichts dagegen, dass man denen, die inves-
tieren sollen, sagt: Ihr dürft wenigstens die Kosten, die
ihr tatsächlich habt, am Schluss steuerlich geltend ma-
chen . – Aus meiner Sicht hätte nichts dagegen gespro-
chen .

Ich sage Ihnen auch ganz offen, dass ich von den gro-
ßen Steuerprogrammen nicht immer nur begeistert war .
Denn durch sie gibt es eine enge Beschränkung auf eine
bestimmte Gebietskulisse, nämlich die Metropolen . Das
bedeutet, dass man dort, wo es eh schon lichterloh brennt,
noch ein bisschen Öl hineingießt und sagt: Da nehmen
wir noch eine Sonderabschreibung vor . – Das führt dazu,
dass es dort noch stärker brennt . – Davon bin ich nicht
überzeugt .

Ich freue mich darüber, dass die Bundesbauministerin
das Thema Baukindergeld der Union faktisch aufgegrif-
fen hat und dazu einen Vorschlag gemacht hat . Das, was
da vorgeschlagen wird, halte ich für absolut richtig und
wegweisend . Aber auch da gilt wieder, meine Damen
und Herren: Das sollte nicht nur im Rahmen einer en-
gen Gebietskulisse bzw . in den Metropolen geschehen,
zum Beispiel im Speckgürtel um München herum, wo
die jungen Familien am Schluss sowieso keine Chance
haben, Eigentum zu erwerben . Es gibt eine ganze Menge
prosperierender ländlicher Räume . Auch mittlere Städte
gehören dazu . Dort haben junge Familien immer noch
eine Chance, tatsächlich zu bauen, wenn man ihnen,
meine Damen und Herren, einen Teil des Eigenkapitals
dazugäbe . Das wäre ein guter Ansatz . Aus meiner Sicht
macht es Sinn, dem noch einmal in ganz starkem Maße

Dr. Georg Nüßlein






(A) (C)



(B) (D)


nachzugehen . Es wäre sinnvoller, darüber zu diskutieren,
als, Frau Bluhm, mit falschen Zahlen bei der Förderung
von altersgerechten Wohnungen zu operieren . Es handelt
sich um 75 Millionen Euro – und nicht, wie Sie gesagt
haben, um 29 Millionen Euro .

Lassen Sie uns darüber diskutieren, wie wir dieses
Thema voranbringen können . Das bekommen wir nur
hin, wenn Staat und Private das gemeinsam machen . Wir
wollen das . Im Übrigen ist es so: Jedes neu errichtete Ei-
genheim sorgt dafür, dass eine Mietwohnung frei wird .
Das sollten diejenigen, die da auf einer anderen Fährte
sind, noch einmal bedenken .

Vielen herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820113400

Vielen Dank . – Für die Bundesregierung hat jetzt Bun-

desministerin Barbara Hendricks das Wort .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle-
gen! Mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf für das
Jahr 2017 werden alle Bereiche meines Hauses gestärkt –
das hat sich vonseiten der Opposition anders angehört –,
und zwar sowohl finanziell als auch organisatorisch. Das
ist drei Jahre nach der Zusammenführung der Bereiche
Bauen und Stadtentwicklung mit den Bereichen Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit und 30 Jahre nach der
Gründung des Bundesumweltministeriums ein großer
Erfolg, und darauf können wir stolz sein .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich will an dieser Stelle allen danken, die diesen Haus-
halt möglich gemacht haben – insbesondere auch mit den
letzten Änderungen im Rahmen der Bereinigungssitzung .
Herzlichen Dank an die Berichterstatter, an die Obleute
und an die Mitglieder im Ausschuss, ohne die wir diesen
Haushalt so nicht zustande gebracht hätten .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Mein Dank geht aber auch an die Verbände und die vielen
Bürgerinnen und Bürger, die uns mit ihrem Engagement,
ihrer Kritik und ihren Vorschlägen unterstützt haben .

Sie alle haben dazu beigetragen, dass es gelungen ist,
den Haushalt des Bundesministeriums für Umwelt und
Bauen, wie ich einmal verkürzt sagen will, gegenüber
dem Vorjahr um rund 24 Prozent auf über 5,5 Milliarden
Euro zu steigern . 24 Prozent mehr als vergangenes Jahr:
Das kann ja wohl keine Armut sein, wie Frau Bluhm das
hier zum Ausdruck gebracht hat .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie sich den
Einzelplan 16 anschauen, dann werden Sie sehen, dass
wir Wort halten – das sage ich auch in Richtung der Grü-
nen, lieber Kollege Kindler – und alle unsere Vorhaben

mit den notwendigen Finanzen unterlegt haben, sodass
wir sie natürlich auch umsetzen können .

Das gilt für den nationalen und den internationalen
Klimaschutz genauso wie für den klassischen Umwelt-
schutz und für den Schutz der biologischen Vielfalt .

Das gilt auch für den sozialen Wohnungsbau, den wir
aus dem Dornröschenschlaf vergangener Legislaturpe-
rioden geweckt haben und für den wir im kommenden
Jahr insgesamt mehr als 1,5 Milliarden Euro bereitstellen
können . Das ist, wie wir wissen, nicht weniger als eine
Verdreifachung innerhalb weniger Jahre . Im Jahre 2015
stand nur ein Drittel dessen zur Verfügung, was im Jah-
re 2017 zur Verfügung stehen wird .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulli Nissen [SPD]: Super Leistung!)


Das gilt genauso für die Städtebauförderung, die wir
von der Vorgängerregierung mit 455 Millionen Euro
übernommen und sofort auf 700 Millionen Euro aufge-
stockt haben. Inzwischen – auch im Jahre 2017 – fließen
mit der Städtebauförderung 790 Millionen Euro in die
Innenstädte und Ortskerne sowie natürlich auch in die
ländlichen Kommunen . Mit dem neuen Integrationspakt
„Soziale Integration im Quartier“ stellen wir darüber hi-
naus zusätzlich 200 Millionen Euro zur Verfügung . Da-
mit können die Kommunen den dringend notwendigen
Ausbau von sozialen Infrastrukturen, wie zum Beispiel
Bildungseinrichtungen und Stadteilzentren, als Orte der
Integration im Quartier anpacken .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Mit dem Städtebau und der Stadtteilentwicklung för-
dern und stärken wir den gesellschaftlichen Zusammen-
halt . Das ist unser ganz konkreter Beitrag, um gemeinsam
mit den Ländern und Kommunen den wirtschaftlichen,
sozialen, demografischen und ökologischen Wandel zu
gestalten .

Auch in Bezug auf die Endlagerung der nuklearen
Lasten in Deutschland, für die wir die notwendigen
Anpassungen an die neue Organisationsstruktur in den
Haushalt 2017 eingebracht haben, halten wir Wort .

Das alles ist ein großer Erfolg, mit dem wir auch an
die gute Arbeit der vergangenen Jahre anknüpfen .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Marrakesch ha-
ben wir von allen Seiten – alle, die in der Delegation da-
bei waren, können das bestätigen – viel Lob für unser
Engagement im Klimaschutz bekommen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Kolleginnen Höhn und Baerbock waren ja anwe-
send, und es ist ganz gut, dass sie heute hier nicht reden .
Sonst hätten sie ja völlig wider besseres Wissen dieselbe
Litanei singen müssen wie Sie, Herr Kindler .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich kann gerne eine Zwischenfrage stellen, wenn Sie das möchten!)


Dr. Georg Nüßlein






(A) (C)



(B) (D)


– Das können Sie ja gleich machen .

Die anderen Staaten hat nicht so sehr interessiert, ob
die Diskussionen innerhalb der deutschen Regierung ein
paar Tage mehr oder weniger gedauert haben . Die ent-
scheidenden Fragen waren: Wie geht Deutschland als
großes Industrieland seinen Weg in Richtung Treibhaus-
gasneutralität? Und: Wie genau erbringt Deutschland
seinen nationalen Beitrag zur Umsetzung des Paris-Ab-
kommens?

Herr Kollege Nüßlein, ein nationaler Beitrag zur Um-
setzung des Paris-Abkommens ist allerdings nötig . Da-
von werden wir uns nicht verabschieden können;


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg . Josef Göppel [CDU/CSU])


denn daran, was wir tun, orientieren sich viele Länder .
Bezüglich des Klimaschutzplanes kann ich es mir auch
nicht verkneifen, Herr Kollege Nüßlein, zu sagen: Dass
wir die 57 Seiten Monita aus Ihrer Feder nicht übernom-
men haben, hat dem Klimaschutzplan gutgetan .


(Beifall bei der SPD – Heiterkeit des Abg . Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Man kann erkennen, wenn man es nur will, dass die
Vorbild- und Vorreiterrolle Deutschlands nach wie vor
Bestand hat . Ich kann Ihnen hier versichern: Die Bundes-
regierung hat sich der damit verbundenen Verantwortung
in vollem Umfang gestellt, ist sich dieser Verantwortung
bewusst und wird dieser auch in Zukunft gerecht werden .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregie-
rung hat den Klimaschutzplan 2050 als deutschen Bei-
trag zur Umsetzung des Paris-Abkommens beschlossen,
und ich konnte ihn mit nach Marrakesch nehmen . Es gab
beim Ringen um die richtige Klimaschutzpolitik in den
vergangenen Wochen und Monaten natürlich immer Kri-
tiker, die gesagt haben: Das schafft ihr nie! Es gab immer
auch die Bedenken, das alles ginge viel zu weit .

Ja, wir haben teilweise miteinander gerungen – daran
sehe ich nichts Schlechtes –; denn es geht um weitrei-
chende Veränderungen in unserem Land . Wer dabei die
Sorgen, die diese Veränderungen mit sich bringen kön-
nen, mit leichter Hand abtut, macht einen schweren Feh-
ler, gerade weil es darum geht, Vertrauen dafür zu gewin-
nen, dass Veränderungen eben nicht Verschlechterungen
der Lebenssituation bedeuten müssen . Das bedeutet
auch: Es geht nicht um Deindustrialisierung, sondern es
geht um einen Strukturwandel, den wir mit Augenmaß
vorantreiben wollen .

In diesem Zusammenhang ganz kurz ein Wort an Sie,
liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen . Auf
dem Bundesparteitag in Münster letzte Woche wurde der
Kohleausstieg bis 2025 beschlossen . Das ist gequirlter
Unsinn; das wissen Sie selber .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Greenpeace fordert das auch! Ich weiß nicht, ob Sie das auch als Unsinn ansehen!)


Am Ende haben wir uns also auf eine langfristige Kli-
maschutzstrategie geeinigt, die genau die Orientierung
gibt, für die ich immer gestritten habe . Dafür möchte
ich mich hier bei all meinen Kabinettskolleginnen und
-kollegen ausdrücklich bedanken . Ich möchte mich bei
allen bedanken, die mit uns Überzeugungsarbeit geleis-
tet haben . Aber ich will mich auch bei denen bedanken,
die sich haben überzeugen lassen . Auch das ist ein Fort-
schritt, für den ich dankbar bin .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Entscheidende
an unserem Klimaschutzplan ist, dass er erstmals die Kli-
maziele auf die einzelnen Sektoren herunterbricht . Da-
mit gibt er allen Sektoren eine klare Orientierung und zu-
gleich auch eine Perspektive . Mir geht es darum, dass wir
durch rechtzeitiges Handeln Strukturbrüche vermeiden .
Ich bin im Übrigen überzeugt, dass alle Sektoren ausge-
wogen berücksichtigt worden sind . Unser gemeinsames
Interesse muss es sein, den Klimaschutz als Innovations-
und Wachstumsmotor unserer Volkswirtschaft weiter zu
stärken: langfristig, planbar, verlässlich, aber eben nicht
als Deindustrialisierungsstrategie, sondern als Innovati-
onsstrategie .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Haushalt gibt Auskunft über alle Vorhaben, egal
ob sie große Millionenbeträge oder nur kleinere Beiträ-
ge umfassen . Leider reicht hier die Zeit nicht aus, um
alle Programme und Einzelmaßnahmen aufzuzählen und
damit angemessen zu würdigen . Der Haushalt zeigt zu-
gleich, dass wir uns auch um schwierige Themen nicht
gedrückt haben, sondern sie voranbringen . Das gilt vor
allem für die schon erwähnte Endlagerfrage .

Ich habe mich als Beauftragte der Bundesregierung für
den Berlin-Umzug und den Bonn-Ausgleich nicht um die
Situation bei der Arbeitsteilung zwischen Bonn und Ber-
lin gedrückt, sondern mit dem Statusbericht Transparenz
und Klarheit geschaffen . In diesem Zusammenhang habe
ich immer betont, dass es mir ein persönliches Anliegen
ist, Bonn als UN-Standort zu stärken und zu profilieren.
Dazu gehört, dass im kommenden Jahr die Weltklima-
konferenz unter der Präsidentschaft der Fidschi-Inseln
am Sitz des Sekretariats der Klimarahmenkonvention in
Bonn stattfinden wird.


(Beifall des Abg . Matern von Marschall [CDU/CSU])


Das ist letzten Freitag in Marrakesch so entschieden wor-
den .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das ist im Übrigen – um das deutlich zu machen –
gar nicht in unsere Entscheidungsgewalt gegeben; denn
wenn ein Präsidentschaftsland faktisch nicht in der Lage
ist, eine Klimakonferenz auszurichten, dann muss sie na-
türlich am Sitz des Sekretariates stattfinden, das ist Bonn.
Dass Fidschi dazu objektiv nicht in der Lage ist, liegt auf
der Hand . Wir könnten nicht alle hinreisen, geschweige
denn übernachten . Deshalb wird die Konferenz in Bonn
stattfinden. Es steht zu erwarten, dass wir für die Aus-
richtung der Konferenz überplanmäßige Haushaltsmittel

Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks






(A) (C)



(B) (D)


brauchen werden . Sobald wir in den Vorplanungen vor-
angekommen sind, werde ich die dazu notwendigen An-
träge konkretisieren .

Auch unsere erfolgreichen Bemühungen um die An-
siedlung des „Global Landscape Forums“ mit seinen
Konferenzen am UN-Standort Bonn sollten nicht uner-
wähnt bleiben . Ich jedenfalls bin sehr davon überzeugt,
dass der UN-Standort Bonn mit Unterstützung vonseiten
der Bundesregierung weiter eine gute Entwicklung neh-
men wird .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte mich ab-
schließend bei den Mitgliedern des Haushaltsausschus-
ses für zwei Beschlüsse besonders bedanken .

Erstens kann mit Schinkels Bauakademie – in direk-
ter Nachbarschaft des Humboldt-Forums – ein Stück
Identität in Berlins Mitte wiederhergestellt werden . Der
Beschluss des Haushaltsausschusses eröffnet jetzt die
Chance, einen zentralen Ort für Architektur zu schaffen,
vielleicht auch eine Lehr- und Ausbildungsstätte für Ar-
chitekten und Ingenieure, vielleicht auch andere kulturel-
le Angebote . Dafür wollen wir alle an einen Tisch holen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zweitens bin ich sehr dankbar, dass unsere Export-
initiative Umwelttechnologien kein einmaliges Projekt
bleiben muss, sondern fortgeführt werden kann . Das ist
zwar nur ein kleines Programm, aber zugleich ein gro-
ßer Erfolg, weil es deutsche Technologien und ihre An-
wendung in aller Welt fördert . Das nützt dem Klima- und
Umweltschutz und stärkt Forschung und Innovation in
Deutschland, und es trägt zu besseren Beziehungen mit
den Partnerländern bei . Auch diesen Aspekt sollten wir
immer im Blick haben .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Exportinitiative ist ein schönes Beispiel dafür,
dass wir mit dem Einzelplan 16 einhalten, was wir ver-
sprochen haben, und es beweist, dass wir den Interessen
der Menschen heute und den Interessen künftiger Gene-
rationen in Deutschland gerecht werden und unsere Ver-
antwortung in der Welt nicht missachten .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820113500

Das Wort für eine Kurzintervention hat die Kollegin

Baerbock .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Frau Ministerin
Hendricks, wir hatten ja eine sehr „fruchtvolle“ Reise zur
Klimakonferenz . Deshalb verwundert es mich sehr, was
Sie für ein Verständnis vom Parlament haben, wenn Sie
sagen, es wäre besser, wenn die Vorsitzende des Umwelt-
ausschusses ebenso wie die klimapolitische Sprecherin

unserer Fraktion nicht zum Thema Klimaschutz reden .
Ich hoffe, dass es nur im Wall der Gefühle war, so ein
Parlamentsverständnis an den Tag zu legen .

Nichtsdestotrotz würde ich gerne inhaltlich darauf
eingehen . Denn international wurde Deutschland gerade
für seine Beiträge zur Klimafinanzierung in Paris gefei-
ert . Aber es waren nicht die Grünen, die im Übrigen nicht
Ihnen, sondern der deutschen Bundesregierung den „Fos-
sil of the Day“, also den Preis des Fossils des Tages, ver-
liehen haben, weil der Kohleausstieg nicht im deutschen
Klimaschutzplan enthalten war .

Es wundert mich sehr – auch angesichts dessen, was
Sie im Vorfeld der Klimakonferenz eingefordert haben,
nämlich dass die Bundeskanzlerin ihre Richtlinienkom-
petenz wahrnimmt und dafür sorgt, dass die Union den
Klimaschutz anerkennt –, dass sie jetzt nicht auf die ab-
surden Äußerungen des Kollegen Nüßlein eingegangen
sind, sondern ausgerechnet diejenigen angreifen, die Sie
in Ihrem Kampf gegen den Klimawandel unterstützen .

Wie nötig diese Unterstützung ist, wurde eben gerade
daran deutlich, dass Sie sich hier auch noch dafür recht-
fertigen müssen, dass die Klimakonferenz nach Bonn
kommt . Das ist doch ein Zeichen der Freude; da könn-
te man doch sagen: Gerade wir Deutschen können diese
Klimakonferenz nutzen . – Nein, stattdessen entschuldi-
gen Sie sich auch noch, und das Finanzministerium hatte
auch schon ganz besorgt angerufen und gefragt, wie das
denn sein könne .

Ich kann Ihnen garantieren: Wir werden Sie weiterhin
darin unterstützen, dass Deutschland hier voranschreitet
und diese Klimakonferenz einen Beitrag zum globalen
Klimaschutz leistet . Ich glaube, das ganze Parlament –
insbesondere die Klimaparlamentarier in diesem Hohen
Hause – ist hier gefordert .

Herzlichen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820113600

Frau Hendricks .

Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:

Liebe Kollegin Baerbock, wenn Sie mir richtig zuge-
hört hätten, dann hätten Sie verstanden, dass meine Äu-
ßerung, dass es wohl ganz gut ist, wenn – –


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Ich darf doch antworten .


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820113700

Ich würde bitten, dass wir die Kolleginnen und Kol-

legen jeweils ausreden lassen, egal ob sie zur Regierung
gehören oder nicht . Das gilt generell .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:

Liebe Kollegin Baerbock, ich habe etwas scherzhaft
gesagt, es sei ganz gut, wenn Sie und Frau Höhn hier
nicht reden, weil Sie sonst wider besseres Wissen diesel-
be Litanei hätten wiederholen müssen, die Herr Kindler
schon vorgetragen hat . Denn dass wir – das haben Sie
richtig gesehen – in Marrakesch sehr positiv aufgenom-
men worden sind, liegt auf der Hand .

Wenn wir den sogenannten Fossil of the Day bekom-
men haben, dann liegt das natürlich auch an einer fal-
schen Wahrnehmung .


(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von wem?)


Denn selbstverständlich steigen wir genauso wie die
45 Länder, die sich am letzten Tag der Konferenz in
Marrakesch darauf verpflichtet haben, bis zur Mitte des
Jahrhunderts aus der Kohle auszusteigen, auch bis zur
Mitte des Jahrhunderts aus der Kohle aus . Es ist eines
der festgelegten Ziele des Klimaschutzplans, dass wir bis
zur Mitte des Jahrhunderts weitgehend klimagasneutral
wirtschaften und arbeiten wollen . Allerdings ist ein Aus-
stieg bis 2025 zu früh . Ich wiederhole: Es ist gequirlter
Unsinn, was Sie vorige Woche auf Ihrem Parteitag be-
schlossen haben .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Sie sagen, Sie seien die Einzigen, die mich unterstütz-
ten . Ich freue mich über Ihre Unterstützung, aber Gott sei
Dank sind Sie nicht die Einzigen; denn sonst käme ich
bei meinen Themen nicht voran .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, leider auch wahr!)


Schließlich sind Sie die Opposition . Ich bin froh, dass
wir den Klimaschutzplan verabschieden konnten . Er
benennt erstmalig Sektorziele und bezieht den Verkehr
und die Landwirtschaft in die Verantwortung ein . Er
stellt zudem völlig klar, dass wir bis zum Jahr 2030 die
CO2-Emissionen insgesamt um 55 Prozent zurückführen
müssen, und fasst langfristige Ziele ins Auge, ohne aller-
dings Einzelmaßnahmen für den Zeitraum von 2030 bis
2050 zu benennen . Auch das halte ich unter dem Aspekt
der Technologieoffenheit für richtig; denn ich erwarte,
dass wir in den vor uns liegenden Jahrzehnten Techno-
logien, die wir jetzt noch gar nicht kennen, zum Schutze
des Klimas einsetzen können . Deswegen bin ich absolut
technologieoffen .

Ich fände es gut, wenn Sie wahrnehmen würden, dass
man nicht alles mit Verboten und Geboten regeln kann .
Der Bezug auf den Fleischkonsum war selbst in meinem
ersten Entwurf eines Klimaschutzplans sehr vorsichtig
formuliert . Dieser Entwurf bezog sich auf die schon lan-
ge bestehende Empfehlung der Deutschen Gesellschaft
für Ernährung . Es wäre gut, wenn wir diese Empfeh-
lung bis zum Jahr 2050 umsetzen würden . Der Kollege
Schmidt fördert die Deutsche Gesellschaft für Ernährung

institutionell . Deswegen sehe ich auch für die Zukunft
gutes Einvernehmen .


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820113800

Als nächste Rednerin in der Debatte hat Caren Lay für

die Fraktion Die Linke das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Caren Lay (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820113900

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Frau Hendricks, auch ich kann Ihre positive Bi-
lanz leider nicht unterschreiben . Beginnen wir doch noch
einmal mit dem Klimaschutzplan . Das war doch ein ein-
ziges Trauerspiel .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


In letzter Sekunde hat das Kabinett doch noch irgendet-
was beschlossen, damit Sie nicht mit völlig leeren Hän-
den nach Marrakesch fliegen mussten. Aber das ändert
nichts daran, dass Sie dort, wie erwähnt, von NGOs einen
Negativpreis für schlechte Klimaschutzpolitik bekom-
men haben . Das deutsche Saubermannimage im Klima-
schutz ist völlig dahin .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wie ist es denn gelaufen? Welche Querelen gab es im
Vorfeld? Herr Gabriel, Ihr Parteifreund, hat 10 Millionen
Tonnen CO2 zugunsten der Großindustrie herausgeholt .
Einsparen mussten Sie selber es dann in Ihrem eigenen
Ressort, nämlich im Gebäudebereich . Das Ergebnis ist
nun, dass Haus & Grund und weitere Vermieterverbän-
de das Bündnis für bezahlbares Bauen und Wohnen ver-
lassen haben . Das Spitzengespräch, das nächste Woche
stattfinden sollte, haben Sie heute höchstpersönlich ab-
gesagt . Das können Sie uns allen Ernstes doch nicht als
Erfolg verkaufen .

Wirklich begeistert bin ich von dieser Verschiebung
auch nicht; denn bisher müssen die Maßnahmen im Ge-
bäudebereich, die der Erreichung der Klimaschutzziele
dienen, weitgehend von den Mieterinnen und Mietern ge-
tragen werden . Ehrlich gesagt, hat die Regierung darauf
keine Antwort . Weder stellen Sie mehr Haushaltsmittel
ein, um Mieterinnen und Mieter vor Verdrängung durch
Modernisierung zu schützen, noch schafft es Herr Maas,
gegen die CDU/CSU einen besseren Mieterschutz –
Stichwort „Modernisierungsumlage“ – durchzusetzen .
Dann kommt noch Herr Schäuble auf den letzten Metern
und streicht Ihnen das heraus, was die Energiewende so-
zial abgefedert hätte, aber auch Geld gekostet hätte . Un-
ter dem Strich ist das ein starkes Stück . Sie entlasten die
Großindustrie und belasten Mieter und Häuslebauer . Mit
einer sozial gerechten Klimaschutzpolitik hat das wirk-
lich nichts zu tun .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)







(A) (C)



(B) (D)


Wir sagen: Energetische Gebäudesanierung muss
sozial abgefedert werden . Deswegen fordern wir Linke
nicht nur die Abschaffung der Modernisierungsumlage,
sondern auch deutlich mehr finanzielle Mittel zum Schutz
der Mieterinnen und Mieter . Wir wollen im nächsten
Haushaltsjahr mit 1,2 Milliarden Euro einsteigen . Das
Volumen des Programms soll auf insgesamt 5 Milliarden
Euro anwachsen . Ansonsten wird es uns nicht gelingen,
Mieterinnen und Mieter vor Vertreibung durch energeti-
sche Gebäudesanierung zu schützen .


(Beifall bei der LINKEN)


Lassen Sie mich auf das Thema sozialer Wohnungs-
bau eingehen . Auch hier kann ich Ihre positive Bilanz
nicht teilen . Ja, es sind im letzten Jahr 15 000 Sozial-
wohnungen neu gebaut worden, aber wir wissen doch,
dass mindestens 60 000 Jahr für Jahr wegfallen . Das ist
konservativ gerechnet . Das heißt, wir haben immer noch
ein Minus von 45 000 Wohnungen . Das ist doch wirklich
keine gute Bilanz . Das kann niemanden zufriedenstellen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auch wir finden, die Länder sollten das Geld, das sie
vom Bund bekommen, zweckgerichtet einsetzen . Aber
ich wundere mich, dass immer die CDU mit diesem Ar-
gument kommt . Welche Länder haben denn keine einzige
Sozialwohnung in den letzten Jahren gebaut? Das waren
das Saarland, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen .
Das sind alles Länder, in denen die CDU regiert, im Üb-
rigen mit der SPD zusammen . Vielleicht sollten Sie das
einmal auf einem Parteitag klären und nicht hier im Ple-
num .

Wir Linke fordern 5 Milliarden Euro jährlich für den
sozialen, gemeinnützigen Wohnungsbau . Nein, meine
Damen und Herren, das ist nicht zu viel . Sehen wir uns
an, was die Bundesrepublik Deutschland für den sozialen
Wohnungsbau zum Beispiel 1980 im Vergleich zum Ge-
samthaushalt ausgegeben hat . Wenn wir heute denselben
Anteil ausgeben würden, dann müssten es 8 Milliarden
Euro sein . Oder schauen wir uns an, was die Stadt Wien
für einen wirklich dauerhaften sozialen Wohnungsbau
ausgibt . Das sind zwischen 450 und 730 Millionen Euro
jährlich, für eine Stadt mit knapp 2 Millionen Einwoh-
nern . Die Bundesregierung will gerade einmal doppelt so
viel für die gesamte Republik ausgeben .

Was ist das Ergebnis? In deutschen Städten sind die
Mieten um 30, 40 oder 50 Prozent im Jahr gestiegen,
in Wien gerade einmal um 4 Prozent in den letzten vier
Jahren . Da sieht man, dass man für eine gute Wohnungs-
politik auch mehr Geld in die Hand nehmen muss . Ich
kann der Großen Koalition nur empfehlen, mehr Wien zu
wagen . Das wäre wirklich ein Segen für die Mieterinnen
und Mieter .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820114000

Als nächster Redner spricht Josef Rief von der CDU/

CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Josef Rief (CDU):
Rede ID: ID1820114100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Liebe wenige Gäste auf der Tribüne! Lassen
Sie mich, bevor ich zum Einzelplan des Bundesumwelt-
und -bauministeriums komme, etwas zum Gesamthaus-
halt sagen . Wir werden auch im kommenden Jahr zum
vierten Mal in Folge ohne neue Schulden auskommen . In
vielen Medien und auch aus den Reihen der Opposition
wird dies gern allein der guten Konjunktur und den nied-
rigen Zinsen zugeschrieben . Aber das ist eben nicht die
ganze Wahrheit . Dies ist gerade auch das Ergebnis einer
verantwortungsvollen Politik, die wir gemacht haben .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben in den vergangenen Jahren den Haushalt
konsequent konsolidiert und die Rahmenbedingungen
für eine gute Entwicklung hergestellt . Dazu gehört es
auch, ohne Steuererhöhungen auszukommen und den-
noch wichtige Projekte umzusetzen . Genau das haben
wir gemacht .


(Beifall bei der CDU/CSU)


So haben wir etwa die Kommunen, wie schon gesagt
worden ist, in den letzten Jahren stark entlastet, so stark,
dass uns der Bundesrechnungshof ermahnt hat – nicht
weil wir die Kommunen zu wenig, sondern weil wir sie
zu viel entlasten . Um es klar zu sagen: Die Entlastung
der Kommunen, sei es die Stadt oder der ländliche Raum,
ist wichtig. Hier findet das Leben statt, hier erleben die
Bürgerinnen und Bürger, dass das, was wir in Berlin be-
schließen, auch ankommt .

Doch nun zum Einzelplan des Bundesministeriums
für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit .
Dieser wächst – die Frau Ministerin hat es schon gesagt –
gegenüber dem Vorjahr auf über 5,6 Milliarden Euro an .
Damit ist es der Einzelplan mit dem größten Aufwuchs .
Die Koalition und auch die Opposition – ich weiß, Sie
können das aus vielerlei Gründen nicht zugeben –, wir
alle können mit dem Erreichten sehr zufrieden sein .


(Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider nicht!)


Wir haben einen Haushalt, der zukunftsweisend und
nachhaltig die Aufgaben anpackt, die sich uns heute und
in den kommenden Jahren stellen .

Ich möchte mich auch bedanken beim Ministerium,
bei Frau Ministerin Hendricks, ihrem zuständigen Staats-
sekretär Pronold sowie den Mitarbeitern des Hauses für
die hervorragende Zuarbeit . Auch das muss hier einmal
gesagt werden . Ebenfalls bedanken möchte ich mich bei
meinen Mitberichterstattern für die gute Zusammenar-
beit .

Die Mehrausgaben in diesem Einzelplan finden sich
vor allem im Baubereich, auf den ich mich hier konzen-

Caren Lay






(A) (C)



(B) (D)


trieren möchte . Dabei ist der größte Brocken die Sum-
me, die wir an die Länder für den sozialen Wohnungsbau
überweisen . Auch schon gesagt worden ist – aber das
kann man nicht oft genug betonen –: Die bisher vorge-
sehenen 518 Millionen Euro Kompensationsleistungen
haben wir bereits im laufenden Jahr verdoppelt, und in
2017 werden wir sie mit über 1,5 Milliarden Euro ver-
dreifachen . Wir reagieren damit auf den gestiegenen Be-
darf an Wohnungen . Die Gründe dafür sind vielschich-
tig . Der Wohnungsmarkt ist gerade in Ballungszentren,
aber auch in prosperierenden ländlichen Regionen, wie
zum Beispiel meinem Wahlkreis Biberach, immer stär-
ker unter Druck . Dazu tragen natürlich bei verschiedene
Wohnformen in einer alternden Gesellschaft, Zuzug aus
anderen Regionen Deutschlands und der EU und natür-
lich auch der Flüchtlingszuzug . Auch das gehört einfach
zur Wahrheit .

Wenn wir wollen, dass in Deutschland mehr Woh-
nungen gebaut werden, müssen wir aber auch einen Weg
finden, die Länder stärker beim Wort zu nehmen. Die
Bundesmittel müssen wirklich in der Wohnraumförde-
rung ankommen, und sie dürfen nicht in klammen Län-
derhaushalten versickern .


(Zuruf von der LINKEN)


– Dann sind wir uns ja einig .

Leider ist dies in der Vergangenheit des Öfteren nicht
geschehen . Auch da bedanke ich mich ausdrücklich bei
Frau Ministerin Hendricks dafür, dass sie dieses Problem
immer wieder thematisiert . Auch sollten wir im Auge
behalten, dass die Kompensationen mit Bundesmitteln
mit den damit verbundenen Möglichkeiten im Jahr 2019
auslaufen . Dies kann und darf nicht das Ende der Wohn-
raumförderung durch den Bund sein . Davon bin ich über-
zeugt .

Ich plädiere seit langem auch dafür, noch stärker auf
die Unterstützung des privaten Wohnungsbaus zu setzen .
Eigentum an selbstgenutztem Wohnraum kann nicht nur
ein sinnvoller Beitrag zur späteren Alterssicherung sein –
gerade wenn sich andere Möglichkeiten verschlech-
tern –; vielmehr macht eine neugebaute Eigentumswoh-
nung oder ein neugebautes Eigenheim immer auch eine
Mietwohnung frei, und das entspannt, lokal auf jeden
Fall, die Situation .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Gerade für Mehrkindfamilien könnte hier etwas getan
werden . Mit Interesse habe ich die Diskussion um das
Baukindergeld verfolgt . Wir dürfen dabei allerdings kei-
nen Schnellschuss produzieren . Ein neues Baukindergeld
muss auch Wirksamkeit entfalten können . Es darf auch
nicht nur für die Ballungsräume gelten oder erst einmal
die Kreditfähigkeit des Bauherrn infrage stellen . Das ist
allein Sache der Banken . Was man damit für Probleme
schaffen kann, sehen wir beispielsweise bei der Kre-
ditrichtlinie .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Skeptiker in der Koalition und vor allem in der Oppo-
sition müssen wir überzeugen . Ja, wir alle müssen uns für
die Häuslebauer einsetzen . Junge Familien dürfen nicht

durch Bürokratie daran gehindert werden, Wohneigen-
tum zu schaffen . Wir sollten Anreize geben, dass mehr
Eigentum und nicht weniger geschaffen werden kann .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Sehr geehrte Damen und Herren, der Bauhaushalt hat
seinen Fokus auf Investitionen . Uns, der Union, war es
wichtig, beim Thema „Grün in der Stadt“ voranzukom-
men . Wir legen nun ein neues Bundesprogramm für neue
Parks, Straßenbäume und ähnliche Dinge auf und inves-
tieren in den kommenden Jahren immerhin 50 Millionen
Euro .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Bewährte Programme wie das für national bedeuten-
de Städtebauprojekte führen wir mit 75 Millionen Euro
ebenso weiter wie das Sanierungsprogramm für kommu-
nale Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und
Kultur . Entgegen dem Regierungsentwurf stellen wir
jetzt noch einmal 100 Millionen Euro zur Verfügung, um
der Nachfrage aus den Kommunen nachzukommen . Hier
werden wir maßgeblich darauf achten, dass der ländliche
Raum bei der Mittelvergabe nicht benachteiligt wird .

Bereits 2015 hat die CDU/CSU reagiert und das För-
derprogramm für Einbruchschutz durchgesetzt . Damit
ermöglichen wir Eigentümern wie Mietern, ihre Woh-
nungen und Häuser besser vor Einbrüchen zu schüt-
zen . Diese Mittel versechsfachen wir nun auf insgesamt
60 Millionen Euro .

Das KfW-Programm für altersgerechtes Umbauen
statten wir mit neuen Mitteln in Höhe von 75 Millionen
Euro aus, auch um der großen Nachfrage Rechnung zu
tragen .


(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Viel zu wenig!)


Meine Damen und Herren, der Bauhaushalt erreicht im
besonderen Maße unser Ziel, einen deutlichen Schwer-
punkt auf Zukunftsinvestitionen zu setzen und die Mittel
nachhaltig auszugeben . Bestehende Spielräume werden
sinnvoll genutzt, um unser Land weiterzuentwickeln und
auf drängende Probleme zu reagieren . Der Opposition ist
das alles nicht genug, wie wir aus den Ausschussberatun-
gen und auch aus der Beratung heute wissen . Wir können
und wollen aber nur das Geld ausgeben, das wir haben .
Das sind wir der nächsten Generation schuldig . Das ist
Politik für die Zukunft, meine Damen und Herren .

Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820114200

Als nächster Redner hat Peter Meiwald von der Frak-

tion Bündnis 90/Die Grünen das Wort .


Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820114300

Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen

und Kollegen! Geschätzte Bürgerinnen und Bürger! Nach
dem, was Kollege Kindler und Frau Baerbock schon an
Gutem und Richtigem und Wichtigem zum Klimaschutz,
zum Kohleausstieg und zu dem gescheiterten Plan gesagt

Josef Rief






(A) (C)



(B) (D)


haben, wollte ich dazu jetzt nichts mehr sagen . Aber nach
dem, was wir eben gehört haben, komme ich nicht um-
hin, doch noch etwas dazu zu sagen .

Zunächst einmal zur Deindustrialisierung . Kollege
Nüßlein, fragen Sie doch mal die Menschen in Sachsen,
die ihre Jobs in der Solarindustrie verloren haben, fragen
Sie die vielen Menschen im Osten, wer eigentlich für die
Deindustrialisierung verantwortlich ist! Das droht jetzt
auch in der Windbranche .


(Heidrun Bluhm [DIE LINKE]: Der ist schon weg!)


– In der Tat, Herr Nüßlein ist gar nicht mehr da; schade . –
Aber vielleicht erzählen Sie es ihm . Er soll doch bitte mal
nach Sachsen gehen und sich da erkundigen, wer eigent-
lich für die Deindustrialisierung verantwortlich ist .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Manfred Grund [CDU/ CSU]: Verraten Sie es uns! – Gegenrufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Union!)


– Das war die Koalition von CDU, CSU und FDP .


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Wo sind denn die preiswerten Solarmodule hergekommen? Von der Regierung hier? Geht es Ihnen noch gut? – Gegenruf der Abg . Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Wollen wir das als Zwischenfrage machen, Frau Prä-
sidentin?


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820114400

Das machen wir als Zwischenfrage . Das entscheide

ich jetzt so .


Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820114500

Es ist als Zwischenfrage gewertet worden . Ich will

Ihnen das gern beantworten, wenn Sie mich schon so
freundlich fragen .


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820114600

Ich gehe einmal davon aus, Herr Grund, dass Sie eine

Antwort wollen . Deshalb sollten wir es als Zwischenfra-
ge werten . Dann kann man korrekt antworten . Sie kön-
nen die Frage noch ergänzen, wenn Sie möchten .


Manfred Grund (CDU):
Rede ID: ID1820114700

Dann will ich das gern tun . – Sie haben „Deindustri-

alisierung“ gesagt und auf uns gezeigt . Ich habe Sie ge-
fragt, wer die billigen Solarmodule nach Deutschland
geliefert hat, die nach wie vor eingebaut werden . Es ist
kein Mangel an Flächen, an Freiflächen, an Hausflächen,
sondern es besteht offensichtlich ein anderes Problem,
das nach meinem Dafürhalten mit der Regierung herzlich
wenig zu tun hat .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steilvorlage, Peter!)



Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820114800

Es war sehr eindeutig, vor allen Dingen noch zu der

Zeit, als die CDU, die CSU und die FDP die Koalition
hier gebildet haben, dass man einfach gesagt hat: Wir
wollen die Solarbranche hier nicht . Wir wollen das nicht
übersubventionieren .


(Lachen des Abg . Manfred Grund [CDU/ CSU])


Wir wollen nicht, dass ein Markt sich hier entwickelt, den
wir hinterher nicht mehr regulieren können . Wir wollen
alles dem freien Wettbewerb überlassen .


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Entsetzen bei den eigenen Leuten!)


Wenn man Innovations- und Technologieoffenheit
ausschaltet und alles nur dem Preis überlässt, dann
braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Arbeits-
plätze abwandern, nämlich in Billiglohnländer wandern .
Die Technologieführerschaft haben wir schon lange ver-
loren . Wir verlieren Innovation . Wir verlieren wertvolle
Arbeitsplätze . Das ist das Ergebnis der Politik, die die
von Ihnen geführte Regierung betrieben hat .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Ralph Lenkert [DIE LINKE])


Ich möchte noch etwas sagen, weil uns das Thema
Deindustrialisierung immer wieder beschäftigt . Wir als
Grüne haben ein Interesse daran, dass es hier auch 2030
noch eine Automobilindustrie gibt . Wenn Sie sich wei-
gern, dafür zu sorgen, dass die Automobilindustrie end-
lich den Schalter umlegt, nämlich auf Elektromobilität,
dann werden 2030 nur noch Google, Tesla, Apple und
vielleicht ein paar innovative chinesische Unternehmen
Autos produzieren . Wir als Grüne wollen das nicht . Wir
wollen nicht für eine solche Deindustrialisierung verant-
wortlich sein . Das müssen Sie sich als Große Koalition
anziehen, wenn Sie nicht bereit sind, in einem Klima-
schutzplan endlich verlässliche Vorgaben zu machen, mit
denen die Unternehmen dann auch planen können .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das kann ich auch Ihnen, Frau Ministerin, nicht durch-
gehen lassen .

Zum Kohleausstieg . Ich bin ziemlich eng an Energie-
unternehmen dran . Ich weiß schon, dass die vor allen
Dingen eines fürchten, nämlich Planungsunsicherheit .
Wenn die Regierung nicht einen klaren Zeitplan aufstellt,
in dem sie sagt, wann und in welcher Form aus der Kohle
ausgestiegen werden soll, dann schafft das Planungsunsi-
cherheit . Investitionen werden verhindert, und wir haben
2030 einen Strukturwandel, der als Bruch stattfindet und
nicht als planbarer Prozess . Das kann nicht der Sinn sein,
und so geht auch keine vernünftige Wirtschafts- und Um-
weltpolitik vor .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben ja gesagt, Sie lassen die schwierigen The-
men nicht aus . Es gibt ein paar schwierige Themen, zu
denen finde ich nicht sehr viel. Dazu steht im Haushalt
ein bisschen was geschrieben, aber es passiert nichts . Das

Peter Meiwald






(A) (C)



(B) (D)


lässt sich auch – Sven-Christian Kindler hat es angespro-
chen – an der Bilanz der letzten Jahre erkennen .

Ein Thema ist das Artensterben . Es gibt nach wie vor
eine ungebremste Abnahme der biologischen Vielfalt bei
uns in Deutschland . Wir wissen, dass die Lage bei In-
sekten, aber auch bei vielen anderen Tieren und Pflanzen
bedrohlich ist . Das ökologische Gleichgewicht haben wir
längst nicht mehr im Griff . Und das wird auch richtig
teuer . Wir haben einmal durch Umweltverbrechen Schä-
den . Laut UNEP haben allein die Schäden durch Um-
weltverbrechen die Weltwirtschaft im vergangenen Jahr
258 Milliarden Euro gekostet . Schäden durch von Men-
schen in Kauf genommene Artenverluste und zusätzliche
Schäden, die wir durch Nichtstun verursachen, betragen
ein Vielfaches von dem . Das heißt, eine Naturschutzof-
fensive 2020, die im Haushalt eigentlich keine Rolle
spielt, die sich nicht kongruent in der Landwirtschafts-
politik abbildet, die keine Maßnahmen vorsieht, wie man
die Pestizidverseuchung unserer Ländereien beseitigen
kann, die reicht nicht aus, um die Biodiversität in unse-
rem Lande zu erhalten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zweites Thema – das tut auch weh, weil wir da nicht
vorankommen – ist das Thema Flächenverbrauch, Ver-
siegelung der Natur . Wir haben ein deutsches Nachhal-
tigkeitsziel, das eine Reduzierung des täglichen Flächen-
verbrauchs auf 30 Hektar im Jahr 2020 vorsieht . Ich habe
in den vergangenen drei Jahren keine Aktivität wahrge-
nommen, die uns dabei geholfen hätte, uns diesem Ziel
zu nähern . Im Gegenteil: Wir haben bei den SDGs ei-
gentlich vereinbart, 2030 bei 0 Hektar zu sein . Wir ma-
chen aber einen Bundesverkehrswegeplan – der in der
nächsten Woche im Ausschuss weiterberaten werden
soll –, der das absolute Gegenteil davon macht: Durch
diesen werden weitere Flächen verbraucht und durch Be-
tonbänder versiegelt . Das kann nicht im Sinne der Um-
welt sein .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Drittes Thema: die Verseuchung unserer Gewässer mit
Medikamentenrückständen, mit Pestizidrückständen, mit
Hormongiften, mit Mikroplastik . All diese Dinge sind
adressiert, sie werden diskutiert . Bezüglich Mikroplas-
tik heißt es jetzt: Wir machen einen Kosmetikdialog bis
2020 . So sieht doch keine Politik aus, die zielgerichtet
ist und die die Umwelt, die Menschen und die Gesund-
heit der Menschen schützen will . Wir wissen, dass die
Kosmetikindustrie 2014 gesagt hat, sie könne bis 2016
aus Mikroplastik in Kosmetika und Reinigungsmitteln
aussteigen . Wir haben jetzt Ende 2016, und Sie reden da-
von, dass wir einen Dialog bis Ende 2020 machen . Das
ist nicht angemessen, und das hat mit Gesundheitsschutz
nichts zu tun .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Auch in Brüssel fällt immer mehr auf, dass diese Re-
gierung der ehemaligen Umweltministerin Merkel in der
Umweltpolitik zum Seriensünder wird . Ich lese das nur
einfach mal vor: Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, Flug-
routen, Luftreinhaltung/Feinstaub, Luftqualität/Stick-
stoffdioxid, Umgebungslärm, Naturschutz/Moorburg,

Naturschutz/Besondere Schutzgebiete, Naturschutz/
Sylter Außenriff, Wasserwirtschaft, Weser/Werra, Nitrat,
Abfall . – Es geht dann weiter: Benzindampfrückge-
winnung, Seveso III, Gewässerschutz/prioritäre Stoffe,
Gewässerschutz/Anhangsänderung . – 16 Verfahren der
EU-Kommission allein im Umweltbereich laufen gegen
unser Land . Das hat auch mit Strafzahlungen zu tun; das
wird auch teuer für den Bürger, wenn diese Regierung
ihre umweltpolitische Arbeit nicht macht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der SPD)


Wir haben das Thema Feinstaub . Wir wissen selbst:
Nach mehr als einem Jahr ist der Abgasskandal in keiner
Weise auch nur ansatzweise im Griff . Aber wen wundert
das bei diesem Verkehrsminister? Man fragt sich bei ihm
ja, ob er noch an der Tankstelle steht, weil der Sprit wie-
der teurer geworden ist, weil wir zu viel verbrauchen,
viel mehr, als die Autos eigentlich, wie wir hörten, ver-
brauchen sollten, oder ob er noch im Stau der Verkehrs-
politik der 60er-Jahre steckt .

Aber Sie, Frau Ministerin Hendricks, haben ein Um-
weltbundesamt, das das erkannt hat . Und? Die Kraft
reicht nicht aus . Es gibt keine Kohärenz, keine Zusam-
menarbeit in der Regierung, um das im Bundesverkehrs-
wegeplan abzubilden, was Sie und wir längst wissen: Ein
Bundesverkehrswegeplan, der weiterhin auf Individual-
verkehr setzt, ist nicht zukunftsfähig .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich könnte jetzt noch etwas zur europäischen Woche
der Abfallvermeidung sagen, die gerade aktuell ist . Ich
könnte noch etwas zur Umweltproblematik in CETA sa-
gen . Aber ich glaube, meine Zeit geht jetzt doch langsam
dem Ende entgegen; deswegen will ich mich da kurz fas-
sen .


(Birgit Menz [DIE LINKE]: Die Redezeit!)


– Ja, das ist in der Tat schade, dass wir als Opposition so
wenig Redezeit haben; aber es nützt ja nichts .


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Jetzt nicht noch den Wähler beschimpfen! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Alles ist relativ!)


Aus Umweltsicht muss man eindeutig sagen, dass die
Lähmung des notwendigen Regierungshandelns durch
die Eitelkeiten insbesondere der CSU-geführten Ministe-
rien Agrar und Verkehr, aber auch des Wirtschaftsminis-
teriums – das kann man der SPD nicht ersparen – in den
letzten drei Jahren zu einem Rollback im Umwelt- und
Naturschutz geführt haben . Dabei ließe der Haushalt ja
gestaltendes Regierungshandeln zu .


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820114900

Herr Kollege, ich muss Sie jetzt aber wirklich auffor-

dern, zum Schluss zu kommen . Ihre Redezeit war näm-
lich vorhin schon abgelaufen .


Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820115000

Ja . – Diese Regierung hat die Chance vertan . Ob man

eine Null, die man am Ende als Ergebnis im Haushalt hat,

Peter Meiwald






(A) (C)



(B) (D)


als rote oder als schwarze Null bezeichnet, ist egal; der
Natur nützt es nichts .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820115100

Als nächster Redner hat Carsten Träger für die

SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Carsten Träger (SPD):
Rede ID: ID1820115200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Nach dem
Rundumschlag, der wohl noch eine Nachwirkung vom
Parteitag der Grünen ist – diese schöne Rede hat man
da wahrscheinlich auch gehört –, möchte ich jetzt gerne
wieder über den Haushalt des Ministeriums für Umwelt
und Naturschutz sprechen . In meinem Fall kann ich sa-
gen: ein guter Haushaltsentwurf mit vielen guten Ansät-
zen und einem erheblichen Aufwuchs; ein umweltpoliti-
scher Erfolg in schwierigen Zeiten .


(Beifall bei der SPD)


Fracking, Clean Coal, CCS, Atomstrom – in gera-
de einmal zweieinhalb Minuten hat uns der designierte
US-Präsident via Social Media mitgeteilt, wie er sich
seine ganz eigene amerikanische Energiewende vorstellt .


(Ulli Nissen [SPD]: Das kann nur Grauen bedeuten!)


Wir haben es kommen sehen . Trotzdem gab es ja noch
einen kleinen Rest Hoffnung, dass er sich nach der Wahl
vielleicht eines Besseren besinnen würde . Das hat er
nicht getan . Wenn diesen Ankündigungen Taten folgen,
dann wird der Klimaleugner Trump die Bemühungen der
internationalen Staatengemeinschaft um Jahre zurück-
werfen .

Wie stolz kann und muss man angesichts dieses Hin-
tergrunds auf den Kurs unserer Regierung sein!


(Beifall bei der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Trump der Maßstab ist, wird es richtig bitter!)


Ich bin stolz auf unsere Umweltministerin,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur im Vergleich zu Trump!)


sei es bei der Naturschutz-Offensive, sei es beim Integ-
rierten Umweltprogramm, sei es beim Klimaschutzplan .
Barbara Hendricks weiß, dass nur nachhaltige Politik
langfristig funktioniert .


(Beifall bei der SPD)


Nur die gleichberechtigte Zusammenarbeit von öko-
logischen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen stellt
sicher, dass es in der Bevölkerung Akzeptanz für das

Wirtschaftswachstum in einer intakten Umwelt gibt . Die
Ministerin weiß das nicht nur; sie streitet auch dafür .


(Beifall bei der SPD – Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt! Haben wir auch nicht bestritten!)


Mit dem Integrierten Umweltprogramm hat sie jüngst ei-
nen weitsichtigen Fahrplan vorgelegt .

Wir müssen raus aus dem Ressortdenken, bei dem
jeder kluge Pläne für seinen eigenen Bereich aufstellt,
ohne die Auswirkungen auf die anderen Bereiche mit-
zudenken . So geht es nicht . Klimaschutz und Erhalt der
Artenvielfalt werden nicht gelingen, wenn das Umwelt-
ministerium allein vor sich hinwurschtelt . Hier müssen
Umwelt, Landwirtschaft, Verkehr und natürlich auch die
Wirtschaft zusammenarbeiten .

Es geht ja gar nicht um griesgrämigen Verzicht oder
um Verbote; es geht um intelligente Rahmenbedingun-
gen, die den Wandel unserer Gesellschaft anreizen – für
technologische Innovationen, für eine aktive Zivilgesell-
schaft, für Umweltbildung .

Die Ministerin kämpft in dem Wissen, dass ohne in-
takte Umwelt alles andere nicht möglich ist . Schon heute
sind vier von neun planetaren Grenzen überschritten . Das
lässt Sie – nach dem Motto: Hauptsache, die Wirtschaft
brummt; der Fortschritt wird es schon richten; es ist noch
immer gutgegangen – kalt? Mich lässt das nicht kalt –
und sehr viele Menschen in unserem Land auch nicht .

Ich danke den Menschen, die sich für den Umwelt-
schutz engagieren . Damit steht man nicht im Rampen-
licht, damit macht man nicht das große Geld; aber alle
helfen ein kleines Stück mit .


(Beifall bei der SPD)


Deshalb freue ich mich darüber, dass wir eine Erhö-
hung der Mittel für das Bundesprogramm Biologische
Vielfalt erreichen konnten . Dafür hat die SPD hart und
lang gekämpft . Jetzt stehen 20 Millionen Euro in 2017
für Projekte zum Erhalt der Artenvielfalt, zum Gewäs-
serschutz und zu Maßnahmen zur Umweltbildung bereit .

Ein großer Erfolg ist für die SPD auch der Aufwuchs
bei den Zuschüssen für die Umweltschutzverbände . So
wichtig das Engagement jedes Einzelnen ist, so ist es
doch unverzichtbar, dass die Verbände die Kompetenzen
und das Engagement bündeln und immer wieder den Fin-
ger in die Wunde legen .


(Beifall bei der SPD)


Sie sind die Lobbyisten der Natur . Wir brauchen diese
unermüdlichen Mahner .

Darüber hinaus haben wir das Exportprogramm für
grüne und nachhaltige Umwelttechnologien um 5 Milli-
onen Euro verstärkt . Diese Initiative soll das Auslandsge-
schäft der deutschen Umweltwirtschaft unterstützen und
so den Aufbau von Umweltinfrastruktur fördern .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was mir ganz wich-
tig ist: Wir setzen unsere Unterstützung von Maßnahmen
zur Bekämpfung von Wilderei fort . Wir unterstützen wei-
terhin mit 3 Millionen Euro Projekte, die sich gegen den

Peter Meiwald






(A) (C)



(B) (D)


illegalen Handel mit Elefanten- und Nashornprodukten
in Ursprungsländern, in Transitländern und auch in Ab-
nehmerländern richten . Hier ist Deutschland ein weiteres
Mal in einer Vorreiterrolle .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das ist gut so, und das muss auch unsere Antwort auf
Leute wie Trump sein . Wir dürfen uns nicht beirren las-
sen . Das Zeitalter der fossilen Energieerzeugung geht un-
weigerlich zu Ende . Wir wissen das,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weiß das auch Sigmar Gabriel?)


wir bereiten uns vor, und wir bauen eine Brücke in die
Zukunft .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulli Nissen [SPD]: Gute Rede, Carsten!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820115300

Als nächster Redner hat Hubertus Zdebel von der

Fraktion Die Linke das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Hubertus Zdebel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820115400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin Hendricks!
Ich möchte ein paar Takte zu einem Thema sagen, das
meines Erachtens heute noch viel zu kurz gekommen
ist, nämlich zum Thema Atompolitik . Sie haben in Ihrer
zwölfminütigen Rede gerade einmal drei bis vier Sätze
dazu gesagt, Frau Ministerin . Ich fand das ein bisschen
mager bei diesem sehr wichtigen Thema . Von den Ab-
geordneten der anderen Fraktionen ist das Thema bisher
überhaupt noch nicht angesprochen worden .

Derzeit werden die Verantwortlichkeiten bei der Atom-
müllendlagerung nämlich neu geregelt . Dazu gehört auch
die Frage: Wer zahlt eigentlich letztlich die Kosten für
die Endlagerung des Atommülls? Jahrzehntelang galt:
Die Atomunternehmen als Verursacher übernehmen die
Kosten . Dieses Versprechen soll nun gebrochen werden .
Gegen eine geringe Einmalzahlung sollen die Konzerne
nach dem Willen der Bundesregierung von der Kosten-
verantwortung befreit werden .


(Dr . Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Unglaublich!)


Die Regierung stützt sich dabei auf Empfehlungen der
von ihr eingesetzten Trittin-Kommission mit Vertreterin-
nen und Vertretern aus dem Umfeld von CDU/CSU, SPD
und Grünen . Die Linke war nicht vertreten . Das Motto
lautet: Der Staat übernimmt den Atommüll . Die Konzer-
ne hatten die Gewinne, die Steuerzahlerinnen und Steu-
erzahler sollen die Kosten tragen .


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist unverantwortlich, was Sie hier machen!)


Das ist skandalös, was da geplant wird,


(Beifall bei der LINKEN)


und eine schwere Belastung, wenn es darum geht, einen
gesellschaftlichen Konsens mit Blick auf die sichere La-
gerung der radioaktiven Abfälle zu erreichen .

Die Linke plädiert dafür, den Umgang mit der La-
gerung aller Arten radioaktiver Abfälle wirklich neu zu
starten, und zwar in einem umfassenden gesellschaftli-
chen Prozess und mit umfassenden Rechten der Bürge-
rinnen und Bürger dieses Staates .


(Beifall bei der LINKEN)


Deshalb fordert die Linke die Umschichtung von Finanz-
mitteln aus den verbrannten und ungeeigneten Standor-
ten Gorleben und Schacht Konrad und setzt stattdessen
auf die deutliche Aufstockung der Mittel für den Endla-
gersuchprozess .


(Beifall bei der LINKEN)


Die bisher vorgesehenen 4,6 Millionen Euro sind dafür
viel zu wenig .

Einst nutzte die Atomindustrie die Asse im Südosten
Niedersachsens als billige Müllkippe . Die dort vor Jahr-
zehnten eingelagerten 126 000 Fässer mit schwach- und
mittelradioaktivem Müll rosten in der einsturzgefährde-
ten Anlage vor sich hin . Weil der Salzstock Asse zudem
mit Wasser vollzulaufen droht, wird seit einigen Jahren
versucht, den Atommüll zu bergen . Ob das gelingt, weiß
im Moment niemand . Nun soll auf der 750-Meter-Soh-
le der marode Salzstock verfüllt werden . Bürgerinnen
und Bürger sowie Fachleute befürchten, dass damit die
Rückholung mindestens deutlich erschwert würde, und
fordern ein Moratorium . Diese Fragen müssen unserer
Meinung nach mit den Beteiligten in der Asse-Begleit-
gruppe geklärt werden . Die Verfüllung darf nicht wie ge-
plant durchgeführt werden .


(Beifall bei der LINKEN)


Wir fordern in unserem Entschließungsantrag, die dafür
im Haushalt eingestellten 1,4 Millionen Euro zu strei-
chen und stattdessen anderweitig zu verwenden .

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820115500

Als nächster Redner hat Christian Hirte für die CDU/

CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Christian Hirte (CDU):
Rede ID: ID1820115600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor
zwei Wochen hat der MDR bei den Kollegen des Haus-
haltsausschusses eine Umfrage gemacht, welches die
Lieblingszahl im Haushalt des nächsten Jahres sei . Es

Carsten Träger






(A) (C)



(B) (D)


wird Sie nicht überraschen, dass ich einer derjenigen bin,
denen die Null besonders gut gefällt .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sitzen ja auch viele schwarze Nullen im Ausschuss!)


Man kann gar nicht oft genug betonen, welch große
historische Leistung es ist, dass wir nicht nur im nächsten
Jahr wieder ohne Nettoneuverschuldung auskommen,
sondern es auch die gesamte bisherige Legislaturperio-
de geschafft haben, und das, obwohl wir erheblich mehr
Geld in die Hand genommen haben für Zukunftsinvesti-
tionen, für Infrastruktur, für Familien, für Bildung und
Forschung, für Sicherheit – sowohl innen als auch au-
ßen – oder auch für Kultur .

Ich glaube, das ist ein Grund, auch mal froh sein zu
können . Das sage ich insbesondere mit Blick auf die Op-
position, verbunden mit der Frage, ob es nicht manchmal
auch eine Nummer kleiner ginge, was die Vorwürfe an-
belangt, die Sie gegenüber uns von der Koalition gerade
mit Blick auf den diesjährigen Haushaltsplan erheben .
Ein Wort der Anerkennung für den grundsätzlich erfolg-
reichen Weg, den wir gemeinsam beschreiten, und ein
Wort des Respektes dafür, dass unser Land in einer Lage
ist wie kein anderes in Europa, wären zumindest ange-
messen .

Ich denke – das will ich gleich vorab sagen –, dass
wir einen hervorragenden Haushalt für das nächste Jahr,
2017, vorlegen und ein bisschen stolz auf die Arbeit sein
können, die wir gemeinsam geleistet haben, auch mit
Blick auf die Fortschritte, die nach der Einbringung in
den Haushaltsberatungen erzielt werden konnten .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Weil uns das Thema Umweltschutz wichtig ist, gibt es
auch im Etat für Bau und Umwelt erhebliche Aufwüch-
se – die Ministerin hat darauf hingewiesen –: über 1 Mil-
liarde Euro mehr im Umwelt- und Bauetat, nicht nur für
Maßnahmen im Inland, etwa im Bereich des Wohnungs-
baus, sondern auch für Aufgaben im Rahmen unserer
Verantwortung für die globalen Aufgaben im Bereich der
Umwelt- und Klimaschutzpolitik . Wir stellen für die In-
ternationale Klimaschutzinitiative deutlich mehr Mittel
zur Verfügung, und ab 2018 werden wir diese jährlich
um 75 Millionen Euro aufstocken .

Meine sehr geehrten Damen und Herren, insbesonde-
re von den Grünen, natürlich ist es so, dass Deutschland
weltweit immer noch für seine Vorreiterrolle beim Kli-
maschutz geschätzt wird .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schauen Sie sich mal den Germanwatch-Index an! Deutschland ist abgerutscht! Platz 29 im Klima-Index!)


Jetzt mögen Sie hingehen und behaupten, dass wir unse-
re Aufgaben nicht gut wahrnehmen, aber die weltweite
Wahrnehmung ist eine andere . Knapp 50 Länder haben in
der letzten Woche beim Gipfel in Marrakesch angekün-

digt, ihren Energiebedarf möglichst bald zu 100 Prozent
aus erneuerbaren Energien zu decken .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bis 2050!)


Die Staaten des Climate Vulnerable Forum sind nicht
weit von dem entfernt, was wir in Deutschland mit dem
Klimaschutzplan auf den Weg gebracht haben .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da ist doch nichts Verbindliches drin! Wo ist der verbindliche Kohleausstieg?)


Es ist so, dass viele dieser Länder gar nicht darüber dis-
kutieren können, wie man aus der Kohle aussteigt, weil
sie schlicht keine haben .


(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Natürlich ist es gut und richtig, dass sie gar nicht erst in
eine solche Technologie einsteigen; aber wir haben sie,
und wir müssen auch dafür Sorge tragen, dass bei uns,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn der verbindliche Zeitplan?)


in einem industrialisierten Land, Strom dauerhaft sicher
verfügbar und auch bezahlbar bleibt .


(Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt keinen verbindlichen klaren Zeitplan!)


Ich glaube, da haben wir Gutes auf den Weg gebracht .

Das gilt im Übrigen auch für den Klimaschutzplan,
der von der Bundesregierung vorgelegt wurde . Ich den-
ke, wenn man ihn genau lesen würde – das rege ich an –,
würde man feststellen, dass es dem Plan angesichts der
ihm innewohnenden Konsequenz auch bei den Sektor-
zielen, die die Ministerin angesprochen hat, immanent
ist, dass natürlich auch wir in Deutschland aus der Koh-
leverstromung aussteigen werden .


(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum schreiben Sie es dann nicht rein?)


Wir wollen anderen Ländern, insbesondere den ar-
men, Hilfestellung bei der Umstellung auf emissions-
freie Stromerzeugungstechnologien und bei vielen an-
deren Umwelttechnologien geben . Insofern ist es gut,
dass wir in Deutschland insoweit einen Beitrag leisten,
als wir erneut eine Exportinitiative für Umwelttechno-
logien auflegen. Ich bin den Kollegen Berichterstattern
ausdrücklich dankbar, dass wir das gemeinsam gemacht
haben . Ich glaube, wenigstens das könnten Sie von den
Grünen doch ausnahmsweise einmal wertschätzen; denn
ich glaube, diese Initiative ist gut, um die Situation in
Deutschland im Hinblick auf Arbeitsplätze, für den Be-
reich Forschung und Entwicklung, zu verbessern und
gleichzeitig dort zu helfen, wo Bedarf besteht, um so
auf internationaler, globaler Ebene etwas für den Klima-
schutz zu tun .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Christian Hirte






(A) (C)



(B) (D)


Vorhin gab es ganz kurz schon eine Diskussion zum
Thema Solarenergie . Da könnte man sagen, das war qua-
si ein großangelegtes, aber leider extrem teures Projekt
zum Export von Umwelttechnologien . Die Solarindustrie
in Deutschland ist deswegen kaputtgegangen, weil wir
sie schlicht überfordert haben .


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Überfördert!)


Die deutschen Produzenten waren angesichts der hohen
Fördersätze nicht in der Lage, mit der Produktion hinter-
herzukommen . Das hat dazu geführt, dass wir andern-
orts, insbesondere in Südostasien, die Produzenten erst
groß gemacht haben .


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Nein! – SvenChristian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nee, das ist doch einfach Quatsch!)


Andere Themen wurden schon angesprochen; ich
muss es nicht wiederholen . Die Mittel für die inter-
nationale Zusammenarbeit, etwa für die europäische
Klimaschutz initiative, haben wir mehr als verdoppelt,
auf 17 Millionen Euro . Auch da zeigt sich, dass sich
Deutschland nicht nur auf nationaler, sondern auch auf
europäischer und internationaler Ebene engagiert .

Die Biodiversität ist angesprochen worden . Auf natio-
naler Ebene ist insbesondere die Nationale Strategie zur
biologischen Vielfalt von Bedeutung . Mit einem Mittel-
aufwuchs um 5 Millionen Euro auf 20 Millionen Euro für
2017 leisten wir, denke ich, einen wichtigen Beitrag zur
Stärkung der Biodiversität .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Besonders freue ich mich über den neuen Werra-Uls-
ter-Weser-Fonds, mit dem dafür Sorge getragen werden
soll, dass die von der Kaliproduktion betroffenen Anrai-
ner beim Umgang mit den negativen Folgen unterstützt
werden .


(Ulli Nissen [SPD]: Genau! Das haben wir in Hessen angeschoben!)


Zur Wahrheit gehört, dass wir Kaliproduktion benöti-
gen, und ich hoffe, dass wir uns einig sind, dass die welt-
weite Ernährungssituation nur mit Kalidünger bewältigt
werden kann . Wir wollen und müssen auch in Deutsch-
land unseren Beitrag dazu leisten . Dazu ist es erforder-
lich, dass wir die Produktion beibehalten, aber eben auch
denjenigen helfen, die durch die Folgen der über 100 Jah-
re währenden Produktion und der jahrzehntelangen Ver-
pressung, zum Beispiel in der Region Gerstungen, belas-
tet sind . Das wollen wir mit Nachteilsausgleichen in den
Bereichen Wohnen, Infrastruktur, Siedlungsentwicklung,
Arbeit und Wirtschaft, Bildung, Kinder- und Jugendar-
beit, Soziales und Gesundheit, Mobilität, Freizeit und
Tourismus, Kultur, Sport und Engagementförderung so-
wie Wissenschaft und Forschung tun .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Als Thüringer erlauben Sie mir zuletzt noch eine An-
merkung zu einem Thema, das 2019 auch in meinem

Heimatland eine besondere Rolle spielen wird: 100 Jahre
Bauhaus .


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut, dass das hier erwähnt wird!)


Wir stellen im Etat des BMUB 500 000 Euro zur Verfü-
gung, um die Arbeit der gemeinsamen Geschäftsstelle in
Weimar zu unterstützen . Das ist richtig und angebracht,
weil das Bauhaus die Welt im besten Wortsinn verändert
hat . Das kann man städtebaulich an sehr vielen Orten,
nicht nur in Deutschland, sondern weltweit, nachvollzie-
hen . Aber das Thema Bauhaus entfaltet auch im Bereich
von Kunst und Kultur bis heute seine Wirkungen . Des-
wegen haben wir nicht nur im Einzelplan 16, sondern –
das sage ich schon einmal in Vorausschau auf die morgen
zu debattierenden Etats – auch im Bereich der Kultur-
staatsministerin weitere 3 Millionen Euro und im Bereich
des Auswärtigen Amtes weitere 2 Millionen Euro auf den
Weg gebracht, um dafür Sorge zu tragen, dass wir dieses
Jubiläum im Jahr 2019 angemessen begehen können .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben – auch da bin ich froh, dass wir im Kultur-
bereich so viel auf den Weg bringen konnten – zum Bei-
spiel für das Reformationsjubiläum erneut Mittel in die
Hand genommen . Das betrifft nicht nur den Bereich des
Baus, wo wir zum Beispiel wieder Möglichkeiten haben,
in Sakralbauten zu investieren, sondern auch die Tatsa-
che, dass wir, nachdem wir im Jahr 2011 mit 5 Millionen
Euro begonnen haben, im nächsten Jahr bei 11,65 Milli-
onen Euro landen, die wir in den Haushalt einstellen, um
das Reformationsjubiläum angemessen begehen zu kön-
nen . 280 Projekte konnten bislang gefördert werden . Das
ist eine hervorragende Maßnahme, die wir jetzt – im klei-
nen Maßstab – auch beim Bauhaus fortsetzen werden .

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke,
haushalterisch hat es selten – ich würde sogar sagen:
nie – bessere Zeiten für unser Land gegeben . Wir haben
keinerlei Anlass, uns von Sorgen und Missmut umtreiben
zu lassen . Im Gegenteil: Wir sollten deutlich machen,
wie gut es unserem Land geht . Kein anderes Land – so
eine Studie aus Großbritannien – bietet so hervorragen-
de Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten für junge
Menschen . Wenn das nicht das Beste ist, was Politik in
einem Land für die Zukunft leisten kann, weiß ich es
auch nicht . Dazu haben wir, auch wir Haushälter, unse-
ren Beitrag geleistet . Vielen Dank allen, die sich da mit
eingebracht haben .

Vielen Dank auch für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820115700

Als nächster Redner hat Michael Groß für die

SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Michael Groß (SPD):
Rede ID: ID1820115800

Herzlichen Dank . – Frau Präsidentin! Liebe Kollegin-

nen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauer! Das Land

Christian Hirte






(A) (C)



(B) (D)


bietet Chancen, das ist richtig, für viele – für viele aber
eben auch nicht . Ich schaue nicht mit besonderer Liebe
auf die Null – sie ist wichtig –, sondern lieber auf das, was
wir gemeinsam, aber insbesondere Barbara Hendricks er-
reicht hat: nämlich dass wir in die Zukunft investieren,
dass wir einen Haushalt auf den Weg gebracht haben, der
um 24 Prozent aufgewachsen ist und eben auch zeigt,
dass wir für Menschen investieren wollen, damit sie auch
eine Zukunft in unserem Land haben .


(Beifall bei der SPD)


Kollege Meiwald, ich hoffe, wir sind über den Stand
hinaus, dass wir hier gute und schlechte Arbeitsplätze
gegeneinander ausspielen . Es geht um Arbeit für alle,
gute Arbeit mit guten Löhnen . Es gibt sicherlich noch
Menschen, die Arbeitsplätze haben, die Sie nicht mehr
sehen wollen . Sie haben einen entsprechenden Beschluss
gefasst . Nur: Diese Menschen müssen die Mieten bezah-
len, sie müssen die Energiewende bezahlen, sie müssen
den Umweltschutz bezahlen, und wir müssen dafür sor-
gen, dass sie all das auch bezahlen können . Deswegen ist
es wichtig, dass wir die Pfade beschreiten, die Barbara
Hendricks beschrieben hat .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Sie hat einen Ausstiegsplan vorgelegt,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt keinen Ausstiegsplan!)


der eine Dekarbonisierung bis 2050 vorsieht . Ich kann
Ihren Vorwurf nicht verstehen, dieser Plan sei nicht ge-
nügend konkret .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist überhaupt nichts konkret!)


Wir haben auf unserem Weg viel erreicht . Aber ins-
besondere den Unionskollegen möchte ich sagen: Der
Markt wird nicht alles richten, aber wir brauchen alle
Akteure . Ich glaube, wir brauchen vor allen Dingen – das
habe ich hier schon einmal gesagt – stärkere kommunale
Unternehmen als Korrektive auf dem Wohnungsmarkt .
Zurzeit besitzen diese bundesweit 3 Millionen von
22 Millionen Mietwohnungen . Dieser Anteil ist viel zu
gering . Deshalb gelingt es uns auch nicht, die Mieten auf
dem Wohnungsmarkt in der Form zu korrigieren, dass
die Menschen sie bezahlen können .

Wir haben aber Folgendes gemacht: Wir haben die
Mittel für die soziale Wohnraumförderung verdreifacht .
Wenn Ihre Arithmetik stimmt, dass wir mit 500 Millio-
nen Euro in 2015 circa 15 000 Wohnungen mit Sozial-
bindung bauen konnten, dann werden wir diese Zahl jetzt
verdreifachen . Ich sage aber deutlich: Wir von der SPD
erwarten von den Ländern, dass sie aktiv werden und die
Summen heben .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Für Nordrhein-Westfalen kann ich sagen – es wird
schon den ganzen Tag mit Blick auf Nordrhein-Westfalen
Wahlkampf gemacht –: Wir sind deutscher Meister im
Bau von Sozialwohnungen . 40 Prozent der Wohnungen
mit Sozialbindung, die in Deutschland im letzten Jahr ge-

baut worden sind, sind in Nordrhein-Westfalen geschaf-
fen worden .


(Ulli Nissen [SPD]: Anerkennung!)


Ich glaube, damit sind wir ein gutes Vorbild . Wenn alle
Länder so handeln würden, dann hätten wir ein gutes
Wohnungsangebot . Das ist doch wohl eine klasse Sache .


(Beifall bei der SPD)


Die Ministerin hat schon darauf hingewiesen, dass wir
für den Investitionspakt „Soziale Integration“ 200 Mil-
lionen Euro jährlich zur Verfügung stellen . Ich halte das
für ein außerordentlich wichtiges Programm, weil es hier,
neben dem Städtebauförderprogramm „Soziale Stadt“,
insbesondere um das Zusammenleben in den Städten und
um Zusammenhalt in der Nachbarschaft geht .

Wir wollen auch die Städte unterstützen, die nicht Teil
der Programmgebiete der sozialen Wohnraumförderung
sind, vor allen Dingen im Städtebauförderprogramm
„Soziale Stadt“ . Neu ist auch, dass wir vorhaben, Men-
schen als Quartiersmanager zu bezahlen, die den Zusam-
menhalt gewährleisten und moderieren sollen . Ich glau-
be, das ist ein guter Weg, um die Städtebauprogramme
zu ergänzen .

Ich möchte mich bedanken . Insbesondere richtet sich
mein Dank an Frau Dött . Die Grüne Hauptstadt Essen er-
hält mehr Geld, und zwar 3 Millionen Euro . Das ist eine
gute Sache, um auch das Thema Klimaschutz im Ruhrge-
biet voranzubringen . Die Stadt Essen kann das Geld sehr
gut gebrauchen .

Zum Thema: Was haben wir erreicht? Frau Bluhm, Sie
sagen: Wir haben verwaltet . – Ich glaube, wir haben so-
zialdemokratisch gestaltet . Frau Hendricks hat deutlich
gemacht: Das BBSR hat Anfang 2015 geschätzt, dass wir
aufgrund des Zuzugs der vielen Menschen in unser Land
circa 270 000 Wohnungen benötigen . In diesem Jahr
werden wir etwa 300 000 Baugenehmigungen erreichen .
Aus meiner Sicht werden wir also die geschätzten Zah-
len des BBSR in Bezug auf den Bau neuer Wohnungen
annähernd erreichen .

Ich glaube, wir befinden uns auf einem guten Weg.
Aber die Maßnahmen reichen bei weitem nicht aus . Es
ist sicherlich wichtig, dass wir eine Diskussion über das
Thema „Gemeinwohlorientierung“ führen . Wir müs-
sen die Unternehmen unterstützen und fördern, die sich
neben dem Thema „bezahlbares Wohnen“ auch um das
Thema „Stadtteilquartiere“ kümmern . Sie sollen dafür
sorgen, dass es Anlaufstellen und Nachbarschaftszentren
gibt . Es muss Akteure geben, die sie bei ihrer Beteiligung
an politischen Prozessen unterstützen . Deswegen werden
wir uns als Sozialdemokraten auf den Weg machen und
prüfen, wie wir die Gemeinwohlorientierung unterstüt-
zen können .


(Beifall bei der SPD)


Ich bin fast am Ende meiner Rede . Ich möchte, wenn
Sie mir das erlauben, noch zwei Sätze zur BImA sagen .
Es ist aus meiner Sicht nicht akzeptabel, dass die BImA
bisher von den 100 Millionen Euro, die wir zur Verbilli-

Michael Groß






(A) (C)



(B) (D)


gung der Konversionsflächen zur Verfügung gestellt ha-
ben, nur 3,5 Millionen Euro ausgegeben hat .


(Ulli Nissen [SPD]: 3,5 Millionen Euro? So wenig!)


Es sollte auch eine Subventionierung zum Bau von So-
zialwohnungen geben . Es ist nicht akzeptabel, dass die
BImA hier noch nichts umgesetzt hat .


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Recht hat er!)


Es gibt keinen einzigen Vertrag . Ich glaube, es ist an der
Zeit, das BImA-Gesetz zu novellieren .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt er am Schluss, damit wir klatschen!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820115900

Als nächster Redner hat Volkmar Vogel für die CDU/

CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Volkmar Uwe Vogel (CDU):
Rede ID: ID1820116000

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen

und Kollegen! Sehr verehrte Gäste! Wohnen wird nicht
eine soziale Frage, Wohnen ist eine soziale Frage, und –
ich denke, da stimmen Sie mir alle zu – Wohnen war auch
schon immer eine soziale Frage . Nach meiner Überzeu-
gung ist die beste, die sozialste Antwort auf diese Frage,
so viele Menschen wie möglich dazu zu bringen, in ihren
eigenen vier Wänden zu wohnen, ihnen die Möglichkeit
zu geben, sich Wohnraum zu schaffen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Jeder Vogel baut sein eigenes Nest .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Spruch ist nicht von mir, er ist von meinem Vater .
Diesen Spruch hat er uns mit auf den Weg gegeben, als
er als ehrbarer Kraftfahrer in Eineborn in Thüringen sein
Haus gebaut hat . Ich glaube, er ist ein kluger Mann, und
das, was er sagt, ist richtig .

Auf die Art und Weise machen wir nicht nur eine
Mietwohnung frei für andere Menschen, nein, all die-
jenigen, die sich diesen Traum verwirklichen können,
sorgen auch für ihr Alter vor, bilden Vermögen, auf das
sie zurückgreifen können, und sorgen dafür, dass unsere
Wohnquartiere stabil sind, dass dort in Eintracht gelebt
wird und soziale Spannungen vermieden werden . Des-
wegen ist es wichtig, dass wir die Wohneigentumsförde-
rung voranbringen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das ist auch aktive Familienpolitik . Deswegen werbe
ich sehr dafür, dass wir, so gut unser Haushalt auch aus-
gestattet ist, auch einfache Dinge tun und zum Beispiel
die Höchstgrenze für die Wohnungsbauprämie, die seit
20 Jahren unverändert ist, anheben . Das hilft vor allem

vielen jungen Familien . Wenn wir auch noch die Famili-
enkomponente ausbauen, dann hilft das vor allen Dingen
Familien mit Kindern .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich bin der festen Überzeugung, dass die Kinderkompo-
nente weiter ausgebaut werden muss, weil – ich komme
darauf zurück –: Jeder Vogel baut sein eigenes Nest .

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen
uns mit den Ländern in Fragen der Baulandbereitstellung
und der Grunderwerbsteuer verständigen . Die aktuelle
Situation läuft dem zuwider, was wir immer fordern: Die
Leute sollen mobil sein . Aber wenn sie in eine andere
Stadt gehen und dort ein Haus erwerben wollen, werden
sie immer wieder aufs Neue mit der Zahlung einer zu
hohen Grunderwerbsteuer bestraft .

Meine Bitte an unseren Bundesjustizminister Maas
lautet: Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie muss praxis-
tauglich gemacht werden .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Sie ist entstanden in der ersten Angst nach der Finanzkri-
se – das ist richtig –, jetzt kommt es aber darauf an, sie
praxistauglich zu machen . Zurzeit sind vor allen Dingen
die U 30, also die jungen Familien, gekniffen, aber auch
die Ü 50, also diejenigen, die sich noch einmal daranma-
chen, ein Haus zu sanieren oder neu zu gestalten; auch
für die wird es schwierig . Hier müssen Anpassungen er-
folgen . Das müssen wir auf den Weg bringen .

Aber nicht jeder kann ein eigenes Haus bauen oder
eine eigene Wohnung kaufen, und das will auch nicht je-
der . An diese Menschen müssen wir natürlich auch den-
ken . Deswegen kommt es darauf an, den Mietwohnungs-
bau im Auge zu behalten . Wir brauchen unbedingt einen
ausgeglichenen Mietwohnungsbau in allen Segmenten:
im preiswerten Segment, im mittleren Segment, aber
auch im hochpreisigen Segment . Das gehört alles zusam-
men . Deswegen müssen wir vor allem die Bauaktivitäten
unterstützen . Wenn gebaut wird, wenn genug Wohnraum
zur Verfügung steht, dann gelingt es am besten, für einen
Ausgleich zu sorgen .


(Beifall des Abg . Christian Hirte [CDU/ CSU])


Vor allen Dingen müssen wir natürlich den bezahlba-
ren Wohnraum für diejenigen im Auge behalten, die nur
über einen geringen Lohn verfügen oder zu einer mittle-
ren Einkommensgruppe gehören . Das gilt insbesondere
dann, wenn es sich um Familien handelt . Dabei hilft das
Ordnungsrecht über die größte Not hinweg, bei kurzfris-
tigen Schwierigkeiten . Die Mietpreisbremse wird uns auf
Dauer aber nicht helfen .


(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Jetzt funktioniert sie ja auch nicht! Jetzt hilft sie auch nicht!)


Wir können sie immer nur zeitlich begrenzt einsetzen .
Auf Dauer wird sie das Problem nicht lösen .

Ich möchte hier eine Lanze für unsere Wohnungsun-
ternehmen brechen, insbesondere für die kommunalen
und für die genossenschaftlichen . Das, was sie für das

Michael Groß






(A) (C)



(B) (D)


Gemeinwohl in den Kommunen leisten, das, was sie an
Aufgaben der Kommunen übernehmen, weil diese sie –
aus welchen Gründen auch immer – nicht bewältigen
können, ist enorm und aller Anerkennung wert . Ich bitte
darum, dass wir genau überlegen, ob wir dieses Engage-
ment durch zusätzliche Reglementierungen, zum Bei-
spiel durch die Grenzen, die uns die Gemeinnützigkeit
vorgibt, weiter einengen oder ob wir es gestalten und
fördern, zum Beispiel durch unsere Städtebauförderpro-
gramme .


(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Quartiersmanagementkonzepte wollt ihr in der Union doch gar nicht fördern!)


Mein Dank geht auch an unsere Haushälter, und zwar
dafür, dass wir die Mittel für die Städtebauförderung von
650 Millionen Euro auf 740 Millionen Euro erhöht ha-
ben und zusätzlich die Kompensationsmittel, die an die
Länder fließen, von ursprünglich 580 Millionen Euro auf
jetzt 1,5 Milliarden Euro angewachsen sind . Ich bitte
Frau Ministerin Hendricks, genau darauf zu achten – das,
was mein Kollege Michael Groß für die SPD gesagt hat,
gilt für uns, die Union, genauso –, dass die Länder diese
Mittel zweckentsprechend einsetzen: für sozialen Woh-
nungsbau und für preiswerte, bezahlbare Wohnungen auf
allen Ebenen . Ich bitte die Linken, darauf zu achten, dass
dies auch in deren Verantwortungsbereich geschieht .
Ich weiß aus Thüringen, dass die Mittel für den sozialen
Wohnungsbau dort leider nicht zu 100 Prozent abgerufen
worden sind .


(Zurufe von der LINKEN)


Besonders wichtig an diesem Haushalt sind mir die
beiden Stadtumbauprogramme Ost und West . Sie sind
mit einem Volumen von 260 Millionen Euro der größ-
te Investitionsteil im Rahmen der Städtebauförderung .
Unsere gemeinsame Selbstbefassung im Ausschuss hat
mir Mut gemacht, weil sich auch die Länder auf ihrer
Länderbauministerkonferenz sehr positiv über die der-
zeitigen Evaluierungsergebnisse geäußert haben . Die
Programme laufen eigentlich 2016 aus . Mein Wunsch
ist – das sage ich auch in Richtung unseres Koalitions-
partners, der SPD –, dass wir uns schnellstmöglich über
die Evaluierungsergebnisse informieren . Ich bin optimis-
tisch, dass es vielleicht gelingt, noch in dieser Legislatur-
periode die Fortsetzung dieses Programms auf den Weg
zu bringen . Das hieße Planungssicherheit für alle Betei-
ligten und Planungssicherheit für die Kommunen und die
Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es wurde bereits angesprochen: Das Programm „Sozi-
ale Stadt“ ist von großer Bedeutung, wenn es darum geht,
Spannungen einzudämmen und das Zusammenleben zu
verbessern . Ich möchte an dieser Stelle aber auch sagen:
Es kann nicht das Ziel sein, Konflikte ständig auf diese
Art und Weise zu lösen . Besser ist es, zum Beispiel mit
den Stadtumbauprogrammen und anderen Maßnahmen
dafür zu sorgen, dass solche Konflikte im baulichen Be-
reich gar nicht erst aufkommen . Dazu gehört die Durch-
mischung der Quartiere . Es ist gut, dass es uns gelungen
ist, die Baunutzungsverordnung dahin gehend zu ändern,

dass auch urbane Gebiete berücksichtigt werden, dass
also auch in diesen Gebieten weitere Nutzungen, zum
Beispiel gewerbliche, möglich sind .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wann kommt denn Ihr Gesetzentwurf?)


Das geht natürlich mit weiterer Verdichtung und Nach-
verdichtung einher . Deswegen ist es ein großer Erfolg –
danke an die Haushälter –, dass wir jetzt das Programm
„Grün in der Stadt“ haben . Dafür werden 50 Millionen
Euro bereitgestellt; in der Vergangenheit dümpelte es mit
einem Volumen von 200 000 Euro irgendwo im Haus-
halt herum . Das ist, glaube ich, ein sehr, sehr wichtiger
Ansatz, um unsere Städte lebenswert zu machen und sie
attraktiv zu halten,


(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Endlich!)


anstatt davon ausgehen zu müssen, dass sich die sozialen
Spannungen aufgrund von in Beton gegossener Lange-
weile erhöhen .

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme
zum Schluss . Eines möchte ich nicht unerwähnt lassen:
Bei alledem, was wir tun, sollten wir darauf achten, dass
wir nicht nur auf die Metropolen schauen, sondern auch
auf die kleinen und mittelgroßen Städte, die es genauso
schwer haben . Kleine und mittelgroße Städte nehmen für
das beteiligte Umland eine wichtige Funktion wahr . Es
muss uns gelingen, diesen Ausgleich in unserem Land
aufrechtzuerhalten; denn er ist ein wichtiger stabilisie-
render Faktor .

Wenn sich Menschen abgehängt fühlen und der Mei-
nung sind: „Keiner kümmert sich mehr um uns“, dann
dürfen wir uns nicht wundern, wenn solche Differenzen
immer mehr nach oben gespült werden . Das ist nicht in
unserem gemeinsamen Sinn . Ich denke, das gilt für alle,
die hier im Saal sitzen . Deswegen ist meine Bitte, darauf
zu achten, dass wir den ländlichen Raum und auch die
kleinen und mittelgroßen Städte, die es ebenfalls nicht
leicht haben, nicht vergessen .

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Steffen-Claudio Lemme [SPD])



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820116100

Als letzter Redner in dieser Debatte hat Dr . Klaus-

Peter Schulze für die CDU/CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Klaus-Peter Schulze (CDU):
Rede ID: ID1820116200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Lieber Kollege Vogel, ich muss am Anfang eine kleine
Korrektur vornehmen: Nicht jeder Vogel baut sein eige-
nes Nest . Es gibt auch einige, die nutzen nach . Sie leis-

Volkmar Vogel (Kleinsaara)







(A) (C)



(B) (D)


ten damit einen kleinen Beitrag zum Recycling und zum
Ressourcenschutz .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ja ein-
gangs von vielen Kolleginnen und Kollegen schon ange-
sprochen worden, dass wir eine Erhöhung des Haushalts-
ansatzes für das Umweltministerium um fast 24 Prozent
haben . Ich möchte mich, sehr geehrte Frau Ministerin,
bei Ihnen und Ihren Mitarbeitern für die gute Vorlage mit
den Erläuterungen bedanken . Damit war die Bearbeitung
des Haushaltsplans 2017 aus meiner Sicht sehr gut mög-
lich .

Ich möchte mich mit den nächsten Sätzen haupt-
sächlich auf den Bereich des Naturschutzes konzentrie-
ren . Der Haushaltsumfang ist seit 2014 um 16 Prozent
auf 71,5 Prozent angestiegen . Ich denke, das kann sich
insgesamt sehen lassen, wenn man berücksichtigt, dass
2005 für Naturschutz lediglich 29,2 Millionen Euro im
Haushaltsplan standen, während es jetzt 71,5 Millionen
Euro sind . Insofern können wir doch mit dem Zuwachs
ganz zufrieden sein .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Insgesamt sind in diesem Jahr 31 Naturschutzgroßpro-
jekte im Haushaltsplan vorgesehen . Sie sind wieder mit
14 Millionen Euro dotiert . Ich habe im vergangenen Jahr
die Sommerpause genutzt, um mir einmal ein solches
Großprojekt an der Unteren Havel – etwa 80 Kilometer
von Berlin entfernt – anzuschauen . Was hier gemeinsam
mit Mitteln der Wirtschaft und des NABUs, aber auch
mit unseren Mitteln und mit Landesmitteln entsteht, ist
vorbildlich . Ich war besonders davon beeindruckt, mit
welch hoher Akzeptanz die Bevölkerung in diesem länd-
lichen Bereich mit diesem Projekt umgeht . Sie würde
gerne noch viel mehr machen, wenn mehr Mittel zur Ver-
fügung stünden .

Das ist ein gutes Beispiel, wie man mit dem Bereich
des Naturschutzes – es gibt ja oftmals ein Spannungs-
feld zwischen Naturschutz und Wirtschaft – gut umgehen
kann . Hier werden sowohl die Landwirtschaft als auch
die Wirtschaft und die Fischerei sehr gut integriert .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das Thema Stadtgrün ist schon angesprochen worden .
Ich konnte als Bürgermeister meiner kleinen Heimatstadt
mit 22 000 Einwohnern etwa 40 Millionen Euro aus der
Städtebauförderung einsetzen . Wir haben uns immer ge-
wünscht, dass es ein solches Programm gibt, mit dem
man nicht nur in Beton und Ähnliches investiert, son-
dern mit dem man auch Freiflächen gestalten und einen
Beitrag zur urbanen Biodiversität leisten kann . Deshalb
mein herzlicher Dank an die Haushälter der Koalitions-
fraktionen, die das wesentlich mit vorangetrieben haben .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir werden, wie schon angesprochen, im Rahmen
des Klimaschutzprogrammes die Biodiversität im Aus-
land unterstützen . Im nächsten Jahr werden dafür etwa
387 Millionen Euro zur Verfügung gestellt . Ich möchte
hier zwei Projekte benennen . Einmal handelt es sich um

das Projekt „Schutz und angepasste Nutzung winterkal-
ter Wüsten in Zentralasien“, zum anderen um das Projekt
„Biodiversität und Klimaschutz in der Mata Atlantica“
in Brasilien . Das sind wichtige Projekte . Man muss aber
auch wissen, dass nicht nur das Umweltministerium Geld
für derartige Entwicklungsprojekte zur Verfügung stellt,
sondern auch das BMZ .

Ich hätte mir ganz einfach gewünscht, dass es uns ge-
lungen wäre, gemeinsam mit der Vorsitzenden unseres
Umweltausschusses, Frau Höhn, sowie mit den Kolle-
gen, die mit in Südamerika waren, das Yasuní-Projekt in
Ecuador anzuschauen, das schließlich von Deutschland
finanziert wird. Ich finde, es ist schon ein Eklat, dass zum
zweiten Mal eine Delegation des Deutschen Bundestages
dort nicht einreisen durfte . Das erinnert mich so ein we-
nig an die Zeit vor 1989, wo man auch bestimmte Leute
nicht hat einreisen lassen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Die Mittel für das Bundesprogramm „Biologische
Vielfalt“ wurden – für mich überraschend – auf 20 Mil-
lionen Euro erhöht . Ich wäre ja schon mit den 18 Millio-
nen Euro zufrieden gewesen . Das ist natürlich eine ganz
tolle Sache . Die Mittel sollen ja noch weiter – auf 30 Mil-
lionen Euro im Jahr 2020 – erhöht werden . Damit können
wir wieder eine ganze Reihe von Projekten finanzieren.
Insgesamt sind 100 Projekte in allen Bundesländern – au-
ßer in Sachsen-Anhalt, Hamburg und Bremen – vorge-
sehen .

Ein Projekt im benachbarten Freistaat Sachsen – ich
spreche jetzt als Brandenburger – ist das Projekt „Le-
bendige Luppe“ im Bereich der Stadt Leipzig; bei einem
anderen Projekt geht es um den Sympathieträger Kiebitz
als Botschafter der Agrarlandschaft, den wir sicherlich
alle kennen . Schließlich möchte ich noch das „Projekt
Rotmilan – Land zum Leben!“ erwähnen; denn für den
Rotmilan trägt Deutschland eine ganz besondere Ver-
antwortung, weil Mitteleuropa nun einmal das Zentrum
seines Vorkommens ist . – Das sind nur 3 von mehr als
100 Projekten, die in Deutschland umgesetzt werden .

Diese Projekte könnten wir nicht umsetzen, wenn wir
nicht viele ehrenamtliche Naturschutzhelfer, viele Bür-
gerinnen und Bürger hätten, die sich dafür engagieren .
Diesen möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich dafür
danken, dass sie ihre Freizeit aufbringen, um das eine
oder andere vor Ort umzusetzen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg . Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Kollege Meiwald, Sie haben richtigerweise angespro-
chen, dass die Qualität und die Quantität der Biodiver-
sität nach wie vor abnehmen . Das ist sowohl im Bericht
des Umweltministeriums als auch im Bericht der Euro-
päischen Union deutlich geworden . Die Ursache dafür

Dr. Klaus-Peter Schulze






(A) (C)



(B) (D)


nur auf die Pflanzenschutzmittel und die Landwirtschaft
einzugrenzen, halte ich aber für zu kurz gesprungen .


(Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nur ein Beispiel!)


Die Landnutzung hat sich in den letzten 15 Jahren ver-
ändert, und es gibt die schon oft von mir angesprochene
Vermaisung der Landschaft, einen Grünlandumbruch im
Umfang von fast 800 000 Hektar und einen anderen Prä-
datorendruck; ich will hier nur einmal den Waschbären
nennen, auf den ich gleich vielleicht noch einmal zu spre-
chen komme, wenn es die Zeit hergibt . Das sind einige
von weiteren Faktoren, die man ganz einfach berücksich-
tigen muss . Man sollte nicht immer nur die Landwirt-
schaft als den Buhmann hinstellen . Hier spielen auch
andere Punkte eine Rolle .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich habe es geahnt, dass ich mit meiner Redezeit nicht
ganz hinkomme . Deshalb werde ich mich jetzt kurzfas-
sen und nur noch auf eine Sache zu sprechen kommen .

Wir haben in einem Entschließungsantrag eine ge-
meinsame Forderung erhoben . Dabei geht es um eine
entsprechende Stellenausstattung des Bundesamtes für
Naturschutz für die Umsetzung des Nagoya-Protokolls .
Dazu gibt es einen Antrag von Oktober 2015, der hier
auch behandelt wurde . Ich kann hier Folgendes feststel-
len: Durch die neuen Stellen, die das Bundesamt für Na-
turschutz bekommt – damit meine ich nicht nur die Stel-
len, die vom Ministerium ohnehin beschlossen worden
waren, sondern auch die, die durch die Haushaltsberei-
nigungssitzung zur Verfügung gestellt wurden –, können
sich fünf Mitarbeiter mit dem Thema „Nagoya-Proto-
koll“, drei Mitarbeiter mit dem Thema „Invasive Ar-
ten“ – dieses Thema werden wir hier demnächst auch
im Gesetzgebungsverfahren behandeln – und ein Mitar-
beiter mit dem Thema „Erneuerbare Energien auf See“
befassen .

Sie wissen ja, dass wir künftig die Flächen entspre-
chend vorbereiten und dann über Ausschreibungen
Offshorewindparks errichten wollen . Dazu werden die
entsprechenden fachlichen Voraussetzungen zu schaffen
sein, und ich bin mir nicht sicher, ob die eine dafür im
BfN vorgesehene Stelle ausreicht .


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch, Sie sind sich sicher!)


Sicherlich müssen wir hier im nächsten Haushaltsplan
nachsteuern .

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . Ich wün-
sche allen einen angenehmen Feierabend .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820116300

Ich schließe die Debatte .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor es in den Fei-
erabend geht, gibt es noch etwas zu tun . Wir stimmen
über den Einzelplan 16 – Bundesministerium für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit – in der
Ausschussfassung ab . Wer stimmt dafür? – Wer stimmt
dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist der Einzel-
plan 16 in der Ausschussfassung mit den Stimmen der
Koalition gegen die Stimmen der Opposition beschlos-
sen worden .

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung .

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf morgen, Mittwoch, den 23 . November 2016,
9 Uhr, ein .

Die Sitzung ist geschlossen, und jetzt dürfen Sie auch
Ihren Feierabend genießen .