Protokoll:
18051

insert_drive_file

Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 51

  • date_rangeDatum: 11. September 2014

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:02 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 20:34 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/51 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 51. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 11. September 2014 I n h a l t : Berufung von deutschen Mitgliedern des Eu- ropäischen Parlaments für die Teilnahme an den Sitzungen des Ausschusses für die Ange- legenheiten der Europäischen Union . . . . . . . 4659 A Wahl des Herrn Norbert Seitz als ordentli- ches Mitglied für den Stiftungsrat der Stif- tung Flucht, Vertreibung, Versöhnung . . . . 4659 B Wahl der Abgeordneten Katrin Werner als Schriftführerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4659 B Zusätzliche Ausschussüberweisung . . . . . . . . 4659 C Tagesordnungspunkt 1: (Fortsetzung) a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015) Drucksache 18/2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4659 C b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2014 bis 2018 Drucksache 18/2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4659 D Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4659 D Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 4662 D Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . . 4664 B Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 4665 A Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4667 D Niels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4669 C Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 4671 A Niels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4671 B Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 4671 D Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 4673 A Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4674 C Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4675 C Detlef Seif (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4676 C Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4677 D Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung und For- schung Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4679 D Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 4682 C Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . 4684 A Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4685 D Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 4687 A Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 4688 D Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4689 C Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 4690 C Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4692 C Dr. Wolfgang Stefinger (CDU/CSU) . . . . . . . 4694 A Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4695 C Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 51. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2014 Dr. Simone Raatz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4696 B Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 4697 D Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 4700 B Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 4700 B René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4700 D Anette Hübinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 4702 C Tagesordnungspunkt 2: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG, EURATOM) Nr. 354/83 im Hin- blick auf die Hinterlegung der histori- schen Archive der Organe beim Euro- päischen Hochschulinstitut in Florenz Drucksache 18/1779 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4704 A b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Straßenverkehrs- gesetzes und der Gewerbeordnung Drucksache 18/2134 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4704 B c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Umweltstatistik- gesetzes Drucksache 18/2135 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4704 B d) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Umsetzung der Richtlinie 2012/17/EU in Bezug auf die Verknüp- fung von Zentral-, Handels- und Gesell- schaftsregistern in der Europäischen Union Drucksache 18/2137 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4704 D e) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Übereinkommen der Verein- ten Nationen vom 31. Oktober 2003 gegen Korruption Drucksache 18/2138 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4704 C f) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Teilauflösung des Sondervermö- gens „Aufbauhilfe“ und zur Änderung der Aufbauhilfeverordnung Drucksache 18/2230 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4704 C g) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Sechs- ten Gesetzes zur Änderung des Verwal- tungs-Vollstreckungsgesetzes Drucksache 18/2337 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4704 C h) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Zwölf- ten Gesetzes zur Änderung des Bundes- Immissionsschutzgesetzes Drucksache 18/2442 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4704 C i) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Zwei- ten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens „Energie- und Klimafonds“ Drucksache 18/2443 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4704 D j) Antrag des Bundesministeriums der Finan- zen: Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2013 – Vorlage der Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2013 – Drucksache 18/1809 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4704 D k) Antrag des Bundesministeriums der Finan- zen: Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2013 – Vorlage der Haushaltsrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2013 – Drucksache 18/1930 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4705 A Tagesordnungspunkt 3: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses – zu dem Antrag des Bundesministe- riums der Finanzen: Entlastung der Bundesregierung für das Haushalts- jahr 2012 – Vorlage der Haushalts- rechnung des Bundes für das Haus- haltsjahr 2012 – – zu dem Antrag des Bundesministe- riums der Finanzen: Entlastung der Bundesregierung für das Haushalts- jahr 2012 – Vorlage der Vermögens- rechnung des Bundes für das Haus- haltsjahr 2012 – – zu der Unterrichtung durch den Bundes- rechnungshof: Bemerkungen des Bun- desrechnungshofes 2013 zur Haus- halts- und Wirtschaftsführung des Bundes (einschließlich der Feststel- lungen zur Jahresrechnung 2012) – zu der Unterrichtung durch den Bun- desrechnungshof: Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2013 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes – Weitere Prüfungser- gebnisse – Drucksachen 17/14009, 17/14010, 18/111, 18/305 Nr. 4, 18/1220, 18/1379 (neu) Nr. 1.7, 18/1971 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4705 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 51. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2014 III b) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 51. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2014 4789 (A) (C) (B) Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten (D) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 11.09.2014 Dr. Bartsch, Dietmar DIE LINKE 11.09.2014 Becker, Dirk SPD 11.09.2014 Beckmeyer, Uwe SPD 11.09.2014 Bleser, Peter CDU/CSU 11.09.2014 Buchholz, Christine DIE LINKE 11.09.2014 Connemann, Gitta CDU/CSU 11.09.2014 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 11.09.2014 Dinges-Dierig, Alexandra CDU/CSU 11.09.2014 Färber, Hermann CDU/CSU 11.09.2014 Ferner, Elke SPD 11.09.2014 Fischer (Karlsruhe- Land), Axel E. CDU/CSU 11.09.2014 Gabriel, Sigmar SPD 11.09.2014 Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11.09.2014 Heil (Peine), Hubertus SPD 11.09.2014 Hintze, Peter CDU/CSU 11.09.2014 Kretschmer, Michael CDU/CSU 11.09.2014 Dr. Krüger, Hans-Ulrich SPD 11.09.2014 Leutert, Michael DIE LINKE 11.09.2014 Dr. Nüßlein, Georg CDU/CSU 11.09.2014 Ostendorff, Friedrich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11.09.2014 Dr. Reimann, Carola SPD 11.09.2014 Sarrazin, Manuel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11.09.2014 Schlecht, Michael DIE LINKE 11.09.2014 Strässer, Christoph SPD 11.09.2014 Ulrich, Alexander DIE LINKE 11.09.2014 Weinberg, Harald DIE LINKE 11.09.2014 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 51. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1 Einbringung Haushaltsgesetz 2015 – Finanzplan des Bundes 2014 bis 2018 Epl 05 Auswärtiges Amt Epl 30 Bildung und Forschung TOP 2 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 3 Abschließende Beratungen ohne Aussprache Epl 11 Arbeit und Soziales Epl 10 Ernährung und Landwirtschaft Epl 17 Familie, Senioren, Frauen und Jugend Epl 16 Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Anlagen
Gesamtes Protokol Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1805100000

Rechnung des Bundesrechnungshofes
für das Haushaltsjahr 2013 – Einzel-
plan 20 –
Drucksachen 18/1560, 18/1972 . . . . . . . . 4705 C

Tagesordnungspunkt 1: (Fortsetzung)


Einzelplan 11

Bundesministerium für Arbeit und Sozia-
les
Andrea Nahles, Bundesministerin

BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4705 D

Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 4708 B

Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU) . . . . . . . 4709 A

Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4711 A

Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU) . . . . . . . 4711 C


(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Stephan Stracke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 4713 A

Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 4714 D

Stephan Stracke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 4716 A

Ewald Schurer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4716 B

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . 4718 A


Mark Helfrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 4719 B

Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE
LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4721 A

Ralf Kapschack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4722 B

Gabriele Schmidt (Ühlingen) (CDU/CSU) . . 4723 C


(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Einzelplan 10

Bundesministerium für Ernährung und
Landwirtschaft
Christian Schmidt, Bundesminister

BMEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4726 A

Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 4727 D

Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . 4729 A


(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Johannes Röring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 4731 D

Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 4733 D

Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . 4734 D

(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Kees de Vries (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 4736 B

Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU) . . . 4737 A

Marlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 4738 A

Christina Jantz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4739 D

Katharina Landgraf (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 4741 A


(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Jeannine Pflugradt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 4742 D

Cajus Caesar (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 4743 D

Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4745 A

Einzelplan 17

Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend

Manuela Schwesig, Bundesministerin
BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4746 C


(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Manuela Schwesig, Bundesministerin
BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4748 D

Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 4749 B

Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU) . . . . 4750 D


(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . 4754 C


(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4757 B

Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4758 A


(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sylvia Pantel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 4760 D

Susann Rüthrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4762 C

Astrid Timmermann-Fechter (CDU/CSU) . . . 4763 D

Ulrike Gottschalck (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 4765 B

Alois Rainer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 4766 C

Einzelplan 16

Bundesministerium für Umwelt, Natur-
schutz, Bau und Reaktorsicherheit

Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin
BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4767 D

Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 4769 C

IV

Christian Haase (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 4770 D


(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Steffen-Claudio Lemme (SPD) . . . . . . . . . . . 4773 D

Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 4776 A

Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU) . . . . . . . . . 4777 A

Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4778 C

Ulrich Hampel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4780 B

Florian Pronold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4781 C
Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 4782 A

Kai Wegner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 4782 B

Karsten Möring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 4784 A

Dr. André Berghegger (CDU/CSU) . . . . . . . . 4785 B

Christian Hirte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 4787 A

Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4788 D

Anlage
Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 4789 A






(A) (C)



(D)(B)


51. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 11. September 2014

Beginn: 9.02 Uhr

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1805100100

Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
habe vor Wiederaufnahme der Haushaltsberatungen Be-
rufungen und zwei Wahlen durchzuführen.

Zunächst sind gemäß § 93 b Absatz 8 unserer Ge-
schäftsordnung auf Vorschlag der Fraktionen deutsche
Mitglieder des Europäischen Parlaments zu berufen, die
an den Sitzungen des Ausschusses für die Angelegenhei-
ten der Europäischen Union teilnehmen können und da-
bei unter anderem befugt sind, Auskünfte zu erteilen und
Stellungnahmen abzugeben. Ihre Anzahl und Verteilung
müssen nach den Wahlen zum Europaparlament oder
zum Deutschen Bundestag jeweils neu festgelegt wer-
den. Da kürzlich Wahlen zum Europaparlament stattge-
funden haben, haben wir dies also neu zu klären.

Die Fraktionen haben sich nach der im Mai stattge-
fundenen Wahl zum Europäischen Parlament auf insge-
samt 15 mitwirkungsberechtigte Mitglieder verständigt.
Nach dem Wahlergebnis entfallen auf die CDU/CSU sie-
ben Mitglieder, auf die SPD fünf Mitglieder, auf Bünd-
nis 90/Die Grünen zwei Mitglieder und auf Die Linke
ein Mitglied. Sind Sie damit einverstanden? – Das
scheint der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Vor Eintritt in die Tagesordnung haben wir zwei Wah-
len durchzuführen. Die Beauftragte der Bundesregierung
für Kultur und Medien schlägt vor, für den Stiftungsrat der
Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung als Vertreter
des Bundesministeriums des Innern Herrn Norbert Seitz
als Nachfolger für die ausgeschiedene Frau Gabriele
Hauser als ordentliches Mitglied zu berufen. Darf ich
auch dafür Ihr Einverständnis feststellen? – Das ist der
Fall. Damit ist Herr Seitz als ordentliches Mitglied in
den Stiftungsrat gewählt.

Schließlich schlägt die Fraktion Die Linke vor, die
Kollegin Katrin Werner für die Kollegin Kathrin
Vogler als neue Schriftführerin zu wählen. – Auch dazu
gibt es offensichtlich Einvernehmen. Dann ist die Kolle-
gin Katrin Werner als neue Schriftführerin gewählt.
Interfraktionell ist vereinbart worden, den Antrag der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf der Drucksa-
che 18/1973 mit dem Titel „Moderne Netze für ein mo-
dernes Land – Schnelles Internet für alle“ an den Aus-
schuss für Tourismus zur Mitberatung zu überweisen. –
Auch dazu besteht offenkundig Einvernehmen.

Nach der Klärung dieser aufgerufenen Sachverhalte
können wir nun die Haushaltsberatungen – Tagesord-
nungspunkt 1 – fortsetzen:

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015)


Drucksache 18/2000
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsauschuss

b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Finanzplan des Bundes 2014 bis 2018

Drucksache 18/2001
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsauschuss

Am Dienstag haben wir für die heutige Aussprache
eine Redezeit von insgesamt neuneinhalb Stunden be-
schlossen.

Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Aus-
wärtigen Amts, Einzelplan 05. Ich erteile das Wort
dem Bundesminister des Auswärtigen, Frank-Walter
Steinmeier.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am
liebsten hätte ich Sie nach einer langen Sommerpause
jetzt fröhlich wieder zurück in Berlin begrüßt. Aber ers-
tens war die Sommerpause, wenn man sie so nennen
darf, kürzer als vorgesehen – wir haben uns schon in der
vergangenen Woche hier im Deutschen Bundestag zu ei-





Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier


(A) (C)



(D)(B)

ner Sondersitzung einfinden müssen –, und zweitens
konnte in diesem Sommer von einer Pause in der Politik
keine Rede sein.

Tägliche Zuspitzungen in den Krisen- und Konfliktre-
gionen von der Ukraine über den Nahen und Mittleren
Osten bis nach Afrika, Bilder von Gewalt, Vertreibung
und Opfern jeden Abend, auch in den deutschen Wohn-
zimmern. Die Welt ist aus den Fugen geraten. Das ist der
Eindruck, den die ganz normalen Leute in Deutschland
haben, und es ist für die außenpolitischen Profis nicht
ganz einfach, diesen Eindruck wirklich nachhaltig zu wi-
derlegen.

Aus den Fugen geraten ist die Welt aber nicht nur weit
draußen in der arabischen Welt oder in Afrika. Auch in
Europa müssen wir mühsam – und ich gebe zu: mit eini-
gem Erschrecken – lernen, dass der Frieden offenbar
nicht mit einer Ewigkeitsgarantie ausgestattet ist. Das ist
nicht nur der Befund von außenpolitischen Spezialisten.
Ganz im Gegenteil – ich vermute, Sie erhalten da ganz
ähnliche Post wie ich –; ältere Menschen fragen: Kehrt
der Krieg zurück nach Europa? Jüngere Menschen fra-
gen: Ist es vorbei mit der offenen und friedlichen Welt,
in der wir bisher aufgewachsen sind? – Ich finde, beide
Fragen sind berechtigt. Ich verstehe sie. Am liebsten
würde man als deutscher Außenminister auf beide Fra-
gen mit einem entschiedenen Nein antworten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Willy Brandt hat
gesagt: „Nichts kommt von selbst. Und nur wenig ist
von Dauer.“ Dies sagte er in Bezug auf den Frieden und
meinte damit genau das. Wir müssen uns jetzt mehr als
vor fünf, zehn oder fünfzehn Jahren darum kümmern.
Wir als Bundesregierung versprechen: Wir werden alles
dafür tun, dass die europäische Friedensordnung, an der
Generationen von Politikern seit Helsinki gearbeitet ha-
ben und die uns jahrzehntelang eine friedliche Entwick-
lung in Europa gewährt hat, bleibt und dass sie trotz des
Ukraine-Konflikts nicht dauerhaft infrage gestellt wird.

Den heißen Krieg – so hat es im Augenblick den An-
schein – haben wir vielleicht vermieden. Aber wir wol-
len eben auch nicht zurück in die Jahrzehnte des Kalten
Krieges, der alles lähmt und in dem die Gefahr der tägli-
chen Eskalation zum Alltag gehört. Wie das ist, weiß
niemand besser als die Deutschen, die diesseits und jen-
seits des Eisernen Vorhangs sozusagen an den Front-
linien der Militärblöcke gelebt haben. Wir wollen keinen
Kalten Krieg, und wir wollen erst recht keinen heißen
Krieg. Wir wollen die europäische Friedensordnung er-
halten.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Weil das so ist und weil vieles nicht mehr so sicher
scheint wie in den letzten Jahrzehnten, schauen wir mit
so großer Sorge auf den Ukraine-Konflikt. Ich glaube,
keiner verurteilt den völkerrechtswidrigen Angriff Russ-
lands auf die Krim und das Verhalten Russlands in der
Ostukraine deutlicher als wir. Es kann nicht sein, liebe
Kolleginnen und Kollegen, dass wir sieben Jahrzehnte
nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa wieder da-
rangehen, Grenzen zu korrigieren. Das darf nicht sein.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es darf auch nicht sein, dass wir 25 Jahre nach der deut-
schen und, wie wir immer gesagt und gehofft haben,
auch der europäischen Wiedervereinigung eine neue
Spaltung in diesem Europa vorbereiten. Das eine ist ein
eklatanter Bruch des Völkerrechts, und das andere ist ein
Rückfall in die Zeit, die wir eigentlich hinter uns hatten.
Beides dürfen wir nicht dulden.

Gleichzeitig und etwas leiser warne ich aber auch vor
kurzsichtigen und gefährlichen Vergleichen. Ja, der
Ukraine-Konflikt ist die gefährlichste Krise in Europa
seit Jahrzehnten. Ja, es ist zwischen Europa und Russ-
land nichts mehr so, wie es in den letzten Jahren war. Ja,
es ist wahr: Die territoriale Integrität eines europäischen
Staates ist angetastet, und es gibt keinen Grund, das
kleinzureden. Ich sehe das alles ganz genauso.

Was mir nicht gefällt – in aller Offenheit – in dieser
Debatte der letzten Wochen und Monate, ist die Selbst-
bezichtigung mancher Europäer unserer Politik als
Appeasement und der schnelle Bezug auf München
1938. Einmal ganz abgesehen davon, dass jedenfalls ich
die historischen Situationen für völlig unvergleichbar
halte, begreife ich nicht – das ist mir im Augenblick so-
gar das Wichtigere –, warum sich Europäer in einer sol-
chen Situation so klein machen. Die Europäer haben sich
in diesem Ukraine-Konflikt gerade nicht enthalten und
still geduldet, was passiert. Die Verurteilung der
Annexion als Verstoß gegen das Völkerrecht war eindeu-
tig. Europäische Union und NATO haben sofort reagiert.
Niemand hat gesagt: Alles kann so weitergehen. Alle ha-
ben gesagt: Wir sind jetzt in einem Zustand, in dem busi-
ness as usual nicht mehr infrage kommt. – Wir waren die
Ersten, die zu Reisen ins Baltikum oder zu den Visegrad-
Staaten aufgebrochen sind und den Menschen dort ge-
sagt haben: Wir verstehen, dass ihr euch besonders be-
droht fühlt angesichts dessen, was in der Ukraine pas-
siert, und wir versichern euch: Die Solidarität der NATO
steht euch zur Verfügung; Artikel 5 gilt für euch. – Wir
haben es nicht nur gesagt, sondern haben uns von vorn-
herein und ohne Zögern als Erste in Europa an Reassu-
rance-Maßnahmen beteiligt, was die Luft- und Seeüber-
wachung insbesondere in den baltischen Staaten angeht.
Wir haben dann, wenn es nötig war, den politischen
Druck erhöht, und wir haben, insbesondere nach dem
Abschuss der MH17 mit mehr als 300 Toten, auch nicht
gezögert, Maßnahmen zu ergreifen, um den ökonomi-
schen Druck auf Russland zu erhöhen. Meine Damen
und Herren, ich sage das und rufe uns in Erinnerung:
Das ist alles andere als Appeasement. Deshalb halte ich
den Selbstvorwurf von Appeasement für so gefährlich.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wer Lehren aus der Geschichte ziehen will – das soll-
ten wir gelegentlich tun –, der kann sicher sein, dass das





Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier


(A) (C)



(D)(B)

dunkle 20. Jahrhundert leider viel Lehrstoff für uns
Deutsche bereithält. Ich rate dazu, dass wir uns in Debat-
ten wie diesen nicht nur auf 1938 beziehen, sondern uns
auch versichern, dass das Gedenkjahr 1914 Lehren für
uns bereithält, Lehren, die zu vergessen uns Deutschen
nicht erlaubt ist.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Insofern sage ich noch einmal: Militärische Versiche-
rung, politischer Druck, ökonomischer Druck – das alles
war richtig, das war notwendig, und ich stehe zu jedem
Element. Aber als deutscher Außenminister sage ich mit
Blick auf den Sommer 1914 auch: Abbruch, Abschot-
tung, Gesprächslosigkeit und der Ausfall von Außen-
politik haben damals einen noch kleinen, regionalen
Konflikt befeuert, der sich in Krieg entladen hat. Des-
halb sage ich: Dieser Vorwurf, auf das Unterlassen von
Möglichkeiten verzichtet zu haben, auf letzte Möglich-
keiten, die vielleicht das Schlimmere hätten verhindern
können, darf uns in der deutschen Geschichte nicht noch
einmal gemacht werden. Beides gehört zusammen: der
politische und der ökonomische Druck, wo er notwendig
ist, aber auch das Offenhalten von Gesprächskanälen
und die Rückführung in Verhandlungssituationen.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Deshalb besteht unsere Politik in diesem Ukraine-
Konflikt – ein wirklich gefährlicher Konflikt; ich sage es
noch einmal – immer aus diesen drei Elementen: erstens
Druck auf Russland, zweitens Schutz derer, die sich be-
droht fühlen, und drittens – die Kanzlerin hat es gestern
von diesem Podium aus auch noch einmal gesagt –, weil
wir doch wissen, dass die militärische Lösung am Ende
nicht zur Verfügung steht und von niemandem gewollt
wird, immer auch die Suche nach politischen Möglich-
keiten zur Entschärfung des Konflikts.

Es gibt keine Garantie dafür, dass das gelingt; das
wissen Sie alle. Man muss, wenn man nach solchen
Möglichkeiten sucht, auch Rückschläge, Niederlagen
und Enttäuschungen einkalkulieren. Aber es ging jeden-
falls uns in einer Phase zerstörten Vertrauens, in der wir
ganz offenbar sind – und zwar nicht nur zwischen Russ-
land und der Ukraine, sondern auch zwischen Russland
und Europa –, um nichts anderes als darum, die Ge-
sprächsfäden nicht vollständig abreißen zu lassen und
vor allen Dingen das direkte Gespräch zwischen Kiew
und Moskau auf unterschiedliche Art und Weise zu be-
fördern.

Dazu gehörte unser Vorschlag, die OSZE ins Spiel zu
bringen. Dazu gehörte unser Vorschlag, das Genfer Tref-
fen zustande zu bringen. Auch die Einrichtung der Kon-
taktgruppe und die Gespräche, die wir mit dem ukraini-
schen und dem russischen Außenminister in Berlin
geführt haben, gehörten dazu – genauso wie zahllose Te-
lefongespräche der Bundeskanzlerin und von mir. Und
dazu gehörte letztlich auch unser Verhalten auf dem
NATO-Gipfel, auf dem wir gesagt haben: Ja, wir müssen
reagieren, auch mit verstärkten Schutzmaßnahmen der
NATO; aber wir wollen sozusagen auch nicht völlig mit
dem brechen, was wir uns in der Vergangenheit einge-
richtet haben. – Deshalb war es unser Votum, die NATO-
Russland-Grundakte zu erhalten.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Darum sage ich: Nein, wir haben noch keine politi-
sche Lösung, und es gibt auch noch keine Sicherheit für
die Zukunft der Ostukraine. Aber ich bin auch davon
überzeugt – das ist ein bisschen die Erfahrung aus vielen
Jahren –: In Mündungsfeuern von Gewehren entstehen
keine politischen Lösungen. Deshalb sollten wir auch
nicht kleinreden, was inzwischen nach den direkten Ge-
sprächen zwischen Präsident Poroschenko und Putin in
Minsk – damals holprig und nicht belastbar, aber jetzt
immerhin verkörpert in einem Zwölf-Punkte-Plan – ein-
getreten ist: Es ist immerhin gelungen, dass der Waffen-
stillstand einigermaßen gewahrt wird. Damit besteht die
Möglichkeit – und dieser Zustand ist hoffentlich nicht
nur eine Atempause –, zu politischen Verabredungen zu
kommen, die für die Zukunft tragen. Bei einem solchen
scharfen Konflikt mit einer solchen Gefährlichkeit für
ganz Europa ist das unheimlich viel, was erreicht wor-
den ist. Das sollten wir nicht kleinreden.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Für uns ist das Ganze damit aber nicht zu Ende. Wir
wenden uns jetzt nicht ab und sagen: Das mögen die
jetzt unter sich ausmachen. – Natürlich werden wir da-
rauf achten – und wir werden auch mit unseren Möglich-
keiten dazu beitragen –, dass ein paar Dinge gewährleis-
tet bleiben mit Blick auf die Verabredungen, die jetzt
getroffen und hoffentlich umgesetzt werden. Die Einheit
der Ukraine steht dabei ganz vorne. Dazu gehört auch,
dass überall in dem Gebiet der Ukraine Parlamentswah-
len stattfinden können. Dazu gehört, dass ein nationaler
Dialog stattfindet und dass wir – nicht nur Deutschland,
sondern der gesamte Westen – zu den Versprechungen
stehen, die wir gemacht haben. Wir müssen auch zur
Verfügung stehen, um der Ukraine ökonomisch wieder
auf die Beine zu helfen – und das gepaart mit einer Ver-
fassungsreform in der Ukraine, in der Dezentralisierung
und der Schutz von Minderheiten am Ende tatsächlich
verkörpert werden.

Meine Damen und Herren, das haben wir getan, und
dafür treten wir weiter ein. Ich halte das für richtige, gute
deutsche Außenpolitik.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will zum Thema Irak gar nicht mehr so viel sagen;
Frau Göring-Eckardt ist heute auch nicht hier. Aber ich
habe mich gestern sehr über ihren Beitrag geärgert, der
vermittelt hat, ich oder ein anderes Mitglied der Bundes-
regierung hätten zum Ausdruck gebracht, dass ein paar
Waffen für die Sicherheitskräfte der Kurden das Problem
ISIS auf irgendeine Weise lösen könnten. Ich weiß gar





Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier


(A) (C)



(D)(B)

nicht, wie viele Interviews ich noch geben soll. Ich sage
doch in jedem Interview: Natürlich hängt die Zukunft
des Mittleren Ostens nicht an den Gewehren und den
MGs für die Peschmerga – natürlich nicht.

Ich habe es – ich glaube, auch hier – schon gesagt: Zu
rechtfertigen ist doch diese schwierige Entscheidung, die
wir uns abverlangt haben, überhaupt nur dann – ich sage
es noch einmal auch in Richtung von Frau Göring-
Eckardt –, wenn das, was wir jetzt mit der Ausrüstung
der kurdischen Streitkräfte tun, in eine politische Strate-
gie eingebettet ist.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die gibt es ja nicht!)


Dazu gehört erstens eine Innenpolitik im Irak, die
endlich mit den Fehlern der Vergangenheit aufräumt und
die bisher ausgegrenzten Religionen und Regionen ein-
bezieht. Ich glaube, al-Abadi hat mit der Aufstellung des
Kabinetts gezeigt, dass er genau das will.

Dazu gehört zweitens, dass man den ISIS entkernt
und ihm die Unterstützung von sunnitischen Clans ent-
zieht, indem man diese in die irakische Innenpolitik zu-
rückholt.

Dazu gehört drittens – das ist die politische Strategie –,
dass wir mit den arabischen Nachbarn ins Gespräch
kommen und einen Zustand hinbekommen, dass sie sich
nicht in ihren gegenseitigen Interessenkonflikten rund
um den Arabischen Golf verlieren, sondern erkennen,
dass es ein minimales eigenes Interesse aller arabischen
Staaten gibt: Das ist das Vorgehen gegen radikalisierte
und terroristische islamistische Gruppierungen wie ISIS
und andere. Dahin zu kommen, das ist Teil einer politi-
schen Strategie.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir und ich müssen deshalb nicht überzeugt werden,
dass allein eine militärische Strategie das Thema ISIS
oder radikalislamistische Gruppen nicht aus der Welt
schafft, sondern wir brauchen natürlich eine politische
Strategie. Das ist übrigens auch Teil der Rede gewesen,
die Obama vergangene Nacht gehalten hat.

Wir werden bereits am Montag ein erstes Gespräch
auf Einladung der Franzosen in Paris führen. Ich selbst
habe zu einem G-7-Treffen der Außenminister in der Sit-
zungswoche der VN-Generalversammlung übernächste
Woche eingeladen, bei dem wir genau diese politische
Strategie mit den arabischen Staaten miteinander disku-
tieren werden. Ich versichere Ihnen: Niemand ist so naiv,
zu glauben, dass ein paar Gewehre für die Peschmerga
das Problem ISIS aus der Welt bringen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir reden aber auch über humanitäre Hilfe. Herr
Kauder und auch viele andere haben das gestern getan.
Natürlich müssen wir – das habe ich auch Herrn Kauder
eben gesagt – immer wieder nachsteuern. Angesichts der
Vielzahl der Flüchtlinge und der aufwachsenden Flücht-
lingslager müssen wir immer wieder hinschauen, ob die
Verteilung einigermaßen ordentlich zustande kommt.
Dafür werden wir Sorge tragen.

Aber wir brauchen dafür auch die notwendigen Res-
sourcen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Deshalb bitte ich, Verständnis dafür zu haben, wenn wir
im Laufe der Haushaltsgespräche noch einmal darauf zu-
rückkommen und uns gegenseitig versichern, dass wir,
wenn wir humanitäre Hilfe nicht nur versprechen, son-
dern sie tatsächlich vor Ort in diesen Regionen auch leis-
ten wollen, dies mit den gegenwärtigen Ansätzen im
Haushalt nicht hinbekommen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Eine letzte Bemerkung. Die Vereinten Nationen habe
ich schon angesprochen. Ich habe dem russischen Kolle-
gen gesagt: Die Lösung des Ukraine-Konfliktes ist auch
deshalb so wichtig – damit hatte der Kollege Gysi ges-
tern nicht ganz unrecht –,


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Na also!)


weil der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen blockiert
ist, solange der Konflikt anhält. Wir brauchen eine De-
blockierung des Sicherheitsrates, damit wir uns den grö-
ßeren Konflikten dieser Welt zuwenden können.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Insofern hängen die Dinge, obwohl sie geografisch so
weit voneinander entfernt sind, im Inneren zusammen.

Es ist eine schwierige Aufgabe, die vor uns liegt.
Aber ich glaube, die mühsamen Fortschritte, die wir im
Gaza-Konflikt erreicht haben und vielleicht im Moment
im Ukraine-Konflikt erreichen, zeigen, dass Außenpoli-
tik Folgen hat. Ich hoffe, wir können positive Folgen zei-
gen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1805100200

Das Wort erhält nun der Kollege Wolfgang Gehrcke

für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805100300

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Verehrte Kolle-

ginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Außenminis-
ter! Wenn es wirklich das Ziel dieser Bundesregierung
ist, alles dafür zu tun, dass der Friede in Europa erhalten
bleibt oder – so würde ich es formulieren – wiederherge-
stellt wird und dass es in Europa nicht zu einer erneuten





Wolfgang Gehrcke


(A) (C)



(D)(B)

tiefgehenden Spaltung kommt, dann will ich erst einmal
festhalten: Die Fraktion Die Linke und die Bundesregie-
rung haben in dieser Zielgebung einen gemeinsamen
Standpunkt. Das ist nicht wenig; das möchte ich unter-
streichen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich habe immer gehofft, dass die Generation meiner
Tochter und die meines Enkelkindes ohne die Gefahr ei-
nes Krieges zumindest in Europa und hoffentlich auch
ohne die Gefahr von Kriegen in der Welt aufwachsen.
Das war meine feste Überzeugung. Ich war immer ein
Freund der Friedensdividende, die eingebracht werden
sollte. Ich finde es entsetzlich, dass wir die Sicherheit,
dass Generationen nicht mehr mit der Angst vor Kriegen
aufwachsen müssen, heute nicht mehr geben können,
weil wir sie nicht mehr haben. Das heißt, es muss einen
grundsätzlichen Wechsel in der Politik geben.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Vor allem der Russen!)


Darüber möchte ich reden.

Ist der Außenminister noch anwesend? – Ja, aber er
hört nicht zu. Es könnte Ihnen nicht schaden, einmal zu-
zuhören.

Nun sage ich etwas, was ich eigentlich gar nicht sagen
wollte, Herr Außenminister. Sie wissen, dass ich Sie als
Person schätze und trotzdem tiefe Differenzen in Bezug
auf Ihren außenpolitischen Kurs bestehen. Vielleicht ist
es möglich, dass Sie einmal eine Kritik der Fraktion Die
Linke positiv aufnehmen und überprüfen, ob sie berech-
tigt ist und ob es nicht doch der deutschen Außenpolitik
zum Vorteil gereichen könnte, hin und wieder auf eine
solche Kritik zu hören. Das möchte ich Ihnen quasi als
Ausgangslage zumindest anbieten.

Nun müssen wir über Differenzen reden. Wenn wir
uns über das Ziel einig sind, heißt das noch nicht, dass
wir uns über den Weg dorthin einig sein müssen. Ich will
ein paar Differenzen ansprechen. Vor knapp einem Jahr
waren Sie es, der auf der Münchner Sicherheitskonfe-
renz gesagt hat, dass er die Weltpolitik nicht von der Au-
ßenlinie betrachten wolle. Ich habe das immer für falsch
gehalten. Die geschichtlichen Erfahrungen, zumindest
wie ich sie aufgearbeitet habe, bedeuten: Wenn Deutsch-
land Anspruch als Großmacht oder als Mittelmacht erho-
ben hat, war es immer schlecht für Deutschland und für
die Welt. Ich möchte, dass wir zu einer Politik der Zu-
rückhaltung, insbesondere einer Politik der militärischen
und der ökonomischen Zurückhaltung, zurückkehren.


(Thomas Oppermann [SPD]: Und Blockfreiheit!)


Deutschland muss nicht Großmacht spielen.


(Thomas Oppermann [SPD]: Auch Blockfreiheit, Herr Gehrcke?)


– Da Sie es zurufen: auch Blockfreiheit! Es gehörte ein-
mal zum Kurs der Sozialdemokratie, für Blockfreiheit
und für dieses Land zu kämpfen. Das war nicht das
Schlechteste für Ihre Partei.

(Thomas Oppermann [SPD]: Das ist aber eine kurze Periode gewesen!)


Ich bin für Blockfreiheit und ein Gegner der NATO. Ich
möchte gern, dass die NATO aufgelöst und durch ein
kollektives Sicherheitssystem in Europa ersetzt wird. Ich
glaube, das wäre eine vernünftige Politik. Ich finde es
schon spannend, zu hören, dass die SPD uns vorhält,
dass wir für Blockfreiheit sind. Lesen Sie einmal die Ge-
schichte Ihrer Partei nach! Daraus können Sie etwas ler-
nen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich bin dagegen, dass Deutschland Anspruch auf
Großmachtpolitik erhebt.


(Thomas Oppermann [SPD]: Den erhebt doch keiner! Popanz!)


Sie haben das mit Frau von der Leyen in München vo-
rangetrieben. Ich habe den Artikel über Frau von der
Leyen im Stern mit dem Titel „Die Kriegsministerin“
sehr genau gelesen. Ich bin außerdem sehr unglücklich
über die Reden des Bundespräsidenten. Ich akzeptiere
sie überhaupt nicht. Ich habe eine gewisse Sehnsucht
nach einem sozialdemokratischen Bundespräsidenten,
den wir einmal hatten, Gustav Heinemann, der auf die
Frage, ob er sein Vaterland liebt, geantwortet hat, dass er
seine Frau liebt. Das war eine anständige Position und
hatte nichts mit der aggressiven Art und Weise der Poli-
tik zu tun, wie sie heute betrieben wird.

Ich möchte der Bundesregierung vorhalten, dass seit
der Vereinigung das Verhältnis Deutschlands und der EU
zu Russland noch nie so schlecht war wie heute. Ich will
hier darauf hinweisen, dass daran die EU und auch die
Bundesregierung erheblichen Anteil haben. Sie müssen
mir einmal Folgendes erklären: Sie halten hier eine Frie-
densrede – ich unterstütze Sie darin –, und am gleichen
Tag soll über neue Sanktionen gegen Russland entschie-
den werden.

Wäre es nach den ersten Schritten in der Ukraine
– der Waffenstillstand ist dünn und brüchig; ich habe ihn
immer verteidigt – jetzt nicht vernünftig, zu sagen:
„Schluss mit Sanktionen, wir treten in neue Gespräche
mit Russland ein“? Sie wissen ganz genau, dass die ein-
seitige Unterstützung für Kiew eben noch keine europäi-
sche Sicherheitspolitik ausmacht und dass hier viel zu
verändern ist. Wir werden kein Problem in Europa und
weltweit ohne die Zusammenarbeit mit Russland lösen.

Ich möchte an die Bundesregierung appellieren: Ma-
chen Sie uns Russland und die Russen nicht zu Feinden!
Linke Außenpolitik will Sicherheit in Europa durch eine
Politik mit und nicht gegen Russland, und das muss je-
den Tag neu erarbeitet werden.

Ich mache Ihnen einen konkreten Vorschlag: Im nächs-
ten Jahr werden wir den 70. Jahrestag der Befreiung vom
Faschismus begehen. Diese Befreiung war ein weltweites
Ereignis. Es war Bundespräsident von Weizsäcker, der
die Zusammenhänge in einer historischen Rede vom
Kopf auf die Füße gestellt hat, indem er das Ende des
Zweiten Weltkrieges nicht als Niederlage, sondern als
Befreiung Deutschlands bezeichnet hat. Wäre es nicht





Wolfgang Gehrcke


(A) (C)



(D)(B)

eine Chance, wenn Deutschland und Russland 2015 zum
70. Jahrestag der Befreiung gemeinsam Schlussfolge-
rungen aus der gemeinsamen Geschichte zögen und wir
aus der Situation eines Kalten Krieges wieder hinauskä-
men? Ich denke, wir sollten diese Chance aufgreifen.

Aufgreifen sollten wir auch die Chance, in der
Ukraine eine andere Politik zu machen. Herr Außen-
minister, ich habe nie verstanden, warum Sie sich mit
dem „Rechten Sektor“ an einen Tisch setzen mussten.
Ein deutscher Außenminister hat nicht mit Faschisten zu
reden.


(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe das, was da passiert ist, für falsch gehalten.


(Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Unglaublich! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist ja nicht zutreffend! Wie kann man nur so blind auf einem Auge sein!)


Ein deutscher Außenminister sollte völlig klar und deut-
lich sagen, dass die sogenannten Freiwilligenbataillone,
die in der Ukraine kämpfen, eine Ansammlung von
nazistischen Banden sind, mit denen man nichts zu tun
haben will. Ein deutscher Außenminister sollte auf die
ukrainische Regierung einwirken, ihrerseits den brüchi-
gen Waffenstillstand nicht auch noch zu gefährden. Ich
glaube, dass man vernünftige Schritte gehen kann und
dass genügend Vorschläge dafür auf dem Tisch liegen,
übrigens auch aus Russland.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Wäre es nicht sinnvoll – ich sage das auch an die

deutschen Medien gewandt –, mit der Verteufelung rus-
sischer Politik aufzuhören und wieder eine rationale
Politik zu betreiben?


(Beifall bei der LINKEN)

Das kann den Frieden in Europa sichern. Wir wollen den
Frieden in Europa. Mein Angebot an Sie: Wenn es um
Frieden geht, finden Sie in der Linken Unterstützung.
Aber Sie werden auch die Kritik an der Politik der Bun-
desregierung ertragen müssen. Lernen Sie daraus! Das
wäre ganz vernünftig.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1805100400

Nächster Redner ist der Kollege Andreas

Schockenhoff für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Andreas Schockenhoff (CDU):
Rede ID: ID1805100500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Deutschland stellt sich seiner internationalen Ver-
antwortung. … Deutschland setzt sich weltweit für
Frieden, Freiheit und Sicherheit … ein.
Wir stehen bereit, wenn von unserem Land Beiträge
zur Lösung von Krisen und Konflikten erwartet
werden.

So steht es im Koalitionsvertrag.
Meine Damen und Herren, Deutschlands Außenpoli-
tik ist geleitet von einer Kultur der Verantwortung.
Deutschland spielt eine zentrale Rolle bei den Bemühun-
gen, einen friedlichen Ausweg aus dem von Präsident
Putin verursachten militärischen Konflikt in der Ukraine
zu finden. Zudem geht es darum, die in über 40 Jahren
aufgebaute europäische Friedensordnung zu erhalten
und wieder zu stärken, die Russland durch sein völker-
rechtswidriges Handeln in der Ukraine infrage stellt.

Im Irak und in Syrien will sich ein Terrorstaat festi-
gen, der für Europas Sicherheit eine neue Dimension der
Bedrohung ist. Deutschland hilft humanitär und durch
Waffenlieferungen, um dem IS-Terror Einhalt zu gebie-
ten. Deutschland übernimmt auch Verantwortung bei der
Suche nach einer politischen Lösung für den Nahost-
konflikt. Für eine dauerhafte Beilegung des Gaza-Kon-
fliktes hat Deutschland eine Beteiligung an einer mögli-
chen Mission an der Grenze zu Ägypten angeboten.
Außerdem – angesichts dieser Krisen schon fast wieder
in Vergessenheit geraten – leistet Deutschland in ver-
schiedenen Ländern Afrikas Ausbildungshilfe, damit
Mali, die Zentralafrikanische Republik und Somalia sel-
ber für ihre Sicherheit und Stabilität sorgen können.

Es ist absehbar: Die Herausforderungen für unsere Si-
cherheit angesichts einer unsicheren Nachbarschaft im
Osten, im Südosten und im Süden werden weiter wach-
sen und uns vor neue und weitere Aufgaben stellen. Eine
Kultur des Heraushaltens können wir uns nicht leisten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind froh, dass
der jüngste Waffenstillstand in der Ukraine wenigstens
bisher weitgehend hält. Aber wir sehen auch, dass der
Weg zu einer Friedensvereinbarung noch sehr weit und
sehr schwierig ist. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion
dankt – das hat der Fraktionsvorsitzende gestern getan;
ich will es heute noch einmal tun – insbesondere der
Bundeskanzlerin und dem Außenminister, dass sie uner-
müdlich an einer diplomatischen Lösung arbeiten und
auch jetzt alles tun, damit der Friedensplan Realität wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Aber wir wissen aus der Vergangenheit auch, dass ge-
troffene Vereinbarungen von den Separatisten und von
Russland nicht eingehalten wurden. Deswegen muss
weiter Druck ausgeübt werden. Sosehr wir uns wün-
schen, dass Russland seinen Beitrag zur Befriedung leis-
tet, so sehr ist noch Skepsis angebracht; denn Russland
hat mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim
grundlegende Vereinbarungen des friedlichen Zusam-
menlebens in Europa verletzt: die UN-Charta, die
OSZE-Charta, die Charta des Europarates, das EU-Russ-
land-Abkommen und die NATO-Russland-Akte.

Mehr noch: Die offene militärische Intervention
Russlands in der Ukraine ist ein kriegerischer Akt gegen
einen souveränen Staat in Europa. Russland hat Krieg
nach Europa getragen. Wir wissen aus in Luhansk gefun-
denen Dokumenten, dass Russland weitergehende Ziele
hat, dass es Pläne gibt, Mariupol und Odessa auch noch
unter russische Kontrolle zu bringen. Damit es dazu
nicht auch noch kommt, sind der Waffenstillstand und
die Unterstützung des Friedensplanes so wichtig.





Dr. Andreas Schockenhoff


(A) (C)



(D)(B)

Die Aufschiebung von verschärften EU-Sanktionen
ist deshalb keine Schwäche der EU, sondern ein klares
Signal an Russland. Die EU will die Verhandlungen über
den Friedensplan nicht durch eine neue Sanktionsrunde
belasten. Aber sie wird die neuen, für Russland noch
schmerzhafteren Sanktionen umsetzen, wenn Russland
nicht seinen Beitrag zur Realisierung des Friedensplans
leistet oder gar den Waffenstillstand dazu nutzt, seine
militärische Position auszubauen oder gar den Krieg ge-
gen die Ukraine fortzusetzen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1805100600

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin

Hänsel?


Dr. Andreas Schockenhoff (CDU):
Rede ID: ID1805100700

Gerne.


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805100800

Danke schön, Herr Präsident. – Herr Kollege

Schockenhoff, Sie haben gerade von der „offenen militä-
rischen Intervention Russlands in der Ukraine“ gespro-
chen. Ich höre das ständig. Das hat auch die Kanzlerin
gestern gesagt. Ich frage mich: Wo sind die konkreten
Beweise für diese Behauptungen? Wo sind Ihre Quellen?
Wir haben in meinen Augen keine tatsächlichen Beweise
für diese offene militärische Intervention.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie sind halt blind!)


– Dann legen Sie sie mir bitte schön vor, und zwar auto-
risiert.


Dr. Andreas Schockenhoff (CDU):
Rede ID: ID1805100900

Es gehört leider auch zu diesem Konflikt, dass eine

unglaubliche Initiative von Desinformation und Propa-
ganda nicht nur in den sozialen Netzwerken und durch
Aktivisten in der Bundesrepublik Deutschland sowie in
unseren Partnerstaaten von der russischen Seite unter-
stützt wird, sondern offenkundig auch hier im Deutschen
Bundestag auf fruchtbaren Boden trifft.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Was ich meine, Frau Kollegin, sind russische Panzer,
russische Militärfahrzeuge, die Tag für Tag die Grenze
zwischen Russland und der Ukraine überqueren.


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Wo sind die Beweise?)


Was ich meine, sind die täglichen Beschüsse von ukrai-
nischem Territorium durch Tornadosplitterbomben, um
den Korridor zwischen Luhansk und Donezk unbegeh-
bar und unpassierbar zu machen.


(Volker Kauder [CDU/CSU], an die LINKE gewandt: Wir fahren mal miteinander hin und gucken es an!)


Was ich meine, sind Munition und militärisches Gerät,
das von internationalen Beobachtern in sogenannten
Hilfskonvois gefunden wurde. Was ich meine, sind vor
allem Kämpfer, Soldaten, Mitglieder von Elitetruppen,
Mitglieder des russischen Geheimdienstes,


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Fallschirmjäger!)


die täglich nicht nur die russische Grenze zur Ukraine
überqueren, sondern dafür – das ist Teil dieser zynischen
Desinformation – vom russischen Präsidenten in
Moskau auch noch mit Ehrenmedaillen ausgezeichnet
werden.


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Wo sind die Quellen dazu?)


Ich meine diese Form von Doppelzüngigkeit, Täu-
schung und Desinformation, die im Gegensatz zu einer
offenen Debatte über die notwendigen Reaktionen in ei-
ner demokratischen Gesellschaft steht. Dagegen wehren
wir uns. Dass Sie es nicht tun, verwundert mich nicht.
Aber wir werden trotzdem die Debatte darüber in der
deutschen Öffentlichkeit zu führen haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Nicht eine Quelle haben Sie genannt!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die wichtigsten
Punkte des Friedensplans, zu dessen Umsetzung Russ-
land seinen Beitrag leisten muss, sind:

Erstens: ein endgültiges Ende der Kämpfe und Ein-
haltung des Waffenstillstandes.

Zweitens: Abzug der russischen Truppen und Waffen.

Drittens: eine konsequente Überwachung der rus-
sisch-ukrainischen Grenze.

Viertens: Einigung über den Status einer Autonomie
für Luhansk und Donezk innerhalb des Staatsverbands
der Ukraine. Was auf keinen Fall akzeptiert werden
kann, ist, dass auf dem Staatsgebiet der mit der EU asso-
ziierten Ukraine ein neuer, ein vierter Frozen Conflict
entsteht.


(Beifall der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Diese vier Punkte sind essenziell. Wenn sie nicht von
Russland mit umgesetzt werden, müssen die jetzt nur an-
gedrohten Sanktionen angewendet werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Einigkeit der
EU gegenüber Russland wird durch die Geschlossenheit
der NATO auf dem Gipfel in Wales komplementiert. Die
NATO hat sich angesichts der russischen Aggression ei-
nig wie selten gezeigt. Auch hier wird deutlich: Es wird
Präsident Putin nicht gelingen, uns auseinanderzudivi-
dieren – das Gegenteil ist der Fall.

In großer Geschlossenheit hat das Bündnis ein Kon-
zept zum besseren militärischen Schutz der östlichen
Mitgliedstaaten verabschiedet. Unsere Bündnispartner
im Osten, insbesondere die baltischen Staaten und Polen,
fühlen sich durch die russische Aggression in Osteuropa
existenziell bedroht; das können wir nachvollziehen.
Deshalb steht die CDU/CSU ohne Wenn und Aber hinter





Dr. Andreas Schockenhoff


(A) (C)



(D)(B)

der Verpflichtung des Bündnisses, einander gegen einen
Angriff zu verteidigen und die Freiheit und Sicherheit all
seiner Mitglieder zu schützen. Deshalb ist es für uns
auch eine Selbstverständlichkeit, dass wir uns an einer
schnellen Eingreiftruppe der NATO als neue Speerspitze
des Bündnisses beteiligen.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist eine Sprache!)


Für die CDU/CSU sind die nun in Wales getroffenen
Vereinbarungen der richtige Weg, um Präsident Putin
klar zu verstehen zu geben: Die Allianz wird kein Aus-
greifen seiner hybriden Kriegsführung auf das Bündnis-
gebiet zulassen. Meine Fraktion bekennt sich auch zu
den Beschlüssen der Allianz zu ihrer Erweiterung. Eine
Mitgliedschaft der Ukraine ist derzeit nicht auf der Ta-
gesordnung; aber die Ukraine bleibt frei in ihrer Wahl,
ob sie eine Aufnahme in das Bündnis anstreben möchte.

Die militärischen Drohungen und Aktivitäten Russ-
lands – gegen die Ukraine, aber auch gegen unsere östli-
chen Bündnispartner – haben die Diskussionen um un-
sere Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit erneut belebt.
Das Bündnis muss über das gesamte Spektrum an Fä-
higkeiten verfügen, die für eine Abschreckung und Ver-
teidigung gegen jede Bedrohung der Sicherheit unserer
Bevölkerungen notwendig sind. Dafür müssen wir zu-
nehmend auf transnationale Fähigkeiten setzen. Die be-
schlossenen Maßnahmen des Bündnisses im Rahmen
seiner Smart-Defence-Initiative sind dabei der richtige
Weg. Die Bundesregierung hat mit ihrem Konzept der
Rahmennationen eine Führungsrolle in diesem Prozess
übernommen. Dabei hat sie unsere volle Unterstützung.

In Afghanistan, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird
der ISAF-Stabilisierungseinsatz Ende dieses Jahres be-
endet sein. Die afghanischen Sicherheitskräfte werden
aber auch über 2014 hinaus Ausbildung, Beratung
und Unterstützung brauchen. Deutschland unterstützt
daher die Bemühungen um eine neue internationale
Beratungs-, Ausbildungs- und Unterstützungsmission
„Resolute Support“.

Im Übrigen ist zu hoffen, dass Präsident Obama ange-
sichts der Entwicklungen im Irak seine Entscheidung
überdenkt, die amerikanischen Truppen bereits bis Ende
2016 vollständig aus Afghanistan abzuziehen. Denn im
Irak sehen wir doch auch die Risiken eines zu frühen
Abzugs der Amerikaner.

Machen wir uns nichts vor: Die Region des Nahen
und Mittleren Ostens braucht die USA als Ordnungs-
macht, und es ist zu begrüßen, dass Washington den
Kampf gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ jetzt
nicht nur aufnimmt, sondern dazu auch Partner sucht.
Wir begrüßen ausdrücklich die Botschaften, die Präsi-
dent Obama in diesem Zusammenhang gestern in seiner
Rede an die Nation übermittelt hat.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Auch hier wird Deutschland seiner Verantwortung ge-
recht. Es geht darum, dieser Bedrohung für den gesam-
ten Nahen und Mittleren Osten, aber eben auch für
Deutschland und Europa zu begegnen.
Auch angesichts der unbeschreiblichen Barbarei kön-
nen wir uns nicht heraushalten. Jedes Risiko zu vermei-
den und zu hoffen, dass andere sich der Gefahr stellen,
ist keine Option. Deshalb unterstützen wir diejenigen,
die mutig gegen den Terror des sogenannten „Islami-
schen Staates“ kämpfen.

Wir sind bereit, mehr Flüchtlinge aufzunehmen; da-
rüber haben wir gestern schon debattiert. Wir wissen
aber auch, dass wir damit das Problem nicht lösen
können. Nur wenn wir den Menschen in ihrem Land eine
glaubhafte Perspektive geben, werden sie dort auch blei-
ben. Die Voraussetzung dafür ist in erster Linie Sicher-
heit. Als ich vor kurzem mit dem Fraktionsvorsitzenden
Kauder im Irak war, haben wir Flüchtlingsfamilien ge-
troffen, die zum dritten Mal vertrieben worden waren
und dreimal mit angesehen haben, wie Familienangehö-
rige und Nachbarn ermordet wurden. Sie gehen nicht
zurück, wenn sie kein Vertrauen haben, dass es wirklich
Sicherheit gibt, sondern nur das Gefühl, auf den nächs-
ten Überfall zu warten.

Doch unsere Waffenlieferungen sind nur Nothilfe.
Der amerikanische Präsident hat recht, wenn er sagt,
dass diese Terrorbande zerschlagen werden muss. Dies
ist eine Aufgabe der gesamten internationalen Gemein-
schaft. Der sogenannte „Islamische Staat“ ist eine totali-
täre, islamfaschistische Bedrohung, die bereits Länder
wie Libanon und Jordanien akut bedroht, aber auch
Saudi-Arabien und mittelbar auch Israel.

Es ist richtig, dass Präsident Obama nun auch in Sy-
rien militärisch intensiver vorgehen will. Dort hat der
selbsternannte „Islamische Staat“ seine Basis, dort hat
Assad ein Schlachtfeld geschaffen, das ihm überhaupt
erst den Raum gegeben hat, um groß zu werden.

Nicht zuletzt: Der UN-Sicherheitsrat hat sich auf-
grund der russischen Blockade als unfähig erwiesen,
rechtzeitig in Syrien das Töten zu stoppen. Das hat zur
Radikalisierung der syrischen Opposition und zum
Erstarken der Dschihadisten geführt. Die Konsequenz
daraus kann nur sein, eine Koalition zu schmieden, die
sich den selbsternannten Gründern eines „Islamischen
Staats“ nun im Irak und in Syrien entgegenstellt. Meine
Fraktion unterstützt mit Nachdruck, dass sich die Bun-
desrepublik hier verpflichtet hat. Auch hier können wir
nicht länger zuschauen. Das gilt im Übrigen auch für Li-
byen und für ganz Nordafrika, das von Instabilität, von
totalitärem Islamismus bedroht wird.

Damit komme ich wieder auf den Ausgangspunkt zu-
rück, nämlich darauf, dass weitere sicherheitspolitische
Herausforderungen auf uns zukommen werden. Lassen
Sie mich deshalb abschließend fünf Leitgedanken zur
Verantwortung Deutschlands formulieren:

Erstens. Deutschland hat aufgrund seiner besonderen
Rolle in Europa und im NATO-Bündnis eine führende
Aufgabe wahrzunehmen.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Großmachtpolitik!)


– Das ist so ein Unsinn, was Sie da reden. Herr Gehrcke,
wie kann man so einen Schwachsinn reden?





Dr. Andreas Schockenhoff


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Peer Steinbrück [SPD])


Wenn man ein Land, das ein Drittel seines Bruttoinlands-
produkts, das sein Wirtschaftswachstum und seine so-
ziale Sicherheit der internationalen Stabilität und dem
weltweiten freien Handel verdankt, der Großmannssucht
bezeichnet, weil es Verantwortung übernimmt,


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Großmachtpolitik!)


dann ist das einfach nur dumm.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Dass die Bundesregierung bereit ist, diese Verantwor-
tung zu übernehmen, auch hinsichtlich der Mitgestaltung
von entsprechenden Beschlüssen, hat sie kürzlich beim
NATO-Gipfel gezeigt. Das zeigt sich auch in der Bereit-
schaft der Bundesregierung, in der Kerngruppe zur Be-
kämpfung des IS-Terrors maßgeblich mitzuwirken.

Zweitens. So selbstverständlich humanitäre Hilfe und
Wirtschaftshilfe sowie Ausbildungshilfe sind: Im Ein-
zelfall können auch weiterhin Auslandseinsätze der
Bundeswehr und erneut Waffenlieferungen erforderlich
sein. Wenn andere, wie jetzt die kurdischen Peschmerga
im Irak, einen konkreten Beitrag auch für die Sicherheit
Europas leisten und wir deshalb nicht Bundeswehrsolda-
ten in einen gefährlichen Kampfeinsatz entsenden müs-
sen, müssen wir diese Kräfte zumindest ertüchtigen, im
Einzelfall auch durch Waffenlieferungen. Auch dies ge-
hört zur Wahrnehmung außenpolitischer Verantwortung
als größter, wirtschaftlich stärkster und politisch bedeu-
tender Staat in Europa.

Drittens. Da wir zu unserer eigenen Sicherheit in
unserer südlichen und östlichen Nachbarschaft mehr
Verantwortung übernehmen müssen, brauchen wir klare
sicherheitspolitische Ordnungskonzepte, denen wir mit
unseren politischen, wirtschaftlichen und militärischen
Fähigkeiten und Möglichkeiten entsprechen müssen.

Viertens. Heute ist die NATO aufgrund des russischen
Vorgehens für die Sicherheit Europas, insbesondere für
unsere östlichen Partner, wieder gefragt. Wir brauchen
mehr Europa in der Allianz. Die Verteidigungsausgaben
dürfen nicht weiter sinken, und sie müssen gleichzeitig
effizienter eingesetzt werden. Das geht nur – ich habe es
vorhin schon erwähnt – mit mehr transnationalen Fähig-
keiten. Konzepte wie das der Rahmennationen und der
Smart Defence oder die jetzt beschlossene „Speerspitze“
bringen Deutschland in zusätzliche, auch militärische
Verantwortung. Sie bedeuten aber gleichzeitig auch
mehr Sicherheit für uns. Das ist die Gegenseite. Dem
müssen wir uns mit einer Reform des Parlamentsbeteili-
gungsgesetzes stellen. Ich gehe davon aus, dass wir noch
in dieser Legislaturperiode im Bundestag erneut über
diese Frage diskutieren werden.

Fünftens. Unsere außenpolitischen Interessen sind mit
unseren wirtschaftlichen Interessen eng verknüpft. Das
sollten wir auch offen sagen.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Genau!)

Ein Land, das ein Drittel seines Bruttoinlandsproduktes
– Herr Gehrcke, das habe ich gerade gesagt; ich sage es
gern noch einmal –


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja, ja! Bestätigt mich glänzend! Machen Sie ruhig weiter!)


über den Export erzielt, kann mit der Devise: „Wir
verdienen das Geld, sorgt ihr für die Sicherheit“ nicht
bestehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregie-
rung wird mit ihrem außenpolitischen Handeln Deutsch-
lands Verantwortung gerecht, gerade auch, wenn es um
eine schwierige sicherheitspolitische Entscheidung geht.
Allerdings müssen wir uns auch darüber im Klaren sein,
dass wir in unserer Bevölkerung noch mehr Verständnis
für die Wahrnehmung außen- und sicherheitspolitischer
Verantwortung wecken müssen.

Ich begrüße deshalb – zum Abschluss – ausdrücklich,
dass sich unser Bundespräsident mit seiner Autorität als
Staatsoberhaupt in diese Debatte einbringt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1805101000

Lieber Herr Kollege.


Dr. Andreas Schockenhoff (CDU):
Rede ID: ID1805101100

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Zudem

halte ich es für dringend geboten, dass wir einmal im
Jahr hier in diesem Haus eine sicherheitspolitische
Generaldebatte führen. Wir müssen uns öffentlich zu
unserer Verantwortung bekennen und auch öffentlich
darüber diskutieren und gegebenenfalls streiten, was
Verantwortung konkret heißt.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1805101200

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält nun

der Kollege Frithjof Schmidt das Wort.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Herr Außenminister, Sie haben es angespro-
chen: Unsere Debatte ist geprägt durch die dramatische
Dichte der internationalen Krisen und Konflikte, die uns
alle umtreiben. Manches gerät dann auch ganz schnell
wieder aus dem Fokus: Mali, Zentralafrika, wo jetzt ge-
rade eine UN-Mission ansteht, Südsudan, wo es leider
nichts Vergleichbares in diese Richtung gibt, jetzt neu
die Ebolakrise in Westafrika und die dramatischen Er-
eignisse im ganzen Nahen Osten. Übrigens gibt es auch
schlechte Nachrichten aus Afghanistan. Die meisten von
uns kommen an die Grenzen ihrer Möglichkeiten, wenn
sie das alles noch genau verfolgen wollen. In wichtigen
Regionen befindet sich die postkoloniale Ordnung weit-





Dr. Frithjof Schmidt


(A) (C)



(D)(B)

gehend in Auflösung. Das alles ist mit schrecklichen
Verwerfungen und Opfern verbunden.

In Europa – auch das haben Sie treffend angespro-
chen – ist es nicht viel anders. Unser größter Nachbar-
staat in Europa, Russland, setzt nach der völkerrechts-
widrigen Annexion der Krim seine Destabilisierung der
Ukraine bisher aktiv fort. Wir hoffen alle, dass der
Waffenstillstand in der Ostukraine hält und den Weg zu
einer friedlichen Lösung öffnet. Aber dazu ist es not-
wendig, dass Russland seine militärische Unterstützung
der Separatisten endgültig beendet und der Zwölf-
Punkte-Plan ganz umgesetzt wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich sage: Die Politik der Europäischen Union ist da ganz
richtig. Solange Russland dazu nicht bereit ist, ist es
richtig, die Verschärfung der Sanktionen gegenüber
Russland aufrechtzuerhalten, um Druck zu machen, auch
für weitere Verhandlungen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Diesen Zusammenhang sollten wir nicht aus den Augen
verlieren. Das ist ein wichtiges Element der Politik. Da
kann ich dem Außenminister nur zustimmen.

Es ist auch wichtig, die Befürchtungen der östlichen
NATO-Partner in dieser Lage sehr ernst zu nehmen. Die
Beistandspflicht nach Artikel 5 des NATO-Vertrages gilt
für alle Mitglieder gleichermaßen; daran darf es keinen
Zweifel geben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Einsatzbereitschaft der NATO kann dazu dienen,
solche Zweifel auszuräumen.

Aber wir dürfen in diesem Zusammenhang nicht den
Fehler machen, in eine militärische Logik der Aufrüs-
tung zu verfallen, wie sie manche ja schon fordern, und
dabei dann auch den politischen Dialog ad acta zu legen.
Deshalb wäre es ein ganz falsches Signal, die NATO-
Russland-Grundakte zu kündigen, auch wenn Russland
mit seinem Vorgehen auf der Krim bereits massiv gegen
diese Vereinbarung verstoßen hat. Da unterstützen wir
ausdrücklich die Haltung, die die Bundesregierung auf
der NATO-Konferenz vertreten hat.

Die Diskussionen auf dem NATO-Gipfel in der letz-
ten Woche geben jedoch auch Anlass zur Sorge. Der
scheidende Generalsekretär Rasmussen fordert massive
Erhöhungen der Rüstungsausgaben, und schon gibt es
auch Pläne, die geplante neue NATO-Raketenabwehr
nun doch auch auf Russland als Gegner auszurichten.
Das ist ein gefährliches Spiel mit der Eskalation. Das
kann einen neuen Rüstungswettlauf in Europa auslösen.
Das darf nicht sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

In diesem Zusammenhang muss ganz klar sein: Die
NATO kann bei der Lösung der Ukraine-Krise keine
zentrale Rolle einnehmen. Das ist das falsche Feld. Hier
sind die Europäische Union und die OSZE gefragt. Sie
müssen gestärkt werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der letzten
Woche haben wir in einer Sondersitzung über die drama-
tische Lage im Irak und in Syrien gesprochen. Es
bestand in diesem Haus, glaube ich, große Einigkeit
darüber, dass es richtig ist, die Kurden und die irakische
Zentralregierung in ihrem Kampf gegen die Radikalisla-
misten des ISIS zu unterstützen. Einen Dissens hatten
wir darüber, ob Waffenlieferungen dafür das richtige
Mittel sind. Sie wissen, dass die Mehrheit meiner Frak-
tion, wie so viele in Deutschland, dies wegen der großen
Proliferationsrisiken nicht glaubt. Deswegen haben wir
Ihrem Entschließungsantrag dazu nicht zugestimmt.

Aber richtig ist doch auch, dass eine politische Strate-
gie her muss, die eine politische Lösung für diese Re-
gion skizziert. Was die Initiative von Präsident Obama,
die er gestern Nacht vorgestellt hat, betrifft – er wirbt für
ein breites Vorgehen gegen den IS im Irak und in Syrien
und sagt, dies solle ein zentrales Element der Politik der
USA werden –, sagen wir ganz klar: Entscheidend und
von zentraler Bedeutung ist hierfür ein UN-Mandat,
auch und gerade dann, wenn man eine regionale Einbin-
dung aller Mächte dort erreichen will.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich hätte mir ein klares Wort von Ihnen, Herr Außen-
minister, dazu gewünscht, wie wichtig es ist, dass die
UNO hier im Spiel bleiben muss, ja eigentlich erst rich-
tig ins Spiel kommen muss.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir fordern Sie auf, sich als Bundesregierung aktiv da-
für einzusetzen, dies zu benennen und es deutlicher zu
sagen, als Sie es hier angedeutet haben. Nur so wird es
möglich sein, regionale Mächte, die man für eine Lösung
braucht, einzubinden. Wir reden da auch über Saudi-
Arabien und den Iran. Wir alle wissen, dass wir ohne
diese regionalen Großmächte keine politische Lösung
erreichen können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE])


Die UNO ist dafür der entscheidende Rahmen. Hier darf
keine unilaterale Politik und keine Politik mit kleinen
Gruppen an der UNO vorbei gemacht werden. Der
UNO-Bezug muss ein zentrales Element der deutschen
Außenpolitik bleiben. Da vermissen wir noch einiges.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es ist gut, dass es für die humanitäre Hilfe eine breite
Unterstützung im Bundestag gibt. Ich möchte noch ein-
mal an das erinnern, was der Kollege Oppermann in der





Dr. Frithjof Schmidt


(A) (C)



(D)(B)

Sondersitzung gesagt hat – ich zitiere mit Erlaubnis des
Präsidenten –:

Wir werden darauf achten, dass die humanitäre
Hilfe für diese Region immer deutlich höher ist als
die Waffenhilfe …

Daran werden wir Sie messen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Und da muss ich feststellen: In dem Haushalt, den Sie
uns hier vorlegen, wird im Einzelplan des Auswärtigen
Amtes der Titel für humanitäre Hilfe um sage und
schreibe 38 Prozent gekürzt. Das ist in dieser internatio-
nalen Lage absurd.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Man fragt sich, wovon Sie bei dieser Kürzung denn ei-
gentlich die versprochenen humanitären Hilfen finanzie-
ren wollen.

Herr Außenminister, wenn Sie andeuten, Sie hätten
gern mehr Mittel, was ich verstehe und worin wir Sie un-
terstützen, frage ich Sie einmal umgekehrt: Warum legen
Sie uns denn dann überhaupt so einen Haushalt vor?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das war doch vor wenigen Wochen nicht anders, sodass
wir das nicht hätten erkennen können. Wir hatten doch
genügend Zeit, das zu tun. Deswegen ist das ein schlech-
ter Haushaltsentwurf, der uns hier vorgelegt wird.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Na, na!)


Der Bedarf bei der humanitären Hilfe ist riesig. Die Ver-
einten Nationen und alle Hilfsorganisationen sagen, dass
die Hilfe – übrigens nicht nur in Syrien und im Nord-
irak – hoffnungslos unterfinanziert ist. Diese Kürzung,
meine Damen und Herren von der Koalition, müssen Sie
zurücknehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE])


Herr Außenminister, ich möchte noch zu wichtigen
Politikfeldern kommen, in denen wir scharfe Kritik an
Ihrer Politik haben. Da sind zuerst die transatlantischen
Beziehungen. Vor einem halben Jahr wollten Sie gerade
noch ein No-Spy-Abkommen mit den USA für den Ver-
zicht auf gegenseitige Spionage erreichen. Nichts haben
Sie erreicht. Jetzt tun Sie einfach so, als wäre gar nichts.
Das ist peinlich. Es ist einfach nur peinlich, wie Sie da-
mit umgehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Beim transatlantischen Handelsabkommen TTIP geht
es natürlich auch um eine zentrale Frage unserer Bezie-
hungen zu den USA,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Nein, um das Verhältnis zu den Chlorhühnchen geht es!)


und das fällt auch in Ihr Ressort. Da frage ich Sie – da
müssen Sie auch als Außenminister Stellung beziehen
und können sich nicht hinter anderen Ministern verste-
cken –: Wollen Sie wirklich außergerichtliche Schieds-
gerichtsverfahren mit wechselseitigen Schadensersatz-
klagen gegen neue Gesetze akzeptieren? Haben Sie
einmal überlegt, welche zerrüttende politische Wirkung
das für die transatlantischen Beziehungen in der Bevöl-
kerung in Europa und übrigens auch in den USA auslö-
sen kann? Das ist eine eminent wichtige außenpolitische
Frage. Da tauchen Sie als Außenminister einfach weg.
Das ist ein schwerer außenpolitischer Fehler.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1805101300

Nächster Redner ist der Kollege Niels Annen für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Niels Annen (SPD):
Rede ID: ID1805101400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Ihrer

Erlaubnis möchte ich eine Vorbemerkung machen. Herr
Kollege Gehrcke, wenn Sie hier den Eindruck erwecken
wollen, dass der deutsche Außenminister mit seinen Ver-
handlungen versucht haben sollte, Faschisten hoffähig
zu machen,


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das habe ich nicht behauptet!)


dann will ich Ihnen hier in aller Deutlichkeit sagen:
Meine Partei kämpft seit 150 Jahren in Deutschland und
international gegen die Faschisten. Wir werden uns diese
Unterstellung von Ihnen nicht gefallen lassen. Das
möchte ich Ihnen hier garantieren.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist in den
letzten Monaten ja viel über die Grundsätze deutscher
Außenpolitik gesprochen worden, nicht immer sehr
trennscharf. Dabei liegt uns allen im Grundgesetz ei-
gentlich eine sehr gute Definition vor. In der Präambel
heißt es, dass wir als gleichberechtigtes Glied in einem
vereinten Europa dem Frieden der Welt dienen sollen.
Ich denke, dass dies eine gute Beschreibung ist. Deswe-
gen, meine Damen und Herren, ist deutsche Außenpoli-
tik auch immer Friedenspolitik.

Aber dieser Frieden ist gefährdet in Syrien, im Irak,
aber auch durch die Konflikte zwischen Israel und der
Hamas. Ich glaube, wir alle stimmen doch darin überein:
Vor wenigen Monaten hätte sich noch niemand vorstel-
len können, dass wir in der Ukraine eine Krise mit in-
zwischen mehreren Tausend Toten haben.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Stimmt!)


ISIS, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist
nicht nur eine Bedrohung für die Menschen in der be-
troffenen Region. Der umfassende Machtanspruch ist
auch eine Herausforderung für unsere freiheitlichen Ge-
sellschaften.





Niels Annen


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deswegen bin ich dankbar dafür, dass auch darauf
hingewiesen worden ist: Ohne dass wir uns auf die Be-
endigung des täglichen Sterbens der Menschen in Syrien
konzentrieren, werden wir dieses Problem nicht angehen
können.

Dafür brauchen wir in der Tat die Vereinten Nationen,
und ich hoffe, dass bei den Plänen, die der amerikani-
sche Präsident jetzt vorgestellt hat, dieser politische As-
pekt in Zukunft vielleicht eine stärkere Rolle spielen
wird.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, 3 Millionen
Syrerinnen und Syrer sind inzwischen in die Nachbar-
länder geflohen. Die Anzahl der Binnenflüchtlinge be-
trägt über 6 Millionen. Im Irak hat ISIS diese humanitäre
Katastrophe noch einmal zugespitzt; dort sind inzwi-
schen 1,6 Millionen Menschen zu Flüchtlingen gewor-
den.

Ich bin überzeugt davon, dass die tiefen Gräben in der
irakischen Gesellschaft – auch verstärkt durch die Politik
des ehemaligen Ministerpräsidenten al-Maliki – nur
überwunden werden können, wenn diejenigen, die jetzt
dafür sorgen wollen, dass alle an der politischen Macht
beteiligt werden, auch international unterstützt werden.
Die Entscheidung des irakischen Präsidenten ist dort si-
cherlich ein erster wichtiger Schritt; das ist auch von der
deutschen Politik deutlich gemacht worden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch Russland hat
in den zurückliegenden 20 Jahren schreckliche Erfah-
rungen mit islamistischem Terror gemacht. Doch statt
unsere gemeinsamen Ressourcen auf die Bekämpfung
dieses Problems zu konzentrieren, hat die russische Füh-
rung die Souveränität der Ukraine in eklatanter Weise
verletzt und hat dazu beigetragen, in Europa eine neue
politische Eiszeit auszulösen. Dieser Konflikt hat – ich
glaube, wir alle kennen das aus den Gesprächen in unse-
ren Wahlkreisen – auch bei uns Ängste vor einer Rück-
kehr des Krieges in Europa ausgelöst. Deswegen ist der
vor wenigen Tagen vereinbarte Waffenstillstand ein
wichtiger Erfolg und ein wichtiger Schritt in die richtige
Richtung. Wir müssen alle Akteure auf der einen Seite
politisch unter Druck setzen, sie auf der anderen Seite
aber auch dabei unterstützen, jetzt alle Fragen Stück für
Stück auf den Verhandlungstisch zu packen und die Inte-
ressengegensätze, die es dort gibt, offen anzusprechen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, diese
Debatte ist auch der Ort – ich bin Herrn Schmidt dafür
dankbar, dass er darauf hingewiesen hat –, auf die Kon-
flikte zu sprechen zu kommen, die es eben nicht jeden
Tag in die Abendnachrichten schaffen. Ich denke dabei
an Libyen, ich denke an Mali, an die Zentralafrikanische
Republik, aber auch an den Südsudan. Gerade im Südsu-
dan ist die humanitäre Lage katastrophal. Seit dem De-
zember 2013 hat sich die Lage erheblich verschärft. In-
zwischen beklagen wir über 10 000 Todesopfer, darunter
viele Zivilisten; 1,3 Millionen Menschen sind auf der
Flucht; hinzu kommen noch knapp eine halbe Million
Flüchtlinge aus den Nachbarländern; knapp 4 Millionen
Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die
Vereinten Nationen gehen von einem Bedarf von
1,8 Milliarden US-Dollar aus.

Meine Kolleginnen und Kollegen, ich denke des-
wegen: Natürlich ist die Konsolidierung des Haushal-
tes – es ist ja in dieser Debatte häufig und auch zu Recht
darauf hingewiesen worden, wie wichtig die schwarze
Null ist – ein legitimes, ein wichtiges politisches Ziel.
Wir dürfen aber auch das millionenfache Leid der Men-
schen in den Konflikten, die ich benannt habe, und an-
derswo nicht vergessen.


(Beifall der Abg. Dr. Rolf Mützenich [SPD] und Dr. Nina Scheer [SPD])


Deswegen müssen wir uns in den kommenden Tagen
auch mit der Frage auseinandersetzen, wie wir die neuen
Erwartungen an die deutsche Außenpolitik und die He-
rausforderungen auch finanziell unterlegen.


(Beifall bei der SPD)


Ich denke dabei im Wesentlichen an drei Punkte:

Erstens. Die Anforderungen an die deutsche Außen-
politik sind in der Tat dramatisch gestiegen, und wir
müssen das durch einen angemessenen Mittelaufwuchs
auch abbilden. Ich will an dieser Stelle einmal sagen: Es
geht aus meiner Sicht unter anderem auch darum, auf die
veränderten Gefährdungslagen einzugehen. Wir müssen
zum Beispiel auch unsere deutschen Auslandsvertretun-
gen angemessen ausstatten und schützen.

Zweitens. Wir müssen und werden auch mehr huma-
nitäre Hilfe leisten. Ich will einmal darauf hinweisen,
dass wir im Zusammenhang mit den Auseinandersetzun-
gen im Irak und in Syrien und der Debatte über ISIS ja
auch darüber gesprochen haben, dass staatliche Struktu-
ren infrage gestellt werden, dass sie zusammengebro-
chen sind, dass wir es in vielen Bereichen der Welt mit
Konflikten zu tun haben, in denen es verlässliche Struk-
turen, die uns überhaupt in die Lage versetzen, Krisen zu
managen, nicht mehr gibt. Deswegen müssen wir dort,
wo zum Beispiel das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten
Nationen quasi staatliche Aufgaben übernommen hat,
unsere Hilfe auch weiter ausbauen.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Drittens. Zivile Konfliktvermeidung und Konfliktver-
hütung – dazu gehören auch Instrumente wie die Aus-
wärtige Kulturpolitik – müssen weiter das Zentrum der
deutschen Außenpolitik bilden, ich denke, auch damit
wir den Auftrag des Grundgesetzes erfüllen können, als
gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem
Frieden der Welt zu dienen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.





Niels Annen


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1805101500

Für eine Kurzintervention erhält der Kollege Gehrcke

das Wort.


Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805101600

Schönen Dank, Herr Präsident. – Ich weiß, Herr Kol-

lege Annen, dass Sie aus Ihren Reihen den Auftrag mit
ans Rednerpult genommen haben, mich in dieser Frage
zurechtzuweisen.


(Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Es geht nicht um das Zurechtweisen! Es geht um die Anerkennung der Geschichte der Sozialdemokraten!)


Sie haben sich ordentlich bemüht, aber es entsprach lei-
der nicht dem, was ich gesagt habe.

Ich habe nicht gesagt, dass der Außenminister und
seine Partei oder die Koalition, die ihn trägt, die Nazis in
der Ukraine salonfähig gemacht haben; ich denke noch
nicht einmal so. Ich reagiere auf diese Frage so aller-
gisch, weil ich aus der Geschichte der Linken in
Deutschland weiß, dass dieser Vorwurf, dieser gegensei-
tige Vorwurf, verhängnisvoll zur Spaltung der Linken
beigetragen hat.


(Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Eben!)


Das will ich nicht, und deswegen weise ich das zurück;
ich denke noch nicht einmal so.

Ich habe kritisiert, dass die Bundesregierung der
ukrainischen Regierung nicht deutlich genug klar ge-
macht hat, dass Deutschland nicht mit einer Regierung
kooperieren wolle, die viele Minister aus einer Partei
hat, die immerhin eine Parteischule unterhalten hat, die
sich den Namen „Goebbels“ gegeben hat. Das finde ich
entscheidend.

Ich habe kritisiert, dass dieser Außenminister nicht
genügend klar gesagt hat, dass in der Ukraine Schluss
sein muss mit den Möglichkeiten sogenannter Freiwilli-
genbataillone, die jetzt in der Ostukraine kämpfen und
sich auf den Faschisten Bandera berufen.

Ich möchte eine Trennschärfe, wie sie Verheugen vor-
geschlagen hat. Im 21. Jahrhundert kooperiert man nicht
mit Regierungen, denen Nazis angehören.

Das ist das, was ich hier sagen wollte und ausgedrückt
habe, und dabei belassen wir es dann auch.


(Beifall bei der LINKEN – Bettina Hagedorn [SPD]: Das entscheiden Sie nicht!)



Niels Annen (SPD):
Rede ID: ID1805101700

Herr Kollege Gehrcke, zunächst darf ich Sie darauf

hinweisen, dass ich selber entscheide, was ich am Po-
dium sage.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens. Auch mit Ihrem Redebeitrag gerade eben
haben Sie wieder eine Verknüpfung hergestellt, von der
ich nur annehmen kann, dass sie bei denjenigen, die uns
hier zuhören, eine bestimmte Assoziation auslösen soll,
und das muss ich einfach zurückweisen.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ihre Fraktion hat sich in vielen Debatten in diesem
Haus immer dafür ausgesprochen, mit allen sprachfähig
zu sein. Wir alle erinnern uns vielleicht an die dramati-
sche Situation, in der der deutsche, der polnische und der
französische Außenminister in einer diplomatischen Ini-
tiative versucht haben, das, was jetzt eskaliert ist, in letz-
ter Minute noch zu verhindern. Es ist doch nicht der
deutsche Außenminister, der darüber entscheidet, wer
welche Delegation zu Verhandlungen entsendet, mit der
man sich auf einen Waffenstillstand und auf eine politi-
sche Lösung zu verständigen versucht.

Ich wäre Ihnen wirklich dankbar, wenn Sie diese
Form der Aneinanderreihung von Argumenten in Zu-
kunft, wenn das, was Sie gesagt haben, wirklich Ihrer In-
tention entspricht, einfach unterlassen würden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Niemand hat vor, diese Form der Politik und der rechts-
radikalen Äußerungen, die es in der ukrainischen Regie-
rung und in der ukrainischen Politik natürlich gibt und
die wir alle hier zurückgewiesen haben, zu legitimieren.
Insofern finde ich nach wie vor – wir können das ja im
Protokoll nachlesen –, dass Ihre Bemerkung dazu unan-
gemessen war.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1805101800

Nächster Redner ist der Kollege Stefan Liebich für

die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Stefan Liebich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805101900

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die

Reden des Außenministers, von Herrn Schmidt, von
Herrn Annen und – gestern – von Frau Brugger haben
alle sehr ähnlich begonnen: Sie beschreiben die Kon-
flikte, die es überall auf der Welt gibt. Die Länder wer-
den genannt – ich will sie hier nicht noch einmal wieder-
holen –, und wir stellen fest, dass die Konflikte von
heute entlang anderer und nicht mehr so scharf gezoge-
ner Linien verlaufen, wie das in vergangenen Zeiten ein-
mal der Fall gewesen ist.

Es gibt religiös verbrämte Kämpfer, marodierende
Banden, nichtstaatliche Akteure und private Sicherheits-
dienste. Die Konflikte, die wir heute haben, sind für
viele Menschen in der Tat nicht mehr verständlich. Sie
kennen das auch aus Ihren Wahlkreisen und aus den Ge-
sprächen mit Bürgerinnen und Bürgern: Viele Menschen
haben wieder Angst, wenn sie die Tagesschau sehen; sie
sind verunsichert.





Stefan Liebich


(C)



(D)(B)

Manche Kollegen sagen: Ach, wie einfach war doch
die Welt, als sie noch in zwei Blöcke geteilt war! – Ich
möchte Ihnen sagen: Ich bin froh, dass diese Zeiten vor-
bei sind.

Ja, wir haben andere Zeiten. Auch unsere Außenpoli-
tik muss sich ändern; wohin, das debattieren wir hier,
auch kontrovers. Dass Sie, Herr Steinmeier, als Außen-
minister in der EU, in der NATO und auch in der Koali-
tion, wie ich eben während der Rede des Kollegen
Schockenhoff festgestellt habe, nicht der Scharfmacher
sind, will ich Ihnen gerne zugestehen.


(Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])


Trotzdem müssen wir hier als Opposition am Ende nicht
die Reden bewerten, sondern die Beschlüsse. Die Be-
schlüsse, die Sie fassen und die Sie mitzuverantworten
haben, finden wir im Ergebnis falsch.

Ja, Russland hat in der Krise um die Ukraine von Be-
ginn an falsch und völkerrechtswidrig gehandelt.


(Michael Roth, Staatsminister: Das ist ja schon mal eine Aussage!)


Trotzdem finden wir die Antworten, die Sie darauf
geben, falsch. Sanktionen zu verhängen, die NATO als
Speerspitze zu bezeichnen, die Verteidigungsetats zu er-
höhen, hilft keinem Menschen in der Ukraine.


(Beifall bei der LINKEN)


In einer immer kriegerischer und unberechenbarer
werdenden Welt müsste unsere Antwort doch sein, alles
für den Frieden zu tun. Alles, was Kriege verlängert,
müsste unterlassen werden, und alles, was sie beenden
hilft, müsste geleistet werden. Stattdessen genehmigt
unsere Bundesregierung, auch Sie, Herr Steinmeier,
Waffenverkäufe aus Deutschland in Krisengebiete und
an Diktaturen. Nun brechen Sie noch ein weiteres Tabu.
Sie können sich über Frau Göring-Eckardts Rede von
gestern ärgern, aber es ist einfach wahr: Es ist das erste
Mal, dass Tausende Waffen – Maschinengewehre, Pisto-
len und Granaten – mitten in ein Kriegsgebiet geliefert
werden. Das ist der falsche Weg.

Dass Sie hier die richtigen Fragen stellen, spreche ich
Ihnen nicht ab. Sie fragen: Was ist, wenn ISIS den
Kampf gewinnt? Was ist, wenn ISIS die Waffen erbeu-
tet? Was ist, wenn durch ISIS irgendwann in Jordanien,
Libanon oder Israel neue Bedrohungssituationen entste-
hen? Was ist, wenn sich die kurdischen Fraktionen plötz-
lich gegen den Irak oder gegen die Türkei wenden?
Diese Fragen benennen Sie von der Koalition und sagen:
Diese Risiken gibt es. – Die Antworten darauf bleiben
Sie allerdings schuldig.


(Petra Hinz [Essen] [SPD]: Was sagen Sie dazu?)


Dann wird immer gefragt, ob man einfach weg-
schauen wolle. Ich glaube, diese scheinbare Alternativ-
losigkeit ist falsch. Es gibt immer Alternativen, auch in
diesem Konflikt. Ich werde Ihnen eine nennen.
Wenn Sie in Berlin-Neukölln beobachten würden,
dass eine Gruppe von Kurden von gewalttätigen Islamis-
ten angegriffen wird, dann käme niemand von Ihnen auf
die Idee, den Kurden Pistolen in die Hand zu drücken.
Jeder würde sagen: An dieser Stelle muss man die Poli-
zei rufen. – Die Polizei in unserer Weltordnung ist die
UNO.

Sie ist übrigens extra dafür gegründet worden. Ich zi-
tiere den Beginn der UN-Charta, in der folgende Ziele
genannt werden:

den Weltfrieden und die internationale Sicherheit
zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollek-
tivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des
Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffs-
handlungen und andere Friedensbrüche zu unter-
drücken …

Das ist die Aufgabe der UNO. Die UNO muss endlich
handeln. Herr Steinmeier, es ist sehr nett, dass Sie unse-
rem Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi hier recht
geben, aber Sie müssten dann auch in diese Richtung
wirken.

Ich komme damit auf einen Punkt zu sprechen, den
schon einige Redner erwähnt haben. Die Strategie, die
Präsident Obama heute Nacht verkündet hat, finde ich
nicht richtig. Sie ist hilflos, sie ist falsch, und sie wird
auch nicht wirksam sein. Der Präsident hat wieder ver-
kündet, dass es eine Koalition der Willigen geben soll.
Er hat in einem Nebensatz der UNO eine Nebenrolle zu-
gebilligt. Niels Annen, Sie haben das ganz leicht kriti-
siert, aber das reicht eben nicht. Man muss dann auch
Konsequenzen folgen lassen.

Barack Obama hat verschwiegen, dass sein Vorgänger
Bush das ganze Unheil zu verantworten hat. Er ignoriert
die Verantwortung seiner Verbündeten Türkei und
Saudi-Arabien für den Zustrom an Kämpfern und Geld
an ISIS. Wie man mit Rebellen, die gleichzeitig gegen
ISIS und Assad kämpfen sollen, aber teilweise selbst mit
der islamistischen Al-Nusra-Front verbunden sind, ge-
winnen will, bleibt sein Geheimnis. Herr Schockenhoff,
statt hier Ergebenheitsadressen an Barack Obama auszu-
senden,


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)


möchte ich Sie bitten, auf die Rolle der Vereinten Natio-
nen zu pochen. Das haben Sie unterlassen. Das finde ich
sehr schade. Das Völkerrecht weiter zu untergraben,
kann nicht im Interesse unserer Welt sein.


(Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das macht aber gerade der Putin!)


Was im Staat das Recht ist, das ist zwischen den Staaten
das Völkerrecht. Das muss immer gelten und darf nicht
nur da gelten, wo es einem gerade passt.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1805102000

Herr Kollege, Sie achten bitte auf die Redezeit.

(A)







(A) (C)



(D)(B)


Stefan Liebich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805102100

Ich komme zum Schluss. – Wir hoffen, Herr

Steinmeier, dass Sie Ihre Strategie über die gewachsene
Verantwortung unseres Landes noch einmal überdenken.
Unterlassen Sie die Waffenexporte in alle Welt! Wir wol-
len keine Rüstungswettläufe mit den USA, mit Russland,
China oder Frankreich. Gehen Sie stattdessen voran,
wenn es um Ideen zur Vermeidung von gewaltsamen
Konflikten und zur friedlichen Lösung von Konflikten
geht! Stärken Sie die Menschenrechte, und achten Sie
das Völkerrecht!

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1805102200

Erika Steinbach ist die nächste Rednerin für die Frak-

tion der CDU/CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Erika Steinbach-Hermann (Plos):
Rede ID: ID1805102300

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-

gen! Mit diesen weltfremden und realitätsfernen Vor-
schlägen meines Vorredners will ich mich gar nicht aus-
einandersetzen.


(Zurufe von der LINKEN: Oh!)


Die deutsche und die europäische Außenpolitik ste-
hen vor und in gewaltigen Herausforderungen. Wenn wir
heute rund um den Globus schauen, sehen wir die Welt
in zu vielen Regionen in dramatischer Situation, und
zwar nicht nur in entfernten Ländern, sondern auch so
erschreckend nah, dass es uns unter die Haut geht, näm-
lich im Osten unseres eigenen Kontinents, in Europa.

Gleichzeitig erinnern wir uns in diesem Jahr an ganz
wichtige historische Daten, darunter zwei große, die mit
Krieg zu tun haben. Gestern fand hier im Deutschen
Bundestag die Gedenkstunde zum Beginn des Zweiten
Weltkriegs vor 75 Jahren statt. Der polnische Präsident
Bronislaw Komorowski hat in seiner sehr bemerkens-
werten Rede nicht nur den Wert und das Wunder der
Versöhnung und des Miteinanders hervorgehoben,
sondern er hat uns auch sehr gemahnt, dass wir alle in
Europa die gemeinsame Aufgabe haben, die aktuelle
Bedrohung auf unserem Kontinent auch aus den Lehren
der Vergangenheit heraus zu bewältigen.

Für die deutsche Außenpolitik waren und sind auch
deshalb militärische Mittel keine Option zur Bewälti-
gung der Ukraine-Krise. Ich danke der Bundesregierung
für ihren unermüdlichen diplomatischen Einsatz rund
um die Uhr in zahllosen Gesprächen und Verhandlun-
gen, um befriedend einzuwirken. Das kostet viel Geduld,
das kostet Nerven, zumal wenn das Gegenüber über
einen langen Zeitraum mündliche Zusagen macht, die
Taten aber die geradezu entgegengesetzte Sprache spre-
chen. Im Volksmund würde man schlicht von „Lüge“ re-
den.

Unsere Bundesregierung hat alles, aber auch alles da-
rangesetzt, um die Gemeinsamkeiten insbesondere der
Europäischen Union in dieser nicht ungefährlichen Lage
zu erhalten und diese Gemeinsamkeiten sogar noch zu
stärken. Eine unverzichtbare Stütze für diesen ganzen
Problemkreis waren und sind natürlich die Vereinigten
Staaten von Amerika und auch die NATO für uns gewe-
sen. Heute scheint es, als trügen die diplomatischen Be-
mühungen und die unverzichtbaren Sanktionen – sie
sind unverzichtbar, will ich zur Linken hin sagen –


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist falsch!)


gegen die russische Annexionspolitik langsam Früchte.
Ich sage ganz ausdrücklich, dass es sich nicht um eine
Politik gegen Russland und seine Menschen handelt,
sondern es handelt sich um die unverantwortliche
Machtpolitik des Kremls, gegen die wir agieren müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es gibt in Deutschland viele Sympathien für Russland
und für seine Kultur. Ich liebe Tschaikowsky und seine
6. Sinfonie. Es geht mir das Herz auf, wenn ich dieses
Werk höre. Die Werke von Dostojewski und Tolstoi sind
auch für uns hier in Deutschland unverzichtbare Weltli-
teratur. Unsere deutsche Außenpolitik hat auch in den
vergangenen Monaten durch unseren Außenminister und
die Bundeskanzlerin sehr deutlich gemacht, dass die Tü-
ren für ein gutes Miteinander zu Russland offen sind und
dass diese Türen offen bleiben sollen.

Was uns alle antreibt, ist aber auch der Wille, deutlich
zu machen, dass das Völkerrecht, dass die Menschen-
rechte auf unserem Kontinent verteidigt werden müssen
und dass wir bereit sind, sie zu verteidigen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Alle in Europa müssen die Souveränität von Staaten und
die Unverletzlichkeit staatlicher Grenzen respektieren.
Sonst, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wird es
kein dauerhaftes friedliches Miteinander auf unserem
Kontinent geben können.

Wenn nun unser Blick in den Nahen Osten und in den
arabischen Raum oder nach Afrika geht, verstummen ei-
nem fast die Worte vor dem Entsetzlichen, was dort ge-
schieht. Nur wenige Beispiele: die Gewaltexzesse der
menschenverachtenden Terrormiliz „Islamischer Staat
im Irak“ und sogar darüber hinaus, der Bürgerkrieg in
Syrien, die Massaker im Südsudan und in der Zentral-
afrikanischen Republik. Die Triebkraft der Gewalt ist in
diesen Gebieten weitgehend religiöser Fanatismus. Sa-
muel Huntingtons These von einem Kampf der Kulturen
als neue Bruchlinie und Hauptursache für Konflikte und
für politische Instabilität scheint sich in diesen Regionen
erschreckend zu bestätigen.

Das macht vor unseren Türen nicht halt, wenn wir
nicht wachsam sind. Die Terrormiliz „Islamischer Staat“
fordert von Andersgläubigen das Konvertieren zum
Islam ein, ansonsten drohten Tod, Vertreibung, Enteig-
nung. Deshalb muss es uns hier in Deutschland alarmie-
ren, dass in Wuppertal eine sogenannte Scharia-Polizei
in der Innenstadt eine „Scharia-kontrollierte Zone“ für
Muslime propagierte und die strenge Einhaltung von
muslimischen Verhaltensregeln einforderte. Das ist eine
Vorstufe dessen, was wir im Irak in ganz entsetzlicher





Erika Steinbach


(A) (C)



(D)(B)

Form erleben. Gegen diese religiöse Intoleranz muss un-
ser Staat genauso konsequent vorgehen wie gegen die
Bedrohung von christlichen Flüchtlingen in Asylbewer-
berheimen durch muslimische Flüchtlinge.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es kann doch nicht sein und es darf auch nicht sein, dass
wir in Deutschland durch importierte Intoleranz unsere
Werte aushebeln lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Es reicht schon die eigene Intoleranz!)


Der Satz „Wehret den Anfängen!“ gilt auch hier.

Die Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge ist in
Deutschland deutlich gestiegen. Wir brauchen zügige
Verfahren, und die Anträge müssen baldmöglichst ent-
schieden werden. Wir können erkennen: Die Hilfsbereit-
schaft hier im Lande ist wirklich groß. Das liegt auch
daran, dass viele Millionen deutsche Heimatvertriebene
und Aussiedler sowie deren Kinder wissen, was es
bedeutet, heimatlos und entwurzelt zu sein. Deshalb
begrüße ich sehr – ich bedanke mich dafür bei der Bun-
desregierung –, dass ein jährlicher Gedenktag für die
Opfer von Flucht und Vertreibung beschlossen wurde
und dabei insbesondere an das Schicksal der deutschen
Heimatvertriebenen erinnert werden soll.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Gerade im Hinblick auf künftige Generationen ist es gut,
dass dieser Gedenktag jährlich am 20. Juni, dem Welt-
flüchtlingstag, begangen wird. Damit wird das wichtige
Signal gesetzt, dass Menschenrechte unteilbar sind. Die
deutschen Heimatvertriebenen stehen an der Seite der
heutigen Vertriebenen weltweit und fühlen mit ihnen.

Mit Erschrecken müssen wir erkennen, dass Vertrei-
bung keine Vokabel von gestern ist; Vertreibung stellt
vielmehr eine wachsende Herausforderung für die Zu-
kunft und die ganze Weltgemeinschaft dar.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Mehr als 51 Millionen Menschen sind weltweit auf der
Flucht oder werden vertrieben. Aufnahmeprogramme in
Deutschland sind da ein Zeichen des guten Willens und
der Hilfsbereitschaft, aber sie können nur ganz marginal
die Not für sehr wenige lindern, selbst wenn wir die
Programme aufstocken. Wichtig und richtig ist deshalb
der Weg der Bundesregierung und der deutschen Außen-
politik, alles Erdenkliche zu tun, um den Bedrängten vor
Ort zu helfen und dort befriedend einzuwirken.

Das zentrale Ziel unserer Politik und der Völkerge-
meinschaft muss die Durchsetzung des Heimatrechts der
Minderheiten auch im Irak sein.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Alles andere würde den IS-Terroristen mit ihren Vertrei-
bungen und ihrer perfiden Strategie in die Hände spie-
len. Das können wir nicht wollen. Auch die Repräsen-
tanten der irakischen Minderheiten im Lande selbst und
hier bei uns in Deutschland sehen das so und fordern,
dass Jesiden und Christen in ihrer angestammten Heimat
eine Zukunft haben müssen. Wir müssen also vor allem
vor Ort helfen, um den Menschen dort eine Perspektive
zu geben, damit die jahrhundertealten religiösen und
kulturellen Traditionen bewahrt werden können. Dem
trägt die Bundesregierung mit ihrer Kombination aus hu-
manitärer Hilfe und Stärkung der militärischen und poli-
tischen Kapazitäten des irakischen Staates Rechnung.
Diesen Weg müssen wir konsequent weitergehen.

Alles in allem stelle ich fest: Die deutsche Außen-
und Menschenrechtspolitik nimmt ihre Verantwortung in
der Völkergemeinschaft für Deutschland wahr und zeigt
sich solidarisch mit den Flüchtlingen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1805102400

Frau Kollegin!


Erika Steinbach-Hermann (Plos):
Rede ID: ID1805102500

Ich bin gleich fertig, Herr Präsident. – Die Bewah-

rung des Friedens für Deutschland und für Europa ist
eine Aufgabe, die bei dieser Bundesregierung in sehr gu-
ten Händen liegt.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1805102600

Das Wort hat nun der Kollege Tobias Lindner für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1805102700

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin im
Sommer 2011 Mitglied dieses Hohen Hauses geworden.
Das war zu einem Zeitpunkt, als sich die Euro-Krise auf
dem Höhepunkt befand. Damals schien es, als sei Au-
ßenpolitik ein Politikfeld, das aus der Mode gekommen
sei und nicht mehr hoch im Kurs stünde. Man muss
heute, drei Jahre später, mit Bedauern feststellen: Dem
ist nicht so. Ich sage deswegen „mit Bedauern“, weil der
Anlass – das merkt man auch an dieser Debatte – eine
Parallelität an internationalen Krisen ist, wie wir sie bis-
her kaum erlebt haben.

Außenpolitik besteht vielfach aus Diplomatie. Mitei-
nander zu reden oder zu telefonieren, kostet nicht viel; es
kostet nahezu gar nichts. Dennoch geht es bei der Wirk-
samkeit von Außenpolitik vielfach auch um Geld und
um Haushaltsmittel. Wenn wir in Deutschland über mehr
Verantwortung in der Welt diskutieren, dann muss dieses
Mehr an Verantwortung für ein Land mit unserer Wirt-
schaftskraft auch bedeuten, dass wir in der Liste der Ge-
berländer für humanitäre Hilfe und bei anderen Zahlun-
gen nicht immer weiter nach unten rutschen. Wir müssen
unserer Verantwortung auch an dieser Stelle gerecht
werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Für das Haushaltsjahr 2013 haben wir 335 Millionen
Euro für humanitäre Hilfe bereitgestellt. Ich denke, in ei-
nem Punkt geht es uns allen ähnlich: Normalerweise hat
man als Politiker immer gerne recht.





Dr. Tobias Lindner


(A) (C)



(D)(B)


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Nur Herr Gysi!)


Ich muss gestehen: Als ich im Rahmen der Haushaltsbe-
ratungen für das Jahr 2014 beantragt habe, die Gelder für
humanitäre Hilfe, die im Haushalt 2014 nur noch
303 Millionen Euro betragen, zu erhöhen, hätte ich mich
gerne geirrt. Ich hätte mich in der Annahme, dass wir
mehr brauchen werden, gerne geirrt. Ich hätte gerne ei-
nen Haushalt gehabt, der mehr Mittel für humanitäre
Hilfe bereitstellt, damit der Minister am Ende des Jahres
sogar noch Geld zurückgeben kann, wie das im Verteidi-
gungsministerium der Fall ist. Es ist beschämend, zu se-
hen, dass wir für das Jahr 2014 im Bereich der humanitä-
ren Hilfe unplanmäßige Ausgaben haben werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE])


Herr Steinmeier, Sie haben uns für 2015 einen Haus-
halt vorgelegt, in dem nur noch 187 Millionen Euro für
dieses Feld vorgesehen sind. Frithjof Schmidt sprach
schon von einer 38-prozentigen Kürzung. Ich fordere Sie
auf: Wickeln Sie es nicht wieder über überplanmäßige
Ausgaben ab! Beenden Sie die Achterbahnfahrt im Be-
reich der humanitären Hilfe!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Hier geht es nicht um Zahlen. Hier geht es um ganz kon-
krete Schicksale. Hier geht es um Menschen. Die Hilfs-
organisationen, die Hilfe leisten sollen, brauchen endlich
Planbarkeit. Deswegen muss dieser Mittelansatz deut-
lich erhöht werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Kollegin Steinbach, Sie haben davon gespro-
chen, dass man auch an die Ursachen von Flucht und
Vertreibung denken muss. Andere Kollegen sprachen
davon, dass wir früher reagieren müssen. Es geht daher
nicht, dass die Mittel für Krisenpräventionen in diesem
Haushaltsplan ebenfalls heruntergefahren werden sollen.
Wir Grüne fordern schon seit Jahren und werden das im
Rahmen dieser Haushaltsberatungen auch wieder bean-
tragen, dass man endlich einen Ressortkreis „Zivile Kri-
senprävention“ einrichtet.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Kompetenzen, die im Auswärtigen Amt, im In-
nenministerium – ich denke da vor allen Dingen an die
Polizeiausbildung –, im Verteidigungsministerium und
vor allem auch im Bundesministerium für wirtschaftli-
che Zusammenarbeit und Entwicklung vorhanden sind,
müssen wir anhand von ressortübergreifenden Mitteln
stärken. Wir müssen an dieser Stelle für vermehrte Zu-
sammenarbeit und für Kooperationen sorgen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir Grüne werden in den anstehenden Haushaltsbera-
tungen, auch wenn ich heute auf dem Feld der Außen-
politik viel Einigkeit gesehen habe, den Finger auf die
Wunde legen. Wir werden ganz konkret aufzeigen, wo
wir weniger Geld in anderen Ressorts ausgeben würden,
um die deutsche Außenpolitik, die humanitäre Hilfe und
die Krisenprävention auch finanziell zu stärken, damit
Deutschland an dieser Stelle seiner Verantwortung in der
Welt gerecht wird.

Ich danke Ihnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1805102800

Frank Schwabe erhält das Wort für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Erika Steinbach [CDU/CSU])



Frank Schwabe (SPD):
Rede ID: ID1805102900

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

In der Tat, es ist eine Haushaltsdebatte. Bei einer Haus-
haltsdebatte geht es um die Generallinien der Politik. Es
geht aber eben auch darum, wie diese Generallinien der
Politik im Haushalt abgebildet werden. Ich will gleich
am Anfang mit der Tür ins Haus fallen: Es ist vielfach
gesagt worden, dass der Ansatz für die humanitäre Hilfe
zu gering ist. Hier muss innerhalb der Haushaltsberatun-
gen – dafür sind es ja auch Haushaltsberatungen des Par-
laments – deutlich aufgestockt werden; das ist völlig
klar.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Man muss Deutschland loben, weil die Ansätze in den
letzten Jahren durchaus deutlich erhöht worden sind und
Deutschland wirklich eine führende Rolle bei der huma-
nitären Hilfe spielt. Aber die Herausforderung ist viel-
fach benannt worden in dieser Haushaltsdebatte, auch
gestern Abend in der Debatte zur Entwicklungszusam-
menarbeit. Es gibt 51 Millionen Flüchtlinge weltweit.
Das ist die höchste Zahl seit dem Zweiten Weltkrieg. Es
gibt noch viel mehr Hilfsbedürftige. Die Vereinten Na-
tionen schätzen, dass wir allein im Jahr 2014 etwa
17 Milliarden US-Dollar brauchen, um den Bedarf an
humanitärer Hilfe zu decken. Das Schlimme an dieser
Zahl ist eigentlich, dass dieser Bedarf zurzeit erst zu
40 Prozent gedeckt ist. Das heißt umgekehrt: 60 Prozent
des Bedarfs sind nicht durch entsprechende Mittel ge-
deckt. Das bedeutet letztendlich, dass wir – nicht wir al-
leine, aber mit anderen in der Weltgemeinschaft – über
Leben und Tod von Hunderttausenden von Menschen
entscheiden. Das ist so. Deswegen geht es hier wirklich
nicht um Zahlenhuberei, sondern ganz konkret um das
Schicksal von Menschen.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich finde es
richtig, dass wir im Deutschen Bundestag über Mandate
der Bundeswehr diskutieren, sehr engagiert und heftig
über Waffenlieferungen in den Irak diskutieren, über Af-
ghanistan-Mandate und anderes. Ich würde mir aller-
dings wünschen, dass wir, wenn man die Dimension der
Herausforderungen und die Möglichkeit, Menschen zu
helfen, bedenkt, mit ähnlicher Intensität eben auch über
die Einsätze im Bereich der humanitären Hilfe interna-
tional diskutieren,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)






Frank Schwabe


(A) (C)



(D)(B)

über das, was gut läuft, aber eben auch darüber, wo wir
zukünftig noch helfen können. Denn es ist vollkommen
klar: Mit Waffengewalt werden wir Not und Elend in der
Welt nicht besiegen, mit humanitärer Hilfe im Übrigen
auch nicht. Aber wir können verdammt viel tun, um das
Leid und das Elend der Menschen zu mindern. Insofern,
glaube ich, ist beim Finanzminister auch der Ruf des ge-
samten Hauses heute gehört worden.


(Beifall bei der SPD)


Ich will auf das Thema Ebola eingehen. Aktuell sind
Hunderttausende von Menschen bedroht, nicht nur durch
die Krankheit Ebola selbst, sondern auch dadurch, dass
sehr viele Menschen in den vier betroffenen westafrika-
nischen Staaten zurzeit überhaupt nicht mehr behandelt
werden. Wenn sie mit einer Erkältung, mit einem
Schnupfen oder mit schlimmeren Erkrankungen zum
Arzt gehen, werden sie zum Teil überhaupt nicht mehr
behandelt. Es erreichen uns dramatische Appelle, zum
Beispiel der Ärzte ohne Grenzen, die dort engagiert sind.
Ihnen möchte ich wirklich einmal stellvertretend für
viele danken. Diese Menschen setzen täglich ihr Leben
aufs Spiel. Vielen Dank für diese Arbeit!


(Beifall im ganzen Hause)


Die Botschaft, die uns erreicht, ist, dass sie sich al-
leingelassen fühlen. Mittlerweile gerät die Situation in
Westafrika völlig aus den Fugen. Mich hat gestern ein
Brief von Dr. Amegashie erreicht – ich habe ihn auch
gleich weitergeleitet an den Außenminister –, der drin-
gend um Schutzkleidung, Ambulanzfahrzeuge und ande-
res bittet. Er beschreibt konkret, woran es eigentlich
mangelt. Mir ist vollkommen klar, dass man die Hilfe
über die WHO koordinieren muss. Trotzdem frage ich
mich, ob wir eigentlich genug tun, ob es eigentlich nicht
viel schneller gehen könnte, Schutzanzüge zu liefern,
Fahrzeuge zu liefern, Medikamente zu liefern, Diagno-
seeinrichtungen zu liefern. Ich glaube, dass Europa und
auch Deutschland in den nächsten Wochen mehr tun
müssen, sehr viel mehr tun müssen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich will zum Schluss – ich muss mich ja zeitlich et-
was beschränken – noch auf die Situation der Flücht-
linge vor Ort aufmerksam machen. Natürlich wollen wir
den Menschen in den Herkunftsländern helfen – gar
keine Frage. Deswegen müssen wir ja die Mittel für die
humanitäre Hilfe und die Nothilfe massiv erhöhen. Am
Ende wird es aber trotzdem so sein, dass viele Menschen
den beschwerlichen Weg auf sich nehmen und zu uns
kommen, wenn sie nicht jammervoll im Mittelmeer ertrin-
ken oder in der Türkei, in Jordanien oder in anderen Län-
dern landen. Mein Eindruck ist, dass – auch bei uns – mit
Blick auf die Situation der Flüchtlingsunterkünfte, aber
auch auf das Verständnis der Menschen vor Ort noch viel
getan werden muss.

Ich habe gestern sehr intensiv mit einer Schulklasse
aus meinem Wahlkreis diskutiert. Mein Eindruck ist,
dass noch nicht richtig angekommen ist, welchem Elend
die Menschen ausgesetzt sind, um die es sich hier han-
delt. Ich fordere uns alle auf – ich glaube, das ist unsere
Aufgabe –, in den Wahlkreisen mit den Menschen, mit
den Kirchen, mit vielen gesellschaftlichen Organisatio-
nen zu diskutieren, um mit Blick darauf, was in der Tat
– ob wir es wollen oder nicht – in den nächsten Wochen
und Monaten auf uns zukommt, ein entsprechendes
Klima zu schaffen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1805103000

Das Wort erhält nun der Kollege Detlef Seif für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Detlef Seif (CDU):
Rede ID: ID1805103100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ent-

wicklung in der Ukraine und das rücksichtslose Vorge-
hen Putins zeigen, dass Russland rote Linien überschrei-
tet, dass Völkerrecht gebrochen wird – Entsendung von
Söldnern, Soldaten und Waffen; wir haben bereits im
Einzelnen darüber diskutiert. Die Anrainerstaaten Russ-
lands sind wachgerüttelt. Sie machen sich ernsthaft Sor-
gen; sie sehen eine ernste Bedrohung.

Auch in Deutschland – gestern gab es dazu eine On-
lineumfrage – macht sich ein Großteil der Bevölkerung
Sorgen über die weitere Entwicklung, auch um Europa.
Aber geht tatsächlich eine aktuelle Bedrohung von Russ-
land aus, die uns, die NATO-Staaten, die EU-Staaten, be-
trifft? Steht die Besetzung von Estland, Lettland, Litauen
unmittelbar bevor? Ist die Situation gar vergleichbar mit
der in Ungarn 1956 oder in der Tschechoslowakei 1968?

Ganz eindeutig: nein. Putin steht zwar für Machtmiss-
brauch und Korruption, für Zentralismus, Verletzung der
Menschenrechte, Gleichschaltung der Medien, politisch
motivierte Gerichtsurteile und Bruch des Völkerrechts,
es gibt aber keine Anzeichen dafür, dass Putin Staaten
der Europäischen Union destabilisieren oder/und sie so-
gar besetzen will.

Die Annexion der Krim und die russischen Aktionen
auf ukrainischem Staatsgebiet dienen vielmehr einem
handfesten machtpolitischen Ziel: Russland will seinen
territorialen Einflussbereich in der Region abstecken.
Russland sieht natürlich eine hohe strategische, militäri-
sche Bedeutung der Krim – ein Militärstützpunkt für
Schwarzes Meer und Mittelmeer. Diesen galt es aus rus-
sischer Sicht zu sichern. Russland will die Ukraine als
Nachbar schwächen, um in der Region die Vormachtstel-
lung zu bewahren.

Wenn es Putin aber tatsächlich darum ginge, Meter
für Meter Gebiet zu erobern und zu halten, dann wäre
der Friedensplan, der jetzt in der Ukraine in der Umset-
zung ist, nicht nachzuvollziehen. Die russischen Kräfte
– das wird beobachtet – ziehen sich zurück. Das wäre
nicht nachzuvollziehen, wenn tatsächlich eine unmittel-
bare Bedrohung für Europa in Gänze bestünde. Niemand
weiß aber, wie sich die russische Politik weiterentwi-
ckeln wird. Russland rüstet auf. Russland hat seine Nu-
klearfähigkeiten reaktiviert. Russland ist im Moment





Detlef Seif


(A) (C)



(D)(B)

dabei, Waffen einzukaufen, zu modernisieren. Und
Russland kann in der Zukunft gegebenenfalls, bei einer
anderen Ausrichtung, gefährlich werden.

Die Bundeskanzlerin hat mit Blick auf die baltischen
Staaten noch einmal deutlich die Beistandspflicht betont.
Meine Damen und Herren, das ist nicht lediglich ein
Papiertiger, eine Wiederholung der Vertragstexte des
NATO- und des EU-Vertrages, nein. Wir sind zwar ver-
pflichtet, Beistand zu leisten, aber alle Juristen sind sich
einig: In den Verträgen ist keine konkrete Art der Ver-
pflichtung, in welchem Umfang und wie man sich betei-
ligen muss, vorgeschrieben. Deshalb war die Botschaft
der Bundeskanzlerin an dieser Stelle sehr wichtig.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Botschaft für uns lautet: Wir lassen keinen Part-
ner im Stich. Im Notfall sind wir solidarisch und stehen
alle gemeinsam beieinander. Aggression, Angriff und
Bruch des Völkerrechtes darf es nicht geben. Wir wer-
den uns alle mit allen Möglichkeiten und Fähigkeiten da-
gegen zur Wehr setzen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, wir haben die Bundes-
wehr bekanntlich neu ausgerichtet. Wir haben aber bis
heute – der Kollege Schockenhoff hat es angedeutet –
keine sicherheitspolitische Generaldebatte bzw. Strate-
giedebatte geführt. Gemeinsam mit dem Kollegen
Roderich Kiesewetter – er ist heute auch anwesend – bin
ich der Auffassung, dass wir gerade angesichts der ak-
tuellen Entwicklung dringendst im Bundestag eine Stra-
tegiedebatte zu führen haben.

Erstens. Wie definiert Deutschland seine außen- und
sicherheitspolitischen Aufgaben? Zweitens. Welche
Zielrichtung folgt aus diesen außen- und sicherheitspoli-
tischen Interessen Deutschlands? Drittens. Welche Re-
gionen sind im Fokus? Viertens. Welche zivilen und mi-
litärischen Instrumente – die Kombination ist wichtig –
wollen wir in unserer Planung einsetzen? Fünftens. Wie
lässt sich in der Planung eine verstärkte Zusammenar-
beit, Bündelung und Teilung der Aufgaben innerhalb des
NATO-Bündnisses und innerhalb der gemeinsamen Aus-
richtung der Europäischen Union effektiver und besser
darstellen?

Führen wir die Strategiedebatte nicht, brauchen wir
uns nicht zu wundern, dass wir in Zukunft eventuell so-
genannten strategischen Schocks ausgesetzt werden wie
in der Vergangenheit. Man hat innerhalb der Bundes-
wehr gewisse Entwicklungen für unwahrscheinlich ge-
halten und deshalb die Strategie der Bundeswehr nicht
darauf ausgerichtet.

Konflikt- und Krisenmanagement kann weiterhin nur
funktionieren, wenn die militärischen und zivilen Hand-
lungsfelder umfassend miteinander vernetzt werden. Der
Bundestag geht mit der Einrichtung des Unterausschus-
ses im Auswärtigen Ausschuss für zivile Krisenpräven-
tion eindeutig in die richtige Richtung. Aber die best-
möglichen Ergebnisse können wir als Bundestag nur
dann erzielen, wenn alle Bereiche, die damit zusammen-
hängen, miteinander vernetzt werden. Das sind Außen-
und Innenpolitik, Verteidigung, Entwicklungszusam-
menarbeit, Wirtschaft, Recht und Europa bzw. die Euro-
päische Union. Das sollten wir zügig angehen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Erst wenn wir die Strategiedebatte geführt haben,
wird feststehen, welche Aufgaben die deutsche Außen-
und Sicherheitspolitik definiert und ob eine bessere Zu-
sammenarbeit auf europäischer Ebene oder auf der
Ebene des Bündnisses in Betracht kommt.

Wir alle haben natürlich die schwarze Null im Blick.
Sie ist wichtig. Aber für die CDU/CSU-Bundestagsfrak-
tion – ich sehe Norbert Barthle, unseren haushaltspoliti-
schen Sprecher – ist die innere und äußere Sicherheit
nach wie vor eine Kernkompetenz. Sie ist unverzichtbar.
Erst dann, wenn durch die Strategiedebatte feststeht,
welche Aufgaben zu erfüllen sind, werden wir wissen,
ob wir zusätzlichen finanziellen Bedarf haben. Wir dür-
fen auf keinen Fall zulasten der Sicherheit sparen.

Europa braucht eine Außenpolitik aus einem Guss.
Die Europäische Union wird immer noch als außenpoli-
tischer Zwerg wahrgenommen. Ich halte die Kritik in
dieser Härte für überzeichnet. Aber eines ist doch klar:
Die neue Kommission muss der neuen Hohen Vertreterin
für Außen- und Sicherheitspolitik in jedem Fall viel stär-
ker als bisher die Kompetenz der Außenpolitik auf der
Ebene der Europäischen Union einräumen und ihr diesen
Stellenwert auch zugestehen. Es ist nicht in Ordnung,
dass bereits im Vorfeld des Amtsantritts an der neuen
Außenbeauftragten Federica Mogherini Kritik geübt
wurde. Geben wir ihr doch eine Chance! Wir wünschen
ihr wie auch dem Kommissionspräsidenten Jean-Claude
Juncker und dem gestern vorgestellten Team alles Gute
und eine möglichst gute Arbeit für Europa und die Welt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Außenpolitik ist eines der wichtigsten Felder. Lassen
Sie uns gemeinsam eine Außenpolitik für die Menschen
betreiben.

In diesem Sinne vielen Dank. Arbeiten Sie mit an den
besten Lösungen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1805103200

Liebe Kolleginnen und Kollegen, als letzter Redner in

dieser Debatte hat der Kollege Alois Karl das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Alois Karl (CSU):
Rede ID: ID1805103300

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als letzter
Redner in einer solchen Debatte habe ich es nicht ganz
einfach, den Spannungsbogen noch ein bisschen auf-
rechtzuerhalten. Mir ergeht es fast wie jenem evangeli-
schen Pfarrer aus meinem Wahlkreis, der kürzlich bei
der Einweihung eines öffentlichen Gebäudes gesagt hat:





Alois Karl


(A) (C)



(D)(B)

Es ist schon alles gesagt, bloß noch nicht auf Evange-
lisch.


(Heiterkeit)


Er musste nach vielen Eröffnungs-, Fest- und Grußwort-
rednern sprechen. Er hat es geschafft und gesagt: Ich
gratuliere Ihnen, dass Sie dageblieben sind; denn Sie er-
leben nun den Höhepunkt des Vormittags.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ganz so weit ist es dann nicht gekommen. Aber er hat
den Spannungsbogen aufrechterhalten. Die Haushalts-
politiker sprechen bei den Beratungen über die jeweili-
gen Einzelpläne immer zum Schluss, Herr Bundes-
außenminister. Um in der klerikalen Sprache zu bleiben:
Die Letzten werden die Ersten sein. – Das wird so sein,
wenn im November bzw. Dezember der Haushalt verab-
schiedet wird. Liebe Frau Barnett, dann werden wir
durchaus die Ersten sein.

Der Bundestag arbeitet in einer gewissen Abfolge;
das ist planbar. Nach der Sommerpause beginnt die
Herbstarbeit mit dem Einbringen des Haushalts. Lieber
Herr Lindner, Sie haben vorhin beklagt, dass der Bun-
desaußenminister die Mittel für die humanitäre Hilfe
knapp bemessen habe. Herr Steinmeier, ich muss Sie
hier reinwaschen. Nicht Sie, sondern Herr Schäuble ist
für den entsprechenden Mittelansatz verantwortlich.
Aber darüber werden wir in den anstehenden Haushalts-
beratungen noch diskutieren.

Wir werden im Herbst über den vorliegenden Haus-
haltsentwurf intensiv beraten. Es geht um Hunderte,
Tausende Haushaltsstellen. Es wird gefeilscht werden
wie bei den Bürstenbindern. „Business as usual“, könnte
man sagen. Dennoch ist es heuer etwas anderes, weil wir
erstmalig nach 45 Jahren einen Haushalt mit null Neu-
verschuldung vorlegen können. Das erfüllt uns mit ge-
wissem Stolz, zumindest aber mit großer Zufriedenheit.
Als Vertreter der CSU darf ich durchaus darauf hinwei-
sen, dass Franz Josef Strauß der letzte Finanzminister
war, dem das 1969 gelungen ist. Danach gab es eine
ganze Phalanx aus tüchtigen Finanzministern – von Axel
Möller über Karl Schiller bis hin zu Peer Steinbrück –,


(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben Theo Waigel vergessen!)


die allesamt es nicht geschafft haben, mit dem Geld aus-
zukommen, das sie eingenommen haben. Nun schaffen
wir das seit langer Zeit wieder einmal. Das ist durchaus
berichtens- und bemerkenswert. Es ist vernünftig, mit
dem Geld, das man einnimmt, auszukommen.


(Beifall des Abg. Johannes Kahrs [SPD])


So sichert man die Freiheit der nächsten Generation, die
dann mit ihrem Geld auskommen kann und nicht die
Schulden und die Zinslast der vorherigen Generation tra-
gen muss.

In der Politik verhält es sich ganz genauso wie im
privaten Bereich. Man hat denjenigen lieber, der etwas
verteilt, als denjenigen, der mit harter Hand spart.
Wenn der Onkel zu uns zu Besuch gekommen ist und
uns 5 D-Mark in die Hand gedrückt hat, dann war er lie-
ber gesehen als die Tante, die bloß am Klavier vorge-
spielt hat. So verhält es sich auch in der Politik. Herr
Schäuble sorgt mit großem Einsatz, großer Energie und
großer Härte für einen soliden Haushalt. Ich bin sehr zu-
versichtlich, dass dieser Haushalt mit null Neuverschul-
dung kein singuläres Ereignis bleiben wird. Wir begin-
nen nun möglicherweise eine neue Ära und verhalten
uns in den nächsten 45 Jahren haushalterisch vielleicht
vernünftig und machen keine neuen Schulden.

Wir haben heuer noch etwas anderes erlebt, was noch
gar nicht so auf das Tapet gekommen ist. Erstmals seit
1950 ist die Gesamtverschuldung des Staates, die kumu-
lierten Schulden von Bund, Ländern, Gemeinden und
Sozialversicherungsträgern, gesunken. Wir hatten im
letzten Jahr 30 Milliarden Euro weniger Schulden als im
Jahr 2012. Das ist eigentlich eine gute Meldung – man
sagt „Good news are bad news“ –, die in den Medien
aber eigentlich gar nicht so zur Geltung gekommen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir freuen
uns, dass wir das, was wir im Wahlkampf versprochen
haben – die Neuverschuldung auf null zu senken –, was
wir in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben haben, in
der Tat auch halten. In der Fußballersprache ist der Aus-
druck „Die Null muss stehen“ bekannt. Wer auf diesem
Gebiet nicht so bewandert ist, dem darf ich sagen: Damit
ist gemeint, dass es schon der halbe Gewinn ist, wenn
man selber kein Tor hineinbekommt. Schlimmstenfalls
spielt man nur unentschieden, oder man gewinnt das
Spiel, wenn man selbst ein Tor schießt. – Wir haben uns
unseren haushaltspolitischen Gewinn erarbeitet, und wir
werden ihn nutzen, um eine finanziell angemessen aus-
gestattete Außenpolitik betreiben zu können.

Lieber Kollege Steinmeier, Sie selber und auch die
Kollegen haben darauf hingewiesen, wie verworren die
weltpolitische Lage ist. Keiner hat bisher allerdings da-
rauf hingewiesen, dass heute der 11. September ist. Ich
will daran erinnern: Vor 13 Jahren genau um diese Zeit
wurden die Zwillingstürme des World Trade Center in
New York durch unglaubliche, nicht fassbare terroristi-
sche Anschläge zerstört. Daran sieht man, wie dauerhaft
labil die Situation trotz unserer Außenpolitik ist. Wir
müssen daher alles daransetzen, um für Frieden und
Freiheit in der Welt zu sorgen.

Lieber Fraktionsvorsitzender Volker Kauder, Sie ha-
ben hier gestern dankenswerterweise Rupert Neudeck,
den Begründer der Cap Anamur – er hat viele Tausend
Boatpeople gerettet –, zitiert. Er hat gesagt, dass er nicht
möchte, dass Menschen für die Reinheit seines Pazifis-
mus sterben. Er hat damit gemeint, dass es durchaus
richtig ist, dass wir Waffen in den Irak liefern, um den
dort bedrängten Menschen zu Hilfe zu eilen.

Viele haben in diesem Zusammenhang von Tabu-
bruch gesprochen; auch heute war das der Fall. Herr
Liebich, ich glaube, Sie haben sich so geäußert. Ich
möchte das nicht so stehen lassen. Wir müssen den Men-
schen dort in ihrer bedrängten Situation helfen. Bloß
weiterzudiskutieren, Besprechungen durchzuführen,
Konferenzen abzuhalten, katarischen Scheichs den





Alois Karl


(A) (C)



(D)(B)

Geldhahn zuzudrehen, das wäre doch völlig sinnlos, und
damit wäre den von ISIS bedrohten Menschen in gar kei-
ner Weise geholfen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man je
von einem Tabubruch hätte sprechen wollen, dann wäre
das 1999 angemessen gewesen, als die damalige rot-
grüne Bundesregierung, möglicherweise aus guten
Gründen, deutsche Truppen in den Kosovo entsandt hat;
erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg wurden deutsche
Soldaten somit in einen Krieg entsandt. Dies geschah
unter Federführung von Joschka Fischer, der früher ein-
mal die Gallionsfigur der deutschen Friedensbewegung
gewesen war.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: So friedlich war der gar nicht, der Joschka! Da sind die Steine geflogen!)


Das und nichts anderes war meines Erachtens ein Tabu-
bruch. Darauf hätten Sie, der geschichtlichen Wahrheit
entsprechend, durchaus hinweisen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube,
es ist richtig, was Sie, Herr Steinmeier, gesagt haben:
Man kann sich nicht nur durch Tun, sondern auch durch
Unterlassen fehlverhalten. Wenn wir unser Handeln, das
wir in der letzten Woche hier beschlossen haben, unter-
lassen hätten, dann hätten wir uns an den Verbrechen an
vielen Tausend Christen, Jesiden und Kurden mitschul-
dig gemacht, da sie dem Tod ausgeliefert gewesen wä-
ren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine Rede-
zeit schreitet voran. Frau Präsidentin, ist das richtig? Ich
bin nicht ganz sicher, ob die Uhr am Rednerpult funktio-
niert.


(Heiterkeit – Gunther Krichbaum [CDU/ CSU]: Das sind wir alle nicht!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1805103400

Da können Sie ganz sicher sein.


Alois Karl (CSU):
Rede ID: ID1805103500

Sei es, wie es sei. – Die humanitäre Hilfe ist ange-

sprochen worden. In der Tat – da gebe ich den Vorred-
nern recht – werden wir da korrigieren. Wir können im
Jahr 2015 nicht auf den Stand von 2013 zurückfallen.
2013 haben wir unseren Haushalt in diesem Titel dann
aber um 80 Prozent überziehen müssen. Warum? Weil
von uns humanitäre Hilfe weltweit verlangt worden ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch die
Haushaltsmittel für die Transformationsgesellschaften,
gerade was Libyen anbelangt, werden wir überdenken
müssen. Gerade in solchen Gesellschaften ist die Situa-
tion unendlich verworren. Niemand weiß, wie man
transformieren soll und mit wem man es dort als Ge-
sprächspartner zu tun hat.

Ich möchte, Frau Präsidentin, mit Ihrer Genehmigung
einen allerletzten Punkt ansprechen. Wir waren vor we-
nigen Tagen in Rumänien. Es geht um die Förderung der
deutschen Sprache. Die deutsche Minderheit dort ist seit
mehr als 700 Jahren integraler Bestandteil des Landes,
ist von allen Regierungen geschützt worden – auch vom
kommunistischen Regime –, die den Wert der deutschen
Minderheit erkannt haben. Auch hier meine ich: Es steht
uns gut an, diese hervorragende Tradition aufrechtzuer-
halten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube:
Unsere deutsche Außenpolitik ist bei Ihnen, lieber Herr
Steinmeier, in guten Händen. Ich möchte mit den Kolle-
ginnen und Kollegen alles dafür tun, dass wir auch in
Zukunft eine gute, gestaltende Außenpolitik betreiben
können. Wir wünschen uns dazu gemeinschaftlich alles
Gute.

Ich bedanke mich herzlich für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1805103600

Herr Karl, es ist Ihnen offensichtlich genauso wie

dem evangelischen Pfarrer gelungen, dass Ihnen alle
Kollegen bis zum Ende zugehört haben.

Weitere Wortmeldungen liegen mir zu diesem Einzel-
plan nicht vor. Deshalb beende ich die Debatte über die-
sen Einzelplan.

Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Bildung und Forschung, Einzel-
plan 30.

Das Wort hat als erste Rednerin die Bundesministerin
Professor Dr. Johanna Wanka. – Frau Wanka, Sie haben
das Wort.

Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, etwas zügiger
die Plätze zu wechseln, damit die Ministerin Ihre unge-
teilte Aufmerksamkeit hat.

Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kürz-
lich hat der Guardian Deutschland gelobt. Er hat ge-
schrieben, dass wir toll sind, dass wir bewundert werden
– ja, der Guardian hat das geschrieben –, und er hat dazu
aufgefordert, dass man Deutschland nicht nur bewun-
dern, sondern dass man sich von Deutschland inspirieren
lassen und lernen sollte.

Deutschland steht im Moment als Forschungsstandort
und Innovationsstandort in den Rankings ganz oben.
Ganz entscheidend dafür, dass das erreicht wurde, ist die
Tatsache, dass seit 2005 Jahr für Jahr die Ausgaben für
Bildung und Forschung im Bund gestiegen sind. Seit
Angela Merkel Bundeskanzlerin ist, hat es jedes Jahr
ohne Ausnahme einen höheren BMBF-Haushalt gege-
ben. Den gibt es auch 2015. Wenn wir die Jahre 2014
und 2015 vergleichen, dann sind es 1,2 Milliarden Euro
mehr.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Jetzt muss ich, weil ich schon den Zwischenruf er-
warte, sagen: Das sind 1,2 Milliarden Euro Cash mehr.
Hier ist die globale Minderausgabe schon abgerechnet.
Es gibt also wirklich echt 1,2 Milliarden Euro mehr,
8,6 Prozent. Die globale Minderausgabe – klar, es ist





Bundesministerin Dr. Johanna Wanka


(A) (C)



(D)(B)

besser, wenn sie noch niedriger wäre – macht 3 Prozent
des Gesamthaushaltes aus. Das muss man sich vor
Augen führen. Seit 2005 hatten wir, wie gesagt, jedes
Jahr eine Steigerung des BMBF-Haushaltes. In dieser
Legislaturperiode gibt es von 2014 bis 2017 nochmals
eine Steigerung um 25 Prozent.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


In den Jahren 2014 und 2015 ist die Steigerung
schwächer, danach sehr steil. Bei 25 Prozent mehr Geld
sind das dann 17 Milliarden Euro für diesen Haushalt;
gestartet sind wir 2005 bei 7 Milliarden Euro.

Da sagte doch an dieser Stelle gestern Herr Gysi in
diesem Haus: Die Investitionen in Bildung fallen aus. –
Also, hier gibt es nur zwei Varianten: Entweder weiß er
es nicht besser,


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Nee!)


oder er weiß es, und es passt nicht in seinen Plan.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir denken nach vorne. Trotz Haushaltskonsolidie-
rung gibt es in dieser Legislaturperiode wiederum den
Schwerpunkt Forschung und Bildung. Es ist eindeutig
so, dass wir das, was im Koalitionsvertrag steht, nämlich
„Deutschlands Zukunft gestalten“, mit diesem Haushalt
können und auch machen. Das ist angesichts der Bil-
dungsexpansion gerade in den Schwellenländern der ein-
zig richtige Weg. Wir müssen ihn unbedingt weitergehen
und entscheiden: Was ist der Platz Deutschlands in der
Welt von morgen? Es geht nicht nur um das Brutto-
sozialprodukt oder anderes, sondern auch ganz entschei-
dend um individuelle Lebenschancen für den Einzelnen.

Wir haben gerade vor zwei Tagen den OECD-Bericht
vorgestellt. Frau Bulmahn, Sie erinnern sich, wie wir
beide das gemacht haben – Sie als Bundesministerin, ich
als Vertreterin der KMK –


(René Röspel [SPD]: Schöne Zeiten waren das!)


und an vielen Stellen Schelte bekommen haben; Jahr für
Jahr mussten wir zum Teil wirklich berechtigte Kritik
einstecken. Der jetzt vorgestellte OECD-Bericht ist, was
die Indikatoren anbelangt, das allerbeste Zeugnis, das
wir je bekommen haben.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind versetzungsgefährdet!)


Ich will nur wenige Dinge herausgreifen. Zum Bei-
spiel ist Deutschland das Land, in dem 96 Prozent der
Vierjährigen in eine Kindereinrichtung gehen – und das
freiwillig, ohne Pflicht. Wir wissen alle, was der Bund
nicht nur in materieller, sondern auch in ideeller Hinsicht
dafür getan hat. Unser Haus macht etwas für diese
Einrichtungen, kümmert sich um naturwissenschaftlich-
technische Bildung im Rahmen der Stiftung „Haus der
kleinen Forscher“. In dieser Legislaturperiode gehen wir
weiter, bis in die vierte Klasse, und beziehen die Eltern
mit ein. Das ist ein ganz wichtiges Thema.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Der Anteil derer, die ohne Abschluss die Schule ver-
lassen, liegt bei uns jetzt unter 6 Prozent; es waren ein-
mal 12 Prozent. Hier unter 6 Prozent zu liegen, ist längst
nicht ausreichend. Es muss – das ist ganz klar – besser
werden, es muss weitergehen, und die zentralen Perso-
nen in der Schule sind die Lehrer. Sie haben einen ganz
großen Anteil daran, ob Bildung gelingt oder nicht.
Natürlich liegt die Kompetenz für die Lehrerbildung ori-
ginär bei den Ländern; aber mit unserem Programm
„Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ ermöglichen wir es,
dass im Rahmen der Lehrerbildung zusätzliche Ange-
bote im Bereich der Inklusion, der Diversität und der
mathematisch-naturwissenschaftlichen Bildung entwi-
ckelt werden, dass Neues erprobt und umgesetzt wird.
Das kostet uns 500 Millionen Euro. Im nächsten Jahr
geht es los – ausgeschrieben ist es –, und zwar mit Mit-
teln in Höhe von 45 Millionen Euro.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ein Thema, das uns alle – nicht nur uns hier im Saal,
sondern auch die Länder und Verbände – schon seit Jah-
ren beschäftigt, ist die Frage: Wie kann man Frauen für
naturwissenschaftliche und technische Berufe gewinnen,
für Berufe also, in denen man auch richtig gut verdienen
kann? 2000 war es so, dass 32 Prozent der Absolventen
naturwissenschaftlicher Studiengänge Frauen waren; der
OECD-Durchschnitt lag bei 40 Prozent. In den darauf-
folgenden zwölf Jahren ist der Anteil bei uns von
32 Prozent auf 44 Prozent angestiegen, und im selben
Zeitraum ist der Anteil im OECD-Durchschnitt um nur
1 Prozentpunkt gewachsen. Es gibt also Dynamik, und
alle aus der ehemaligen DDR wissen, dass es hieß: Über-
holen, ohne einzuholen.


(Heiterkeit – Roland Claus [DIE LINKE]: Wunderbar! – Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Da muss ich noch mal drüber nachdenken!)


– DDR-Leute brauchen nicht darüber nachzudenken.
Das war jahrelang der Slogan; alle kennen ihn. Sie soll-
ten nicht darüber nachdenken, denn er ist nicht zu verste-
hen; aber es war so. – Geht das jetzt alles von meiner Re-
dezeit ab?

Wir machen weiterhin mehr für Chancengerechtig-
keit. Zum Beispiel ist ein weiteres Professorinnenpro-
gramm schon gestartet, und es gibt vieles andere mehr.

Die Tatsache, dass wir als Bund das BAföG ab 2015
allein zahlen, führt dazu, dass den Ländern jährlich
1,2 Milliarden Euro mehr zur Verfügung stehen. Das
Neue, das Besondere, das Exzellente ist: Es gibt dauer-
haft Geld für Dauerstellen. Das gab es vorher überhaupt
nicht. Wir haben über den Hochschulpakt und Ähnliches
Milliardenbeträge ins System gegeben, aber Stellen wur-
den nicht dauerhaft finanziert. Das heißt, es gibt auch
noch 2025 oder 2030 Geld für diese Stellen. Da geht es
gar nicht nur um die 6 Milliarden Euro, die wir in dieser
Legislatur bereitstellen; allein in der nächsten Legislatur





Bundesministerin Dr. Johanna Wanka


(A) (C)



(D)(B)

sind es schon wieder 4,8 Milliarden Euro. Mit den frei
werdenden Mitteln kann man in den Ländern, wenn man
es will, unbefristete Nachwuchswissenschaftlerstellen
schaffen;


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Wenn man will!)


man kann auch Schulsozialarbeiterstellen und Stellen in
den Ganztagsschulen schaffen. Das ist machbar. Weil
wir ein föderaler Staat sind, kann in den einzelnen Län-
dern entschieden werden, wofür man die Mittel einset-
zen will.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Für Schule und Hochschule muss man es einsetzen!)


Ich glaube, das ist richtig. Es wird die Attraktivität des
deutschen Hochschulsystems weiter stärken.

Das deutsche Hochschulsystem ist attraktiv. Sie müs-
sen sich einmal vor Augen führen: Wir sind das dritt-
beliebteste Einwanderungsland für Studenten – sie kom-
men zu uns, um zu studieren –, nach den USA und
Großbritannien, die englischsprachig sind. Ich weiß
nicht, wie nachher die Reden der Opposition sein wer-
den.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Gut! Hervorragend! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Schön!)


Aber ich kann mir vorstellen, dass man sich, wenn man
hört, was Sie über unsere Hochschulen sagen, fragt, wa-
rum sie alle kommen und nicht auf dem Absatz kehrtma-
chen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben die Zahl der Studierenden gesteigert. Über
50 Prozent eines Jahrgangs sind Studienanfänger. Das
war nur möglich, weil der Bund – ich sage das noch
einmal –, ohne originär zuständig zu sein, über den
Hochschulpakt Milliarden in das System gegeben hat.
Das ist eine große solidarische Leistung – auch im Hin-
blick auf die neuen Bundesländer –, und es ist die beste
Möglichkeit, mit der demografischen Chance umzuge-
hen; das sollte man nicht vergessen.

Wir haben in diesem Haushalt – er sieht alleine 6 Mil-
liarden Euro für den laufenden Hochschulpakt bis 2017
vor – Vorsorge für den Fall getroffen, dass es noch mehr
Studenten gibt. Wir haben das Geld für die nächste
Phase des Hochschulpakts, ab 2016, gesichert. 2023
wird die Zahl der Studienanfänger sinken.

Im Moment haben wir, worüber wir uns freuen, sehr
viele Studierende, aber – und das ist das Problem – im
Bereich der dualen Ausbildung fehlen uns die jungen
Leute.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Simone Raatz [SPD])


Dazu können wir alle Beispiele anführen. Das will ich
gar nicht. Das ist klar; davon kann jeder erzählen. Wich-
tig ist: Was macht man dagegen? Das kriegt man nicht
hin mit bunten Plakaten und Werbekampagnen, wobei
die zum Teil auch sehr wichtig sind; die der Handwerks-
kammern zum Beispiel finde ich klasse. Vielmehr muss
überlegt werden: Was kann man wirklich tun, um junge
Leute zu einer dualen Ausbildung zu motivieren? Wir
haben ein großes Paket geschnürt – „Chance Beruf“ –, in
das wir alles, was uns eingefallen ist, hineingepackt
haben. Das machen wir jetzt.

Thema Durchlässigkeit: Das Programm „Offene
Hochschulen“, das exzellent ist, wird weiter fortgesetzt.

Oder denken wir an diejenigen, die die Hochschule
verlassen, um eine duale Ausbildung zu beginnen. Dazu
haben wir in dieser Legislaturperiode, im Mai dieses
Jahres, im „JOBSTARTERplus“-Programm Projekte ini-
tiiert und mit bis zu 8 Millionen Euro ausgestattet. Das
sind gute Projekte, um bundesweit etwas zu erreichen.

Im „JOBSTARTERplus“-Programm haben wir eben-
falls im Mai dieses Jahres Maßnahmen angestoßen, bei
denen es um Unternehmer mit Migrationshintergrund
geht, die junge Menschen mit Migrationshintergrund
vielleicht anders ansprechen können, um bei ihnen für
die duale Ausbildung, die in der Türkei oder woanders
vielleicht nicht typisch ist, zu werben. Auch dafür geben
wir Geld.

Ein anderes Beispiel. Gestern sagte Herr Oppermann,
dass man denen, die es nicht schaffen, eine zweite oder
vielleicht auch eine dritte Chance geben muss. Das muss
man, und das wird auch gemacht. Das kostet richtig viel
Geld. Aber ich finde, es ist wichtig, erst einmal zu versu-
chen, präventiv zu wirken, zum Beispiel in der siebten
oder achten Klasse, damit die jungen Menschen gar
keine zweite oder dritte Chance brauchen. Deswegen
brauchen wir Bildungsketten.

Wenn Sie in den Haushalt schauen, um zu erfahren,
wie viel Geld dafür eingestellt wurde, dann müssen Sie
berücksichtigen, dass die Bundesregierung aus vielen
Ressorts besteht, die auch miteinander arbeiten: Im
Haushaltsplan des Bildungsministeriums sind Mittel
dafür eingestellt; dazu kommen beträchtliche Mittel aus
dem ESF, die wir auf diesen Bereich konzentrieren,
Mittel aus der BA und aus dem Arbeitsministerium, um
Bildungsketten und präventive Maßnahmen in einem
möglichst großen Maßstab fördern zu können. Ich habe
alle Länder angeschrieben und betont, dass wir unser
Geld einsetzen. Die Länder müssen mitfinanzieren, da-
mit wir das flächendeckend hinbekommen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karamba Diaby [SPD])


Diese Stärkung der dualen Ausbildung trägt auch zur
Bildungsgerechtigkeit bei.

Beim Thema Bildungsgerechtigkeit haben alle sofort
das BAföG im Kopf. Sie wissen, dass ich, als ich im
letzten Jahr dieses Amt übernommen habe, obwohl ich
die Entwicklung und die Gespräche mit den Ländern in
den letzten Jahren kannte, von Anfang an gesagt habe:
Das BAföG muss novelliert werden; das ist eine zentrale
Aufgabe. Nachdem das nicht im Koalitionsvertrag stand,
habe ich weiterhin gesagt: Die Novellierung des BAföG





Bundesministerin Dr. Johanna Wanka


(A) (C)



(D)

muss kommen. Ich habe mich dafür engagiert, und wir
haben die BAföG-Novelle im Kabinett beschlossen. Und
sie ist nicht ohne. Es geht nicht nur darum, dass diejeni-
gen, die BAföG bekommen, mehr Geld erhalten für die
Lebenshaltung, für Kinder, wenn sie welche haben, für
Wohnen und für andere Dinge. Ich habe immer wieder
erlebt, dass es Studierende gibt, die knapp oberhalb der
Einkommensgrenze sind, also kein BAföG bekommen,
weil die Eltern ein bisschen zu viel verdienen. Diese
Studierenden sind in besonderem Maße benachteiligt.
Deswegen war es mir gerade mit Blick auf die Kinder
von Eltern mit einem mittleren Verdienst wichtig, die
Freibetragsgrenze anzuheben. Das ist mit dieser Novelle
gelungen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Diese Novelle kostet übrigens über 800 Millionen
Euro. Hinzu kommen die schon erwähnten 1,2 Milliar-
den Euro durch die Übernahme der BAföG-Kosten. Das
heißt, ab 2016 gibt es in jedem Jahr 2 Milliarden Euro
vom Bund mehr für die junge Generation. Das ist eine
Investition in die Zukunft. Das ist ganz entscheidend.

Vorhin habe ich gesagt, dass wir uns fragen müssen,
wo unser Platz in der Welt von morgen sein soll. Derzeit
haben wir einen exzellenten Platz: starke Wirtschafts-
nation, starke Exportnation. Ich will eine Zahl nennen,
die nicht so bekannt ist: Wie groß ist der Anteil aller
Hightech-Güter an der Handelsbilanz? Über 9 Prozent.
Wissen Sie, wie groß der Anteil der Hightech-Güter an
der Handelsbilanz im OECD-Durchschnitt ist? 1,3 Pro-
zent. In diesem Vergleich sind eine Menge Länder ent-
halten, die sehr viel mehr Akademiker haben als wir.

Das heißt, wichtig ist, wie man zu Innovationen
kommt. Deshalb ist die Weiterentwicklung der High-
tech-Strategie, eine neue Hightech-Strategie wichtig; das
beinhaltet neue Formate, neue Felder und eine Verbreite-
rung der Innovationsbasis. Ich schaue auf die Uhr; ich
mache es kürzer. – Dabei geht es aber nicht nur um neue
Themen, also nicht nur um individualisierte Medizin,
nachhaltige Stadtentwicklung, erneuerbare Energien und
vieles andere, sondern um technologische Innovation
und soziale Innovation. Diese Stränge hatten wir schon
immer. Wichtig ist, wie diese zusammengeführt werden.

Wir haben am Montag im Zusammenhang mit der
Hightech-Strategie ein erstes großes Programm vorge-
stellt, das mit einem riesigen finanziellen Aufwand in
den nächsten Jahren laufen wird. Herr Bsirske und Herr
Grillo waren anwesend. Beide haben betont, dass dieses
Programm ein völlig neuer Ansatz ist.

Ich finde, wir können nur erfolgreich sein und den
Wohlstand sichern, wenn die Innovationsstrategie auch
in der Mitte der Gesellschaft ankommt. Hierbei geht es
nicht nur um die Arbeitsbedingungen bei der Industrie
4.0 und darum, welche Chancen sie bietet – nicht, dass
man nur die Risiken sieht –, sondern wichtig ist auch
Akzeptanz, und zwar Akzeptanz in der Mitte der Gesell-
schaft. Umfragen zeigen, dass die Menschen beteiligt
werden wollen. 30 Prozent möchten gerne mitmachen,
mitreden und mit einbezogen werden. Das sind nicht nur
die Lobbyisten und nicht nur die NGOs, sondern nor-
male Menschen. Deswegen ist das eine ganz zentrale
Aufgabe, die uns gelingen muss, damit die Hightech-
Strategie wirklich die gewünschten Effekte bringt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Letzter Satz. Ich glaube, dass der Haushalt des BMBF
Ausdruck einer modernen und ganzheitlichen Bildungs-
und Innovationspolitik ist. Damit haben wir wirklich die
Chance, Zukunft zu gewinnen.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1805103700

Als nächster Redner hat der Kollege Roland Claus

das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805103800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr ge-

ehrte Frau Bundesministerin, immer wenn ein Mitglied
der Bundesregierung einfach alles am eigenen Etat
schön findet und eine Rundumzufriedenheit ausstrahlt,
ist das natürlich auch eine Einladung an den Bundes-
finanzminister, dort noch das eine oder andere zu kür-
zen.


(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Macht er aber nicht!)


Selbstverständlich haben wir nicht übersehen, dass die
Mittel hier aufgewachsen sind. Aber Sie werden doch
auch nicht vergessen haben, wie der Bundesfinanzminis-
ter auf der Zielgeraden beim Haushalt 2014 noch er-
hebliche Einschnitte vorgenommen hat. Deshalb lautet
unsere freundliche Ermahnung: Weniger Kabinettsdiszi-
plin, mehr Ressortverantwortung, Frau Ministerin!


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – René Röspel [SPD]: Die Linke muss jetzt von Disziplin reden!)


Wer an diesem Tag, dem 11. September, über Bildung
redet, darf, glaube ich, über dieses historische Datum,
den 11. September 2001, nicht schweigen. Genau an die-
sem Pult wurde das Wort von der „uneingeschränkten
Solidarität“ ausgesprochen. Damit wurde der Weg für
eine deutsche Kriegsbeteiligung in Afghanistan frei ge-
macht. Ich wünschte mir, dass einst in den Schulbüchern
steht: Es war falsch, diesen Weg zu gehen. Krieg ist das
falsche Mittel im Kampf gegen den Terror.


(Beifall bei der LINKEN)


Mehr als 15 Milliarden Euro für Bildung und For-
schung, ein besseres BAföG und Kitaausbau – man kann
mit Fug und Recht sagen, dass wir alle das wollen, zu-
mal die Besonderheit dieses Haushaltes, eine gewisse
Einzigartigkeit darin besteht, dass im Ministerium rela-
tiv wenig verwaltet werden muss, dafür aber mit Pro-
grammtiteln sehr viel verteilt werden kann, sehr viel auf
den Weg gebracht werden kann.

Dennoch gibt es zwei entscheidende Gründe für Kri-
tik an Ihrer Politik, Frau Ministerin.

(B)






Roland Claus


(A) (C)



(D)(B)

Das Erste ist: Sie verwechseln Ausgaben des Bundes
mit erzielten Ergebnissen. Sie erwecken hier den Ein-
druck, als ob, wenn wir Geld ins System geben, die ge-
sellschaftlichen Veränderungen, die wir anstreben, schon
erreicht wären.

Der zweite Strickfehler besteht darin, dass die 17 Bil-
dungssysteme einfach nicht zusammenpassen und vie-
les, das auf den Weg gebracht wird, nicht sein Ziel er-
reicht.

Deshalb sagen wir Ihnen: Sie können den Erfolg Ihrer
Arbeit nicht am Ausgabenvolumen festmachen. Es heißt
ja auch: Gemessen wurden die Bienen nicht an ihren
Flugkilometern, sondern an dem Honig, den sie heim-
brachten.


(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)


Die Zerklüftung der Bildungssysteme führt dazu, dass
erwünschte Impulse einfach nicht übertragen werden.
Ich will da einen Vergleich aus der Mechanik bemühen:
Ein Motor kann noch so stark sein. Wenn das Getriebe
die Impulse nicht gut überträgt, entsteht zwar eine
Menge Reibung, aber keine Leistung. Genau das ist hier
der Fall.


(Beifall bei der LINKEN)


Nun kann man OECD-Studien ja interpretieren, wie
man möchte. Sie haben Ihre Interpretation hier abgelie-
fert, Frau Ministerin. Aber wir denken schon, dass wir
kritisch reflektieren müssen, was uns die OECD vor
zwei Tagen in dem Bericht „Bildung auf einen Blick“ of-
fenbart hat. Das Entscheidende, das wir kritisieren, ist,
dass Deutschland seine soziale Spaltung über sein Bil-
dungssystem regelrecht reproduziert. Von fünf Arbeiter-
kindern werden vier Arbeiter.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Was haben Sie denn gegen Arbeiter? Das gibt es doch wohl nicht!)


Es gibt viel zu wenig Durchlässigkeit zwischen den Qua-
lifikationsgruppen. Alles soll schön beim Alten bleiben.

Da gibt es natürlich einen Zusammenhang: Unter den
entwickelten Industrieländern hat Deutschland die unge-
rechteste Verteilung der Einkommen. Diese ungerechte
Verteilung der Einkommen setzt sich in einer ungerech-
ten Verteilung des Zugangs zu Bildungschancen fort.
Wir sagen Ihnen: Das ist ein Zustand, den die Linke nie
und nimmer hinnehmen wird.


(Beifall bei der LINKEN)


Zudem verweist die OECD-Studie darauf, dass
Deutschland beim Anteil der Bildungsausgaben, gemes-
sen am Bruttoinlandsprodukt, gerade einmal auf Platz 19
in Europa liegt. Um den Anteil Dänemarks, den Spitzen-
wert, zu erreichen, müssten in Deutschland 90 Milliar-
den Euro bei Bund und Ländern zusätzlich aktiviert wer-
den. Das ist für die Bundesregierung unvorstellbar, für
uns aber nicht.


(Beifall bei der LINKEN)


Man müsste dann natürlich über neue Einnahmen des
Bundes reden.
Ich will ein Wort zum Deutschlandstipendium sagen,
das als kombiniertes Stipendium, bei dem es Geld vom
Staat und Geld von Sponsoren gibt, in Ihrem Etat ja ei-
nen wichtigen Platz einnimmt. Hier hat Ihnen der Bun-
desrechnungshof vorgerechnet, dass die Verwaltungs-
ausgaben viel zu hoch sind und Sie Ihre eigenen Ziele
nicht erreichen. Deshalb sagen wir: Wir könnten auf die-
ses Instrument gut verzichten und die Mittel für einen
Aufwuchs im BAföG-Bereich einsetzen, meine Damen
und Herren.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will zudem auf die großen Ost-West-Unterschiede
beim Zugang zum Deutschlandstipendium verweisen.
Wo sollen denn ostdeutsche Hochschulen Sponsoren fin-
den, wenn es im Osten nicht einmal Selbstanzeigen von
Steuersündern gibt? Da ist doch nichts zu holen.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN – René Röspel [SPD]: Das ist aber nicht das Kriterium für Reichtum, ob man sich selbst anzeigt oder nicht! – Weiterer Zuruf von der SPD: Ist das so, ja?)


– Ja, das wurde klar und deutlich veröffentlicht. – Des-
halb ist das nicht wirklich erreichbar.

Wir werden uns heute Nachmittag beim Bauetat auch
mit der Frage beschäftigten müssen: Wie schaffen wir
besseren, bezahlbaren Wohnraum für Studierende? Das
ist ein Thema, zu dem gerade die Linke in Leipzig ak-
tuelle Vorschläge unterbreitet hat. Wir werden vorschla-
gen, die „Wiederbelebung“, wie es bei der Bundesregie-
rung heißt, des sozialen Wohnungsbaus für diesen
Bereich zu nutzen und Studierenden damit Chancen auf
bezahlbare Wohnungen zu geben.


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1805103900

Herr Claus, Sie müssen zum Schluss kommen.


Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805104000

Studentinnen und Studenten sollen doch studieren

und nicht nur jobben gehen, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir haben hier einen Etat mit viel Geld, aber leider
wirklich wenig Zukunftsfähigkeit. Deshalb muss sich da
noch eine ganze Menge ändern.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1805104100

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie

noch einmal bitten, sich an die Redezeit zu halten. Die
beiden letzten Redner haben sie erheblich überschritten.
Wenn wir so weitermachen, kommen wir mit unserer
Planung nicht hin. Das ist, finde ich, nicht fair gegenüber
den anderen Kollegen, die heute auch noch ihre Debat-
ten haben.

Herr Schulz, Sie haben das Wort.





Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Swen Schulz (SPD):
Rede ID: ID1805104200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundes-
regierung hat hier einen beachtlichen Haushaltsplanent-
wurf vorgelegt. Wir werden im parlamentarischen Ver-
fahren sicherlich noch das eine oder andere ändern, aber
die Grundlinie stimmt. Über 15 Milliarden Euro werden
für Bildung und Forschung bereitgestellt; die globale
Minderausgabe ist dabei herausgerechnet. Dass wir dies
in Zeiten der Nullverschuldung und ohne Steuererhö-
hungen schaffen, ist aller Ehren wert.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Mir sei der Vergleich mit dem Finanzplan der Vorgän-
gerregierung gestattet. Da wird ein Unterschied deutlich:
Schwarz-Gelb sah weniger als 14 Milliarden Euro für
das Jahr 2015 vor. Jetzt sind es über 1 Milliarde Euro
mehr.

Ich kann mir vorstellen, dass die Ministerin Wanka je-
den Morgen ein Stoßgebet gen Himmel sendet und dafür
dankt, dass er ihr die SPD als Koalitionspartner beschert
hat.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Heiterkeit bei der CDU/CSU – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Das kann aber schnell vorbeigehen!)


Jedenfalls ist festzustellen: Die SPD tut der Bildung und
Forschung in Deutschland gut, meine sehr verehrten Da-
men und Herren.


(Beifall bei der SPD)


Das eine ist die Frage nach dem Ausgabenvolumen.
Viel wichtiger ist die Frage, wofür das Geld eigentlich
ausgegeben wird. Als Erstes möchte ich hier das BAföG
nennen. Von Willy Brandt eingeführt, ist es weiterhin die
zentrale soziale Bildungsfinanzierung in diesem Land.
Niemand soll aufgrund Geldmangels auf Bildungschan-
cen verzichten. Das ist für uns von besonderer Bedeu-
tung.


(Beifall bei der SPD)


Wir werden in 2015 dafür weit über 2 Milliarden
Euro ausgeben. Die Ministerin Wanka hat es gesagt: Wir
haben uns mit den Ländern darüber geeinigt, wie das mit
dem BAföG weitergehen soll. Wir übernehmen als Bund
jetzt voll die Kosten für das BAföG. Damit schlagen wir
zwei Fliegen mit einer Klappe. Erstens entlasten wir die
Länder massiv und dauerhaft, damit sie ihren originären
Aufgaben in der Bildung nachkommen können – in der
Hochschule, bei der beruflichen Bildung, in der Schule
und – ich sage das ausdrücklich dazu – auch bei der Kita.
Wer kritisiert, dass Länder Mittel in die vorschulische
Bildung investieren, zeigt ein verkürztes Bildungsver-
ständnis, meine sehr verehrten Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Das ist aber wider die Vereinbarung!)


Der zweite Punkt ist, dass der Bund nun die alleinige
Handlungsmöglichkeit beim BAföG hat. Dieses uner-
trägliche Hickhack, dieses Schwarzer-Peter-Spiel
zwischen Bund und Ländern, das so häufig das BAföG
blockiert hat, hört jetzt auf. Wir haben die Handlungs-
möglichkeiten, und wir nutzen diese Handlungsmöglich-
keiten. Das BAföG wird massiv verbessert und erhöht.
Wir haben das vor der Wahl gesagt, und wir machen es
jetzt. Wir stärken das BAföG. Das ist ein zentraler Punkt
unserer Programmatik, unserer Regierungspolitik.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich will dabei hinzufügen: Wenn wir das für Schüler
und für Studierende machen, dann sollten wir uns auch
um die Aufstiegsfortbildung und das Meister-BAföG
kümmern. Auch die beruflich Qualifizierten sollten nicht
außen vor bleiben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir setzen in langen Linien die Bildungs- und For-
schungspolitik in Deutschland fort, und wir entwickeln
sie auch weiter. Da ist zum Beispiel die Exzellenzinitia-
tive aus rot-grünen Zeiten, Frau Bulmahn. Über
400 Millionen Euro geben wir auch in diesem Haushalt
für Spitzenforschung an Hochschulen aus. Wir finanzie-
ren den Hochschulpakt; er stammt ja aus der letzten Gro-
ßen Koalition. Wir finanzieren den Hochschulpakt wei-
ter. Über 2 Milliarden Euro geben wir dafür.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das ist ein extrem erfolgreiches Förderprogramm, ohne
das Hunderttausende in den letzten Jahren nicht hätten
studieren können.

Es gibt nun Verhandlungen über die Fortsetzung des
Hochschulpakts. Es wäre wünschenswert, wenn wir es
hinbekämen, dass wir die zweite Phase des Hochschul-
pakts, in der wir uns derzeit befinden, entsprechend auf-
stocken, damit bedarfsgerecht weiterfinanziert werden
kann, und wenn wir gleichzeitig noch eine dritte Phase
anschließen können.

Ich will dabei aber auch sagen, dass wir die Mittelver-
wendung nachvollziehbar gestalten müssen. Auch soll-
ten wir neue Elemente in den Hochschulpakt einführen.
Da geht es zum einen um die beruflich Qualifizierten,
darum, dass sie entsprechende Chancen bekommen, und
zum anderen um die gute Lehre. Nicht nur der Studien-
beginn – wie bisher –, sondern auch das erfolgreiche
Studium, der Abschluss des Studiums sollte unterstützt
und gefördert werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich glaube, dass das als neues Element dazugehört.

Der nächste wichtige Bereich – auch er stammt aus
rot-grünen Zeiten – ist der Pakt für Forschung und Inno-





Swen Schulz (Spandau)



(A) (C)



(D)(B)

vation. Das ist vom Volumen her vielleicht sogar der
größte Bereich. Die außeruniversitären Forschungsein-
richtungen – Helmholtz, Max Planck, Leibniz,
Fraunhofer, DFG – bekommen über 5 Milliarden Euro,
und das wächst weiter stabil. Den Aufwuchs werden wir
als Bund in Zukunft sogar allein übernehmen und die
Länder entlasten.

Hier gibt es Gespräche über die Fortsetzung, über die
Zukunft. Auch hier – so sage ich – muss es eine vernünf-
tige Kontrolle der Mittelverwendung geben. Wenn wir
so viel Geld den außeruniversitären Forschungseinrich-
tungen zur Verfügung stellen, dann sollte es auch ver-
bindliche Zielvereinbarungen geben,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


etwa im Hinblick auf die Frauenförderung oder den wis-
senschaftlichen Nachwuchs. Ich bin sicher, dass die Wis-
senschaftsorganisationen das auch akzeptieren und sich
dieser Verantwortung stellen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Auch bei vom Volumen her kleineren, aber wichtigen
Projekten und Förderungen setzen wir Bewährtes fort,
setzen aber auch neue Akzente. Ich möchte beispielhaft
einige nennen. Da ist zum Beispiel das Ganztagsschul-
programm, das in letzter Zeit ein wenig ins Hintertreffen
geraten ist. Ich glaube aber, wir sollten da weiter am Ball
bleiben.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das läuft doch aus! Was machen Sie dann?)


Wir führen eine Diskussion über die gute Schule, die
gute Ganztagsschule. Ich denke, der Bund sollte sich da
nicht zurückziehen, sondern sich engagiert beteiligen.


(Beifall bei der SPD – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie in der Opposition, oder sind Sie in einer Regierungsfraktion?)


Uns ist die gute Schule wichtig. Deswegen etatisieren
wir das erste Mal die in der letzten Legislaturperiode
verabredete Lehrerbildungsoffensive; das ist ein wichti-
ger Beitrag. Wir machen mehr im Bereich Alphabetisie-
rung/Grundbildung, was mir persönlich besonders
wichtig ist, und bei der Arbeitsforschung: Wie geht es
zukünftig weiter mit Dienstleistungen und Produktion,
wie sieht der Arbeitsplatz der Zukunft aus? Zur Frie-
dens- und Konfliktforschung muss ich, glaube ich, gar
nicht viel sagen; wir haben eben den Etat des Auswärti-
gen Amts diskutiert. Da müssen wir noch mehr machen;
darüber werden wir auch in den Haushaltsberatungen
diskutieren.


(Beifall bei der SPD)


Auch im Bereich der Projektförderung machen wir eine
ganze Menge.

Ich könnte die Liste, was wir alles Gutes und Wichti-
ges machen, weiter fortsetzen, will aber bei all dem
Positiven nicht verhehlen, dass durchaus auch Wünsche
offenbleiben,

(Beifall des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


vor allem bei Kita, Schule und beruflicher Bildung. Wir
können den rechtlichen und auch den finanziellen Rah-
men leider nicht beliebig ausweiten.

Gleichwohl möchte ich zum Abschluss meiner Rede
einen Gedanken anbringen: Wir haben uns vorgenom-
men, das Grundgesetz zu ändern. Es geht um eine
Verbesserung der Kooperation von Bund und Ländern,
leider nicht in der Schule – das wäre schön; aber so weit
sind wir noch nicht –, aber immerhin für den Bereich
„Wissenschaft und Hochschulen“. Wenn wir das Grund-
gesetz ändern, dann sollten wir aber auch konkrete Poli-
tik folgen lassen. Wenn wir nur das Grundgesetz ändern,
dann aber nichts passiert, wäre das ungefähr so, als wenn
wir ein Flugzeug bauen, es aber nicht starten. Darum
schlage ich vor, dass der Bund ein Programm zur Förde-
rung von Nachwuchswissenschaftlern auflegt. Das kann
in dieser Wahlperiode beginnen und dann dauerhaft auf
der Basis des neuen Grundgesetzartikels wirken. Das
wäre ein guter Beitrag für die Wissenschaft, für die ein-
zelnen Nachwuchswissenschaftler, aber auch für die
Hochschulen. Lassen Sie uns gemeinsam darüber nach-
denken! In diesem Sinne freue ich mich auf die weiteren
Beratungen.

Ich freue mich auch, dass ich auf die Sekunde genau
geendet habe.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1805104300

Da ist die Präsidentin hochentzückt. Vielen Dank! So

eine Punktlandung wünsche ich mir von allen anderen
auch. – Die Chance dazu hat jetzt Ekin Deligöz. Sie ha-
ben das Wort.


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1805104400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Natürlich sind wir uns einig, dass die Mittel für Bildung,
Wissenschaft und Forschung wichtige Zukunftsinvesti-
tionen sind, dass wir diese Mittel brauchen, damit wir
auch morgen nicht nur in diesem Land, sondern auch
darüber hinaus gut leben können. Aber, Frau Wanka, es
geht ja nicht nur darum, dass Sie Geld bekommen
– selbst darüber könnte man debattieren; mein Kollege
Roland Claus hat das sehr gut ausgeführt –, sondern
auch darum, was Sie mit diesem Geld machen. Es geht
darum, welche Prioritäten Sie setzen. Ich sage Ihnen:
Die Prioritäten, die Sie setzen, sind falsch, und dabei
bleibt es.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich gebe Ihnen ein paar Beispiele, auch wenn Ihnen
das nicht gefällt: Sie kürzen im Bereich der beruflichen
Bildung. Man kann das duale System nicht oft genug
loben. Wir finden es alle gut, wir exportieren es sogar.
Gleichzeitig haben in Deutschland 14 Millionen
Menschen zwischen 20 und 39 Jahren keinen formalen
Berufsabschluss. Nur noch jedes fünfte Unternehmen





Ekin Deligöz


(A) (C)



(D)(B)

bildet in Deutschland aus. Der Fachkräftemangel ist
deutlich wahrnehmbar. Doch Sie kürzen bei der Berufs-
orientierung und bei den überbetrieblichen Ausbildungs-
stätten, wo es darum geht, dass auch kleine Betriebe eine
Chance bekommen, auszubilden. Sie kürzen auch bei der
Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung. Einer-
seits reden Sie von Bildungsketten, andererseits kürzen
Sie da, wo diese real umgesetzt werden sollen, die Mit-
tel. Anstatt die Weiterbildung ins Zentrum zu setzen und
das Meister-BAföG, wie wir es vorgeschlagen haben, in
ein Weiterbildungs-BAföG weiterzuentwickeln, kürzen
Sie bei der Weiterbildung. Das nennen Sie die richtigen
Prioritäten? Das ist es nicht, Frau Ministerin. Wir haben
gute Konzepte. Mit unserer Idee „DualPlus“ haben wir
gezeigt, wie es besser geht. Schauen Sie sich das genau
an! Dieses Land braucht die berufliche Bildung mehr
denn je.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Auch beim BAföG setzen Sie falsche Prioritäten. Sie
sind das Thema angegangen; das ist toll. Unsere Länder,
die rot-grün regierten Länder, stehen hier an Ihrer Seite.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die schwarz-grünen auch!)


Doch warum müssen die Studierenden weitere vier Se-
mester auf die versprochene BAföG-Erhöhung warten?
Warum müssen Generationen von Studierenden zugu-
cken, wie sich die Preise entwickeln, ohne dass eine
richtige Anpassung erfolgt? Wenn Sie es ernst meinen,
dann handeln Sie auch ernsthaft. Verschieben Sie das
nicht noch einmal um ein paar Jahre!


(Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Die Länder haben das doch in den letzten Jahren blockiert!)


Sie vertrösten und feiern sich selbst. Es kommt nichts
bei den Studierenden an. Das ist eine falsche Prioritäten-
setzung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Ich komme zum Deutschlandstipendium. Geben Sie
es zu: Es funktioniert nicht. Sie wollten 8 Prozent der
Studierenden erreichen, danach haben Sie die Zahl auf
2 Prozent korrigiert, und jetzt erreichen Sie noch nicht
einmal 1 Prozent. Das geht an den Universitäten und den
Studierenden komplett vorbei. Die Verwaltungskosten
sind viel zu hoch. Das sage nicht ich; das sagt der Bun-
desrechnungshof. Es ist ganz einfach: Das Deutschland-
stipendium hat sein Ziel verfehlt.


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Da klatscht noch nicht einmal Ihre Fraktion!)


Trotzdem erhöhen Sie die Mittel dafür noch einmal um
10 Millionen Euro und tun so, als ob das etwas Grandio-
ses sei. Wenn Sie der Meinung sind, dass wir in diesem
Land mehr Stifter aus der Privatwirtschaft brauchen,
dann frage ich Sie – wir haben das Stiftungsrecht doch
reformiert und modernisiert –:


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Nicht Sie!)

Warum tun sie das nicht? Warum brauchen die Unter-
nehmen auch noch staatliches Geld, damit sie hier end-
lich aktiv werden? – Wenn Sie aber der Meinung sind,
das sei ein Sozialbudget, dann investieren Sie die Mittel
für das Deutschlandstipendium doch gleich ins BAföG,
denn dort wird für einen sozialen Ausgleich gesorgt, und
verschwenden Sie das Geld nicht einfach nur für hohe
Verwaltungskosten. Frau Ministerin, wir reden hier über
insgesamt 55 Millionen Euro. Das ist viel Geld für viele
Studierende.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Und schafft viel Arbeit, Frau Kollegin!)


Sie reden darüber, wie wichtig der Hochschulpakt ist.
Seit Jahren ist der Hochschulpakt unterfinanziert.


(Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin: Unsinn!)


Verstecken Sie sich nicht hinter den Rechenschiebern,
anstatt zu gucken, was dieses Land wirklich braucht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Ministerin, Sie geben sich mit dem zufrieden,
was Sie haben. Das sollten Sie nicht. Sie sind es diesem
Land schuldig, dass Sie Engagement dafür zeigen, dass
es mehr Geld für die Bildung gibt. Sie können die glo-
bale Minderausgabe herunterrechnen, wie Sie wollen:
Sie müssen eine halbe Milliarde Euro aus Ihrem Etat für
den Konsolidierungskurs dieser Regierung erbringen.
Hier sind Sie Spitzenreiter dieser Regierung. Selbst der
Bundesrechnungshof, der weit davon entfernt ist, Geld-
verschwendung in irgendeiner Form gutzuheißen, sagt:
Für dieses Haus ist das zu viel Geld. – Nehmen Sie das
ernst! Hier wird der Haushalt auf Kosten der Studieren-
den, der Schüler, der Kleinkinder, der Bildung konsoli-
diert. Das ist ein ernst zu nehmender Fakt, Frau Ministe-
rin. Ich bitte an dieser Stelle um mehr Engagement.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Das sind Umschichtungen!)


Daneben tragen Sie die Mehrkosten für die Stillle-
gung der atomaren Versuchsanlagen.

Ich mache keinen Hehl daraus: Meine Fraktion ist ge-
gen Kernforschung, weil wir die zukünftigen Kosten im
Blick haben und die Generationengerechtigkeit ernst
nehmen. Investieren Sie das Geld für Kernforschung lie-
ber in die Forschung für erneuerbare Energien! Dort
wäre es nicht nur gut angelegt. Dort würde es auch eine
Rendite erbringen und nicht morgen für die Entsorgung
von Atomschrott verwendet werden müssen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Ministerin, ich komme auf einen weiteren Punkt
zu sprechen, damit das nicht zu kurz kommt, nämlich auf
die Ebolaepidemie. Es geht mir hier um die Mittel für
die Gesundheitsforschung. Ich hätte mir von Ihnen ein
Wort dazu gewünscht und gerne gehört, dass es für Sie
eine Herausforderung ist, mithilfe der Gesundheitsfor-
schung ernsthaft gegen solche Krankheiten vorzugehen
und sich hier sozial verantwortlich zu zeigen. Diese





Ekin Deligöz


(A) (C)



(D)(B)

soziale Verantwortung werden wir Grünen für Ihren
Haushalt einfordern.

Wir sind in der Sache konstruktiv, aber auch kritisch,
weil es uns um die Zukunft dieses Landes geht.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1805104500

Das war fast eine Punktlandung. – Herr Kaufmann,

Sie haben die Chance, das zu wiederholen. Sie haben das
Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. René Röspel [SPD])



Dr. Stefan Kaufmann (CDU):
Rede ID: ID1805104600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Wenn man sich die Zahlen
für den Haushalt 2015 anschaut, dann kann man nur sa-
gen: Das ist wirklich eine gute Regierungsarbeit. Es ist
für Grüne und Linke schwer, hier ein Haar in der Suppe
zu finden. Das haben ja auch die Reden des Kollegen
Claus und der Kollegin Deligöz gerade gezeigt. Im Übri-
gen, Herr Claus und Frau Deligöz: Es handelt sich im
Haushalt nicht um Kürzungen, sondern um Umschich-
tungen. Das ist ein ganz gravierender Unterschied.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zum ersten Mal seit 1969 erreichen wir wieder – eben-
falls in einer Großen Koalition – einen Haushalt ohne
neue Schulden. Das ist gerade hinsichtlich der Genera-
tionengerechtigkeit ein echter Meilenstein.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Gleichzeitig sparen wir nicht an der falschen Stelle. Im Ge-
genteil: Die Mittel für den Bildungs- und Forschungsetat
des Bundes werden erneut massiv erhöht – wir haben es
gehört –, und zwar um 8,63 Prozent. So manche Landes-
regierung kann sich angesichts von Kürzungen im Bil-
dungsbereich, die gerne mit dem Verweis auf die Schul-
denbremse in 2020 begründet werden, hier eine Scheibe
abschneiden.

Diese Bundesregierung zeigt einmal mehr, dass
beides geht: Konsolidierung des Haushalts und mehr
Investitionen in Bildung. Selbstverständlich ist dies eine
gemeinsame Leistung der Bundesregierung und der
Regierungskoalition. Aber – darauf möchte ich hinwei-
sen; das ist mein erster zentraler Punkt –, Herr Schulz, es
ist die CDU, die für einen stetigen Aufwuchs des Bil-
dungsetats in den letzten zehn Jahren steht.

Seit der Übernahme der Bundesregierung 2005 unter
Unionsführung mit einem CDU-geführten Bildungs-
ministerium gab es kontinuierliche und stetige Steige-
rungen im Bildungsetat. 2005 haben wir von Rot-Grün
einen BMBF-Etat von knapp 7,6 Milliarden Euro über-
nommen; das waren 2,9 Prozent des Bundeshaushalts.
Heute beträgt der Anteil des Haushalts für Bildung und
Forschung am Bundeshaushalt 5,1 Prozent und hat mit
15,2 Milliarden Euro ein doppelt so großes Volumen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist unser Land bildungsgerechter geworden?)


Das ist eine Steigerung der Mittel im Bildungshaushalt
unter CDU-Führung um über 100 Prozent. Ich kenne
keine andere Regierung in Deutschland und auch nicht
in Europa, die dies in den letzten zehn Jahren geschafft
hat. Darauf können wir als CDU/CSU besonders stolz
sein.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Mein zweiter wichtiger Punkt, auf den ich hinweisen
möchte – das wurde bereits angesprochen –: Der Bund
übernimmt zum 1. Januar 2015 den bisherigen Finanzie-
rungsanteil der Länder am BAföG. Wir entlasten die
Länder dauerhaft, da der Finanzierungsanteil von
35 Prozent komplett entfällt. Dadurch werden bei den
Ländern 3,5 Milliarden Euro frei. Zusätzlich gibt es von
Bundesseite zum Wintersemester 2016/17 eine mehr als
800 Millionen Euro schwere BAföG-Reform mit einer
deutlichen Anhebung der Bedarfssätze und Freibeträge,
einer deutlichen Anhebung des Wohnzuschlags und des
Kinderbetreuungszuschlags, einer Schließung der För-
derlücke zwischen Bachelor- und Masterstudiengängen,
einer Online-Antragsmöglichkeit für alle Studierende
und vielem mehr. Das bedeutet: mehr Geld, weniger Bü-
rokratie. Auch diese Reform der Bundesregierung kann
sich also sehen lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mit der BAföG-Einigung haben wir die jahrelange
Blockadepolitik der Länder beim BAföG durchbrochen.
Das CDU-geführte Bildungsministerium hatte sich be-
reits seit der letzten BAföG-Reform 2010 für eine weit-
reichende Reform eingesetzt. In vielen Gesprächen auf
allen Ebenen verständigte man sich zwar auf inhaltliche
Änderungen. Eine Novelle scheiterte aber immer wieder
an der fehlenden Finanzierungszusage der Länder.
Durch die komplette Übernahme der BAföG-Kosten
konnten wir diese Blockade jetzt gemeinsam aus dem
Weg räumen.

Das ist noch nicht alles, was wir vonseiten des Bun-
des an Mitteln an die Länder transferieren. Der Bund be-
teiligt sich weiterhin am Hochschulpakt – das haben wir
gehört –, damit auch zukünftig eine ausreichende Zahl
an Studienplätzen finanziert werden kann. Allein 2015
sind das 2,1 Milliarden Euro. Der Bund finanziert die
wichtigen Programmpauschalen. Der Bund stellt Geld
für die Verbesserung der Lehre an den Hochschulen im
Rahmen des Qualitätspakts Lehre zur Verfügung. Nach
der geplanten Änderung des Artikels 91 b Grundgesetz
kann sich der Bund noch stärker im Wissenschaftsbe-
reich einbringen. Das Engagement des Bundes in der
Bildungspolitik ist somit ausgesprochen hoch.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)






Dr. Stefan Kaufmann


(A) (C)



(D)(B)

All das entlastet die Länder zusätzlich bei der Hoch-
schulfinanzierung und eröffnet ihnen damit Spielräume
für die Verbesserung der Grundfinanzierung oder beim
Hochschulbau. Daher wäre es übrigens nur angemessen
und fair, wenn sich die Länder ihrerseits an den Pro-
grammpauschalen beteiligen würden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Swen Schulz [Spandau] [SPD])


Doch was passiert tatsächlich? Sind die Länder der-
zeit ein verlässlicher Partner bei der Hochschulfinanzie-
rung? Das ist mein dritter zentraler Punkt. Wenn wir den
Ländern schon weitere 1,17 Milliarden Euro jährlich zur
Verfügung stellen, dann müssen sie sich bitte auch an die
Vereinbarung mit dem Bund halten, Herr Schulz, und
das Geld wirklich für Schulen und vor allem Hochschu-
len ausgeben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Man kann das machen wie in Baden-Württemberg, wo
die Aufteilung der Gelder im Verhältnis 50: 50 an Schu-
len und Hochschulen erfolgt, oder wie in Hessen oder
Sachsen, wo 100 Prozent der Mittel an die Hochschulen
fließen. Aber es so zu machen wie Niedersachsen und zu
sagen: „Wir geben gar nichts an die Schulen und Hoch-
schulen, sondern alles an die Kitas“, das geht nicht.


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Unglaublich!)


Das ist im Übrigen, Herr Schulz, auch nicht vereinba-
rungsgemäß.


(Beifall bei der CDU/CSU – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Was sagen Sie zum Saarland?)


Das starke Bekenntnis im Haushalt zur Finanzierung
der akademischen Bildung darf – auch das wurde
gesagt – nicht darüber hinwegtäuschen, dass die eigentli-
che Herausforderung der nächsten Jahre darin liegt, die
berufliche Bildung als tragende Säule unseres Bildungs-
und Wirtschaftssystems zu stärken und die Verzahnung
von beruflicher und akademischer Bildung voranzutrei-
ben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Verlassen wir die Bildung, und kommen wir noch
kurz zur Forschung. Für die Förderung von Forschung
und Entwicklung stellt der Bund zusätzliche 3 Milliar-
den Euro in dieser Legislaturperiode bereit. In diesem
Rahmen werden wir die Exzellenzinitiative weiterentwi-
ckeln, den Pakt für Forschung und Innovation fortsetzen
und die Hightech-Strategie zu einer umfassenden, res-
sortübergreifenden Innovationsstrategie ausbauen. Es
geht um Themen wie Industrie 4.0, die Mobilität der
Zukunft, Morgenstadt und vieles mehr. Es geht auch um
die Akzeptanz in der Bevölkerung. All diese Themen
werden wir hier noch ausführlich in den nächsten Wo-
chen diskutieren.

Ziel ist es, gemeinsam mit den Hochschulen, den
Forschungseinrichtungen und den Unternehmen eine zu-
kunftsfähige Forschungsinfrastruktur aufzubauen und
Investitionen zu bündeln. Dazu gehören meines Erach-
tens auch Exzellenzcluster und Spitzenzentren.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Nur so können wir die Innovationskraft unseres Landes
weiter stärken und im harten internationalen Wettbewerb
bestehen. Noch sind wir ganz vorn dabei. Aber auch die
Amerikaner haben jetzt die enorme Bedeutung staat-
licher Innovationsförderung erkannt. Anlässlich eines
neuen US-Förderprogramms für Innovation sagte
Barack Obama im Februar dieses Jahres – ich zitiere –:

I’m really excited about these four hubs … The
only problem is Germany has 60 of them …

Mit unserem fortgesetzten Commitment zur For-
schung hatten wir das 3-Prozent-Ziel der Europa-2020-
Strategie bereits 2012 erreicht. Jetzt gilt es, weiter dran-
zubleiben. Mit dem Anstieg der Forschungsmittel in
2015 unterstreichen wir unsere Entschlossenheit
hinsichtlich Forschung und Innovation einmal mehr. Die
Union steht dabei – ich betone es nochmals – auch
weiterhin zur Spitzenforschung. Doch Forschung und
Innovation braucht auch die richtigen Rahmenbedingun-
gen. Dazu gehören insbesondere Anreize für den Einsatz
von Wagniskapital für Start-ups, Verbesserungen bei der
Innovationsfinanzierung auch kleiner und mittlerer Un-
ternehmen und innovationsfördernde Regelungen beim
Crowdfunding. Auch hier müssen wir aktiv werden.


(Beifall bei der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was tun Sie denn für die KMU?)


Freuen wir uns also heute gemeinsam über den ersten
Haushalt ohne neue Schulden seit 45 Jahren, bei
gleichzeitig steigenden Investitionen in Bildung und
Forschung. Das ist erfolgreiche gemeinsame Regie-
rungspolitik für die jungen Menschen und für die Zu-
kunft unseres Landes.

Danke sehr.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1805104700

Als nächster Redner hat der Kollege Ralph Lenkert

das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805104800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen

und Kollegen! Bildung und Forschung sind kein Privileg
für Eliten, sondern eine Herausforderung für alle. Vor
neun Jahren zwang die Thüringer CDU-Alleinregierung
mit ihrem Angriff auf Kitas die Thüringer Eltern, für
ihre Kinder einzutreten. Wir starteten das Volksbegehren
für eine bessere Familienpolitik. Eltern, Erzieherinnen
und Erzieher, Gewerkschaften, die Linke, die SPD und
Bündnis 90/Die Grünen kämpften zusammen für eine
bessere frühkindliche Bildung.


(Beifall bei der LINKEN)






Ralph Lenkert


(A) (C)



(D)(B)

Fünf Jahre später und nach dem Verlust der absoluten
Landtagsmehrheit konnte die CDU endlich einem besse-
ren Kitagesetz zustimmen.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Es geht um den Bundeshaushalt! Macht doch mal Wahlkampf vor der Tür!)


Wenn Bodo Ramelow Ministerpräsident von Thüringen
wird,


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Niemals!)


dann bekommen wir auch noch die Landesfinanzierung
für Kitas sauber geregelt.


(Beifall bei der LINKEN)


Begriffen hat die Bundes-CDU mit diesem Haushalts-
entwurf nichts. Bundesweit fehlen Erzieherinnen und
Erzieher in Krippen und Kindergärten, die Gruppen sind
zu groß, die Öffnungszeiten sind zu knapp. Speziell für
Ihre Bildung, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
CDU/CSU, zitiere ich den Nobelpreisträger für Ökono-
mie, James J. Heckman, von der University of Chicago:
Die Gesellschaft erhält eine langfristige Rendite von
50 Prozent für jeden Euro, der in frühkindliche Bildung
investiert wird. – Das sieht auch die Linke so.


(Beifall bei der LINKEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Sehr richtig! Deswegen investieren wir auch!)


In diesem Haushalt haben Sie erneut nicht begriffen, wie
wichtig frühkindliche Bildung ist. 1 Milliarde Euro
verteilt auf vier Jahre – das ist alles. Laut Bertelsmann-
Stiftung müssten Sie das Zehnfache in Kitas und vor
allem in die Ausbildung von Kitapersonal investieren.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das 200-Fache!)


Handeln Sie endlich!

In einer Stadt wie dem thüringischen Gera, einer Stadt
ohne genehmigten Haushalt, verfallen die Schulen. In
Hunderten Kommunen Deutschlands passiert das
Gleiche. Wir alle kennen den Sanierungsstau. Ohne das
herausragende Engagement von Lehrerinnen, Lehrern
und Eltern wären die Bedingungen für unsere Kinder un-
zumutbar; Ihnen gilt mein Dank. Die Schulen leben von
der Substanz. Wir fordern Schulsanierungen, und zwar
schnell.

Im Wahlkampf hört man jetzt von Politikerinnen und
Politikern der Union: Wir brauchen mehr Lehrerinnen
und Lehrer für kleinere Klassen, für Inklusion. – Ich
frage Sie von der Union: Warum haben Sie in den letzten
24 Jahren in Thüringen und Sachsen oder in 9 Jahren im
Bund unter Ihrer Regierungsverantwortung nicht für
eine ausreichende Anzahl und gut ausgebildete Lehr-
kräfte gesorgt?


(Dr. Simone Raatz [SPD]: Das ist Landespolitik!)


Blicken Sie auf die Vertretungspläne der Schulen: häufi-
ger Stundenausfall, Vertretungen, Unterricht durch El-
tern, und zwar flächendeckend. Lehrerinnen und Lehrer,
die befristet für das Schuljahr eingestellt werden, müs-
sen sich aus Sparsamkeit der Länder in den Sommer-
ferien arbeitslos melden. Das alles sind Folgen Ihrer
Regierungspolitik. Diese Politik muss verändert werden.


(Beifall bei der LINKEN)


In Thüringen fehlen über 2 000 Lehrerinnen und
Lehrer. Dieser Personalbedarf entspricht 120 Millio-
nen Euro pro Jahr. Der Anteil für Thüringen von 57 Mil-
lionen Euro per annum aus Ihrem Bildungspaket von
6 Milliarden Euro reicht nicht einmal für die Hälfte.


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1805104900

Herr Lenkert, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kol-

legen von den Grünen zu?


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das war doch mehr ein Winken, oder?)


– Nein, das war eine Bitte um Zwischenfrage. Das habe
ich schon richtig interpretiert.


Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805105000

Bitte.


Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1805105100

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Lieber Kollege,

ich weiß nicht, ob Sie Bildungsminister in Thüringen
werden wollen. Das ist aber nicht Anlass unserer heuti-
gen Debatte. Könnten Sie jetzt bitte langsam zum Bun-
deshaushalt kommen? Bisher haben wir nur etwas über
Thüringen gehört.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)


Meine Frage: Was möchten Sie im Bundeshaushalt an
Investitionen für Bildung?


Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805105200

Sehr geehrter Herr Kollege, als Erstes fordern wir

– das als Antwort auf Ihre Frage – die Aufhebung des
Kooperationsverbotes;


(Beifall bei der LINKEN)


denn das Kooperationsverbot sorgt dafür, dass die Bun-
desländer mit nicht so viel Geld die Bundesländer, die
reicher sind, noch unterstützen müssen. Nehmen wir
Bayern, meine Herren von der CSU: Bayern bildet seit
Jahren viel zu wenige Studentinnen und Studenten für
die eigene Wirtschaft aus.


(Dr. Simone Raatz [SPD]: Genau!)


Andere Bundesländer wie Schleswig-Holstein, wie
Nordrhein-Westfalen, wie Thüringen, wie Sachsen fi-
nanzieren mit ihren Landesmitteln über ihre Hochschu-
len die Absolventen für Bayern. Bayern spart sich die
Kohle und will jetzt auch noch seine Ausgaben für den
Länderfinanzausgleich reduzieren. Das ist ungerecht. Da
Bildung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, da
Eltern flexibel sein müssen, muss das Kooperationsver-
bot aufgehoben werden. Wenn uns das gelingt, dann ist
dieses Thema auch hier wichtig. Ich erörtere in meinen





Ralph Lenkert


(A) (C)



(D)(B)

Reden diese Frage deswegen so intensiv, damit jedem
klar wird, wie schwachsinnig das Kooperationsverbot
für eine gute Bildung in ganz Deutschland ist.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


2016 soll das BAföG erstmals nach sechs Jahren stei-
gen. Bis dahin müssen Studierende ohne betuchte Eltern
noch mehr jobben, um die emporschießenden Mieten
und Lebenshaltungskosten bezahlen zu können.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: In Thüringen sind die gar nicht so hoch!)


Der Bund übernimmt 1,17 Milliarden Euro für das
BAföG. Das ist gut; denn dann bekommen die Länder
diese Mittel frei. Aber ohne Aufhebung des Koopera-
tionsverbotes werden diese Mittel in den Landeshaus-
halten versickern. Das Kooperationsverbot verbietet die
gemeinsame Finanzierung von Bildungseinrichtungen.
Das ist falsch. Bildung geht uns alle an.


(Beifall bei der LINKEN)


An den Hochschulen haben 84 Prozent der 160 000
wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur
Zeitverträge, über die Hälfte davon Zeitverträge von
unter einem Jahr. Das heißt, Menschen, die nicht wissen,
wovon und ob sie in drei Monaten die Miete zahlen kön-
nen, sind das Rückgrat bei der Ausbildung der Studie-
renden. Diesen Zustand finden wir für Studierende und
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unerträglich.


(Beifall bei der LINKEN)


Bei den Forschungsgesellschaften sind Befristungen
ebenfalls Standard. Das Wissenschaftszeitvertrags-
gesetz provoziert dies. Manche Professoren und Insti-
tutsleiter nutzen das erbarmungslos aus. Reduzieren Sie
endlich diesen Befristungswahnsinn! Koppeln Sie die
Erhöhung der Grundfinanzierung für das Max-Planck-
Institut, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Helmholtz-Ge-
meinschaft und die Leibniz-Gesellschaft an Auflagen für
gute Arbeitsplätze.

Bei Forschung diskutieren wir über die Zukunft des
Wissenschaftsstandortes Deutschland. Aber Ihre neue
Hightech-Strategie, Frau Ministerin, enthält nur die alten
abgedroschenen Phrasen: Erhöhung der Wettbewerbs-
fähigkeit, Stärkung der Innovationsfähigkeit, Förderung
von Wachstumsimpulsen.


(Dr. Daniela De Ridder [SPD]: Ist das denn falsch?)


Das klingt tough, ist aber absolut beliebig und ändert gar
nichts. Über Grundlagenforschung reden Sie, Frau
Ministerin, überhaupt nicht. Deswegen für Sie ein Zitat
von Albert Einstein:

Hätten wir nur in produktorientierte Forschung in-
vestiert, gäbe es heute die perfekte Petroleum-
lampe, aber kein elektrisches Licht.

Die Linke will Bildung verbessern und Forschung
stärken. Dazu braucht es: erstens die Abschaffung des
Kooperationsverbotes, zweitens ein neues Wissen-
schaftszeitvertragsgesetz und Schluss mit dem Befris-
tungswahnsinn, drittens eine kommunale Investitions-
pauschale von 1,5 Milliarden Euro, viertens 3 Milliarden
Euro für den Kitaausbau und ein Ausbildungsprogramm
für Erzieherinnen und Erzieher, fünftens 964 Millionen
Euro mehr für den Hochschulpakt und bessere Studien-
bedingungen und, sechstens, mehr Lehrerinnen und Leh-
rer sowie Erzieherinnen und Erzieher.

Rot-Rot kann es. Das beweist Brandenburg mit einem
Haushaltsüberschuss von 366 Millionen Euro seit 2010
und 2 540 neu eingestellten Lehrerinnen und Lehrern.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Weil die keinen linken Ministerpräsidenten haben!)


Wir Linken schwadronieren nicht über schwarze Nullen.
Wir investieren in Bildung und sanieren Haushalte.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1805105300

Als nächster Redner hat der Kollege Ernst Dieter

Rossmann das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
Rede ID: ID1805105400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Gute Bildungs- und Forschungspolitik lebt
von Kontinuität und neuen Akzenten. Frau Ministerin
Wanka, Sie werden akzeptieren – auch mit Hinblick
darauf, dass die frühere Bildungs- und Forschungsminis-
terin gerade die Plenarsitzung leitet –, dass wir darauf
hinweisen: Ja, es hat seit 2005 kontinuierlich Verbesse-
rungen gegeben. Aber es hat auch schon seit 1998 we-
sentliche Verbesserungen gegeben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


So wurde das BAföG deutlich verbessert, indem das
Kindergeld nicht mehr angerechnet wird. Es wurden
Maßnahmen vorbereitet betreffend die Fachhochschu-
len bis hin zur stärkeren Forschungsorientierung an den
Hochschulen und es ist auch die Gesamtarchitektur der
Forschungsförderung neu aufgestellt worden.

Wir werben dafür, über diese Gesamtkontinuität so
zugespitzt zu diskutieren, dass wir uns jetzt fragen: Was
ist gegenwärtig strukturell besonders wichtig mit Blick
auf den Haushalt 2015?

In Anbetracht der Großen Koalition möchte ich es so
formulieren: Manches genießt man still. Es waren der
Kollege Schulz und der Bürgermeister Scholz, die
zusammen in langer Linie und am Ende erfolgreich
durchgesetzt haben, dass das BAföG zu 100 Prozent
vom Bund getragen wird.


(Beifall bei der SPD)


Ich wiederhole: Es waren Schulz und Scholz. Wir wollen
das still genießen, wenn wir uns vor Augen führen,
welche Bedenkzeit andere benötigt haben, bis sie dem
gefolgt sind.





Dr. Ernst Dieter Rossmann


(A) (C)



(D)(B)

In Sachen Kontinuität können wir auch darüber dis-
kutieren, dass die Hightech- und Innovations-Strategie
weiterentwickelt worden ist. Auch hier gab es substan-
zielle Veränderungen. Es sind neue Kapitel hinzugekom-
men, zum Beispiel im Bereich Arbeit, was wir und auch
Sie als sehr wichtig erachten. Außerdem wurden neue
Konzeptionen entwickelt, und zwar in Bezug auf
Innovationen für Produktion, Dienstleistung und Arbeit.
Ein Hinweis von Ihnen war sehr wichtig: Ja, wir alle
öffnen uns zivilgesellschaftlichem Sachverstand und
zivilgesellschaftlicher Moral. Als stille Genießer neh-
men wir zur Kenntnis, dass dieser Akzent jetzt von den
Vertretern aller Koalitionsfraktionen in den entsprechen-
den Beiräten, vom Beirat des Hauses der Zukunft bis
zum Beirat bei der Hightech-Innovations-Strategie, ge-
setzt wird. Frau Ministerin, Sie haben dabei unsere volle
Unterstützung.


(Beifall bei der SPD)


Schließlich wurden weitere neue Akzente gesetzt, die
sich im engeren Sinne auch im neuen Haushalt wieder-
finden. Wir müssen in unseren Diskussionen immer im
Auge behalten, dass alle Menschen schichten- und
herkunftsunabhängig die Chance auf Aufstieg durch
Bildung, Leistung und Solidarität bekommen müssen.
Wir müssen die Bildungsgerechtigkeit aber auch unter
dem Gesichtspunkt der Teilhabe verstehen. Dazu gehört
das Verständnis für moderne Entwicklungen in der Welt,
für technologische Veränderungen sowie für globale
ökonomische und ökologische und andere Zusammen-
hänge. Das bedeutet, dass wir im Schlüsselbereich, dem
Bereich der schulischen Ausbildung und Hochschulaus-
bildung, ansetzen müssen.

In diesem Haushalt ist erstmals die „Qualitätsoffen-
sive Lehrerbildung“ etatisiert. Diese wurde früher be-
reits von der CDU/CSU eingebracht. Jetzt stellen wir sie
in den Haushalt ein. Mit Blick auf die Qualitätsoffensive
freuen wir uns sehr, dass auch die berufsbildenden Schu-
len ganz stark in den Fokus gerückt werden; Herr Kol-
lege Rainer Spiering hat darauf gedrungen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir denken beim Stichwort „Lehrerbildung“ immer viel
zu schnell an nur einen Teil des Schulwesens. Bei den
berufsbildenden Schulen handelt es sich im Übrigen um
ein sehr schwieriges Bildungswesen, weil es nicht in al-
len Bereichen der berufsbildenden Schulen eine kontinu-
ierliche Klassenbildung gibt und eine sehr vielfältige
Jugend- und Junge-Erwachsene-Struktur zu erkennen ist.
Wir erwarten und hoffen, dass aus den Ländern viel
Engagement und viele innovative Projekte für eine gute
Berufsschullehrerausbildung kommen. Das ist uns
wichtig.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Diese Priorität beruflicher Bildung haben Sie, Frau
Ministerin, in der Tat dadurch belegt, dass auch mit der
Innovations- und Strategieinitiative für berufliche Bil-
dung neue Akzente gesetzt werden sollen. Trotzdem:
Selbst wenn Sie ESF-Mittel und andere Ressourcen in
der Debatte anführen, fällt nicht nur der Kollegin von
den Grünen, sondern auch uns auf, dass der Titel „Maß-
nahmen zur Verbesserung der Berufsorientierung“ wie-
der um 10 Millionen Euro gekürzt worden ist.


(Beifall des Abg. Rainer Spiering [SPD])


Das fällt uns deshalb besonders auf, weil wir als Parla-
mentsfraktion in den Beratungen zum Haushalt 2014
diese 10 Millionen Euro hineinverhandelt und durchge-
setzt haben. Ich glaube, wir dürfen sagen: Es leuchtet
uns noch nicht ein, weshalb der Wille des Parlaments an
dieser Stelle mit einem Regierungsentwurf konterkariert
wird. Da sind wir sehr willensstark.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE])


Das möchte ich gerne hier für die Parlamentsfraktion der
Regierung mit ansprechen.

Wir sind auch in mancher Hinsicht innovativ. Das ist
zwar nur ein kleiner Punkt, aber uns freut es – wir freuen
uns da, glaube ich, auch für die CDU/CSU mit –, dass
eine so wichtige Sache wie Alphabetisierung, wie
Grundbildung jetzt mit einer eigenen Ziffer im Haushalt
auftaucht. Wenn wir dort noch zusätzliche Mittel dazu-
gewinnen können, wird es ein größerer Punkt werden,
was dann auch anderen – Ländern, Kommunen, der Öf-
fentlichkeit – Mut macht, sich für eine wirkliche Alpha-
betisierungsdekade mit einzusetzen.


(Beifall bei der SPD)


Weil wir uns ja nicht nur still, sondern auch demon-
strativ freuen dürfen, möchte ich hier auch einen Dank
an die Präsidentin aussprechen – geben Sie diesen bitte
weiter an das Präsidium des Parlaments –: Ja, es ist sehr
gut, dass jetzt auch in der Zeitung Das Parlament immer
eine Beilage in Leichter Sprache enthalten ist.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Nicht, dass nun mit einem Mal ganz viele Menschen,
die sich auf diesem Sprachniveau bewegen, Das Parla-
ment von A bis Z lesen würden, aber es ist ein Merker
für all jene, die hochgebildet Das Parlament lesen, dass
es auch anderes gibt und auch andere Zugänge zu den
alle berührenden Fragen von politischer Gestaltung und
anderem geben muss. Frau Präsidentin, Verneigung vor
dem Präsidium!


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1805105500

Das werde ich gerne weitergeben.


(Beifall bei der SPD – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das ist auch für die Abgeordneten nicht schlecht!)



Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
Rede ID: ID1805105600

Die Dimension von Teilhabe über Bildung, speziell

auch über berufliche Bildung, will ich mit zwei Bemer-
kungen noch vertiefen.





Dr. Ernst Dieter Rossmann


(A) (C)



(D)(B)

Sollten wir wirklich jetzt den Streit um die Priorität
akademischer oder dualer beruflicher Ausbildung an die
erste Stelle stellen, oder sollten wir nicht vielmehr die
Diskussion um die Frage: „Wie schaffen wir es, zu mehr
erfolgreichen Abschlüssen zu kommen, sei es im akade-
mischen oder im dualen Bereich?“ an die erste Stelle
stellen?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das muss doch die Botschaft sein: Priorität hat nicht die
Verteilung, sondern die Entwicklung zum Erfolg hin. An
dieser Stelle sollten wir zusammenarbeiten, genauso wie
an mehr Sensibilität in Bezug auf die Förderung berufli-
cher Aufstiegsfortbildung.

Ich kann Sie beruhigen, Frau Kollegin Deligöz. Da
wird nichts verschlechtert. Das Aufstiegsfortbildungs-
förderungsgesetz ist ein Leistungsgesetz. Wenn jetzt
3 Millionen Euro weniger im Haushalt stehen, dann viel-
leicht, weil es weniger Menschen gibt, die diese Gelder
abrufen. Das muss aber doch das Ziel sein. Beim BAföG
haben wir die Antwort gegeben. Erstmals werden zu-
sätzlich 100 000 junge Menschen aus der Mittelschicht
Zugang zum BAföG haben. Das ist eine beträchtliche
Zahl.


(Beifall des Abg. Swen Schulz [Spandau] [SPD])


Das Meister-BAföG beziehen überhaupt nur 170 000
Techniker, Meister oder Fachwirte. Auch dort sollten wir
Wege finden, diese Gruppe von Aufstiegsfortbildungs-
willigen zu erweitern. Das muss das Ziel für diese Legis-
laturperiode sein.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kriegen Sie aber nicht hin, wenn Sie erst einmal kürzen!)


Dazu darf ich eine Beobachtung aus den vielen Wahl-
kreisgesprächen, die man als Abgeordneter führt, hinzu-
fügen, die einen in Erstaunen versetzt. Wir haben eine
Weiterbildungsprämie, die für Maßnahmen mit Kosten
von bis zu 1 000 Euro gewährt wird – die Förderung be-
trägt bis zu 500 Euro –, und wir haben das Aufstiegsfort-
bildungsförderungsgesetz. Ich war in einem Hospiz, um
mich in anderen Zusammenhängen dort in der Diskus-
sion sachkundig zu machen. Da wird einem gesagt: Ja,
es gibt natürlich auch Fachausbildungen und -weiterbil-
dungen für Hospizpflege. Diese kosten aber zum Bei-
spiel 1 600 Euro und mehr. Die werden nicht gefördert,
einerseits, weil sie über dem Satz von 1 000 Euro liegen
und andererseits, weil sie keine Aufstiegsfortbildung
sind. Sie werden dann alleine aus der Tasche von diesen
fortbildungswilligen Pflegerinnen und Pflegern bezahlt.
Haben wir das eigentlich im Kopf schon richtig sortiert?
Oder müssten wir nicht eine andere Systematik der Wei-
terbildungsförderung entwickeln, sodass am Horizont
tatsächlich ein Weiterbildungsförderungsgesetz entsteht,
mit dem Maßnahmen auf allen Anforderungsniveaus ge-
fördert werden?
Im Übrigen: Dieses wünschen wir uns als Teil der
Bildungsforschung, deren Förderung wir insgesamt ja
deutlich erweitern. Wir sind auf einem guten Wege, was
den Etat für Bildung insgesamt angeht. Aber – da muss
ich Herrn Claus noch einmal recht geben – wenn man
das absolute Niveau gemessen am Bruttoinlandsprodukt
nimmt, dann ist Deutschland in Europa nicht an der
Spitze. Da gibt es, glaube ich, 15 Länder, die vor uns lie-
gen. Bei den Zuwächsen sind wir an dritter Stelle. Das
führt mich zu dem Resümee: Ja, wir dürfen zufrieden
sein, aber selbstzufrieden dürfen wir noch nicht sein. So
weit sind wir noch nicht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist das Spannungsfeld, in dem wir uns bewegen. Im
Zusammenwirken von Bund, Ländern und Kommunen
müssen wir wirklich noch mehr tun. Selbst dann werden
wir bei der Bildung allerdings nie selbstzufrieden sein.

Danke.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1805105700

Als nächster Redner hat Kai Gehring das Wort.


Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1805105800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Erst seit 1998 erleben wir Aufwüchse bei den Bildungs-
und Forschungsmitteln – und das muss so bleiben. Denn
bei Bildung und Forschung bestehen weiterhin ganz er-
hebliche Investitionsbedarfe. Es ist gut, dass auch diese
Bundesregierung diese Notwendigkeit sieht. Allerdings
erinnert ihr 6-plus-3-Milliarden-Paket für Bildung und
Forschung eher an ein teures Pralinengeschenk: Man hat
das Paket aufgerissen und hält zwei oder drei Pralinen in
Händen – und ganz viel Verpackung. Den Rest hat näm-
lich die globale Minderausgabe schon aufgefuttert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – René Röspel [SPD]: Aber lecker sind die Pralinen dann doch!)


Das Beispiel BAföG zeigt, dass teuer nicht immer gut
sein muss. 2015 wird der Bund zwar mehr Geld für das
BAföG ausgeben, aber nicht für eine Verbesserung der
Studienfinanzierung – nein! –, sondern ganz allein, da-
mit der Bund alleiniger Finanzier wird.

Das heißt, die Pralinen gehen an die Finanzminister
der Länder, und die bittere Pille schlucken Schüler und
Studierende. Denn die überfällige Erhöhung der Studien-
finanzierung fällt weiter aus. Sie verordnen damit den
Studierenden in dieser Republik zwei Jahre Nullrunden.
Damit fallen allein 2014 und 2015 60 000 junge Men-
schen aus dem BAföG-Bezug heraus. Deshalb sagen
wir: Das BAföG muss rauf, und zwar sofort.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Ein tieferer Blick in Ihre Pralinenschachtel ernüch-
tert: Krippen und Kitas bleiben als Fundamente unseres





Kai Gehring


(A) (C)



(D)(B)

Bildungssystems unterfinanziert. Sie klotzen beim Be-
treuungsgeld und kleckern bei Ausbau und Qualität der
Kitas. Das ist nicht bildungsgerecht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das erfolgreiche Ganztagsschulprogramm endet er-
satzlos. Bei der Generationenaufgabe Inklusion tauchen
Sie schlichtweg ab. Und die konkrete Zukunft der Wis-
senschaftspakte bleibt ungelöste Hausaufgabe und Ver-
handlungsmasse.


(Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Irgendetwas müssen die Länder auch noch machen!)


Zentrales Manko Ihres Milliardenpakets ist: Es soll in
erster Linie die Länder entlasten. Ob und zu welchen
Anteilen die Länder die Mittel für Bildung und Wissen-
schaft zusätzlich investieren, hängt in Zeiten der Schul-
denbremse nicht allein vom Willen zur Prioritätenset-
zung ab,


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: War das nicht Bestandteil des Vertrags?)


sondern stark von der Finanzlage jedes Landes. Das hät-
ten Sie bedenken müssen. Das Kriterium der Zusätzlich-
keit fehlt. Jetzt schnüren 16 Länder eigene Bildungspa-
kete. Wir freuen uns mit Ihnen über erste Vorbilder wie
Baden-Württemberg oder Hessen.


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Was machen denn die grünen Regierungen?)


Weitere werden folgen.

Wir setzen uns bundesweit dafür ein, dass die finan-
ziellen Spielräume, die das Paket schafft, für Bildung
und Hochschulen genutzt werden und nicht zum Stopfen
von Haushaltslöchern. Denn wir sind weit davon ent-
fernt, Bildungsaufsteigerland zu werden. Wir brauchen
mehr Meister und mehr Master und weniger Analphabe-
tismus und Schulabbrüche in diesem Land.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Wir wollen den unterdimensionierten Hochschulpakt
unverzüglich aufstocken – das haben wir als Grüne be-
reits im Frühjahr hier beantragt –, damit Studieninteres-
sierte auch tatsächlich einen Studienplatz finden. Wenn
Sie an der Stelle herumknausern, verbarrikadieren Sie
Hochschultüren und verbaseln Bildungschancen. Das
wäre verheerend.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir wollen auch, dass die Programmpauschale nicht
nur bleibt, sondern verstetigt und erhöht wird, damit uni-
versitäre Forschung nicht gegenüber außeruniversitärer
Forschung zurückfällt. Wir wollen auch – statt eines im-
mer stärker um sich greifenden Befristungsunwesens an
unseren Hochschulen – klare Karrierewege und Perspek-
tiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs, nicht zu-
letzt deshalb, weil die Exzellenzinitiative endet.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen im Übrigen auch weiterhin eine Ermögli-
chungsverfassung: Das Kooperationsverbot in Bildung
und Wissenschaft muss weg. Ihr Grundgesetzänderungs-
vorschlag löst das Problem doch nur zur Hälfte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir brauchen eine strategische Finanzierungspartner-
schaft von Bund und Ländern für bessere Bildung und
Forschung.

Wir brauchen auch ehrgeizige Ziele in der Bildungsfi-
nanzierung: Weiterhin fehlen 20 Milliarden Euro, um
das 7-Prozent-Ziel zu erreichen; 7 Prozent des Brutto-
inlandsprodukts sollen in die Bildung fließen. Die ent-
sprechende Mahnung der OECD vom vergangenen
Dienstag darf bei der Bundesregierung nicht auf taube
Ohren stoßen.

Ähnlich ambitioniert müssen die Investitionen in For-
schung und Entwicklung weiter steigen. Dass aktuell
3 Prozent des BIP dafür ausgegeben werden, ist ja nett.
Aber das sollte bereits vor einem halben Jahrzehnt er-
reicht worden sein! Also auf zu neuen Ufern!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir Grünen stehen mit Ihrer eigenen Expertenkom-
mission Forschung und Innovation, mit Industrie und
Mittelstand, Arbeitgebern und Handwerk längst für das
3,5-Prozent-Ziel. Die Große Koalition sollte hier nach-
ziehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir wollen die Dynamik unseres Innovationsstandor-
tes stärken. Deshalb fordern wir eine steuerliche For-
schungsförderung für kleine und mittlere Unternehmen
und mehr Möglichkeiten für Start-ups und Existenzgrün-
der. Deutschland braucht einen neuen Gründergeist. Da-
von sind wir noch weit entfernt. Das wäre zukunftsge-
rechte Politik.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Simone Raatz [SPD]: Da ist einiges im Wirtschaftsministerium!)


Ihre neue Hightech-Strategie dagegen ist eher ein
Sammelsurium altbekannter Forschungsförderprogramme.
Ich bin sehr gespannt, Frau Wanka, wie Sie uns die
Summe für die Hightech-Strategie, die Sie heute hier
vermarktet haben, im Ausschuss darstellen und wie Sie
auf diese Beträge kommen.


(Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin: Das mache ich gerne!)


Es muss für die nächsten Jahre alles zusammengesam-
melt worden sein. Aber wir kommen nicht auf diesen
Betrag.

Die Hightech-Strategie sollte erkennbar entrümpelt
werden. Sie sollten für echte Bürgerbeteiligung sorgen.
Dafür haben Sie kein stimmiges Konzept. Sie müssen
insgesamt die Hightech-Strategie auf die großen gesell-
schaftlichen, ökologischen, digitalen und demografi-
schen Fragen ausrichten. Mit Blick auf all das kann ich
nur feststellen: Innovationen gehen anders.





Kai Gehring


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Statt heißer Luft, guter Verpackung und Brimborium
brauchen wir klare Prioritäten für höhere Investitionen in
gute Bildung und Forschung, für mehr Chancengerech-
tigkeit und Bildungsaufstieg und für eine wirklich krea-
tive Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft, die den
großen Herausforderungen unserer Zeit gerecht wird.
Das, meine Damen und Herren, sind unsere Prioritäten
für den Haushaltsentwurf 2015. Der Haushalt sollte
überarbeitet werden. Freuen Sie sich auf unsere Ände-
rungsvorschläge und -anträge.

Wenn die SPD tatsächlich die Änderungsvorschläge
zur Ausbildung einbringt, dann sind wir gerne dabei.
Auch wir werden gerne beantragen, dass die Kürzungen
bei der beruflichen Bildung zurückgenommen werden.
Dieser Haushalt muss dringend verbessert werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1805105900

Als nächster Redner hat der Kollege Dr. Wolfgang

Stefinger das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Wolfgang Stefinger (CSU):
Rede ID: ID1805106000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Als ich angefangen habe, mich politisch zu
engagieren, wurden die öffentlichen Haushalte in unse-
rem Land jedes Jahr mit einer Neuverschuldung aufge-
stellt.

Als Edmund Stoiber 2006 erklärte: „Wir machen in
Bayern keine neuen Schulden mehr“, wurde er anfangs
belächelt.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Dabei ist es geblieben!)


Es gab hitzige Debatten darüber. Bayern hat nun seit
2006 einen ausgeglichenen Haushalt.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Wir zahlen sogar zurück!)


– Wir zahlen sogar zurück.

Für mich als jungen bayerischen Abgeordneten, der
zum ersten Mal diesem Hohen Hause angehören darf, ist
es eine besondere Freude, bei diesem historischen
Schritt des Bundes dabei sein zu dürfen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zum ersten Mal seit 1969 legt der Bund einen ausgegli-
chenen Haushalt vor. Zum ersten Mal seit 45 Jahren
steht eine „schwarze Null“ im Haushaltsplan der Bun-
desregierung.


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Hervorragend!)


Das Wichtigste dabei ist: An der Zukunft wird nicht
gespart.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Im Gegenteil: In Bildung und Forschung wird seit Jahren
kräftig investiert, und so bleibt es auch mit diesem Haus-
halt. Dies war und ist nur möglich, weil die Bundesregie-
rung eindeutig einen Schwerpunkt auf Bildung und For-
schung setzt.

Gerade weil es in unserem Einzelplan, den wir heute
diskutieren, so deutlich wird, möchte ich noch einmal
ein paar Eckpunkte umreißen: 15,3 Milliarden Euro sind
8,6 Prozent mehr als im Haushalt 2014 und ein Anstieg
um 1,2 Milliarden im Vergleich zum laufenden Haus-
haltsjahr. Der Bund entlastet die Länder beim BAföG,
bei der Finanzierung von Studienplätzen und beim Aus-
bau der frühkindlichen Bildung. Die Finanzierung des
BAföG wird ab 2015 vollständig vom Bund übernom-
men. Das bedeutet eine Entlastung der Länder um
1,17 Milliarden Euro pro Jahr.

Für den Hochschulpakt stehen 2,1 Milliarden Euro
zur Verfügung. Insgesamt investiert die Koalition in die-
ser Legislaturperiode 3 Milliarden Euro in den For-
schungs- und Entwicklungsbereich. Wir führen die Ex-
zellenzinitiative fort.

Für die Etats der außeruniversitären Forschungsein-
richtungen Max-Planck-Gesellschaft, Helmholtz-Ge-
meinschaft, Leibniz-Gemeinschaft, Fraunhofer-Gesell-
schaft und DFG verzeichnet dieser Haushaltsentwurf
erneut eine Steigerung um 5 Prozent. Ab 2016 ist eine
jährliche Steigerung von 3 Prozent vereinbart. Wer
finanziert es? Nicht die Länder, sondern der Bund finan-
ziert es, und das alles bei einem ausgeglichenen Haus-
halt, bei einer schwarzen Null.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


In diesem Zusammenhang möchte ich festhalten, dass
der Bund den Ländern sehr weit entgegengekommen ist,
was die Finanzierung im Bildungsbereich angeht. Immer
noch mehr zu fordern, ist einfach. Nun sind die Länder
dran, ihre Hausaufgaben zu machen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die von mir aufgezählten Investitionen im Bildungs-
und Forschungsbereich sowie der ausgeglichene Haus-
halt sind ein deutliches und wichtiges Signal an die
junge Generation. Wir sagen damit: Wir bauen auf euch.
Eure Zukunft ist uns nicht egal. – Für dieses deutliche
Zeichen danke ich herzlich dieser Bundesregierung, Ih-
nen, Frau Ministerin, Ihren Staatssekretären und den
Mitgliedern des Haushaltsausschusses.

Lassen Sie mich bitte noch etwas zur OECD-Studie
sagen, die diese Woche veröffentlicht und hier im Hause
mehrfach angesprochen wurde. Ja, ich freue mich, dass
die OECD die gute frühkindliche Bildung in Deutsch-
land lobt. Auch in diesem Bereich hat der Bund trotz Fi-
nanz- und Wirtschaftskrise viel Geld investiert. Unsere
geringe Jugendarbeitslosigkeit wird gelobt. Unser duales
Ausbildungssystem wird ebenfalls – man höre und
staune! – lobend erwähnt.


(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Was Sie gerade runterfahren!)






Dr. Wolfgang Stefinger


(A) (C)



(D)(B)

Ich gebe zu, dass ich diese Passage mehrfach lesen
musste; denn in den vergangenen Jahren lauteten die
Aussagen der OECD immer, dass einzig und allein der
Weg an die Hochschulen der Königsweg sei, während
Ausbildungsberufe eher als minderwertig dargestellt
wurden.

Nach meinem Verständnis hat jeder Mensch eigene
Fähigkeiten, Stärken und Schwächen. Der eine ist hand-
werklich geschickt, der andere hat zwei linke Hände. Die
eine kann gut mit Kindern, die andere eher mit älteren
Menschen. Der eine redet gerne viel und meistens lange
und geht vielleicht deshalb in die Politik; der andere
zieht sich lieber zurück, zeichnet Pläne und schreibt Bü-
cher oder geht einer anderen Tätigkeit nach, die ihm
liegt und Freude macht. Diese Liste ließe sich beliebig
fortsetzen. So frage ich: Sollten wir nicht endlich damit
aufhören, Berufe zu bewerten oder gar abzuwerten?
Trägt nicht jeder Beruf zum Zusammenleben unserer
Gesellschaft bei?


(Beifall bei der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie die Gehälter von Arbeiterinnen und Arbeitern aufwerten, ist es gut! Man kann auch alles schönreden!)


Lassen Sie mich kurz eine kleine Geschichte erzäh-
len. Ich hatte vor der Sommerpause einige Schulklassen
bei mir zu Gast. Es waren Schüler aus Gymnasien, Real-
schulen und Mittelschulen. Wissen Sie, was ein Mäd-
chen mir geantwortet hat, als ich sie gefragt habe, was
sie – es war übrigens keine Schülerin einer Gymnasial-
klasse – nach ihrem Abschluss machen möchte? Sie hat
zu mir gesagt: Herr Stefinger, ich mache nur eine Aus-
bildung. – Was sagt uns dieser Satz? Mich hat dieser
Satz über die Sommerpause hinweg begleitet und be-
schäftigt. Denn der Satz sagt uns, das wir inzwischen so
weit sind, dass Schüler glauben, nur noch mit Abitur et-
was wert zu sein und etwas werden zu können, und mei-
nen, sich fast entschuldigen zu müssen, dass sie eine
Ausbildung machen. Genau das ist falsch.


(Beifall bei der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso kürzen Sie dann bei beruflicher Bildung, wenn Sie das ernst nehmen?)


Deshalb habe ich ihr zugerufen: Was heißt hier „nur“?
Herzlichen Glückwunsch zum Ausbildungsplatz! Dir
stehen danach alle Wege offen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich möchte noch Folgendes in Richtung OECD sa-
gen: Wenn wir weiterhin das Akademikerkind, das sich
für einen Handwerksberuf entscheidet oder eine Ausbil-
dung absolvieren möchte, als Bildungsabsteiger bzw.
Verlierer bezeichnen, dann brauchen wir uns über den
erwähnten Satz des Mädchens nicht zu wundern.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1805106100

Herr Stefinger, lassen Sie eine Zwischenfrage der

Kollegin Walter-Rosenheimer zu?


Dr. Wolfgang Stefinger (CSU):
Rede ID: ID1805106200

Bitte schön.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie bedauern, dass eine Ausbildung einer akademi-
schen Bildung nicht gleichgestellt ist. Da Sie aus Mün-
chen sind: Die CSU verweist immer gerne darauf, dass
wir die berufliche Bildung stärken müssen. Ich möchte
daher wissen, warum Sie um 3 Millionen Euro kürzen.
Ihr Kollege Rupprecht hat am 30. Juli in der Deutschen
Handwerks Zeitung gesagt, dass viel mehr Geld in die
berufliche Bildung fließen müsse. Vielleicht können Sie
dem Kollegen Rupprecht und mir eine Antwort geben.


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Deshalb sind wir im parlamentarischen Verfahren!)


– Genau.

Für die Modernisierung und Stärkung der beruflicher
Bildung stehen 6 Millionen Euro zur Verfügung, für die
Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung 3 Mil-
lionen Euro, für Maßnahmen zur Verbesserung der Be-
rufsorientierung 10 Millionen Euro, für überbetriebliche
Ausbildungsstätten 8 Millionen Euro. Vielleicht können
Sie mir dazu etwas sagen. Das wäre sehr nett.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Wolfgang Stefinger (CSU):
Rede ID: ID1805106300

Sie haben richtig erkannt, dass die CSU und die CDU

immer ein Augenmerk auf die berufliche Bildung legen.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt mal zur Sache! Warum kürzen Sie die Mittel? Das ist die Frage!)


Wir sind derzeit im parlamentarischen Verfahren. Das
Haushaltsgesetz ist ein Gesetzentwurf dieser Bundesre-
gierung; Sie wissen es. Wie ich gelernt habe – ich bin
erst seit einem Jahr Mitglied dieses Hauses –, ist es so,
dass der Haushalt vom Bundestag, das heißt von den Ab-
geordneten, verabschiedet wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir haben noch sehr viele Möglichkeiten, den Haushalt
zu verbessern.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Kritik an der eigenen Ministerin! Schon klar!)


Im Übrigen möchte ich hier noch eines zum Bericht
der OECD sagen; dieser Bericht berücksichtigt nämlich
nicht, dass es in den Ländern Unterschiede in der Aus-
bildung gibt. Während beispielsweise in Deutschland
eine angehende Krankenpflegerin ihren Beruf in der Be-
rufsschule erlernt, wird in Frankreich eine angehende
Krankenpflegerin an der Hochschule ausgebildet. Hieran





Dr. Wolfgang Stefinger


(A) (C)



(D)(B)

sieht man doch, dass die vorgelegten Zahlen nicht ver-
gleichbar sind.

Eines möchte ich deutlich festhalten – ich würde mir
wünschen, dass von dieser Stelle, vom Deutschen Bun-
destag, ein Zeichen für die jungen Menschen ausgeht –:
Es ist kein Abstieg, keine Schande, eine Ausbildung zu
machen.


(René Röspel [SPD]: Wer sagt das denn?)


Einen Jugendlichen, der sich für eine duale Ausbildung
entscheidet, oder einen Erwachsenen, der einen erlernten
Beruf ausübt, als Bildungsabsteiger zu bezeichnen, nur
weil die Eltern laut OECD-Definition einen höherwerti-
gen Abschluss haben, ist für mich Diskriminierung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Ich frage mich: Wo sind die selbsternannten Empö-
rungsbeauftragten in unserem Land, die sich sonst schon
bei jeder Kleinigkeit echauffieren und einen Riesenauf-
schrei machen?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich komme zum Schluss. Für mich sind Menschen
mit einem Handwerksberuf oder einem Ausbildungsbe-
ruf genauso viel wert wie ein Akademiker, ein Doktor
oder ein Professor.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1805106400

Als nächste Rednerin hat die Kollegin Simone Raatz

das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Simone Raatz (SPD):
Rede ID: ID1805106500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Zunächst zu meiner grünen Kollegin Frau
Deligöz. Da sie gesagt hat, Stifter gebe es kaum, möchte
ich einen Hinweis geben. Auch wenn es nicht mein be-
vorzugtes Modell zur Finanzierung von Hochschulen ist:
Die Technische Universität in Freiberg hat zwei Stifter,
die ohne staatliche Unterstützung Geld geben, und zwar
in erheblicher Höhe.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, genau! Sage ich doch! Sie bestätigen meine These! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hören Sie mal richtig hin!)


Das wollte ich nur einmal sagen.

Herr Claus, Sie haben gesagt, die Regierungskoalition
finde alles schön. Ich würde sagen: Wir finden nicht al-
les schön, was im Haushaltsentwurf steht, aber vieles.
Zur Realität gehört auch – ja, das muss ich sagen –, dass
das BMBF in den kommenden Jahren an einigen Stellen
Umverteilungen – mein Kollege nannte es Umschichtun-
gen – vornehmen muss. Wenn unser Ziel nämlich ist,
Haushalte ohne neue Schulden aufzustellen, dann wird
man davon nicht ganz wegkommen. Auch ich hätte mir
an der einen oder anderen Stelle einen deutlicheren Auf-
wuchs gewünscht.

Umso wichtiger ist es aber – das wurde von einigen
meiner Vorredner schon erwähnt –, dass wir im Koali-
tionsvertrag zusätzlich 9 Milliarden Euro für die Finan-
zierung von Bildung, Wissenschaft und Forschung ver-
einbart haben. Damit sichern wir – das ist ganz wichtig –
zum Beispiel die Fortsetzung des Paktes für Forschung
und Innovation als wichtigen Baustein einer erfolgrei-
chen Entwicklung des deutschen Wissenschaftssystems.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Es wird auch in den kommenden Jahren wieder zu
einem Zuwachs kommen – das wurde schon erwähnt;
zunächst um 5 Prozent, später um 3 Prozent –, der un-
seren außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu-
gutekommt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbeson-
dere Herr Kaufmann, ich denke, das ist ein Erfolg der
schwarz-roten Koalition. Darauf können wir wirklich
stolz sein.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Denn damit zeigen wir, dass sich die außeruniversitären
Forschungseinrichtungen auf unsere Zusage verlassen
können.

Aber wir müssen auch sagen: Auch wenn wir festge-
legt haben, um wie viel Prozent die Steigerung ausfällt,
wird dieser Aufwuchs auf Dauer kein Selbstläufer sein.
Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, mit
den Wissenschaftsorganisationen konkrete Ziele zu ver-
einbaren, zum Beispiel bei der Gleichstellung und der
Nachwuchsförderung. Wie ich heute gehört habe, liegt
die Nachwuchsförderung uns allen sehr am Herzen.

Bei der Fortführung des Paktes für Forschung und
Innovation werden wir daher insbesondere für diese bei-
den Bereiche messbare Zielvereinbarungen mit den For-
schungseinrichtungen treffen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Nach dem letzten GWK-Bericht „Chancengleichheit in
Wissenschaft und Forschung“ lag der Frauenanteil bei
Führungspositionen 2012 bei den außeruniversitären
Einrichtungen bei gerade einmal 15,8 Prozent. Ich denke,
da geht wesentlich mehr. Spezifische Zielquoten zur Ge-
winnung von weiblichem Nachwuchs und weiblichen
Führungskräften sind daher ein wichtiges Instrument zu
mehr Chancengerechtigkeit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade auf diesen Ge-
bieten müssen wir etwas tun und uns dieser Problematik
annehmen.

Auch bei der Nachwuchsförderung – wir haben erst
kürzlich darüber debattiert – und damit unmittelbar zu-
sammenhängend dem Thema „Gute Arbeit in der Wis-
senschaft“ muss sich etwas tun, und wir müssen uns in





Dr. Simone Raatz


(A) (C)



(D)(B)

der Koalition auf verschiedene Eckpunkte einigen. Um
zukünftig junge Leute für einen Job in der Wissenschaft
zu begeistern, muss es endlich eine signifikante Redu-
zierung der Quote der befristeten Arbeitsverhältnisse
geben. Man muss an die Karriereplanung von jungen
Menschen denken; denn es ist längst nicht mehr selbst-
verständlich, dass wir die besten Köpfe an unseren Uni-
versitäten und Forschungseinrichtungen halten, wenn
wir ihnen solche Verträge anbieten. Das muss sich drin-
gend ändern.


(Beifall bei der SPD)


Ich denke, dass die Novellierung des Wissenschafts-
zeitvertragsgesetzes, an der wir derzeit arbeiten, ein
ganz wichtiger erster Schritt dafür ist. Mit Freude habe
ich zur Kenntnis genommen, dass stellvertretend für
die Unionsfraktion auch mein CDU-Kollege, Herr
Rupprecht – Sie werden heute mehrfach erwähnt –,


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: CSU!)


– CSU, Entschuldigung –


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist das mit Dreierkoalitionen!)


in der Frankfurter Allgemeinen für entsprechende Rege-
lungen im Pakt für Forschung und Innovation plädiert
hat. Das lässt hoffen.

Neben dem Pakt für Forschung und Innovation ist ein
weiterer Schwerpunkt des aktuellen Haushalts im Koali-
tionsvertrag vereinbart, nämlich die Stärkung des Auf-
und Ausbaus „einer breit aufgestellten Wissenschafts-
landschaft und einer leistungsfähigen Spitzenforschung
in den neuen Bundesländern“.

Ich dachte, Herr Lenkert, Sie gehen darauf ein – –


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das ist Herr Claus!)


– Ich meine aber Herrn Lenkert. Er hat vorhin auch ge-
sprochen. – Er hat sich mehr auf die Landespolitik bezo-
gen. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie sich auf die Bun-
despolitik bezogen und gerade diesen Punkt erwähnt
hätten; denn 28 Millionen Euro der im Koalitionsvertrag
vereinbarten zusätzlichen Mittel finden sich im Haus-
haltstitel „Innovationsförderung in den neuen Ländern“
mit einem Gesamtbudget von etwa 146 Millionen Euro
wieder. Auch das wäre eine Erwähnung wert gewesen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Um das, was bisher entstanden ist – ich denke hier an
den Forschungscampus in Jena, Chemnitz oder Berlin;
hier sieht es ganz toll aus –,


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Leipzig!)


dauerhaft zu stärken, müssen die Mittel in den nächsten
Jahren weiter verstetigt und zielgerichtet aufgestockt
werden. Das wird eine Aufgabe der nächsten Haushalte
sein.

Der Fokus liegt dabei in einer weiteren Intensivierung
von regionalen Kooperations- und Netzwerkaktivitäten
sowie auf einer Zusammenarbeit mit überregionalen
Partnern. Die aktuelle Initiative „Zwanzig20 – Partner-
schaft für Innovation“ verfolgt – Swen Schulz hat es
schon erwähnt – genau diesen Ansatz und findet sich
auch in unserem Haushalt wieder.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Bundeskanzlerin sagte gestern, wir wollen Welt-
meister in der anwendungsorientierten Forschung wer-
den und eine bessere Vernetzung von Wissenschaft und
Wirtschaft erreichen. Davon – das muss man ehrlich sa-
gen – sind wir noch etwas entfernt. Denn es gibt nach
wie vor in Deutschland eine erhebliche Lücke bei der
Übertragbarkeit von Forschungsergebnissen in die Wirt-
schaft. Und genau diese Lücke gilt es in den nächsten
Jahren zu schließen.

Das ist mein dritter zentraler Punkt, auf den ich zum
Schluss noch kurz eingehen möchte: Es geht um die
Schaffung neuer Instrumente für einen besseren Transfer
von Innovationen aus der Grundlagenforschung in nutz-
bare Dienstleistungen und Produkte. Gerade hierfür wer-
den wir zunächst mit einem Aufwuchs von 4,5 Millionen
Euro Initiativen fördern. Eine Initiative möchte ich erwäh-
nen. Es ist die Förderinitiative „Forschungscampus – öf-
fentlich-private Partnerschaft für Innovationen“.


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1805106600

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.


Dr. Simone Raatz (SPD):
Rede ID: ID1805106700

Ich komme zum Schluss. – Ich möchte noch erwäh-

nen, dass wir zukünftig auf die stärkere Kooperation
zwischen den universitären und außeruniversitären For-
schungseinrichtungen Wert legen und auch die Fach-
hochschulen in ihrer Bedeutung stärken, indem wir mehr
Forschungsmittel für die Fachhochschulen zur Verfü-
gung stellen für eine Verbesserung des Wissenschafts-
und Technologietransfers. Damit haben wir wichtige
Schwerpunkte gesetzt, die wir im nächsten Jahr gemein-
sam angehen könnten und wofür wir finanzielle Mittel
zur Verfügung haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Schwerpunkte
im Haushalt, gerade in unserem, sind zum großen Teil
richtig gesetzt.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1805106800

Als nächster Redner hat der Kollege Tankred

Schipanski das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Tankred Schipanski (CDU):
Rede ID: ID1805106900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Noch nie stand der Haushalt des BMBF so im Mittel-
punkt und im öffentlichen Fokus wie in diesem Jahr: In
der Rede unserer Bundeskanzlerin in der gestrigen Ge-
neraldebatte wurde er als zweiter Punkt genannt. Sie
stellte ganz treffend fest, dass sich der Forschungs- und





Tankred Schipanski


(A) (C)



(D)(B)

Bildungshaushalt gegenüber 2005 faktisch verdoppelt
hat; er stieg von 7,6 Milliarden auf 15,3 Milliarden Euro
an. Der Bundesfinanzminister hat in seiner Rede den
Etat des BMBF als Erstes erwähnt und stellte den Auf-
wuchs im Haushalt 2015 von 1,2 Milliarden Euro he-
raus. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein sehr
gutes und richtiges Zeichen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir Fachpolitiker diskutieren heute in der Kernzeit. Sie
sehen: Bei dieser Bundesregierung und in dieser Legisla-
tur stehen Bildung und Forschung ganz oben.

Im Jahr 2015 kommt ein ganz besonderer Erfolg
hinzu, nämlich keine neuen Schulden im Gesamthaus-
halt – ein großer Erfolg. Dennoch gibt es eine absolute
Schwerpunktsetzung beim Thema Bildung und For-
schung. Da überrascht es mich schon, dass sich die
Opposition in der gestrigen Generaldebatte über diesen
großen Erfolg so echauffiert hat. Für mich als junger Ab-
geordneter ist der Haushalt ohne neue Schulden ein
sichtbares Zeichen für Generationengerechtigkeit, für
Nachhaltigkeit und für Verantwortungsbewusstsein.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Keiner kann verstehen, dass man sich da nicht freuen
kann. Ich bin dem Bundesfinanzminister für diese
schwarze Null sehr dankbar – auch wenn der Haushalt
des BMBF eine hohe globale Minderausgabe enthält.

Ich bin dankbar für die Schuldenbremse und weise
zugleich darauf hin, dass nicht nur die Länder, sondern
eben auch der Bund davon betroffen ist; sie stellt auch
für uns eine Herausforderung dar. Ich bin dankbar, dass
wir mit diesem Haushalt des BMBF die richtigen Priori-
täten setzen, nämlich Innovationskraft und Zukunft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Haushalt wird
von wichtigen Vorhaben begleitet. Wir haben gehört:
Die BAföG-Reform und die Änderung des Artikels 91 b
Grundgesetz stehen an, der Hochschulpakt wird disku-
tiert. All das sind Maßnahmen, bei denen der Bund sagt:
Wir nehmen unsere gesamtstaatliche Verantwortung
ernst; auch wenn wir verfassungsrechtlich nicht in der
Pflicht stehen, engagieren wir uns in unserem Bundes-
staat, engagieren wir uns für das gesamtstaatliche Wohl
der Bundesrepublik. – Das muss in gleicher Weise für
die Bundesländer gelten.

Ich darf an unsere staatliche Struktur erinnern, in der
die Länder die Finanzverantwortung für die Hochschu-
len tragen.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Gesamtverantwortung!)


Hier erwarte ich von den Ländern, dass auch sie ihre ge-
samtstaatliche Verantwortung wahrnehmen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Da entsetzt mich das, was gegenwärtig in Niedersachsen
passiert; Stefan Kaufmann hat das hier zu Recht mit
Blick auf die BAföG-Vereinbarung angesprochen. Die
Zeitschrift Forschung & Lehre hat Ende August eine
Umfrage gemacht: Sie hat sich erkundigt, wie die Bun-
desländer die vereinbarten Mittel einsetzen. Das Ergeb-
nis: Thüringen gibt seinen Anteil von 28 Millionen Euro
komplett an die Hochschulen weiter; in Sachsen sind es
51 Millionen Euro, in Hessen 81 Millionen Euro usw.;
Sie können das gerne nachlesen. Allerdings gibt es zwei
Bundesländer, die sich überhaupt nicht an diese Verein-
barung halten: Mecklenburg-Vorpommern und Nieder-
sachsen.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Was ist mit dem Saarland?)


Am gestrigen Tage nahm hier im Hohen Hause der ge-
genwärtige Präsident des Bundesrates Platz, der nieder-
sächsische Ministerpräsident. Der Bundesrat ist der Ort,
an dem die Länder ihre gesamtstaatliche Verantwortung
unter Beweis stellen. Kein Land – ich habe es Ihnen ge-
rade gesagt – verletzt die BAföG-Vereinbarung zwi-
schen Bund und Ländern so gravierend wie Niedersach-
sen.


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Das ist doch albern, komplett albern!)


Die über die BAföG-Entlastung den Hochschulen zur
Verfügung gestellten Mittel – in Niedersachsen sind es
113 Millionen Euro – will der Bundesratspräsident in die
Kindergärten des Landes stecken und den Hochschulen
vorenthalten.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das etwa keine Bildung? Machen Kindertagesstätten keine Bildung? – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Sehr gut! Gute Bildung!)


Nun ist frühkindliche Bildung wichtig, und deswegen
hat der Bund ein Sondervermögen „Kinderbetreuungs-
ausbau“ aufgelegt. – Lieber Herr Gehring, weil Sie sich
so echauffieren: Wir von der Union glauben noch daran,
dass auch Eltern ihre Kinder betreuen können.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)


– So ist es. – Meine Damen und Herren, der Bund enga-
giert sich im Bereich der Kinderbetreuung wahrlich
genug, und die BAföG-Mittel stehen dafür nicht zur Ver-
fügung.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es war vereinbart, dass diese an die Hochschulen gehen.

Mit diesen Geldern, lieber Herr Schulz, kann man als
Land auch Programme für den wissenschaftlichen
Nachwuchs aufsetzen. Da machen wir überhaupt keine
Vorgaben.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie jetzt Vorgaben, oder machen Sie keine Vorgaben?)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir diskutieren in
wenigen Wochen die Änderung des Artikels 91 b Grund-
gesetz. Wir entwickeln eine Kooperationskultur. Koope-
ration setzt aber voraus, dass man sich aufeinander ver-
lassen kann.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)






Tankred Schipanski


(A) (C)



(D)(B)

Was Niedersachsen gerade macht, ist das genaue Gegen-
teil von Verlässlichkeit.


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Genau so ist es!)


Eine solche Politik eines Ministerpräsidenten, dazu noch
eines Bundesratspräsidenten,


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Jetzt wird es langweilig, Herr Schipanski!)


dem eigentlich das gute Miteinander zwischen Bund und
Ländern in unserem föderalen Gemeinwesen am Herzen
liegen sollte, ist für mich beschämend. Ich appelliere an
Niedersachsen, dieses Geld den Hochschulen zur Verfü-
gung zu stellen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Sonst haben Sie keine Probleme, Herr Schipanski? – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Genau so ist es!)


Der OECD-Bericht wurde schon angesprochen. Ich
glaube, der Kollege Stefinger hat das sehr richtig er-
kannt: Die OECD hat unser durchlässiges System unter
dem Titel „Kein Abschluss ohne Anschluss“ bis zum
heutigen Tage nicht richtig verstanden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die OECD diskreditiert systematisch den deutschen
Facharbeiter. Daher sagen wir trotz OECD: Uns ist die
berufliche Bildung wichtig. Das ist für uns ein wichtiger
Schwerpunkt. Daher schichten wir Mittel in diesen Titel
um.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verkleidet!)


Auf das parlamentarische Verfahren wurde ja bereits
verwiesen. Wir werden, lieber Kollege Rossmann, dies-
bezüglich zu einer guten Lösung kommen.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Rossmann leidet unter Ihnen!)


Uns ist daran gelegen, dass wir gemeinsam mit den Län-
dern flächendeckend für eine gute Berufsorientierung
und eine gute Studienorientierung sorgen können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir wollen damit auch deutlich machen, dass die beruf-
liche und die akademische Ausbildung für uns den glei-
chen Stellenwert haben; Kollege Stefinger hat darauf
richtigerweise hingewiesen.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Aber wir auch!)


Noch einmal zur Mär, dass der Bildungsabschluss
von der sozialen Herkunft abhängt:


(Lachen bei der LINKEN)


Unsere Maxime lautet: Kein Abschluss ohne Anschluss.
Jeder, der sich nach einer Berufsausbildung weiterquali-
fizieren möchte, hat dazu die Möglichkeit. Alle haben
die gleichen Bildungschancen.

(Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1805107000

Herr Schipanski, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?


Tankred Schipanski (CDU):
Rede ID: ID1805107100

Nein, ich freue mich auf die Kurzintervention.

Ich erinnere Sie in diesem Zusammenhang an unsere
Programme „Offene Hochschulen“ und „Aufstieg durch
Bildung“. Die TU Ilmenau, meine Heimatuni, hat aus
diesen Programmen vor kurzem umfangreiche Mittel er-
halten. Unsere Bundesforschungsministerin konnte sich
von den Erfolgen dort überzeugen.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: In Thüringen!)


– Ja, genau, in Thüringen. Ich komme jetzt auf Thürin-
gen zu sprechen, weil der Kollege Lenkert hier eindring-
lich an die Thüringer Landtagswahl erinnert hat, die am
Wochenende stattfinden wird. Sie wissen: Thüringen ist
eines der erfolgreichsten Länder unter den neuen Bun-
desländern. Die gegenwärtige Landesregierung unter
Führung der CDU steht für Stabilität, für Verlässlichkeit
und für Aufschwung.


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Minus! Die können mit Geld nicht umgehen!)


Die Thüringer Hochschul- und Forschungslandschaft
droht einzustürzen, wenn die Linke dort in Regierungs-
verantwortung kommen sollte.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Guter Witz!)


Wir haben das an Ihrer Rede gesehen, Herr Lenkert. Das
Wahlprogramm der Linken lässt Schreckliches erahnen:
flächendeckende Einheitsschulen, Förderschulen sollen
zerschlagen werden, Schüler sollen keine Schreibschrift
mehr lernen, Noten sollen abgeschafft werden, demokra-
tische Strukturen an den Hochschulen sollen abgebaut
werden.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auweia!)


Die Hochschulen sollen durch den Geist der Planwirt-
schaft entmündigt werden.


(Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1805107200

Herr Schipanski, lassen Sie diese Zwischenfrage zu?


Tankred Schipanski (CDU):
Rede ID: ID1805107300

Nein, ich erwarte in diesem Fall ebenfalls eine Kurz-

intervention. – Die Regelstudienzeiten sollen ausgesetzt
werden, der Qualitätspakt Lehre soll abgeschafft wer-
den, die leistungsbezogene Professorenbesoldung und
die Forschungsfreiheit sollen stark eingeschränkt wer-
den. Es geht weiter – Herr Lenkert, ich kann Ihnen das
nicht ersparen –: Die Landkreise sollen aufgelöst, die





Tankred Schipanski


(A) (C)



(D)(B)

Kreisfreiheit von Städten abgeschafft und somit Hoch-
schul- und Wissenschaftsstandorte gefährdet werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das Einzige, was die Linken gründen möchten, sind
Cannabisklubs an Schulen und Hochschulen.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei der LINKEN)


Das ist unverantwortlich. Das gilt es zu verhindern. Die
Bildungsrepublik Deutschland darf nicht durch Rot-Rot
in Thüringen gefährdet werden. Das ist mein Stoßgebet,
Herr Schulz. Wir brauchen für die Wissenschaftsland-
schaft für Deutschland und in Thüringen Stabilität, Ver-
lässlichkeit und Weiterentwicklungschancen.

In diesem Sinne freue ich mich auf die Diskussion
über den Bundeshaushalt mit Ihnen im Ausschuss.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat der Kollege denn geraucht?)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1805107400

Wir haben jetzt zwei Kurzinterventionen. – Der Kol-

lege Mutlu nicht? – Okay.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat doch die Antwort gar nicht aufgeschrieben!)


Aber Sie, Herr Lenkert, wollen eine Kurzintervention
machen. Bitte.


Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805107500

Vielen Dank, dass Sie die Kurzintervention zulassen,

Herr Schipanski.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das hat die Präsidentin gemacht!)


– Entschuldigung. Frau Präsidentin, vielen Dank.

Ich möchte Herrn Schipanski an etwas erinnern: Das
Abschaffen der Schreibschrift wurde vom CDU-Kultus-
minister im Jahr 2008 beschlossen. Das haben Sie abge-
schafft.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Katja Kipping [DIE LINKE]: Das zum Wahrheitsgehalt Ihrer Kritik!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1805107600

Herr Schipanksi.


Tankred Schipanski (CDU):
Rede ID: ID1805107700

Herr Kollege Lenkert, Sie wissen, dass wir in einer

Großen Koalition in Thüringen regieren.


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Nicht 2008!)


Sie wissen, dass der Kultusminister von der SPD kommt
und dass in der Tat in einer Verordnung steht:

(Roland Claus [DIE LINKE]: Ist schon wieder falsch!)


Man kann an Grundschulen auch nur noch die Druck-
schrift und nicht mehr die Schreibschrift erlernen. Das
hat sich die Linke – allerdings leider Gottes auch die
SPD; das muss ich unserem Koalitionspartner hier sagen –
zu eigen gemacht. Nun wollen Sie in Thüringen die
Schreibschrift abschaffen.


(Lachen bei der LINKEN sowie des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Darauf muss man hier ganz einfach einmal hinweisen
können. Es ist traurig, Herr Lenkert, dass Sie das so
lustig finden. Ich finde es wirklich beängstigend, was
Rot-Rot in Thüringen in der Bildungspolitik vorhat. Da-
her hoffe ich sehr, dass weiterhin die Union in Thüringen
in Regierungsverantwortung bleibt.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1805107800

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir fahren in der

Debatte fort. Jetzt hat der Kollege René Röspel das
Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Jetzt zurück zur Sachlichkeit!)



René Röspel (SPD):
Rede ID: ID1805107900

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Bei uns in Westfalen findet der Karneval immer
Anfang des Jahres statt.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deswegen versuche ich jetzt, Ruhe in die Debatte zu
bringen.

Ich wollte eigentlich zur Forschungspolitik sprechen,
aber das schiebe ich jetzt ein bisschen nach hinten, weil
die bisherige Debatte mich dazu angeregt hat, ein paar
andere Sachen anzusprechen. Es ist gerade einmal ein
Dreivierteljahr her, dass wir einen Koalitionsvertrag auf
den Weg gebracht haben, der, glaube ich, richtig gut ist.
Wir versprechen darin, in dieser Legislaturperiode
9 Milliarden Euro für Bildung und Forschung auszuge-
ben, nicht nur für den Bund, sondern für den gesamten
Staat, Bund und Länder.

Ein Großteil dieser Mittel geht tatsächlich an die Län-
der. Ich will ausdrücklich sagen: Ich finde das auch gut
so. Wir können uns freuen, wenn ein junger Wissen-
schaftler als Doktorand bei einem Max-Planck-Institut
angestellt wird. Dann kommt er sozusagen in unsere
Bundeszuständigkeit. Kollegin Raatz hat deutlich ge-
macht, dass wir eigentlich genug Rucksäcke zu tragen
haben, um diesem eine vernünftige wissenschaftliche
Perspektive und ein anständiges Arbeitsverhältnis zu
bieten.





René Röspel


(A) (C)



(D)(B)

Aber nicht jeder Mensch wird als Bachelor oder als
Diplom-Ingenieurin geboren.


(Zuruf von der LINKEN: So ist es!)


Vor dieser Zeit, in der er dann bei uns ist, durchläuft er
Kindergarten, Schule und Hochschule. Diese sind in der
Regel in der Zuständigkeit der Länder. Das ist Teil des
Föderalismus.


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Richtig!)


Es ist deswegen richtig, dass wir zum Beispiel durch die
Übernahme des BAföG die Länder in den nächsten Jah-
ren deutlich entlasten.


(Beifall bei der SPD)


Interessanterweise – Herr Schipanski, ich weiß es
nicht mehr genau, aber ich glaube, Sie haben es gesagt –
steht in den Vereinbarungen, dass die frei werdenden
BAföG-Mittel für Schule und Hochschule verwendet
werden sollen.


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Aber nicht für Kindergarten!)


Das Schüler-BAföG macht 900 Millionen Euro aus, und
1,2 Milliarden Euro BAföG gibt es für Studierende. Der
Anteil an Schülern ist also recht groß. Wenn ein Bundes-
land sagt, dass es erst einmal die Priorität auf den Beginn
der Bildungszeit im Kindergarten legen will, dann finde
ich das nachvollziehbar.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die großen Herausforderungen im Bildungsbereich
liegen tatsächlich bei den Ländern. Ich wäre da über
manche Bundesregelung froh. Im Ruhrgebiet ist die
Schulsozialarbeit wie in vielen anderen Ballungszentren
ein wirklich wichtiges Thema. Das ist anders als im
Sauerland, im Siegerland oder in bayerischen Landen.
Es wäre wichtig gewesen – wir haben dies aber leider in
den Koalitionsverhandlungen nicht hinbekommen –,
dies durch den Bund zu finanzieren und die Länder da zu
entlasten.

Es gibt andere Themen, die wichtig sind und die vor
uns stehen, zum Beispiel das Thema Inklusion. Lassen
Sie mich ein Beispiel aus dem Leben nehmen. Was ist
Inklusion? Früher, wenn ein Kind blind war, ist es auf
eine Sonderschule gekommen. Diese heißen übrigens
– das habe ich von Hubert Hüppe gelernt – Förderschule
Schwerpunkt Sehen. Es war also ganz normal, dass die-
ses Kind irgendwo außerhalb des Wohnortes in eine För-
derschule Schwerpunkt Sehen kommt und dort zusam-
men mit anderen blinden Kindern unterrichtet wird.
Inklusion heißt: Wir wollen das anders versuchen.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])


Mein Sohn besucht die fünfte Klasse der Gesamt-
schule Hagen Eilpe. Erstmals ist eine Mitschülerin ein
blindes Mädchen. Das ist nicht einfach. Alle müssen sich
umstellen und aneinander gewöhnen. Das kostet im
Übrigen auch Geld, weil sozialpädagogische und päda-
gogische Betreuung benötigt werden. Man muss richtig
dafür zahlen. Ich vermute, dass wir alle das wollen, weil
das eine sehr große Chance ist, nicht nur eine große
Chance für das blinde Mädchen, unter anderen Kindern
aufzuwachsen statt in einer Sonderschule, sondern es ist
auch eine große Chance für alle anderen Mitschüler und
eine große Chance für unsere Gesellschaft, gemeinsam
aufzuwachsen.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Jetzt kann man natürlich sagen: Der Bund hat zwar
die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert, aber die
Länder sollen sich gefälligst darum kümmern, die Inklu-
sion hinzubekommen und die zusätzlichen Lehrer- und
Pädagogenstellen zu bezahlen.


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Die sind zuständig, Herr Röspel!)


Ich bin nicht dieser Auffassung. Ich glaube, das ist eine
gemeinschaftliche Aufgabe. Wir als Bund werden unse-
ren Teil dazu beitragen müssen.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Von den 9 Milliarden Euro, die zur Verfügung stehen,
haben wir – jetzt bin ich bei der Forschung angelangt –
3 Milliarden Euro bekommen, die wir in diesem Bereich
verausgaben müssen. Ich bin sehr froh, dass wir etwas
fortsetzen können, worum uns die ganze Welt beneidet.
2005 haben wir nämlich in der rot-grünen Koalition und
unter Ministerin Frau Bulmahn – ich freue mich, Sie im
Nacken bzw. im Rücken zu haben –


(Heiterkeit bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


den Paket für Forschung und Innovation auf den Weg
gebracht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben gegenüber den Wissenschaftsorganisatio-
nen – Max-Planck-Gesellschaft, Fraunhofer-Gesell-
schaft, Leibniz-Gemeinschaft, DFG, Helmholtz-
Gemeinschaft – das Versprechen abgegeben: Ihr be-
kommt – darauf könnt ihr euch verlassen – jedes Jahr
3 Prozent mehr Mittel, um damit perspektivisch und
kontinuierlich Forschung betreiben zu können. In bin
sehr froh, dass seither alle Regierungen, egal welcher
Farbe, dieses Versprechen eingehalten haben.


(Beifall des Abg. Willi Brase [SPD])


Wir tun das auch dieses Jahr und diese Legislaturpe-
riode. Ich bin, wie gesagt, sehr froh, dass uns das gelingt.

Aber ich sage auch: Das ist so, als ob man einen Luft-
ballon in einer Kiste aufbläst. Der Luftballon, der Pakt
für Forschung, wird immer größer. Aber wir müssen auf-
passen, dass das nicht zulasten anderer Bereiche, etwa
der universitären Forschung, geht. Wenn man hört, dass
es, zum Beispiel bei universitärer Demenzforschung,





René Röspel


(A) (C)



(D)(B)

schon Schwierigkeiten gibt, weitere Projektmittel zu be-
kommen, dann muss man darauf achten, dass das nicht
aus den Fugen gerät. Wir müssen eine Balance zwischen
außeruniversitärer und universitärer Forschung hinbe-
kommen.

Wir haben das übrigens schon im Rahmen des letzten
Haushalts, des Haushalts 2014, gemacht. Da haben wir
zum Beispiel gesagt: Die Fachhochschulforschung ist
unerhört wichtig für die Region, für den Mittelstand, für
die wirtschaftliche Basis unseres Landes. Wir stellen da-
für 2 Millionen Euro mehr zur Verfügung, weil sie nicht
über die außeruniversitären Forschungseinrichtungen
läuft. – Auch das müssen wir fortsetzen. Wir haben
1 Million Euro mehr für Friedens- und Konfliktfor-
schung auf den Weg gebracht. Wenn man sich die De-
batte heute Morgen angehört hat, muss man sagen: Es ist
angesichts der Konflikte in dieser Welt doch völlig nach-
vollziehbar und richtig, dass wir hier mehr tun müssen
und keinen Schritt zurück machen dürfen.

Weil Frau Hübinger, die sich ja große Verdienste um
diesen Bereich erworben hat, hier sitzt, sei mir ein letztes
Beispiel erlaubt. Wir als Bundesrepublik Deutschland,
als so reiches Land, müssen auch mehr bei der For-
schung im Bereich vernachlässigter und armutsassoziier-
ter Krankheiten tun.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Müssen wir erst Ebola haben, um zu erkennen, welch
große Verantwortung wir als forschungsstarkes Land in
diesem Bereich haben? Nein, eigentlich nicht.

Ich beende meine Rede mit einem großen Lob an
Frau Wanka


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum denn das? – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das meinst du aber nicht so, oder?)


– das ist überhaupt kein Problem; Kritik und Lob gehö-
ren zusammen –, die am Montag ein Programm auf den
Weg gebracht und sich damit eine Position zu eigen ge-
macht hat, die wir als SPD seit vielen Jahren vertreten.
Es wird ein Programm für Dienstleistungsforschung,
Produktionsforschung und Arbeitsforschung auf den
Weg gebracht. Ein hochindustrielles Land wie Deutsch-
land muss eine effiziente, ressourcensparende Produk-
tion haben. Da müssen wir mehr tun und mehr forschen.
Wir sind jahrelang gemahnt worden, dass wir im Bereich
wissensintensiver Dienstleistungen viel zu wenig tun.
Dieses Programm wird einen Impuls geben.

Ich komme zum Schluss. In den letzten Jahren der
schwarz-gelben Koalition sind die Mittel für die Arbeits-
forschung immer weiter reduziert worden, obwohl die
CDU auf diesem Gebiet eigentlich eine große Tradition
hat; Herr Riesenhuber – er war vorhin hier – hat dies in
den 80er-Jahren mit dem Programm „Humanisierung der
Arbeit“ unterlegt. Wir wollen, dass Menschen unter ver-
nünftigen, guten Bedingungen arbeiten. Wir brauchen
Arbeitsforschung, damit diese Arbeit auch morgen, auch
in Zukunft, möglich ist. Diesen Prozess werden wir wei-
terhin begleiten. Wir werden sehr viel Freude daran ha-
ben, in den nächsten Jahren in dieser Koalition an die-
sem Thema zu arbeiten. Machen Sie mit! Ein herzliches
Glückauf!


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1805108000

Als letzte Rednerin in dieser Debatte hat Frau

Hübinger das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Anette Hübinger (CDU):
Rede ID: ID1805108100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Als letzte Rednerin in dieser spannenden De-
batte heute Vormittag – auch ich bin eine Haushälterin –
bleibt mir nichts anderes übrig, als alles noch einmal ein
bisschen zu bündeln.

Herr Schulz, Sie sagten, die Finanzplanung von
Schwarz-Gelb sei immer weiter gesenkt worden. Das
stimmt. Nur – das ist wie bei den Honigbienen –, die Fi-
nanzplanung ist nicht das, was am Ende ausschlagge-
bend ist. Entscheidend ist der Haushalt, der verabschie-
det wird. Wir hatten uns unter Schwarz-Gelb
vorgenommen, in vier Jahren 12 Milliarden Euro zu in-
vestieren. Letztendlich waren es 13,8 Milliarden Euro.
Das hat jeden Finanzplan gesprengt. Auf diesem Weg
schreiten wir voran.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Vor der Sommerpause hatten wir in der Haushaltsdis-
kussion die Thematik, wie die 9 Milliarden Euro für Bil-
dung und Forschung eigentlich verwandt werden. Auch
da wurden vonseiten der Opposition Zweifel angemel-
det, ob diese Gelder denn auch vollumfänglich in diesen
Zukunftsbereich Bildung und Forschung fließen werden.
Das kann man nun sagen. Jetzt sind die Gelder aufge-
teilt, und sie fließen in diesen Bereich.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Allein in unseren Haushalt Bildung und Forschung
fließen 7,4 Milliarden Euro. Davon sind 2,5 Milliarden
Euro für den Bereich Forschung und 4,9 Milliarden Euro
– inklusive des Betrags für die Länderentlastung – für
die Bildungsausgaben veranschlagt. Ich denke, das kann
sich sehen lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bund – auch
das haben wir heute schon oft gehört – nimmt seine Auf-
gabe der Länderentlastung, wie es auch im Koalitions-
vertrag vereinbart wurde, sehr ernst.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann könnten Sie jetzt kürzer reden! Sie könnten die Zeit der Opposition schenken!)






Anette Hübinger


(A) (C)



(D)(B)

Das BAföG wurde schon ausgiebig debattiert. Hier
muss ich mich noch einmal an den lieben Haushaltskol-
legen Swen Schulz wenden.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Seid ihr eigentlich in einer Koalition?)


Ich habe mich gerade diese Woche noch einmal beim
Saarland erkundigt – wir haben dort eine Große Koali-
tion –: Die eingesparten Mittel fließen in Höhe von
1 Million Euro in die Schule, und da vor allem in die
Ganztagsschule.


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


Also, man kann schon schauen, wie man das Ganztags-
schulprogramm in anderer Form wieder aufleben lässt.
Der Rest fließt in die Hochschule. Wir kommen also
auch als Nehmerland unseren Aufgaben nach.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zudem fließen zur Entlastung der Länder 2,2 Milliar-
den Euro in die Hochschulen, um sie weiter ausbauen zu
können.

Die Lehreroffensive wurde auch schon genannt. Mir
als ehemalige Bildungspolitikerin ist es ein Herzensan-
liegen – das wurde in der CDU/CSU immer diskutiert –,
dass die neuen Herausforderungen an Lehrer ein Maß-
stab dafür sein sollen, was genau an Mitteln in diese Of-
fensive gesteckt wird. 45 Millionen Euro sind es in die-
sem Jahr.

Aber eines dürfen wir bei der Länderentlastung auch
nicht vergessen: Wir haben im Haushalt auch noch
715 Millionen Euro an Kompensationsmitteln stehen,
die nach den Ergebnissen der Föderalismusreform an die
Länder fließen.

Allerdings lassen wir trotz schwieriger europäischer
und internationaler Rahmenbedingungen auch nicht das
Zukunftsthema Forschung außer Acht. Dieses Thema
hat weiterhin Priorität. Wir setzen hier – das wurde eben-
falls öfter gesagt – auf Kontinuität. Die verbrieften jähr-
lichen Steigerungen der Mittel für die außeruniversitären
Forschungsinstitute betragen in diesem Jahr 5 Prozent.
Ab dem nächsten Jahr werden es 3 Prozent sein, die der
Bund dann allein tragen wird. Auch damit entlasten wir
dann die Länder. Das ist etwas, was unseren Forschungs-
standort sehr stark nach vorne gebracht hat, sodass welt-
weit der Fokus in Sachen Forschung auf Deutschland ge-
richtet ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Diese von allen gelobte Verlässlichkeit dieser Finan-
zierung muss weitergehen. Das werden wir auch so si-
cherstellen.

Die 7,4 Milliarden Euro an zusätzlichen Mitteln auf
der Bundesebene führen dazu, dass wir auch in den kom-
menden Jahren Rekordhaushalte vorlegen können. Das
zeigt ein Blick in die mittelfristige Finanzplanung für
diese Legislaturperiode. Der verabschiedete Haushalt
2014 hatte schon ungefähr knapp 14 Milliarden Euro,
der heute debattierte Haushaltsentwurf hat 15,3 Milliar-
den Euro. 2017 werden wir in diesem Einzelplan über
17 Milliarden Euro veranschlagen. Das ist ein wunder-
barer Aufwuchs. Damit kann man Politik sehr gut gestal-
ten.

Jetzt geht es aber darum, diese Politik so zu gestalten,
dass unsere Kinder und Enkelkinder in Deutschland
nicht nur eine Ausbildungschance, sondern auch eine
Berufschance und eine Entwicklungschance haben. Bei
diesen Beträgen – so muss ich sagen – muss doch eigent-
lich auch das Herz der Opposition höher schlagen.


(René Röspel [SPD]: Auch unser Herz!)


Wie wollen wir diese Rekordinvestitionen künftig
weiter ausgestalten? Wir Haushaltspolitiker müssen al-
lerdings auch darauf achten, dass der Gesamthaushalt
trotz mehrerer Steigerungen ausgeglichen ist. Die
schwarze Null ist unser Ziel, wir wollen keine Neuver-
schuldung. Das ist besser als eine rote Null; denn die
geht ja Richtung minus.

Der Zweiklang aus steigenden Zukunftsinvestitionen
und einem ausgeglichenen Gesamthaushalt – die Kolle-
gin hat es schon benannt – ist wirklich kein Selbstläufer,
sondern stellt an alle Beteiligten – an die Fachpolitiker, an
uns Haushaltspolitiker, aber auch an das Ministerium –
sehr große Herausforderungen, die wir meistern müssen.

Aus fachpolitischer Sicht stellt sich die Frage: Wo
und wie setzen wir die neuen Schwerpunkte? Es wurden
einige genannt: die neue Hightech-Strategie und auch
die neue BAföG-Reform. Die Koalitionäre CDU/CSU
und SPD haben in den Verhandlungen über den Haushalt
2014 schon einzelne Schwerpunkte benannt; diese The-
men gilt es natürlich auch weiterhin fortzuschreiben.
Das hat das Ministerium mit einer kleinen Ausnahme
auch so getan; dafür herzlichen Dank!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Diese Ausnahme, das war die berufliche Bildung; da ist
man wieder vom Finanzplan ausgegangen; das ist das
übliche Haushaltsprozedere. Ich denke, da wird man in
der Nachbetrachtung noch einmal genauer hinschauen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


In den vor uns liegenden Haushaltsverhandlungen
– auch für die kommenden Jahre – geht es darum, IT-Si-
cherheit, Kindergesundheit, Wirkstoffinitiative, Dienst-
leistungsforschung, Alphabetisierung usw. finanziell zu
untermauern. Nicht zuletzt aufgrund des Fachkräfteman-
gels einerseits und der Potenziale in einer globalisierten
Welt andererseits sowie der Herausforderungen im Ge-
sundheitsbereich lohnt sich ein zweiter Blick auf die ein-
zelnen Posten im Haushaltsplan. Herr Röspel, vielen
Dank für das Lob! Die vernachlässigten Krankheiten
sind mir ein Herzensanliegen, nicht erst seit der neuen,
gravierenden Epidemie. Wir müssen diese Herausforde-
rungen als forschungsstarkes Land annehmen und auch
in diesem Bereich weiter vorangehen.

Meine Zeit läuft ab.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)






Anette Hübinger


(A) (C)



(D)(B)

– Meine Redezeit. – Ich darf sagen: Ich erwarte die
Haushaltsverhandlungen mit Spannung.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und das, wo die Koalition schon so lange redet!)


Wir haben sie im letzten Jahr sehr kollegial geführt. Das
sollte auch unsere Messlatte für die kommenden Jahre
sein. Ich wünsche uns erfolgreiche Wochen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1805108200

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmel-

dungen liegen mir zu dem Einzelplan 30 nicht vor.

Ich rufe deshalb jetzt die nächsten Tagesordnungs-
punkte, die Tagesordnungspunkte 2 a bis 2 k auf:

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem
Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur

(EWG, EURATOM)

legung der historischen Archive der Organe
beim Europäischen Hochschulinstitut in Flo-
renz

Drucksache 18/1779
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Kultur und Medien

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-
rung des Straßenverkehrsgesetzes und der
Gewerbeordnung

Drucksache 18/2134
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz

c) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-
rung des Umweltstatistikgesetzes

Drucksache 18/2135
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit (f)

Innenausschuss

d) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umset-
zung der Richtlinie 2012/17/EU in Bezug auf
die Verknüpfung von Zentral-, Handels- und
Gesellschaftsregistern in der Europäischen
Union

Drucksache 18/2137
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
e) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem
Übereinkommen der Vereinten Nationen vom
31. Oktober 2003 gegen Korruption
Drucksache 18/2138
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f)

Innenausschuss

f) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Teilauf-
lösung des Sondervermögens „Aufbauhilfe“
und zur Änderung der Aufbauhilfeverord-
nung
Drucksache 18/2230
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss (f)

Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur

g) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes
zur Änderung des Verwaltungs-Vollstre-
ckungsgesetzes
Drucksache 18/2337
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Haushaltsausschuss gemäß § 96 der GO

h) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Zwölften Gesetzes
zur Änderung des Bundes-Immissionsschutz-
gesetzes
Drucksache 18/2442
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur
Haushaltsauschuss

i) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes
zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung ei-
nes Sondervermögens „Energie- und Klima-
fonds“
Drucksache 18/2443
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit

j) Beratung des Antrags des Bundesministeriums
der Finanzen

Entlastung der Bundesregierung für das
Haushaltsjahr 2013
– Vorlage der Vermögensrechnung des Bun-
des für das Haushaltsjahr 2013 –
Drucksache 18/1809
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss





Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn


(A) (C)



(D)(B)

k) Beratung des Antrags des Bundesministeriums
der Finanzen

Entlastung der Bundesregierung für das
Haushaltsjahr 2013

– Vorlage der Haushaltsrechnung des Bundes
für das Haushaltsjahr 2013 –

Drucksache 18/1930
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss

Hier handelt es sich um Überweisungen im verein-
fachten Verfahren ohne Debatte. Interfraktionell ist
vorgeschlagen worden, die Vorlagen an die in der Tages-
ordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. –
Wenn die Kolleginnen und Kollegen sich jetzt bitte set-
zen würden, dann kann ich über diesen Vorschlag ab-
stimmen lassen. – Sind Sie damit einverstanden? Wer
dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das
sind die Koalitionsfraktionen. Stimmt jemand dagegen? –
Nein. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

Dann kommen wir zu den Tagesordnungspunkten 3 a
und 3 b; es handelt sich um Beschlussfassungen zu Vor-
lagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.

Tagesordnungspunkt 3 a:

a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)


– zu dem Antrag des Bundesministeriums der
Finanzen

Entlastung der Bundesregierung für das
Haushaltsjahr 2012

– Vorlage der Haushaltsrechnung des
Bundes für das Haushaltsjahr 2012 –

– zu dem Antrag des Bundesministeriums der
Finanzen

Entlastung der Bundesregierung für das
Haushaltsjahr 2012

– Vorlage der Vermögensrechnung des
Bundes für das Haushaltsjahr 2012 –

– zu der Unterrichtung durch den Bundesrech-
nungshof

Bemerkungen des Bundesrechnungshofes
2013 zur Haushalts- und Wirtschaftsfüh-

(einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung 2012)


– zu der Unterrichtung durch den Bundesrech-
nungshof

Bemerkungen des Bundesrechnungshofes
2013 zur Haushalts- und Wirtschaftsfüh-
rung des Bundes

– Weitere Prüfungsergebnisse –

Drucksachen 17/14009, 17/14010, 18/111,
18/305 Nr. 4, 18/1220, 18/1379 (neu) Nr. 1.7,
18/1971
Unter Nummer 1 seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/1971 schlägt der Haushaltsausschuss vor,
der Bundesregierung die Entlastung für das Haushalts-
jahr 2012 zu erteilen. Wer stimmt für diese Beschluss-
empfehlung? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer
stimmt dagegen? – Das sind die Oppositionsfraktionen.
Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist
die Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koali-
tionsfraktionen angenommen worden.

Unter Nummer 2 seiner Beschlussempfehlung emp-
fiehlt der Haushaltsausschuss, die Bundesregierung auf-
zufordern, a) bei der Aufstellung und Ausführung der
Bundeshaushaltspläne die Feststellungen des Haushalts-
ausschusses zu den Bemerkungen des Bundesrechnungs-
hofes zu befolgen, b) Maßnahmen zur Steigerung der
Wirtschaftlichkeit unter Berücksichtigung der Entschei-
dungen des Ausschusses einzuleiten oder fortzuführen
und c) die Berichtpflichten fristgerecht zu erfüllen, da-
mit eine zeitnahe Verwertung der Ergebnisse bei den
Haushaltsberatungen gewährleistet ist. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Alle. Diese Beschluss-
empfehlung ist mit den Stimmen aller Fraktionen des
Hauses angenommen.

Tagesordnungspunkt 3 b:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

zu dem Antrag des Präsidenten des Bundesrech-
nungshofes

Rechnung des Bundesrechnungshofes für das
Haushaltsjahr 2013

– Einzelplan 20 –

Drucksachen 18/1560, 18/1972

Wer stimmt für Nummer 1 der Beschlussempfehlung,
also für die Feststellung der Erfüllung der Vorlage-
pflicht? – Ebenfalls alle Fraktionen. Damit ist diese Be-
schlussempfehlung mit den Stimmen aller Fraktionen
angenommen.

Wer stimmt für Nummer 2 der Beschlussempfehlung,
also für die Erteilung der Entlastung? – Auch wieder alle
Fraktionen. Damit ist auch diese Beschlussempfehlung
mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen.

Wir setzen die Haushaltsberatungen fort und kommen
jetzt zum Geschäftsbereich Arbeit und Soziales, Ein-
zelplan 11.

Als erster Rednerin erteile ich der Bundesministerin
Andrea Nahles das Wort.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Andrea Nahles, Bundesministerin für Arbeit und
Soziales:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Erlauben Sie mir, bevor ich zum Haushalt komme, ei-
nige Bemerkungen zu den aktuellen Tarifauseinanderset-
zungen und den Streiks der letzten Wochen:

Das Streikrecht ist ein zentrales Grundrecht, ein Eck-
pfeiler unserer Demokratie. Dennoch herrscht in diesen





Bundesministerin Andrea Nahles


(A) (C)



(D)(B)

Tagen bei vielen Menschen Unverständnis über die
Streiks. Der Grund liegt klar auf der Hand, denn zum
Kern des Streikrechts gehört immer auch das Prinzip der
Solidarität: Die Stärkeren treten für die Schwächeren
ein. Man kann es auch auf die Formel bringen: Alle
streiken gemeinsam für alle.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Das ist aber nicht das, was wir in diesen Tagen erleben,
sondern hier scheint das Prinzip vorzuherrschen: Wenige
schauen nur auf sich. Dass einige Spartengewerkschaf-
ten für ihre Partikularinteressen vitale Funktionen unse-
res gesamten Landes lahmlegen, ist nicht in Ordnung.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das untergräbt den Zusammenhalt in unserem Land, und
es legt die Axt an die Wurzeln der Tarifautonomie.

Deswegen stehe ich hier klar für das Prinzip der Ta-
rifeinheit ein. „Ein Betrieb, ein Tarifvertrag“ hat über
viele Jahre in Deutschland gegolten, und es soll auch
wieder gelten. Wir werden das stärken. Deswegen werde
ich hier in Kürze den Entwurf eines Gesetzes zur Ta-
rifeinheit vorlegen.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU])


Nun komme ich aber zum Haushalt. Liebe Kollegin-
nen und Kollegen, mit dem Einzelplan 11 beraten wir ei-
nen wichtigen Zukunftsetat. Ein gutes Leben für die
Menschen in unserem Land, eine gute Zukunft für
Deutschland: Das ruht auf drei Säulen, nämlich auf wirt-
schaftlichem Erfolg, auf sozialem Miteinander und na-
türlich auch auf den individuellen Chancen für jeden
Einzelnen. Deswegen ist es wichtig, dass wir eines errei-
chen und sichern: eine hohe Beschäftigung in unserem
Land.

Machen wir uns klar, was eine hohe Beschäftigung,
eine hohe Erwerbstätigkeit bedeutet: Sie sichert unseren
Wohlstand, sie ist für unsere sozialen Sicherungssysteme
essenziell, und sie ist auch die beste Zukunftsversiche-
rung für den demografischen Wandel.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deswegen ist mein Hauptziel als Arbeitsministerin, eine
hohe Erwerbstätigkeit in Deutschland zu sichern und
weiter zu fördern.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben eine extrem gute Ausgangslage: fast
43 Millionen Erwerbstätige – das gab es noch nie –, Ten-
denz steigend. Besonders stark steigt die Zahl der sozial-
versicherungspflichtig Beschäftigten. Sie liegt mittler-
weile bei über 30 Millionen. Gerade in der letzten
Woche hat uns die OECD deswegen ein wirklich gutes
Zeugnis ausgestellt: Unsere Beschäftigung wächst wei-
ter, die Arbeitslosigkeit sinkt, und im internationalen
Vergleich gibt es für uns überall beste Platzierungen. Ich
zitiere: Deutschland gehört zu den Toparbeitsmarktper-
formern.

Das ist aus meiner Sicht ein gutes Zeugnis für die ge-
samte deutsche Politik. Darüber können wir uns freuen –
ohne uns deswegen auf unseren Lorbeeren auszuruhen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Uns allen muss klar sein: Mit Blick auf morgen müssen
wir heute alles tun, um diese Entwicklung zu verstetigen
und zu festigen.

Zuerst will ich das Thema junge Menschen anspre-
chen. Entscheidend ist, dass die Übergänge von der
Schule in die Ausbildung oder in den Beruf keine Stol-
perfalle mehr sind. In den 2000er-Jahren haben wir in
diesem Land zu viele junge Menschen verloren, die
nicht erfolgreich von der Schule in eine berufliche Aus-
bildung oder sonstige Ausbildung gelangt sind. Deswe-
gen – da bin ich sicher, dass die gute Zusammenarbeit
mit der Bildungsministerin Frau Wanka weiter Früchte
tragen wird – werden wir an dieser Stelle mit der Eta-
blierung von flächendeckenden Jugendberufsagenturen
eine zentrale Veränderung bewirken: statt nachzusorgen,
wo etwas schiefgegangen ist, wollen wir rechtzeitig hel-
fen, damit es gelingt. Das ist das Grundprinzip, auf das
wir uns verständigt haben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir haben 500 Millionen Euro für die nächsten Jahre
eingestellt, um die Berufseinstiegsbegleitung zu finan-
zieren. Berufseinstiegsbegleitung bedeutet: Wir begin-
nen mit der Begleitung der jungen Menschen schon in
der Schule. Wenn es nötig ist, begleiten wir die jungen
Menschen ein halbes Jahr und länger auch in der Ausbil-
dung.

Wir haben festgestellt, dass wir zwar viele junge
Menschen vermitteln konnten, darunter auch viele schwä-
chere Schüler, aber die Abbrecherquote ist zu hoch. Da-
rauf zielt eines unserer ESF-Bundesprogramme. Mithilfe
dieses Programms können wir 115 000 Schülerinnen und
Schülern zusätzlich einen erfolgreichen Berufseinstieg
ermöglichen. Das werden wir in den nächsten Jahren zu
einem unserer Schwerpunkte machen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Klar ist auch: Es geht nicht nur darum, Fachkraft zu
werden, sondern auch, es zu bleiben. Das gelingt leider
nicht allen. Ich denke zum Beispiel an Frauen, die nach
der Erziehungszeit zurückkehren möchten: Sie sind
hochqualifiziert, aber natürlich ist die Qualifizierung ein
bisschen in die Jahre gekommen. So geht es auch Älte-
ren und vielen gut qualifizierten Migranten. Deswegen
werden wir im Herbst eine Partnerschaft für Fachkräfte
mit den Arbeitgebern, den Gewerkschaften, der Bundes-
agentur für Arbeit und natürlich den zuständigen Res-
sorts auf den Weg bringen. Fachkräftesicherung ist ein
wichtiges Zukunftsthema. Dafür legen wir mit diesem
Etat den Grundstein.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)






Bundesministerin Andrea Nahles


(A) (C)



(D)(B)

Eine hohe Beschäftigungsquote erreichen wir aber
nur, wenn wir wirklich allen – ich betone: allen – eine
Chance geben. Deswegen nehme ich die Kritik der
OECD ernst, die sich auf die verfestigte Langzeitarbeits-
losigkeit in Deutschland bezieht. Das, was wir hier se-
hen, kann uns nicht zufriedenstellen: Wir haben die
Langzeitarbeitslosigkeit in diesem Land zwischen 2006
und 2009 um 40 Prozent absenken können, aber seither
stagniert sie.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist die Rede von Frau von der Leyen! Das sind die Textbausteine von Frau von der Leyen!)


Wir kommen hier nicht voran. Die Langzeitarbeitslosig-
keit betrifft nicht immer dieselben Menschen. Aber von
der Zahl von circa 1 Million Menschen kommen wir
nicht herunter.

Es ist für mich eine Zukunftsfrage, wie wir die vor-
handenen Mittel effizient einsetzen, um Spielräume zu
schaffen, damit wir von Passivleistungen wegkommen
hin zu einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik, also ho-
her Beschäftigung statt verfestigter Arbeitslosigkeit.


(Beifall bei der SPD)


Hierfür stehen uns rund 900 Millionen Euro zur Ver-
fügung. Mit diesem Geld eröffnen sich gute Möglichkei-
ten und Chancen für den Einzelnen. Das Programm soll
dazu beitragen, gezielt Arbeitgeber anzusprechen, ein in-
tensives Coaching zu ermöglichen und teilweise auch
Lesen, Schreiben und Grundrechenarten überhaupt wie-
der so weit zu vermitteln, dass ein Einstieg in die Ar-
beitswelt möglich wird.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was haben Sie denn für ein Bild von den Langzeitarbeitslosen? Das sind doch nicht alles Dummköpfe!)


Ich denke, dass wir es mit diesem Programm schaffen
können, viele Brücken für Menschen zu bauen, die diese
sicher gerne beschreiten. Jeder hier weiß aber auch:
Langzeitarbeitslosigkeit zermürbt und macht viele Men-
schen auf die Dauer hoffnungslos. Das dürfen wir nicht
akzeptieren. Jeder Mensch hat ein Recht auf Hoffnung,
auf Arbeit und auf Chancen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Grundlegend ist für mich daher eine gute und gelun-
gene Integration in den Arbeitsmarkt. Aber wir wissen
auch: Bei vielen geht es, jedenfalls erst einmal, nicht
mehr um den direkten Zugang zum Arbeitsmarkt, son-
dern wir reden hier in Wahrheit über soziale Teilhabe,
über Dabeisein und Mittun in unserer Gesellschaft. Das
ist eine Dimension, die wir auf der politischen Ebene al-
leine überhaupt nicht bewältigen können, schon gar
nicht ohne die Kommunen, ohne die Bürgermeister vor
Ort, ohne die Aktiven, die die Menschen ganz persönlich
erreichen.

Wir werden noch in diesem Jahr Vorschläge machen,
die wir dann auch hier im Plenum beraten – ich habe auch
angeboten, das im Ausschuss gesondert zu beraten –, um
zu klären, wie wir auch für diese Menschen Brücken
bauen können. Für die Zukunft ist also eine Menge zu
tun.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zukunftsfähigkeit heißt aber auch, eine hohe Er-
werbstätigkeit der Älteren zu sichern. Deswegen werden
wir im Dezember mit den Vorschlägen an die Öffentlich-
keit gehen, die wir in der Arbeitsgruppe „Flexible Über-
gänge in den Ruhestand“ erarbeitet haben. Diese Ar-
beitsgruppe arbeitet darauf hin, Hürden für Menschen,
die über die normale Altersgrenze hinaus arbeiten wol-
len, zu beseitigen, damit sie weiter in Beschäftigung
bleiben können. Sie versucht aber auch, flexiblere Mög-
lichkeiten für den Eintritt in den Ruhestand zu finden.
Wir sind zuversichtlich, dass wir einen wichtigen Schritt
nach vorne machen und damit einen Beitrag zur hohen
Erwerbstätigenquote und zur Fachkräftesicherung in un-
serem Land leisten können.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


In diesem Zusammenhang möchte ich auch darauf
aufmerksam machen, dass es wichtig ist, dass die Men-
schen, die in Arbeit sind, gesund und motiviert bleiben.
Ich möchte zwei Zahlen nennen, die ein deutlich wach-
sendes Problem beschreiben: Psychische Erkrankungen
sind inzwischen die Ursache Nummer eins für Frühver-
rentungen. Von 15,4 Prozent im Jahr 1993 stieg die Zahl
auf 42 Prozent im Jahr 2012. Noch beunruhigender ist:
Diese Menschen sind im Durchschnitt 48 Jahre alt.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie werden immer jünger!)


Die Zahl der Arbeitstage, die aufgrund von seelischen
Erkrankungen ausfallen, hat sich im letzten Jahrzehnt
nahezu verdoppelt, und zwar von 33 Millionen ausgefal-
lenen Arbeitstagen auf 59,5 Millionen Arbeitstage. Das
ist schlimm für die Betroffenen, und das kostet auch.
Das beschäftigt deswegen viele Unternehmen, und es
beschäftigt nicht zuletzt auch die Krankenkassen und die
Rentenversicherung. Deswegen bin ich meiner Vorgän-
gerin, Frau von der Leyen, sehr dankbar, dass sie schon
zu Beginn des Jahres 2013 einen großen Forschungsauf-
trag an die BAuA, die Bundesanstalt für Arbeitsschutz
und Arbeitsmedizin, vergeben hat, in dem es um die
Aufbereitung von Kriterien für Stress auf einer verlässli-
chen wissenschaftlichen Basis geht. Denn eines möchte
ich an dieser Stelle auch klar sagen: Diese Kriterien hat
zurzeit niemand. Es gibt keine Blaupause, die wir nutzen
können, um mehr für den Gesundheitsschutz zu tun. Ich
nehme diesen Forschungsauftrag ernst und werde die Er-
gebnisse mit Ihnen zusammen diskutieren und, so hoffe
ich, gemeinsam mit den Sozialpartnern Regelungen fin-
den, die helfen. Denn darum geht es im Kern: um Ar-
beits- und um Gesundheitsschutz. Die damit verbunde-
nen Herausforderungen müssen wir meistern.

Die Digitalisierung unserer Arbeitswelt ist für viele
eine große Befreiung: Sie ermöglicht mehr selbstbe-
stimmtes Arbeiten, Heimarbeit und vieles mehr, was
noch vor 20 Jahren gar nicht denkbar war. Aber die Digi-





Bundesministerin Andrea Nahles


(A) (C)



(D)(B)

talisierung ist janusköpfig: Zum einen ist sie eine große
Chance; zum anderen kann das ständige Senden und
Empfangen, die ständige digitale Kommunikation – üb-
rigens auch in der Freizeit –, zu einer erheblichen Belas-
tung werden. Das müssen wir uns vergegenwärtigen und
hierzu die nötigen Lösungen erarbeiten. Das ist wichtig.
Ich bin jedenfalls guter Dinge, dass wir in ein oder zwei
Jahren mehr dazu wissen und uns konkreter damit
auseinandersetzen können, als das in diesen pauschalen
Debatten möglich ist.


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sagt Herr Gabriel dazu?)


Sie merken: Es gibt im Etat des Einzelplans 11 vieles,
was in die Zukunft weist; es ist ein Zukunftsetat. Wir
schaffen damit die Grundlagen für eine gute Erwerbstäti-
genquote auch in der Zukunft. Wir schaffen damit aus
meiner Sicht auch eine gute Grundlage zur Bekämpfung
der Arbeitslosigkeit, gerade der verfestigten Arbeitslo-
sigkeit. Wir werden auch die Zukunftsaufgaben, die im
Zusammenhang mit der Sicherung des Fachkräfte-
bedarfs stehen, anpacken. Deswegen freue ich mich auf
die Debatte mit Ihnen in der nächsten Zeit.

Danke.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805108300

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch

für die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805108400

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Frau Ministerin, in Ihrem Haus-
haltsentwurf wird mehrmals auf die Fortführung eines
Zukunftspaketes verwiesen. „Was ist das eigentlich für
ein Paket?“, werden sich so einige fragen. Es ist vor al-
lem ein Kürzungspaket der alten Bundesregierung aus
Union und FDP aus dem Jahre 2010. Es wurde damals
von der SPD scharf kritisiert, und zwar zu Recht.


(Beifall bei der LINKEN)


Im Jahre 2014 sollte es eigentlich auslaufen.

Ich will erinnern, worum es eigentlich ging bzw. geht:
Es ging um die Abschaffung der Rentenbeiträge für die
Bezieher von Hartz IV; es ging um die Anrechnung des
Elterngeldes auf Hartz-IV-Leistungen; es ging um den
Wegfall befristeter Zuschläge; es ging – das ist beson-
ders schwerwiegend – um den Wegfall der Heizkosten-
komponente beim Wohngeld. 2010 behauptete die
Bundesregierung, dass dieses Kürzungspaket sozial aus-
gewogen sei. Das sehen wir von der Linken völlig an-
ders.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir erwarten von einer sozialdemokratischen Ministe-
rin, dass sie ein derartiges Sackgassenprogramm beendet
und es nicht über die Zeit fortführt. Das wäre der richtige
Weg, Frau Nahles.


(Beifall bei der LINKEN)

Allerdings eröffnet Ihnen dieses Programm auch
Möglichkeiten; es sollte nämlich auch neue Einnahmen
geben: Die Finanztransaktionsteuer sollte ab 2012 jähr-
lich 2 Milliarden Euro einbringen; diese Steuer gibt es
bis heute nicht. Die Kernbrennstoffsteuer sollte ab 2011
2,3 Milliarden Euro einbringen; auch hier Fehlanzeige.
Nun kann man immer viele Gründe nennen, warum es
schwierig war, die Dinge durchzusetzen; aber es ist
natürlich auch immer einfacher, den armen Menschen
etwas zu nehmen, als den großen Konzernen und den
Milliardären in unserem Land in die Tasche zu greifen.
Damit hat sich augenscheinlich auch diese Regierung
abgefunden, aber wir als Linke nicht.


(Beifall bei der LINKEN)


Frau Nahles, wenn Sie sich noch einmal das gesamte
Zukunftspaket anschauen, dann werden Sie feststellen,
dass zum Beispiel die Reform der Bundeswehr 4 Mil-
liarden Euro einbringen sollte und die Einsparung bei
den Verwaltungsaufgaben im Verteidigungsministerium
noch einmal 4,3 Milliarden Euro. Ich schlage Ihnen vor:
Holen Sie sich dieses Geld aus dem Verteidigungsminis-
terium. Das können Sie im Sozialbereich sehr gut ge-
brauchen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie könnten damit locker die Wiedereinführung der Ren-
tenbeiträge für Beziehende von Hartz-IV finanzieren.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Das wäre ein kleiner Schritt zur Bekämpfung der Alters-
armut. Bei diesem Schritt hätten Sie auch die volle Un-
terstützung der Fraktion Die Linke; das haben Sie bereits
am Beifall gemerkt.


(Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Wahnsinn!)


Ihre bisherige Rentenpolitik war kein Beitrag zur Ver-
hinderung von Altersarmut. An dieser Stelle müssen wir
im Bundestag dringend nachbessern.


(Beifall bei der LINKEN)


Viele Rentnerinnen und Rentner im Osten würden sich
schon freuen, wenn die Bundesregierung wenigstens
zum 25. Jahrestag des Mauerfalls oder ein Jahr später
zum 25. Jahrestag der deutschen Einheit die deutsche
Rentenmauer zwischen Ost und West endlich einreißen
würde.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Da würden Sie sich aber umschauen, was da rauskommt für die Leute!)


Ich sage Ihnen: Wenn wir endlich gleiche Renten in
Ost und West hätten, dann könnte man die Rentnerinnen
und Rentner in Ost und West auch nicht mehr gegenein-
ander ausspielen. Ich finde: Wenn wir uns auf die deut-
sche Einheit berufen, dann muss es ein großes Ziel sein,
dass man die Menschen in Ost und West nicht gegenein-
ander ausspielen kann und dass wir gemeinsam der wei-





Dr. Gesine Lötzsch


(A) (C)



(D)(B)

teren sozialen Spaltung unseres Landes entgegenwirken.
Das sollte unsere gemeinsame Aufgabe sein. Herr
Kauder, ich würde mich freuen, wenn Sie aktiv daran
mitwirken würden.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das machen wir natürlich gerne! Aber Sie werden sich wundern, wenn wir die Zuschläge alle wegrechnen!)


Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805108500

Für die CDU/CSU spricht jetzt die Kollegin Sabine

Weiss.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Sabine Weiss (CDU):
Rede ID: ID1805108600

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Sehr

verehrte Damen und Herren! Im Bereich Arbeit und So-
ziales ist die Koalition in diesem Jahr mit hohem Tempo
gestartet. Aus den drei Themen von CDU und CSU
– Mütterrente, Erwerbsunfähigkeitsrente, Verbesserun-
gen bei Rehabilitationsleistungen – und dem Thema der
SPD – abschlagsfreie Rente mit 63 nach 45 Beitrags-
jahren – haben wir gemeinsam das Rentenpaket ge-
schnürt, debattiert und verabschiedet.

Die ersten Bescheide mit der erhöhten Mütterrente
sind bereits bei etlichen von immerhin fast 9,5 Millionen
Frauen eingetroffen, und das, obwohl der Gesetzentwurf
das Bundeskabinett erst am 29. Januar dieses Jahres pas-
siert hat.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Koalition hat also gezeigt, dass sie nicht nur arbeits-
fähig, sondern in der Umsetzung ihrer Wahlversprechen
auch schnell ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mit dem Tarifautonomiestärkungsgesetz haben wir
unmittelbar danach ein weiteres wichtiges Problem in
Angriff genommen. Auch hier wurde nach heftigem
Ringen ein Weg zu einer gemeinsamen Lösung gefunden
und das Gesetz noch vor der Sommerpause verabschie-
det.

In diesem Zusammenhang möchte ich eines deutlich
sagen: Mir ist allemal ein heftiges Ringen und Streiten
um eine gemeinsame Lösung lieber – das ist auch demo-
kratischer – als keinerlei Auseinandersetzung und nur
einfaches Abnicken.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen,
den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den
Ministerien, in den Fraktionen, in den Abgeordneten-
büros und natürlich auch den Kolleginnen und Kollegen
für die bisherige und gefühlt zukünftig gute Zusammen-
arbeit zu danken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


All die vorgenannten Maßnahmen sind haushalts-
wirksam für die kommenden Jahre. Wie im Jahr 2014 ist
der nun vorgelegte Einzelhaushalt des Bundesministe-
riums für Arbeit und Soziales der größte im Bundeshaus-
halt. Wieder entfällt auch dieses Jahr der weitaus größte
Anteil auf die Sozialausgaben. Von insgesamt knapp
125 Milliarden Euro sind dies circa 117 Milliarden Euro.
Der Einzelhaushalt des BMAS für 2015 ist aber Teil
eines ausgeglichenen Bundeshaushalts, und zwar des
ersten ausgeglichenen Bundeshaushalts ohne neue
Schulden seit 45 Jahren. Wir läuten damit eine Zeiten-
wende ein und erfüllen unser Wahlversprechen. Die
Finanzplanung zeigt, dass Bundeshaushalte ohne Neu-
verschuldung zukünftig Normalität werden sollen.

An dieser Stelle sei aber angemerkt: Die Schulden-
bremse ist eine gesamtstaatliche Aufgabe von Bund und
Ländern. Sie einzuhalten, sind wir den nachfolgenden
Generationen schuldig. Es wäre schön, wenn sich zum
Beispiel mein Heimatland Nordrhein-Westfalen auch da-
ran hielte. Anders als vom Bund und anderen Ländern
werden hier neue Schulden in Höhe von 3,2 Milliarden
Euro aufgenommen.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Schrecklich! Schrecklich!)


Deutschland ist in den vergangenen Jahren gut durch alle
Krisen gekommen.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Ja, Herr Staatssekretär, schrecklich! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Ja, so ist das!)


Heute trägt gerade die stabile Situation – Frau Bundes-
ministerin hat es erwähnt – von Wirtschaft und Arbeits-
markt in Deutschland erheblich zu wachsenden Steuer-
einnahmen und damit zu einem ausgeglichenen Haushalt
bei. Dies ist den fast 43 Millionen Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern zu verdanken, die sich tagtäglich für
unser Land engagieren. Damit das so bleibt, brauchen
wir Investitionen der Wirtschaft in die Zukunft der
Unternehmen und in Arbeitsplätze. Wirtschaft und Mit-
telstand müssen in der Politik einen verlässlichen Partner
haben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die aktuellen Krisen innerhalb und außerhalb Euro-
pas machen der Wirtschaft in Deutschland zunehmend
zu schaffen. Daher ist es umso wichtiger, dass unsere
Wirtschaft auf die für sie wichtigen Rahmenbedingun-
gen vertrauen kann. Dazu gehört, dass zukünftig mög-
lichst keine neuen Belastungen auf die Wirtschaft und
den Mittelstand zukommen. Deshalb müssen wir den ef-
fizienten Umgang mit Finanzmitteln auch im Sozialbe-
reich sowie die Solidität und Finanzierbarkeit unserer
sozialen Sicherungssysteme weiterhin aufmerksam im
Blick behalten.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Ihnen ja mit dem Rentenpaket gut gelungen!)






Sabine Weiss (Wesel I)



(A) (C)



(D)(B)

– Hören Sie einmal zu; das kommt gleich. – Viele Auf-
gaben liegen noch vor uns wie zum Beispiel Rechtsver-
einfachungen im SGB II, das Bundesteilhabegesetz, das
Betriebsrentenänderungsgesetz und, und, und.

In den nächsten Monaten werden wir uns inhaltlich
insbesondere mit zwei weiteren Themen beschäftigen.

Gegenwärtig beobachten wir wieder einmal heftige
Arbeitskämpfe bei Bahn und Lufthansa. Streikbelastun-
gen werden zu einem Problem für die Allgemeinheit.
Zigtausende Menschen werden gehindert, die Verkehrs-
mittel zu nutzen. Es herrscht Unverständnis. Wir erleben
hier Machtkämpfe zwischen den einzelnen Gewerk-
schaften. Deshalb steht das Thema Tarifeinheit ganz
oben auf der Tagesordnung. Frau Bundesministerin
Nahles hat hier erfreulicherweise gerade eben klare
Worte gefunden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Eine älter werdende Gesellschaft braucht die älteren
Menschen. Daher ist schon vor der Sommerpause das
Thema Flexi-Rente, angestoßen von den CDU-Mittel-
standspolitikern, in den Fokus genommen worden. Die
Ministerin hat auch dieses Thema bereits erwähnt. Es ist
aber aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion falsch, dafür zu
werben, immer früher in Rente zu gehen. Wer nicht mehr
arbeiten kann, soll natürlich ohne größere finanzielle
Einbußen in den Ruhestand gehen können. Dafür wurde
ja auch die vorgezogene Rente mit 63 eingeführt.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Na ja!)


Ein dauerhaftes Absenken des Renteneintrittsalters kön-
nen wir uns aber schon wegen der demografischen Ent-
wicklung finanziell gar nicht leisten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Bei weniger Einzahlungen müssten mehr Auszahlungen
gestemmt werden. Damit würde unser solidarisches
Rentensystem überfordert. Renten und Beiträge wären
letztlich nicht mehr bezahlbar. Und – das ist unser An-
satz – es wollen ja auch nicht alle so früh wie möglich in
Rente gehen. Viele wollen gerne weiter im Erwerbsleben
bleiben. Deshalb ist unser Votum: Die Menschen sollen
selbstbestimmt in Rente gehen können. Darum wollen
wir die Flexi-Rente einführen.

Innerhalb der Koalition haben wir eine Arbeitsgruppe
gegründet, in der die verschiedenen Wege diskutiert wer-
den, um das Weiterarbeiten über die Regelaltersgrenze
hinaus zu ermöglichen bzw. zu erleichtern. Maßstab
hierbei soll sein, nicht so früh wie möglich in Rente zu
gehen, sondern so lange wie möglich arbeiten zu kön-
nen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Über konkrete Möglichkeiten für einen flexiblen Ren-
teneintritt werden wir uns in den kommenden Wochen
verständigen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gestern hat der
Deutsche Bundestag des Tages gedacht, an dem vor 75
Jahren der Zweite Weltkrieg ausbrach, der Schrecken,
Elend und Tod verbreitete. Wir begehen in diesem Jahr,
2014, viele Jubiläen und Gedenktage. Heute gedenken
wir zum Beispiel des Terroranschlages auf das World
Trade Center in New York.

Gestern war ein weiterer wichtiger Tag; ich erwähne
ihn deshalb, weil er irgendwie an uns vorbeigegangen
ist. Am 10. September vor 50 Jahren, also 1964, konnte
der einmillionste angeworbene Arbeitsmigrant auf dem
Bahnhof von Köln-Deutz begrüßt werden. Es war der
Portugiese Armando Rodrigues de Sá; er wurde mit ei-
nem Mofa beschenkt.

Dieser 10. September vor 50 Jahren war deshalb ein
wichtiger Tag für Deutschland, weil die Arbeitsmigran-
ten, die mittlerweile in unserem Land beheimatet sind,
unser Land mitgeprägt und unter anderem einen wichti-
gen ökonomischen Beitrag geleistet haben. Die meisten
Arbeitsmigranten sind einst gekommen, um ein paar
Jahre zu bleiben. Sie hofften auf gut bezahlte Arbeit, um
ihre zu Hause gebliebenen Familien zu unterstützen.
Viele sind geblieben, haben ihre Familien nachgeholt
oder in Deutschland eine Familie gegründet. Sie haben
gearbeitet, Steuern und Sozialbeiträge gezahlt, Unter-
nehmen gegründet und Häuser gebaut. Sie haben daran
mitgewirkt, dass Deutschland heute eine so starke Wirt-
schaft hat.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Heute leben wir wieder in einer Zeit, in der uns auf
dem Arbeitsmarkt in vielen Bereichen die Arbeitskräfte
fehlen. Lassen Sie uns also gemeinsam – mit den Erfah-
rungen der Vergangenheit – eine Willkommenskultur für
die Menschen leben, die hier sind, die sich bereits auf
den Weg gemacht haben und die noch kommen werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Regierung macht doch das genaue Gegenteil! Sie werden abgeschreckt!)


So leistet Deutschland zum Beispiel bei der Bekämp-
fung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa einen wichti-
gen Beitrag. Mit dem Programm MobiPro erhalten junge
Menschen aus dem europäischen Ausland eine Berufs-
ausbildung in Deutschland. Mittlerweile ist MobiPro so
erfolgreich, dass die Mittel deutlich aufgestockt werden
mussten. Und möglicherweise werden viele Programm-
teilnehmer in Deutschland bleiben, die Fachkräftelücken
füllen und hier eine neue Heimat finden.

Auch das Projekt Triple Win soll dazu beitragen, die
Fachkräftelücken in Deutschland zu schließen, insbeson-
dere in den Pflegeberufen. Es sollen Menschen auch aus
dem außereuropäischen Ausland zu uns kommen.

Mitte August habe ich persönlich in Manila auf den
Philippinen über dieses Projekt Gespräche mit den Ver-
tretern der philippinischen Regierung und unserer Ge-
sellschaft für Internationale Zusammenarbeit, mit Ver-
tretern von Pflegeschulen und dem Goethe-Institut
geführt. Ich denke, wir sollten nochmals gemeinsam An-





Sabine Weiss (Wesel I)



(A) (C)



(D)(B)

strengungen unternehmen, um das Projekt Triple Win
voranzubringen. Denn der Pflegenotstand in unserem
Land wird größer werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für die weitere Ar-
beit in dieser Wahlperiode sollten wir bei allen Entschei-
dungen bedenken: Alles ist in Bewegung. Unsere Ge-
sellschaft ist in Bewegung. Die Verhältnisse innerhalb
und außerhalb Europas sind in Bewegung. All das bringt
immer wieder die Notwendigkeit bzw. den Bedarf mit
sich, vorhandene Regeln und Gesetze, aber eben auch
Ressourcen anzupassen. Lassen Sie uns weiterhin ge-
meinsam in konstruktivem Streit diese Herausforderun-
gen annehmen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805108700

Bevor gleich die Kollegin Deligöz das Wort erhält,

hat jetzt der Kollege Kelber die Möglichkeit zu einer
Kurzintervention.


Ulrich Kelber (SPD):
Rede ID: ID1805108800

Frau Kollegin Weiss, Sie haben gerade über die Haus-

haltslage in unserem gemeinsamen Heimatland Nord-
rhein-Westfalen gesprochen und dabei den Bundeshaus-
halt mit einem Landeshaushalt verglichen.


(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ui! Jetzt aber!)


Ich komme übrigens aus einer Region in Nordrhein-
Westfalen – Bonn und die Nachbarstadt Siegburg –


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ach Bonn! Unser Bonner Lobbyist!)


mit den höchsten Pro-Kopf-Verschuldungen in Nord-
rhein-Westfalen. In beiden Städten gibt es eine CDU-
Mehrheit im Stadtrat. In Siegburg, das die höchste Pro-
Kopf-Verschuldung hat, hat die CDU sogar die absolute
Mehrheit.

Bevor Sie aber das nächste Mal Aussagen über die
Entwicklung des nordrhein-westfälischen Landeshaus-
haltes treffen, würde ich Sie bitten, folgende Fakten, die
ich Ihnen gleich vortrage, nachzulesen. Denn sie sind in
offiziellen Dokumenten leicht nachprüfbar.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Es ist ja klar: Wo eine CDU-Mehrheit ist, bringen die Sozis kein Geld hin!)


Im Jahr 2010 – Herr Kollege Kauder, Sie hatten einen
Zuruf an mich gerichtet, den ich von der Regierungs-
bank aus nicht beantworten durfte – hatte die ausschei-
dende schwarz-gelbe Landesregierung unter Herrn
Rüttgers noch einmal eine Finanzplanung vorgelegt. Da-
mals war die Wirtschaftskrise schon überwunden, und
die Landesregierung rechnete mit 1,5 Prozent Wachstum
im Jahr, also mehr, als wir real hatten. Für das Jahr 2014
war eine Neuverschuldung von über 6 Milliarden Euro
vorgesehen, in einem einzigen Haushaltsjahr. Also hat
die rot-grüne Landesregierung schon jetzt gegenüber
dem Entwurf von Schwarz-Gelb die Neuverschuldung
halbiert, und im nächsten Jahr wird sie sie um zwei Drit-
tel senken.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805108900

Frau Kollegin Weiss, Sie haben die Möglichkeit, da-

rauf zu antworten, und ich sehe, dass Sie von dieser
Möglichkeit auch Gebrauch machen wollen.


Sabine Weiss (CDU):
Rede ID: ID1805109000

Schönen Dank, Herr Präsident. – Herr Kelber, ich

habe das geradezu provoziert, aber es musste einmal ge-
sagt werden. Was zurzeit in Nordrhein-Westfalen los ist
und dass der Finanzminister mit dem Verfassungsgericht
gar nicht klarkommt – ihn holt jetzt sogar die Kölner
Vergangenheit in Bezug auf die Hotelsteuer langsam
wieder ein –, muss immer wieder einmal in Erinnerung
gerufen werden.


(Kerstin Griese [SPD]: Das ist doch keine Antwort auf das, was er gesagt hat!)


Eines steht fest, und das kann man bundesweit erken-
nen: Dort, wo die CDU die Landesregierung stellt, geht
es nicht nur den Ländern gut, sondern auch den Kommu-
nen.


(Lachen bei der SPD)


Das können Sie nicht durch irgendwelche Dinge besser-
oder schlechterreden.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also, in Hessen wird es jetzt langsam besser! Aber die letzten Jahre war es schon schlechter!)


Sie haben erwähnt, dass es einmal in den letzten Jahr-
zehnten – leider Gottes nur fünf Jahre; es war zu wenig
Zeit – eine CDU-geführte Landesregierung in Nord-
rhein-Westfalen gegeben hat. Das wird sich aber in Zu-
kunft ändern. Sie trauen dieser Landesregierung eine
Menge zu, wenn Sie jetzt immer wieder darauf pochen,
dass gerade diese fünf Jahre daran schuld sind, dass es
dem Land Nordrhein-Westfalen so schlecht geht. Nein,
dass es dem Land Nordrhein-Westfalen so schlecht geht,
liegt an der schlechten Finanzpolitik der SPD-geführten
Landesregierungen in Nordrhein-Westfalen in den letz-
ten Jahrzehnten.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805109100

Jetzt hat die Kollegin Ekin Deligöz für Bündnis 90/

Die Grünen das Wort.


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1805109200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

habe jetzt das Vergnügen, die Debatte wieder zu den
Haushaltsberatungen 2015 zum Einzelplan 11 zurückzu-
führen.





Ekin Deligöz


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir stehen jetzt zum zweiten Mal in diesem Jahr vor
den Beratungen des Einzelplans 11. Als Hauptberichter-
statterin beginne ich damit, Frau Ministerin, mich bei Ih-
nen und Ihrem Hause zu bedanken. Wir Abgeordneten
fühlten uns immer sehr gut unterstützt. Inhaltliche Diffe-
renzen haben dem Ganzen keinen Abbruch getan; es gab
eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen den Bericht-
erstattern Herrn Schurer und Frau Lötzsch. Herrn
Fischer richten Sie bitte meine besten Genesungswün-
sche und auch besten Dank für die Zusammenarbeit aus.
Wir gehen in eine neue Runde. Ich kann sehr positiv auf
diese Beratungen blicken.

In der Tat beraten wir den mit 125 Milliarden Euro
größten Einzeletat. Aber, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen, wenn wir ehrlich wären, müssten wir diesen Etat
deutlich höher ansetzen. Denn die Kosten des Rentenpa-
kets sind in die Rentenkassen verlagert worden. Die Fol-
gen werden erst in ein paar Jahren offen sichtbar. Wenn
die Reserven aufgebraucht sind, das Rentenniveau abge-
senkt ist und der Bundeszuschuss deutlich erhöht werden
muss, dann werden Sie feststellen, dass das eine falsche
Entscheidung für die künftigen Generationen gewesen
ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wer hat denn das Rentenniveau abgesenkt? Da waren Sie doch dabei!)


Dann wird es aber zu spät sein, weil wir die angewachse-
nen Lasten dann wiederum in diesem Haushalt schultern
müssen.

Tragischerweise haben Sie nichts darüber gesagt, was
in gesteigertem Maß auf uns zukommt, nämlich Alters-
armut. Sie sagen: Vielleicht kommt die Lebensleistungs-
rente, vielleicht aber auch nicht. – Aber genau hier müs-
sen wir ansetzen. Wir Grüne schlagen eine konsequente
Strukturreform in Richtung einer Garantierente vor. Das
ist ein effektiver Schritt gegen Altersarmut. In diesem
Haushalt geht es nicht nur darum, Geld auszugeben.
Vielmehr müssen wir auch mutig sein und Strukturrefor-
men angehen und Mittel zielgenau einsetzen, damit wir
auch in Zukunft von einem sozial gerechten Haushalt
sprechen können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Ministerin, Sie haben recht: Langzeitarbeitslo-
sigkeit ist ein wichtiges Thema. Vorbehaltlich der EU-
Genehmigung werden Sie uns dazu ein neues Bundes-
programm vorlegen. Wir werden das sehr kritisch be-
gleiten, weil das für diese Gesellschaft eine gravierende
Belastung ist. Aber wir dürfen uns bei den einzelnen In-
strumenten nicht verzetteln. Für einen Teil der abge-
hängten Menschen ist die Einrichtung eines sozialen Ar-
beitsmarkts möglicherweise der einzige zweckdienliche
Weg. Damit müssen wir sehr ehrlich umgehen, auch
wenn es manchmal schwierig zu sein scheint.
Nicht zweckdienlich dagegen ist das, was gerade im
SGB II bei den Grundsicherungsleistungen passiert. Bei
den Eingliederungsmitteln hatten Sie die Verwendung
von Ausgaberesten abgesichert, und zwar bis 2017. Das
ist aber keine dauerhafte Aufstockung des Titels. Und:
Wir verschieben seit Jahren Mittel von den Eingliede-
rungsleistungen hin zur Deckung der Verwaltungskos-
ten. Das setzt den gesamten Bereich der Eingliederungs-
titel immer mehr unter Druck. Das ist ein Zeichen dafür,
dass Sie die Verwaltungskosten schlicht und ergreifend
zu niedrig ansetzen. Das geht zulasten der Erwerbslosen,
insbesondere der Langzeitarbeitslosen. Da brauchen wir
auch mehr Haushaltsklarheit. Dem müssen Sie sich in
den Beratungen stellen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich kann nicht aufhören, zu betonen – das letzte Mal
haben Sie das ignoriert –: Der Rücklagenaufbau in der
Bundesagentur für Arbeit ist wichtig. Sie können natür-
lich davon ausgehen, dass es uns immer gut geht, und so
jeden Haushalt auf Sand bauen. Nichtsdestotrotz werden
wir auf dem Arbeitsmarkt mit anderen Herausforderun-
gen konfrontiert sein. Zur Bewältigung zukünftiger He-
rausforderungen brauchen wir schneller höhere Rückla-
gen. Ich hoffe und wünsche, dass Sie das nicht weiter
ignorieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])


Frau Ministerin, einen Satz Ihrer Rede möchte ich be-
sonders herausstreichen. Er betrifft das Asylbewerber-
leistungsgesetz. Im Einzelplanentwurf haben Sie in der
Tat Minimalstverbesserungen eingepreist. Aber Sie ma-
chen sich einen schlanken Fuß. Das, was Sie machen,
entspricht nicht dem Geist des Verfassungsgerichtsur-
teils. Sie haben hier gesagt: „Jeder Mensch hat ein Recht
auf Hoffnung.“ Dieses Recht gilt auch für Asylbewerbe-
rinnen und Asylbewerber in diesem Land.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Dieses Recht muss sich auch in Ihrem Haushaltsentwurf
niederschlagen. Wir lassen Sie nicht aus der Verantwor-
tung. Wir brauchen hier eine deutliche Verbesserung.
Nicht umsonst gibt es ein Verfassungsgerichtsurteil
dazu.

Letzter Punkt. Wir werden uns in den Beratungen
auch mit den ESF-Programmen befassen. Es beginnt
eine neue Förderperiode, in der eine Straffung und neue
Weichenstellungen vorgesehen sind. Wir als Grüne wer-
den das operationelle Programm der Bundesregierung
konstruktiv und kritisch begleiten. Wir befürchten, dass
einiges wegfällt. Das betrifft nicht nur Ihr Haus, sondern
auch andere Einzelpläne. Es gilt, bei den Schwerpunkten
nicht nur mit Augenmaß, sondern auch mit Entschlos-
senheit voranzugehen. Über die konkrete Ausgestaltung
werden sich die Berichterstatter noch einmal intensiv
auseinandersetzen müssen.





Ekin Deligöz


(A) (C)



(D)

Frau Ministerin, meinem Dank zu Beginn meiner
Rede füge ich hinzu: Wir brauchen in vielen Punkten Ih-
res Haushalts Entschlossenheit. Dabei setze ich nicht nur
auf gute Kooperation, sondern auch darauf, dass Sie of-
fen für unsere Kritikpunkte sind und sie nicht einfach
vom Tisch wischen. Diese Punkte sind schließlich essen-
ziell für die Weiterentwicklung Ihres Etats.

Danke.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805109300

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Stephan

Stracke.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Stephan Stracke (CSU):
Rede ID: ID1805109400

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Ja, wir haben die von Ihnen geforderte Ent-
schlossenheit, Frau Deligöz. Gleichzeitig gehen wir in
die richtige Richtung. Die Vorschläge, die Sie unterbrei-
tet haben, gehen nicht in die richtige Richtung. Deshalb
werden wir sie nicht aufgreifen.

Die wirtschaftliche Situation in diesem Land ist her-
vorragend. 30 Millionen sozialversicherungspflichtig
Beschäftigte sind ein hervorragendes Zeichen dafür, wie
es um dieses Land tatsächlich bestellt ist.

Das ist natürlich nichts, was aus sich selbst heraus zu-
stande kommt, sondern es muss von den Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmern und von den Arbeitgebern
hart erarbeitet werden. Mit ihrer Kreativität sorgen beide
Seiten dafür, dass wir hier gute Produkte erzeugen, die
weltweit einen entsprechenden Absatz genießen. An ge-
nau dieser Stelle wollen wir weiterarbeiten.

Das bedeutet auch, dass wir die richtigen haushalteri-
schen Maßstäbe setzen. Dies hat der Bundesfinanzminis-
ter zusammen mit der Regierung getan. Die schwarze
Null, die der zur Beratung anstehende Haushaltsentwurf
vorsieht, ist etwas Hervorragendes. Denn damit stellen
wir sicher, dass wir uns nicht weiter verschulden; viel-
mehr schaffen wir gute Voraussetzungen für die nach-
wachsenden Generationen. Die schwarze Null steht
dafür in einzigartiger Weise; sie ist das Kennzeichen un-
serer Regierung, geführt von unserer Bundeskanzlerin
Angela Merkel.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Ewald Schurer [SPD])


Unsere Politik eröffnet die notwendigen Spielräume.
Einige notwendige Spielräume haben wir bereits in die-
sem Jahr eröffnet, beispielsweise was die Mütterrente
angeht: Von der Erweiterung der Anrechnung von Kin-
dererziehungszeiten profitieren rund 9,5 Millionen Men-
schen – Mütter, aber zum Teil auch Väter – in diesem
Land. Die gute wirtschaftliche Entwicklung hat uns die
Finanzierung der Mütterrente ermöglicht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Bei der Diskussion über die Rente mit 63 haben wir
von Anfang an darauf geachtet, keine Frühverrentungs-
anreize zu setzen. Frühverrentungsanreize wären näm-
lich angesichts all der Diskussionen, die die Bundes-
ministerin, auch was die Fachkräftesicherung angeht,
geführt hat, genau das Falsche.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir müssen bei all den Themen, die jetzt anstehen, na-
türlich darauf achten, dass wir die richtigen Maßstäbe
setzen.

Wenn wir über die Fachkräftesicherung in diesem
Land reden, dann geht es von Anfang an um die Jugend-
lichen. Wir stehen hier, gerade was den europäischen
Vergleich angeht, hervorragend da. Wir wissen: Jeder hat
eine Chance verdient. Dafür, dass jeder eine Chance
bekommt, sorgen wir. Ich sage den Arbeitgebern von
dieser Stelle aus ausdrücklich Dank, da sie, gerade was
die berufliche Ausbildung angeht, Hervorragendes leis-
ten. Sie stellen viele Ausbildungsplätze zur Verfügung,
mehr als vonseiten der Jugendlichen derzeit besetzt wer-
den.

Mit dem Ausschuss war ich erst vor kurzem beispiels-
weise in Rumänien und Bulgarien; mit der CSU-Landes-
gruppe war ich in Lettland. In diesen Ländern spielte im-
mer wieder dieselbe Frage eine Rolle: Wie schaffen wir
es, die Fachkräfte gut auszubilden? Das Berufsausbil-
dungssystem in unserem Land wird dort als Beispiel he-
rangezogen. Wir helfen anderen europäischen Ländern
durch vielfältige Initiativen dabei, die guten Ansätze, die
wir in Deutschland haben, auf sich zu übertragen.

Es ist nicht selbstverständlich, dass unsere Arbeitge-
ber darauf achten, all denen eine Chance zu geben, die
beispielsweise noch nicht die Ausbildungsreife erhalten
haben. Dies tun sie in der Breite. Dabei achten wir insge-
samt darauf, dass neben den akademischen Fähigkeiten
auch die rein praktischen Fähigkeiten nicht verloren ge-
hen. Wir brauchen jeden in diesem Land. Deswegen sor-
gen wir auch hier für die richtigen Rahmenbedingungen.

Was dabei im Vordergrund steht, ist, die Eigenverant-
wortlichkeit des Einzelnen zu stärken. Deswegen sind
Ausbildungsplätze so wichtig. Neben der Eigenverant-
wortlichkeit bedarf es natürlich auch des Engagements
jedes Einzelnen. Es nutzt nichts, noch so viele Hilfe-
systeme zu implementieren, wenn man halt ein fauler
Grippl ist und einfach nicht arbeiten will. Um Jugendli-
che auf den richtigen Weg zu führen, muss man vielmehr
entsprechend ertüchtigen und notfalls die notwendigen
Sanktionen verhängen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ihr Menschenbild ist wirklich furchtbar!)


Wenn wir auf der einen Seite darüber reden, mög-
lichst viele Jugendliche ins Arbeitsleben zu bringen,
geht es auf der anderen Seite darum, eine längere Betei-
ligung von Arbeitnehmern am Erwerbsleben zu gewähr-
leisten. Dies ist gesellschaftlich und volkswirtschaftlich
sinnvoll und geboten. Wir stehen deshalb geschlossen
zur Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre. Das

(B)






Stephan Stracke


(A) (C)



(D)(B)

hat vor allem mit der demografischen Entwicklung in
diesem Land zu tun. Während in den 60er-Jahren die
Lebensdauer nach Eintritt in die Rente bei rund 10 Jah-
ren lag, liegt sie jetzt bei nahezu 20 Jahren. Daher ist es
richtig, dass wir die Regelaltersgrenze auf 67 Jahre an-
gehoben haben.

Es ist auch notwendig, dass wir bei der abschlags-
freien Rente mit 63 – ich habe es erwähnt – vor allem
darauf achten, dass Frühverrentungsanreize von vornhe-
rein vermieden werden. Wir wollen einen Aufbruch in
eine altersgerechte Arbeitswelt, und wir wollen aus der
Rente mit 67 das Arbeiten mit 67 machen. Die betriebli-
che Praxis in diesem Bereich zeigt bereits viele erfreuli-
che Beispiele.

Das Thema Gesundheitsschutz wurde angesprochen.
Ja, wir wollen mit unserer Präventionsstrategie dafür sor-
gen, dass gerade in den mittelständischen und kleinen Un-
ternehmen die betriebliche Gesundheitsvorsorge einen
besseren Stellenwert erlangt. Oftmals sagen zunächst ein-
mal die Betriebsführungen sozusagen vom Kopf her:
Wir müssen etwas tun. – Meistens ist es ein Impuls,
wenn die Zahl der Krankheitsausfälle wächst. Hier geht
es darum, möglichst früh Anreize zu setzen. Deshalb
werden wir eine Präventionsstrategie auf den Weg brin-
gen.

Ich glaube, dass die Tarifvertragsparteien hier gute
Lösungen anbieten können. Das gilt auch bei den sonsti-
gen Themen, Verordnungen oder Gesetzen, die anstehen
und von denen der eine oder andere während der Som-
merpause geredet hat. Wir sollten uns darauf zurückzie-
hen, zunächst ein breites wissenschaftliches Fundament
zu haben und nicht gleich vonseiten des Gesetzgebers
und des Arbeitsministeriums nach Verordnungen zu ru-
fen. Sinnvoller ist es, den Unternehmen hier möglichst
viel Flexibilität einzuräumen, aber auch die Verantwor-
tung der Arbeitgeber klar zu benennen. Sie müssen da-
rauf achten, dass ein Arbeiten bis 67 in Zukunft auch
möglich sein wird.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Daneben wollen wir aufgrund des sich abzeichnenden
Fachkräftemangels das Arbeiten über die Regelalters-
grenze hinaus flexibilisieren. Wir haben bereits einen
bestehenden Alterskorridor von 63 bis künftig 67 Jahre,
insbesondere für die Inanspruchnahme einer vorgezoge-
nen Altersrente. Dieser Korridor ist so breit angelegt,
dass er vielfältigen Flexibilisierungsüberlegungen Raum
lässt. Deswegen glaube ich, dass wir, insbesondere was
arbeits- und tarifvertragliche Vereinbarungen angeht, bei
all diesen Themen bereits jetzt genügend Spielraum
haben.

Das heißt konkret: Eine vorgezogene Altersrente ist
bereits nach derzeitiger Rechtslage ab Vollendung des
63. Lebensjahres möglich. Eine Rente mit 60 Jahren bei
versicherungsmathematisch korrekten Abschlägen halte
ich nicht für sinnvoll, auch nicht in Form einer Teilrente.
Eine Rente mit 60 wäre ein Irrweg für die Akzeptanz
einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit und darüber
hinaus vor allem eine Privilegierung von Gutverdienern,
die sich Abschläge beispielsweise in Höhe von 25,2 Pro-
zent leisten können.

Was wir natürlich auch in den Blick nehmen müssen,
ist, dass die Hinzuverdienstgrenzen bei einem vorzeiti-
gen Renteneintritt nach derzeitigem Rechtszustand gut
begründet sind. Meines Erachtens wäre es sozialpoli-
tisch erklärungsbedürftig, dass ein Arbeitnehmer mit
63 Jahren vorzeitig in Rente geht und weiterhin beim
bisherigen Arbeitgeber in unverändertem Umfang be-
schäftigt bleibt. Wir wollen – das haben wir uns als
Koalition gemeinsam vorgenommen – insbesondere das
Anliegen der Tarifvertragsparteien, dass bestehende
Hinzuverdienstgrenzen einen Hinderungsgrund für pra-
xistaugliche Vereinbarungen darstellen, entsprechend
überprüfen. Dies steht im Koalitionsvertrag, ist aber
auch Inhalt unseres Entschließungsantrages, den wir als
Koalitionsfraktionen im Zuge der Debatte um das Ren-
tenpaket beschlossen haben. Bei all diesen Überlegun-
gen gilt meines Erachtens auch, dass wir die Erwerbs-
minderungsrenten mit in den Blick nehmen wollen und
müssen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das gel-
tende Recht bietet bereits jetzt vielfältige Flexibilisie-
rungsmöglichkeiten für eine Weiterarbeit nach Erreichen
der Regelaltersgrenze. Allerdings wissen wir, dass wir
die Flexibilität noch weiter verbessern müssen. Des-
wegen haben wir eine entsprechende Arbeitsgruppe ge-
bildet, die sich dieser Themen in den nächsten Monaten
sehr intensiv annehmen wird. Ich glaube, wir werden
hier zu sehr guten Ergebnissen kommen, gerade im Inte-
resse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unse-
rem Land, sodass wir weiterhin gewährleisten können:
Unser Rentenversicherungssystem ist stabil und bleibt
stabil – gerade auch wegen der Maßnahmen dieser Bun-
desregierung.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805109500

Nächste Rednerin ist die Kollegin Katja Kipping, Die

Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Katja Kipping (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805109600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr

Stracke, Sie haben hier in Bezug auf Erwerbslose den
Begriff „fauler Krüppel“ verwendet. Ich muss das ganz
klar zurückweisen. Ich finde, es ist nicht angemessen,
sich in diesem Parlament so über Menschen zu äußern,
die erwerbslos sind.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ihre Analyse geht einfach am Problem vorbei. Wenn
man sich die offiziellen Zahlen anschaut, dann sieht
man, dass auf eine gemeldete offene Stelle im Durch-
schnitt sieben Erwerbsarbeitsuchende kommen. Das
heißt, egal wie sehr sich die sieben anstrengen: Im





Katja Kipping


(A) (C)



(D)(B)

Durchschnitt gehen sechs davon leer aus. Das Problem
der Erwerbslosigkeit ist kein individuelles Problem, kein
Problem, das allein beim Erwerbslosen liegt, sondern hat
etwas mit der Wirtschaftsweise zu tun. Deswegen:
Hören Sie auf, dem Einzelnen die Verantwortung für die
Erwerbslosigkeit in die Schuhe zu schieben!


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Kommen wir zum Haushalt. Wenn man sich die Zah-
len im Arbeits- und Sozialbereich anschaut, so muss
man sagen: Es macht kaum einen Unterschied, ob es nun
eine schwarz-gelbe oder eine schwarz-rote Regierung
gibt. Das sieht man auch im Bereich SGB II, besser be-
kannt als Hartz IV. Eine der wenigen Initiativen, die im
Bereich Hartz IV gestartet wurden, ist die Arbeitsgruppe
„Rechtsvereinfachung im SGB II“, deren Vorschläge
nun die Grundlage der Diskussion bilden. Weil ihre Vor-
schläge die Auseinandersetzung prägen werden, muss
man dazu einiges sagen.

Allein die Zusammensetzung dieser Arbeitsgruppe
– das ist auch von Ihnen, Frau Nahles, nicht mehr geän-
dert worden – ist bezeichnend: Weder Gewerkschaften
noch Erwerbsloseninitiativen durften an dieser Arbeits-
gruppe teilnehmen. Deren Erfahrungen waren Ihnen
offensichtlich egal. Wir aber meinen, die direkt Betroffe-
nen gehören immer mit an den Tisch.


(Beifall bei der LINKEN)


Bei solch einer Herangehensweise darf man sich dann
auch nicht wundern, wenn die Arbeitsgruppe sehr ärger-
liche Vorschläge unterbreitet. Um nur einen Vorschlag
zu nennen: Zukünftig sollen selbst angemessene Miet-
kosten nach einem Umzug nur dann bezahlt werden,
wenn der Umzug vorher genehmigt wurde. Das klingt
erst einmal harmlos. Was heißt das aber? Es ist schon
jetzt in vielen Städten verdammt schwer, im Rahmen der
sogenannten angemessenen Unterkunftskosten eine
Wohnung zu finden, die auch passt. Und dann findet je-
mand womöglich eine Wohnung, es gibt Verzögerungen
bei der Genehmigung von Amts wegen, und dann ist die
Wohnung, ehe die Genehmigung erteilt worden ist, wo-
möglich weg. Wir meinen, das ist auf jeden Fall ein fal-
scher Vorschlag.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich kann an Sie nur appellieren, diesen Vorschlag nicht
aufzugreifen.

Ich will einräumen, Frau Nahles, dass die ersten Mel-
dungen, die von dieser Arbeitsgruppe durchgesickert
sind, deutlich schlimmer waren. Ich erinnere nur daran,
dass zuerst diskutiert worden ist – –


(Katja Mast [SPD]: Haben Sie den Gesetzentwurf? – Kerstin Griese [SPD]: Worüber sprechen Sie?)


– Wir diskutieren heute, was im kommenden Jahr an-
steht. –


(Dr. Martin Rosemann [SPD]: Wir diskutieren den Haushalt!)

Es gab Vorschläge, die deutlich schlimmer waren. Diese
haben wir von der Linken öffentlich gemacht. Die Er-
werbslosenbewegung hat dagegen demonstriert. Dass
diese Vorschläge jetzt gestrichen worden sind, ist ein Er-
folg der Erwerbslosenbewegung. Das zeigt ganz klar: Es
lohnt sich, sich zur Wehr zu setzen.


(Beifall bei der LINKEN)


Schwarz-Rot – das spiegeln auch die Zahlen im
Haushalt wider – geht an das Thema Hartz IV vor allen
Dingen mit der Haltung heran: Na ja, eigentlich müssen
wir nur die bürokratischen Abläufe verbessern. – Ich
aber meine, es kommt vor allen Dingen darauf an, die
grundlegenden Fehler bei Hartz IV zu korrigieren und zu
überwinden.

Das wären unsere Vorschläge:

Erstens: die Abschaffung des Konstrukts der Bedarfs-
gemeinschaft.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zweitens: eine aktive Arbeitsmarktpolitik; meine
Kollegin Sabine Zimmermann wird später dazu reden.

Drittens: die Abschaffung der Sanktionen bei
Hartz IV.

Viertens. Wir müssen wirklich sicherstellen, dass
jedem in diesem Land ein soziokulturelles Existenzmini-
mum garantiert wird. „Soziokulturell“ heißt: Man muss
sich sowohl Essen und eine Wohnung als auch eine
Busfahrkarte und eine Tageszeitung leisten können.


(Beifall bei der LINKEN)


Kurzum: Wir von der Linken sagen – fast zehn Jahre
Erfahrung mit Hartz IV haben uns darin nur noch be-
stärkt –: Es kommt darauf an, Hartz IV zu überwinden,
durch gute Arbeit und durch eine sanktionsfreie Min-
destsicherung.


(Beifall bei der LINKEN)


Nur einen Satz zur Rente: Hier spiegeln die Zahlen im
Haushalt wider, dass das wichtigste, das dringlichste
Problem nicht in Angriff genommen wird: Altersarmut
droht auch Menschen mit mittleren Einkommen. Wir
alle kennen doch die Zahlen: Wer im Jahr 2030 in Rente
geht, muss mindestens 35 Jahre lang vollzeitversichert
zum Durchschnittslohn gearbeitet haben, um eine Rente
auf Hartz-IV-Niveau zu erhalten. Wir als Linke schlagen
vor – wir wissen, dass man das nicht mit einem Haushalt
erledigen kann; das braucht etwas Zeit, aber man muss
das jetzt in Angriff nehmen –: Wir brauchen eine Ren-
tenversicherung, in die alle einzahlen, auch Abgeord-
nete, auch Apotheker und auch Anwälte. Im Rahmen ei-
ner solchen Rentenversicherung für alle kann man auch
eine Mindestrente organisieren. Wir meinen: Kein Rent-
ner und keine Rentnerin soll im Alter unter die Armuts-
risikogrenze fallen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)







(A) (C)



(D)(B)


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805109700

Bevor jetzt gleich der Kollege Schurer das Wort er-

hält, bekommt für eine Kurzintervention das Wort der
Kollege Stracke.


Stephan Stracke (CSU):
Rede ID: ID1805109800

Vielen herzlichen Dank, Herr Präsident. – Frau Kolle-

gin, Sie haben mich direkt angesprochen. Ich möchte
das, was Sie zu hören gemeint haben, richtigstellen. Mir
liegt es selbstverständlich vollkommen fern, hier pau-
schale Verunglimpfungen zum Ausdruck zu bringen. Ich
habe einen vielleicht allgäuerisch-bayerischen Slang be-
nutzt, als ich von einem „faulen Grippl“ gesprochen
habe. Ich habe nicht von einem „Krüppel“, sondern ei-
nem „Grippl“ gesprochen. Das ist jemand, der beispiels-
weise etwas zurückhaltend seiner Arbeit nachgeht.


(Kerstin Griese [SPD]: Das stimmt!)


Das war gemeint. Das war in keiner Art und Weise eine
Verunglimpfung, wie Sie es verstanden haben. Ich bitte,
das entsprechend zur Kenntnis zu nehmen.


(Beifall des Abg. Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU] – Zuruf von der LINKEN: Das macht es jetzt nicht wirklich besser! – Kerstin Kassner [DIE LINKE]: Das macht es nicht besser! Genau! – Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Wer Hochdeutsch spricht, ist klar im Vorteil! – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Für mehr Dialekt im Parlament!)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805109900

Ich sehe nicht den Wunsch, darauf zu erwidern. Des-

halb hat jetzt der Kollege Ewald Schurer für die Sozial-
demokraten das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Ewald Schurer (SPD):
Rede ID: ID1805110000

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir debattie-
ren über den Einzelplan 11, über den Haushalt des
Ministeriums für Arbeit und Soziales. Dieser zentrale
Haushalt umfasst, wie schon dargestellt, immerhin fast
125 Milliarden Euro, also eine stolze Summe. Das ent-
spricht fast 42 Prozent der Summe des aktuell vorliegen-
den Haushaltsentwurfs des Bundes für das Jahr 2015.

Von der Frau Ministerin und der Kollegin Weiss
wurde schon dargestellt, dass dieser Haushalt die großen
Lebensbereiche der Menschen verkörpert. Ein Haushalt
ist nie Selbstzweck. Die einzelnen Haushaltstitel stehen
für Inhalte, zum Beispiel für den Bereich Rente und den
Bereich Arbeit. Es geht um das Leben der Menschen, um
die berufliche Bildung, die nach der hoffentlich guten
schulischen Bildung beginnt. Dann geht es um das Ar-
beitsleben, das für die Menschen, wenn es gut läuft, spä-
ter einmal bei guter Gesundheit im Rentenbezug mün-
det. Ich kann das Postulat unterschreiben: Es ist ein
Erfolg, wenn Menschen möglichst lange am Berufsleben
partizipieren können, wenn sie möglichst lange mitwir-
ken können und zum geeigneten Zeitpunkt in Rente ge-
hen können. Das ist das Ziel der sozialdemokratischen,
aber auch, glaube ich, der christdemokratischen Renten-
und Arbeitspolitik. In diesem Sinne legen wir diesen
Haushalt vor.


(Beifall bei der SPD)


Auch ich will – nicht nur aus Routine – dem Ministe-
rium für Arbeit und Soziales Dank sagen. Ich danke der
Leitung des Hauses, den Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
tern, dem BMF und allen Mitarbeitern in den Bundes-
tagsbüros. Es ist keine Selbstverständlichkeit, sich durch
so große Haushalte durchzuarbeiten und alle Details sau-
ber, ordentlich und beratungsfähig vorzulegen.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, bei
aller Kritik, die ich vernommen habe, aber zurückweisen
muss, weil etwas isoliert dargestellt wurde, nicht stimmt
oder aus dem Kontext gerissen wurde – das gilt zum Teil
auch für die Kritik von Frau Kipping –, muss man fest-
stellen: Im Jahr 2014 werden laut aktuellem Haushalt für
die Rentenversicherung, für die Grundsicherung im Al-
ter und bei Erwerbsminderung 88,4 Milliarden Euro aus-
gegeben.


(Katja Kipping [DIE LINKE]: Das war der Kompromiss! Das ist was anderes!)


Diese Summe wird sich peu à peu auf 101,3 Milliarden
Euro in 2018 steigern.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mütterrente! Rente mit 63!)


Das ist angesichts des gesellschaftlichen Hintergrunds,
angesichts der demografischen Entwicklung und der
Maßgabe eines stabilen Rentenbeitrags eine gewaltige
Erhöhung in der mittelfristigen Finanzplanung.

Ich glaube, dass die Entlastung der Kommunen, über
die immer wieder diskutiert wird und die von den über
12 000 Kommunen in Deutschland zu Recht eingefor-
dert wird, ein entscheidender Punkt ist. Die Entlastung
der Kommunen führen wir mit diesem Haushalt fort:

Erstens übernimmt der Bund 2015 100 Prozent der
Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbs-
minderung. Dafür waren 2013 3,7 Milliarden Euro an-
gesetzt, für 2015 sind es bereits 5,9 Milliarden Euro, und
der Ansatz steigt bis zum Jahr 2018 auf immerhin verita-
ble 7,2 Milliarden Euro. Das ist eine effektive Entlas-
tung der Kommunen in diesem Bereich. Das muss man
hier hervorheben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zweitens. Auch 2015, 2016 und noch 2017 wird es
diese Milliarde mehr an die Kommunen zur Verbesse-
rung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ge-
ben. Das ist ein ganz wichtiger Faktor. Ich denke, spätes-
tens 2018 wird es weitere Entlastungen durch das
Bundesteilhabegesetz geben. Das ist die Zielsetzung der,
ich sage mal, christlich-sozialdemokratischen Koalition;
früher wurde immer so gern von „christlich-liberal“ ge-
sprochen. Wenn die Linken keinen Unterschied zwi-
schen einer Koalition mit Liberalen und einer mit Sozial-





Ewald Schurer


(A) (C)



(D)(B)

demokraten sehen, ist es allein das große Problem der
Linken. Die Wahrheit ist jedoch eine ganz andere, ver-
ehrte Kollegin Kipping.

Wir sind also dabei, ein Bundesteilhabegesetz vorzu-
bereiten. Das wird eine Herkulesarbeit sein. Die Sozial-
gesetzbücher müssen modifiziert werden. Neue Impulse
müssen gesetzt werden. Die große Zielsetzung ist, dass
die Kommunen dann, wenn das Bundesteilhabegesetz in
Kraft ist, erneut um 5 Milliarden Euro entlastet werden.
Auch das ist ein riesiges Projekt, das sich von Projekten
der Vorgängerregierung gewaltig unterscheidet. Wer das
nicht sieht, ist betriebsblind.


(Beifall bei der SPD)


Thema Jugendarbeitslosigkeit. Wir haben einen sehr
guten Arbeitsmarkt; das ist klar. 43 Millionen Menschen
sind beschäftigt, davon rund 30 Millionen sozialversi-
cherungspflichtig. Man kann sagen: Wir stehen euro-
päisch und weltweit sehr gut da. Das ist richtig. Wir ha-
ben einen robusten Arbeitsmarkt. Wir hoffen auch, dass
der Arbeitsmarkt trotz der kleinen wirtschaftlichen Ein-
trübungen, die wir derzeit erleben – vielleicht stehen
diese im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise und mit
einer binnenwirtschaftlichen Schwäche des großen und
wichtigen Partners Frankreich –, in den nächsten Mona-
ten und Jahren robust sein wird. Das ist die Vorausset-
zung.

Man muss sagen: Es gibt auch Programme, die von
großer Bedeutung sind. Hier sehen wir einen Übergang
von der bundesdeutschen in die europäische Dimension.
Das Sonderprogramm „MobiPro-EU“ ist schon erwähnt
worden. Ich will noch einmal seine Bedeutung heraus-
arbeiten: „MobiPro-EU“ bietet eine Win-win-Situation.
Derzeit bekommen dadurch 6 000 junge Menschen eine
Berufsausbildung, und 2 500 Fachkräfte werden ausge-
bildet und geschult. Das kostet Geld. Wir haben die Aus-
gaben im letzten Jahr verdoppelt und setzen im Jahr
2015 102 Millionen Euro dafür an. Ich halte das Pro-
gramm deswegen für wichtig, weil ich es in der Dualität
mit der Europäischen Union sehe. Wir tun hier etwas für
die deutsche Wirtschaft, und wir tun etwas für junge
Menschen aus europäischen Nachbarländern.

Liebe Ministerin Nahles, werte Kolleginnen und Kol-
legen, ich muss an dieser Stelle eines zum Ausdruck
bringen: So solidarisch, wie wir uns hier als schwarz-
rote Koalition verhalten, so enttäuscht bin ich über die
Umsetzung der Programme zur Bekämpfung der Ju-
gendarbeitslosigkeit in den Ländern, die es dringend nö-
tig haben.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Ja! Richtig!)


Ich bin sehr enttäuscht darüber, auch als Europahaushäl-
ter, dass seit zwei Jahren 6 Milliarden Euro sozusagen
disponiert sind und dass, wie Minister Schäuble bestätigt
hat, nur wenige Millionen davon umgesetzt werden. Das
halte ich für einen großen europäischen Skandal, der
während der Ratspräsidentschaft der Italiener dringend
angegangen werden muss.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Zu Recht!)

Ich bin mir sicher, dass die Ministerin in Rom eine deut-
sche Initiative einbringen wird, um diesen Skandal und
diese Herausforderung schnell anzugehen und Lösungen
zu finden. Denn in manchen Ländern in Europa sind
Millionen von jungen Menschen ohne Hoffnung, stehen
trotz einer guten Berufsausbildung abseits und verlassen
ihre Länder zum Teil fluchtartig. Das kann so nicht blei-
ben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Das ist die große Herausforderung für die Europäische
Kommission. Der deutsche Beitrag wird in diese Rich-
tung gehen.

Auch wenn wir diesen guten Arbeitsmarkt loben, bin
ich trotzdem in großer Sorge, dass wir bei der Bekämp-
fung der Langzeitarbeitslosigkeit nicht die Erfolge ha-
ben, die wir uns alle in der Vergangenheit gewünscht ha-
ben. Wir haben über Instrumente debattiert, wir haben
sie ausprobiert und evaluiert. Wir brauchen dringend
Ansätze, um bei der Bekämpfung der Langzeitarbeitslo-
sigkeit mehr Erfolge zu erzielen. Ich lobe hier – das darf
man; das gehört dazu – das sehr gute Papier der ostdeut-
schen SPD-Bundestagsabgeordneten, die hier einen
wichtigen Impuls gesetzt haben, und das, was es von den
Gewerkschaften und den Sozialverbänden dazu gibt.

Ganz zum Schluss sage ich: Ich würde mir wünschen
– auch wenn der Kollege Fraktionsvorsitzende das vor-
hin ein bisschen lustig kommentiert hat –, dass SPD und
Union über den Koalitionsvertrag hinaus auch über Pro-
gramme für öffentlich geförderte Jobs reden würden,


(Beifall bei der SPD)


und zwar im Benehmen mit Arbeitgebern und Arbeit-
nehmern. Eine solche Initiative ist dringend notwendig.

Als Haushälter bin ich der Meinung, dass eine solche
Initiative eine Stufe auf dem Weg zum ersten Arbeits-
markt sein könnte. Menschen, die arbeitsmarktfern sind,
müssen gezielt gefördert werden, vielleicht auch durch
öffentliche Impulse. Wenn wir sie richtig setzen, können
wir von den fast 1,1 Millionen Menschen, die in dieser
Zone der Hoffnungslosigkeit sind, einige Zehntausend,
vielleicht sogar 100 000 Menschen oder mehr, wieder in
den ersten Arbeitsmarkt bringen.


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum machen Sie das dann nicht? – Gegenruf der Abg. Kerstin Griese [SPD]: Wir machen es doch!)


Eine solche Zwischenstufe wie öffentlich geförderte Im-
pulse am Arbeitsmarkt halte ich für dringend notwendig.
Das würde ich mir, wie gesagt, wünschen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805110100

Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt der Kollege

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn.






(A) (C)



(D)(B)


(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Gute Sozialpolitik bemisst sich nicht einfach daran, wie
viel Geld ausgegeben wird. In diesem Bundeshaushalt
wird in der Tat viel Geld ausgegeben. Aber entscheidend
ist, was hinten rauskommt.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da hatte Helmut Kohl mal recht!)


– „Da hatte Helmut Kohl völlig Recht“, sagt der Kollege
Birkwald von den Linken. – Gute Sozialpolitik ist vor al-
lem danach zu bewerten, wie wir mit denen umgehen,
die am Rand der Gesellschaft stehen oder ausgegrenzt
werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Diesbezüglich ist die Bundesregierung eine einzige
schwarz-rote Null.

Heute ist Tag der Wohnungslosen. Wir haben die
Bundesregierung aus diesem Anlass befragt. Das Ergeb-
nis war: Erstens. Die Bundesregierung hat keine eigenen
Zahlen, sondern verweist auf die Zahlen der BAG Woh-
nungslosenhilfe, die zwangsläufig a) nicht aktuell genug
sind und b) nur grobe Schätzungen sind. Wir brauchen
endlich eine offizielle Wohnungslosen- und Obdachlo-
senstatistik, um zielgenau helfen zu können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Zweitens wurde an Ihrer Antwort deutlich: Sie haben
überhaupt kein Interesse am Thema Obdachlosigkeit.
Sie haben auch kein Interesse daran, etwas dagegen zu
unternehmen. Überhaupt ist Armut für Sie kein Thema.
Auch diesmal haben wir nichts zu diesem Thema gehört.
Die armen Menschen sind Ihnen schlicht egal.

Wir haben eben gehört, Sie seien – angeblich – eine
christlich-sozialdemokratische oder christlich-soziale
Koalition. Wenn man sich nicht einmal ein kleines biss-
chen um die Bekämpfung der Armut bemüht, ist das we-
der sozial noch christlich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Ein paar Beispiele dazu. Die Bund-Länder-Arbeitsge-
meinschaft zur Rechtsvereinfachung der passiven Leis-
tungen im SGB II – ein fürchterlicher Name – ist von der
Kollegin Katja Kipping schon angesprochen worden. So
wie sich der Titel anhört, war auch ihre Arbeit. Es ging
um Rechtsvereinfachung und Verwaltungsvereinfa-
chung, allerdings nur aus Sicht der Verwaltung bzw. der
Behörde und überhaupt nicht aus Sicht der betroffenen
Menschen. Das wäre aber das, was unbedingt nötig ist.
Wir brauchen tatsächlich Vereinfachungen, weniger
Hürden, einfachere Regeln, aber aus Sicht der Betroffe-
nen, damit sie leichter an die Leistungen kommen.

Wir brauchen auch ein konsistentes, transparentes
Grundsicherungssystem. Sechs verschiedene Grundsi-
cherungsleistungen sind in vier verschiedenen Gesetzen
geregelt. Zählt man das BAföG dazu, haben wir sogar
fünf Gesetze und sieben Leistungen. Das alles ist nicht
wirklich konsistent. Das führt dazu, dass Menschen
Leistungen gar nicht in Anspruch nehmen, teilweise von
einem System in das andere geschoben werden, durch
das Netz fallen. Hier müsste man ansetzen, um tatsäch-
lich ein stabiles Grundsicherungsnetz hinzubekommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Was wir natürlich auch brauchen, ist ein höherer Re-
gelsatz. Es kann nicht sein, dass der Regelsatz immer
weiter unter das Niveau der Armutsrisikogrenze sinkt.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zu diesem Thema gab es in dieser Woche zwei Nach-
richten.

Erstens gab es ein Urteil des Bundesverfassungsge-
richts zum Regelsatz. Wenn man es genau liest, stellt
man fest: Es ist eine Ohrfeige für die vorige Bundesre-
gierung. Das gilt aber auch im Hinblick auf die Berech-
nungen, die zuvor angestellt worden sind. Alle Rechen-
tricks, die angewendet worden sind, um den Regelsatz
niedrig zu halten, sind in diesem Urteil aufgeführt. Das
Bundesverfassungsgericht hat gesagt: Der Regelsatz ist
trotzdem verfassungsgemäß, aber nur noch so gerade
eben. – Es hat die Bundesregierung aufgefordert, nach-
zuweisen, dass die einzelnen Bestandteile des Regelsat-
zes tatsächlich existenzsichernd sind. Diesen Nachweis
müssen Sie jetzt erbringen. Sie müssen belegen, ob seine
Bestandteile existenzsichernd sind oder nicht, und ent-
sprechende Studien in Auftrag geben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Die zweite Nachricht dieser Woche lautet: Der Regel-
satz wird um 8 Euro erhöht – um sage und schreibe
8 Euro. Die Bild-Zeitung hat daraus gleich einen Skan-
dal gemacht, weil dadurch der Regelsatz stärker steigt
als die Rente.

Der Peter Weiß, den ich ja sonst sehr schätze, sagte
dann:

Es war nicht die Politik, sondern das Bundesverfas-
sungsgericht, das entschieden hat, die Leistungs-
sätze für die Grundsicherung von Arbeitslosen von
der Entwicklung der Renten abzukoppeln.

Das sei „bedauerlich“, sagte er weiter.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Ja, das war leider so!)


Dabei geht es, wie gesagt, um 8 Euro. Ich fordere Sie
auf: Hören Sie endlich auf mit diesen Neiddebatten, und
hören Sie auf mit dem Bashing des Bundesverfassungs-
gerichts!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Apropos Bundesverfassungsgericht. Vor über zwei
Jahren hat das Bundesverfassungsgericht das Asyl-
bewerberleistungsgesetz für verfassungswidrig erklärt.
Jetzt gibt es nach über zwei Jahren immerhin einen Ge-
setzentwurf.





Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn


(A) (C)



(D)(B)


(Kerstin Griese [SPD]: Schneller als die Regierung davor!)


Das ist ja schon einmal etwas. Aber die eigentlich konse-
quente Lösung, nämlich die einfachste und sozialste, die
Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes, findet
wieder nicht statt. Das Gesetz gehört abgeschafft.


(Beifall der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


Das wäre auch ein Beitrag zum Abbau von Bürokratie
und zur Rechtsvereinfachung, und das würde der Diskri-
minierung von Asylbewerbern als Menschen zweiter
Klasse ein Ende setzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Wer Asyl beantragt hat, sollte auch arbeiten dürfen,
und wenn sie oder er keine Arbeit findet oder zu wenig
verdient, dann gibt es Hartz IV. Punkt! Es gibt keinen
Grund für eine Grundsicherung zweiter Klasse und kei-
nen Grund dafür, Asylbewerber anders zu behandeln als
andere Menschen, die hier leben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Das gilt auch für Unionsbürgerinnen und -bürger, die
vor Armut und Diskriminierung fliehen. Wir müssen
Menschen, die zu uns kommen, die vor Armut und Dis-
kriminierung geflohen sind, helfen und unterstützen,
dürfen sie nicht diskriminieren und wieder in Armut
stürzen.


(Kerstin Griese [SPD]: Deshalb verbessern wir doch die Leistung!)


Weiter müssen wir an den Ursachen der Armutsflucht
ansetzen. Dafür bräuchte es einen stärkeren Einsatz
dieser Bundesregierung für Armutsbekämpfung auf eu-
ropäischer Ebene. Aber auch an dieser Stelle ist diese
Regierung eine schwarz-rote Null. Auch ein soziales
Europa, bessere Armutsbekämpfung insgesamt, ist kein
Thema. Ein „soziales Europa“ werden wir sicherlich an
anderer Stelle noch ausführlicher diskutieren.

Klar ist: Die Politik der Bundesregierung geht tat-
sächlich an den Schwächsten in diesem Land vorbei,
und, wie gesagt, das ist eine einzige schwarz-rote Null
an dieser Stelle.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805110200

Nächster Redner ist der Kollege Mark Helfrich, CDU/

CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Mark Helfrich (CDU):
Rede ID: ID1805110300

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren!

Wenn das Land glücklich sein soll, muss es Ord-
nung in seinen Finanzen halten. Gute Verwaltung
der Einnahmen und gute Regelung der Ausgaben:
Das ist die ganze Finanzkunst. Noch nie hat eine
arme Regierung sich Ansehen verschafft.

Dieser finanzpolitische Grundsatz stammt aus der Feder
des vielleicht berühmtesten preußischen Königs, Friedrich
des Zweiten, der schon zu Lebzeiten den Beinamen „der
Große“ erhalten hat. Er hat auch heute, knapp 230 Jahre
nach Friedrichs Tod, seine Gültigkeit nicht verloren.

Ordnung in unsere Finanzen zu bringen, das war und
ist auch einer der wichtigsten Leitsätze der Regierung
unter Angela Merkel. In diesem Jahr würde der Alte
Fritz wohl seinen Dreispitz vor uns ziehen. Denn der
vorliegende Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt
2015 ist seit fast einem halben Jahrhundert der erste, der
ohne neue Schulden auskommt. Diesen haushaltspoliti-
schen Erfolg haben wir uns durch einen konsequenten
Konsolidierungskurs der unionsgeführten Koalitions-
regierung hart erarbeitet. Darauf können wir und die
Menschen in unserem Land zu Recht stolz sein. Das ist
eine historische Leistung. Mit der Abkehr von der
jahrzehntelangen Politik der Schuldenfinanzierung, vom
süßen Gift der immer weiter steigenden Staatsverschul-
dung, zeigen wir, dass wir es mit der Verantwortung für
künftige Generationen ernst meinen – im Sinne von
Ludwig Erhard: Wir haben die Pflicht, in Generationen
zu denken.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das tun Sie ja gerade nicht! Sie vernachlässigen Investitionen! Sie vernachlässigen soziale Gerechtigkeit!)


Nun soll es auch genug sein mit historischen Zitaten.
Kommen wir in die Gegenwart! Wir haben heute fast
43 Millionen erwerbstätige Männer und Frauen, und der
Jobmotor läuft weiterhin rund. In Deutschland sind
knapp über 30 Millionen Menschen sozialversicherungs-
pflichtig beschäftigt – so viele wie noch nie zuvor. Dank
des robusten Arbeitsmarktes füllen sich die öffentlichen
Kassen in Deutschland wie lange nicht mehr. Allein die
Sozialversicherungen erwirtschafteten im ersten Halb-
jahr dieses Jahres ein Plus von 7,1 Milliarden Euro. Das
alles ist Resultat einer erfolgreichen Wirtschafts-, Fi-
nanz- und Arbeitsmarktpolitik der vergangenen Jahre
und ist – ich kann mich nur wiederholen – Grund, sich
zu freuen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, unsere gute
Wirtschafts- und Haushaltslage darf uns aber nicht den
Blick auf die vor uns liegenden Herausforderungen ver-
stellen. Noch haben die aktuellen geopolitischen Krisen
keine Spuren in unserem robusten Arbeitsmarkt hinter-
lassen; doch niemand von uns kann vorhersagen, wie
sehr zum Beispiel der bewaffnete Konflikt in der Ost-
ukraine und die darin begründeten Sanktionen gegen
Russland das deutsche Wirtschaftswachstum und auch
den deutschen Arbeitsmarkt beeinflussen werden. Des-
halb warne ich ausdrücklich und eindringlich alle davor,
dem Irrglauben anzuhängen, die Wachstumslokomotive
sei durch nichts zu stoppen.





Mark Helfrich


(A) (C)



(D)(B)

Wir haben in diesem Hause im ersten Halbjahr 2014
eine ambitionierte sozialpolitische Agenda gemeinsam
auf den Weg gebracht. Ich persönlich sehe keinen Spiel-
raum dafür, auf bestimmte Schultern weitere Gewichte
zu packen, sei es im Bereich Antistressgesetz oder sei es,
dass wir darüber diskutieren, eine ganze Branche wie die
Rüstungsgüterindustrie in ihrer Tätigkeit mehr oder
minder zu beschränken. Die Nichtgenehmigung von
Rüstungsexporten ist im Einzelfall richtig, wird aber mit
Sicherheit keine Welt ohne Waffen schaffen. Ich mache
mir ernsthafte Sorgen, nicht nur um den Arbeitsmarkt
– das ist natürlich auch ein Thema, das dann im zweiten
Schritt folgt an der Stelle –, sondern auch darum, dass
wir in Deutschland damit in einem Bereich, der – das
haben uns die aktuellen Entwicklungen gezeigt – an
Bedeutung gewonnen hat, wichtiges Know-how verlie-
ren würden. Ich halte das auch im Hinblick auf die Men-
schen, die dort arbeiten, nicht für akzeptabel, auch wenn
wir durch gute Sozialversicherungssysteme Menschen
gegen Risiken wie zum Beispiel die Arbeitslosigkeit ab-
sichern.

Der Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und
Soziales würde wie kein anderer von einer sich abküh-
lenden Konjunktur beeinflusst. Der Einzelplan 11 des
vorliegenden Regierungsentwurfes ist mit einem Volu-
men von knapp 125 Milliarden Euro – wie sollte es
anders sein? – wiederum der größte Einzeletat im Bun-
deshaushalt. Das sind noch einmal 3 Milliarden Euro
mehr als im letzten Jahr. Auch das zeigt, dass hier nicht
etwa gekürzt wird oder in irgendeiner Weise Dinge von
der Gewichtung her verschoben werden, sondern dass
wir die Verantwortung für unseren Sozialstaat in einer
Kontinuität wahrnehmen und leisten wollen.

Wir machen Politik für eine hohe Beschäftigungs-
quote. Ich sagte das bereits: Die Arbeitslosenquote ist
mittlerweile auf einem Rekordtief, bei 6,7 Prozent. Es
sind unter 3 Millionen Menschen arbeitslos, und ich
wage die Prognose, dass wir irgendwann an den Punkt
kommen, wo wir uns mehr darüber unterhalten, wie
viele offene Stellen wir in Deutschland haben, als
darüber, wie viele Menschen noch arbeitslos sind. Das
ist aber auch keine Situation, die uns dann besonders
glücklich machen kann, weil es eben zeigt, dass wir im
Bereich der Fachkräfte einen Mangel haben.

Wir senken die Mittel für die Betreuung und Vermitt-
lung von arbeitsuchenden Menschen nicht, auch nicht
bei sinkender Arbeitslosenzahl. Wir wollen, dass Men-
schen, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind bzw. betrof-
fen sind, durch ausreichend Personal betreut und ent-
sprechend vermittelt werden und eine Zukunft in einem
Erwerbsleben für sich und ihre Familien haben; das ist
klar.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf ein neues
Programm hinweisen – es ist schon angesprochen wor-
den –, das ESF-Bundesprogramm für arbeitsmarktferne
langzeitarbeitslose Leistungsberechtigte – ein furchtbar
langer Name –, das aber 30 000 Leistungsbeziehern im
SGB II neue Perspektiven bringen soll.

Insgesamt sind im Regierungsentwurf 467 Millionen
Euro für zwei Sonderprogramme des Bundes vorgese-
hen, zum einen für das ESF-Bundesprogramm, das ich
gerade angesprochen habe, und zum anderen für das
Bundesprogramm „Perspektive 50plus – Beschäfti-
gungspakte für Ältere in den Regionen“. Auch das ist
ganz wichtig vor dem Hintergrund einer Gesellschaft,
die immer älter wird und in der zukünftig Fachkräfte
fehlen werden.

Es ist auch ganz wichtig, im Bereich der Grundsiche-
rung für Arbeitsuchende nachhaltige Vermittlungs-
erfolge zu erzielen, weil diese sich dann natürlich auch
im Haushalt wiederfinden: Diese Menschen beziehen
keine Leistungen mehr, sondern erbringen Beiträge für
unsere Sozialkassen. All das ist dann im doppelten Sinne
eine Gewinnersituation: sowohl für die Menschen als
auch für unser Gemeinwesen, für unseren Haushalt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Kerstin Griese [SPD])


Zu den eingangs von mir erwähnten politischen
Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, zäh-
len ohne Frage auch der demografische Wandel und der
damit einhergehende Fachkräftemangel. Der Deutsche
Industrie- und Handelskammertag rechnet damit, dass in
Deutschland bis 2020 rund 1,4 Millionen Facharbeiter in
technischen und naturwissenschaftlichen Berufen fehlen
werden.

Vor diesem Hintergrund bietet der auf Drängen mei-
ner Fraktion in das Rentenpaket aufgenommene Einstieg
in die Flexi-Rente mittel- und langfristig die Chance,
den wachsenden Fachkräftemangel zu lindern. Ziel ist es
nicht – das sage ich mit Nachdruck –, die Menschen so
früh wie möglich in den Ruhestand zu schicken, sondern
ist es, denjenigen, die Freude an der Arbeit haben, zu er-
möglichen, dass sie dieser Arbeit möglichst lange nach-
kommen können.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Eine weitere Verkleinerung der Arbeitskräftebasis ist
keine bzw. eine falsche Antwort auf den zunehmenden
Fachkräftemangel. Allein im vergangenen Jahr konnten
in Handwerk, Handel und Industrie 100 000 Lehrstellen
– das ist die Dimension einer Großstadt – nicht besetzt
werden. Das ist ein Vorgeschmack auf das, was auf uns
und unser Land zukommt.

Ein weiterer Grund hierfür – neben der Demografie –
ist, dass in Deutschland ein gewisser Akademisierungs-
wahn herrscht. Immer mehr junge Menschen drängen in
die Hochschulen. Wir haben das duale Ausbildungssys-
tem in Sonntagsreden zwar immer wieder gelobt, de
facto erfährt es aber nicht die Wertschätzung, die es ver-
dient. Deshalb müssen wir die Attraktivität unserer dua-
len Ausbildung steigern und ihre Vorzüge auch konkret
denjenigen vermitteln, die sich in der Situation befinden,
entscheiden zu müssen, ob sie ein Studium aufnehmen,
das sie im Zweifelsfall beruflich auf den Irrweg führt,
oder eine solide Ausbildung anstreben.

Im Gegensatz zum innerdeutschen Trend ist die
Nachfrage junger Menschen aus dem EU-Ausland nach
Ausbildungsplätzen in Deutschland ungebrochen. Das
Thema MobiPro-EU ist angesprochen worden. Wir sto-





Mark Helfrich


(A) (C)



(D)(B)

cken die Mittel gegenüber 2014 nochmals auf. Trotzdem
gibt es hier einen Wermutstropfen, nämlich den, dass die
jungen Fachkräfte zukünftig nicht mehr in das Pro-
gramm aufgenommen werden, sondern ausschließlich
diejenigen, die noch keine Ausbildung haben. Das ist si-
cherlich auch richtig so. Trotzdem ist das vor dem Hin-
tergrund des Fachkräftemangels bedauerlich.

All das, was ich erwähnt habe, zeigt: Wir setzen auf
Vollbeschäftigung, auf gute Arbeit und auf stabile so-
ziale Sicherungssysteme in unserem Land. Um das zu
erreichen, werden wir auch weiterhin die Einnahmen gut
verwalten und die Ausgaben gut regeln; denn das ist die
ganze Finanzkunst.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805110400

Für die Linke spricht jetzt die Kollegin Sabine

Zimmermann.


(Beifall bei der LINKEN)



Sabine Zimmermann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805110500

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik eröffnet
Menschen Perspektiven und Chancen für ihr weiteres
Leben, und zwar den Menschen, denen man oft durch
lange Arbeitslosigkeit die Hoffnung genommen hat, die
verzweifelt sind und die von der Politik überhaupt nichts
mehr erwarten.

Frau Ministerin Nahles – hier muss ich Sie ganz per-
sönlich ansprechen –, genau die mit den wenigsten
Chancen haben Sie aus den Augen verloren. Sie wollen
nicht wahrhaben, dass ein neuer Job für viele unerreich-
bar ist. Vor dieser Realität verschließen Sie die Augen,


(Kerstin Griese [SPD]: Genau darüber hat sie doch gesprochen! – Gegenruf der Abg. Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Nein, gerade nicht!)


weil diese hässlichen Bilder einfach nicht zu Ihrer Er-
folgsbilanz passen.


(Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Stimmt ja gar nicht!)


– Natürlich, Sie lobhudeln hier – und wie! –, Sie verges-
sen hier die 1,1 Millionen langzeitarbeitslosen Men-
schen, Sie vergessen diejenigen, die in Armut leben.


(Kerstin Griese [SPD]: Genau über die hat sie gesprochen! – Ewald Schurer [SPD]: Darüber haben wir hier gesprochen!)


Davon wird bei Ihnen überhaupt nicht gesprochen. Das
sind die eigentlichen Probleme in diesem Land.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Katja Mast [SPD]: Auch darüber hat sie gesprochen! Fünf Minuten ihrer Rede über Langzeitarbeitslose!)

Die Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderun-
gen, Alleinerziehenden, Älteren und Menschen mit Mi-
grationshintergrund ist in den letzten Jahren deutlich an-
gestiegen, und das können Sie auch nicht verschweigen.
Es ist so!


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Tun wir ja auch nicht!)


Ich frage Sie, Frau Nahles: Was haben Sie diesen Men-
schen zu sagen? Findet euch damit ab, dass ihr in dieser
Gesellschaft nicht gebraucht werdet! Oder: Tut uns leid,
aber es gibt ja noch Hartz IV in diesem Land. – Dass Sie
sich darum bemühen, diesen Menschen Perspektiven zu
eröffnen,


(Kerstin Griese [SPD]: Die Ministerin hat doch konkrete Vorschläge gemacht!)


kann ich in diesem Haushalt überhaupt nicht erkennen.
Im Gegenteil: Die Kürzungen für aktive Arbeitsmarkt-
politik in den letzten Jahren sprechen eine deutliche
Sprache.

Frau Ministerin Nahles, ich kann einfach nicht erken-
nen, dass Sie uns heute eine Strategie vorstellen wollten.


(Kerstin Griese [SPD]: Wir erhöhen doch die Mittel für Langzeitarbeitslose! – Ewald Schurer [SPD]: Sie kennen diesen Haushalt nicht! Sie haben nicht reingeschaut!)


– Lassen Sie mich doch einmal ausreden, und hören Sie
zu. Dann werden Sie vielleicht auch verstehen, was wir
meinen. – Die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit
lagen im Jahr 2010 bei 6,6 Milliarden Euro, im nächsten
Jahr sollen es nur noch 3,9 Milliarden Euro sein, ein
Rückgang um über 40 Prozent. Das ist Ihre verantwor-
tungslose Politik in diesem Land für Menschen ohne Ar-
beit.


(Beifall bei der LINKEN)


Kommen Sie mir nicht wieder mit Ihren billigen Aus-
reden, die Arbeitslosigkeit sei schließlich gesunken. Sie
ist seit dem Jahre 2010 um lediglich 9 Prozent zurück-
gegangen. Angesichts des Rückgangs der Mittel um
40 Prozent passt das einfach nicht zusammen.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Katja Mast [SPD]: In welcher Regierungszeit?)


Die Hälfte der Erwerbslosen im Bereich des SGB II
verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung.
Das Risiko, arbeitslos zu sein, ist für Menschen ohne Be-
rufsabschluss dreimal so hoch wie für Menschen mit ei-
nem Berufsabschluss. Qualifizierung ist das A und O ei-
ner erfolgreichen Arbeitsmarktpolitik. Aber diese gibt es
eben nicht zum Nulltarif.

Statt erwerbslose Menschen zu verwalten, sollten wir
dafür sorgen, dass sie wieder Vertrauen in ihre Fähigkei-
ten gewinnen. Das würde ihnen auch neue Motivation
geben. Erwerbslose brauchen keine Alibiqualifizierun-
gen. Sie brauchen einen individuellen Rechtsanspruch
auf Weiterbildung. Das fordert die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)






Sabine Zimmermann (Zwickau)



(A) (C)



(D)(B)

Die meisten Erwerbslosen wollen arbeiten und wün-
schen sich nichts sehnlicher, als gebraucht zu werden. In
ihrer Not greifen sie zu jedem Strohhalm. Nehmen wir
zum Beispiel die Bürgerarbeiter. Diese Menschen über-
nehmen gesellschaftlich wichtige Aufgaben: Sie arbeiten
als Busbegleiter, in Sozialkaufhäusern oder in einer
Kreativwerkstatt mit Kindern und Jugendlichen. In die-
sen Maßnahmen werden sie schlecht bezahlt, erhalten
faktisch keine Aussicht auf eine reguläre Beschäftigung
und kämpfen dennoch für ihr Programm. Warum? Weil
ihnen diese Arbeit Anerkennung gibt, weil sie so ein
Stück ihrer Würde wiederfinden.

Wir als Linke fordern seit Jahren einen öffentlichen
Beschäftigungssektor mit einer ordentlichen tariflichen
Entlohnung.


(Beifall bei der LINKEN)


Durch diesen ÖBS würden einerseits zusätzliche Ar-
beitsplätze entstehen, die Erwerbslosen eine Perspektive
bieten, andererseits könnten im Rahmen des ÖBS gesell-
schaftlich wichtige Aufgaben erledigt werden.

Ich komme zum Schluss. Meine Damen und Herren
der Regierung, beenden Sie diese arbeitsmarktpolitische
Geisterfahrt, und tun Sie endlich etwas für die vielen
vom Arbeitsmarkt abgehängten Menschen. Es darf nicht
sein, dass in diesem Land Millionen von Erwerbslosen
einfach abgeschrieben werden.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805110600

Nächster Redner ist der Kollege Ralf Kapschack für

die Sozialdemokraten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ralf Kapschack (SPD):
Rede ID: ID1805110700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Zuhörer auf der Tribüne! Ich finde es schade,
wenn Haushaltsberatungen zu Ritualen verkommen,
wenn man überhaupt nicht mehr auf das eingeht, was an-
dere gesagt haben.

Wir wollen uns nicht katholisch machen; das ist klar.


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das ist gar nicht so schlecht, katholisch!)


– Gut, das ist ein anderes Thema. – Wir haben unter-
schiedliche Positionen. Aber ich finde, man sollte schon
bereit sein, auf die Argumente einzugehen, zumindest
die Informationen der anderen aufzunehmen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Kerstin Griese [SPD]: Das wäre ein erster Schritt!)


Zum Thema Langzeitarbeitslosigkeit ist aus unserer
Sicht alles gesagt, was dazu zu sagen ist. Aber ich
möchte gerne einen Punkt ansprechen, damit sich nichts
Falsches festsetzt. Es geht um das Asylbewerberleis-
tungsgesetz. Man kann immer sagen: Das ist nicht ge-
nug. – Da bin ich gar nicht weit weg von Ihnen. Aber wir
setzen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts eins zu
eins um,


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja, so gerade eben!)


und das kostet den Bund allein in diesem Jahr 30 Millio-
nen Euro. Punkt!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Jetzt möchte ich gerne zu etwas anderem kommen. Im
Bereich Arbeit und Soziales ist seit der Bundestagswahl
einiges passiert. Die Kolleginnen und Kollegen von der
Opposition werden sicherlich sagen: Das ist nicht genug.
Das ist das Falsche. – Aus unserer Sicht aber haben wir
genau das Richtige gemacht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Denn wir haben gesagt, was wir tun, und wir haben ge-
tan, was wir versprochen haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der flächendeckende Mindestlohn kommt, und auch
das erste Rentenpaket ist verabschiedet. Aber vor allem
in der Debatte über die abschlagsfreie Rente mit 63 ist
klar geworden, wie viel Arbeit noch vor uns liegt. Ich
muss Ihnen ehrlich sagen: Ich habe mich ziemlich da-
rüber geärgert, wie die eine oder andere Diskussion ge-
laufen ist; denn einige haben versucht, den Eindruck zu
erwecken, als sei das eigentliche Problem, dass Men-
schen nicht länger arbeiten können als bis 65. Das ist na-
türlich dummes Zeug. Jeder, der kann, und jeder, der
will, darf auch heute schon über das gesetzliche Ren-
tenalter hinaus arbeiten.


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das wissen wir!)


Das ist gar nicht das Problem. Das eigentliche Pro-
blem liegt ganz woanders. Das eigentliche Problem liegt
darin, dass zu viele Männer und Frauen in diesem Land
aus gesundheitlichen Gründen nicht bis zum gesetzli-
chen Renteneintrittsalter arbeiten können.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])


Wir brauchen eine Erhöhung der Erwerbsquote älterer
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und wir brauchen
mehr Flexibilität beim Übergang vom Beruf in die
Rente. Das ist überhaupt kein neues Thema. Die SPD hat
bereits vor sieben Jahren ein Konzept vorgelegt, in dem
es heißt – ich zitiere den Kernsatz –:

Die Erhöhung der Beschäftigungsquote Älterer und
die Ermöglichung flexibler Rentenzugänge sind …
kein Widerspruch, sondern bedingen einander …


(Beifall bei der SPD)


Das durchschnittliche Renteneintrittsalter liegt bei 61,
also weit weg von 65 und noch weiter weg von 67. Un-





Ralf Kapschack


(A) (C)



(D)(B)

ser Ziel muss es sein, dass möglichst viele Menschen ge-
sund bis zur Regelaltersgrenze arbeiten und, wenn sie
wollen, auch gerne darüber hinaus.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Das heißt, wir müssen flexible Übergänge vom Beruf
in die Rente schaffen und absichern, Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern ein langes Erwerbsleben bei guter
Gesundheit ermöglichen, und wir müssen bedarfsorien-
tierte Lösungen für gesundheitlich eingeschränkte Be-
schäftigte finden. Deshalb finde ich auch die Idee, dass
sich der Gesetzgeber des Themas „Stress in der Arbeits-
welt“ annimmt, absolut richtig. Sie trifft den Nerv, weil
die Themen Arbeit und Gesundheit endlich stärker mit-
einander gekoppelt werden.

Den Reflex aus Teilen der Wirtschaft, die allein schon
die Diskussion darüber schädlich finden, kann ich über-
haupt nicht verstehen. Andrea Nahles hat es angespro-
chen: Arbeitgeber zahlen auch für die Arbeitsausfälle,
für die vielen Millionen Fehltage wegen Arbeitsunfähig-
keit. Also, es ist höchste Zeit, hier etwas zu tun.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Es geht um Gesundheit, aber es geht auch um die Fle-
xibilisierung, die es ermöglicht, in bestimmten Lebens-
phasen kürzer zu treten, ohne große finanzielle Einbußen
bei der Rente zu haben. Natürlich sind auch die Arbeit-
geber gefragt. Genauso wie man Ausbildungsplätze
nicht abbauen und dann den Fachkräftemangel beklagen
kann, kann man auch nicht tatenlos zusehen, wie qualifi-
zierte ältere Männer und Frauen aus gesundheitlichen
Gründen früher als nötig in Rente gehen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es ist gut – das wurde schon angesprochen –, dass wir
uns in der Koalition einig sind und dieses Thema in einer
gemeinsamen Arbeitsgruppe angehen. Wir werden dort
ganz konkrete Vorschläge entwickeln, wie der Übergang
vom Beruf in die Rente flexibler und damit auch gerech-
ter gestaltet werden kann, gerechter, weil auf die Bedürf-
nisse der Männer und Frauen stärker Rücksicht genom-
men wird und nicht mehr alle über einen Kamm
geschoren werden.

Da geht es zum Beispiel – das ist schon angesprochen
worden – um eine attraktivere Teilrente, zum Beispiel
um die Frage, wie man erwerbsgeminderten Männern
und Frauen hilft –


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dazu liegen gute Vorschläge auf dem Tisch!)


– vielleicht kommen wir darauf zurück –, die zu gesund
sind für die Erwerbsminderungsrente, aber zu krank, um
es bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter zu schaffen.

Was hat das Ganze mit dem Haushalt zu tun? Erst ein-
mal ist der Haushalt die materielle Grundlage des politi-
schen Handelns. Insofern hat alles miteinander zu tun.
Aber auch aus rein ökonomischen Gründen ist es sinn-
voll, dass wir daran arbeiten, dass ältere Arbeitnehmer
so lange wie möglich und so lange, wie sie wollen, er-
werbstätig sind. Ältere Beschäftigte, die ein Erwerbsein-
kommen erzielen, zahlen Sozialversicherungsbeiträge
und Steuern. Ihre Rente im Alter steigt, das Armutsrisiko
sinkt und die Fachkräftebasis im Betrieb wird gesichert.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Außerdem müssen wir weg von einer ständig reparieren-
den Politik hin zu präventiven Ansätzen; auch die rech-
nen sich auf die Dauer.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ein Satz zum Schluss; ich bin schon etwas über die
Zeit. Ich sage Ihnen ganz offen: Wer jetzt über die Rente
mit 70 schwadroniert, der hat entweder nichts verstan-
den oder er setzt bewusst auf eine massive Kürzung der
Rente, der Altersversorgung von vielen Millionen Män-
nern und Frauen. Mit uns nicht!

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805110800

Abschließende Rednerin ist die Kollegin Gabriele

Schmidt für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Gabriele Schmidt (CDU):
Rede ID: ID1805110900

Herr Präsident! Liebe Gäste im Bundestag! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Mein Vater war ein einfacher
Arbeiter. Er hat immer gesagt: Zum Schuldenmachen
habe ich kein Geld. – Als Kind habe ich das nicht ver-
standen, aber heute, als Mutter, Kauffrau und Politikerin,
verstehe ich ihn sehr gut. Mein Vater würde sich heute
freuen, wie auch ich mich freue, dass wir zum ersten Mal
seit 1969 einen Haushalt vorlegen, in dem auf neue
Schulden verzichtet wird, und das ohne Steuererhöhun-
gen, so wie wir das versprochen haben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Diese Leistung verdient Anerkennung und ist das Er-
gebnis einer klugen und soliden Haushaltspolitik. Bun-
desfinanzminister Wolfgang Schäuble, ein Badener wie
ich, beendet mit dem vorliegenden Haushaltsplan das
Anwachsen des leider schon hohen Schuldenberges.
Deutschland schafft es damit erneut, seiner Rolle als
Vorreiter und Vorbild in der Europäischen Union und in
der ganzen Welt gerecht zu werden. Die richtigen Wei-
chen sind gestellt. Jetzt wird der Kurs der Haushaltskon-
solidierung weiter fortgeführt. Mit dem vorliegenden
Haushaltsplan schaffen wir eine solide Grundlage und
leisten eine wichtige Investition in unsere Zukunft und in
die Zukunft der künftigen Generationen.

Der Sozialstaat steht vor großen Aufgaben. Demogra-
fischer Wandel und die strukturelle Arbeitslosigkeit ge-
hören derzeit zu den größten sozialpolitischen Heraus-
forderungen. Damit der Sozialstaat auch weiterhin
Garant für die Sicherheit jedes Einzelnen und den sozia-
len Frieden in Deutschland bleibt, müssen wir richtige





Gabriele Schmidt (Ühlingen)



(A) (C)



(D)(B)

Antworten auf die richtigen Fragen geben. Das Bundes-
arbeitsministerium betreibt gezielt Arbeitsmarkt- und
Sozialpolitik, damit unser Sozialstaat leistungsfähig und
verlässlich bleibt.

Auch im Haushaltsjahr 2015 ist der Etat für Arbeit
und Soziales gewachsen und damit die Verantwortung,
das Geld da einzusetzen, wo es zielführend und richtig
ist. Knapp 125 Milliarden Euro liegen dem Einzel-
plan 11, Arbeit und Soziales, zugrunde. Diese beeindru-
ckende Zahl ist nun schon öfter erwähnt worden, aber
ganz ohne Zahlen kann man eine Haushaltsdebatte nicht
führen.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist schon einmal richtig!)


Fast 32 Milliarden Euro daraus stellt der Bund für Ar-
beitsförderung, für arbeitsmarktpolitische Leistungen
und Programme zur Verfügung. Wir wollen, dass mög-
lichst viele Menschen einer Erwerbstätigkeit nachgehen
können, und das in einer Arbeitswelt, in der faire Bedin-
gungen gelten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Eingliederung in Arbeit kann nicht allein durch
die bekannten Instrumente zur Eingliederung, die den
Jobcentern grundsätzlich zur Verfügung stehen, erfol-
gen. Wir brauchen vielmehr Modelle und Sonderpro-
gramme, die sich zum Teil bereits bewährt haben. Das
Modellprojekt „Bürgerarbeit“ zum Beispiel dient der In-
tegration arbeitsloser erwerbsfähiger Leistungsberech-
tigter mit multiplen Vermittlungshemmnissen. Dieses
läuft jedoch Ende Dezember 2014 aus. Für die Ausfinan-
zierung stellt der Bund nochmals 8 Millionen Euro im
Jahr 2015 zur Verfügung. Der Geschäftsführer des Dia-
konischen Werkes Hochrhein mit fünf Bürgerarbeitsplät-
zen und einige Bürgermeister in meinem Wahlkreis ha-
ben mir in persönlichen Gesprächen versichert, wie
wichtig das Projekt ist: Die Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter hätten sich in den letzten drei Jahren hervorragend
entwickelt. Das Ziel, eine feste Anstellung auf dem ers-
ten Arbeitsmarkt zu bekommen, wurde zwar nicht im-
mer erreicht, aber trotzdem halte ich das Projekt für ei-
nen vollen Erfolg; denn wir Sozialpolitiker sollten doch
stets die Menschen in den Mittelpunkt stellen.

Mit dem Projekt „Bürgerarbeit“ wurden Menschen,
die weit vom Arbeitsmarkt entfernt waren, ein gutes
Stück weit in das Arbeitsleben integriert. Ich war im
Sommer in einem Ferienlager der Diakonie. Es handelte
sich dabei um ein Abenteuercamp für Kinder. Da waren
Bürgerarbeiter als Chauffeur, Spaghettikoch bis hin zum
Fußballschiedsrichter eingesetzt. Diese Menschen haben
Wertschätzung und Anerkennung erfahren und sind in
den Betrieben mittlerweile eine kaum zu ersetzende Ar-
beitskraft und ein fester Bestandteil der Gemeinschaft.

Mit meinen Erfahrungen aus der Praxis möchte ich
hier bewusst zur positiven Evaluierung beitragen. Frau
Ministerin, die Erwartungen an das neue Bundespro-
gramm zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit – ich
spreche hier nicht nur für meinen eigenen Wahlkreis –
sind hoch. Ich freue mich, dass für diese Menschen Per-
spektiven geschaffen werden.

Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805111000

Frau Kollegin Schmidt, gestatten Sie eine Zwischen-

frage der Kollegin Pothmer?


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Endlich! Ich habe mich schon gewundert!)



Gabriele Schmidt (CDU):
Rede ID: ID1805111100

Ja, selbstverständlich. Gerne.


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1805111200

Frau Schmidt, ich sehe, Sie haben in sich reinge-

horcht und überlegt, ob Sie meine Frage wirklich zulas-
sen wollen. Ich freue mich, dass das Ergebnis positiv für
mich ausgefallen ist.


Gabriele Schmidt (CDU):
Rede ID: ID1805111300

Das haben Sie richtig erkannt.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)



Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1805111400

Frau Schmidt, ich habe Ihnen sehr aufmerksam zuge-

hört. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass Sie be-
schrieben haben, wie positiv das Projekt „Bürgerarbeit“
letztlich bei den Arbeitslosen gewirkt hat und welche
Fortschritte die Menschen gemacht haben. Würden Sie
anhand der Erfahrungen, die Ihnen geschildert wurden
und die Sie zum Teil selbst machen konnten, die Konse-
quenz ziehen, dass solche Arbeitsplätze dauerhaft einge-
richtet werden müssen, damit es für diese Menschen
weitergehen kann? Sind Sie nicht wie ich auch der Auf-
fassung, dass es ein Fehler ist, von dem Projekt „Bürger-
arbeit“ zu einem völlig anderen Projekt für zum Teil völ-
lig andere Menschen rüberzuhoppen?


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Positive Erfahrungen reinbringen, negative Erfahrungen anhören und dann entscheiden!)


Sollten wir gerade vor dem Hintergrund Ihrer Erfahrung
dieses Programmhopping nicht endlich beenden und ei-
nen langfristig angelegten sozialen Arbeitsmarkt schaf-
fen?


Gabriele Schmidt (CDU):
Rede ID: ID1805111500

Ich würde das nicht „Programmhopping“ nennen.

Später in meiner Rede werde ich übrigens auf genau Ihre
Frage zu sprechen kommen.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber jetzt haben Sie ja mehr Möglichkeiten, das auszuführen!)


– Ich bin die letzte Rednerin in dieser Debatte und werde
sie mitnichten weiter ausdehnen.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Sie haben alle Zeit der Welt!)


Sie haben aber natürlich recht: Es gibt Menschen, die
auch mit guten Programmen nicht zu erreichen sind. De-
nen müssen wir weiterhin zur Seite stehen. Warum soll
dies nicht im Rahmen eines neuen Programmes gesche-





Gabriele Schmidt (Ühlingen)



(A) (C)



(D)(B)

hen? Ich habe Frau Nahles eben unmissverständlich auf-
gefordert, ein gutes Programm zu liefern. Sie ist dabei.
Wir haben diesbezüglich bereits nachgeforscht.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das ist ja auch wieder begrenzt!)


Die Bürgerarbeiter, die aus dem Programm, welches
jetzt ausläuft, übrig bleiben – im zahlenmäßigen, nicht
im inhaltlichen Sinne –,


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)


können an einem anderen Programm teilnehmen. Das ist
kein Hopping. „Bürgerarbeit“ war von Anfang an als
Modellprojekt ausgelegt, und es ist ausgelaufen. Es muss
einen zweiten Arbeitsmarkt geben; das haben wir nie be-
stritten.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut!)


Man kann Modellprojekte aber nicht ewig ausdehnen.
Ich hoffe, Sie lassen mich nun weitersprechen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich freue mich, dass für Langzeitarbeitslose, die nicht
so schnell auf dem ersten Arbeitsmarkt untergebracht
werden können, ein neues Programm geschaffen wird,
damit sie neue Perspektiven bekommen. Immerhin
120 Millionen Euro werden dafür im Haushaltsjahr 2015
bereitgestellt; darauf haben verschiedene Vorredner wie
Herr Helfrich und Frau Weiss bereits hingewiesen. Aus
meiner Sicht ist das Programm ein wichtiger und not-
wendiger Schritt.

Viele ehemalige Bürgerarbeiter – jetzt komme ich da-
rauf zu sprechen, Frau Pothmer – können von diesem
neuen Programm profitieren, wenn sie in einem sozial-
versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis ihre
Arbeitsfähigkeit weiter verbessern.


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das ist auch Sinn und Zweck des Programms!)


Den Arbeitgebern wird die anfängliche Minderleistung
durch degressive Lohnkostenzuschüsse ausgeglichen. Es
könnte eine Win-win-Situation entstehen. Wir dürfen
– da bin ich mir mit allen Fraktionen einig – die Men-
schen, die von SGB-II-Leistungen leben, nicht aufgeben,
sondern wir müssen möglichst viel dafür tun, sie in den
allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Deshalb ist es richtig, dass wir für alle Leistungen zur
Eingliederung in Arbeit fast 8 Milliarden Euro zur Ver-
fügung stellen – einschließlich der Sonderprogramme
des Bundes, wozu auch die schon erwähnten Programme
„Perspektive 50plus“ und „MobiPro“ und die Verwal-
tungskosten für die Durchführung der Grundsicherung
für Arbeitsuchende gehören.

Auch in diesem Haushalt umfassen die Leistungen an
die Rentenversicherung den weitaus größten Teil. Das
wurde schon erwähnt, aber so richtige und wichtige
Dinge darf man auch einmal wiederholen. Die Zu-
schüsse des Bundes an die allgemeine Rentenversiche-
rung sowie die Beitragszahlungen für Kindererziehungs-
zeiten an die allgemeine Rentenversicherung sind mit
sagenhaften 75 Milliarden Euro die größten Ausgaben-
posten. Über die Mütterrente ist hier schon ausgiebig ge-
redet worden. Ich halte sie nach wie vor für eine enorm
wichtige Leistung, für die wir natürlich auch Geld in die
Hand nehmen müssen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist aber das falsche Geld! Wir müssen Steuermittel nehmen!)


Durch die Beteiligung des Bundes an den Kosten der
Grundsicherung im Alter und bei der Erwerbsminderung
mit 5,9 Milliarden Euro entlasten wir auch wie verspro-
chen die Kommunen. Die für die Ausführung der Grund-
sicherung im Alter und bei der Erwerbsminderung zu-
ständigen Träger werden in diesem Jahr zu 100 Prozent,
im Jahr 2015 noch zu 75 Prozent entlastet. Darüber hi-
naus leistet der Bund Zuschüsse in Höhe von 1,2 Milliar-
den Euro zu den Beiträgen zur Rentenversicherung der
in Werkstätten und Integrationsprojekten beschäftigten
Menschen mit Behinderung.

Damit komme ich zu einem weiteren Kapitel, das mir
persönlich sehr am Herzen liegt: die Förderung der In-
klusion von Menschen mit Behinderungen. Allein rund
7 Millionen Menschen in Deutschland leben mit einer
Schwerbehinderung. Die Zahl der über 18-Jährigen mit
einer gesundheitlichen Beeinträchtigung oder einer chro-
nischen Erkrankung beläuft sich sogar auf 17 Millionen,
und diese Zahl steigt leider weiter an. Deswegen ist es
richtig und wichtig, dass das Geld in die Stärkung der
Gleichbehandlung und in die Förderung von Chancen-
gleichheit und Inklusion fließt; denn die Umsetzung die-
ser Ziele ist Voraussetzung für ein selbstbestimmtes und
zufriedenes Leben behinderter Menschen. Menschen mit
Behinderungen sollten ein möglichst selbstbestimmtes
Leben führen können und am gesellschaftlichen, kultu-
rellen und öffentlichen Leben teilhaben können. Auch
das kostet uns Geld. Außerdem sind wir ja gehalten, mit
dem Nationalen Aktionsplan weiter die Ziele der UN-
Behindertenrechtskonvention umzusetzen.

Ich habe schon gesagt, dass ich die Ehre habe, diese
Debatte zu beschließen. Da ich keine Redezeit mehr
habe, komme ich zum Schluss. Liebe Kolleginnen und
Kollegen, ich fasse zusammen: Der Bundeshaushalt
2015 steht auf soliden Füßen. Mit diesem Haushalt sor-
gen wir dafür, dass auch Deutschland weiterhin auf soli-
den Füßen steht.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805111600

Mit diesem zeitlich präzisen Abschluss der Kollegin

Schmidt schließe ich die Aussprache zu diesem Einzel-
plan, weil mir weitere Wortmeldungen nicht vorliegen.





Vizepräsident Johannes Singhammer


(A) (C)



(D)(B)

Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Ernährung und Landwirtschaft,
Einzelplan 10. Bevor wir mit der Aussprache beginnen,
möchte ich die Kolleginnen und Kollegen bitten, die
Sitzplätze zu wechseln oder neu einzunehmen und sich
innerlich auf die neue Aussprache vorzubereiten.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort zu Beginn hat
für die Bundesregierung der Bundesminister Christian
Schmidt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung
und Landwirtschaft:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor-
neweg: Vielen Dank an diejenigen in der Bundesregie-
rung, die den Haushaltsentwurf – bereits den zweiten in
diesem Jahr – vorgelegt haben. Vorwegnehmen möchte
ich auch einen Dank an diejenigen, die im Deutschen
Bundestag diesen Haushaltsentwurf beraten und be-
schließen und nach dem Struck’schen Gesetz – das weiß
ich – möglicherweise da und dort auch ein klein wenig
verändern werden.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber großzügig!)


Wir stehen in dieser Legislaturperiode vor großen He-
rausforderungen, über die wir schon gesprochen haben
und die Sie kennen. Vor dem Hintergrund dieser Heraus-
forderungen habe ich auch in meinem Ressort Akzente
zu setzen, die sich in einer Umorganisation meines Hau-
ses abbilden. Darüber habe ich nach einer gewissen Zeit
der Betrachtung entschieden.

Wir werden in unserem Haus nach wie vor Schwer-
punkte im ländlichen Raum, in der Lebensmittelsicher-
heit und in der Vermarktung setzen. Wir werden insbe-
sondere die Bereiche Wald und Forstwirtschaft stärker
mit hinzunehmen; diese Bereiche rangierten in meiner
Wahrnehmung auch bei den Haushaltsberichterstattun-
gen, lieber Kollege Caesar, nicht ganz hinten. Ich be-
danke mich auch für die Hinweise dazu, was wir tun
sollten, Kollege Freese.

Ich habe umorganisiert, um die Initiativen für den
ländlichen Raum, zu denen ich noch komme, koordinie-
ren zu können.

Ich habe umorganisiert, damit wir die Fragen und
Probleme im Veterinärwesen schneller klären bzw. lösen
können. Ich darf mich bei dieser Gelegenheit für die Un-
terstützung des Bundestages hinsichtlich des Stellen-
plans im letzten Jahr bedanken. Ich kann melden: Wir
sind bei der Umsetzung überwiegend sehr weit vorange-
kommen. Von den sechs Veterinärstellen sind schon drei
oder vier vollständig besetzt, und wir sind dabei, die an-
deren zu besetzen. So kann der eine oder andere Fla-
schenhals in diesem Bereich überwunden werden. Das
gilt auch für die nachgeordneten Behörden.

Ich habe umorganisiert, damit wir dem wirtschaftli-
chen Gewicht der Ernährungsindustrie in unserem Hause
stärker Rechnung tragen können. Ich habe eine Stabs-
stelle „Export“ gegründet, die die Koordination und die
Aufgabenverteilung besser wahrnimmt. Die Arbeit die-
ser Stabsstelle ist leider im Augenblick von der Arbeit
einer anderen Stabsstelle betroffen, nämlich der Stabs-
stelle „Export Russische Föderation“.

Die aktuellen Ereignisse bewegen mein Haus und die
Branchen in unserem Bereich ebenso wie viele Men-
schen im Land. Mit großer Sorge sehen viele die Ent-
wicklungen der Konflikte mit Russland. Mir hat gerade
jemand, der aus den baltischen Staaten zurückgekom-
men ist, über Gespräche mit seinen Wirtschaftskollegen
dort berichtet. Er ist selbst aus dem Wirtschaftsbereich.
Er war erstaunt, dass zur Frage der Sanktionen nicht ein
Wort gefallen ist, sondern vor allem die Sorge darüber
geäußert wurde, wohin die politische Entwicklung die
eigentlich fest geglaubte Stabilität 25 Jahre nach dem
Fall der Mauer bringen wird.

Ich glaube, das ist nicht nur nachvollziehbar, sondern
für uns auch ein Hinweis darauf, dass es hierbei nicht
nur um schiere Umsatzzahlen geht. Ich sage das auch zu
einem Zeitpunkt, zu dem die Sanktionen in der dritten
Stufe von der Europäischen Union verhängt worden sind
mit der klaren Ansage, dass man noch einmal darüber re-
den wird und muss, wenn der Zwölf-Punkte-Plan der
Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und Russland
– ich bin sehr vorsichtig – realisiert worden ist.

Ich habe auch die Hoffnung, dass wir mit erheblichen
Beiträgen von allen Seiten doch über diese schwierige
Situation hinwegkommen. Wir haben ausgezeichnete
Produkte, die auch in Russland geschätzt werden, die
aber jetzt nicht mehr in den Supermärkten dort zu finden
sind. Die ersten Betroffenen sind die russischen Verbrau-
cher, die höhere Preise für Lebensmittel bezahlen müs-
sen.

Ich will über die Frage des Verstoßes gegen WTO-Re-
geln im Detail gar nicht sprechen, aber das rundet das
Bild von den Schwierigkeiten, die wir haben, ab.

Ich bin dafür, dass wir den Kontakt mit Russland auf-
rechterhalten. Auf Arbeitsebene wird das auch stattfin-
den. Ich hoffe, dass ich die Reise, die ich in Kürze in die
Ukraine und in das kleine Land Moldawien bzw. Moldau
mache, mit Kontakten in die Russische Föderation ver-
binden kann. Das wird allerdings nur dann der Fall sein,
wenn die zugrundeliegenden politischen Fragen zufrie-
denstellend gelöst sind.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen, meine Herren, ich habe über Europa
gesprochen. Wie Sie wissen, haben wir in der Europäi-
schen Union auch Unterstützungen für Sektoren im
Markt mitbeschlossen. Ich muss heute zuallererst Dacian
Ciolos danken, der nicht mehr antritt. Die rumänische
Regierung hat jetzt eine Kollegin in die Kommission
entsandt. Ich habe ihm in verbindlicher Form gedankt.
Bei aller Unterschiedlichkeit der Positionen: Er ist je-
mand, mit dem man die Idee des Greening verbindet, das
wir jetzt als Grundlage für die Post-2020-Periode in der
Gemeinsamen Agrarpolitik sehen.





Bundesminister Christian Schmidt


(A) (C)



(D)(B)

Ich will aber gleichzeitig den nominierten neuen
Kommissar Phil Hogan begrüßen, den irischen Minister-
kollegen, der für Umwelt zuständig war. Es ist gut, wenn
man die Leute schon kennt. Ich kann nur sagen: Er ist je-
mand, mit dem man gut zusammenarbeiten kann.

Wen ich nicht kenne, das ist der neue Umwelt- und
Fischereikommissar, Herr Vella, mit dem wir auch sehr
viel zu tun haben werden, die tschechische Kollegin,
Frau Jourová, die für den Verbraucherschutz zuständig
ist, und der litauische Kollege Andriukaitis, der für Le-
bensmittelsicherheit verantwortlich ist. Sie sehen: Damit
werde ich die einmalige Chance haben, in Brüssel mit
vier EU-Kommissaren verhandeln zu dürfen. Das zeigt
die Bandbreite.

Hinzu kommt die wichtige Aufgabe der digitalen Zu-
kunft der Europäischen Union, die Günther Oettinger
wahrnimmt und die in mancher öffentlichen Kommen-
tierung völlig unterbewertet wird. Insofern muss ich ihn
eigentlich als fünften EU-Kommissar nennen, mit dem
ich es zu tun haben werde. Denn auch im ländlichen Be-
reich werden wir uns nicht an der Digitalisierung vorbei-
drücken können. Nein, wir müssen sie gestalten, und da-
bei erhoffe ich einiges.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wer ist jetzt für Digitales zuständig? Dobrindt oder Schmidt?)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin seit einem
halben Jahr im Amt. Es ist der zweite Etat seitdem. Da-
für sind 5,3 Milliarden Euro veranschlagt. Er ist ein Do-
kument der Stabilität. Innerhalb dieses Budgetrahmens
werde ich neue und notwendige Schwerpunkte setzen.
Ich werde Schwerpunkte auf eine nachhaltige Landwirt-
schaft setzen, die das Wohl des Tiers stärker berücksich-
tigt, ohne an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Ich
werde Schwerpunkte auf lebendige ländliche Räume und
auf eine gesunde Ernährung insbesondere unserer Kin-
der setzen, damit die Weichen dafür frühzeitig richtig ge-
stellt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Landwirte müssen als Unternehmer erfolgreich am
Markt wirtschaften können. Zugleich ist festzustellen,
dass der Markt sich verändert. An die Nutztierhaltung
werden nicht nur von Verbraucherseite hohe Ansprüche
gestellt. Hohe Tierschutzstandards sind ein Qualitäts-
merkmal deutscher landwirtschaftlicher Erzeugnisse.
Doch wir wollen und müssen noch besser werden. Es
gibt Initiativen, die ich außerordentlich begrüße, insbe-
sondere die, die der Bauernverband zusammen mit dem
Handel auf den Weg bringt. Ich wünsche ihnen viel Er-
folg.

Ich will im Sinne der Koalitionsvereinbarung neue
Wege zur Stärkung des Tierwohls beschreiten. Es ist für
mich eine Frage der Haltung, und zwar nicht nur in den
Ställen, sondern auch in den Köpfen. Der Haushalt 2015
soll uns Möglichkeiten dafür geben. Ich habe 33 Millio-
nen Euro für Investitionen in mehr Tierschutz vorgese-
hen. Sie liegen mir sehr am Herzen. Ich werde in Kürze
die Konzeption, die wir gemeinsam entwickelt haben,
vorstellen. Sie geht zuallererst an das Parlament, weil
das Parlament der natürliche Bündnispartner und Unter-
stützer ist, auch wenn ich nicht die Gesetzgebung in den
Vordergrund stelle, sondern das Zusammenwirken aller
im Sinne der Zivilgesellschaft.

Lebendige Räume bzw. Leben und Arbeiten auf dem
Land sind weitere Schwerpunkte meiner Arbeit. Dafür
werde ich bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung
der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“, GAK – wir
wollen sie in Gemeinschaftsaufgabe „Nachhaltige Ent-
wicklung im ländlichen Raum“ umbenennen –, 600 Mil-
lionen Euro für den Umbau vorsehen, zusätzlich 10 Mil-
lionen Euro für ein Bundesprogramm. Ich möchte bei
dieser Gelegenheit festhalten, dass wir diese Initiative
gemeinsam mit den Ländern durchführen. Ich will diese
Initiative aber nicht so verstanden wissen, dass ich die
Gemeinschaftsaufgabe in irgendeiner Weise infrage
stelle. Nein, ich will sie verbessern und ergänzen, wie es
in der Koalitionsvereinbarung steht.

Gesunde Ernährung für Kinder: „IN FORM – Deutsch-
lands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewe-
gung“ ist ganz wichtig. Ich weiß, dass es schon früher
Diskussionen über adipöse Kinder und entsprechende
Initiativen gegeben hat. Leider ist nun jedes sechste
Kind übergewichtig bzw. adipös. Deswegen sage ich:
Die diesbezüglichen Anstrengungen müssen fortgesetzt
und intensiviert werden. Wir werden deswegen mit ver-
schiedenen Modellen – bis hin zu neuen Initiativen des
Nudging, die ich erst jetzt beginne zu verstehen, also des
Anstoßens zu sinnvollem Verhalten – unterstützend tätig
werden.

Es gibt eine Reihe von Themen im Haushalt, die noch
zu nennen sind. Nicht zuletzt sind beim Berichterstatter-
gespräch einige Diskussionspunkte angemeldet. Ich darf
mich für die konstruktive Zusammenarbeit bedanken.

Der Haushalt 2015 weist eine leichte Tendenz nach
oben auf und rahmt sich in die schwarze Null ein. Aber
mit diesem Haushalt werden wir mehr als nur die
schwarze Null erreichen; wir werden ziemlich viel errei-
chen.

Ich bedanke mich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805111700

Für die Fraktion Die Linke hat der Kollege Roland

Claus das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805111800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr

Bundesminister, ich dachte schon, dass Sie der erste Ko-
alitionsredner wären, der es schaffte, ohne die Beschwö-
rung der schwarzen Null auszukommen. Aber zum
Schluss haben Sie es dann doch noch geschafft, sie zu
erwähnen.

Auf den ersten Blick scheint es nur wenige Kontro-
versen über diesen Haushalt zu geben. 70 Prozent des





Roland Claus


(A) (C)



(D)(B)

Etats gehen in die landwirtschaftliche Sozialkasse. Da-
gegen haben wir nichts. Wenn es um eine bessere Förde-
rung unserer Forschungsinstitute geht, sind wir selbst-
verständlich dabei. Das verführt Sie, Herr Minister,
zuweilen zu der Aufforderung an die Opposition, diesen
Politikbereich einmal ideologiefrei zu betrachten.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Und zu loben!)


Das allerdings ist ein frommer Wunsch, der erst dann er-
füllt werden könnte, wenn die einen Ideologen den ande-
ren Ideologen nicht mehr vorwerfen würden, Ideologen
zu sein, Herr Minister.

Ein Blick über den Tellerrand des Haushalts hinaus
lohnt sich. Dann zeigen sich die Konflikte. Der wich-
tigste ist, dass heute Agrarpolitik nicht zuerst in den Par-
lamenten gemacht wird, sondern an der Börse. Es ist den
Grünen und den Linken im Bündnis mit vielen Bürger-
initiativen gelungen, im Europäischen Parlament die
Spekulationen mit Nahrungsgütern einzugrenzen. Aber
angesichts der Vielfalt der Freihandelsabkommen droht
erneut eine Entwicklung, die globalen Agrarkonzernen
Tür und Tor öffnet. Nach wie vor leiden 1 Milliarde
Menschen täglich unter Hunger. Das Schlimme ist, dass
diese Zahl nicht abnimmt, sondern zunimmt. Deshalb
brauchen wir eine EU-Agrarpolitik, die für eine gerechte
globale Entwicklung steht. Aber in dieser Hinsicht
herrscht bei allem, was uns bisher vorgelegt wurde, lei-
der, leider Fehlanzeige.


(Beifall bei der LINKEN)


Wie wollen Sie Menschen in Afrika beispielsweise für
die Idee der Demokratie, wie sie in Europa besteht, be-
geistern, wenn die meisten wissen, dass die reichsten
Länder an ihrem Hunger auch noch verdienen? Deshalb
erneuern wir unsere Forderung, dass Spekulationen mit
Nahrungsgütern verboten gehören.


(Beifall bei der LINKEN)


In Ihrem Etat stellt naturgemäß die GAK das größte
Förderprogramm dar. Ich will das erklären. Es handelt
sich hier um die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung
der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“, die in be-
sonderem Maße im Osten der Republik von Bedeutung
ist.

Ich will hier, wie an anderer Stelle auch, auf ein Pro-
blem hinweisen, das wir im Jahre 2014 haben, weil wir
für den Vollzug des Etats, den wir ja erst im Sommer be-
schlossen haben, quasi nur drei Monate zur Verfügung
haben. Wir erwarten schon, dass die vom Parlament be-
schlossenen Mittel vom Bundesfinanzminister zum
Schluss nicht wieder für die berühmte „schwarze Null“
einkassiert werden, sondern dass diese Mittel auch tat-
sächlich ausgegeben und für das verwendet werden, wo-
für sie gedacht sind.


(Beifall bei der LINKEN)


Man muss auch darauf verweisen – darüber werden
wir heute am späten Nachmittag noch reden –, dass die
Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur
und des Küstenschutzes“ bisher der einzig relevante
Haushaltsposten für die Bewältigung der Aufgaben im
Hochwasserschutz ist. Wir werden darüber zu diskutie-
ren haben, dass wir noch immer kein umfassendes natio-
nales Konzept für den Hochwasserschutz haben. Aber
die Flüsse halten sich nicht an Verwaltungsgrenzen. Des-
halb müssen wir auch über den Etat hinweg und nicht
nur im Rahmen des Einzelplans 10 Vorsorge treffen, um
dieser Aufgabe künftig gerecht zu werden. Wir werden
mit Ministerin Hendricks darüber reden. Aber solange
sie als Umweltministerin sich ausschließlich auf die Mit-
tel aus dem Agrarressort zurückziehen kann, ist es natür-
lich ein bisschen wie in dem derben spanischen Sprich-
wort: „Auf fremdem Arsch ist gut durchs Feuer reiten“.

Wir finden es in Ordnung, dass die Forschungsinsti-
tute unterstützt werden. Aber auch hier gilt natürlich:
Nicht die Ausgabenmasse zählt, sondern das Ergebnis.
Aber da sind wir, das sage ich ausdrücklich, zuversicht-
lich.

Die Linke wird sich, wie Sie es schon kennen, dafür
einsetzen, Chancengleichheit für Agrarbetriebe im Osten
der Republik einzufordern. Diese Chancengleichheit
wird natürlich im Zuge der Gemeinsamen Agrarpolitik
der EU auf eine, so will ich einmal sagen, ernste Belas-
tungsprobe gestellt. Dazu kommen eine nicht hinzuneh-
mende Explosion bei den Bodenpreisen und die Rolle
der bundeseigenen Bodenverwertungs- und -verwal-
tungsgesellschaft, die auch wir skandalös finden. Lassen
Sie sich das so gesagt sein.

Sie haben jetzt angekündigt, ein Bundesprogramm für
den ländlichen Raum aufzulegen. Das mag in Ordnung
gehen. Denn es geht schließlich darum, dem ländlichen
Raum mehr politisches Gewicht zu geben. Das wird aber
auch bedeuten, neue Entwicklungspfade zu denken. Wer
immer nur die Forderung aufstellt, dass alles so bleiben
muss, wie es gegenwärtig ist, wird nicht zukunftsfähig
sein. Wir wollen so etwas wie ein regionales Gemeinwe-
sen organisieren. Dafür gibt es gerade in ausgedünnten
ostdeutschen Regionen zwar noch sehr wenige, aber her-
vorragende Beispiele. Ich denke etwa daran, dass ein
Sparkassenbus über die Dörfer fährt, dass in diesem Bus
eine Gemeindeschwester anwesend ist, dass dort ein
Bürgerservice aus der Verwaltung angeboten wird und
dass die Menschen diese Angebote natürlich nutzen kön-
nen. Bisher sind wir da aber nur bei wenigen, noch nicht
vernetzten und gar nicht komplexen Ansätzen angelangt.

Herr Minister, ich muss Sie zum Schluss noch fragen:
Wie war Ihr Morgenapfel heute? Ich frage das deshalb,
weil in der Zeitung stand, Sie hätten einen Aufruf unter
dem Motto „Sie sollten essen, ich sollte essen, wir soll-
ten essen“ gestartet. Gemeint war, Äpfel gegen Putins
Embargo zu essen, also ein Schritt vom Ich zum Wir,
Herr Minister; das haben wir wahrgenommen. Wenn Sie
das konsequent fortsetzen würden, dann müssten Sie
hier auch die Frage beantworten, die wir Ihnen stellen:


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Jeden Mittwoch einen Korb Äpfel im Haushaltsausschuss!)


Wann wird beim Oktoberfest in München auf Apfel-
schorle umgestellt? Das müssen auch Sie als Franke aus-
halten können.





Roland Claus


(A) (C)



(D)(B)


(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das mit der Apfelschorle wird schwierig!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805111900

Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege

Dr. Wilhelm Priesmeier das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD):
Rede ID: ID1805112000

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Claus,
zunächst einmal: Es könnte sein, dass die Bayern auf
Apfelschorle umstellen, wenn irgendwann die Linke in
Bayern regiert.


(Roland Claus [DIE LINKE]: Gute Idee!)


Aber das halte ich für ziemlich unwahrscheinlich.


(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für die SPD ist es aber auch nicht so wahrscheinlich! – Roland Claus [DIE LINKE]: Aber wir müssen auch Visionen haben!)


Insofern ist die Prognose, was die Verwertung von Äp-
feln angeht, nur von eingeschränkter Aussagekraft.

Ich darf mich beim Haus für den vorliegenden Ge-
setzentwurf bedanken. Der Minister hat es eben schon
gesagt: Es gilt das Struck’sche Gesetz. – Insofern sehe
ich: Es ist an den Abgeordneten, diesen Bundeshaushalt
in verschiedenen Bereichen ganz entscheidend mitzuprä-
gen.

Wir leisten mit dem Haushalt zum Einzelplan 10 na-
türlich einen Beitrag zu einem ausgeglichenen Bundes-
haushalt. Das ist jedem klar. Die Ansprüche werden
nicht ins Uferlose wachsen. So wie ich diesen Haushalt
einschätze, ist er, wie alle Haushalte in der Vergangen-
heit, geprägt durch die Ausgaben für die agrarsoziale
Sicherung. Fast 70 Prozent dieses Haushaltes, 3,7 Mil-
liarden Euro von 5,3 Milliarden Euro, sind für die agrar-
soziale Sicherung zu veranschlagen. Insofern ist es de
facto fast ein Sozialhaushalt, den wir hier haben. Aber
wir müssen uns natürlich auch Gedanken machen über
das damit finanzierte System, darüber, wie wir dieses
System zukunftsfest erhalten können oder welche Alter-
native es dazu gibt. Bei einer Defizitabdeckung von
70 Prozent für die landwirtschaftlichen Altersrenten
sehe ich in Zukunft Probleme auf uns zukommen, die
wir zu lösen haben. Mit der Schaffung eines einheitli-
chen Bundesträgers alleine wird es nicht getan sein.

Wir müssen auf der Basis des Berichts von 2013 er-
kennen, dass von den an sich Versicherungspflichtigen
238 000 befreit sind und 236 000 Beiträge bezahlen. Das
macht deutlich, dass ein gewisser Entsolidarisierungsef-
fekt bei der landwirtschaftlichen Sozialversicherung
gegeben ist. Wir müssen versuchen, dem entgegenzuwir-
ken, und uns über adäquate Maßnahmen oder Alternati-
ven Gedanken machen.

Das, was wir mit diesem System erreicht haben, sind
wettbewerbsfähige Strukturen. Über die vergangenen
Jahrzehnte sind diese wettbewerbsfähigen Strukturen ge-
wachsen. Wir Sozialdemokraten bekennen uns zu dem
Strukturwandel in der Landwirtschaft und dazu, dass Be-
triebe wettbewerbsfähig sein sollen und Perspektiven in
der Zukunft haben müssen.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. FranzJosef Holzenkamp [CDU/CSU])


Daher finden wir es nicht mehr zeitgemäß, jeden zu
zwingen, seinen Betrieb abzugeben, um in den Genuss
der Rente zu kommen. Das ist eine Sonderregelung, die
in keinem anderen Bereich der Rentenversicherung gilt.
Ich glaube, diese Regelung ist auch wenig zukunftsfähig.
Gerade wenn wir von älteren Menschen erwarten, dass
sie weiterhin aktiv bleiben, sollten wir das auch Land-
wirten nicht verwehren. Das ist in der Regel ein Problem
der kleineren Betriebe. Zwei Drittel der Betriebe haben
keinen Hofnachfolger; im Regelfall sind das, wie gesagt,
kleinere Betriebe. Auch diesen Betrieben sollte man die
Möglichkeit geben, in dem Maße, wie sie es für richtig
halten, weiter Einkommen aus landwirtschaftlicher Tä-
tigkeit zu erwirtschaften.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf verstän-
digt, die Reform der agrarsozialen Sicherung intensiv zu
begleiten und die Hofabgabeklausel neu zu gestalten.
Dazu werden wir jetzt einen Beitrag leisten und für die
Novellierung des § 11 ALG einen konkreten Vorschlag
vorlegen und diesen parallel zum Haushalt mit den Kol-
legen von der CDU/CSU beraten, wenn es sich von der
zeitlichen Abfolge so ergeben sollte.

Letzte Woche war ich in einem Betrieb in der Nähe
von Bielefeld. Dort habe ich jemanden getroffen, der aus
Überzeugung Landwirt ist. Er ist 77 Jahre alt und bewirt-
schaftet zusammen mit seiner Frau 30 Hektar. Er melkt
noch 12 Kühe. Warum sollen wir diesem Mann verweh-
ren, der keine Nachkommen hat, die für die Übernahme
des Betriebes infrage kommen, seinen Betrieb weiter zu
bewirtschaften? Jeder Handwerksmeister darf seinen Be-
trieb weiterführen und gleichzeitig Rente beziehen. Je-
der, der in anderen Versicherungssystemen versichert
war, darf seinen Betrieb weiterführen. Dort ist nicht das
Erfordernis der Agrarstruktur Grundlage für den Bezug
der Rente, die man aus einem anderen System erhält. Ich
glaube, wir müssen uns in diesem Zusammenhang ein
bisschen bewegen. Ich erkenne auch beim Koalitions-
partner den Willen dazu. Deshalb setze ich darauf, dass
wir in den nächsten Wochen und Monaten zu einer ver-
nünftigen und einvernehmlichen Regelung kommen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


– Ich sehe, dass der Kollege Holzenkamp klatscht. Das
steigert meine Zuversicht ungemein.

Ein weiterer wichtiger Punkt in dem Haushaltsent-
wurf sind die Eiweißpflanzenstrategie und der ökologi-





Dr. Wilhelm Priesmeier


(A) (C)



(D)(B)

sche Landbau. Die Eiweißpflanzenstrategie war uns So-
zialdemokraten vor allem im Haushaltsentwurf 2014
wichtig. Aus diesem Grunde sehen wir mit besonderer
Sympathie, dass dieser Betrag im jetzigen Entwurf auf
4 Millionen Euro aufwächst. Wir müssen schauen, ob es
für die Zukunft ausreichend ist oder ob wir in den weite-
ren Haushaltsjahren etwas drauflegen müssen; denn ge-
rade dieser Bereich ist wichtig.Wenn wir importiertes Ei-
weiß durch heimisches Eiweiß ersetzen können, dann
steigert das die Wertschöpfung der Betriebe im ländli-
chen Raum. Diese Chance sollten wir nutzen.

Deutschland ist der größte Markt Europas für Biole-
bensmittel. Auch darüber sollten wir uns Gedanken ma-
chen, vor allen Dingen, was den Ökolandbau und das
„Bundesprogramm Ökologischer Landbau“ betrifft. Ich
sehe noch Möglichkeiten, den entsprechenden Ansatz
vielleicht zu verstärken. Darüber werden wir uns unter-
halten müssen. Es geht auch um ein klares Signal an die
Betriebe, die sich dem ökologischen Landbau widmen
und dort ihr Erwerbseinkommen erzielen. Ich glaube,
dass diese Betriebe Unterstützung brauchen; denn die Si-
tuation in vielen Betrieben ist zum gegenwärtigen Zeit-
punkt nicht besonders günstig.

Das waren Initiativen, die wir in besonderer Weise
aufgreifen – neben dem, was Kollege Claus in Bezug auf
die Finanzierung des Hochwasserschutzes eingefordert
hat. Ich verweise auf den Maßgabebeschluss des Haus-
haltsausschusses vom 5. Juni dieses Jahres, der vorsieht,
dass die Maßnahmen, die eventuell im Oktober von der
Bund-Länder-Kommission vorgeschlagen werden, zeit-
nah im Bundeshaushalt abgebildet werden sollen, mit ei-
niger Wahrscheinlichkeit in der GAK; ich setze darauf.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805112100

Kollege Priesmeier, achten Sie bitte auf die Zeit.


Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD):
Rede ID: ID1805112200

Ich wünsche mir auch dazu großes Einvernehmen

hier im Hause, damit wir das umsetzen können.

Vielen Dank, meine Kolleginnen und Kollegen, liebe
Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805112300

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kol-

legin Nicole Maisch das Wort.


Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1805112400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Minister Schmidt, ich habe mich sehr über die lo-
benden Worte gewundert, die Sie für den scheidenden
Agrarkommissar Dacian Ciolos gefunden haben.


(Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Ja, so sind wir!)


Immerhin war es doch Ihre Vorgängerin, Frau Aigner,
die das Greening, die Begrünung der Agrarpolitik, in
Brüssel zerschossen hat.

(Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Nein! Wir wollten es richtig machen!)


Da hat mich dieses Lob doch schon sehr gewundert.
Aber das passt ganz gut zu den Worten von Herrn
Priesmeier, der eben gesagt hat: Wir als Sozialdemokra-
ten stehen für Wachsen und Weichen, wir stehen zum
Strukturwandel. – Da hat sich in der Großen Koalition
offensichtlich gefunden, was zusammengehört.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])


Meine Damen und Herren, der Kollege Claus hat uns
schon über die Nebenaußenpolitik mit Obst informiert,
die der Minister im Zuge der Ukraine-Krise betreibt. Ich
fand es ganz interessant, dass uns dieser Minister jetzt,
nachdem er sieben Monate weitestgehend im politischen
Untergrund verbracht hat, zum Obstessen als erste Bür-
gerpflicht aufgerufen hat. „An apple a day keeps the
Putin away“ – damit, Herr Minister, haben Sie es zu
Recht in die Satiremagazine der Republik geschafft.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – FranzJosef Holzenkamp [CDU/CSU]: Ihr seid doch nur neidisch!)


Ich denke, dass wir alle mehr davon hätten, wenn Sie
sich als Ernährungs- und nicht nur als Exportminister
verstehen würden,


(Marlene Mortler [CDU/CSU]: Das eine schließt ja das andere nicht aus!)


wenn Sie mehr dafür tun würden, dass unsere Kinder in
Schulen und Kitas gesundes und leckeres Essen bekom-
men, und wenn Sie Obst nicht als Instrument einer frag-
würdigen Nebenaußenpolitik, sondern als Mittel der Ge-
sundheitsförderung für die Jungs und Mädchen in
unseren Kindertagesstätten betrachten würden.

Ihr Kollege Herr Müller spricht schon seit Jahren da-
von, dass Deutschland in Sachen Schulverpflegung ein
„Dritte-Welt-Land“ ist, und der Mann hat leider recht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE])


Nur jedes dritte Kindergartenkind und auch ungefähr je-
des dritte Schulkind bekommt ein Essen, das den Stan-
dards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung genügt.
Zu süß, zu fett, zu wenig Obst, zu wenig Gemüse – das
ist ein Armutszeugnis, ein Armutszeugnis für die Ess-
kultur in diesem Land und auch für Sie als Ernährungs-
minister.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich bin gespannt auf die Studie, die Sie uns im No-
vember präsentieren werden; aber ich glaube, dass wir
dann nur noch einmal aufgetischt bekommen, was wir
längst wissen: Die Situation ist schlecht, der Handlungs-
bedarf ist groß. Angesichts dieser Lage frage ich mich,
warum Sie das Portemonnaie für die Vernetzungsstellen
Schulverpflegung in absehbarer Zeit schließen wollen.
Diese Koalition will die Finanzierung der Schulvernet-





Nicole Maisch


(A) (C)



(D)(B)

zungsstellen auslaufen lassen, obwohl sie erfolgreich für
besseres Essen in unseren Schulen arbeiten. „An apple a
day“? – „No milk today“, das wäre die passendere Be-
schreibung für die CSU-Ernährungspolitik der letzten
Jahre, wenn es um Kinder in Schulen und Kindertages-
stätten geht.

Was in Ihrem Haushalt weiter steigt, sind natürlich
die Mittel für die Exportförderung. Billigfleisch aus
deutscher Massentierhaltung für die ganze Welt, insbe-
sondere für Russland, egal, was die ökologischen und
sozialen Folgen sind – das ist Ihre Agrarpolitik. Ich
glaube, damit können sich die meisten Menschen in die-
sem Land heute nicht mehr identifizieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich möchte einen Agrarminister, der sich nicht als erster
Handelsvertreter für deutsches Fleisch sieht, sondern der
hinsichtlich des Handels eher darauf setzt, dass im Rah-
men von CETA und TTIP, der Freihandelsabkommen,
der Freihandel nicht zum Freifahrtschein wird für giftige
Kosmetik, für Fleisch von geklonten Tieren und für Gen-
technik in unserem Essen. Hier habe ich von dem Agrar-
minister bisher nur Beschwichtigungen gehört, und das
reicht mir nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Ein Blick auf die Homepage des Ministeriums ist im-
mer lehrreich und unterhaltsam. Dort kann man nämlich
sehen, was der Minister den ganzen Tag lang in seinem
Ministerium und im Land so macht: Er streichelt Bienen,
er bringt brasilianischen Grassamen auf deutschen Fuß-
ballplätzen aus, und er hat letztes Wochenende zum ers-
ten Mal einen Tierschutzpreis für einen tierfreundliche-
ren Umgang mit Sportpferden verliehen. Er hat nämlich
Folgendes festgestellt – Zitat –:

Bisweilen sind auf dem Vorbereitungsplatz nicht
pferdefreundliche Praktiken zu beobachten.

Aha. Dafür wird jetzt ein Preis verliehen. Das ist Tier-
schutz à la CSU. Anstatt sich wirklich mit den Lobbys
anzulegen, gibt es Schleifchen für die, die es ein biss-
chen besser machen. Ich sage Ihnen: Wenn Ihnen Pferde
wirklich am Herzen liegen, dann verbieten Sie doch end-
lich, dass man Pferden ein glühendes Eisen auf den Hin-
tern drückt, dass man Verbrennungen dritten Grades an
Fohlen vornimmt.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das glauben Sie doch selber nicht, was Sie da sagen! – Johannes Röring [CDU/CSU]: Damit Sie Ihre Lobbys befriedigen?)


Das – und nicht dieses komische Lobespreiszeichen –
wäre wirkliche Tierschutzpolitik.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Ich finde, wir können uns kurz einmal zurückerinnern
– zumal hier offensichtlich Emotionen aufkommen –:
Sie waren sich nicht zu schade dafür, einen Schönheits-
arzt und Humanmediziner zu dieser Frage, zum Verkoh-
len von Pferdehintern, bei der Anhörung hier im Deut-
schen Bundestag auflaufen zu lassen. Ich finde, die SPD,
die sich den Tierschutz ja auch auf die Fahnen geschrie-
ben hat, müsste es in dieser Legislaturperiode wenigs-
tens zustande bringen, dass der Schenkelbrand, diese
Folter von Pferden, aufhört.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Johannes Röring [CDU/CSU]: Die Verbotspolitik der Grünen! Aber von Freiheit reden!)


Da bei Ihnen offensichtlich Nachholbedarf besteht
hinsichtlich der Frage, was man im Tierschutzbereich al-
les machen kann, empfehle ich Ihnen einen Blick in die
Bundesländer. Bei den Landesregierungen gibt es die
unterschiedlichsten Farbkombinationen, unter anderem
Schwarz-Grün: In Hessen fängt man an, mit der Häckse-
lung, der Massentötung von männlichen Küken, Schluss
zu machen. Ich finde, daran könnten Sie sich ein Bei-
spiel nehmen: Machen Sie Schluss mit Schnabelver-
stümmelungen bei Puten, machen Sie Schluss mit Am-
putationen bei Mastschweinen, machen Sie Schluss mit
den Massentötungen von männlichen Küken! Das wäre
eine Tierschutzpolitik, die einer Partei, die sich selbst
immer wieder als wertkonservativ bezeichnet, gut zu
Gesicht stünde.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich muss Ihnen sagen: Mich stört es sehr, dass die Bi-
lanz dieser Regierung beim Thema Tierschutz so dürr ist
wie der Wikipedia-Eintrag des Ministers. Dort steht un-
ter der Überschrift „Minister“ Folgendes:

Am 17. Februar 2014 trat Schmidt die Nachfolge
von Hans-Peter Friedrich als Bundesminister für
Ernährung und Landwirtschaft an.

Zitat Ende, Eintrag Ende. Das scheint mir ziemlich we-
nig. Sie haben in Ihrer Rede über Nudges gesprochen,
über Schubse. Ich finde, Sie brauchen einen Schubs, hin
zu einer besseren Agrarpolitik und zu mehr Tierschutz.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805112500

Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Johannes

Röring das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Röring (CDU):
Rede ID: ID1805112600

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister

Schmidt! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen!
Landwirtschaft in Deutschland ist eine Erfolgsge-
schichte. 270 000 Betriebe, rund 90 Prozent davon fami-
liengeführt, ackern und arbeiten für uns. Nie waren Le-
bensmittel so wertvoll und hochwertig und so bezahlbar
wie heute.


(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: So billig!)






Johannes Röring


(A) (C)



(D)(B)

Wir haben die Getreideernte 2014 gerade abgeschlos-
sen. Die deutschen Bauern haben eine Rekordernte ein-
gefahren, in einigen Regionen unter schwierigsten Be-
dingungen. Hätten wir nicht diese tolle Landtechnik,
hätten wir vieles nicht ernten können. Ich sage Ihnen
sehr deutlich, wenn wir über Nahrungsmittelspekulatio-
nen sprechen: Die beste Antwort auf Spekulationen sind
gute Ernten. Sie sichern die Versorgung der Menschen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Deswegen sollten wir alle froh sein, dass wir so eine
gute Ernte hatten.

In diesem Zusammenhang erinnere ich wieder daran,
wie wichtig es ist, dass wir über ausreichend Lebensmit-
telerzeugungsflächen verfügen. Wenn davon pro Tag
74 Hektar verloren gehen, dann ist das eindeutig zu viel.
Dieses Thema haben wir im Koalitionsvertrag aufgegrif-
fen. Wir packen das an, und wir werden Lösungen fin-
den. Ich persönlich bin – das sage ich Ihnen sehr deutlich –
nicht eher zufrieden, bis wir unsere Acker- und Grün-
landflächen genauso wie den deutschen Wald unter
Schutz stellen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die deutsche Landwirtschaft ist natürlich von den
Sanktionen gegen Russland betroffen. Russland hat als
Reaktion auf die Sanktionen die Einfuhr von vielen Le-
bensmitteln ausgeschlossen. Es ist schon bemerkens-
wert, dass Lebensmittel hier als Mittel der Auseinander-
setzung gewählt werden. Ich kann Ihnen sagen: Es ist
gut, dass Deutschland von Lebensmitteln nicht so abhän-
gig ist wie von Gas. Es ist wichtig, dass wir in dem
Sinne eine starke Landwirtschaft haben. Wir sind zwar
der zweitgrößte Importeur von Lebensmitteln auf der
Erde, aber auch der drittgrößte Exporteur. Insofern findet
an der Stelle Handel statt.

Ich glaube, es ist gut, dass der Bundeslandwirtschafts-
minister deutlich gesagt hat, dass die russischen Ver-
braucher am Ende die Hauptleidtragenden sind. Sie zah-
len sehr hohe Preise für Nahrungsmittel, wobei sie über
wesentlich weniger Einkommen verfügen als unsere
Verbraucher. Umso wichtiger im Hinblick auch auf diese
Sanktionen sind natürlich die anderen Märkte. Unser
Hauptmarkt ist der Markt vor Ort, sind unsere Verbrau-
cher in Deutschland, die 80 Millionen Menschen, die wir
täglich gern und sicher versorgen wollen. Auch der euro-
päische Markt ist für uns wichtig. Ich bin Minister
Schmidt für sein Bekenntnis zu den Exportmärkten au-
ßerordentlich dankbar.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Peter Bleser ist im Moment in Peking unterwegs und
treibt die Errichtung des deutsch-chinesischen Agrarzen-
trums voran.


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch auch eine Abhängigkeit!)


Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass wir bei
der Exportförderung nicht über Exporterstattung
sprechen, sondern über Handelserleichterungen, zum
Beispiel Veterinärabkommen. Auch da bin ich den Haus-
hältern dankbar, dass wir zusätzliche Stellen bekommen,
um das alles zu schaffen.

Um die gleichen Dinge geht es auch bei CETA und
TTIP, den Handelsabkommen mit Kanada und den Ver-
einigten Staaten. Absatzmärkte für unsere hochwertigen
Erzeugnisse, Autos, Maschinen, Anlagen und auch Nah-
rungsmittel, sind wichtig für unsere Wirtschaft. Ich er-
warte von der Europäischen Union robuste Verhandlun-
gen im Sinne unserer Verbraucher, aber auch unserer
Wirtschaft. Eine Exportnation wie Deutschland ist auf
gute Rahmenbedingungen im Handel angewiesen.

Diese Abkommen beinhalten aus meiner Sicht viele
Vorteile, vor allen Dingen auch für unseren Mittelstand.
Ich sage Ihnen sehr deutlich: An der deutschen Land-
wirtschaft werden diese Abkommen nicht scheitern. Wir
wollen Chancen nutzen und Standards schützen. Diese
Abkommen bieten auch die Chance einer allgemeinen
Standarderhöhung. Deswegen brauchen wir gerade auch
bei TTIP und CETA eine sachliche Debatte, die sich mit
den Chancen, aber auch den Risiken beschäftigt.


(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Weg mit ISDS!)


Ich glaube – dies muss man deutlich sagen –, dass dies
auch für andere Themenfelder gilt. Organisationen, die
ihr Geschäft mit den Ängsten der Bevölkerung machen,
sind bei solchen Diskussionen fehl am Platz.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Landwirte genießen in Deutschland ein hohes Anse-
hen. Das belegen Umfragen immer wieder. Aber es
herrscht allgemeine Skepsis gegenüber moderner Le-
bensmittelerzeugung auf dem Acker und im Stall.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Warum denn?)


Wir von der CDU/CSU wollen eine sachliche Debatte
über die Tierhaltung. Dabei sage ich ganz deutlich: Es ist
vornehmlich Aufgabe der Wirtschaft, Dinge selbstkri-
tisch zu hinterfragen, Verbesserungen umzusetzen und
am Ende natürlich auch darüber aufzuklären.

Als gutes Beispiel nenne ich hier die Initiative Tier-
wohl. Hier haben sich zum ersten Mal – das müssen Sie
sich genau anschauen – Bauern, Verarbeiter und Handel
an einen Tisch gesetzt mit dem Ziel, noch mehr für den
Tierschutz in deutschen Ställen zu tun. Mit dem Ziel ist
es nicht getan. In diesem Fall ist auch ein Ergebnis dabei
herausgekommen, das dafür sorgt, dass die deutschen
Landwirte von dieser Entwicklung profitieren. Auch
dies ist zum ersten Mal so. Deswegen ist es eine völlig
neue Qualität der Zusammenarbeit. Mit dieser Initiative
– das sage ich sehr deutlich – wollen wir mit der Tierhal-
tung aus der Nische herauskommen und für alle Tiere et-
was tun. Es ist kein Label, kein Sonderprogramm und
auch nicht das 46. Markenfleischprogramm, sondern
eine Initiative, die allen Tieren in Deutschland zugute-
kommt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Jeannine Pflugradt [SPD])






Johannes Röring


(A) (C)



(D)(B)

Ich bin sehr froh, dass Minister Schmidt seine Tier-
wohloffensive, die er, wie im Koalitionsvertrag verein-
bart, gerade angekündigt hat, für einen ganzheitlichen
Ansatz nutzt; das ist auch im Haushalt erkennbar. Ich bin
der Überzeugung, dass wir nicht nur über Nutztiere,
sondern auch über Zoo-, Zirkus- und Heimtiere reden
sollten, also über die gesamte Palette der Themen inklu-
sive dem Welpenhandel und anderen Dingen, die ganz
wichtig sind. Diese Maßnahmen knüpfen nahtlos an
viele Regelungen an, die in der deutschen Tierhaltung
wichtig sind. Viele tun ja so, als würde das im rechts-
freien Raum geschehen. Wir haben aber einschlägige
Gesetze und Verordnungen en masse.


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber es passiert ja nichts bei Ihnen!)


Ich erinnere an das Tierschutzgesetz und das Arzneimit-
telgesetz, das sich in der Umsetzung befindet. Hier
haben wir ganz klare Signale gesetzt, nicht nur den Ein-
satz von Antibiotika, sondern vor allen Dingen auch die
Resistenzbildung stark zu reduzieren. Ich bin froh, dass
in diesen Haushalt für die nächsten drei Jahre 21 Millio-
nen Euro allein für die Förderung von Modell- und De-
monstrationsvorhaben eingestellt worden sind.

Ich glaube, wir müssen fernab von den Elfenbeintür-
men der Theorie praxisgerechte Maßnahmen weiterent-
wickeln, die den Bauern helfen. Am Ende lautet das
Motto nämlich: Diese Entwicklung geht nur mit den
Bauern, mit den Tierhaltern. Deswegen finde ich es rich-
tig, auf diese Art und Weise vorzugehen. Verbote und
Anfeindungen helfen da überhaupt nicht weiter. Ich
spreche an dieser Stelle ganz deutlich für die deutschen
Bauern, die sich zum Ziel gesetzt haben, in ihren Ställen
gesunde Tiere zu haben, um gesunde Lebensmittel ver-
kaufen zu können.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Bauernfamilien, meine Damen und Herren, können
ihre Höfe nicht ins Ausland verlagern, sondern sind
standortgebunden, müssen sich aber trotzdem dem Wett-
bewerb stellen. Deshalb sage ich ganz deutlich: Bei allen
Verbesserungen muss immer auch der Gesichtspunkt der
Wettbewerbsfähigkeit im Auge behalten werden. An
einigen Stellen müssen wir die Kirche im Dorf lassen.
Was nützen uns die besten Innovationen, wenn die Flei-
scherzeugung ins Ausland verlagert wird, wo die Stan-
dards, wie wir alle wissen, mit Sicherheit nicht genauso
hoch sind wie bei uns?

Wir von der CDU/CSU – das gilt aber auch für die
Koalition insgesamt; das haben wir gerade vom Kolle-
gen Priesmeier gehört – bekennen uns zur Vielfalt unse-
rer Landwirtschaft mit all ihren Bewirtschaftungsformen
und Betriebsgrößen. Wir wollen eine wettbewerbsfähige
Landwirtschaftsstruktur in Deutschland. Eine verbotsge-
steuerte Agrarpolitik lehnen wir gerade in Anbetracht
unserer mittelständischen Strukturen entschieden ab.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Überzogene Auflagen und Verbote schrecken nämlich
zunehmend junge Menschen ab, den elterlichen Betrieb
zu übernehmen. Unser Leitbild ist die bäuerlich-unter-
nehmerische Landwirtschaft. Die große Mehrheit der
Bauern in Deutschland wirtschaftet so. Das soll auch so
bleiben.

Bauernfamilien sind zur Selbstkritik bereit und stehen
auch Änderungen offen gegenüber. Jedoch sind wir alle
entsetzt über illegale Stalleinbrüche militanter Aktivsten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Mit teils gefälschten Bildern wird ein Zerrbild der Land-
wirtschaft in öffentlich-rechtlichen Sendern verbreitet.
Das ist der Nährboden – das ist meine Sorge – für
Rechtsbrüche wie Brandstiftung in Ställen – das alles hat
es schon gegeben – und Mobbing von Bauernkindern in
Schulen. Ich möchte an die Kritiker der Landwirtschaft
appellieren, fair und gewaltfrei über dieses Thema zu
diskutieren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Landwirtschaft zukunftsfähig erhalten und sie auf
die Zukunft ausrichten, das ist unser Ziel. Der Bundes-
haushalt 2014 bietet dafür eine gute Grundlage. Ich
möchte abschließend Bundesminister Christian Schmidt
und all seinen Mitarbeitern für diesen Einzelplanentwurf
danken.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805112700

Für die Fraktion Die Linke hat die Kollegin Karin

Binder das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Karin Binder (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805112800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Minister, Ihr Haushaltsentwurf 2015 zementiert im
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
einen Stillstand. Ich sehe, dass drängende Themen nicht
angegangen werden. Schlimmer noch: Wichtige For-
schungsaufgaben stehen auf der Kippe, weil das Finanz-
ministerium die Mittel sogar rückwirkend für 2014
kürzt. Pflichtaufgaben wie Prävention werden dadurch
sogar gefährdet. An drei Punkten will ich das verdeutli-
chen.

Die Lebensmittelsicherheit ist mein erster Punkt. Wir
alle wissen: Bundesweit fehlen rund 3 000 amtliche Le-
bensmittelkontrolleure. Die Kontrollbehörden sind auf
Länder und Kommunen verteilt, sind zersplittert und
deshalb nicht schlagkräftig. Demgegenüber stehen glo-
balisierte Lebensmittelkonzerne, die unzulänglich kon-
trolliert ihre Zutaten weltweit zusammenkaufen. Zuneh-
mend werden Lebensmittel auch von Endverbrauchern
über das Internet bestellt.

In dieser Situation ist Deutschland nicht in der Lage,
geltendes EU-Recht zur Lebensmittelsicherheit wirksam
umzusetzen. Das hatte bereits ein Gutachten des Bun-
desrechnungshofs noch in der Amtszeit von Ministerin
Aigner festgestellt. Deshalb fordert die Linke seit Jah-





Karin Binder


(A) (C)



(D)(B)

ren, dass die Lebensmittelüberwachung großer Unter-
nehmen endlich auf den Bund übertragen wird. Außer-
dem ist unverzüglich eine Taskforce einzurichten. Um
den gesundheitlichen Verbraucherschutz sicherzustel-
len, muss Geld in die Hand genommen werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Der nächste Lebensmittelskandal kommt bestimmt. Herr
Minister, das müssen Sie Ihrem Kollegen Schäuble klar-
machen.

Mein zweites Thema ist die Ernährungsforschung.
Die Bundesregierung hat die gesunde Ernährung auf ihr
Schild gehoben – ich höre Ihre Worte wohl, Herr Minis-
ter, und freue mich, dass Ihnen dieses Thema wichtig zu
sein scheint – vor dem Hintergrund, dass in vielen Berei-
chen unserer Gesellschaft Fehl- und Mangelernährung
festzustellen ist, was auch wesentliche Auswirkungen
auf die Gesundheits- und Sozialversicherungssysteme
hat. Was sind die Ursachen falscher Ernährung? Wel-
chen Einfluss haben Medien auf die Ernährungsgewohn-
heiten gerade von Kindern? Wie wirkt sich die massive
Fast-Food- und Süßwarenwerbung aus? Auch das Euro-
päische Parlament und der Rat betonen, dass ausgewo-
gene Ernährung auf dem Rückzug ist. Grund seien – ich
zitiere – „moderne Ernährungstrends hin zu stark verar-
beiteten Nahrungsmitteln mit oftmals hohen Beimi-
schungen von Zucker, Salz und Fett“. Besonders betrof-
fen sind junge Menschen.

Ich frage Sie, Herr Minister: Wie sehen Ihre Maßnah-
men aus? Die Bundesregierung streicht die Mittel für das
Kompetenznetz Adipositas, das sich intensiv um Aufklä-
rung über die Ursachen und Folgen von Übergewicht
kümmert. Das Forschungsinstitut für Kinderernährung
braucht dringend eine Basisfinanzierung. Aber Sie
lassen die Einrichtung am ausgestreckten Arm verhun-
gern. 350 000 Euro wären nach Auskunft von Professor
Kersting, der Leiterin der Einrichtung, notwendig,
um dies zu sichern. Betroffen vom Kürzungsdiktat ist
auch die grundlegende Ernährungsforschung des Max-
Rubner-Instituts.

Wir möchten hier und jetzt von Ihnen die Garantie
haben, dass die Nationale Verzehrsstudie, wie geplant,
uneingeschränkt fortgeführt werden kann. Wir fordern
parallel dazu die Finanzierung einer weiteren, fast noch
wichtigeren Studie, die das Ernährungsverhalten von
Kindern und Jugendlichen eingehend beleuchtet. Wir
alle wissen: In der Kindheit erlerntes Essverhalten prägt
uns ein Leben lang. Da müssen wir ansetzen.

Ich komme zu meinem dritten Thema, zur Schul- und
Kitaverpflegung. Die Schul- und Kitaverpflegung in
Deutschland ist eine Katastrophe. Wenn überhaupt eine
warme Mittagsmahlzeit zur Verfügung steht, ist das
Essen einseitig, zu fett, zu süß oder zu salzig. Meist
werden die Kinder nicht einmal gefragt, was sie essen
mögen. Dabei besucht heute jedes dritte Kind ganztags
die Schule oder die Kita. Der Tenor in der CDU/CSU
dazu war bisher, der Bund sei nicht zuständig, das koste
zu viel, das Geld reiche nicht, die Verantwortung für eine
abwechslungsreiche, hochwertige Kita- und Schul-
verpflegung liege bei den Ländern, bei den Kommunen
oder letztlich bei den Eltern. Das ist zynisch, meine lie-
ben Kolleginnen und Kollegen. Arme Familien können
sich das Schulessen nicht leisten. Arme Familien gibt es
im reichen Deutschland aber immer mehr. Ernährung
und Ernährungsbildung ist ein Auftrag staatlicher Vor-
sorge.

Immerhin lässt die Bundesregierung inzwischen auf
nachdrückliche Aktivitäten der Linken hin die Situation
der Schulverpflegung in Deutschland untersuchen. Die
Studie soll im November vorgestellt werden. Sie wird
zeigen, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Sie
werden sich künftig nicht mehr vor der Verantwortung
drücken können, Mittel für Gegenmaßnahmen einzustel-
len.

Die Linke fordert eine unentgeltliche und hochwer-
tige Kita- und Schulverpflegung für alle Kinder und Ju-
gendlichen.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Finanzierung ist vom Bund sicherzustellen. Im
Haushalt 2015 würden dafür zunächst einmal 3 Milliar-
den Euro reichen. Das ist der Betrag, den der Bund statt-
dessen für die unsinnige Steuerentlastung von Dienst-
wagen zur Verfügung stellt. Es ist eine ganz einfache
Entscheidung: Schulessen statt S-Klasse!

Noch ein Wort zum Schulobstprogramm. Herr Minis-
ter Schmidt, Sie haben zugesagt, die Mittel aus der Eil-
verordnung zur Stützung der Obst- und Gemüsebauern
ins Schulobstprogramm zu leiten. Das ist schon einmal
ein guter Anfang. Ich hoffe, dass wir in dem Haushalt
noch ein paar weitere Schritte miteinander gehen kön-
nen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805112900

Für die SPD-Fraktion spricht die Kollegin Elvira

Drobinski-Weiß.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Elvira Drobinski-Weiß (SPD):
Rede ID: ID1805113000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr verehrte Damen und Herren auf den Zuschauerrän-
gen! „Genießt uns!“, diese Initiative wird Ihnen, liebe
Kolleginnen und Kollegen, morgen früh am Südausgang
des Reichstages einen Frühstückssnack überreichen mit
Lebensmitteln, die normalerweise weggeworfen würden.
Aber keine Sorge: Sie können sie ohne Bedenken ver-
zehren. Die Lebensmittel gehören zu den Lebensmitteln,
von denen bei uns leider so viele im Müll landen. Diese
Aktion soll darauf aufmerksam machen, dass allein in
Deutschland jedes Jahr 11 Millionen Tonnen Lebens-
mittel weggeworfen werden.

Was das mit dem Haushalt zu tun hat, fragen Sie sich?
Viel! Denn diese Aktion soll auch daran erinnern, dass
wir, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU,
schon 2012 fraktionsübergreifend beschlossen haben





Elvira Drobinski-Weiß


(A) (C)



(D)(B)

– vielleicht erinnern Sie sich daran; ich glaube, Herr
Röring war auch mit dabei –, etwas gegen diese Ver-
schwendung zu tun. Sie frisst so viele Ressourcen, kostet
Milliarden und trägt global zum Klimawandel wie zum
Hunger in der Welt bei.

Die von der ehemaligen Bundeslandwirtschaftsminis-
terin Aigner aufgesetzte Kampagne „Zu gut für die
Tonne“ war ein guter Start. Auch in diesem Jahr sind im
Budget des Ministeriums dafür 1 Million Euro vorgese-
hen. Die Mittel fließen bisher vor allem in die Verbrau-
cheraufklärung. Das ist sicherlich richtig und notwendig.
Ich finde aber, wenn wir diesem Problem – ich erinnere
noch einmal daran: bei uns werden pro Jahr 11 Millionen
Tonnen Lebensmittel weggeworfen – beikommen wol-
len, müssen wir verstärkt auch die anderen Teilnehmer
der Lebensmittelkette in die Verantwortung nehmen.

Wir, meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD-
Bundestagsfraktion, wollen uns daher in den Haushalts-
verhandlungen dafür einsetzen, dass ausreichend Mittel
für Studien zur Lebensmittelverschwendung in der
Landwirtschaft und in den anderen Teilen der Wert-
schöpfungskette zur Verfügung gestellt werden.


(Beifall bei der SPD)


Wir müssen wissen, wie viel wo warum weggeworfen
wird, um entsprechende Gegenmaßnahmen entwickeln
zu können. Die bisherigen Untersuchungen zu Handel,
Gastronomie und Industrie – alle, die schon etwas länger
dabei sind, kennen sie – sind nicht sehr hilfreich; das
will ich sagen, auch wenn der Kollege Holzenkamp da
etwas skeptisch guckt. Ihnen liegen nämlich keine
konkreten Messungen oder verlässliche Zahlen dieser
verschiedenen Branchen zugrunde. Die einzelnen Wirt-
schaftszweige verschweigen bisher, wie viel sie wirklich
wegwerfen. Daraus müssen wir selbstverständlich die
Konsequenzen ziehen. Wir brauchen Zielvorgaben für
die Wirtschaft. Wir müssen ein konkretes Abfallvermei-
dungsprogramm für alle Branchen entwickeln. Wir müs-
sen vorbildliche Projekte ganz konkret fördern und un-
terstützen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen – ich
erinnere Sie noch einmal daran –, haben wir schon 2012
in einem fraktionsübergreifenden Antrag geschrieben.
Sie wissen: Kurz vor Weihnachten macht sich so etwas
immer ganz besonders gut. Ich denke, liebe Kolleginnen
und Kollegen von der CDU/CSU, sehr geehrter Herr
Minister Schmidt, wir müssen jetzt endlich an die
Umsetzung dieser Forderung, die wir damals bereits for-
muliert haben, gehen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


„Zu gut für die Tonne“ darf sich nicht allein mit Ver-
brauchertipps begnügen. Für die Forschung und für ein
Programm gegen Lebensmittelverschwendung, das alle
Wirtschaftsbeteiligten einbindet, müssen wir entspre-
chende Mittel bereitstellen. Dafür wollen wir als SPD
uns in den Haushaltsverhandlungen starkmachen. Dem
beschämenden Ausmaß der Lebensmittelverschwendung
– ich sage es noch einmal: 11 Millionen Tonnen Lebens-
mittel pro Jahr – werden wir entschieden und konsequent
entgegentreten.
Ich möchte noch auf einen anderen Punkt eingehen:
16 Millionen Euro sind im Budget des Ernährungsminis-
teriums für die Information der Verbraucherinnen und
Verbraucher vorgesehen. Wir werden uns dafür einset-
zen, dass aus diesem Topf endlich eine Informations-
kampagne für das „Ohne Gentechnik“-Siegel finanziert
wird. Wie Sie wissen, lehnt die Mehrzahl der Verbrau-
cherinnen und Verbraucher Gentechnik im Essen ab. Das
freiwillige Siegel ist bisher leider die einzige Möglich-
keit, verlässlich Produkte zu erkennen, die ohne den Ein-
satz von GVO-verändertem Futter hergestellt worden
sind. Leider ist dies viel zu wenig bekannt. Natürlich ist
dies kein Ersatz für die verpflichtende Kennzeichnung
von Eiern, Milch oder Fleisch, bei denen gentechnisch
veränderte Futtermittel eingesetzt wurden. Wir kämpfen
weiterhin vehement für diese Kennzeichnung.

Das „Ohne Gentechnik“-Siegel haben wir bereits; das
habe ich schon erwähnt. Zahlreiche Produkte tragen es.
Allerdings ist das vorhandene Potenzial noch längst
nicht ausgeschöpft. Ich freue mich schon auf das verein-
barte Gespräch mit den Kolleginnen und Kollegen von
der CDU/CSU zu diesem Thema. Wir wollen das end-
lich ändern. Dafür brauchen wir eine gute und einschla-
gende Informationskampagne.

Sie hören es: Wir haben noch ein paar Baustellen. Auf
die anstehenden Diskussionen freue ich mich sehr.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805113100

Ich bedanke mich für die Rededisziplin; das muss

man ja einmal sagen. Am heutigen Tag ist das nicht ganz
selbstverständlich.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Das Wort hat der Kollege Harald Ebner für die Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen.


Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1805113200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen

und Kollegen! Herr Minister Schmidt, in der letzten Wo-
che war ich mit Kolleginnen und Kollegen des Agraraus-
schusses wegen der TTIP-Verhandlungen in den USA.
Dort habe ich eine Art Hochleistungsagrarindustrie
erlebt, die mit Gentechnik, mit Hormonen und mit Pestizi-
den durchrationalisiert Nahrungsmittel produziert. Mit un-
serer Agrarkultur hat das nur noch wenig zu tun. Bäuerli-
che Familienbetriebe, die Sie, Herr Minister, und ich aus
unserer Heimat kennen, haben in diesem Agrarmodell
keine Zukunft. Ihre Aufgabe wäre es, der bäuerlichen
ökologischen Landwirtschaft mit Ihrem Haushalt eine
Perspektive zu geben. Doch leider ist das Gegenteil der
Fall.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn wir bäuerliche Betriebe unterstützen wollen,
dann müssen wir in Innovationen investieren, die diesen
Betrieben Perspektiven eröffnen. Wenn Sie aber mit
Tierwohlprogrammen die Akzeptanz der Massentier-
haltung verbessern wollen, helfen Sie damit eben gerade





Harald Ebner


(A) (C)



(D)(B)

nicht den bäuerlichen Betrieben bei der Bewältigung der
Herausforderungen des Tierschutzes – diese brauchen
nämlich statt Imagewerbung konkrete Umbauhilfen –,
sondern deren Konkurrenz in großem Stil.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


„Gleiche Unterstützung für alle“ bedeutet im Klartext:
Freie Fahrt für den Strukturwandel. Damit fördern Sie
weiterhin die aktive Selbstabschaffung der bäuerlichen
Landwirtschaft. Wir haben vom Kollegen Priesmeier ge-
hört, dass die SPD das beschleunigen möchte. – Ein
Wort zur Hofabgabeklausel in diesem Zusammenhang:
Die gehört nicht modifiziert, sondern abgeschafft.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Minister, eine echte Stärkung der bäuerlichen
ökologischen Landwirtschaft fördert auch und vor allem
die ländlichen Räume, von denen Sie gesprochen haben.
Ja, Sie haben hier etwas aufgelegt – immerhin! Die Bun-
deskanzlerin hat aber im Frühjahr 2013 die EU-Förder-
mittel für die zweite Säule um 350 Millionen Euro pro
Jahr rasiert. Und jetzt präsentieren Sie uns ein Mini-
Bundesprogramm von 10 Millionen Euro als die Lö-
sung? Ihr Finanzminister holt sich das Geld wirklich
nicht bei der Bank. Er macht den ländlichen Raum „zur
Sau“, indem er ihn zum Sparschwein degradiert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von Abgeordneten der CDU/CSU: Oh! – Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Inhaltlich falsch!)


Allein unseren grünen Landesagrarministerinnen und -mi-
nistern ist es zu verdanken, dass die Förderung der länd-
lichen Räume eben nicht völlig eingebrochen ist, und
das gegen heftigste Widerstände – ich muss es leider
sagen – aus der Union.


(Alois Gerig [CDU/CSU]: Ganz falsch!)


Wo bleibt, Herr Minister, die von Ihrem Chef in Mün-
chen noch im letzten November mit großem Brimborium
versprochene Aufstockung der Mittel für die GAK um
200 Millionen Euro, um die Merkel’schen Kürzungen
aufzufangen? Inzwischen treibt Seehofer lieber eine
neue Sau durchs Dorf. Ich rufe Sie dazu auf, an der
Aufstockung von 200 Millionen Euro festzuhalten. Wir
jedenfalls werden sie beantragen; denn der ländliche
Raum und die nachhaltige Landwirtschaft haben das bit-
ter nötig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805113300

Kollege Ebner, gestatten Sie eine Frage oder Bemer-

kung aus der Unionsfraktion?


Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1805113400

Aber gerne doch. – Herr Kollege de Vries.


Kees de Vries (CDU):
Rede ID: ID1805113500

Lieber Herr Ebner, Sie haben gerade wieder den wun-

derbaren Begriff „Massentierhaltung“ in den Mund ge-
nommen. Ich möchte endlich von Ihnen wissen, was
Massentierhaltung eigentlich ist.


Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1805113600

Ich könnte auch „großmaßstäbliche Intensivtierhal-

tung“ sagen, dauert aber länger. Das ist es.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Was ist es denn? Eine Definition! Zehn Stück? Hundert Stück?)


– Nein. Schauen Sie nach Niedersachsen, schauen Sie
nach Brandenburg. Dort sind erhebliche Teile der Tier-
haltung nicht mehr an die Fläche gebunden. Erhebliche
Teile unserer Tierproduktion finden ohne eine Flächen-
bindung statt mit importiertem Futtermittel, das in gro-
ßen Teilen aus Südamerika stammt, beispielsweise Soja,
und zwar auf engem Raum und in großen Mengen.


(Alois Gerig [CDU/CSU]: Gar nicht!)


Die genaue Grenze zur Massentierhaltung kann man
nicht ziehen. Aber da fängt sie meiner Meinung nach an.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)


Natürlich spielt bei der ökologisch-nachhaltigen
Landwirtschaft und den Maßnahmen für den ländlichen
Raum auch der Ökolandbau eine zentrale Rolle. Trotz
der riesigen Nachfrage nach heimischen Bioprodukten


(Marlene Mortler [CDU/CSU]: Regionale Produkte sind in!)


gibt es von Ihnen keinen einzigen Cent mehr im Bundes-
programm „Ökolandbau und Sonstiges“. Noch schlim-
mer: Sie reservieren dieses Geld nicht einmal für den
Ökolandbau.


(Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Ihr kriegt doch mehr Geld!)


Das größte Hindernis für den Ökolandbau ist Ihre Agrar-
politik. Wer „Öko“ nach vorne bringen will, darf eben
nicht dieser Art von Agrarmodellen und dem Anbau von
Genmais den Weg freimachen, Herr Minister,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Marlene Mortler [CDU/CSU]: Wo wird Genmais angebaut?)


und er darf schon gar nicht zusehen – das ist mir beson-
ders wichtig –, wie mit dem neuen Kommissionsvor-
schlag für die EU-Öko-Verordnung das Grundprinzip
der Prozessqualität geschleift werden soll und Öko-
betriebe in ihrer Existenz gefährdet werden. Dieser Vor-
schlag gehört nicht in Ratsarbeitsgruppen, sondern in
den Papierkorb, Herr Minister. Dafür müssen Sie sorgen.

Was aber der Ökolandbau braucht, sind die Zweck-
bindung von 20 Prozent der Agrarforschungsmittel für
den Ökosektor und die Konzentration der Mittel im
Bundesprogramm auf den Ökolandbau. Beides werden
wir beantragen. Es ist gut, dass die SPD unseren Antrag
unterstützt, wie ich gehört habe.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)






Harald Ebner


(A) (C)



(D)(B)

Der Raiffeisenverband redet gerade den Untergang
des Agrarstandortes Deutschland herbei, weil den Be-
trieben angeblich die Pestizide ausgingen. Die großen
Agrarverbände fordern, bei der Zulassung von Pestizi-
den nicht mehr so genau auf ökologische und gesund-
heitliche Risiken zu achten. Genau das wollen manche
über das TTIP-Abkommen erreichen. Es darf aber, werte
Kolleginnen und Kollegen, keinen Nachlass beim
Umwelt- und Verbraucherschutz geben. Das Beispiel
Neonikotinoide beweist, welch massive Risiken auch in
modernen Pflanzenschutzmitteln verborgen sind. Die
EU fordert seit fünf Jahren, die Abhängigkeit von der
Verwendung von Pestiziden zu verringern. Aber dafür
haben Sie keinen Plan und erst recht kein Programm im
Haushalt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805113700

Kollege Ebner, ich weiß etwas, was Sie noch nicht

wissen: Ihre Uhr ist angehalten. Ich frage Sie, ob Ihnen
der Kollege Holzenkamp eine Frage stellen darf oder
eine Bemerkung machen kann.


Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1805113800

Ja.


Franz-Josef Holzenkamp (CDU):
Rede ID: ID1805113900

Verehrter Herr Kollege Ebner, ich will Ihnen nicht nur

die Chance geben, Ihre Redezeit zu verlängern. Mich in-
teressiert vielmehr Ihre Antwort auf eine Frage. Sie spre-
chen ausschließlich von der ökologischen Landwirt-
schaft. Was meinen Sie damit konkret? Sie reden
nämlich ausschließlich von Förderprogrammen für die-
sen Bereich.


(Zuruf des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Sind Sie der Meinung, dass wir die 80 Millionen Men-
schen in Deutschland ausschließlich mit der ökologi-
schen Landwirtschaft ernähren können? Sind Sie der
Meinung, dass sich die Menschen aus allen gesellschaft-
lichen Ebenen Produkte aus der ökologischen Landwirt-
schaft leisten können? Wie stellen Sie sich eine solche
Umsetzung ganz konkret vor?


Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1805114000

Lieber Kollege Holzenkamp, Sie selbst haben immer

noch in einigen Papieren stehen – das ist auch eine alte
Forderung des Rats für Nachhaltigkeit der Bundesregie-
rung –, dass der Ökolandbau in den nächsten Jahren auf
eine Zielgröße von 20 Prozent zu bringen sei. Wir kön-
nen uns darüber unterhalten, ob es mehr oder weniger
sein soll. Darüber spreche ich. Was müssen wir tun, da-
mit wir überhaupt auf diese Zielgröße kommen und in
der Lage sind, hier in diesem Land mit unseren bäuerli-
chen Betrieben die Nachfrage nach Biolebensmitteln zu
befriedigen? Das wäre schon einmal ein erster Schritt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass wir den Men-
schen hier im Land und weltweit natürlich die Wahlfrei-
heit lassen sollten, was sie essen wollen.


(Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Danke schön! Das hört sich gut an!)


Darin sind wir uns ganz bestimmt einig. Es gibt immer
mehr Menschen, die Ökolebensmittel essen wollen. Das
sollten wir ihnen auch ermöglichen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Zwangsbeglückung mit Massentierhaltung und Gentechnik!)


Vielleicht haben Sie es schon vergessen, Herr Minis-
ter, die Kollegin Drobinski-Weiß hat es zum Glück nicht
vergessen: Das BMEL ist auch für den gesundheitlichen
Verbraucherschutz verantwortlich. Gerade erst ist der
Minister auf der AMK mit seinem Plan krachend ge-
scheitert, die geplanten Gentechnikanbauverbote auf die
einzelnen Bundesländer herunterzubrechen und damit
das Chaos perfekt zu machen. Es ist gut so, dass er damit
gescheitert ist; denn statt den Türöffner für den Genmais
zu spielen, könnten Sie die Wahlfreiheit – Herr Kollege
Holzenkamp, da sind wir wieder beim Thema – stärken
und endlich das von Ihrem Haus entwickelte Qualitäts-
zeichen „Ohne Gentechnik“ einer breiteren Öffentlich-
keit bekannt machen.

Stattdessen sehen Sie weiter zu, wie den Verbrauche-
rinnen und Verbrauchern Fleisch- und Milchprodukte,
die auf Basis von Gentechnikfutter produziert worden
sind, ohne Kennzeichnung untergejubelt werden. Damit
muss Schluss sein. Statt in die genannte Exportförderung
sollten Sie die 2 Millionen Euro in das „Ohne Gentech-
nik“-Siegel investieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist sehr bedauerlich, dass Ihr Agrarhaushalt den
bäuerlichen Betrieben, der Umwelt und den Verbrau-
chern keine Zukunftsperspektive bietet. Das soll er auch
nicht, wenn ich den Kollegen Priesmeier richtig verstan-
den habe. Vermutlich dürfen Sie auch nicht anders ange-
sichts des TTIP-Abkommens mit den USA. Wir alle im
Saal wissen spätestens seit der Ifo-Studie, dass dieses
Abkommen auf Kosten unserer bäuerlichen Landwirt-
schaft geht. Der Kollege Röring hat gesagt: An der deut-
schen Landwirtschaft wird TTIP nicht scheitern.

Aber ich bin überzeugt: Wie es jetzt aussieht, wird die
deutsche bäuerliche Landwirtschaft an TTIP scheitern.
Ich rufe Sie auf, mit uns gemeinsam genau dieses zu ver-
hindern.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805114100

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun die Kollegin

Marlene Mortler.





Vizepräsidentin Petra Pau


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Marlene Mortler (CSU):
Rede ID: ID1805114200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Heute geht es nicht um Details der Agrarpolitik, um
Greening, um Gentechnik, um Düngeverordnung, heute
geht es ums Ganze. Wo kommen wir her, wo stehen wir,
und vor allem wo wollen wir hin? Es geht um die grund-
sätzliche Ausrichtung unserer Landwirtschaftspolitik,
und die spiegelt sich – herzlichen Dank, lieber Herr
Minister – in unserem Agrarhaushalt wider.

Sie alle wissen, dass der CSU die Landwirtschaft
besonders wichtig ist, dass sie uns am Herzen liegt. Viele
meiner Kolleginnen und Kollegen aus der Landesgruppe
kommen aus der Landwirtschaft, und auch ich habe
Landwirtschaft von der Pike auf erlernt und lebe und ar-
beite mit meiner Familie auf unserem Hof.

Gerade weil wir dicht an unseren Betrieben dran sind,
nehmen wir wahr und spüren wir, wie viele Bauern unter
immer neuen Anforderungen ächzen. Das beginnt bei
den Umweltstandards und setzt sich beim Mindestlohn
fort. Um es ganz klar zu sagen: Mit einem normalen
landwirtschaftlichen Familienbetrieb ist es heute viel
schwieriger, eine Familie zu ernähren, als eine Genera-
tion früher.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum denn?)


Ich stelle hier keine der bestehenden Regelungen und
Standards infrage, ich möchte nur festhalten, dass sich in
der Landwirtschaft in den letzten Jahrzehnten unglaub-
lich viel getan hat und dass der Aufwand, mit dem un-
sere Betriebe, also unsere Ernährer, gesellschaftlichen
Anforderungen nachkommen, enorm ist. Zugleich zei-
gen Umfragen, dass viele Verbraucherinnen und
Verbraucher nach wie vor der Meinung sind – auch die
Vorredner vonseiten der Opposition –, es gehe mit der
Qualität und der Sicherheit von Lebensmitteln eher
bergab – gegen jede Erfahrung, trotz weltweit höchster
Lebensmittelstandards und trotz dieses riesigen Aufwan-
des.

Es ist ja eine gute Nachricht, dass das Thema Ernäh-
rung heute so ernst genommen wird. Es sind auch gute
Nachrichten, dass für viele längst nicht nur der Preis von
Obst und Gemüse zählt, dass es den Konsumenten nicht
egal ist, wie es im Stall aussieht, dass es ihnen nicht egal
ist, was auf Tiertransporten geschieht, und es ihnen auch
nicht gleich ist, was ein Bauer auf seinem Acker macht,
was genau er anbaut, wie und womit er düngt, womit er
seine Pflanzen behandelt. Doch diese Besorgnis trägt
mitunter merkwürdige Früchte, weil das Gros der
Verbraucherinnen und Verbraucher heute nur noch eine
diffuse Vorstellung von dem hat, was auf einem Bauern-
hof wirklich geschieht. Wer weiß denn in einer hoch-
technisierten Welt noch, welche Kunst es ist, eine or-
dentliche Ernte einzufahren, und wo die eigentlichen
Herausforderungen in der Tierhaltung liegen? Jeder von
uns kennt die romantische Vorstellung, nur in einem
Kleinstbetrieb mit zehn Kühen und fünf Schweinen gehe
es den Tieren richtig gut, oder aber die Meinung, dass
das Gemüse im Bioladen um die Ecke am frischesten
sei. Ich habe wahrlich nichts gegen Bioläden – auch wir
verarbeiten in unserem Betrieb Produkte aus biologi-
schem Anbau –, aber verkürzen darf man diese Debatte
nicht.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe das
Gefühl, dass sich Landwirtschaft und Verbraucher in
Deutschland in den letzten Jahren voneinander entfernt
haben, und es ist eine der zentralen Aufgaben unserer
Agrarpolitik, aber auch der Landwirte selber, hieran et-
was zu ändern bzw. im positiven Sinne zu verbessern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir sollten auch einen Moment darüber nachdenken,
wie wir selbst dazu beigetragen haben, auch hier im
Haus. Natürlich weiß jeder, dass er viel Applaus be-
kommt, wenn er etwa pauschal gegen Pflanzenschutz-
mittel wettert – Sie, Frau Maisch, haben genug Beispiele
gebracht –,


(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Über Pflanzenschutzmittel? Kein Wort!)


obwohl doch ein verantwortungsvoller Einsatz nicht nur
die Existenz vieler Betriebe sichert,


(Beifall des Abg. Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU])


sondern auch dazu beiträgt, Flächen effizient und spar-
sam zu nutzen, um am Ende unsere eigene Versorgung
zu sichern.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das Gleiche ist der Fall, wenn man in der Tierwohl-
debatte einfach pauschal die Tierhaltung geißelt.


(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder pauschal die Grünen geißelt!)


Glauben Sie mir: Ich halte wenig von Megaställen, von
riesigen Mastbetrieben, aber ich erkenne auch, dass es
zwischen Betriebsgröße und Tierwohl erst einmal keinen
Zusammenhang gibt.


(Dieter Stier [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Meine Damen und Herren, wir sind es unseren Bäue-
rinnen und Bauern und genauso uns allen als Verbrau-
cherinnen und Verbrauchern schuldig, sachlicher, fun-
dierter und vorurteilsfreier über unsere Erwartungen an
die Landwirtschaft zu sprechen.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können doch die Fakten nicht ignorieren!)


Lassen Sie mich konkret werden. Ich sehe drei The-
men, über die wir dringend reden sollten.

Erstens. Wie kann es unseren Tieren besser gehen? Im
internationalen Vergleich sind die Tierwohlstandards in
Deutschland hoch. Das ist unbestritten, und da ist schon
sehr viel geschehen. Dennoch will ein bestimmter Teil
der Menschen in unserem Land einen Schritt weiterge-





Marlene Mortler


(A) (C)



(D)(B)

hen. Lassen Sie uns deswegen konzentriert und mit der
Praxis, so wie es Johannes Röring geschildert hat, über
Maßnahmen reden, die in der Breite ein höheres Tier-
wohlniveau schaffen, die am Markt aber auch refinan-
zierbar sind – ohne Hysterie, aber mit dem Willen, wirk-
lich etwas zu verändern. Immer mehr Auflagen und
immer billiger geht nicht.


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Problem erkannt!)


Wir investieren gerne in noch mehr Tierwohl, wenn der
Verbraucher es will und dafür bezahlt. Oder reden wir
am Ende über ein Beruhigungsmittel für eine elitäre
Minderheit in unserem Land? Es wird sich zeigen.

Danke, lieber Johannes, zum zweiten Mal und ganz
persönlich. Du machst hier einen Riesenjob. Du redest
mit Vertretern der gesamten Produktionskette, mit der
ganzen Branche: Bauern, Verarbeiter, Handel. Ich weiß,
dass jetzt endlich dieser Aha-Effekt eingetreten ist, dass
der Handel nämlich nicht immer und automatisch auf
unsere Kosten, auf Kosten der Bauern und Bäuerinnen,
profitieren und sich profilieren kann, sondern dass auch
er Farbe bekennen muss im Sinne der Verbraucherinnen
und Verbraucher, aber auch im Sinne unserer Bauern und
Bäuerinnen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zweitens. Weniger mit Tier- als mit Menschenwohl
und Umweltschutz hat ein anderes Thema zu tun: die
Überkonzentration in der Tiermast. Wollen wir in
Deutschland wirklich Mastbetriebe mit 20 000, 30 000
oder 60 000 Schweinen? Ist es wirklich sinnvoll, die
Tierhaltung immer weiter in einigen wenigen Regionen
zu konzentrieren?


(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn Ihre Antwort? Wollen Sie das, oder wollen Sie es nicht?)


– Wir diskutieren darüber. – Wir sehen in der Diskussion
um die Düngeverordnung, wie schwierig es ist, ein
Nährstoffgleichgewicht hinzubekommen.


(Abg. Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Wir sehen auch, dass solche Anlagen von vielen Men-
schen, die Landwirtschaft in der Gesamtheit kritisieren
– ob zu Recht oder nicht, sei dahingestellt –, abgelehnt
werden. Offensichtlich überfordern sie ihre Umgebung.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805114300

Kollegin Mortler, achten Sie bitte auf die Zeit.


Marlene Mortler (CSU):
Rede ID: ID1805114400

Tierhaltung mit Augenmaß, Tierwohl mit Verstand,

das sind die Überschriften. Wir haben gezeigt, meine
lieben Kolleginnen und Kollegen, Frau Präsidentin, dass
wir es schaffen können, wenn wir nur wollen, die
Debatte zu versachlichen.

Letztes Beispiel: Glyphosat.

(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann hätte ich auch noch fragen können!)


Unsere Anhörung hat eindrucksvoll bestätigt, dass, wenn
in den USA Schindluder mit diesem Produkt getrieben
wird, das nicht automatisch auf Deutschland übertragbar
ist und dass der Umgang mit diesem Mittel bis zum heu-
tigen Tag verantwortungsbewusst ist.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805114500

Frau Kollegin, Sie sprechen auf Kosten Ihrer Frak-

tionskollegen; ich sage das jetzt ganz deutlich.


Marlene Mortler (CSU):
Rede ID: ID1805114600

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich plädiere

am Ende für eine Rückbesinnung auf den solide wirt-
schaftenden, verantwortlich handelnden bäuerlichen Fa-
milienbetrieb, und ich plädiere dafür, dass wir in diesem
Sinne unseren Agrarhaushalt für eine zukunftsfähige
Landwirtschaft in Deutschland unterstützen, weil wir da-
mit die richtigen Weichen stellen.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Jeannine Pflugradt [SPD])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805114700

Ich schaue jetzt zur Fraktion der Grünen. War das die

Anmeldung einer Kurzintervention oder nicht?


(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)


– Dann ist das erledigt.

Das Wort hat die Kollegin Christina Jantz für die
SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Christina Jantz (SPD):
Rede ID: ID1805114800

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

legen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte
noch einmal den Fokus auf den Tierschutz legen. Gerade
als Tierschutzbeauftragte meiner Fraktion freue ich
mich, dass trotz umfassender Sparbemühungen im Haus-
halt dem Tierschutz doch ein großer Raum zugestanden
wird.


(Beifall der Abg. Jeannine Pflugradt [SPD])


Dafür haben wir, meine Kollegen von der SPD, gemein-
sam gekämpft.


(Beifall bei der SPD)


Bei der Umsetzung dieser Projekte, die uns mit den
im Haushalt stehenden Mitteln möglich sind, insbeson-
dere zum Beispiel in der Tierhaltung, müssen wir
allerdings – auch das ist angesprochen worden – zwei
Gruppen ganz besonders mitnehmen. Das sind zum ei-
nen natürlich die Landwirte, die uns aufgrund ihrer Er-
fahrung viel zu guter Tierhaltung sagen können. Wir
müssen aber auf der anderen Seite hierbei die Verbrau-





Christina Jantz


(C)



(D)(B)

cherinnen und Verbraucher mitnehmen. Nur ein Umden-
ken an der Fleischtheke wird nämlich dazu beitragen,
dass das Leben der Tiere in den Ställen tatsächlich ver-
bessert wird.


(Beifall bei der SPD)


Angesprochen sei hier natürlich die Initiative Tier-
wohl. Und, Kollege Röring, wir hatten gestern ein Ge-
spräch mit den Kollegen beim Deutschen Bauernver-
band, allen voran mit Ihrem Präsidenten. Und selbst der
hat sich ein bisschen zurückhaltender geäußert, als Sie
das gerade getan haben.

Von daher möchte ich das Augenmerk ganz klar auf
eine verbindliche Kennzeichnung, wie zum Beispiel das
Tierschutzlabel, richten. Denn ich denke, dass gerade
das einen sinnvollen Beitrag leisten kann.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Marlene Mortler [CDU/CSU])


Auch zu der von unserem Landwirtschaftsminister
Herrn Schmidt zu Recht geforderten Stärkung des ländli-
chen Raumes kommen wir nur bei einem Umdenken in
der Tierhaltung – hin zu einer Landwirtschaft in der
Form der Familienbetriebe, die auch auf die Umwelt
Rücksicht nimmt. Denn die negativen Folgen von riesigen
Agrarbetrieben sind uns bekannt. Sie ziehen Belastungen
für Umwelt und Anwohner nach sich. Die Umweltaus-
wirkungen, wie die Belastungen des Grundwassers, sind
vielerorts – auch bei uns zu Hause – bereits spürbar und
nicht mehr wegzudiskutieren.

Ein wichtiges und entscheidendes Element sind hier
die Tierhaltungssysteme. Allerdings muss sich die Tier-
haltung dabei an das Tier anpassen und nicht umgekehrt,
wie wir das teilweise noch erleben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, wir greifen genau dieses
Thema ganz aktiv auf. Wir suchen Kontakt zu den Län-
dern und auch zu den Institutionen, die hier bereits bei-
spielhaft agiert haben, führen Expertengespräche vor Ort
und auch hier in Berlin.

Damit wir unser Ziel einer bäuerlichen Landwirt-
schaft in der Form der Familienbetriebe, die das Wohl
der Tiere und Wettbewerbsfähigkeit miteinander verbin-
det, erreichen können, brauchen wir natürlich auch wei-
terhin eine gut ausgestattete Forschung. Auch hier sind
wir mit dem Haushalt auf dem richtigen Weg.

Ich möchte einmal die Zahlen nennen, die bisher für
das kommende Jahr 2015 im Haushalt eingeplant sind.
Für Tierschutz stehen 33,6 Millionen Euro zur Verfü-
gung. Das ist eine enorme Steigerung gegenüber dem
Jahr 2014; da waren es nämlich 20 Millionen Euro.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Diese zusätzlichen Mittel kommen insbesondere den
Tieren zugute. Selbstverständlich profitieren aber lang-
fristig auch die Landwirte und die Verbraucher von die-
ser Erhöhung.
Für 2015 möchte ich dabei besonders auf zwei Punkte
eingehen: zum einen auf das Bundesinstitut für Risiko-
bewertung mit seiner Zentralstelle zur Erfassung und
Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum
Tierversuch – kurz: ZEBET. Hier werden für den Tier-
schutz nun über 9 Millionen Euro ausgegeben. Gerade
mit Blick auf die 1,5 Millionen Euro aus dem Jahr 2014
stärken wir hiermit die Bemühungen in Deutschland
enorm.

Zum anderen möchte ich auf die Modell- und Demon-
strationsvorhaben eingehen. Im Jahr 2013 wurde bereits
ein Vorhaben mit dem Titel „Tierschutz“ initiiert. In die-
sem Entwurf sind nun für Tierschutzvorhaben in dem
entsprechenden Haushaltstitel 5 Millionen Euro vorgese-
hen. Auch für die kommenden Jahre sieht die Finanzpla-
nung weitere Mittel vor. So stehen in den nächsten Jah-
ren 21 Millionen Euro bereit, um zum Beispiel die heftig
diskutierten Bereiche des Tierschutzes zu bearbeiten.
Beispielhaft sei hier das Kupieren zum Beispiel von
Schnäbeln bei Geflügel und Schwänzen bei Schweinen
genannt. Das gilt es zu vermeiden und zu verhindern.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zudem soll durch die Verfahren gezeigt werden, wie die
Hygiene in den Ställen gesteigert und der Einsatz von
Antibiotika reduziert werden kann.

Jedoch müssen wir in der Forschung ganz allgemein
darauf achtgeben, welche Projekte wir unterstützen. Ei-
nen wichtigeren Stellenwert als heute muss aus meiner
Sicht die In-vitro-Forschung spielen. „In vitro“ heißt,
dass Bedingungen von Lebewesen nachgestellt werden,
Lebewesen – Tiere – aber nicht selbst als Forschungsob-
jekte eingesetzt werden. Hier muss sich meiner Meinung
nach auch ein Wandel in der Wissenschaft vollziehen.


(Beifall der Abg. Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Publikationen über Tierversuche sind häufig in Fachzeit-
schriften zu finden; die In-vitro-Forschung hingegen ge-
nießt nur ein Schattendasein.

Meine Damen und Herren, abschließend: Das Thema
Tierschutz wird im Haushalt ernsthaft aufgegriffen. Das
ist nicht bloß ein Feigenblatt. Doch der vor uns liegende
Weg – das hat die Diskussion hier schon gezeigt – for-
dert unsere fortwährende und gemeinsame Anstrengung.
Ich lade Sie ein, diesen Weg mit uns gemeinsam zu ge-
hen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805114900

Ich weise trotzdem darauf hin, dass die Ankündigung

des Endes der Rede ebendieses Ende nicht ersetzt.


(Heiterkeit)


Ich bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen, darauf zu ach-
ten.

(A)






Vizepräsidentin Petra Pau


(A) (C)



(D)(B)

Das Wort hat die Kollegin Katharina Landgraf für die
Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Katharina Landgraf (CDU):
Rede ID: ID1805115000

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle zunächst
einmal fest, dass mein Thema in der Debatte des Land-
wirtschaftshaushaltes angenehm und interessant ist. Es
geht nämlich um die Ernährung, besser gesagt, die ge-
sunde Ernährung.

Das Thema interessiert doch wohl jeden Menschen.
Kochen und Speisen begeistern immer mehr Fernsehzu-
schauer. Heute Nachmittag zum Beispiel laufen im ZDF
sogar zwei Kochshows, nur unterbrochen durch die
Nachrichten. Bei diesen sogenannten Küchenschlachten
in öffentlich-rechtlichen Programmen, aber auch bei den
Privaten und in den geruhsamen Heimatmagazinen kann
man neugierig und völlig legitim in fremde und manch-
mal sogar auch in adlige Küchen und Kochtöpfe gucken.

Es gibt kaum eine Unterhaltungssendung, in der nicht
gekocht und gespeist wird. Hin und wieder wird nicht
nur das jeweilige Rezept vorgestellt, sondern es werden
auch die Zutaten und deren Herkunft erläutert. Zur Per-
fektion dieser Mediensparte fehlt nur noch das Geruchs-
fernsehen. Das wäre der Hit auf der nächsten Funkaus-
stellung in Berlin.

Die mediale Publicity für Kochen und Genießen ist
fast nicht mehr steigerungsfähig. Das Ganze erscheint
wie ein Selbstläufer. Angesichts dieser Fülle von Ange-
boten rund um die Uhr könnte man meinen, dass weitere
Aufklärungskampagnen oder vom Bund geförderte Pro-
jekte zum Thema Ernährung eingespart werden könnten.
Aber so einfach ist das nicht.

Meine Damen und Herren, das Sprichwort dürfte all-
bekannt sein: „Weil Speis und Trank in dieser Welt doch
Leib und Seel’ zusammenhält“. Der Spruch stammt vom
Librettisten Hinsch. Er schrieb ihn für das Singspiel
„Der irrende Ritter Don Quixote“. Wie empfinden wir
heute einen solchen Spruch aus einer Zeit, wo Überfluss
anders interpretiert wurde oder gar nicht so bekannt war?

Immer wieder ist diese Weisheit auch heute noch zu
hören, wenn es darum geht, Speis und Trank zu genie-
ßen. Was machen wir aber, wenn sich zu allem Über-
druss Leib und Seele immer weiter voneinander entfer-
nen, sprich: der Leib immer umfänglicher wird, und das
bei einem unveränderten Geist?


(Heiterkeit)


Das ist doch die heutige Misere: Deutschland wie auch
ganz Europa – wie es jüngst auch Brüssel entdeckte –
wird immer schwerer.

Der Handlungsbedarf ist uns bekannt. Die Adipositas-
erkrankung und ihre Vorstufen sind längst ein gesamtge-
sellschaftliches Problem. Der Handlungsdruck ist enorm:
Wir haben seit rund sechs Jahren den nationalen Ak-
tionsplan IN FORM. Das ist die erste Gesamtstrategie,
mit der alle Aktivitäten im Bereich Ernährung und Be-
wegung gebündelt werden sollen. So weit, so gut.

Fünf Handlungsfelder stehen dabei im Mittelpunkt:
Vorbildwirkung der öffentlichen Hand, Bedeutung von
Bildung und Aufklärung – –

Frau Maisch will eine Frage stellen. Ich hoffe, es
passt dazu.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805115100

Sie haben das Wort zu einer Frage oder Bemerkung.

Die Uhr wird natürlich angehalten.


Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1805115200

Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie das Präsidium

auf meine Wortmeldung aufmerksam gemacht haben. –
Ich habe eine Frage zu Adipositas, die Sie sehr beklagt
haben. Deshalb frage ich Sie: Wie passt Ihre Klage dazu,
dass in Zukunft das Kompetenznetz Adipositas, ein
Netzwerk, zu dem sich viele Akteure zusammenge-
schlossen haben, nicht weiter aus öffentlichen Mitteln fi-
nanziert werden soll?


Katharina Landgraf (CDU):
Rede ID: ID1805115300

Davon habe ich nichts gehört. Danach müsste ich

mich selber erst einmal erkundigen. Darauf kann ich Ih-
nen keine Antwort geben. Wenn es so wäre, dann würde
auch ich das bedauern. Ich hoffe aber, dass wir mit ande-
ren Programmen, die ich jetzt noch erläutern werde, zur
Adipositasbekämpfung beitragen werden. So weit dazu.
Alles andere machen wir später. Das liefere ich nach.

Ich fahre fort. Ich war bei der Bedeutung von Bildung
und Aufklärung als einem der Handlungsfelder stehen
geblieben. Weitere Handlungsfelder sind Bewegung im
Alltag, Qualitätsverbesserung bei der Verpflegung außer
Haus und Impulse für die Forschung. In Deutschland ist
ein Umfeld zu schaffen, in dem ausgewogene Ernährung
und ausreichende Bewegung in allen Lebensbereichen
verankert werden. Das ist ein sehr hoher Anspruch. Wi-
kipedia verrät außerdem:

IN FORM richtet sich an die gesamte Bevölkerung.
Die Menschen sollen dort erreicht werden, wo sie
leben, arbeiten, lernen und spielen. Der Schwer-
punkt der Initiative liegt dabei auf den „Lebenswel-
ten“. Dabei geht der Aktionsplan verstärkt zielgrup-
penorientiert vor.

So gibt es eigene Schwerpunkte für die Bedürfnisse älte-
rer Menschen und gezielte Initiativen für Kinder. – Das
finde ich toll.

Wie ist es aber um die öffentliche und mediale Wahr-
nehmung bestellt? Meine Antwort würde hier den Rah-
men sprengen. Nur so viel sei erst einmal festgestellt:
Ein hoher Bekanntheitsgrad in Fachkreisen reicht nicht.
Das muss weiter bekannt gemacht werden. Schon im
Jahr 2008 wurde angekündigt, dass bis zum Jahre 2020
das Ernährungs- und Bewegungsverhalten in Deutsch-
land nachhaltig zu verbessern sei. Ansätze für eine Halb-
zeitbilanz findet man unter anderem im Geschäftsbericht





Katharina Landgraf


(A) (C)



(D)(B)

der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung aus
dem Jahr 2013.

Gesunde Ernährung und ausreichende Bewegung sind
auch im internationalen Kontext besondere Themen. Wir
alle sind gespannt, welche neuen Impulse die internatio-
nale Konferenz zur Ernährung im November in Rom ge-
ben wird. Eingebettet in den Aktionsplan ist übrigens
auch PEB, die Plattform „Ernährung und Bewegung“.
Sie konnte bereits Anfang dieser Woche ihr zehnjähriges
Bestehen feiern. Ich möchte betonen, dass es sich bei
dieser Plattform um einen Zusammenschluss von Vertre-
tern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Sport so-
wie Eltern und Ärzten handelt. Anlässlich des Jubiläums
wurde nun festgestellt, dass unbedingt mehr getan wer-
den muss, um schlechte Ernährungsgewohnheiten zu än-
dern und Bewegungsarmut zu bekämpfen.

Ernährung ist im doppelten Sinn eine Kopfsache und
weniger eine Angelegenheit von Zeit und Geld. Es han-
delt sich um eine Kopfsache – das ist ganz banal –, weil
eben jede Nahrung durch den Kopf aufgenommen wird.
Die entscheidende andere „Kopfsache“ sind das Wissen
und das Wollen jedes einzelnen Menschen. Jeder Mensch
entscheidet mit seinem Wissen und Unwissen darüber,
was er mit den Mahlzeiten aufnimmt. Entscheidende
Faktoren sind das eigene Wissen, regionale Traditionen
und Bräuche sowie Gepflogenheiten in der Familie.
Aber auch mediale Beeinflussung und Gruppenverhalten
außerhalb der Familie dürfen nicht unterschätzt werden.

Abgesehen davon, dass die Geschmacksnerven im
frühesten Kindesalter entwickelt oder nicht entwickelt
werden, ist die Ernährung ein lebenslanges Thema. Da-
her wäre es richtig, wenn wir das alles mit dem lebens-
langen Lernen verknüpften. Vor diesem Hintergrund
rege ich an, eine Kooperation mit den Volkshochschulen
einzugehen, die sich als Hauptträger lebenslangen Ler-
nens bewährt haben. Hier sollte die weitere Umsetzung
des IN-FORM-Aktionsplans eine zentrale Rolle spielen.
Somit könnte die Transformation der umfangreichen Er-
kenntnisse aus Wissenschaft und Forschung in die All-
gemeinbildung der Menschen besser funktionieren.

Wenn wir aber dauerhafte Strukturen für die Bil-
dungs- und Beratungsarbeit vor Ort schaffen wollen,
sollten wir die allgemeine „Förderkrankheit Projektivi-
tis“ in diesem Bereich ein für alle Mal heilen. Die Bil-
dung betreffend gesunde Ernährung und mehr Bewe-
gung ist ein permanenter Prozess, den wir nicht mit
zeitlich stark begrenzten Förderprojekten bewältigen
können. Wir brauchen daher Konstanz. So lautet auch
ein vielfacher Wunsch aller Akteure, mit denen ich im
Vorfeld gesprochen habe.

Insgesamt ist positiv zu bewerten, dass wir für Infor-
mationsmaßnahmen im Ernährungsbereich 9,3 Millio-
nen Euro aus dem Haushalt bekommen. Für die Förde-
rung von Projekten der Verbraucherzentralen sollen
3 Millionen Euro und für Maßnahmen der allgemeinen
Verbraucherinformation noch einmal 3,7 Millionen Euro
fließen. Das ist gut. Es könnte sicherlich noch mehr sein.
Aber das ist zuerst einmal positiv zu bewerten. Mit dau-
erhafter Bildung können wir in Zukunft bei der gesund-
heitlichen und medizinischen Betreuung der Menschen
steigende Kosten möglicherweise vermeiden. Ich wün-
sche mir in diesem Zusammenhang, dass die bewährten
Informationsmittel erhalten bleiben, so auch die Platt-
form der Verbraucherzentralen „Lebensmittelklarheit“.
Das Projekt läuft Ende dieses Jahres aus. Der Bundes-
verband der Verbraucherzentralen erarbeitet derzeit ein
neues Konzept. Ich wünsche mir sehr, dass das fortge-
führt wird.

Gesunde Ernährung braucht auch Transparenz und
Wissen über das, was angeboten wird. Dafür brauchen
wir alle Klarheit im besten Sinne. Hier wünsche ich mir
eine ebenbürtige mediale Präsentation wie mit den ein-
gangs erwähnten Kochsendungen. Schlussendlich kön-
nen wir so die Leistungen der gesamten Landwirtschaft
und deren Bedeutung für eine gesunde Ernährung trans-
parent machen und auch würdigen.

Wir sind auf einem guten Weg, an dessen Ende eine
mündige Gesellschaft und aufgeklärte Menschen stehen,
die selbst und bewusst darüber entscheiden, ob Speis
und Trank den Leib und die Seele zusammenhalten oder,
wie eingangs beschrieben, diese auseinanderdriften las-
sen. Dafür trägt aber jeder selbst die Verantwortung.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805115400

Das Wort hat die Kollegin Jeannine Pflugradt für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Jeannine Pflugradt (SPD):
Rede ID: ID1805115500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Genauso wie bei der Kol-
legin Binder und bei der Kollegin Landgraf bezieht sich
auch der Schwerpunkt meiner Rede auf die gesunde Er-
nährung. Von daher habe ich sehr wohlwollend zur
Kenntnis genommen, Herr Minister Schmidt, dass auch
Ihnen die gesunde Ernährung sehr am Herzen liegt; das
freut mich.

Nur 2 Prozent des Gesamtetats von rund 5,3 Milliar-
den Euro des Bundesministeriums für Ernährung und
Landwirtschaft für das Haushaltsjahr 2015 entfallen auf
den Einzelbereich „Gesundheitlicher Verbraucherschutz
und Ernährung“. Allein davon gehen 83,9 Millionen
Euro an das Bundesinstitut für Risikobewertung. Gerade
einmal 16 Millionen Euro stehen dem Bereich „Ernäh-
rung und Verbraucherinformation“ zur Verfügung. Das
sind wiederum 800 000 Euro weniger als noch in diesem
Haushaltsjahr, obwohl uns allen in diesem Hause die Be-
deutung einer ausgewogenen und gesunden Ernährung
bewusst sein sollte.

Besorgniserregend erscheint das Ernährungsverhalten
der Kinder. Vor allem nach der Einschulung geht bei vie-
len Kindern die Gewichtskurve zu steil nach oben. Die
Studie des Robert-Koch-Instituts KiGGS zeigt, dass ab
der ersten Klasse immer mehr Kinder übergewichtig





Jeannine Pflugradt


(A) (C)



(D)(B)

werden. Besonders in den Jahren nach Schulbeginn
steigt der Anteil von 9 auf 15 Prozent. Der Anteil adipö-
ser Kinder verdoppelt sich sogar auf 6,4 Prozent. Die
Betroffenen leiden nicht nur an körperlichen Folgen wie
erhöhtem Risiko für Diabetes, Bluthochdruck oder Rü-
cken- und Gelenkproblemen, sondern oft auch unter see-
lischen Schwierigkeiten wie einem geringen Selbstwert-
gefühl oder Mobbing.


(Beifall bei der SPD)


Nur in jeder dritten Kita gibt es laut einer Studie der
Bertelsmann Stiftung von diesem Jahr gesundes sowie
ausgewogenes Essen. Die Kitaverpflegung muss der
Schulverpflegung deswegen in allen Belangen gleichge-
stellt werden. Der Bund sollte darüber nachdenken, über
das Jahr 2016/2017 hinaus die Mittel für die Vernet-
zungsstellen Schulverpflegung zu verstetigen sowie auf-
zustocken, um den Mehraufwand für die Unterstützung
von Kitaverpflegung auszugleichen,


(Beifall bei der SPD)


da diese einen Part der gesamtgesellschaftlichen Auf-
gabe hinsichtlich Prävention und Ernährungsbildung
übernehmen. Ausreichend freie Mittel stehen hierfür zur
Verfügung.

Gesunde Essgewohnheiten von klein auf sind enorm
wichtig, vor allem als Grundlage für einen gesunden Le-
bensstil. Obst und Gemüse sind dabei unentbehrlich für
eine vollwertige und ausgeglichene Ernährung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Ein hoher Verzehr von Obst und Gemüse hat eine posi-
tive Wirkung in der Vorbeugung zahlreicher Erkrankun-
gen; das darf man nicht vergessen. Nach Erfahrungen in
anderen Ländern haben gesunde Snacks und Getränke in
Schulen den gewünschten Einfluss auf das Ernährungs-
verhalten der Schüler. Je öfter den Schülern und Schüle-
rinnen frisches Obst, Gemüse und Salat angeboten wer-
den, desto häufiger greifen sie natürlich auch zu.
Dementsprechend unterstütze ich weiterhin die Bemü-
hungen des Bundes, das EU-Schulfruchtprogramm in al-
len Bundesländern zu etablieren sowie kozufinanzieren.


(Beifall bei der SPD)


Ich appelliere an dieser Stelle erneut an alle Bundes-
länder, die sich noch nicht beteiligen, die von der EU-
Kommission bereitgestellten Mittel völlig auszuschöp-
fen. Natürlich begrüße ich auch, dass der Nationale Ak-
tionsplan „IN FORM“ mit einer gleichbleibenden Summe
von 9,3 Millionen Euro im Jahr 2015 gefördert wird. Mit
dem Nationalen Aktionsplan soll erreicht werden, dass
Erwachsene gesünder leben, Kinder dementsprechend
gesünder aufwachsen und von einer höheren Lebensqua-
lität und einer gesteigerten Leistungsfähigkeit in Bil-
dung, Beruf sowie Privatleben profitieren. Dieser Ak-
tionsplan ist erst einmal bis zum Jahr 2020 angelegt.

Am Ende möchte ich mich ebenfalls noch für eine
Förderung des Forschungsinstituts für Kinderernährung
in Dortmund vor allem durch den Bund einsetzen.
In Kapitel 1005 Titel 554 31 des Haushaltsentwurfes
2015 heißt es, es stünden für die laufende Legislaturpe-
riode rund 1 Million Euro mehr für Forschung und Ent-
wicklung zur Verfügung. Diese zusätzlichen Mittel sol-
len insbesondere zur Finanzierung von bereits initiierten
Studien zum Ernährungsverhalten von Kindern und Ju-
gendlichen eingesetzt werden. Das macht dieses Institut.
Ich denke, das Bundesministerium für Ernährung und
Landwirtschaft sollte noch einmal überprüfen, ob man
davon nicht die gewünschten 350 000 Euro für das
Forschungsinstitut für Kinderernährung bereitstellen
könnte.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Eine langfristige Konzeption von Prävention und Er-
nährungsbildung bei Kindern, Jugendlichen und Er-
wachsenen erfordert die Konzentration aller föderaler
Ebenen. Die finanzielle Mitwirkung des Bundes halte
ich dabei für unverzichtbar.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805115600

Der Kollege Cajus Caesar hat für die CDU/CSU-

Fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Cajus Julius Caesar (CDU):
Rede ID: ID1805115700

Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kollegen und

Kolleginnen! Ein Motto von uns ist: „Nicht mehr ausge-
ben, als wir einnehmen.“ Das ist die Devise der Union.
Das ist die Devise dieser Koalition. Damit fahren wir
gut. Wir schaffen einen Haushalt, der Zukunftsperspek-
tive zeigt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir setzen auf Infrastruktur und setzen dort zusätzli-
che Gelder ein. Wir setzen auf die Entlastung der Kom-
munen und entlasten sie durch die Grundsicherung,
durch die Eingliederungshilfe und durch die Entflech-
tungsmittel deutlich. Aber wir setzen auch wesentlich
auf Bildung und Forschung. Diese Mittel kommen auch
im Landwirtschaftshaushalt an. Deshalb ist dies ein
Haushalt, der auf Zukunft ausgerichtet ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Herr Minister Schmidt hat für den ländlichen Raum
wesentliche Akzente gesetzt. Der ländliche Raum ist
dem Minister wichtig. Er hat ihn zur Chefsache erklärt.
Deshalb möchte ich mich bei unserem Minister Christian
Schmidt an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich be-
danken.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


10 Millionen Euro – von null auf zehn – für diesen
Bereich einzusetzen, ist Perspektive. Das zeigt: Wir las-





Cajus Caesar


(A) (C)



(D)(B)

sen die Menschen im ländlichen Raum nicht allein. Sie
sind uns wichtig. Wir wollen ihnen die Chancen und die
Rahmenbedingungen geben, die sie verdient haben. Des-
halb werden die Union und diese Koalition im ländli-
chen Raum die Perspektiven weiter auf den Weg brin-
gen, die für den ländlichen Raum wichtig sind. Dazu
gehört beispielsweise auch die digitale Infrastruktur.

Bei den landwirtschaftlichen Sozialsystemen wollen
wir die Rahmenbedingungen für unsere Bauern so schaf-
fen und weiter auf den Weg bringen, dass wir sie in so-
zialer Hinsicht nicht alleinelassen. Wir wollen weiterhin
die Rahmenbedingungen bei den Strukturveränderun-
gen und der Zusammenführung von Strukturen setzen,
gleichzeitig wollen wir Effektivität schaffen. Und wir
wollen einen entsprechenden Rahmen bilden, der unse-
ren Bauern Verlässlichkeit und Hilfe gibt, er soll so ge-
setzt werden, dass wir sozial an ihrer Seite sind.

Beim Verbraucherschutz wollen wir insbesondere
Projekte wie „IN FORM – Initiative für gesunde Ernäh-
rung und mehr Bewegung“ weiterhin fördern. Dafür
werden 9,3 Millionen Euro im Haushalt veranschlagt.
Das sind wichtige Mittel; denn ich glaube, dass gerade
gesunde Ernährung und Bewegung für unsere junge Ge-
neration von besonderer Bedeutung sind. Deshalb ist
dies der richtige Weg, den wir hier beschreiten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir – das wurde eben schon angesprochen – haben in
der Kampagne „Zu gut für die Tonne“ und mit dem Er-
nährungsführerschein Entsprechendes auf den Weg ge-
bracht. Hier gibt es sicherlich noch viel zu tun. Es gibt
aber auch entsprechende Perspektiven, um hier etwas zu
bewegen. Deshalb noch einmal der Dank an das Ministe-
rium, aber auch einen Dank an die Kollegen im Fachaus-
schuss. Ich nenne hier den Sprecher Franz-Josef
Holzenkamp. Danke schön, dass Sie hier in dieser Weise
so aktiv sind.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben bei der Gemeinschaftsaufgabe, für die
600 Millionen Euro veranschlagt sind, die wichtigen Be-
reiche der Infrastrukturmaßnahmen, der Schaffung von
zusätzlichen Arbeitsplätzen, den Breitbandausbau, den
Hochwasser- und Küstenschutz im Auge. Wir wollen sie
weiterentwickeln. Wir lassen es nicht zu, dass beispiels-
weise an der Küste Häuser abrutschen, sondern werden
den Menschen nicht nur in der Not, sondern auch vor-
beugend helfen. Deshalb haben wir schon im Zusam-
menhang mit dem Haushalt 2014 den Maßgabebeschluss
zum Hochwasserschutz auf den Weg gebracht. Wir wol-
len zukünftig vorbeugend Hochwasserschutz betreiben.
Das ist uns wichtig; die Menschen sind uns wichtig, aber
die Natur ist uns ebenso wichtig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Im Bereich Innovation und Forschung sind uns die
nachwachsenden Rohstoffe wichtig. Hier darf ich insbe-
sondere die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe nen-
nen, deren Selbstständigkeit uns wichtig ist. Sie führt
praxisorientierte, auf die Zukunft ausgerichtete Projekte
durch, die unkompliziert auf den Weg gebracht werden.
Das dort investierte Geld ist gut investiertes Geld.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wenn wir beispielsweise Projekte zur Gewinnung von
Kraftstoff aus Algen, zur Energieeffizienz, aber auch zur
stofflichen sowie zur energetischen Verwertung von Bio-
masse nach vorne bringen, dann ist das Ausdruck einer
Politik der Koalition, die auf Zukunft ausgerichtet ist.
Diese Politik, die auf Zukunft ausgerichtet ist, wollen
wir fortsetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Der Herr Minister hat es angesprochen: Wir stehen
zur nationalen genauso wie zur internationalen nachhal-
tigen Waldwirtschaft. Dieser Bereich bietet zusammen
mit der Holzindustrie mehr Arbeitsplätze als die Auto-
mobilindustrie, und er erzielt einen Umsatz von über
180 Milliarden Euro. Deshalb gilt es auch hier, durch die
Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen und
Projekte, wie zum Beispiel Forschungsprojekte, den
Rahmen so zu stecken, dass wir hier erfolgreich sind.
Wenn jemand den Rohstoff Holz erfinden würde, würde
er sicherlich zum Nobelpreisträger ernannt; da bin ich
ganz sicher.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir haben im Bereich der Eiweißpflanzenstrategie ei-
niges gemeinsam auf den Weg gebracht. Ich sage auch,
dass hier unser Koalitionspartner sehr aktiv war. Ge-
meinsam sehen wir das als einen wichtigen Bereich an,
den wir weiterentwickeln wollen. Denn ich glaube, dass
uns Eiweiße aus einheimischen Produkten gut zu Ge-
sicht stehen. Deshalb ist die Anhebung des entsprechen-
den Ansatzes von 3 Millionen auf jetzt 4 Millionen Euro
pro Jahr eine gute Maßnahme.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir haben heute schon einiges zum Tierwohl gehört.
Ich finde es gut, dass Johannes Röring hier im Rahmen
seiner Tätigkeit im Landwirtschaftsverband, aber auch
als Abgeordneter in besonderer Weise tätig geworden ist.
Wenn im ehrenamtlichen Bereich, in den Verbänden, et-
was reift, wenn Eigentümer, Landwirte, mit dem Handel
etwas auf den Weg bringen, dann ist es der richtige Weg.
Diesen Weg unterstützen wir ausdrücklich.

Ich will auch sagen, dass wir die entsprechenden ge-
setzlichen und finanziellen Rahmenbedingungen schaf-
fen. Wir glauben, dass wir richtig liegen, wenn wir die
Ansätze im Bereich des Tierwohls und im Bereich des
Tierschutzes in den vergangenen drei Jahren verdoppelt
haben, auf über 33 Millionen Euro – eine Verdopplung!
Das sollte man an dieser Stelle deutlich sagen, weil oft
von der Opposition gesagt wird: „Die tun da nichts“, wo-
durch ein falscher Eindruck entsteht. Wir tun sehr viel,
und wir setzen hier gemeinsam mit den Eigentümern und
den entsprechenden Produzenten auf Innovationen für
unsere Verbraucher, für unsere Bürger. Das ist der rich-
tige Weg.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)






Cajus Caesar


(A) (C)



(D)(B)

Wir haben hier einen Haushalt mit Perspektive vorge-
legt. Wir setzen auf Investitionen und auf die richtigen
Rahmenbedingungen für eine moderne Landwirtschaft
und beziehen gleichzeitig unsere Bauern ein. Das ist der
Weg der Union, das ist der Weg dieser Koalition, und da-
mit werden wir erfolgreich sein.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805115800

Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Johann

Saathoff nun das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Johann Saathoff (SPD):
Rede ID: ID1805115900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Schmidt! Wie
schon einige meiner Vorredner gesagt haben, werden wir
erstmals seit 1969 – ich kann mich gut an 1969 erinnern;
da habe ich meinen 2. Geburtstag opulent gefeiert –


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


einen ausgeglichenen Bundeshaushalt beschließen kön-
nen. Das bedeutet, dass sich Einnahmen und Ausgaben
in der Waage halten und keine neuen Schulden gemacht
werden müssen. Allerdings bedeutet das nicht, dass vor-
handene Schulden getilgt werden. Es gibt also nach wie
vor Herausforderungen für uns, auch vor dem Hinter-
grund, dass das Zinsniveau, die Steuereinnahmen und
das Beschäftigungsniveau nicht immer auf diesem Stand
bleiben werden. Diesen Herausforderungen werden wir
uns stellen müssen – im Sinne unserer Kinder und En-
kelkinder, denen wir irgendwann einmal einen funk-
tionsfähigen Staat übergeben wollen.

Eben um unseren nachfolgenden Generationen einen
Gestaltungsrahmen zu überlassen, haben wir zum Bei-
spiel den Mindestlohn eingeführt. Positiver Nebeneffekt
ist, dass wir dadurch auch die Sozialkassen in Deutsch-
land in Zukunft deutlich entlasten. Das gilt natürlich
auch für die Fleisch-, Land- und Forstwirtschaft.

Der Arbeitslohn ist allerdings nicht der einzige Faktor
für verantwortungsvolle Lebens- und Arbeitsbedingun-
gen im Staate. Hinzu kommt das Verständnis der Unter-
nehmen für die Mitbestimmung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


In Deutschland gibt es unzählige Beispiele dafür, dass
Unternehmen mit, durch und wegen betrieblicher Mitbe-
stimmung erfolgreich sein können. Es gibt aber leider
noch immer Unternehmen, die meinen, betriebliche Mit-
bestimmung sei ein Hindernis. Die Frage ist nicht, ob ein
Unternehmen sich einen Betriebsrat leisten kann, son-
dern, ob es sich ein Unternehmen leisten kann, keinen
Betriebsrat zu haben.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Neben dem Thema der betrieblichen Mitbestimmung
gibt es ein weiteres wichtiges Thema: Es gibt immer
noch Menschen, die in prekären Beschäftigungsverhält-
nissen arbeiten müssen. Diese Menschen haben nicht nur
unsichere Rahmenbedingungen, also Befristungen usw.,
sondern leben zum Teil sogar in völlig unangemessenen
Unterkünften. Ich wähle hier bewusst das Wort „Unter-
kunft“, denn „wohnen“ kann man das nicht nennen.


(Beifall bei der SPD)

In der niedersächsischen Fleischwirtschaft gab es dies-
bezüglich in nicht allzu ferner Vergangenheit schlimme
Beispiele. Der Grund dafür war der Trend zur Massen-
produktion von Fleisch mit einem dreifachen Qualitäts-
kriterium: billig, billig, billig. Diesen Trend zur Massen-
produktion werden wir brechen.


(Beifall bei der SPD)

Meine Kollegin Christina Jantz hat eben in ihrer Rede
deutlich gemacht, dass wir in diesem Bereich klare Ak-
zente setzen wollen und deshalb unter anderem die Mit-
tel für den Tierschutz deutlich erhöhen.

Als Ziel dieser Legislaturperiode haben wir uns aber
auch vorgenommen und uns in der Koalition darauf ver-
ständigt, die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der
Agrarstruktur und des Küstenschutzes“, kurz GAK, um-
zubauen zu einer Gemeinschaftsaufgabe „Ländliche Ent-
wicklung“.

Im Sommer habe ich mir im Süden der Republik zum
Thema „regionale Wertschöpfung“ praktische Beispiele
angesehen. Auf dieser Reise wurde deutlich, dass quer
durch die Bundesrepublik die Notwendigkeit besteht, re-
gionale Wertschöpfungsketten aufzubauen und zu stär-
ken,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


auch damit die Menschen vor Ort Arbeit haben und die
Lebensqualität im ländlichen Raum wieder gesteigert
werden kann.

Zur Lebensqualität im ländlichen Raum gehören auch
die Instrumente der Daseinsvorsorge, insbesondere Ein-
richtungen für ältere und pflegebedürftige Menschen so-
wie Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für Kinder.
In Ostfriesland ist diese Problematik besonders deutlich
vorhersehbar. Die Geburtenrate ist stark gesunken. Die
jungen Leute verlassen Ostfriesland wegen der an ande-
ren Orten besseren Berufschancen. Was bleibt, sind vor-
wiegend ältere Menschen. Dieser Herausforderungen
werden wir uns annehmen. Erkenntnis ist dabei der erste
Schritt.


(Beifall bei der SPD)

Diese Erkenntnis liegt nun vor. Daher werden wir zur

Vorbereitung der Weiterentwicklung der Gemeinschafts-
aufgabe zunächst für 2015 und 2016 jeweils 10 Millio-
nen Euro für das Bundesprogramm für ländliche Ent-
wicklung bereitstellen. Mir liegt es am Herzen, zu
betonen, dass aus diesen Mitteln für die ländliche Ent-
wicklung kein neues Agrarförderungsprogramm wird,
sondern dass diese Mittel der Verbesserung der Lebens-
bedingungen aller Menschen im ländlichen Raum dienen
sollen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)






Johann Saathoff


(A) (C)



(D)(B)

Ich möchte an dieser Stelle auch einmal etwas zu ei-
nem sonst weniger beachteten Zweig der Ernährungs-
wirtschaft sagen, zur deutschen Fischerei. In der sit-
zungsfreien Zeit habe ich die Gelegenheit genutzt, mit
einem Krabbenfischer vor Borkum auf Krabbenfang zu
gehen. Bei den Krabbenfischern gibt es eine ganze Reihe
über 30 Jahre alter Fahrzeuge, die noch einen Holzrumpf
haben. Es ist kein Geheimnis, dass die deutsche Fische-
reiflotte stellenweise stark überaltert ist. Ersatzbauten
sind im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik nicht
zulässig. Aber wir stellen mit diesem Haushalt nach wie
vor Mittel für die Modernisierung von Fischereifahrzeu-
gen zur Verfügung, wenn auch nicht in allzu großem
Umfang.

Die deutschen Fischer machen auf See eine ganz her-
vorragende Arbeit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Sie haben einen großen Anteil daran, dass sich die
Fischerei in den letzten Jahrzehnten hin zu mehr Nach-
haltigkeit entwickelt hat. Die Fischer in Deutschland ha-
ben sich konsequent an die Quoten gehalten. Sie dürfen
aber auch den Anspruch haben, dass diese Quoten auf ei-
ner korrekten wissenschaftlichen Basis ermittelt werden.

Damit der Forschung die notwendigen Instrumente zur
Ermittlung dieser Quoten zur Verfügung gestellt werden
können, haben wir auch Mittel für einen Ersatzbau für das
Fischereiforschungsschiff „Walther Herwig III“ einge-
stellt. Wat mutt, dat mutt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Diesen Neubau hat die deutsche Fischereiforschung
wirklich nötig, denn die „Walther Herwig III“ wurde be-
reits 1992 in Dienst gestellt. Sie befindet sich momentan
in der Nordsee auf ihrer 377. Forschungsreise und unter-
sucht dort die Plattfischvorkommen in der Schollenbox
und die Häufigkeit und Verteilung von Heringslarven in
den Laichgebieten der Nordseeheringsbestände.

Die beiden Fischereiforschungsinstitute in Hamburg
und Rostock machen eine hervorragende Arbeit. So trägt
Deutschland im Rahmen der Gemeinsamen Fischerei-
politik zu einer Bewertung der Fischbestände und da-
durch zu mehr Nachhaltigkeit bei der Fischerei bei.

Ich wünsche uns bei den anstehenden Beratungen
zum Haushalt 2015, dass uns gemeinsam der Paradig-
menwechsel hin zur Verbesserung der Lebensbedingun-
gen aller Menschen im ländlichen Raum gelingt. Ich
freue mich auf konstruktive Diskussionen in diesem
Sinne.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805116000

Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen

nicht vor.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend, Einzelplan 17.
Das Wort hat die Bundesministerin Manuela
Schwesig.


(Beifall bei der SPD – Unruhe)


– Ich bitte erstens, die notwendigen Umgruppierungen in
den Fraktionen zügig vorzunehmen, und zweitens bitte
ich diejenigen, die ihren Platz gefunden haben, um Auf-
merksamkeit für die Ministerin. – Diejenigen, die nicht
an dieser Debatte teilhaben können, sollten die notwen-
digen Diskussionen nicht hier in den Gängen des Plenar-
saals führen, sondern diese bitte nach draußen verlagern. –
Ich bedanke mich für die Übermittlung der Nachricht. –
Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren Abgeordnete! Was wird immer weniger, ob-
wohl wir immer mehr davon sparen? Ich meine jetzt
nicht das Geld des Bundeshaushalts, sondern ich meine
die Zeit. Es ist die Zeit, heißt es in der Titelgeschichte im
Spiegel der letzten Woche, die den modernen Menschen
auf diese Weise verloren geht. Für den Autor ist das ein
paradoxes Phänomen, für viele Familien in Deutschland
der ganz normale Wahnsinn im Alltag. Job, Kita, Schule,
Hausaufgaben, Arzttermine, Fußballspiele am Wochen-
ende, pflegebedürftige Eltern – all das und noch vieles
mehr drückt auf die Familien.

Familie braucht Zeit. Kinder brauchen Zeit. Ehrenamt
braucht Zeit. Pflege braucht Zeit. Zeit ist ein Thema für
alle, und damit ist Zeit ein politisches Thema. Zeit für
Familien, das ist ein Thema, das alle umtreibt. Ich freue
mich, dass dieses Thema, das ich zu Beginn dieser Le-
gislaturperiode angeschoben habe, jetzt sozusagen Flug-
höhe erreicht, dass der Spiegel in einer Titelgeschichte
darüber berichtet, dass die Zeit darüber berichtet, und
zwar nicht auf der Seite „Schöner leben“, sondern auf
der Wirtschaftsseite, und dass sich mittlerweile immer
mehr mit diesem Thema beschäftigen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben das auch schon gestern in der Generalde-
batte gehört. Wenn wir von Belastung und Entlastung
sprechen, dann höre ich immer, wer alles belastet wird,
aber mir fehlt völlig, dass über die gesprochen wird, die
tatsächlich belastet sind, und das sind die Familien in un-
serem Land. Die Working Families, die Familien, in de-
nen die Eltern arbeiten gehen, die Kitagebühren oder
Hortgebühren bezahlen, die gleichzeitig unser Sozialver-
sicherungssystem und die Rentenverbesserungen tra-
gen, sind die Familien, die Belastungen haben. Wir müs-
sen als Allererstes etwas für die Familien tun. Dann ist
das auch für alle anderen, auch für die Wirtschaft, die
nach Fachkräften ruft, gut.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Auch ich habe die Zeit der letzten neun Monate ge-
nutzt, um viele Punkte voranzubringen. Im Bundeshaus-
halt findet sich die Absicherung der Arbeit für Demokra-
tie und Vielfalt, es findet sich die Absicherung des





Bundesministerin Manuela Schwesig


(A) (C)



(D)(B)

Heimkinderfonds, es findet sich die Absicherung der
Mehrgenerationenhäuser und vieles andere mehr. Ich
möchte den Schwerpunkt in den Minuten meiner Rede-
zeit – denn auch hier ist ja die Zeit begrenzt – auf das
Thema „Zeit für Familie“ legen.

Ich habe die Debatte um die Familienarbeitszeit ganz
bewusst angestoßen, weil es wichtig ist, dass wir die Fa-
milien aus dieser Rushhour, die ich eben beschrieben
habe, herausholen, aus der Rushhour, die bedeutet: Liebe
Frauen, bekommt fünf Kinder, um den demografischen
Wandel aufzuhalten! Liebe Frauen, seid als Fachkräfte
da! Liebe Frauen, seid möglichst auch für die pflegebe-
dürftigen Angehörigen da! – Und dann loben wir alle
auch noch das Ehrenamt, das möglichst alle ausüben
sollten, vor allem und meistens Frauen.

Immer mehr Männer wünschen sich, Zeit für ihre Fa-
milie zu haben. Die Männer, die alle Vollzeit arbeiten,
wünschen sich, ein Stück herunterzukommen. Dabei
geht es um eine Reduzierung von 40 auf 35 Wochenstun-
den; sie reden nicht von der Hängematte. Sie sehen, dass
ihre Frauen, die bei 19 Stunden Arbeitszeit hängen, nur
länger arbeiten können, wenn sie sie unterstützen, wenn
sie sie entlasten.

Die Idee, dass sich die Arbeitszeit angleicht, dass man
sich die Zeit für Job und für Familie partnerschaftlich
teilt, tragen über 60 Prozent der Paare mit Kindern unter
drei in ihrem Herzen. Aber nur 14 Prozent realisieren
sie. Warum? Weil es Nachteile gibt, weil Teilzeit immer
noch schlecht bezahlt wird und in unserer Arbeitswelt
wenig anerkannt ist. Das ist ein Fehler. Ich möchte, dass
Teilzeit aufgewertet wird. Wenn junge Mütter und Väter
in ihrem Beruf arbeiten, aber eben nicht voll, weil sie
Zeit für ihre Kinder oder Zeit für pflegebedürftige Eltern
brauchen, dann dürfen sie dafür nicht bestraft werden,
sondern müssen unterstützt werden.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Es geht nicht darum, den Familien eine Stundenzahl
vorzuschreiben. Die Paare können das ganz alleine aus-
handeln und müssen das selbst tun; jeder von uns weiß,
wie das läuft – oder eben nicht läuft. Aber es geht da-
rum, diesen partnerschaftlichen Gedanken zu unterstüt-
zen. Der erste ganz konkrete Schritt hin zu einer Famili-
enarbeitszeit ist das ElterngeldPlus. Wir werden mit dem
ElterngeldPlus dafür sorgen, dass Teilzeitarbeit während
der Elterngeldphase nicht mehr bestraft wird, sondern
dass diejenigen, die während des Elterngeldbezugs Teil-
zeit arbeiten, doppelt so lange ElterngeldPlus bekom-
men. Wenn sie sich partnerschaftlich verhalten, so wie es
moderne Familien machen – moderne Familienpolitik
muss das unterstützen –, dann bekommen sie einen Bo-
nus. Das ist moderne Familienpolitik im Haushalt 2015.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Zeit für Kinder, das ist ein Anliegen der Eltern.
Ebenso wichtig ist es, darauf zu achten, dass auch Kin-
der Zeit haben: Zeit in der Kita, im Kindergarten oder in
der Kindertagespflege. Das ist gute Zeit; denn es ist Bil-
dungszeit. Es wird Zeit, dass die Bildungspolitik in
Deutschland umdenkt und aufwacht. Frühkindliche
Bildung ist die erste wichtige Bildung für Kinder. Wir
haben es gestern gerade wieder von der OECD ins
Stammbuch geschrieben bekommen: Nirgendwo geht es
so ungerecht zu wie in unserem starken, reichen Indus-
trieland. Die Bildung ist immer noch abhängig vom so-
zialen Status. Damit muss Schluss sein. Gute frühkindli-
che Bildung ist ein wichtiger Beitrag, diese Spirale zu
durchbrechen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja, genau! Also Schluss mit dem Betreuungsgeld!)


Wir brauchen gute Kitaplätze und genügend Kita-
plätze. Deshalb ist es gut, dass die Bundesregierung die
Mittel, die sie für mehr Plätze bereitstellt, auf 1 Mil-
liarde Euro aufstockt. Denn wir haben noch nicht genug
Plätze, und die Ganztagsplätze sind noch nicht gut ge-
nug. Ich freue mich, dass die Kollegen aus dem Bereich
der Landwirtschaft hier gerade über gesunde Ernährung
geredet haben. Denn das machen wir mit dem neuen Ki-
tagesetz: Wir fördern insbesondere die Ausstattung wie
Küchen in Ganztagskitas, damit wir zu einer modernen,
gesunden Vollverpflegung kommen. Das ist Qualität, die
wir in Kitas brauchen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Frau Dörner – ich weiß gar nicht, wo sie ist; vorhin
habe ich sie noch gesehen –, Sie reden gelegentlich da-
von, dass das ein 1-Milliarde-Euro-Betrug ist. Ich will
Ihnen die Zahlen nennen. 450 Millionen Euro haben wir
schon während der Koalitionsverhandlungen bereitge-
stellt. Ja, wir hätten so eitel sein und warten können, bis
alles steht und die neue Ministerin es präsentieren kann.
Aber wir haben an die Kinder gedacht. Wir haben schon
während der Koalitionsverhandlungen 450 Millionen Euro
bereitgestellt und stocken jetzt um 550 Millionen Euro
auf. Das ergibt 1 Milliarde Euro. Dazu kommen zweimal
100 Millionen Euro. Das macht 1,2 Milliarden Euro. Da-
von fließen 200 Millionen Euro in 2017 und 2018; eher
kann dieses Geld nicht abfließen. Sie sehen also: Wenn
man rechnen kann, kommt die 1 Milliarde Euro zusam-
men.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Diana Golze [DIE LINKE]: Aber nicht zusätzlich, wie das immer verkauft wird!)


100 Millionen Euro haben wir für Sprachförderung
veranschlagt. Sprachförderung ist das A und O für Chan-
cengleichheit von Kindern. Und wir machen weiter. Wir
werden mit den Ländern im November über Qualität re-
den. Ich habe mich mit Unterstützung der SPD-Fraktion
dafür starkgemacht, dass auch die BAföG-Spielräume
für frühkindliche Bildung genutzt werden können. Nie-
dersachsen geht hier mit gutem Beispiel voran. Die ma-
chen den Betreuungsschlüssel kleiner, damit mehr Zeit
für Kinder bleibt. Liebe Abgeordnete der Grünen, ich
werde dort, wo Sie regieren, genau hinschauen. In den
Ländern können Sie ja mit dem Geld die Ansprüche, die
Sie hier immer formulieren, endlich umsetzen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)






Bundesministerin Manuela Schwesig


(A) (C)



(D)(B)

Zeit für Familie bedeutet aber nicht nur Zeit für Kin-
der, sondern immer mehr drückt der Schuh bei der
Frage: Wie geht es weiter, wenn mein Vater oder meine
Mutter pflegebedürftig wird? Während meiner Sommer-
reise habe ich viele Unternehmen besucht, die genau da-
von berichten. Wir brauchen auch Entlastungsmodelle
für Familien, in denen Erwerbstätige die Eltern pflegen
müssen.

Hier, meine Damen und Herren, geht es nicht um Be-
lastung der Wirtschaft, sondern es geht um Entlastung.
Denn die Wirtschaft muss ja ein Interesse daran haben,
die Fachkräfte zu behalten. Deswegen ist das auch gar
kein Widerspruch, sondern gehört zusammen, und des-
halb ist es gut, dass wir ein Gesetz zur besseren Verein-
barkeit von Beruf und Pflege auf den Weg bringen. Wir
werden dafür sorgen, dass die zehntägige Auszeit für
pflegende Angehörige zukünftig unter Lohnfortzahlung
gestellt wird – wie es auch für den Fall vorgesehen ist,
dass ein Kind krank ist. Wir werden dafür sorgen, dass
Pflegezeit und Familienpflegezeit zusammengeführt
werden, dass man seine Arbeitszeit reduzieren kann und
für diese Zeit ein Darlehen bekommt, um den Lohnaus-
fall abzufedern.

All das ist wichtig, um Zeit für Familien zu organisie-
ren, die in dieser „Rushhour“ sind, mit Kindern, mit
pflegebedürftigen Angehörigen. Damit entlasten wir die
Familien, und damit tun wir auch für die deutsche Wirt-
schaft viel. Denn man kann nicht beklagen, dass Fach-
kräfte wegbrechen, wenn es Pflegebedarf in der Familie
gibt, und dann nichts tun. Mit unserem Gesetz sorgen
wir für eine Balance zwischen der Notwendigkeit, im
Job zu bleiben, und der Zeit für Familie. Wir haben den
Entwurf gerade zur Vorbereitung auf die Anhörung an
die Verbände übersandt. Ich freue mich auf die gemein-
same Anhörung. Denn es geht darum, etwas für die Fa-
milien in Deutschland zu tun.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es geht auch um Zeit für das Ehrenamt. Ich bin froh,
dass wir endlich eine Perspektive für die Mehrgeneratio-
nenhäuser geschaffen haben. 16 Millionen Euro stehen
im Haushaltsentwurf für 2015. Ich sage aber ganz klar:
Das kann nur ein Zwischenschritt sein. Wir haben im
Koalitionsvertrag versprochen, die Mehrgenerationen-
häuser auf Dauer abzusichern. Deswegen müssen wir
gemeinsam eine Lösung finden, wie es über 2015 hinaus
weitergeht.

Ein letzter Punkt; dabei geht es um Zeit in einer ganz
anderen Hinsicht. Man kann die Zeit nicht zurückdrehen,
die Zeit von Menschen, die als Kinder misshandelt wur-
den, die Unrecht erlitten haben, zum Beispiel in DDR-
Kinderheimen. Diese Zeit geht nie vorbei. Wir können
diesen heute Erwachsenen ihre Kindheit nicht zurückge-
ben, aber wir können etwas für sie tun: die Folgen dieses
Unrechts lindern. Weil die bisher dafür vorgesehenen Mit-
tel nicht reichten, haben wir den Fonds für die Opfer der
Heimerziehung in der ehemaligen DDR auf 42,7 Millio-
nen Euro aufgestockt. Das ist unsere Haltung, Verant-
wortung zu übernehmen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Da die Zeit nirgends so genau gestoppt wird wie bei
den Reden im Deutschen Bundestag, sage ich jetzt nur
noch: Ich freue mich auf die Beratung des Einzel-
plans 17.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1805116100

Vielen Dank. – Sie müssen aber zugeben: Wir waren

großzügig.

Das Wort zu einer Kurzintervention hat jetzt die Kol-
legin Katja Dörner, Bündnis 90/Die Grünen.


Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1805116200

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Da die Ministerin

mich direkt angesprochen hat, fühle ich mich bemüßigt,
kurz darauf zu reagieren.

Frau Ministerin, Sie haben von den 450 Millionen Euro
gesprochen. Ich habe in mehreren Äußerungen darauf
hingewiesen, dass ich es nicht okay finde, zu suggerie-
ren, das sei frisches Geld. Das ist Geld gewesen, das in
vorangegangenen Haushaltsberatungen zur Verfügung
gestellt worden ist, in vorangegangenen Jahren, nicht
durch diese Koalition, auch nicht im Rahmen der Koali-
tionsverhandlungen. Es ist ja auch überhaupt nicht mög-
lich, im Rahmen von Koalitionsverhandlungen zusätzli-
ches Geld zur Verfügung zu stellen; das macht immer
noch der Haushaltsgesetzgeber.

Man muss auch darauf hinweisen, dass zu dem Zeit-
punkt, als von den 450 Millionen Euro die Rede war,
dieses Geld schon zu fast 100 Prozent bewilligt war; in-
sofern war das kein zusätzliches Geld, das noch ausge-
geben werden konnte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Das ist das gewesen, was ich immer gesagt habe: dass es
nicht in Ordnung ist und nicht fair ist, zu suggerieren,
dass in dem 6-Milliarden-Euro-Paket der Bundesregie-
rung 1 Milliarde Euro zusätzlich für Kitainvestitionen
enthalten sei.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1805116300

Vielen Dank. – Frau Ministerin, Sie haben jetzt die

Gelegenheit, zu antworten. Sie sehen, der Deutsche Bun-
destag ist sehr großzügig.

Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Ja, vielen Dank. – Ich glaube, wenn man über den
Haushalt redet, ist es schon wichtig, dass man sich mit
Zahlen auskennt.





Bundesministerin Manuela Schwesig


(A) (C)



(D)(B)


(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was soll das denn?)


Fakt ist, Frau Dörner, dass die 1 Milliarde Euro in dieser
Legislatur für den Kitaausbau zur Verfügung stehen. Das
haben wir versprochen, und das halten wir. Sie wissen,
dass die 450 Millionen Euro Ende 2013 in den Haushalt
des Finanzministers abgeflossen wären. Während der
Koalitionsverhandlungen haben wir uns darauf geeinigt
– die Mehrheit hier im Deutschen Bundestag, aber auch
eine Mehrheit im Bundesrat –, dafür zu sorgen, dass die-
ses Geld neu zur Verfügung gestellt wird.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das Geld stand doch schon zur Verfügung! Es war schon bewilligt! Was ist denn das für eine Leistung?)


Natürlich hätten wir sehr eitel sein können und sagen
können: Wir lassen das Geld abfließen – damit wird vor
Ort alles gestoppt – und machen dann in der neuen Le-
gislatur mit dem gleichen Geld ein neues Gesetz.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Geld war doch schon bewilligt!)


Das hätten vielleicht Sie so gemacht; aber uns ging es
um die Sache, uns ging es darum, dass es vor Ort zügig
vorangeht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Zum Zeitpunkt der Verhandlungen, im Mai 2014, stan-
den – anders als Sie es eben gesagt haben – noch genau
450 Millionen Euro zur Verfügung; die haben wir um
550 Millionen Euro aufgestockt.

Ich würde einfach bitten: Machen Sie inhaltliche Vor-
schläge, und sorgen Sie nicht mit Zahlendrehereien für
Verwirrung!


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war eine volle Bestätigung der Kurzintervention – danke!)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1805116400

Vielen Dank. – Nächste Rednerin in der Debatte ist

Diana Golze, Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Diana Golze (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805116500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen

und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Erst kurz
vor der parlamentarischen Sommerpause haben wir hier
den Haushalt für das Jahr 2014 beschlossen. Er basierte
auf dem Entwurf, den noch Schwarz-Gelb vorgelegt
hatte. Der jetzt vorliegende Entwurf soll nun die Hand-
schrift von Union und SPD tragen. Hält man sich vor
Augen, welche großen Ziele die SPD hatte, um gerade in
der Familienpolitik solidarischer, gerechter und wir-
kungsvoller Politik zu machen, dann kann man sich auch
beim zweiten Haushaltsentwurf des Familienministe-
riums leider nur die Augen reiben. Die Ministerin hat die
Opposition gerade aufgefordert, Vorschläge zu machen.
Ich frage Sie: Wo sind denn Ihre Vorschläge? Wo, Frau
Ministerin, sind die Impulse, die zu einer modernen und
gerechten Gesellschaft führen? Wo sind die Konzepte, um
es wirklich allen Familien – der ganzen Gesellschaft – zu
ermöglichen, sich frei zu entfalten und teilzuhaben? Ich
kann sie auch in diesem Haushaltsentwurf nicht finden,
und ich werde das belegen.

Die Probleme sind seit langem bekannt. Bereits der
Siebte Familienbericht und der 14. Kinder- und Jugend-
bericht haben die zentralen Fragen deutlich gemacht.
Mit der sogenannten Gesamtevaluation der ehe- und fa-
milienbezogenen Leistungen haben Sie eine weitere Stu-
die an die Hand bekommen, die klare Handlungsemp-
fehlungen gibt. Zu diesem Bericht haben Sie sich wie
folgt geäußert, Frau Schwesig – ich zitiere Sie aus-
nahmsweise einmal –:

Ich freue mich, dass der Abschlussbericht vorliegt.
Hieraus können wir eine Menge lernen: Mit dem
ElterngeldPlus und den Investitionen in die Kinder-
betreuung sind wir auf dem richtigen Weg. Es bleibt
aber noch viel zu tun.


(Nadine Schön [St. Wendel] [CDU/CSU]: Das ist richtig!)


„Hieraus können wir eine Menge lernen“, „Wir sind
auf dem richtigen Weg“ – ich bitte Sie! Der Bericht sagt
zum Beispiel mit Blick auf das Kindergeld, den Unter-
haltsvorschuss, auch das Elterngeld – ich zitiere –:

Diese Leistungen können … gleichzeitig mit dem
Arbeitslosengeld II bezogen werden, sie werden je-
doch vollständig auf das Arbeitslosengeld II ange-
rechnet.

Soweit ich informiert bin, ändert sich daran auch mit
dem Konzept für das ElterngeldPlus nichts. Weiterhin
bleibt es so, dass arme Eltern vom Elterngeld nicht profi-
tieren werden; Sie ändern auch mit diesem Haushaltsent-
wurf nichts daran.

Und wo ist der wirkliche Fortschritt beim Ausbau der
Kindertagesbetreuung? Wie lösen wir die Probleme, auf
die zum Beispiel auch der aktuelle Prognos-Bericht hin-
weist? In diesem Bericht ist die Rede davon, dass nicht
nur die Linke und andere, sondern auch die Eltern da-
rüber reden und vor allem in Bezug auf die Qualität der
Kindertagesbetreuung sagen: Da stimmt etwas nicht, da
muss nachgebessert werden. Wo bitte bleibt denn die
Qualitätsoffensive, die die SPD im Wahlkampf angekün-
digt hat? Was ist für Sie Kitaqualität? Sind Sie bereit,
Mindeststandards zu definieren – zum Beispiel für Grup-
pengrößen oder auch für die Gehälter der Erzieherinnen
und Erzieher – und diese dann auch tatsächlich zu finan-
zieren? Ich finde das im Haushalt nicht.

Der Gesetzentwurf zur Aufstockung des Sonderver-
mögens für den Kitaausbau steht in der nächsten Sit-
zungswoche auf der Tagesordnung. Den Abgeordneten
liegt er noch nicht vor, aber netterweise steht er auf der
Homepage des Finanzministeriums. Wenn ich dort hi-
neinschaue, dann lese ich, wie die Gelder auf die Bun-





Diana Golze


(A) (C)



(D)(B)

desländer aufgeteilt werden sollen und wie die technokra-
tische Abwicklung funktionieren soll. Von Kitaqualität ist
darin außer in der Überschrift aber keine Rede.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wo bleibt also die Qualität?

Nun streiten wir uns über die zusätzliche Milliarde für
die Kitas. Es wurde eine zusätzliche Milliarde angekün-
digt; da gebe ich meiner Kollegin Dörner völlig recht.
Aber selbst wenn es eine zusätzliche Milliarde wäre,
würde dieses Geld – das weiß jeder, der Kitaqualität
ernst nimmt – nicht ausreichen, um die Länder und
Kommunen in die Lage zu versetzen, das qualitative De-
fizit auszugleichen.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Stattdessen finden wir im Haushalt für 2015 die statt-
liche Summe von 1 Milliarde Euro für das Betreuungs-
geld. Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, ich kann
Ihnen das leider nicht ersparen; aber es ist auch nicht
meine Aufgabe als Opposition, Sie jetzt vier Jahre lang
dafür zu bedauern, dass Sie in der Großen Koalition ge-
fangen sind und dieses Opfer bringen müssen. Ich werde
das auch weiterhin ansprechen. Dieses Betreuungsgeld
ist nach wie vor bildungspolitisch, arbeitsmarktpolitisch
und auch haushaltspolitisch völlig unsinnig.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Und es geht hier wohlgemerkt um 1 Milliarde Euro für
ein Jahr und nicht um einmalig 1 Milliarde Euro zusätz-
lich für Bildung für die ganze Legislaturperiode! Wo ist
hier der gerechte Ansatz?

Die Menschen, die davon betroffen sind, wissen, dass
das auch auf das ALG II angerechnet wird. Hier ist nach
wie vor eine Ungleichbehandlung der Familien vorgese-
hen. Die familienpolitischen Leistungen werden über
den Etat des Familienministeriums finanziert. Dadurch
soll nicht der Etat des Arbeitsministeriums entlastet wer-
den, sondern diese Leistungen sollen die Familien in die
Lage versetzen, über die Runden zu kommen, und sie
sollen ihnen materielle Sicherheit bieten.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich möchte noch ein weiteres Beispiel dafür nennen,
dass die Gleichstellung der Familien eben nicht funktio-
niert. Schauen Sie sich das Kindergeld an. Solange ich
als Bundestagsabgeordnete und Mutter von zwei Kin-
dern über die steuerliche Entlastung aufgrund des Kin-
derfreibetrags mehr durch den Staat entlastet und geför-
dert werde als meine Nachbarin, die im Supermarkt
arbeitet und nur das Kindergeld bekommt, stimmt hier
etwas nicht. Jedes Kind muss dem Staat gleich viel wert
sein, und ich erwarte, dass ein SPD-geführtes Familien-
ministerium hierzu Vorschläge unterbreitet.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie werden aber wohl nicht kommen; denn auch weitere
Förderinstrumente setzen weiterhin auf Unterschiede
zwischen den Familien.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch das Ehe-
gattensplitting ansprechen; auch das ist ein wunderbares
Thema, das uns hier schon seit langem begleitet. Dieses
Ehegattensplitting täuscht vor, dass die Familien gleich-
behandelt werden, was aber überhaupt nicht der Fall ist.
Schauen Sie sich zum Beispiel an, dass die steuerliche
Entlastung von Alleinerziehenden ins Verhältnis gesetzt
nicht einmal annähernd so hoch ist wie die von Ehepaa-
ren. Warum ignoriert man darüber hinaus, dass auch
Paare ohne Trauschein Verantwortung füreinander über-
nehmen? An anderer Stelle wird dies übrigens vorausge-
setzt.

Ich habe ja eben schon das Arbeitslosengeld II ange-
sprochen. Hier heißt es: Eheähnliche Gemeinschaften
liegen vor,

wenn die Bindung der Partner so eng ist, dass von
ihnen ein gegenseitiges Einstehen in Not- und
Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann.

Hier setzt man keinen Trauschein voraus, um Bedarfsge-
meinschaften zu definieren, die füreinander einstehen
müssen. Hier ist es übrigens auch egal, ob es sich um
gleichgeschlechtliche nichteingetragene Lebenspartner-
schaften handelt. Es geht nur darum, dass sie Verantwor-
tung füreinander übernehmen. Vom Ehegattensplitting
profitieren aber eben nur Paare mit Trauschein.

Ich sage: Steuerliche Vorteile aufgrund einer be-
stimmten Lebens- und Beziehungskonstellation verstär-
ken die Probleme eines ungerechten Leistungssystems.
Familien brauchen eine transparente, verlässliche und
armutsverhindernde Unterstützung, und ich erwarte von
einer Familienministerin, dass sie sich für ein Familien-
leistungssystem starkmacht, das die Bedürfnisse aller
Familienformen gleichermaßen im Blick hat.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das sehe ich bei diesem Entwurf nicht gegeben. Sie
können nur noch zwei Entwürfe vorlegen. Ich glaube, da
haben Sie noch einiges aus den Berichten, die Ihnen vor-
liegen, zu lernen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1805116600

Vielen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion erhält

jetzt Nadine Schön das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Wir als Familienpolitikerinnen und Familien-
politiker sehen uns als Anwältinnen und Anwälte der
jungen Generation und auch der nachfolgenden Genera-





Nadine Schön (St. Wendel)



(A) (C)



(D)(B)

tionen. Deshalb sind wir besonders stolz, dass wir mit
diesem Haushalt einen historischen Haushalt vorlegen,
nämlich den ersten Haushalt ohne neue Schulden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das hat schon so einen Bart!)


– Wenn jetzt der Einwurf von den Linken kommt, das
habe „so einen Bart“, dann wäre es schön, wenn Sie sich
mit uns über diesen Bart freuen würden;


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


denn auch Sie müssten sich doch über den ersten Haus-
halt ohne Neuverschuldung freuen.

Angesichts der Reaktionen der Linken oder auch der
Grünen in den letzten Tagen dachte ich ganz oft: Ich bin
komplett im falschen Film.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das denken wir auch! Das sage ich die ganze Zeit, dass Sie das sind!)


Da wurde doch tatsächlich gesagt, dass man besser noch
ein paar mehr Schulden machen müsse, um zu investie-
ren, und dass das besser als ein ausgeglichener Haushalt
sei; das Falscheste, was wir hier machen könnten, sei ein
ausgeglichener Haushalt. – Liebe Kolleginnen und Kol-
legen, ich kann Ihnen nur sagen: Auf Schuldenbergen
kann man keine Zukunft bauen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Schulden sind Treibsand. Schulden sind kein festes Fun-
dament. Deshalb ist es gut, dass in diesen Tagen deutlich
wurde, wer hier für was steht. Sie stehen dafür, Schulden
zu machen,


(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Wir stehen für die Zukunft!)


und zwar nicht zu knapp.

Denken Sie doch einmal an Ihre Familie, an Ihren pri-
vaten Haushalt. Es ist okay, Schulden zu machen, etwa
um ein Haus zu bauen, um in die Zukunft zu investieren.


(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Vor allem bei Niedrigzinsen!)


Aber es ist nicht mehr okay, so viele Schulden anzuhäu-
fen, dass weder Sie für den Rest Ihres Lebens noch die
nächste Generation oder die übernächste Generation fi-
nanzielle Spielräume haben werden oder investieren
können, weil alle nur noch damit beschäftigt sind, die
Schulden und die Zinsen für Ihre Schulden abzutragen.
Das ist keine generationengerechte Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU – Diana Golze [DIE LINKE]: Unsere Vorschläge waren immer gegenfinanziert! Es ist Unsinn, was Sie erzählen!)


Wir haben gesagt: Wir machen uns auf den Weg, den
Schuldenberg abzutragen. Wir machen im Sinne der
neuen Generation keine neuen Schulden.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist der falsche Ansatz! – Diana Golze [DIE LINKE]: In Brandenburg haben wir die Schulden der CDU-Regierung abbezahlt!)


Wir haushalten klug. Klug haushalten heißt zum ei-
nen, keine neuen Schulden zu machen. Zum anderen
heißt es aber auch, in die Zukunft zu investieren. Dass
wir in die Zukunft investieren, sehen Sie zum einen am
Bildungshaushalt. Das Volumen des Haushalts des
Ministeriums für Bildung und Forschung von Frau
Wanka – das ist jetzt ein anderes Haus – hat sich von
2005 bis 2015 verdoppelt. Wir investieren allein in die-
ser Legislaturperiode 6 Milliarden Euro mehr in Bildung
und Forschung, 6 Milliarden Euro mehr in die Köpfe un-
serer Menschen, in Zukunft. Wir investieren klug in Zu-
kunft, parallel zum ausgeglichenen Haushalt.


(Beifall bei der CDU/CSU – Diana Golze [DIE LINKE]: Zwei Drittel in die Hochschulen und nicht in Kitas und Schulen!)


Auch unser Haushalt ist ein klares Signal an die Men-
schen in unserem Land, dass wir in Zukunft investieren.
Auch das Volumen unseres Haushalts, des Familien-
haushalts, steigt, nämlich um 497 Millionen Euro auf
jetzt 8,45 Milliarden Euro. Das ist ein deutlicher Zu-
wachs für die Familien in unserer Gesellschaft, für die
Kinder, die Familien, die Senioren, für den gesellschaft-
lichen Zusammenhalt.


(Diana Golze [DIE LINKE]: Das sind gesetzliche Ansprüche, die Sie erfüllen müssen!)


Diese Investitionen sind gut angelegtes Geld. Was uns
leitet – dass Sie, Frau Golze, das kritisieren, finde ich
schon etwas merkwürdig –, ist der Dreiklang – die
Ministerin hat das schon dargestellt – von Zeit, Geld und
Infrastruktur. Diesen Dreiklang haben wir in den letzten
Jahren mühsam erarbeitet. Ich weiß nicht, was es daran
zu kritisieren gibt, dass wir die gute Familienpolitik der
CDU-geführten Regierung der letzten Jahre fortsetzen.
Das war eine gute Politik mit dem Dreiklang von Zeit,
Geld und Infrastruktur. Diese Politik führen wir fort. Wir
haben die richtigen Weichen gestellt. Schade, dass Sie
das kritisieren. Ich glaube, für die Menschen im Land
war es eine gute Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir fangen mit den ganz Kleinen in unserem Land an,
nämlich mit dem Thema Frühe Hilfen. Wir unterstützen
mit über 51 Millionen Euro Netzwerke von Eltern, Ju-
gendhilfe und Ärzten, die dafür sorgen, dass kein Kind
durchs Netz fällt, dass die Kinder unterstützt werden, die
es schwer haben, dass wir die Familien unterstützen, die
bei der Erziehung Begleitung und Unterstützung brau-
chen.

Wir sorgen dafür, dass die etwas größeren Kinder in
Kitas Bildung und Betreuung bekommen. Ich finde es
schon merkwürdig und auch schade, dass Sie immer die
Kitabetreuung und die familiäre Betreuung gegeneinan-
der ausspielen.





Nadine Schön (St. Wendel)



(A) (C)



(D)(B)


(Diana Golze [DIE LINKE]: Ich betreue meine Kinder auch, obwohl sie in die Kita gehen! Das ist doch Unsinn!)


Beides ist doch wichtig. Wir brauchen ein gutes Eltern-
haus, wir brauchen Eltern, die Zeit und Liebe für ihre
Kinder haben. Wir brauchen aber auch die flexible Kin-
derbetreuung.


(Diana Golze [DIE LINKE]: Denken Sie, ich liebe meine Kinder nicht, nur weil ich sie in die Kita gegeben habe? Das ist ja nicht zu fassen!)


Deshalb haben wir den Rechtsanspruch auf einen Kita-
platz formuliert. Wir sorgen dafür, dass der Kitaausbau
in den Kommunen vorangeht.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir sorgen auch dafür, dass er weiter vorangehen
kann, obwohl eigentlich die Länder und Kommunen ori-
ginär für den Kitaausbau zuständig sind. Auch beim
Thema Qualität sind Länder und Kommunen die zustän-
digen Ebenen. Wir unterstützen sie, und deshalb haben
wir ein Qualitätsprogramm von 126 Millionen Euro auf-
gelegt. Sie müssen sich schon an die richtigen Ansprech-
partner wenden und vielleicht in den Ländern, in denen
Sie mitregieren, dafür sorgen, dass in die Qualität und
den Ausbau der Kitabetreuung ordentlich investiert
wird.


(Beifall bei der CDU/CSU – Diana Golze [DIE LINKE]: Ja, das tun wir auch! Davon können Sie sich überzeugen! Schauen Sie sich es an! Sogar bei einem ausgeglichenen Haushalt, Frau Kollegin!)


Wir investieren in die jungen Menschen in unserem
Land. Das zeigt sich deutlich etwa im Kinder- und Ju-
gendplan, der auf 147 Millionen Euro aufgestockt
wurde. Wir haben die Mittel dafür im letzten Haushalt
um 1 Million Euro erhöht, und das behalten wir auch
bei. Man sieht in diesen Tagen, wie anfällig manche
junge Menschen für extremistisches Gedankengut sind.
Es gibt mehrere Hundert junge Leute in Deutschland, die
freiwillig nach Syrien gehen, um dort in den Heiligen
Krieg zu ziehen. Das ist hier angesprochen worden. Es
sind Jugendliche, die zu schwach waren, der Bedrohung
und den Versprechungen dieser Gruppen zu widerstehen.

Deshalb ist es richtig, dass wir in die jungen Men-
schen investieren und dafür sorgen, dass es zum einen an
Schulen ein enges Netzwerk gibt, dass es zum anderen
aber auch entsprechende Projekte für Toleranz und De-
mokratie gibt. Diese dürfen sich nicht nur gegen Rechts-
und Linksextremismus in unserem Land richten, was
sehr wichtig ist; wir müssen vielmehr auch verstärkt auf
den religiösen Fundamentalismus schauen und prüfen,
ob wir an der Stelle nicht noch Nachholbedarf in unse-
rem Land haben. Das wird in diesen Tagen ganz beson-
ders deutlich. Es ist ein Anliegen von uns allen, die Pro-
jekte dahin gehend zu überprüfen, damit wir die Projekte
in diesem, auch für die jungen Menschen, extrem gefähr-
lichen Bereich ordentlich ausstatten können.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir investieren in junge Familien – das ist, glaube
ich, deutlich geworden – mit einem ganzen Paket von fa-
milienpolitischen Leistungen. Das Teuerste, aber auch
das, was die Familien am meisten schätzen, ist das El-
terngeld, das wir in der vorletzten Legislaturperiode ein-
geführt und das wir flexibilisiert haben und in den nächs-
ten Wochen weiter flexibilisieren und attraktiver für
junge Familien machen, damit die Familien selbst ent-
scheiden können, wie sie leben wollen. Der Anspruch
unserer Politik ist, dass sie Beruf und Familie ganz indi-
viduell nach ihren Möglichkeiten kombinieren können.

Wir wollen keinem vorschreiben, wie er zu leben hat,
sondern wir wollen ermöglichen, dass junge Paare selbst
Beruf und Familie, Familienarbeit und Erwerbstätigkeit
kombinieren und so leben können, wie es ihrer Situation
am besten gerecht wird. Das ElterngeldPlus ist ein deut-
licher Schritt dahin, dass sie das auch machen können.
Deshalb sind 5,4 Milliarden Euro auch sehr gut angeleg-
tes Geld.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir setzen in diesem Jahr einen Schwerpunkt beim
Thema Pflege. Deshalb sind 100 Millionen Euro aus der
Pflegeversicherung für Lohnersatzleistungen für die Fa-
milien eingestellt, die plötzlich – das passiert oft ganz
plötzlich – vor einer Pflegesituation stehen und organi-
sieren müssen, dass die Mutter oder der Vater versorgt
wird, sei es in einem Heim oder in der häuslichen Umge-
bung. Zehn Tage sind ein überschaubarer Zeitraum, aber
man braucht diese Zeit für die Organisation. Außerdem
wollen wir dafür sorgen, dass die Vereinbarkeit von Fa-
milie und Beruf auch die Vereinbarkeit von Pflege und
Beruf umfasst. Deshalb werden wir die Familienpflege-
zeit weiterentwickeln. Auch hier gibt es einen neuen fi-
nanziellen Ansatz im Haushalt. Das elementare Thema
der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ist die Heraus-
forderung dieser Legislaturperiode, vor der wir alle ste-
hen, die Herausforderung der nächsten Jahre. Das be-
trifft so ziemlich jede Familie in unserem Land. Deshalb
müssen wir darauf ein ganz besonderes Augenmerk rich-
ten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, wir in-
vestieren generationsübergreifend viel in Familien, und
wir investieren partnerschaftlich in alle Generationen.
Gleichzeitig sorgen wir aber auch dafür, dass auch die
nächste Generation noch die finanziellen Spielräume
hat, um das umzusetzen, was dann wichtig sein wird und
was wir heute noch gar nicht erahnen können. Das ist in
meinen Augen kluge Politik, die die richtige Balance
zwischen Sparen und Investieren wahrt.

Es ist schade, dass Sie nur darauf setzen, mehr Geld
auszugeben.


(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Auf das richtige Verteilen! Darum geht es!)






Nadine Schön (St. Wendel)



(A) (C)



(D)(B)

Das würde dazu führen, dass die nächste Generation von
Zinszahlungen erdrückt würde. Dass es dazu kommt,
wollen wir nicht. Das können wir nicht verantworten.
Deshalb wollen wir einen Gleichklang zwischen Sparen
und Investieren.


(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir setzen da auf Qualität, Frau Schön!)


Ich freue mich, dass wir das in diesem Haushalt erneut
unter Beweis stellen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1805116700

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Ekin Deligöz,

Bündnis 90/Die Grünen.


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1805116800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Viel verändert sich am Einzelplan 17 nicht. An sich ist
Beständigkeit gut; sie hat viele Vorzüge, aber im Zusam-
menhang mit Ihrem Etat, Frau Ministerin, ist das eindeu-
tig zu wenig.

Und Sie, Frau Schön, tun ja gerade so, als ob Konsoli-
dieren und Investieren gegeneinanderstünden.


(Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Eben nicht!)


Dabei lautet die Botschaft der Opposition, die Sie nicht
verstanden haben, genau umgekehrt: Konsolidieren und
Investieren gehören zusammen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Nadine Schön [St. Wendel] [CDU/CSU]: Genau!)


Es gibt dabei auch einen dritten Weg, den zu gehen Sie
nicht den Mut haben, einen dritten Weg, der zukunftsge-
richtet und nicht vergangenheitsbezogen ist.

Wir legen Ihnen eine lange Liste mit Kürzungen vor,
die rückwärtsgewandte Maßnahmen betreffen, die über-
holt sind und in die Steinzeit zurückführen. Zum Bei-
spiel im Bereich der Kernforschung könnten wir kürzen,
zum Beispiel bei klimaschädlichen Subventionen könn-
ten wir kürzen, zum Beispiel beim Dienstleistungsprivi-
leg oder beim Deutschlandstipendium, das nicht funktio-
niert, könnten wir kürzen,


(Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Deutschlandstipendium ist super!)


zum Beispiel beim Betreuungsgeld – warum nicht in die
Kinder investieren, warum in Ideologie investieren? –
könnten wir kürzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das so eingesparte Geld könnten wir in zukunftsge-
richtete Maßnahmen investieren; denn Investitionen sind
auch eine Anlage in die Zukunft unserer Kinder. Wir
hinterlassen unseren Kindern nicht nur Lasten aus Haus-
haltsdefiziten, sondern wir hinterlassen unseren Kindern
auch all das, was ihnen Chancen eröffnet – oder eben
auch nicht, wenn es etwa in Schulen hereinregnet. Eine
verpasste Chance ist auch, dass Alleinerziehende keine
Kinderbetreuungsplätze finden, weil uns Ganztagsbe-
treuungsplätze fehlen, und deshalb nur wenige erwerbs-
tätig sein können. Dass der ursächliche Zusammenhang
mit nach wie vor unzureichenden Betreuungsangeboten
besteht, sagte mir jüngst auch die Regionaldirektion
Bayern der Agentur für Arbeit. Wir wollen auch, dass in
Qualität investiert wird. Wir müssen ernst nehmen, dass
auch das zukunftsgewandt ist. Sie ignorieren das. Kon-
solidieren und Investieren gehören aber ehrlicherweise
zusammen, auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Frau Schwesig, ich habe genau zugehört. Als Mit-
glied des Haushaltsausschusses habe ich nämlich ge-
lernt, auch auf Details zu hören. Sie wollen uns doch
nicht wirklich hier als Ihr Verdienst verkaufen, dass Sie
bereits zugesagte, bewilligte Mittel in diese Wahlperiode
herübergerettet haben, und sich damit rühmen! Das ist
nicht Ihr Ernst! Das kann gar nicht Ihr Ernst sein, so zu
argumentieren. Sie haben wenigstens zugegeben – dafür
bedanken wir uns sehr herzlich –, dass lediglich
550 Millionen Euro neu dazukommen, dass der Rest
längst bewilligt und längst bereitgestellt worden war. Ich
hätte gerne einmal mitbekommen, wie Sie es hinbekom-
men haben, das bereitgestellte Geld wieder einzustrei-
chen. Also, Frau Schwesig, das, was Sie nicht hinbe-
kommen, das müssen Sie hier auch nicht behaupten. Was
falsch ist, bleibt falsch.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich komme noch einmal auf das, was Sie eigentlich
vorhaben. Sie sagten, dass es unerlässlich sei, für Quali-
tät in der Versorgung zu sorgen. Sie wollen dazu jetzt
auch einen Gipfel veranstalten. Sie wollen sich mit Ihren
Kollegen aus den Ländern treffen. Ihre Länderkollegen
– Sie waren ja immerhin lange genug Ministerin – sind
mindestens genauso enttäuscht wie Sie, weil ja eigent-
lich erwartet worden war, dass mindestens 2 von den
6 Milliarden Euro in den Anfang der Bildungskette in-
vestiert würden. Herausgekommen sind 550 Millionen.
Ich würde einmal sagen: Sie haben angesichts der
Summe, die Sie jetzt ausgeben, ein bisschen zu viel ver-
sprochen. Das müssen Sie jetzt verkaufen.

So ganz erwartungsvoll bin ich, ehrlich gesagt, auch
nicht mit Blick auf diesen Gipfel. Denn was wollen Sie
mit den Ländern voranbringen, was die Länder nicht oh-
nehin schon ohne Sie tun oder tun könnten? Was wollen
Sie ihnen versprechen? Sie reisen mit leerem Gepäck an.
Sie haben überhaupt keine Finanzmittel. Sie wollen sich
zwar austauschen – fachlicher Austausch ist immer
gut –, aber seien Sie einmal ehrlich: Wir haben keine Er-
kenntnisdefizite, wir haben Vollzugsdefizite. Dafür brau-
chen wir die Finanzmittel. Die wiederum nehmen Sie
nicht mit. Machen Sie hier also keine leeren Verspre-





Ekin Deligöz


(A) (C)



(D)(B)

chungen! Wir brauchen Qualität in diesem Land, und das
mit Entschlossenheit und nicht nur mit leeren Worten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Die einzige wirklich gravierende Steigerung in Ihrem
Haushaltsentwurf wird durch das Betreuungsgeld be-
wirkt. Ehrlich gesagt, ich sage nichts mehr dazu;


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Das ist höchste Zeit!)


denn das spricht für sich.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Bei Ihnen fehlt, dass Sie das Problem unserer Zeit
angehen. Kinderarmut, Familienarmut kommt in Ihren
Debatten überhaupt nicht mehr vor. Über die Situation
der Alleinerziehenden verlieren Sie kein Wort. Sie könn-
ten jetzt entschlossen die Familienförderung angehen.
Sie könnten endlich an den Regelsätzen etwas ändern
und die Rechte der Kinder verteidigen. Sie könnten end-
lich einmal den Mut haben, dieses unsägliche Bildungs-
und Teilhabepaket zu überarbeiten; denn Sie wissen
doch selber am besten, was für eine überbordende Büro-
kratie dahintersteckt und dass das Geld nicht bei den
Kindern ankommt. Das könnten Sie, machen Sie aber
nicht. Sie reden von Zeit. Die Zeit haben Sie jetzt als
Ministerin. Handeln Sie, und schauen Sie nicht zu!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Diana Golze [DIE LINKE])


Zuletzt noch ein paar Punkte, die mir wichtig sind:

Einsatz gegen Rechtsextremismus. Sie kommen aus
Mecklenburg-Vorpommern und müssten deshalb wissen,
wie wichtig Mittel hierfür sind. Ich hätte mir da ein
bisschen mehr Geld gewünscht. Wir werden den Antrag
wieder einbringen, die Mittel deutlich zu steigern. Wir
werden genau überprüfen, ob es Ihnen wenigstens ge-
lingt – das ist das Mindeste –, die Mittel zu verstetigen
und aus dieser Projektitis, die Sie hier vollziehen, he-
rauszukommen. Auch die Neukonzeption der Bildungs-
zentren ist, so wie der Freiwilligendienst jetzt angelegt
ist, finanziell gar nicht mehr zu halten. Eigentlich hatte
ich ja gehofft, dass Sie uns dazu etwas vorlegen. Das ist
bisher nicht geschehen. Aber was nicht geschehen ist,
kann ja noch kommen. Da bin ich mal gespannt.

Evaluierung der Frühen Hilfen. Wir beide haben das
einmal gemeinsam verhandelt. Ich glaube, die positiven
Befunde werden uns darin bestätigen. Aber es reicht
nicht, das einmal verhandelt zu haben. Wir haben uns
doch gemeinsam als Rot-Grün erhofft, dass es endlich
einmal dazu kommt, dass das Gesundheitsressort mit
dem Familienressort zusammenarbeitet. Warum machen
Sie das nicht? Die Argumente waren doch auf unserer
Seite. Warum bleiben Sie da so passiv? Wir brauchen ge-
stärkte Beratungsstrukturen in diesem Bereich.

Nicht zuletzt, Frau Ministerin, erwähne ich den Fonds
Sexueller Missbrauch. Ich finde es gut, dass wir als
Bund da das Geld in die Hand nehmen. Frau Präsidentin,
erlauben Sie mir, dass ich einen gemeinsamen Appell
starte, nämlich vom Bundestag an die Länder. Es reicht
nicht, wenn sich nur der Bund engagiert.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Bayern ist dabei!)


Wir brauchen die Länder. Wir sind nämlich in der
gemeinsamen Verantwortung. Das war ein staatliches
Versagen, und da müssen wir handeln.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Beratungen
über den Haushalt werden spannend. Noch spannender
wäre es, wenn Sie sich dafür auch engagieren würden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1805116900

Danke schön. – Der Kollege Marcus Weinberg hat

jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Marcus Weinberg (CDU):
Rede ID: ID1805117000

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kollegen!

Konsolidieren, investieren, hin und her – als Ergebnis
bleibt die schwarze Null; die steht. Darauf können wir
stolz sein, weil dies, glaube ich, eine familienpolitische
Errungenschaft für die nächsten Jahre ist; denn es wären
unsere Kinder, die dann möglicherweise neue Schulden
zurückzahlen müssten. Das sollte man in einer solchen
Debatte auch immer erwähnen


(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Ja! Bitte noch mal!)


und unterstreichen. Lieber Kollege Hahn, wenn man
mich 1967, als ich geboren wurde, einmal gefragt hätte:
„Was sind drei grundsätzliche Ziele der nächsten
Jahre?“, dann hätte ich gesagt: der Weltfrieden, dass
St. Pauli vielleicht einmal Deutscher Meister wird


(Heiterkeit bei der SPD)


und bitte keine Schulden machen. 45 Jahre lang haben
wir in diesem Land Schulden gemacht. Diejenigen, die
die Schulden abtragen, sind unsere Kinder. Deswegen ist
es eine Errungenschaft, gerade auch vor dem Hinter-
grund dessen, was wir für Familien und für die kommen-
den Generationen tun.


(Beifall bei der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die schwarze Null darf kein Selbstzweck sein! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Und St. Pauli ist nie Deutscher Meister geworden!)


– St. Pauli wird auch nie Deutscher Meister; davon kann
man sich verabschieden. Aber zumindest auf den zuvor
von mir genannten Punkt können wir, glaube ich, dann
auch sehr positiv zurückblicken.

Eine Haushaltsdebatte ist immer eine gute Gelegen-
heit, Grundsätze der Familienpolitik zu diskutieren, auch
möglicherweise verschiedene Ansätze. Man hat ja bei
der Kollegin der Grünen gemerkt, wie schwierig es ist,
sozusagen kritische Punkte irgendwo herauszuziehen.





Marcus Weinberg (Hamburg)



(A) (C)



(D)(B)


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich ziehe nie etwas heraus! Ich sage nur die Wahrheit, Herr Kollege!)


Denn gerade angesichts der familienpolitischen Maß-
nahmen der letzten Jahre wird immer deutlicher, dass
wir den richtigen Weg gegangen sind, und zwar im
Sinne der Familien, der Eltern und der Kinder. Vor die-
sem Hintergrund führen wir die Diskussion. Ich bin der
Ministerin sehr dankbar, dass man, wenn man über fami-
lienpolitische Veränderungen diskutiert, vor allem eins
macht: sich ohne den berühmten Blubberschaum vor
dem Mund ruhig und sachlich zu fragen: Wo stehen wir
heute? Welche Zielfunktionen haben wir? Wie kommen
wir dahin?


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das erzählen Sie mal den Eltern vor Ort!)


Es geht darum, die Vielfalt der Familien anzuerken-
nen, die einzelnen gesellschaftspolitischen Maßnahmen
einmal zu überprüfen und – in einem dritten Schritt –
endlich dazu zu kommen, dass wir in diesem Hause und
in der politischen Diskussion alles entideologisieren. Ich
habe es bereits in meiner letzten Rede zu diesem Thema
gesagt: Ihre Rhetorik gegen das Betreuungsgeld, die ich
immer wieder höre, Frau Golze – Entschuldigung –, hilft
den Familien nicht.


(Diana Golze [DIE LINKE]: Kann ich Ihnen nicht ersparen!)


Denn sie entscheiden Dinge für sich; sie sind frei in ihrer
Entscheidung. Im Übrigen nehmen sie das Betreuungs-
geld in weiten Teilen sehr positiv an. Für uns sind die
Fragen wichtig: Was wollen die Familien? Wie gehen
die Familien damit um? Ich glaube, „Rabenmutter“ und
„Herdprämie“ sind wirklich Begriffe der Vergangenheit.
Das will man in Deutschland nicht mehr hören.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Vielfalt der Familien und die Veränderungen in
diesem Zusammenhang anzuerkennen und vor allen
Dingen Vertrauen in die Familien zu haben, das sind
unsere Leitmotive familienpolitischen Handelns. Wir
wollen den Familien nicht vorschreiben, wie sie zu leben
haben, und ihnen nicht bestimmte Familienmodelle
überstülpen.

Im Übrigen sei bei dem Thema „Vielfalt der Fami-
lien“ auch einmal Folgendes angesprochen: Wir sagen
selbst, gerade auch im Rahmen der Bewertung der fami-
lienbezogenen Leistungen, dass wir viele verschiedene
Modelle haben – traditionell, verheiratet, mit Kindern,
bis hin zur gleichgeschlechtlichen Partnerschaft. Dann
führen wir natürlich auch Diskussionen darüber, wie wir
die Leistungen anpassen können. Aber eins ärgert mich
– und da blicke ich auch auf die Grünen mit ihrem sozu-
sagen sehr ideologiebehafteten Ansatz; Stichwort „Ehe-
gattensplitting“ –:


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ohne Blubberschaum vorm Mund!)

Auch wir wollen Kinder stärker fördern, indem wir das
Ehegattensplitting zu einem Familiensplitting erweitern.
Was ich allerdings nicht akzeptiere, ist, dass Sie – und
das ist Ihr Ansatz – sagen: Da, wo Menschen auch ohne
Kinder füreinander Verantwortung übernehmen, soll es
überhaupt keine Unterstützung des Staates geben.


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir nicht gesagt!)


Nein, auch Ehepaare ohne Kinder sind eine Familie, und
der Staat hat diese zu unterstützen. Ich glaube, das sollte
man im Rahmen dieser Diskussion noch einmal deutlich
machen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ein weiterer Punkt. Der Bericht zu familienbezoge-
nen Leistungen bestätigt unsere Auffassung in vielen
Punkten. Er zeigt aber auch Dinge, die man für die
nächsten Jahre noch durchdenken muss. Eins ist uns aber
wichtig: Familienpolitik kann sich nicht nach Gesichts-
punkten ökonomischer Effizienz ausrichten. Es gibt kein
Betriebsoptimum oder -minimum in der Familie; Fami-
lienpolitik muss immer auch die besondere Situation der
Familien würdigen. Mit Blick auf die Wirksamkeit kann
man deshalb nicht nur schauen, wohin welche Finanz-
ströme fließen.

Dabei ist für uns in diesem Zusammenhang wichtig:
Wir werden auch Familienmodelle, in denen ein Eltern-
teil nicht erwerbstätig ist, weiter unterstützen. Wenn sich
eine Mutter oder ein Vater – zum Glück – bereit erklärt,
sich in den ersten Jahren nach der Geburt um das Kind
zu kümmern, dann müssen wir das aus unserer Sicht
auch unterstützen.

Bei der Frage nach dem Erfolg von Familienpolitik
muss man auch überlegen, welche Kategorien oder
Parameter man sich eigentlich anschaut. Wir machen
Familienpolitik für die heute lebenden Familien; wir
machen keine Bevölkerungspolitik. Und wir werden uns
bei den Themen „Geburtenrate“ und „Beteiligung beider
Elternteile am Arbeitsmarkt“ sicherlich nicht ausschließ-
lich davon leiten lassen, sondern es sind auch noch an-
dere Punkte wichtig.


(Beifall der Abg. Nadine Schön [St. Wendel] [CDU/CSU])


Nun kommen wir zu dem Punkt, den Frau Schön und
auch die Ministerin bereits angesprochen haben: das be-
rühmte Dreieck. Zunächst einmal stellt sich die Frage,
was Familien eigentlich wollen. Von den Familien haben
wir dazu in den letzten Jahren erfahren, dass sie erstens
den Ausbau der Vereinbarkeit von Familie und Beruf
wollen. Im Übrigen wird das Thema „Vereinbarkeit von
Familie und Beruf“ demnächst durch das Thema „Ver-
einbarkeit von Pflege und Beruf“ abgelöst werden. Aber
ich glaube, für uns als Familienpolitiker ist der Grundan-
satz, die Voraussetzungen für diese Vereinbarkeit zu
schaffen, wichtig. Neben dem Ausbau der Infrastruktur
geht es ihnen zweitens um ein besseres Zeitmanagement.
Sie wollen mehr Zeit für die Familie haben. Der dritte
Punkt sind bessere Bildungschancen für Kinder gerade
berufstätiger Familien.





Marcus Weinberg (Hamburg)



(A) (C)



(D)(B)

Dieses Dreieck – erstens Zeitsouveränität für Fami-
lien zu generieren, zweitens Infrastruktur auszubauen
und drittens die Familien finanziell abzusichern – ist
unser Leitmotiv in der Familienpolitik.

Ich will nur drei Zahlen zum Bereich der Finanzen
nennen: Die Erhöhung des Kindergeldes zu Beginn der
letzten Legislaturperiode hat bewirkt, dass 1,26 Millio-
nen Familien nicht von SGB-II-Leistungen leben müs-
sen. Der Kinderzuschlag bewahrt 110 000 Familien da-
vor, Grundsicherung beantragen zu müssen. Und mit
dem Elterngeld ermöglichen wir es jungen Familien,
mehr Zeit miteinander zu verbringen. Darüber hinaus
reduziert es das Armutsrisiko junger Familien um rund
10 Prozentpunkte im ersten Lebensjahr des Kindes und
verhindert bei fast 100 000 Familien das „Abrutschen“
in den SGB-II-Bezug.

Wir geben über 5 Milliarden Euro für diese Leistun-
gen, insbesondere auch für das Elterngeld, aus. Deswe-
gen ist es richtig und konsequent, nach dem ersten
Schritt – Einführung des Elterngeldes – jetzt den zweiten
Schritt zu gehen: mehr Flexibilität, mehr Zeitsouveräni-
tät mit dem ElterngeldPlus. Wir sind froh, dass wir im
Herbst dieses Jahres gemeinsam den entsprechenden
Gesetzentwurf dazu verabschieden können. Damit ver-
bunden ist auch das Thema Partnerschaftsbonus und die
Flexibilisierung der Elternzeit. Das heißt, dass jetzt von
den insgesamt 36 Monaten Elternzeit 24 Monate bis zum
achten Lebensjahr des Kindes in Anspruch genommen
werden können.

Das sind die Wünsche der Eltern, und die Politik hat
sich dann auch tatsächlich werteorientiert daran ausge-
richtet, ohne beliebig zu sein und dem Zeitgeist hinter-
herzulaufen. Das sind Veränderungsprozesse, die lang-
fristig wirken und auf die wir richtigerweise schon vor
Jahren reagiert haben, indem wir die Weichen gelegt
haben, die jetzt noch einmal neu gestellt werden.

Ein weiterer Punkt ist die Erfolgsgeschichte beim
Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährige. Es
wurde lange über die einzelnen Zahlen diskutiert. Was
ist denn entscheidend? Entscheidend ist, dass wir einen
Rechtsanspruch auf Krippenbetreuung eingeführt haben
und dass wir den Ländern jetzt 550 Millionen Euro mehr
für den Ausbau der Kinderbetreuung zur Verfügung stel-
len können. Noch viel entscheidender ist – stimmt die
Steigerung von „entscheidend“ so? –, dass wir den Län-
dern 100 Millionen Euro extra für die Betriebskosten
beim Betreuungsausbau zur Verfügung stellen. Insge-
samt sind es 945 Millionen Euro jährlich.

Jetzt komme ich zu einem Thema, das die Ministerin
auch angesprochen hatte. Wir übernehmen, glaube ich,
sehr viel. Was machen eigentlich die Länder? Es gibt
Bundesländer wie das kleine und sicherlich nicht so rei-
che Bundesland Bremen, die einen Betreuungsschlüssel
von 1,1 zu 3,2 hinbekommen. – Frau Präsidentin?


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1805117100

Die Kollegin Brantner möchte Ihnen eine Zwischen-

frage stellen. Ich wollte Sie nur den Gedanken zu Ende
führen lassen. Gestatten Sie die Zwischenfrage?

Marcus Weinberg (CDU):
Rede ID: ID1805117200

Ja, gerne.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1805117300

Kollegin Brantner.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben gerade noch einmal die zusätzlichen Gelder
für die Kitas angesprochen. Wir wollen zu der Frage,
was zusätzlich ist und was man noch hätte ausgeben
können, darauf hinweisen, dass schon am 11. Oktober
2013 84 Prozent der Mittel bewilligt waren. Hätten Sie
den Kommunen gesagt: „Die Gelder nehmen wir Ihnen
übrigens wieder weg. Sie haben zwar schon angefangen.
Aber die Gelder bleiben nicht bei Ihnen; sie kommen
den Straßen zugute“?

Von daher finde ich es ziemlich frech, zu sagen, dass
Sie in den Koalitionsverhandlungen vereinbart haben,
diese Gelder jetzt doch den Kommunen zu geben. Zu
diesem Zeitpunkt waren sie zu 84 Prozent bewilligt. Sie
hätten allen Kommunen sagen müssen: Das Geld gibt es
jetzt doch nicht.

Jetzt ist die Frage an Sie, ob Sie wirklich immer noch
darauf beharren, dass es 1 Milliarde Euro zusätzlich
sind?


(Dagmar Ziegler [SPD]: Das hat er doch gar nicht gesagt!)



Marcus Weinberg (CDU):
Rede ID: ID1805117400

Das habe ich gar nicht gesagt. Ich komme noch ein-

mal auf die Ausgangssituation zurück: Wir beschließen
den Haushalt. Bei allem Respekt, das macht nicht die
Ministerin. Wir sind der Gesetzgeber. Am Ende der
Legislaturperiode wären die Mittel wieder zurückgeflos-
sen. Dann haben wir gesagt: Es gibt aber weitere
Bedarfe. Jetzt ergibt sich in der Gesamtsumme dessen,
was bereitgestellt wird – nämlich 450 Millionen Euro
plus 550 Millionen Euro –, 1 Milliarde Euro. Wir könn-
ten jetzt Hauptseminare über Lyrik und darüber machen,
wie sich die Summe genau zusammensetzt.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ob die Kommunen das auch als Lyrik empfinden, weiß ich nicht!)


Entscheidend ist doch, dass wir es schaffen, die Bedarfe
der Kommunen in den nächsten Jahren zu decken. Mit
der Schichtung 220 Millionen, 230 Millionen und
100 Millionen bekommen wir es hin, bis 2017/2018 die
höheren Bedarfe zu decken.

Insoweit ist für mich wichtig, dass das Kind, das von
dieser ganzen Diskussion nichts mitbekommt, in der
Krippe einen Platz hat. Das ist unser Ziel, und das erfül-
len wir auch.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Zum Schluss will ich auf das Thema Qualität zu spre-
chen kommen, weil das für uns ein entscheidender Punkt
ist. Ich bitte, zu überlegen, wo wir Qualitätsansätze





Marcus Weinberg (Hamburg)



(A) (C)



(D)(B)

haben. Dafür sind auch die Länder mitverantwortlich.
Ich finde es gut und wichtig, dass man mit den Ländern
darüber verhandelt. Das Beispiel Bremen habe ich schon
angesprochen. Ich kann auch mein Heimatbundesland
nennen. Dort gibt es zurzeit keine Kitagebühren mehr;
sie wurden abgeschafft. Man hätte auch 2 000 Erziehe-
rinnen einstellen und den schlechtesten Betreuungs-
schlüssel in ganz Westdeutschland etwas verbessern
können. Aber die Regierung in Hamburg hat gesagt:
Nein, wir wollen, dass sich auch nicht so gut Verdie-
nende einen Kitaplatz erlauben können. – Das müssen
die Länder entscheiden.

Unsere Vorgabe ist: Qualität ist eine klare Zielfunk-
tion. Dabei sind die Länder in der Verantwortung.

Abschließend ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass
wir in weiten Teilen dieser familienpolitischen Maßnah-
men schon sehr gute Wege gehen, aber die Frage von
Bildungsimplikationen gerade im frühkindlichen
Bereich weiterverfolgen werden. Die Mittel für Frühe
Hilfen – dazu könnte man viel sagen – werden verstetigt.
Zu nennen ist auch der gesamte Bereich des Ehrenamts.
Aber wir haben zum Glück noch viele gute Redner, die
das auch noch darstellen werden.

Insoweit ist dieser Haushalt mit der großen runden
Null tatsächlich ein guter Haushalt. Ich verzichte gerne
darauf, dass St. Pauli Deutscher Meister wird,


(Zurufe: Oh!)


wenn wir diese Null auch die nächsten 20 Jahre halten
können.

Insoweit vielen Dank und gute Beratung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1805117500

Vielen Dank. – Nächste Rednerin für die Fraktion Die

Linke ist die Kollegin Petra Pau.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805117600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Am kommenden Sonntag wird es in Berlin eine Kund-
gebung geben – eine beeindruckende, so hoffe ich. Ihr
Motto ist: „Steh auf! Nie wieder Judenhass!“ Anlässe
dafür gibt es viele, leider viel zu viele. Ich gehe davon
aus, dass sich viele von uns dort treffen, über alle Frak-
tionsgrenzen hinweg.


(Beifall im ganzen Hause)


Denn der gemeinsame Kampf aller Demokratinnen und
Demokraten gegen Rechtsextremismus, Rassismus und
Antisemitismus hat nur eine Chance, wenn er nicht par-
teipolitisch geführt wird.

Das war übrigens auch das Grundverständnis im Un-
tersuchungsausschuss des Bundestages zur NSU/Nazi-
mord- und -raubserie sowie zum Staatsversagen. Ent-
sprechend einhellig wurde der Abschlussbericht mit
rund 50 konkreten Schlussfolgerungen getragen. Eine
Schlussfolgerung lautete: Die Förderung von Initiativen
gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitis-
mus ist unzureichend. – Also stellt sich die Frage, ob der
aktuelle Haushaltsansatz Besserung in Aussicht stellt.
Da sage ich für die Linke: Leider nein.

Grob gesagt, gab es im Untersuchungsausschuss drei
Kritiken:

Erstens. Die Fördermittel für Initiativen gegen
Rechtsextremismus und für Opferberatung sind zu ge-
ring, allemal in den westlichen Bundesländern. Das ist
kurzsichtig.

Zweitens. Rechtsextremismus und Rassismus sind
Dauerprobleme. Initiativen dagegen werden aber nur
kurzatmig und kurzfristig unterstützt. Das ist unange-
messen.

Drittens. Die sogenannte Extremismusklausel stellt
Demokratieinitiativen unter den Generalverdacht, ver-
fassungsfeindlich zu sein. Das ist kontraproduktiv.

So weit die gemeinsamen Schlussfolgerungen des Be-
richts.

Welche Antworten bietet nun der aktuelle Haushalts-
plan?

Erstens. Im Wahlkampf 2013 hatte die SPD 70 Mil-
lionen Euro pro Jahr gefordert. Geblieben sind im ak-
tuellen Finanzplan 30 Millionen Euro. Da diese 30 Mil-
lionen Euro zudem mehr Initiativen, allemal in den
westlichen Bundesländern, zugutekommen sollen – was
wir natürlich begrüßen –, bedeutet das aber unter dem
Strich minus statt plus. Die Linke bleibt dabei: Vonnöten
sind mindestens 50 Millionen Euro.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Susann Rüthrich [SPD] und Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Zweitens. Die gesellschaftlichen Initiativen gegen
Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus
werden weiter zum Hecheln genötigt. Wieder und wie-
der müssen sie bürokratisch ihre Berechtigung nachwei-
sen. Ich sage: Das klaut Zeit und verplempert Kompe-
tenz. Übrigens: Vor Jahren hatte Wolfgang Thierse
alternativ für ein Stiftungsmodell plädiert. Diese gute
Idee ist wieder weg. Ich finde, wir sollten ihr treu blei-
ben. Die Linke ist es jedenfalls.


(Beifall bei der LINKEN)


Drittens. Es gibt einen künstlichen Dauerstreit, wel-
che Extremisten gefährlicher seien. Die SPD sagt: die
von rechts. Die Union kontert: die von links. – Nun ha-
ben Medien berichtet, dass die Innenministerkonferenz
eine Studie über Linksextremismus in Auftrag gegeben
hat. Ergo hat die Linksfraktion gefragt: Was soll dort un-
tersucht werden? Welche Anhaltspunkte gibt es? Welche
Fragen werden gestellt? Welchen Anteil und welche Er-
wartungen hat an alledem die Bundesregierung? – Die
schriftliche Antwort des Bundesinnenministeriums lau-
tet, das alles sei streng geheim und nichts für Abgeord-
nete. Ich finde das weder geheimnisvoll noch erklärend,
sondern weltfremd und arrogant.





Petra Pau


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Abschließend zur Erinnerung: Exakt heute vor
14 Jahren wurde Enver Simsek hingerichtet. Er war das
erste NSU-Opfer.

Überhaupt erleben wir seit längerem einen gesell-
schaftlichen Rechtsruck. Wissenschaftler warnen seit
langem davor. Es ist höchste Zeit, dass wir gemeinsam
dagegen vorgehen und dass sich das auch im Haushalt
widerspiegelt.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1805117700

Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Sönke Rix, SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Sönke Rix (SPD):
Rede ID: ID1805117800

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-

legen! Frau Vizepräsidentin und Kollegin, die Sie gerade
vor mir gesprochen haben, ich bin der Ministerin
Manuela Schwesig dafür dankbar, dass sie die aus dem
NSU-Bericht zu ziehenden Schlussfolgerungen wirklich
tatkräftig angeht. Dafür herzlichen Dank, Manuela
Schwesig!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie haben gerade mehrere Forderungen aufgezählt,
Stichwort „Extremismusklausel“, Stichwort „Kontinuität
der Programme“. Wenn man heute mit Vertretern der Zi-
vilgesellschaft redet, dann stellt man erst einmal fest,
dass sie schon allein dafür dankbar sind, dass sie in einer
anderen Art und Weise empfangen und gehört werden
und an der Erarbeitung der Programme intensiv beteiligt
werden. Das ist wirklich eine Stärkung der Zivilgesell-
schaft, und dafür herzlichen Dank!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich gebe Ihnen recht: Sämtliche Forderungen des
NSU-Untersuchungsausschusses sind mit diesem Haus-
halt und in diesem Jahr noch nicht umgesetzt worden.
Aber damit, aus der Hüfte zu schießen, insbesondere was
die Kontinuität der Finanzierung der Arbeit gegen
Rechtsextremismus angeht, wäre der Zivilgesellschaft
und dem Kampf gegen Rechtsextremismus auch nicht
geholfen.


(Beifall der Abg. Susann Rüthrich [SPD])


Ich bitte, eher eine gute als eine schnelle Lösung auf den
Markt zu bringen.


(Beifall bei der SPD)


Über mehr Mittel dafür müssen wir im parlamentari-
schen Verfahren noch diskutieren. Es ist immer noch so
– ich stehe als ehemaliges Mitglied dieses Untersu-
chungsausschusses dazu –: Wir brauchen mehr Mittel im
Kampf für Demokratie und Toleranz. Auch wenn die
Regierung uns aktuell noch keine große Steigerung vor-
gelegt hat, gilt: Wir als Parlament sind der Haushaltsge-
setzgeber, und es lohnt sich, in den Verhandlungen für
eine solche Steigerung zu streiten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will nun auf einen Streit eingehen, der in den bis-
herigen Reden des Öfteren und auch zu Recht angespro-
chen worden ist. Wir haben das erste Mal seit Jahren
wieder einen ausgeglichenen Haushalt. Nun können die
Grünen und die Linksfraktion natürlich wieder sagen:
Oje, jetzt fängt der auch damit an.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Ja, genau!)


Es ist aber nicht so, dass die Grünen und auch die Links-
fraktion dort, wo sie in Landesparlamenten und kommu-
nalen Parlamenten Verantwortung tragen, nicht genauso
stolz darauf sind, wenn so etwas passiert. Frau Golze hat
es vorhin übrigens angedeutet: In Brandenburg, wo die
Linke an der Regierung beteiligt ist, gibt es ebenfalls ei-
nen ausgeglichenen Haushalt. Darauf können Sie auch
stolz sein, und auch wir sind stolz darauf, dass wir dies-
mal hier das Gleiche geschafft haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Gönnen Sie uns das!

Ähnliches kenne ich aus Schleswig-Holstein: Die
dortige grüne Finanzministerin ist die Erste, die darauf
achtet, dass die Entwicklung in Richtung eines ausgegli-
chenen Haushalts verläuft. Es ist doch vernünftig, dass
die Grünen dazu stehen. Ich finde, das können sie ruhig;
darauf kann man auch stolz sein. Lasst uns doch die
Freude darüber, dass uns das erstmals gelungen ist; denn
das ist ein gutes Zeichen, ein Ausdruck guter Politik.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das gilt insbesondere mit Blick auf die junge Genera-
tion. Deren Interessen zu berücksichtigen, ist ein Argu-
ment all derjenigen, die froh sind, wenn sie einen ausge-
glichenen Haushalt vorlegen können. Dass uns als
Familien-, Kinder- und Jugendpolitiker ein ausgegliche-
ner Haushalt besonders freut, ist nichts Verkehrtes. Im
Gegenteil: Wir wissen, dass wir wieder Spielraum für
neue Zukunftsinvestitionen schaffen werden.

Wir vollbringen eine Doppelleistung. Schuldenabbau
und Zukunftsinvestitionen sind ja kein Gegensatz. Die-
ser Haushalt leistet beides. Das ist schon etwas, was man
an dieser Stelle erwähnen muss. Gerade wir, die wir in
diesem Bereich aktiv sind, müssen darauf achten, dass
wir alle Generationen und damit die Generationenge-
rechtigkeit im Blick haben. Dabei geht es nicht nur da-
rum, dass wir den jüngeren Generationen weniger Schul-
den hinterlassen, sondern auch um das, was wir für das
aktuelle Zusammenleben der Generationen tun: Wir in-
vestieren. Wir haben zusätzliches Geld in die Hand ge-
nommen, um die Mehrgenerationenhäuser – einen Ort,





Sönke Rix


(A) (C)



(D)(B)

wo sich Generationen treffen – bis 2015 auszufinanzie-
ren.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Ein weiterer Streit hat hier eine Rolle gespielt: ob
1 Milliarde Euro nun 1 Milliarde Euro sind oder nicht.
Natürlich sind 1 Milliarde Euro 1 Milliarde Euro. Auch
die Kollegen der Grünen und der Linkspartei sollten zu-
geben: Würden Sie eine größere Summe in Ihrem Zu-
ständigkeitsbereich in die Hand nehmen und tatsächlich
in Bildung und Betreuung investieren, dann wären auch
Sie froh darüber; denn jeder Cent, jede Million Euro und
damit auch die 1 Milliarde Euro sind gut. Wir freuen uns
darüber, dass wir dieses Geld investieren. Ich bin ge-
spannt darauf, wie die einzelnen Landesregierungen mit
diesem Geld umgehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Denn auch da tragen Sie Verantwortung, zum Beispiel in
Brandenburg; rot-grüne Regierungen gibt es glücklicher-
weise auch noch genügend. Abgesehen davon bin ich
froh, zu sehen, dass es sich um so viel Geld handelt.

Wir haben weitere Aktivitäten vor uns. Zeitmanage-
ment ist ein Schwerpunkt in unserer Arbeit. Hierbei geht
es um zwei größere Projekte – wir haben darauf hinge-
wiesen –: zum einen um das ElterngeldPlus, um die
Flexibilisierung der Zeit für Familien im Zusammen-
hang mit Berufstätigkeit, sowie zum anderen um die Fa-
milienpflegezeit. Wir werden diejenigen sein, die es end-
lich schaffen, Berufstätigkeit und Familienpflegezeit
unter ein Dach zu bekommen, indem wir ein gutes An-
gebot für Angehörige von zu Pflegenden schaffen, damit
sie Zeit haben, sie zu betreuen oder zu pflegen. Dieses
Projekt ist ein zusätzlicher Schritt, eine flexiblere Ar-
beitszeit für Angehörige von zu Pflegenden zu schaffen.
Darüber sind wir auch froh, liebe Kolleginnen und Kol-
legen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Natürlich werden wir uns als Große Koalition mit
dem Thema „familienpolitische Leistungen“ auseinan-
dersetzen. Es ist nicht so, dass das Forschungsprojekt
dazu in der Schublade landet und dann nichts damit pas-
siert. Es ist aber auch so – da müssen wir ehrlich sein –,
dass wir zwei Koalitionspartner haben, die nicht in allen
Punkten, die in dem dazu vorliegenden Bericht empfoh-
len werden, die gleiche Meinung haben. Aber wir sind
bereits gemeinsame Schritte gegangen. Ich bin mir si-
cher, dass wir weitere gemeinsame Schritte gehen wer-
den.

Allein das, was in diesem Bericht über die Betreuung
und die Elternzeit gesagt wurde, zeigt uns, dass wir auf
dem richtigen Weg sind. Der Bericht enthält ja keine
Pauschalkritik an der aktuellen Regierungspolitik, son-
dern viele unterstützende Worte für unsere Politik. Diese
Politik werden wir auch nach dem Vorliegen des Be-
richts zu den familienpolitischen Leistungen fortsetzen.
Ich hoffe, dass wir bei den Haushaltsberatungen wieder
gemeinsam darüber streiten und am Ende zu guten Er-
gebnissen kommen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1805117900

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Ulle Schauws,

Bündnis 90/Die Grünen.


Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1805118000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Ich werde jetzt nichts mehr zur
schwarzen Null sagen. Das Einzige, was ich dazu sage,
ist: Es fällt schon sehr auf, wie lange und ausführlich Sie
diese schwarze Null immer noch rechtfertigen.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Völlig zu Recht!)


Frau Ministerin Schwesig, Sie haben Ihr Amt als
Bundesfrauenministerin mit dem Anspruch angetreten,
nach jahrelangem Stillstand endlich Politik für die
Frauen in diesem Land zu machen,


(Zuruf von der SPD: Das machen wir auch!)


die Situation für sie wirklich zu verbessern, sei es bei der
Gleichstellung, beim Schutz vor Gewalt oder bei einer
gerechten Verteilung der Einkommen. Das haben wir als
Opposition auch sehr begrüßt. Aber ich bin jetzt eher
enttäuscht; denn passiert ist bisher leider sehr wenig.
Das bildet sich auch in Ihrem Haushalt ab: nicht viel
Neues, sondern im Wesentlichen eine Fortschreibung
des Haushalts von Schwarz-Gelb.

Mit großer Verve hatten Sie die Einführung einer
Frauenquote angekündigt: Man müsse nur richtig dafür
kämpfen, dann würde die Quote auch kommen. Das wa-
ren Ihre Worte. Richtig ist, die Frauenquote wird kom-
men – endlich.

Frau Ministerin, ich will Ihnen ganz klar sagen: Wenn
dieses Quotengesetz die Frauen nach vorne bringen
würde, wenn es mit einer gerechten Partizipation der Ge-
schlechter in den Aufsichtsräten der Unternehmen und
den Bundesgremien Ernst machen würde, dann hätten
Sie unsere volle Unterstützung. Sie wollten eine Quote,
die die Arbeitswelt verändert. Aber Ihre Quote war
schon in Ihrem letzten Entwurf nur ein Quötchen. Sie
kündigen eine Quote für Aufsichtsräte von börsennotier-
ten und mitbestimmten Unternehmen für Neubesetzun-
gen ab 2016 an. Wir reden damit über Aufsichtsräte von
rund 100 Unternehmen. Noch weniger Quote wäre doch
ernsthaft gar nicht möglich gewesen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir wollen dagegen eine Quote für 3 500 Unternehmen,
und zwar für börsennotierte oder mitbestimmte. Wir
wollen, dass sich in diesem Land wirklich zügig etwas
ändert.

Nun haben Sie den neuen Entwurf nochmals abge-
speckt: Es wird nicht nur in den Aufsichtsräten – da war





Ulle Schauws


(A) (C)



(D)(B)

ja auch kein Fett mehr dran –, sondern nun auch in je-
dem Unternehmen doch kein weibliches Vorstandsmit-
glied geben. Gleichstellungsbeauftragte, die es ursprüng-
lich bereits ab 50 Beschäftigte geben sollte, soll es jetzt
nur noch in Dienststellen ab 100 Beschäftigte geben.

Auch die für das Bundesgremienbesetzungsgesetz
vorgesehene Quote haben Sie deutlich abgeschwächt:
Erst sollte eine Quote von 50 Prozent für alle Gremien
gelten; jetzt kommt eine Quote von 30 Prozent ab 2016,
die Quote von 50 Prozent erst ab 2018. So, Frau Ministe-
rin, werden die öffentlichen Unternehmen keine Vorbild-
funktion gegenüber der Privatwirtschaft übernehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Cornelia Möhring [DIE LINKE])


Stattdessen, Frau Schwesig, sind Sie vor der Wirtschaft
und der Union eingeknickt.

Ich muss ganz ehrlich sagen: Da verstehe ich auch
Sie, meine Kolleginnen von der Union, nicht. Ich
möchte dabei direkt Frau von der Leyen ansprechen – sie
ist gerade nicht da. Noch in der letzten Legislaturperiode
hatten wir doch eine Mehrheit; wir hatten sie im Bundes-
rat, und wir hätten sie auch im Bundestag gehabt. Viele
von Ihnen haben damals die von den Grünen initiierte
Berliner Erklärung unterzeichnet. Aber offenbar haben
Sie, liebe Kolleginnen, nun Angst vor Ihrer eigenen
Courage. Schade, dass Sie Ihre Mehrheiten in der Gro-
ßen Koalition nicht nutzen! Jetzt hätten Sie die Chance,
bei der Gleichstellung und bei der Quote gemeinsam zu
gestalten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren von der Koalition, dringen-
der Handlungsbedarf besteht auch bei den Einkommens-
unterschieden bei Männern und Frauen. Die aktuelle
DIW-Studie hat es gerade drastisch aufgezeigt: Frauen
verdienen in unserem Land seit Jahren durchschnittlich
22 Prozent weniger als Männer. Das allein ist schon ein
Skandal. Aber neu und erschreckend ist, dass Frauen tat-
sächlich nur über ein halb so hohes Bruttoeinkommen
verfügen wie Männer – und das über alle Einkommens-
arten hinweg gerechnet. Darum brauchen wir, liebe Kol-
leginnen und Kollegen von der Großen Koalition, end-
lich ein Entgeltgleichheitsgesetz. Gleicher Lohn für
gleiche oder gleichwertige Arbeit – darum muss es ge-
hen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Nur mit verbindlichen Regelungen können Sie die Ent-
geltdiskriminierung überprüfen oder beseitigen. Allein
mehr Transparenz herzustellen, reicht beileibe nicht aus.

Das Ehegattensplitting ist für die Einkommensunter-
schiede ein wichtiger und besonders negativer Faktor, so
das DIW. Selbst die Evaluation, die Ihr eigenes Haus in
Auftrag gegeben hat, kommt zu dem eindeutigen Ergeb-
nis: Das Ehegattensplitting hält Frauen vom Arbeits-
markt fern. Es führt zu starken negativen Erwerbsanrei-
zen für die Zweitverdiener, in der Regel die Frauen oder
Mütter. Und Sie, Frau Ministerin, wollen nun daran fest-
halten? Damit ignorieren Sie völlig, dass das Splitting
nicht nur negative Erwerbsanreize für Frauen schafft,
sondern auch an Millionen von Familien mit Kindern,
bei denen die Eltern nicht miteinander verheiratet sind,
und an Alleinerziehenden vorbeigeht. Wir Grüne wollen
und werden das Leben mit Kindern fördern und eben
nicht den Trauschein, Herr Kollege Weinberg – er ist
auch nicht mehr da. Deshalb muss das Ehegattensplitting
abgeschmolzen werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte am
Schluss noch etwas zum Schutz von Frauen vor Gewalt
sagen. Wir alle wissen, dass die Reform des Sexualstraf-
rechts ansteht. Hierzu gehört auch eine Überarbeitung
des § 177 Strafgesetzbuch, des sogenannten Vergewalti-
gungsparagrafen. Bisher gilt, dass die Opfer einer Verge-
waltigung nachweisen müssen, dass sie sich aktiv zur
Wehr gesetzt haben. Ich meine, dass ein Nein ein Nein
ist. Nach Artikel 36 der Istanbul-Konvention, die
Deutschland unterzeichnet hat, sind alle nicht einver-
ständlichen sexuellen Handlungen unter Strafe zu stel-
len. Ich fordere Sie von der Bundesregierung daher ein-
dringlich auf: Setzen Sie die Istanbul-Konvention jetzt
auch um, schließen Sie diese Strafrechtslücke! Denn für
eine Frau, die Opfer einer Vergewaltigung geworden ist,
ist es wichtig, dass sie das Recht auf ihrer Seite weiß.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1805118100

Danke schön. – Sylvia Pantel ist jetzt die nächste

Rednerin für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Sylvia Pantel (CDU):
Rede ID: ID1805118200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir rechtfertigen nicht
die „schwarze Null“, die wir endlich erreicht haben, son-
dern wir feiern sie, weil wir 46 Jahre dafür gebraucht ha-
ben, dass wir sie endlich erreichen, dass wir mit dem
Geld auskommen, das wir einnehmen. Wir setzen dann
auch die richtigen Akzente.

Der Schuldenabbau hat in den vergangenen Jahren
große Anstrengungen erfordert. Diese Anstrengungen
sind wir unseren zukünftigen Generationen schuldig. Ich
komme aus Düsseldorf. Als die CDU 1999 die politische
Verantwortung übernahm, war Düsseldorf mit 1,6 Mil-
liarden Euro verschuldet. Durch kluge Finanzpolitik und
nachhaltige Investitionen sind wir seit 2007 schulden-
frei. Der Schuldenabbau in Düsseldorf trägt unsere
Handschrift; denn wir wollen zukünftige Generationen
vor Schulden und Steuererhöhungen bewahren. Wir ha-
ben in meiner Heimatstadt schwarze Zahlen geschrieben
und sehr wohl in Kindergärten und Schulen investiert.
Die Haushaltspolitik in NRW trägt nicht die Handschrift
der CDU.





Sylvia Pantel


(A) (C)



(D)(B)


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Schulden davor aber!)


Die Steuereinnahmen wachsen, die Schulden aber leider
auch.

Wir dürfen und wollen keine Schuldenberge hinter-
lassen. Die Gesamtverschuldung des Bundes wurde
schon in diesem Jahr um 0,8 Prozent abgebaut. Gleich-
zeitig investieren wir in Deutschlands Zukunft, in unsere
Familien. Familien brauchen eine verlässliche Absiche-
rung, eine für ihre Lebensentwürfe passende Infrastruk-
tur und ein flexibles Zeitmanagement, um partnerschaft-
liche Vereinbarungen treffen zu können.

Der Etat des Familienministeriums zeigt wieder sehr
deutlich: Wir setzen politische Schwerpunkte, um ein
selbstbestimmtes Familienleben zu ermöglichen. Dafür
herzlichen Dank!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir investieren in bessere Rahmenbedingungen für Fa-
milien. Dabei ist die Vereinbarkeit von Familie, Pflege
und Beruf ein zentraler Punkt. Wir wollen den Familien
selbst die Wahl überlassen und sie dabei nicht überfor-
dern. Dies ist ein klares Bekenntnis für eine kluge, nach-
haltige Familienpolitik für Deutschland.

Ich möchte Ihnen die drei politischen Schwerpunkte
nennen, die ich in meiner Rede besonders hervorheben
möchte: die Wahlfreiheit der Familien bei der Kinderbe-
treuung, das Zusammenleben von Jung und Alt und die
Stärkung demokratischer Strukturen.

Die Pflege und Erziehung der Kinder sind nach Arti-
kel 6 des Grundgesetzes das natürliche Recht und die
Pflicht der Eltern. Ein Staat hat die Eltern nicht zu be-
vormunden. Die meisten Eltern können und wollen ei-
genständig entscheiden, wie ihr Leben mit Kindern aus-
sehen soll, wie sie es gestalten. Sie brauchen dafür
unterschiedliche Angebote und unterschiedliche Struktu-
ren, so, wie die Lebensmodelle eben auch unterschied-
lich sind. Damit die Familie eine freie Entscheidung
über die Betreuungsform für ihre Kinder treffen kann,
gibt es das von Ihnen nicht geliebte Betreuungsgeld in
Höhe von 150 Euro monatlich.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Wahlfreiheit – Kindergarten, ja oder nein? –, das war früher schon so!)


– Ja, aber ohne Unterstützung.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Dass man dafür Geld kriegt, das ist neu!)


Dies ist ein wichtiges Signal und eine Anerkennung der
Erziehungsleistung der Eltern, die ihre Kinder selbst be-
treuen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Und Eltern, die ihre Kinder in den Kindergarten geben, erziehen ihre Kinder nicht?)


– Auch.

(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Frau Pantel, ich bitte Sie!)


– Hören Sie sich doch erst den Rest an, bevor Sie sich
aufregen! Eins nach dem anderen!


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Nein! Ihre Fraktion macht das schon seit Jahren, dieses Gegeneinanderausspielen!)


– Das ist doch nicht wahr, was Sie erzählen. Da, wo wir
Verantwortung haben, zeigen wir das auch.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Schämt euch!)


Das Statistische Bundesamt hat die Zahlen genannt:
Ende Juni wurde für fast 225 000 Kinder Betreuungs-
geld ausgezahlt.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich hätte gern was, wenn ich nicht ins Schwimmbad gehe!)


– Klar! – Das sind schon 79 000 Anträge mehr als in den
ersten drei Monaten. Paare sollen sich nicht deshalb zwi-
schen Beruf und Kinderwunsch entscheiden müssen,
weil es keine Betreuungsangebote gibt. Wir fördern die
staatliche und die private Kinderbetreuung. Es muss
endlich aufhören, dass die eine Betreuungsleistung ge-
gen die andere ausgespielt wird.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Dann hört auf damit!)


– Das machen Sie doch gerade wieder.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das macht ihr seit Jahren!)


Die Kosten für die staatliche Betreuung in der Kita, die
weit höher ausfallen, werden auch von allen Steuerzah-
lern getragen.


(Diana Golze [DIE LINKE]: Und die Beiträge für den Kitaplatz, wer bezahlt die?)


– In Düsseldorf ist die Betreuung von Kindern ab drei
Jahren im Kindergarten beitragsfrei.


(Diana Golze [DIE LINKE]: Da haben Sie noch viel zu tun!)


Dort, wo wir Verantwortung tragen, machen wir das
schon. Machen Sie es dort, wo Sie Verantwortung tra-
gen, auch.

Wir haben das bestehende Sondervermögen „Kinder-
betreuungsausbau“ um 550 Millionen Euro aufgestockt.
Im Haushalt steht 1 Milliarde Euro zur Verfügung, um
die Kindertagesbetreuung für unter Dreijährige weiter
auszubauen. Seit 2013 sind die Leistungen vom Bund
für Eltern und Familien stetig gestiegen. Eltern hatten
noch nie so viele Wahlmöglichkeiten bei der Gestaltung
ihres Lebens mit Kindern wie heute.

Mit dem Elterngeld, dem Betreuungsgeld und dem
zukünftigen ElterngeldPlus unterstützen wir die ver-
schiedenen Lebensmodelle von Familien – ohne Wer-
tung des Staates. Wir sorgen dafür, dass Familie und Be-
ruf besser vereinbart werden können. Im Rahmen des





Sylvia Pantel


(A) (C)



(D)(B)

Elterngeldes stehen 5,4 Milliarden Euro zur Verfügung.
Mit dem ElterngeldPlus wollen wir die Möglichkeit
schaffen, sich mehr Zeit für die Kinder zu nehmen, um
die Bindung zwischen Eltern und Kindern zu festigen.
Damit schaffen wir eine gute Grundlage für ein genera-
tionenübergreifendes Zusammenleben.

Nelson Mandela sagte einmal: „Wie human eine Ge-
sellschaft ist, das zeigt sich an ihrem Umgang mit Kin-
dern und Alten.“ – Wir wollen eine humane Gesell-
schaft. Das Modell Mehrgenerationenhaus feiert in
diesem Jahr sein zehnjähriges Jubiläum. Ich bin Ihnen,
Frau Ministerin, dankbar, dass Sie, genau wie wir auch,
die Finanzierung langfristig sichern möchten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Derzeit werden circa 450 Mehrgenerationenhäuser mit
ihren Angeboten gefördert, und wir sorgen dafür, dass
die Förderung auch im nächsten Jahr steht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Jung und Alt können sich bei unterschiedlichen Angebo-
ten austauschen, einen Zugang zueinander finden und
voneinander lernen. Wir brauchen in Zukunft Planungs-
sicherheit. Diese ist hoffentlich, wenn wir alle zusam-
menstehen, für die nächsten Jahre gesichert.

Damit alle Menschen in Deutschland friedlich und
gemeinschaftlich zusammenleben können, müssen wir
Toleranz und Demokratie stärken. Wir fördern demokra-
tische Strukturen und treten entschlossen gegen extre-
mistische Positionen auf. Die Freiheit hört da auf, wo die
Freiheit des anderen eingeschränkt wird.


(Zurufe von der CDU/CSU: So ist es!)


Mit 30 Millionen Euro – wir meinen, dass dies aus-
reicht – werden ab Januar 2015 Maßnahmen gegen
Extremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit unter-
stützt. Extremismus hat aber viele Gesichter. Die Gefah-
ren, die von Antisemitismus, Rassismus und militantem
Islamismus ausgehen, sehen wir gerade in diesen Tagen
auch in unserem Land, und man sollte diese ernst neh-
men.


(Beifall der Abg. Susann Rüthrich [SPD])


Wir wollen keine extremistischen Strömungen, sondern
mehr Toleranz und ein gestärktes Demokratieverständ-
nis.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Eine nachhaltige Förderung der Demokratie muss Maß-
nahmen gegen den Linksextremismus und den Rechts-
extremismus einschließen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD])


Dieser Haushaltsentwurf stärkt Familien bei der Be-
wältigung der unterschiedlichen Herausforderungen. Er
fördert den Austausch zwischen Jung und Alt und bietet
den Vätern und Müttern eine Wahl zur Vereinbarkeit von
Familie und Beruf. Wir schaffen es, zu sparen und
Schulden abzubauen, und wir investieren in unsere Fa-
milien – und all das ohne Neuverschuldung. Wir setzen
die richtigen Akzente, ohne zukünftige Generationen zu
überlasten.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1805118300

Vielen Dank. – Susann Rüthrich ist die nächste Red-

nerin für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Susann Rüthrich (SPD):
Rede ID: ID1805118400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Was kann
es eigentlich Schöneres geben, als in einer Haushaltsde-
batte den Haushalt des Familienministeriums zu bespre-
chen, den Haushalt, der den gesamten Lebenszyklus von
uns allen mitgestaltet? Was sich darin findet, begleitet
unsere ganze Gesellschaft in ihrer Breite und Vielfalt:
Das geht von Schwangerenberatung und Kindergeld
über Jugendarbeit und Elterngeld bis hin zu Pflegezeit
und Mehrgenerationenhäusern.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also nach Schröder „Gedöns“!)


Diese Feststellung zaubert uns vielleicht ein Lächeln
ins Gesicht. Sie meint aber eines nicht: dass es hier um
Nettigkeiten geht, die wir uns irgendwie leisten. Nein, es
geht um die soziale Infrastruktur in unserem Land. Ich
mache an zwei Bereichen deutlich: Hier geht es um den
Kern unseres Zusammenlebens und um die Sicherheit al-
ler hier lebenden Menschen.

Der erste Bereich ist die Kinder- und Jugendpolitik.
Als Kinderbeauftragte meiner Fraktion sage ich: Kinder-
rechte sind ein Anspruch, den jedes Kind hat, egal in
welcher Situation.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Kinder haben ein Recht auf Schutz, auf gewaltfreie Er-
ziehung, auf gute Ernährung und auf Mitbestimmung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist nichts,
was wir den Kindern gönnen, nein, ohne das ist die
Würde aller Menschen nicht gewahrt, nämlich die der
Kinder nicht. Nicht nur das: Wir würden uns den Ast ab-
sägen, auf dem wir sitzen, wenn wir nicht bestmögliche
Bedingungen für die nachwachsenden Generationen
schaffen würden.

Deswegen braucht es etwa das Netzwerk Frühe Hil-
fen. Damit garantieren wir die Unterstützung junger
Familien von Anfang an. Es braucht starke Jugendver-
bände, in denen sich Kinder und Jugendliche ausprobie-
ren können, in denen sie lernen, in denen sie Interessen
bündeln. Deswegen ist es richtig, dass wir der Jugend-
verbandsarbeit – wie schon in diesem Jahr – 1 Million
Euro mehr geben und dass wir Mittel für eine eigenstän-
dige Jugendpolitik im Haushalt haben. Denn so pflegen





Susann Rüthrich


(A) (C)



(D)(B)

wir eine vielfältige Landschaft an Kinder- und Jugendar-
beit, und Kinder finden einen Platz bei uns.

Mit dem Stichwort „vielfältig“ komme ich zu meinem
zweiten Schwerpunkt. Alle Menschen, die bei uns leben,
haben das Recht auf ein sicheres und angstfreies Leben,


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Diana Golze [DIE LINKE])


egal wie sie aussehen, egal wen sie lieben, egal welche
Religion sie haben, egal ob sie viel oder wenig Geld ha-
ben. Dass das noch nicht so ist, sehen wir gerade daran,
dass mehrere Moscheen angegriffen wurden. Wir muss-
ten Angriffe auf Synagogen und antisemitische Ausfälle
in aller Öffentlichkeit, etwa bei Demonstrationen, erle-
ben. Deswegen freue auch ich mich über die Demonstra-
tion gegen Antisemitismus, die am Sonntag hier nebenan
am Brandenburger Tor stattfinden wird.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Ergebnis
einer aktuellen Befragung zeigt, dass die Feindschaft ge-
genüber Sinti und Roma erschreckende Ausmaße hat.
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, Sie werden es merken:
Ich komme aus Sachsen.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


Es ist schön, da zu leben. Aber in meiner Heimat wählen
fast 5 Prozent der Leute eine neonazistische Partei. Noch
dazu wählen fast 10 Prozent eine Partei, die sich offen
schwulen- und behindertenfeindlich gibt.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Und 40 Prozent CDU! Schrecklich! – Gegenruf des Abg. Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Na, na, na! Vorsicht, Herr Kollege!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, jeden Tag erleben
Menschen bei uns Alltagsrassismus. Menschen werden
angegriffen, nur weil sie vielleicht grün gefärbte Haare
haben. Deswegen hat es mich sehr gefreut, dass wir im
Koalitionsvertrag vereinbart haben, mehr Geld für De-
mokratieinitiativen, für Prävention, für Bildung und für
mobile Opferberatung zur Verfügung zu stellen. Ein-
stimmig haben wir alle hier im Frühjahr dieses Jahres
bestätigt, dass wir infolge des NSU-Terrorismus die Mit-
tel für diese Arbeit erhöhen müssen, angepasst an den
tatsächlichen Bedarf.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Es ist geplant, eine gesetzliche Grundlage dafür zu
schaffen. Denn im Bereich der Kinder- und Jugendförde-
rung ist die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Demo-
kratiearbeit nicht richtig aufgehoben. Wir müssen diese
Daueraufgabe auch dauerhaft sichern. Diese gesetzliche
Änderung ließ sich allerdings nicht in diesem Jahr schaf-
fen. Nichts wäre schlimmer, als wenn die Projekte, die
auf Geld warten, nicht am 1. Januar 2015 mit ihrer Ar-
beit anfangen können. Deswegen liegt nun das Pro-
gramm „Demokratie leben!“ des Familienministeriums
vor. Immerhin werden diese Initiativen damit fünf Jahre
lang gefördert, was ein großer Fortschritt für die Umset-
zenden ist.

Das Programm „Demokratie leben!“ greift inhaltlich
all das auf, was wir im Land brauchen. Wir unterstützen
damit noch mehr Kommunen als zuvor. Wir unterstützen
die Länder. Wir unterstützen bundesweit tätige Demo-
kratie- und Strukturprojekte und innovative Modellpro-
jekte. Diese sollen zum Beispiel Maßnahmen entwi-
ckeln, die gerade in den ländlichen Regionen, im
ländlichen Raum wirken. Ein Bereich kommt ganz neu
hinzu, nämlich der der Radikalisierungsprävention: Wie
erreichen wir Jugendliche, die dem Salafismus oder ähn-
lichen Einstellungen und Vorstellungen zu nahe kom-
men? Das ganze Programm bezieht sich auf Ost und
West.

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie sehen: Es sind
mehr Inhalte, mehr Projekte, mehr Regionen im Pro-
gramm enthalten. Doch eines ist geblieben: die 30,5 Mil-
lionen Euro jährlich, die dafür im Haushalt vorgesehen
sind. Wenn man sich aber einen größeren Tisch zulegt,
dann reicht die alte Tischdecke nicht mehr aus. Da hilft
alles Ziehen und Drehen nichts; es braucht eine größere
Tischdecke. Kurz gesagt: Liebe Kolleginnen und Kolle-
gen Haushälter, wir brauchen hier mehr Mittel, um
tatsächlich vor Ort wirken zu können, was wir ja alle
gemeinsam wollen – sehr gern die 50 Millionen Euro,
die Summe, der in den Koalitionsverhandlungen nicht
widersprochen wurde.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1805118500

Vielen Dank. – Die Kollegin Rüthrich ist nicht nur

vor einigen Wochen junge Mutter geworden, sondern
das war auch ihre erste Rede hier im Bundestag. Zu bei-
dem möchte ich Ihnen, Frau Rüthrich, sicher im Namen
des gesamten Hauses, ganz herzlich gratulieren.


(Beifall)


Nächste Rednerin ist Astrid Timmermann-Fechter für
die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Astrid Timmermann-Fechter (CDU):
Rede ID: ID1805118600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Fast 8,5 Milliarden Euro für mehr gesell-
schaftlichen Zusammenhalt! Fast 8,5 Milliarden Euro
für mehr Miteinander zwischen den Generationen! Fast
8,5 Milliarden Euro vor allem auch für mehr Wahlfrei-
heit als Entlastung von Familien!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Solidarität
und Zusammenhalt lassen sich nicht verordnen, schon
gar nicht vom Staat. Was wir aber tun können, ist, die
Gesellschaft darin zu stärken und zu unterstützen. Dafür
steht diese Koalition, indem wir die Wünsche der Men-
schen ernst nehmen, auf diese reagieren.





Astrid Timmermann-Fechter


(A) (C)



(D)(B)

Dafür steht auch der Einzelplan 17, der gegenüber
dem Vorjahr um fast eine halbe Milliarde Euro aufge-
wachsen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir alle wissen, dass der Haushalt des Familienministe-
riums einen hohen Anteil gesetzlich gebundener Leis-
tungen enthält. Rund 88 Prozent des Haushalts sind nicht
disponibel.

Aber es zeigt sich, dass diese Leistungen erfolgreich
von den Familien angenommen werden. So erweist sich
das Elterngeld immer mehr als ein Erfolgsmodell. Die
Inanspruchnahme durch junge Väter steigt von Jahr zu
Jahr an und zeigt, dass immer mehr berufstätige Männer
ihre Rolle als Vater wahrnehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Ulrike Gottschalck [SPD]: So soll es sein!)


Dieser Entwicklung trägt der Einzelplan 17 mit einer
Aufstockung um weitere rund 30 Millionen Euro auf
nunmehr rund 5,4 Milliarden Euro Rechnung. Das El-
terngeld ist somit ein Erfolgsmodell, das wir in der Gro-
ßen Koalition bewusst weiterentwickeln, weil uns Kin-
der wichtig sind, weil wir nur in ihnen eine Zukunft
haben.

Doch die Entlastung von Familien ist nicht allein auf
den Einzelplan 17 beschränkt. Mehr Entlastung bringen
wir auch mit der ersten Stufe der Pflegereform für Fami-
lien, die Angehörige zu versorgen, zu pflegen haben.
Hier stellt die Bundesregierung noch einmal zusätzlich
2,4 Milliarden Euro zur Verfügung. Das ist ein Meilen-
stein in der Geschichte der sozialen Pflegeversicherung.

An dieser Stelle wird noch einmal deutlich, dass es
dieser Koalition gelungen ist, Familien- und Gesund-
heitspolitik ressortübergreifend besser zu verzahnen.
Deshalb werden wir die Familien auch noch stärker da-
rin unterstützen, Beruf und Pflege künftig noch besser
miteinander vereinbaren zu können.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Hierfür wollen wir als Große Koalition in diesem Jahr
die Familienpflegezeit noch attraktiver machen. Arbeit-
nehmer sollen künftig einen Rechtsanspruch haben, für
die Pflege von Angehörigen ihre Arbeitszeit über einen
Zeitraum von bis zu 24 Monaten reduzieren zu können.
Diese Leistungsverbesserung soll bereits im nächsten
Jahr in Kraft treten. Dafür haben wir 1,3 Millionen Euro
in den Einzelplan 17 eingestellt. Denn nach wie vor ist
und bleibt Deutschlands Pflegestation Nummer eins die
Familie, und für dieses Gesellschaftsbild steht auch die
CDU/CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Auch an anderen Stellen haben wir mit weiteren
Leistungen Akzente gesetzt, die das Prinzip der Wahl-
freiheit stärken. So sichern wir auch im nächsten Jahr die
erfolgreichen Mehrgenerationenhäuser als ein niedrig-
schwelliges Angebot. Dafür stellen wir zusätzlich rund
10,5 Millionen Euro zur Verfügung und kommen damit
insgesamt auf 16,5 Millionen Euro.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Besonders stolz können wir alle gemeinsam auf die
Entwicklung der Freiwilligendienste sein. Auch in die-
sem Jahr gibt es wieder rund 35 000 Bundesfreiwillige,
die sich in sozialen, ökologischen und kulturellen Berei-
chen, im Sport, im Zivil- und Katastrophenschutz enga-
gieren.

Seit Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 haben
über 100 000 Menschen aller Altersgruppen einen Frei-
willigendienst absolviert. Für den Bundesfreiwilligen-
dienst stellen wir 2015 167,2 Millionen Euro zur Verfü-
gung, für das Freiwillige Soziale Jahr, das Freiwillige
Ökologische Jahr und den Internationalen Jugendfrei-
willigendienst zusammen rund 93 Millionen Euro. Für
die Stärkung der Zivilgesellschaft sind es zusammen
264,8 Millionen Euro. Das alles sind sehr beeindru-
ckende Zahlen.

Da mir insbesondere die Seniorenpolitik am Herzen
liegt, freue ich mich besonders, dass sich auch viele
Senioren als Bundesfreiwillige in den Dienst der guten
Sache stellen. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich
bei allen, die einen Freiwilligendienst leisten, herzlich zu
bedanken; sie leisten einen wichtigen Dienst für die Ge-
meinschaft und machen für ihren weiteren Lebensweg
eine ganz großartige Erfahrung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich finde, die Medien sollten auch einmal solche Bei-
spiele sozialen Zusammenhalts herausstellen.

Mit fast 2 Millionen Euro bleiben die Mittel für
überregionale Maßnahmen und Modelleinrichtungen
konstant. Hier fördert der Bund modellhafte Bauprojekte
der Altenhilfe, die überregional beispielgebend und ge-
eignet sind, Initiativen anzuregen. Daran wollen wir
auch künftig festhalten.

In den Bereich der Seniorenpolitik gehört auch das
Programm „Anlaufstellen für ältere Menschen“. Hier
fördert das Familienministerium über 300 Projekte, die
das selbstständige Wohnen und Leben im Alter unter-
stützen, Mobilität fördern und Unterstützungsangebote
für betreuende und pflegende Angehörige machen. Bis
2017 stellt der Bund dafür rund 7 Millionen Euro bereit.
Ich lege Ihnen dieses Programm ans Herz, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen; sicher gibt es auch in Ihrem Wahl-
kreis ein entsprechendes Projekt, das Sie sich ansehen
können.

Dieser Haushalt – ressortübergreifend verbunden mit
dem Bundesgesundheits- und dem Bundesarbeitsminis-
terium – zeigt, dass die seniorenpolitischen, gesundheits-
politischen und pflegepolitischen Themen in dieser Ko-
alition einen hohen Stellenwert genießen.

Eine Gesellschaft des langen Lebens birgt nicht nur
Herausforderungen, sondern auch immens viele Chan-
cen und Potenziale. Die Lebenserfahrungen der älteren
Menschen sind wertvolle Schätze, die in der Arbeitswelt,





Astrid Timmermann-Fechter


(A) (C)



(D)(B)

im Ehrenamt, in Schulen, in der Familie und auch in der
Pflege eine höhere Wertschätzung erfahren müssen. Da-
ran müssen wir zukünftig noch besser arbeiten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Der jetzt vorliegende Haushalt ist solide durchgerech-
net, obwohl er deutliche Leistungsverbesserungen be-
inhaltet. Was jedoch nicht geht, meine Damen und Her-
ren, sind milliardenschwere zusätzliche Forderungen;
denn letztlich muss das alles auch bezahlbar bleiben –
das sind wir der nächsten Generation, unseren Kindern,
schuldig, und das sind wir auch dieser Generation schul-
dig. Vor diesem Hintergrund finde ich, dass wir hier ei-
nen strukturell seriös finanzierten Haushalt vorlegen.
Mit einer Vielzahl von Leistungsverbesserungen und
noch flexibleren Angeboten schaffen wir eine Band-
breite an Rahmenbedingungen und Wahlmöglichkeiten.
Ich freue mich auf die nun beginnenden Beratungen in
den Ausschüssen und hoffe auf eine konstruktive Zu-
sammenarbeit.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1805118700

Vielen Dank. – Auch für Sie, Frau Kollegin

Timmermann-Fechter, war das heute die erste Rede.
Deshalb von uns allen einen herzlichen Glückwunsch
dazu!


(Beifall)


Das Wort hat jetzt Uli Gottschalck, SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ulrike Gottschalck (SPD):
Rede ID: ID1805118800

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Wir haben es eben von meiner Vorrednerin ge-
hört: Unser Haushalt hat einen Umfang von rund
8,5 Milliarden Euro. Er ist somit ein eher kleiner Etat.
Ich will es aber einmal so sagen: Er ist klein, aber fein,
weil darin sehr viele familienpolitische Leistungen ste-
hen, die für unsere Familien im Land unendlich wichtig
sind.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Auch wenn die Opposition vorhin gejammert hat: Der
Etat steigt um 500 Millionen Euro.


(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben nicht gejammert, sondern qualifiziert kritisiert!)


Das liegt im Wesentlichen im Elterngeld begründet, ei-
ner wichtigen familienpolitischen Leistung. Immer mehr
Väter nehmen es in Anspruch, weil immer mehr junge,
gut ausgebildete Frauen endlich ordentlich verdienen,
und ich finde, das ist wichtig. Deshalb ist uns das Eltern-
geld lieb, aber auch teuer, wenn ich das als Haushälterin
einmal so sagen darf.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Frau Golze, ja, es gibt auch das Betreuungsgeld. Auch
Sie müssen es ertragen, dass wir in jeder Haushaltsde-
batte sagen: Ja, die SPD hat dazu auch eine andere Mei-
nung, aber wir sind vertragstreu. Dafür haben wir unter
anderem den Mindestlohn und die Rente mit 63 durchge-
setzt. Beim Mindestlohn, mit dem man wirklich dafür
sorgen kann, dass Kinder nicht in Armut leben müssen,
waren Sie nicht einmal dabei. Ich finde, das ist ziemlich
peinlich.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Diana Golze [DIE LINKE]: Ich bin seit neun Jahren hier im Haus! Ich bitte Sie, Kollegin! Ich bin keine Anfängerin!)


Wir haben im Haushalt 2014 einiges auf den Weg ge-
bracht, was nun kontinuierlich fortgeführt wird:

Ich beginne mit der zusätzlichen Million zur Versteti-
gung der Jugendverbandsarbeit. Gemeinsam mit mei-
nem Kollegen habe ich im letzten Jahr dafür gekämpft.
Wir haben es geschafft. Die Jugendverbandsarbeit wird
nun dauerhaft gestärkt.

Daneben werden 16,5 Millionen Euro zur Finanzie-
rung der Mehrgenerationenhäuser zur Verfügung ge-
stellt. Das war ein harter Kampf – ich schaue hier den
Kollegen Alois Rainer und auch alle anderen an, die da-
für gekämpft haben. Dieser Betrag, durch den die weg-
fallenden ESF-Mittel aufgefangen werden sollen, steht
bis jetzt leider nur einmalig im Etat. Deshalb fordere ich
hier an dieser Stelle gleich alle auf, in den Beratungen
aufzupassen. Wir brauchen eine Verstetigung dieser Mit-
tel für die Mehrgenerationenhäuser, weil hier eine ganz
wichtige Aufgabe geleistet wird.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Die Frau Ministerin hat es angesprochen: Wir haben
eine Zuweisung an den Fonds für die Opfer der Heim-
erziehung in der DDR in den Jahren 1949 bis 1990 in
Höhe von 42,7 Millionen Euro erreicht. Auch das war
ein Kraftakt, aber auch das steht jetzt im Haushalt.

An der Hoch- und Herunterrechnerei in Bezug auf das
Sondervermögen „Kinderbetreuungsausbau“ will ich
mich jetzt nicht beteiligen. Ich finde es auf jeden Fall
sehr gut, dass wir 1 Milliarde Euro zur Verfügung haben,
um den Ausbau der U3-Kinderbetreuungsplätze zu er-
möglichen, wodurch vor allen Dingen der entsprechende
Rechtsanspruch erfüllt wird.

Wir müssen natürlich für die Qualität sorgen; das gilt
aber auch für die Länder. Hier gebe ich dem Kollegen
Weinberg sehr recht, der das vorhin auch schon ange-
sprochen hat. Ich denke, wir alle sind uns einig: Wir
brauchen neben der Quantität auch Qualität. Dafür müs-
sen wir Bundesgeld in die Hand nehmen, aber dafür
müssen auch die Länder etwas tun. Wir müssen aufpas-
sen, dass die Länderminister hier keine klebrigen Finger
haben, sondern dieses Geld wirklich für Bildung ausge-
ben.





Ulrike Gottschalck


(A) (C)



(D)(B)

Ich will an dieser Stelle ausdrücklich sagen: Diese
Gelder sollten durchaus sehr flexibel für Bildung ausge-
geben werden. Mir ist die frühkindliche Bildung mindes-
tens genauso wichtig wie gute Ganztagsschulen oder
Hochschulen. Deswegen sollen die Länder das Geld ent-
sprechend ihrer Bedarfe ausgeben. Wir stellen in dieser
Legislaturperiode 6 Milliarden Euro für die Bildung zur
Verfügung, und ich denke, das ist ein ordentlicher Be-
trag.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zur Steigerung der Qualität in den Kitas geben wir
den Kommunen in den Jahren 2016 und 2017 einen grö-
ßeren Anteil an der Umsatzsteuer.

Das alles gehört zu unseren Aufgaben, und wir müs-
sen hier mit aufpassen, dass das Geld auch wirklich dort
ankommt, wo es gebraucht wird, nämlich in den Kom-
munen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will hier
auch noch das Bundesamt für Familie und zivilgesell-
schaftliche Aufgaben ansprechen. Auch hier werden
unglaublich viele gute Dinge geleistet. Das ist eine wich-
tige Dienstleistungsbehörde für den Dienst am Menschen,
auf die wir sehr stolz sind. Wenn man abfragt, welche
Erfolge dort erzielt werden, dann wird zum Beispiel das
Notruftelefon für Frauen bzw. das Konflikttelefon ge-
nannt. Gestern habe ich mit der Präsidentin der Behörde
und Alois Rainer über die vertrauliche Geburt gespro-
chen. Das Gesetz ist noch nicht lange in Kraft. Aber mit
der Unterstützung dieser Behörde wurden schon 32 Ge-
burten im Rahmen dieser neuen Regelung durchgeführt.
Es ist schwierig, sich vorzustellen, unter welchen Um-
ständen diese Geburten abgelaufen sind.

Die Behörde leistet tolle Arbeit. Deshalb bin ich sehr
dankbar, dass wir diese gute Dienstleistungsbehörde ha-
ben. Wir müssen diese Behörde in den Haushaltsbera-
tungen im Auge behalten, um ihre Arbeit stärken zu kön-
nen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Zum Schluss sage ich einer sehr guten und taffen
Ministerin, fachlich und sachlich hervorragend agieren-
den Staatssekretärinnen und Staatssekretären Danke-
schön. Ihre Arbeit wiederum führt dazu, dass wir total
motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministe-
rium haben. Auch an sie ein herzliches Dankeschön. Ein
allerletztes Dankeschön geht an den geschätzten Unions-
haushälter Alois Rainer, mit dem ich immer sehr gut zu-
sammenarbeite und mit dem wir auch den zukünftigen
Haushalt gut wuppen werden.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1805118900

Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Alois Rainer für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Alois Rainer (CSU):
Rede ID: ID1805119000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kollegin
Gottschalck, gleich zu Anfang vielen Dank für den
Weihrauch. Aber bei zu viel Weihrauch wird selbst ein
Heiliger rußig.


(Heiterkeit)


Trotzdem vielen herzlichen Dank.

Viele meiner Vorredner sprachen es bereits an, aber in
dieser Debatte noch kein Haushälter. Ich denke, ich darf
es sagen: Ich freue mich darüber, dass ich in meiner ers-
ten Periode im Deutschen Bundestag dabei sein darf,
wenn nach 46 Jahren ein ausgeglichener Haushalt aufge-
stellt wird. Ich sage das mit großem Stolz. Wir alle dür-
fen stolz darauf sein, dass das geschafft wurde. Das war
nämlich alles andere als einfach. Es ist auch richtig, dass
wir unsere solide, verlässliche und stabilitätsorientierte
Politik dahin gehend weiter fortsetzen werden.

Die „schwarze Null“ im Haushalt für 2015 markiert
zugleich den Beginn eines nachhaltig ausgeglichenen
Bundeshaushalts für den gesamten Finanzplanungszeit-
raum. Mit dem nun vorliegenden Entwurf zum Finanz-
haushalt des Bundesministeriums für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend zeigen wir, dass wir halten, was wir
versprechen. Auf der einen Seite sparen wir, auf der an-
deren Seite investieren wir. Wir investieren in diejeni-
gen, die uns am wichtigsten sind: in die einzelnen Men-
schen und in die Familien in Deutschland. Daher ist
unsere Politik eine Politik, die das Miteinander aller
Menschen in unserem Land fördert.

Wir wollen eine familienfreundliche Gesellschaft,
eine Gesellschaft, in der Kinder willkommen sind, in der
Kinder, auch wenn sie einmal quengeln oder unruhig
und laut sind, immer noch willkommen sind.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


– Danke. – Ehe und Familie sind in ganz Deutschland
das Fundament unserer Gesellschaft. Familien und Kin-
der gehören für die große Mehrheit der Frauen und Män-
ner in unserem Land zu einem glücklichen Leben. Auch
in Ehen und Partnerschaften, die ohne Kinder bleiben,
übernehmen Männer und Frauen dauerhaft füreinander
Verantwortung. Deshalb ist es uns ein besonderes Anlie-
gen, Ehe und Familie dementsprechend zu stärken und
mit guten Rahmenbedingungen dazu beizutragen, dass
die Menschen ihren Wunsch nach Kindern, Familie und
Partnerschaft verwirklichen können. In diesem Zusam-
menhang gehört es auch zu den wesentlichen Zielen un-
serer Familienpolitik, Kinder und Familie wirksam zu
unterstützen und zu fördern sowie die Vereinbarkeit von
Familie und Beruf zu verbessern.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wenn wir über Familie sprechen, dann sprechen wir
auch über die Unterstützung älterer Menschen; denn ge-
rade mit Blick auf den demografischen Wandel in
Deutschland ist es ein wichtiges Ziel, auch die Rolle der





Alois Rainer


(A) (C)



(D)(B)

älteren Generation zu stärken und deren wertvolles Er-
fahrungswissen in die Gesellschaft einzubringen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Genau diesen Herausforderungen stellen wir uns in
der Regierungskoalition. In dem nun vorliegenden Haus-
haltsentwurf zum Einzelplan 17 beträgt der Gesamtan-
satz rund 8,5 Milliarden Euro. Zum Vorjahr ist dies ein
Aufwuchs von circa 500 Millionen Euro. Den wesentli-
chen und größten Anteil im Einzelplan 17 bildet das
2007 eingeführte Elterngeld. Es soll das Einkommen
von Familien im ersten Lebensjahr des Kindes stabilisie-
ren. Mit der Einführung des ElterngeldPlus wird die
Teilzeittätigkeit von Eltern erleichtert. Gegenüber der
bisherigen Finanzplanung werden die gesetzlichen Leis-
tungen beim Elterngeld für das Haushaltsjahr 2015 auf
5,4 Milliarden Euro angehoben. Damit gehen wir auf die
dynamische Entwicklung der Lohnsteigerung beim El-
terngeld entsprechend ein.

Auf dem Krippengipfel im Jahr 2007 wurde von
Bund, Ländern und Kommunen vereinbart, dass schritt-
weise ein bedarfsgerechtes Betreuungsangebot für unter
Dreijährige realisiert wird; denn Eltern haben ein Recht
auf die bestmögliche Betreuung und Bildung für ihre
Kinder. Daher ist es unsere gemeinsame Aufgabe, ein
breites, familiennahes Angebot mit guter Qualität zu
schaffen. Mit gemeinsamer Aufgabe meine ich nicht nur
den Bund, sondern auch die Länder und die Kommunen,
die dafür zuständig sind. In diesem Zusammenhang sind
auch die Sprachförderung und die Qualifizierungsoffen-
sive im frühkindlichen Bereich zu nennen, deren Finan-
zierung wir bereits im Haushalt 2014 verstetigt haben.

Wenn wir von Angebot und Qualität sprechen, dann
möchte ich auch gerne das Bundesamt für Familie und
zivilgesellschaftliche Aufgaben nennen. Das Bundes-
amt leistet mit seiner Vielzahl von Aufgaben, wie zum
Beispiel beim Bundesfreiwilligendienst, dem Hilfetele-
fon, der Contergan-Stiftung, bei den Mehrgenerationen-
häusern oder auch bei der Regiestelle „Toleranz fördern –
Kompetenz stärken“, mehr, als in einer sogenannten Ab-
baubehörde überhaupt möglich ist.

Wie heute schon vielfach angesprochen, liegt mir ein
Thema ganz besonders am Herzen, und zwar das Thema
der Mehrgenerationenhäuser. Ich möchte betonen, dass
wir im Koalitionsvertrag festgehalten haben, dass wir
ein Konzept entwickeln wollen, um die Finanzierung der
Mehrgenerationenhäuser im Haushalt zu verstetigen. Für
das kommende Jahr 2015 ist es uns noch gelungen – zu-
sammen mit meiner Kollegin Ulrike Gottschalck –, die
Finanzierung der Mehrgenerationenhäuser nach dem
Wegfall der ESF-Mittel im Haushalt mit 16,5 Millionen
Euro zu berücksichtigen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Hier müssen weitere Gespräche geführt werden, und
das werden sie auch, um gerade die sozialen Anker-
punkte, die das generationenübergreifende Miteinander
fördern, weiter zu stützen. Wir können die 450 Mehrge-
nerationenhäuser in Deutschland nicht im Regen stehen
lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Diana Golze [DIE LINKE])


Ein weiterer sehr wichtiger Punkt ist die Kinder- und
Jugendpolitik. Hier haben wir den Mittelansatz für den
Kinder- und Jugendplan, wie die Kollegin schon gesagt
hat, im vergangenen Jahr um 1 Million Euro erhöhen kön-
nen. Auch das bleibt zumindest im Haushaltsjahr 2015
so.

Zum Abschluss meiner Ausführungen spreche ich
mich insbesondere als Haushaltspolitiker für die Genera-
tionengerechtigkeit aus. Diese bemisst sich auch daran,
dass wir unseren nachfolgenden Generationen, unseren
Kindern und Enkeln, nicht immer größere Schulden-
berge hinterlassen. Darum sollten wir alle dafür einste-
hen, den richtigen Weg zu gehen, um schon heute die
Weichen für unsere nachfolgenden Generationen zu stel-
len. Lassen Sie mich mit einem Zitat von Ludwig Erhard
enden:

Unser Tun dient nicht der Stunde, dem Tag oder
diesem Jahr. Wir haben die Pflicht, in Generationen
zu denken …

Ich hätte gerne noch auf die eine oder andere Aussage
der Opposition geantwortet, aber da ich jetzt wieder wie
in meinen vier vorhergehenden Reden eine Punktlan-
dung geschafft habe, bedanke ich mich ganz herzlich für
Ihre Aufmerksamkeit.

Vielen herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1805119100

Vielen Dank. Das mit der Punktlandung wollen wir

jetzt nicht so wörtlich nehmen.

Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen
nicht vor.

Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit, Einzelplan 16.

Wenn jetzt die Familienpolitikerinnen und -politiker
den Umweltpolitikern und -politikerinnen ganz zügig
Platz machen, könnte ich die nächste Rednerin aufrufen.

Ich bitte, die Gespräche, die hier jetzt noch zwischen
den Reihen geführt werden, draußen zu führen.

Das Wort hat nun die Bundesministerin Dr. Barbara
Hendricks.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-
legen! Ich freue mich, dass ich Ihnen heute den ersten
Haushaltsentwurf vorlegen kann, der die geänderte
Ressortzuständigkeit von Anfang an mitbedacht hat.





Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks


(A) (C)



(D)(B)

Jetzt zeigt sich, dass sich die Bereiche Bauen und Stadt-
entwicklung hervorragend mit den klassischen Aufgaben
des alten Umweltministeriums zusammenfügen und er-
gänzen – eine Erfahrung, die wir seit der vollzogenen
Zusammenführung im Juni tagtäglich machen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will hier deut-
lich machen, dass es mir ein ganz persönliches Anliegen
ist, dass wir bei den vielfältigen Themen meines Hauses
immer auch die soziale Dimension mitbedenken. Wir
machen Umwelt-, Natur- und Klimaschutzpolitik und
Bau- und Stadtentwicklungspolitik für die Menschen
und mit den Menschen in Deutschland. Das ist dringend
notwendig, und es ist uns mit diesem Haushaltsentwurf
gelungen. Was wir hier erleben, ist ein echter Fortschritt.
Ich werde auf die einzelnen Maßnahmen noch eingehen.

Umwelt- und Klimaschutz gehören ja zu den zentra-
len Herausforderungen, denen sich die Bundesregierung
stellt. Als bedeutendes Industrieland steht Deutschland
unter besonderer Beobachtung, ob Klimaschutz und
Wirtschaftswachstum zusammenpassen. Ich bin davon
überzeugt, dass Deutschland unter Beweis stellen kann,
dass aktiver Klimaschutz eben keine Einschränkung des
Wachstums und der Lebensqualität bedeutet – im Ge-
genteil: Innovationen in diesen Bereichen bieten viele
Wachstumschancen, die wir in Deutschland schon nut-
zen und weiter nutzen wollen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das Gleiche gilt für den Umweltschutz. Wenn wir der
Natur wieder mehr Raum geben, dann gibt es auch für
uns Menschen mehr Raum, nämlich Raum zur Erholung,
zur Entspannung und auch zur Entfaltung. Wenn wir die
Qualität der Natur erhöhen, verbessern wir unsere eigene
Lebensqualität. Ein guter Naturschutz ist also immer
auch Menschenschutz.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb werden wir auch 2015 die Ausgaben zum
Beispiel für die Umweltforschung, für das Programm
Biologische Vielfalt und für Naturschutzgroßprojekte
auf hohem Niveau fortführen. Ich bin froh, dass uns das
gelingt. Ich möchte die Akzeptanz einer aktiven und pro-
gressiven Umwelt- und Klimaschutzpolitik erhöhen, und
ich möchte das Wachstum in Deutschland stärken, um
das uns auch jetzt schon viele andere beneiden. Der Ein-
zelplan 16 im Bundeshaushalt für das Jahr 2015 spiegelt
detailliert wider, was sich die Koalition vorgenommen
hat.

Wir wollen Umweltschutz, Naturschutz und Klima-
schutz und damit den Schutz unserer natürlichen Le-
bensgrundlagen voranbringen – und das wird uns auch
gelingen.

Wir wollen mit einer ökologischen Industriepolitik
mehr nachhaltige Investitionen in umweltschonende
Technologien ermöglichen. Gerade die öffentliche Hand
sollte sich ihrer Einkaufsmacht noch stärker bewusst
werden, um umweltfreundliche Produktinnovationen zu
stärken.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir wollen gutes und bezahlbares Wohnen und Bauen
fördern, da guter Wohnraum zu den elementaren Bedin-
gungen für eine gute Lebensqualität in Stadt und Land
gehört.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, insgesamt
steigt das Volumen des BMUB-Haushaltes gegenüber
2014 um rund 238 Millionen Euro auf rund 3,9 Milliar-
den Euro an. Das ist vor allem auf höhere Ansätze für
Wohngeld, Wohnungsbauprämien und die Städtebauför-
derung zurückzuführen. Die deutliche Steigerung des
Programmhaushaltes ist daher ein großer Erfolg.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Die Programmbereiche Umweltschutz, Nationale
Klimaschutzinitiative, Naturschutz, Reaktorsicherheit
und Strahlenschutz werden auf dem bisherigen Niveau
fortgeschrieben. Ich werde mich auch mit aller Kraft für
ein neues internationales Klimaschutzabkommen in
knapp eineinhalb Jahren in Paris einsetzen. Wir können
nicht zufrieden sein, solange es kein neues Abkommen
gibt. Deshalb werde ich alle Anstrengungen unterneh-
men, damit Paris als Erfolg in die Klimaschutzge-
schichte eingehen kann.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Deutschland kann, soll und wird im Klimaschutz eine
Vorreiterrolle einnehmen. Dazu müssen wir aber auch si-
cherstellen, dass das Klimaschutzziel, das wir uns selber
gegeben haben, bis 2020 erreicht werden kann. Deshalb
habe ich das Aktionsprogramm „Klimaschutz 2020“ ini-
tiiert;


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist das denn im Haushalt?)


denn ohne zusätzliche Anstrengungen werden wir unser
Ziel nicht erreichen.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Richtig!)


Jetzt werden alle Vorschläge gesammelt, berechnet, be-
wertet und im Kreis der Bundesministerien abgestimmt.
Das daraus resultierende Aktionsprogramm wollen wir
im November 2014, also schon recht bald, im Kabinett
verabschieden. Darauf aufbauend werden wir bis 2016
einen Klimaschutzplan 2050 vorlegen, der die langfristi-
gen Klimaschutzziele und die Gestaltung des gesell-
schaftlichen Wandels noch stärker in den Blick nehmen
wird.

Neu aufgenommen wurde übrigens der Titel „Maß-
nahmen zur Klimaneutralisierung von Dienstreisen der
Bundesregierung“ mit einem Ansatz von 2 Millionen
Euro. Sie werden sich erinnern, dass die letzte Große
Koalition bereits eine Klimaneutralisierung von Dienst-
reisen der Bundesregierung eingeführt hatte. Ich möchte,
dass wir mit dieser Maßnahme wieder ein gutes Beispiel
geben und auf diese Weise ein wichtiges, auch interna-
tional wahrnehmbares Zeichen setzen: Ja, wir nehmen
den Klimaschutz ernst.





Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit rund 63 Pro-
zent, das sind 2,47 Milliarden Euro, bilden die Kapitel
„Wohnungswesen und Städtebau“ sowie „Hochbau- und
Fördermaßnahmen“ einen deutlichen Schwerpunkt im
Einzelplan 16. Die Wohnungsmärkte – das wissen wir –
und die Wohnungsbausituation sind in Deutschland
regional sehr unterschiedlich. Gerade in den Ballungs-
räumen gibt es wachsende Probleme mit Wohnungsman-
gel und steigenden Mieten. Daher habe ich im Juli dieses
Jahres das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen
ins Leben gerufen, in dem alle relevanten Akteure zu-
sammenarbeiten. Ich bitte um Verständnis dafür, dass
diese Zusammenarbeit auch noch etwas Zeit in An-
spruch nehmen wird. Ich lese in den Zeitungen: Da
kommt ja nichts raus. – Na klar! Wenn man sich im Juli
zusammensetzt und dann erst einmal Sommer ist, dann
kann man im September noch keine Ergebnisse erwar-
ten. Deswegen bitte ich um ein wenig Geduld. Das, was
wir auch jetzt schon machen können, das machen wir. Im
Haushaltsentwurf ist besonders der deutlich erhöhte An-
satz für Wohngeld von 500 Millionen Euro auf jetzt
630 Millionen Euro hervorzuheben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil Sie es runtergesetzt haben! Jetzt setzen Sie es wieder rauf! Das ist doch ein Taschenspielertrick!)


Damit schaffen wir eine wichtige Voraussetzung für die
Wohngeldreform, die wir uns vorgenommen haben und
die Menschen mit geringen Einkommen helfen wird, mit
den steigenden Wohnkosten zurechtzukommen. Auch
eine Heizkostenpauschale wollen wir wieder einführen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ebenfalls erhöht haben wir die Ansätze für die Woh-
nungsbauprämie auf jetzt rund 365 Millionen Euro. Der
Ansatz für das 2014 neu aufgelegte Programm „Alters-
gerecht Umbauen“ wird mit rund 12 Millionen Euro für
Investitionszuschüsse fortgeschrieben. An all diesen
Beispielen kann man sehen, dass der Bund seiner Ver-
antwortung gerecht wird. Wir kümmern uns darum, dass
Wohnen und Bauen in Deutschland für die Menschen
bezahlbar bleiben kann. Wir sorgen für die soziale Ba-
lance und dafür, dass Investitionen in den Neubau von
Wohnraum angeregt und getätigt werden.

Im Bereich Hochbau ist insbesondere die Erhöhung
des Ansatzes für Investitionszuschüsse zur Errichtung
des Humboldt-Forums in Berlin von 53 auf 109 Millio-
nen Euro zu nennen, die sich entsprechend dem Bau-
fortschritt plafondserhöhend auswirken. Es ist ja beruhi-
gend, dass das im Zeitplan und im Kostenplan liegt.
Dafür will ich ausdrücklich meine Anerkennung aus-
sprechen. Ich bin zuversichtlich, dass das auch so bleibt.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Damit erfüllen wir in allen Punkten den Koalitions-
vertrag. Wie beim Mindestlohn oder der Mietpreis-
bremse und der Entlastung der Kommunen gilt auch
hier: versprochen und gehalten. Die Menschen in
Deutschland können sich auf uns verlassen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bereiche
Umwelt-, Natur- und Klimaschutz sowie Bauen und
Stadtentwicklung sind in meinem Haus in guten Händen,
und sie verfügen über eine solide finanzielle Grundlage.
Das ist die Botschaft, die wir mit dem Entwurf des Ein-
zelplans 16 aussenden, für den ich deshalb um Ihre Un-
terstützung bitte.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805119200

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Als nächste Rednerin spricht die Kollegin Heidrun
Bluhm von der Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Heidrun Bluhm (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805119300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrte Frau Ministerin Hendricks! Der Maßstab,
an dem der Einzelplan für das Politikfeld Bauen und
Wohnen gemessen werden muss, ist nicht die Frage, wie
wenig die Vorgängerregierung geleistet hat, sondern die
Frage, ob dieser Haushaltsansatz tatsächlich den drin-
gendsten Entwicklungserfordernissen der Gesellschaft
gerecht wird oder nicht.

Sind die Haushaltsansätze also ausreichend, um den
Anforderungen der sozialdemografischen Gegebenhei-
ten heute und in Zukunft zu entsprechen? Genügen sie
den Erfordernissen des Klimaschutzes durch energeti-
sche Gebäudesanierung? Werden sie den zunehmenden
Herausforderungen einer sozial integrativen Stadt- und
Regionalentwicklung gerecht? – Ich sage dreimal: nein.


(Zuruf von der CDU/CSU: Verkehrt!)


Dieser Haushaltsentwurf erfüllt nicht einmal den von
Ihnen selbst im Koalitionsvertrag formulierten Anspruch
eines wohnungspolitischen Dreiklangs „aus einer Stär-
kung der Investitionstätigkeit, einer Wiederbelebung des
Sozialen Wohnungsbaus und einer ausgewogenen miet-
rechtlichen und sozialpolitischen Flankierung“.

Das sind alles hehre Ziele, aber bisher alle nur im
Ankündigungsmodus. Aber, Frau Ministerin, 25 Pro-
zent Ihrer Regierungszeit sind schon vorbei. Ich erinnere
an diese Ankündigungsrhetorik nur, um zu verdeutli-
chen, dass nicht nur bei mir, bei der Opposition, der
Erwartungsvorschuss, den es Ihnen gegenüber tatsäch-
lich einmal gab, aufgebraucht ist, sondern dass sich,
nachdem bisher wirklich nichts passiert ist, auch in der
Öffentlichkeit Ernüchterung breitmacht – gegenüber der
Hoffnung, dass sich durch die Zusammenlegung von
Umwelt- und Bauressort und die Besetzung der Ministe-
riumsspitze mit einer Sozialdemokratin etwas Grund-
legendes auf diesem Gebiet ändern würde. Bisher Fehl-
anzeige – zwar nicht bei den Ankündigungen, aber sehr
wohl bei den Taten.


(Beifall bei der LINKEN)






Heidrun Bluhm


(A) (C)



(D)(B)

Selbst an den Stellen, an denen es der Bund allein in
der Hand hat, mit eigenen Immobilien eigene Wohn- und
Klimaschutzkonzepte umzusetzen, werden die Chancen
einfach vertan. Ich spreche beispielhaft von dem Poten-
zial zum Beispiel der 11 500 TLG-Wohnungen – gut, das
war nicht unter Ihrer Verantwortung –, die 2012 ver-
scherbelt wurden, und vor allem von der Bundesanstalt
für Immobilienaufgaben. Aber vielleicht heißt ja „Im-
mobilienaufgaben“ nach Ihrer Lesart „Immobilien auf-
geben“.

Wir verstehen das jedoch anders. Die Aufgabe der
Bundesanstalt könnte doch darin bestehen, mit dem
nicht unerheblichen Bestand von noch rund 42 000 Woh-
nungen beispielgebende Wohn- und Stadtentwicklungs-
konzepte anzustoßen,


(Beifall bei der LINKEN)


Modellprojekte für sozial stabile, klimagerechte Wohn-
quartiere zu schaffen und damit etwas für den sozialen
Wohnungsbau zu tun. Also könnten Sie Vorbild sein. Ist
das zu visionär, oder ist das Denkmal einer kurzfristigen
„schwarzen Null“ der absolute Primat gegenüber grund-
legenden Lebens- und Existenzbedürfnissen von Mensch
und Umwelt? – Scheinbar ist das so.

Das zeigt zum Beispiel auch der Verkauf der TLG-
Wohnungen an die TAG im Jahre 2012. Aus unserer
Sicht war das damals ein schwerer Fehler.


(Beifall bei der LINKEN)


Da hat der Bund zwar seinen Schnitt gemacht. Die mit
dem Verkauf verbundenen Nachteile tragen dagegen die
30 000 Mieterinnen und Mieter in Ostdeutschland allein.
Zuerst hat die Erwerberin der Wohnungsbestände, die
TAG – Sozialcharta hin, Ombudsstelle her –, die Mieten
flächendeckend merklich erhöht. Und jetzt bereitet
dieser von der Bundesregierung als „seriöser Bestands-
halter“ geadelte Finanzkonzern den Weiterverkauf der
gerade vom Bund erworbenen Wohnungen vor.

Somit stehen die Mieterinnen und Mieter und ebenso
die ehemaligen Mitarbeiter und Beschäftigten der TLG
sozusagen zum zweiten Mal in kurzer Zeit zum Verkauf.
Hat denen das überhaupt schon jemand gesagt, oder sind
wir, die Linke, wieder die Ersten, die die Katze aus dem
Sack lassen?

Dasselbe wird garantiert mit den jetzt in Berlin zum
Verkauf stehenden Wohnungen der Bundesanstalt für
Immobilienaufgaben passieren. Bei dem hier aufgerufe-
nen Preis steht von vornherein fest, dass als Bieter wie-
der nur Immobiliendreher infrage kommen.

Die Verdrängung der bisherigen Mieterschaft und die
Zerstörung gewachsener Sozialstrukturen sind so sicher
wie das Amen in der Kirche. Aber selbst das ist der Re-
gierung offensichtlich schnuppe. Damit beteiligt sich der
Bund aktiv an Mietpreistreiberei, Segregation und Gen-
trifizierung, auch wenn Sie, Frau Ministerin, immer ei-
nen anderen Eindruck erwecken wollen.

Wir, die Linke, wollen, dass in Berlin und anderswo,
wo der „angespannte Wohnungsmarkt“ als Kosewort für
die tatsächliche Situation verwendet wird, Beispiele da-
für geschaffen werden, dass diese Bundesregierung es
mit ihrer wohnungspolitischen Offensive und ihrer miet-
rechtlichen und sozialen Flankierung ernst meint.


(Beifall bei der LINKEN)


Deshalb haben wir im Juli den Antrag eingebracht, der
ein Moratorium der BImA-Wohnungsverkäufe zum Ziel
hat. Wir wollen damit den Wohnungsverkauf aussetzen,
bis die Bundeshaushaltsordnung und das BImA-Gesetz
geändert sind.


(Beifall bei der LINKEN)


Damals hätten alle Abgeordneten, die vor dem Parla-
ment Hilfssignale an die Betroffenen gesendet hatten,
bei Sofortabstimmung helfen können. Stattdessen haben
Sie den Antrag in die Ausschüsse verwiesen, und die
BImA verkauft inzwischen fleißig weiter.

In der Großgörschenstraße/Katzlerstraße in Berlin
werden 45 Wohnungen zum Preis von 7 Millionen Euro
verkauft. Jeder Immobilienlaie kann sich ausrechnen,
dass die Refinanzierung nur durch Luxussanierung und
Eigentumsumwandlung funktionieren kann. Die jetzigen
Mieter können schon mal die Koffer packen.

Frau Hendricks, nicht nur die betroffenen Mieterin-
nen und Mieter werden Ihren Worten keinen Glauben
mehr schenken. Denn Gesetze kann man ändern. Das ist
unser Auftrag und unser Tagesgeschäft. Wir werden das
für Sie tun und Ihnen damit aus der selbstgebastelten
Klemme helfen – im Interesse ganz normaler Menschen.
So toll kann Opposition sein.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805119400

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege

Christian Haase.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Christian Haase (CDU):
Rede ID: ID1805119500

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau

Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! In dieser Woche wer-
den wir mit dem Bundeshaushalt 2015 einen Meilenstein
in der Haushaltspolitik Deutschlands setzen: Der Bund
wird seinen Haushalt ohne Neuverschuldung ausglei-
chen, und das ohne Steuererhöhungen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir kommen mit dem aus, was wir haben. Das muss
jede Familie zu Hause in unserem Land, und das müssen
auch wir. Das heißt, keine neuen Schulden, keine neuen
Lasten als Wackersteine im Rucksack unserer Kinder
und trotzdem Investitionen in Bildung, Arbeitsplätze, In-
frastruktur und Umwelt- und Klimaschutz.


(Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Investitionsquote sinkt!)






Christian Haase


(A) (C)



(D)(B)

Nach dem Gebot der Vorsicht eines ehrbaren Kauf-
manns und mit Maß und Mitte hat unser Finanzminister
Dr. Schäuble, dem wir dafür ausdrücklich danken, die
letzten Jahre erfolgreich genutzt. Auf diesem soliden
Fundament kann der Haushalt des Bundesministeriums
für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit im
nächsten Jahr auf 3,9 Milliarden Euro steigen.

Frau Ministerin Hendricks, Sie finden mit dem vorge-
legten Haushalt die Balance zwischen den notwendigen
Investitionen und Programmen. Vielen Dank dafür!


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Meine Damen und Herren, ich möchte, dass wir unse-
ren Kindern eine saubere und sichere Zukunft überge-
ben.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht mit diesem Haushalt!)


Mit der Energiewende geht daher auch die Aufgabe ein-
her, bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle eine Lö-
sung zu finden. In der letzten Woche habe ich dazu das
Bundesamt für Strahlenschutz besucht und mich davon
überzeugt, dass an allen übertragenen Projekten mit
Hochdruck gearbeitet wird.

Ich begrüße vor allem, dass wir für den Asse-Fonds
2 Millionen Euro zusätzlich und damit insgesamt 3 Mil-
lionen Euro in die Hand nehmen. Wir tragen damit deut-
lich zur Abfederung der besonderen Belastungen in der
Region bei.

Wissenschaft und Politik sind in dieser Woche erst-
mals in der Standortauswahlkommission zusammenge-
kommen. Ein wissensbasiertes transparentes Verfahren
ist genauso notwendig wie eine effiziente Arbeit. Wir
müssen es endlich schaffen, auch auf der Zeitachse vo-
ranzukommen.

Wir brauchen Lösungen, damit Zwischenlager nicht
länger betrieben werden müssen als notwendig. Das
können wir den Menschen an den Standorten nicht zu-
muten. Jahrzehntelange Verfahren wie beim Schacht
Konrad können wir uns nicht leisten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir stellen deshalb 2,5 Millionen Euro mehr für das Stand-
ortauswahlverfahren, 2,5 Millionen Euro mehr beim Bun-
desamt für kerntechnische Entsorgung und 5,75 Millionen
Euro für die Kommission im Haushalt zur Verfügung.

Es ist mir auch im Hinblick auf internationale Ent-
wicklungen wichtig, dass wir nicht ungeprüft auf jeden
neuen Trend aufspringen. International wie national
müssen wir uns auf eine effizientere Energieverwendung
und auf Energieeinsparung konzentrieren. Gasförderung
aus Tiefengestein, insbesondere wenn die Risiken noch
ungeprüft sind, kommt für mich erst danach. Solange wir
keine umweltschonenden Verfahren zum unkonventio-
nellen Fracking haben, bleibe ich Skeptiker bei dieser
Technologie.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – SvenChristian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Bundesregierung plant das Gegenteil!)


Nicht alles, was möglich ist, sollten wir sofort nutzen.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gucken Sie mal in den Haushalt! Da steht was anderes drin!)


Mit 22 der 43 Kurorte – davon fünf Heilbäder – liegt
knapp die Hälfte der Kurorte Nordrhein-Westfalens im
„Heilgarten Deutschland“, meiner Heimat Ostwestfalen-
Lippe. Während meiner Sommerreise habe ich unter an-
derem in Gesprächen mit Mineralwasserherstellern wie
auch Brauereien zu diesem Thema ein klares Nein mitge-
nommen. In diesem Zusammenhang sehe ich Forschungs-
vorhaben hier als besonders wichtig an, um wissensbasiert
Techniken zu bewerten. Genau dieser Meinung sind auch
zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland. Wir müs-
sen also weiter forschen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Mit der Forschung müssen wir uns auch um einen
verstärkten Klimaschutz in den Städten kümmern. Der
anhaltende Trend zur Urbanisierung ist eine besondere
Herausforderung für die Menschen, aber auch die Um-
welt. „Glücklich leben und naturgemäß leben ist eins.“
So lauteten die Worte des römischen Philosophen
Seneca schon vor 2000 Jahren. Wie gestaltet sich das Le-
ben in den grünen Städten der Zukunft? Wie lassen sich
Ressourcen schonen und Energien effizient nutzen? Wel-
che Konzepte für Biodiversität und Mobilität – Stich-
wort Rußpartikelfilter – gibt es? Diese Fragen können
wir hervorragend mit dem neuen Ressortzuschnitt in un-
serem Ministerium angehen.

Vernetzt müssen wir aber auch in Fragen der Umset-
zung der Energiewende und der Auswirkungen auf Um-
welt und Natur denken. Ich begrüße das sich in der Aus-
schreibung befindliche Gutachten des Bundesamtes für
Naturschutz zu den Auswirkungen verschiedener Erdka-
belsysteme auf Natur und Landschaft. Wir müssen diese
Forschung aber auch mit den Fragen zu den gesundheit-
lichen Auswirkungen von Übertragungsnetzen verknüp-
fen, um die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger in den
betroffenen Regionen aufzugreifen. Aber: Wenn wir
Steuergelder in Höhe von über 9,5 Milliarden Euro für
den Umwelt-, Klima- und Naturschutz verwenden, müs-
sen wir dies den Bürgern auch nahebringen. Ich habe be-
reits im Frühjahr darauf hingewiesen, dass wir mit den
Betroffenen, den Kommunen und den Ländern dafür
sorgen müssen, dass die Schäden bei zukünftigen Hoch-
wasserereignissen geringer werden. Die Ministerin hat
dankenswerterweise erklärt, dass sich der Bund in den
nächsten Jahren an der Finanzierung mit einem Betrag
von 1 Milliarde bis 1,2 Milliarden Euro beteiligt. Ich
werde mich ebenfalls dafür einsetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mit Sorge sehe ich den hohen Stand an befristet Be-
schäftigten, insbesondere in den Bundesämtern. Wer ent-





Christian Haase


(A) (C)



(D)(B)

scheidet sich schon dauerhaft für einen Arbeitgeber,
wenn dieser ihm keine Zukunftsperspektive bieten kann?
Wer ist bereit, eine Familie zu gründen und Kinder zu
bekommen, wenn die zukünftigen Verdienstmöglichkei-
ten unklar sind? Und das alles bei einem Arbeitsmarkt,
der immer arbeitnehmerorientierter wird! Wir sollten das
Jahr 2015 nutzen, hier konkrete Lösungen vorzubereiten.

Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern die natio-
nale Bedeutung von großen Projekten wieder stärker
verdeutlichen. So ist das Stadtschloss Berlin mit seinem
Humboldt-Forum viel mehr als nur ein weiteres Mu-
seum, wie man als Passant oder Tourist denken könnte.


(Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Millionengrab!)


Bürgerinnen und Bürger aus aller Welt, aber auch Wis-
senschaftler erfahren und erforschen dort die kulturellen
und gesellschaftlichen Entwicklungen der Völker.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn mit den Spendern beim Humboldt-Forum?)


Dieses europaweit einmalige Konzept hat daher Strahl-
kraft und Tragweite weit über Berlin hinaus. Deshalb
kann ich nur an das Land Berlin appellieren, sich nicht
aus der Finanzierung zurückzuziehen.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um die Spender, nicht um das Land!)


Das Humboldt-Forum hat eine nationale Dimension, für
die wir im Bundeshaushalt mit 56 Millionen Euro zu-
sätzlich Vorsorge treffen müssen. Bei meinem Besuch
der Großbaustelle konnte ich mir ein eigenes Bild ma-
chen. Es freut mich, dass die Baumaßnahmen im Zeit-
plan liegen und wir erfolgreich vorankommen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zum Schluss noch ein sehr ernstes Thema. Sorge be-
reitet mir die Situation der Flüchtlinge in unseren Kom-
munen. Zelte können in unseren Städten keine Alterna-
tive zu einer vernünftigen Unterbringung sein. Ich kann
aber mangels baulicher Alternativen die Not der Städte
nachvollziehen. Zur Unterstützung bietet sich hier in
hervorragender Weise das in diesem Jahr von 40 Millio-
nen auf 150 Millionen aufgestockte Programm „Soziale
Stadt“ an. Hier sollten wir gemeinsam überlegen, wie
wir durch einen eigenen Titel oder auf andere Weise den
Kommunen, aber vor allen Dingen den Menschen, die
ihre Heimat verloren haben, helfen können.


(Ulli Nissen [SPD]: Zusätzlich!)


Meine Damen und Herren, ich freue mich auf die Be-
ratungen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805119600

Nächster Redner ist der Kollege Sven-Christian

Kindler, Bündnis 90/Die Grünen.

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrte Ministerin Hendricks, die Bun-
destagswahl ist jetzt ein knappes Jahr her. Neun Monate
sind Sie als Ministerin im Amt. Es ist an der Zeit, einmal
Bilanz zu ziehen. Sie haben auch heute wieder schöne
Worte wie „Ökologie“ und „Klimaschutz“ benutzt. Um
es mit Goethes Faust zu sagen: „Die Botschaft hör ich
wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ Bei den zentralen
Themen – energetische Stadtsanierung, Hochwasser-
schutz, Naturschutz, Klimaschutz – ist bisher eigentlich
nichts passiert. In diesem wichtigen Ministerium brau-
chen wir keine reine Ankündigungsministerin, sondern
endlich einmal jemanden, der sich bewegen kann, der
sich durchsetzen kann. Das fehlt bisher komplett.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Herausforderung ist nämlich riesig. Das hat zu-
letzt der jüngste UN-Bericht der WMO gezeigt: Wir ha-
ben Höchststände bei den Treibhausgasen. Der Klima-
wandel schreitet massiv voran. Gleichzeitig ist es so – das
haben Sie, Frau Ministerin, gesagt –: Deutschland wird
sein Klimaziel, bis 2020 40 Prozent seiner Emissionen
einzusparen, krachend verfehlen, wenn wir jetzt nicht
schnell umsteuern. Einer der wenigen Lichtblicke bei
den Treibhausgassenkungen in den letzten Jahren waren
– das hat das Öko-Institut neulich erst wieder herausge-
stellt – die erneuerbaren Energien; Wind und Sonne, das
ist der große Lichtblick.

Aber was haben Sie vor der Sommerpause gemacht?
Diese Bundesregierung hat die Energiewende mit voller
Absicht gegen die Wand gefahren; sie hat gerade die kli-
mafreundlichen Energien abgewürgt. Das ist total para-
dox. Ihre Energiepolitik ist klimafeindlich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Absoluter Humbug!)


Ich frage mich: Wo waren Sie eigentlich während die-
ser Debatte, Frau Ministerin? Sie saßen auf der Regie-
rungsbank, Sie haben still zugeschaut, wie Kohle-Siggi
die klimafreundlichen Energien abwürgt und die Kohle-
kraftwerke fördert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Und im Bundesrat?)


Ich weiß, Frau Ministerin, dass Sie für die erneuerba-
ren Energien leider nicht mehr zuständig sind. Das ist für
das Umweltministerium peinlich und schlimm. Aber es
ist trotzdem so, dass Sie die für den Klimaschutz zustän-
dige Ministerin sind. Bei der Energiewende geht es zen-
tral um den Klimaschutz. Das heißt, Sie müssen sich da
auch einbringen. Sie müssen da auch einmal Verantwor-
tung zeigen. Sie müssen Leidenschaft und Kampfgeist
beweisen. Sie dürfen da nicht nur zuhören. Sie dürfen da
nicht einknicken. Ihr Verhalten ist ein Armutszeugnis für
eine Umwelt- und Klimaschutzministerin.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bleiben wir beim Klimaschutz und der Energiepoli-

tik. Eines der Hauptprobleme dieser Bundesregierung ist





Sven-Christian Kindler


(A) (C)



(D)(B)

ihr Einsatz für die dreckige Kohlekraft in Deutschland.
Das hat gleich mehrere negative Auswirkungen. Bei der
Energieversorgung sind die Steinkohle und noch viel
mehr die Braunkohle die Haupt-CO2-Treiber. Durch den
Kohletagebau in Deutschland werden viele Menschen
aus ihrer Heimat vertrieben. Dörfer werden plattge-
macht, zum Beispiel in Sachsen und in Brandenburg.
Viele Grüße an dieser Stelle an die Kohlekoalition von
SPD und Linkspartei! Ich hoffe, Sie kriegen für Ihre
Politik am Sonntag in Brandenburg eine große Klatsche.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Durch die Tagebaue werden nicht nur die Landschaf-

ten verschandelt, sondern es wird viel Natur vergiftet.
Die Spree in Brandenburg ist mittlerweile braun und
nicht blau. Das ist eine negative Folge der Kohlekraft.

Aber es geht auch um Gesundheitsschutz, und da sind
Sie als Umweltministerin wieder gefragt. Es geht zum
Beispiel um das Quecksilber. Wir wissen: Mehrere Hun-
dert Kilogramm extrem gesundheitsgefährliches Queck-
silber wird pro Jahr von dreckigen Kohlekraftwerken in
die Luft ausgestoßen. In den USA gibt es deutlich gerin-
gere Grenzwerte. Wir müssten den Standard für Kohle-
kraftwerke in Deutschland endlich angleichen. Das ist
auch Ihr Thema. Es geht da um das Umweltrecht; es geht
um das Bundes-Immissionsschutzgesetz. Frau Ministe-
rin, da ist Handlungsbedarf. Packen Sie endlich das Pro-
blem an, dass deutsche Kohlekraftwerke zu viel Queck-
silber in die Luft blasen!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir Grüne sagen ganz klar: Mit dieser Kohlepolitik

muss endlich Schluss sein. Wir müssen raus aus der
Kohle. Es darf keine neuen Tagebaue und keine neuen
Kohlekraftwerke geben, im Gegenteil: Wir wollen einen
konkreten Ausstiegsplan für die Kohle.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE])


Frau Ministerin, Sie haben hier im Bundestag wieder
Ihr nationales Sofortprogramm angekündigt. Das haben
Sie hier im Januar dieses Jahres schon einmal angekün-
digt. Wir haben davon im Haushalt 2014 nichts gefun-
den. Wir werden im Haushalt 2015 davon nichts finden.
Das heißt, dieses Programm kommt frühestens mit dem
Haushalt 2016. Wenn Sie von „Sofortprogramm“ reden
und zwei Jahre vergehen, dann halte ich das für ein inte-
ressantes Zeitverständnis; denn dieses Programm käme
nach der Hälfte der Legislaturperiode. Da frage ich
mich, ob dieses Programm überhaupt greifen wird. Ich
finde, dieses Schneckentempo, diese Langsamkeit zei-
gen: Ihnen und dieser Regierung ist der Klimaschutz ein-
fach nichts wert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch bei der Erdgasförderung geht es um Klima, um

Gesundheitsschutz und Naturschutz. Sie haben zusam-
men mit Herrn Gabriel ein Eckpunktepapier vorgelegt.
Sie wollen das Fracking nicht verbieten, im Gegenteil:
Sie wollen es damit ermöglichen. Bei den Gesetzesbera-
tungen werden wir es erörtern.


(Ulli Nissen [SPD]: Unfug!)

– Das steht in dem Eckpunktepapier. Gucken Sie es sich
einmal genau an!


(Sören Bartol [SPD]: Das stimmt doch nicht! Das wird nicht besser, wenn Sie es immer wiederholen!)


Erlaubnis für Fracking bei Tight Gas, Erlaubnis für Pi-
lotprojekte bei Schiefergas, Erlaubnis bei Schiefergas in
Tiefen unter 3 000 Metern. Für uns Grüne ist klar: Wir
brauchen das nicht. Wir wollen Energieeffizienz. Wir
wollen die schnelle Energiewende. Wir fordern Sie auf:
Sorgen Sie beim Wasserrecht und beim Bergrecht dafür,
dass Fracking bei Öl- und Gasförderung verboten wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Jawohl!)


Man kann sehen, wie wichtig dieser Bundesregierung
– nicht nur Ihnen, Frau Ministerin – der Klimaschutz
insgesamt ist, wenn man sich anguckt, wer alles zum
UN-Gipfel nach New York, den Ban Ki-moon ausrich-
tet, reist. François Hollande reist an, Barack Obama ist
da. Wer ist nicht da? Angela Merkel. Angela Merkel ist
lieber bei der Festveranstaltung des Lobbyverbandes
BDI. Ich finde, das sagt schon alles. Beim Klimaschutz
kann man es auch feststellen. In Norddeutschland, woher
ich komme, gibt es ein Sprichwort dafür: Der Fisch
stinkt immer vom Kopf.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


So ist es leider auch beim Klimaschutz und bei dieser
Bundesregierung. Angela Merkel hat ihn abgewrackt,
Herr Gabriel will ihn nicht mehr. Frau Ministerin, ich
verstehe, dass es für Sie nicht leicht ist, sich gegen Frau
Merkel und Herrn Gabriel durchzusetzen. Unser Pro-
blem ist nur, Sie versuchen es erst gar nicht. Sie raffen
sich nicht auf. Sie mucken nicht auf. Sie machen einfach
nur die brave Verwaltungschefin. Das ist einfach nicht
genug.


(Ulli Nissen [SPD]: Das macht sie nicht!)


Wir machen Ihnen in den Haushaltsberatungen kon-
krete Vorschläge. Wir wollen Sie unterstützen. Aber wir
rufen Sie dazu auf: Bitte, raffen Sie sich auf! Kämpfen
Sie! Haben Sie ein bisschen Mut beim Klimaschutz!

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805119700

Nächster Redner ist der Kollege Steffen-Claudio

Lemme von den Sozialdemokraten.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Steffen-Claudio Lemme (SPD):
Rede ID: ID1805119800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wie gerne würde ich im Rahmen dieser Debatte Opposi-
tionspolitiker sein.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glaube ich Ihnen! Bei dieser Politik kann man nur opponieren!)






Steffen-Claudio Lemme


(A) (C)



(D)(B)

Ständig an den bau- und klimapolitischen Vorhaben zu
kritisieren, die im Ministerium von Frau Hendricks bear-
beitet werden, ist eine einfache Angelegenheit.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht einfach!)


Aber wir sind hier, um etwas zu gestalten.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Dann gestalten Sie endlich mal!)


Dazu zählt auch der Entwurf des Bundeshaushaltes für
2015, der viele Gestaltungselemente beinhaltet. Es ent-
spricht natürlich auch meiner persönlichen Meinung,
dass im Bereich des Bauwesens und des Klimaschutzes
gar nicht genug investiert werden kann, und das gerade
angesichts der großen klimapolitischen Herausforderun-
gen, vor denen wir stehen.

Frau Ministerin, Sie haben, wie ich meine, kein dank-
bares Amt übernommen, aber Sie füllen es gut aus.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Es ist also viel Wahres dran, wenn Sie sagen, Sie müss-
ten, wie es im Liedtext von Tim Bendzko heißt, „nur
noch kurz die Welt retten“. Daher lassen Sie uns an die-
ser Stelle den parteipolitischen Streit beiseiteschieben;
denn wir befinden uns an einem Punkt, an dem uns be-
wusst ist, dass dringender Handlungsbedarf besteht – am
besten schon vorgestern.


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bewusstsein reicht da nicht!)


Ich möchte Barbara Hendricks bei ihren Bemühungen
unterstützen und hoffe, Sie von der Opposition tun das
auch.


(Beifall bei der SPD)


Anstatt einzig und allein kritisieren zu können, stehen
wir Sozialdemokraten in der Regierungsverantwortung.
Wir machen das nicht so wie Sie, Frau Bluhm, die uns
für Positionen, die im Bundestag im Jahr 2012 beschlos-
sen wurden, kritisiert. Da befanden auch wir uns in der
Opposition und nicht in der Regierungsverantwortung.
Aber in Verantwortung stehen, heißt auch, etwas zu ver-
ändern, und das heißt, Verbesserungen herbeizuführen,
zum Beispiel für mehr bezahlbaren Wohnraum und für
eine Senkung der CO2-Emissionen sowohl innerhalb
Deutschlands als auch weltweit.


(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist ja nichts passiert!)


– Doch.


(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann? Wann denn?)


Wie sehen unsere Verbesserungen aus? Was bedeutet
sozialdemokratische Umwelt- und Baupolitik, und wie
zeigt sich das im Haushalt?

Lassen Sie mich im Baubereich beginnen. Wir benöti-
gen Investitionen in lebenswerte Nachbarschaften, um
das Zusammenleben von Menschen verschiedenen Al-
ters, verschiedener Herkunft und aus unterschiedlichen
sozialen Schichten zu verbessern. Es geht darum, das
Auseinanderdriften in reiche Viertel und arme Viertel zu
verhindern. Daher haben wir die „Soziale Stadt“ mit
150 Millionen Euro zum Herzstück der Städtebauförde-
rung gemacht.


(Beifall bei der SPD)


Ich möchte gern die Anregung des Kollegen Haase
aufgreifen und sagen, dass es auch mich stört, dass
Flüchtlinge in Zelten untergebracht werden sollen. Aber
ich kann mir schlecht vorstellen, die benötigten Mittel
über das Programm „Soziale Stadt“ zu generieren. Wir
brauchen Mittel on top,


(Beifall bei der SPD)


um für die Flüchtlinge humane Lebens- und Wohnbedin-
gungen zu gewährleisten.

Wir haben Förderprogramme im Bereich der Städte-
bauförderung mit einem Gesamtvolumen von 700 Mil-
lionen Euro auf den Weg gebracht. Dies wird natürlich
im Haushalt 2015 fortgesetzt.

Als Thüringer möchte ich außerdem das Programm
„Stadtumbau Ost“ besonders hervorheben, das mit ei-
nem Volumen von 105 Millionen Euro zu einer wichti-
gen Säule der Städtebauförderung ausgebaut wurde. Be-
reits bei den letzten Beratungen konnten wir die Mittel
um 22 Millionen Euro erhöhen. Im Osten haben wir
noch immer mit einem massiven Wohnungsleerstand zu
kämpfen, und deshalb ist es gut, dass die Kosten, die bei-
spielsweise beim Abriss von leeren Plattenbauten in den
ländlichen Gebieten entstehen, darüber getragen werden
können.

Gleichzeitig geht es darum, sich den demografischen
Anforderungen an den Wohnraum zu stellen. In den letz-
ten Haushaltsberatungen war mir die Bereitstellung von
Bundesmitteln für den altersgerechten Umbau von Woh-
nungen ein Herzensanliegen. Und unsere parlamentari-
schen Bemühungen führten zum Erfolg: Wir konnten
das Programm „Altersgerecht Umbauen“, das Investi-
tionsanreize setzt, bereits mit dem Haushalt 2014 starten.
Die Umsetzung dieses Verhandlungsergebnisses wird
nun mit dem neuen Haushaltsentwurf fortgeführt. So
sind 2015 weitere 11,9 Millionen Euro für das Pro-
gramm „Altersgerecht Umbauen“ vorgesehen. Diese Zu-
kunftsinvestition ist dringend notwendig; denn barriere-
freie oder -arme Wohnungen sind eine wesentliche
Voraussetzung dafür, möglichst lange selbstbestimmt
und selbstständig im vertrauten Umfeld leben und woh-
nen zu können.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Soziale Wohnungspolitik bedeutet auch, endlich eine
Anpassung des Wohngeldes an die Entwicklung der
Mieten und Einkommen durchzuführen.


(Beifall bei der SPD)


Denn steigende Mieten, gerade in Ballungszentren, füh-
ren bei immer mehr Menschen zu einer finanziellen
Überlastung. Zusätzlich steigen die Strom- und Heizkos-





Steffen-Claudio Lemme


(A) (C)



(D)(B)

ten; sie sind für manche Haushalte kaum noch tragbar.
Deshalb muss der Heizkostenzuschuss dringend wieder
eingeführt werden.


(Beifall bei der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann können Sie doch einen Antrag stellen! Da würden wir zustimmen!)


Bezahlbares Wohnen ist ein Kernanliegen sozialde-
mokratischer Politik. Das war bei der Vorgängerregie-
rung anders. Sie hat im Jahr 2011 gegen den Widerstand
von SPD, Mieter- und Sozialverbänden und Kommunen
den Heizkostenzuschuss ersatzlos gestrichen. Dies traf
insbesondere die Einkommensschwachen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Die SPD wird die dringend notwendige Wohngeldre-
form nun angehen. Ziel ist, dass viele Haushalte mit ei-
genem Einkommen, vor allem Familien, künftig nicht
mehr auf die Hartz-IV-Grundsicherung angewiesen sein
werden. Ich bin zuversichtlich, dass die Wohngeldre-
form Mitte 2015 in Kraft treten wird. Im Haushalt stehen
deshalb bereits zusätzliche Mittel in Höhe von 130 Mil-
lionen Euro bereit.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Karsten Möring [CDU/CSU])


Zum Thema Bundesbauten möchte ich etwas Kriti-
sches sagen. Im Haushaltsausschuss werden wir die Ent-
wicklung der zunehmenden Kostensteigerungen kritisch
begleiten. Hier ist von der Bundesregierung zukünftig
ein Höchstmaß an Transparenz gefordert. Beispiele unter
vielen sind die Staatsbibliothek Unter den Linden oder
der Neubau der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes
in Berlin. Um künftig zu verhindern, dass bereits bei der
Bauvorbereitung zu ambitionierte Kosten- und Termin-
ziele gesetzt werden, die sich später als nicht realisierbar
erweisen, müssen wir gemeinsam nachhaltige Lösungen
finden.

Kommen wir zum Klimaschutz. Der Klimaschutz
muss in dieser Regierung eine herausgehobene Rolle
spielen,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tut er aber nicht!)


denn es ist allerhöchste Zeit, aufzuwachen.

Auch ich habe den „Energiewende-Index“ der Unter-
nehmensberatung McKinsey gesehen, der viel mediale
Aufmerksamkeit hervorgerufen hat. Demnach kann un-
ser eigenes nationales Ziel, bis zum Jahr 2020 die Treib-
hausgasemissionen um 40 Prozent gegenüber 1990 zu
senken, nur noch erreicht werden, wenn wir den Ausstoß
ab jetzt jährlich um 3,5 Prozent reduzieren. Das ent-
spricht dem fünffachen Wert des momentanen jährlichen
Rückgangs.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, genau! Aber dazu ist nichts im Haushalt! Gar nichts!)


Läuft alles weiter wie bisher, fehlen 7 Prozent oder, an-
ders gerechnet, 85 Millionen Tonnen CO2.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)


Deshalb müssen wir dringend alle Ministerien, Behör-
den und Ämter einbeziehen. Es heißt, mehr einzusparen,
zum Beispiel in der Landwirtschaft, bei Gebäuden oder
auch im Verkehr. Die Erhöhung der Mittel, beispiels-
weise für die energetische Stadtsanierung im Rahmen
des Energie- und Klimafonds um 12 Millionen Euro


(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Lächerlich! Völlig lächerlich angesichts der Aufgabe!)


oder für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm um
200 Millionen Euro, weist in die richtige Richtung; aber
das ist längst noch nicht genug. Als Haushälter werde
ich den Aktionsplan Klimaschutz 2020, den die Ministe-
rin vorlegen wird, deshalb nach Kräften unterstützen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Nationale Klimaschutzinitiative kürzt ihr um 12 Millionen!)


Was den internationalen Klimaschutz betrifft, so be-
steht im Jahr 2015 in Paris wohl die letzte Chance, ein
Nachfolgeabkommen zum Kioto-Protokoll zu verab-
schieden. Der Ban-Ki-moon-Gipfel in New York, der
hierfür die Voraussetzungen schaffen soll, findet zu mei-
ner großen Verwunderung ohne die Kanzlerin statt.


(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])


Ich bin mir aber sicher, dass unsere Umweltministerin
sie gut vertreten wird.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Jetzt kommt das Aber: Betrachte ich nüchtern die
Zahlen im Haushalt, so erkenne ich zu wenig Engage-
ment beim Klimaschutz.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! So ist es! – Roland Claus [DIE LINKE]: Bravo!)


Ja, um die Welt zu retten, bleibt noch sehr viel zu tun.
Ich hoffe, wir ziehen hierbei alle an einem Strang.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805119900

Herzlichen Dank. – Ich darf mich bei dieser Gelegen-

heit bei den bisherigen Rednern in dieser Aussprache für
die disziplinierte Einhaltung der Redezeiten bedanken,
die vorbildlich ist.

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Roland Claus,
Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)







(A)



(D)(B)


Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805120000

Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Damen und

Herren! Frau Bundesministerin, auf Ihr neues Amt als
Schlossherrin komme ich später noch zu sprechen.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es geht bei diesem Etat mehr noch als bei den ande-
ren Etats, die wir in diesen Tagen besprechen, um die
Zukunftsfähigkeit von Politik. Man kann das auch mit
„Enkeltauglichkeit“ übersetzen. Gerade ein Umwelt-
haushalt muss sich der Aufgabe stellen, schon heute eine
Politik zu formulieren, die für künftige Generationen et-
was Gutes und nicht etwas Schädigendes bedeutet.


(Beifall bei der LINKEN)


An guter Absicht fehlt es der Ministerin, wie wir ge-
hört haben, ganz sicher nicht. Aber schauen wir uns die
Fakten an – schließlich reden wir nicht über Ihre guten
Absichten; das könnten wir auch anderswo tun; hier geht
es um den Etat –: Sie kürzen 46 Millionen Euro bei der
Internationalen Klimaschutzinitiative. Stellen Sie alle
sich einmal die folgende Aufgabe: Denken Sie an das
technische Gerät, das Sie alle in den Plenarsaal getragen
haben, und überlegen Sie, wie viel von der umweltbelas-
tenden Produktion dieser Geräte in die ärmsten Länder
Asiens ausgelagert wurde. In dieser Situation die Mittel
für die Internationale Klimaschutzinitiative so erheblich
zu kürzen, das ist ein Skandal.


(Beifall bei der LINKEN)


Hinzu kommt, dass der Energie- und Klimafonds nicht
annähernd die Lenkungswirkung entfaltet hat, die Sie
bei seiner Konstituierung versprochen haben. Außerdem
ist er dem Zugriff des Umweltministeriums entzogen.
Wir stellen also fest, Frau Bundesministerin: Anspruch
und Realität passen hier nicht zusammen.

Die Linke will eine sozialökologische Gerechtigkeits-
wende, ein Gestaltungskonzept, in dem nicht das Soziale
gegen das Ökologische ausgespielt wird oder umgekehrt
das Ökologische gegen das Soziale. Frau Ministerin, Sie
haben das vorhin so ähnlich erklärt und gesagt, dass Sie
das auch wollen. In diesem Zusammenhang muss ich Sie
aber daran erinnern, dass Sie gegenwärtig mit einem Ko-
alitionspartner unterwegs sind, der mit beiden Füßen auf
der Bremse steht, auf der sozialen Bremse und auf der
ökologischen Bremse. Das genau ist Ihr Problem.


(Beifall bei der LINKEN – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)


Wir wollen Sie auch auffordern, die zahlreichen An-
kündigungen, ein nationales Programm zum Hochwas-
serschutz aufzulegen, endlich umzusetzen. Die Bund-
Länder-Kooperation in dieser Frage ist längst überfällig.
Wir müssen uns auch über die Etatisierung dieser Auf-
gabe verständigen, und zwar über die Gemeinschaftsauf-
gabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küsten-
schutzes“ hinaus. Dort findet sich bisher nämlich der
einzige Ansatz dafür. Ich denke, dass die Initiative der
Brandenburger Landesregierung, die ganz sicher ihren
Fortbestand erleben wird und feiern kann, eine hilfreiche
Anregung dabei ist. Wir müssen aber natürlich auch die
Belange der Nachbarstaaten Polen und Tschechien mit-
denken und sollten uns jetzt dieser Aufgabe stellen.

Ich komme nun zur Enkeltauglichkeit in Sachen
Stadtentwicklung und Wohnungsbau. Sie selbst haben
das Wort geprägt: Wir wollen den sozialen Wohnungs-
bau wiederbeleben. Wiederbeleben kann man nur, was
schon fast tot war. Wir wollen diese Aufgabe unterstrei-
chen. Sie wurde hier schon mehrfach als Absicht be-
nannt. Es geht in der Tat darum, etwas gegen Gentrifizie-
rung zu tun, was zu Deutsch nichts anderes bedeutet, als
über erhebliche Mietsteigerungen Mieterinnen und Mie-
ter mit durchschnittlichen und niedrigen Einkommen re-
gelrecht aus ihren angestammten Wohnsituationen zu
vertreiben. Wir wollen an dieser Stelle auch auf die
schwierige Situation für Studierende aufmerksam ma-
chen, bezahlbaren Wohnraum in der Nähe ihrer Hoch-
schulen und Universitäten zu bekommen. Diese beiden
Herausforderungen könnten ein Grund für die Wiederbe-
lebung des sozialen Wohnungsbaus ein. Wenn Sie auf
dieser Schiene mit uns denken, unterstützen wir Sie
gerne dabei, diesen Weg zu beschreiten.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir unterstützen auch, nachdem die FDP dieses Pro-
gramm auf Abwicklung gestellt hatte, die Förderung von
UNESCO-Welterbestätten. Wir wollen an dieser Stelle
aber auf Folgendes hinweisen: Wir haben im Jahr 2014
ein Problem. Wir haben durch die späte Verabschiedung
des Haushalts im Grunde nur drei Monate lang Zugriff
auf die Förderinstrumente des Bundes. Wir haben natür-
lich ein Interesse daran, dass die Mittel für diese Förder-
programme nicht am Ende des Jahres von Wolfgang
Schäuble für die schwarze Null einkassiert werden, son-
dern dass sie dort ankommen, wo sie erwartet werden.

Wir werden natürlich auch der Erhöhung des Wohn-
geldes zustimmen. Aber wenn man sich einmal genau
anschaut, was hier vorgeht, dann sieht man, dass dies ein
Vorgang der sozialen Nachsorge ist. Wohngeld ist eine
Art Aufstockergeld. Die Problemlagen, die durch zu ge-
ringe Einkommen und überhöhte Mieten entstanden
sind, werden durch Steuerzahlerinnen- und Steuerzahler-
geld quasi wieder ausgeglichen. Das ist kein Vorgang,
über den man sich von Herzen freuen kann. Man muss
ihn jetzt im Interesse der Betroffenen so hinnehmen;
aber es ist ein Vorgang der sozialen Nachsorge.

Nun komme ich zu der tatsächlichen Frechheit in Ih-
rem Etat: 56 Millionen Euro mehr für das Berliner Stadt-
schloss.


(Sören Bartol [SPD]: Ihr hättet es ja nicht sprengen müssen! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Linke wollte das ganze Schloss nicht; aber das ist
jetzt nicht mein Problem. Mein Problem ist, dass es meh-
rere Beschlüsse des Haushaltsausschusses gibt – wenn ich
mich richtig erinnere, einstimmige Beschlüsse –, die be-
sagen, dass es eine finanzielle Obergrenze gibt. Der Vor-
gang ist gedeckelt. Jetzt frage ich einmal Kollegen wie
Sören Bartol oder Barthl Kalb: Gelten denn diese Be-

(C)






Roland Claus


(A) (C)



(D)(B)

schlüsse auf einmal nicht mehr? Das lassen wir Ihnen
nicht durchgehen. Das ist eine Missachtung von Parla-
mentsbeschlüssen.

Frau Ministerin, ich weiß, dass Sie sich das politische
Erbe nicht aussuchen konnten. Aber diese 56 Millionen
Euro, die uns früher einmal von einem Förderverein ver-
sprochen worden waren, jetzt zu übernehmen, das geht
nicht. Hier müssen Sie mit unserem erheblichen Wider-
stand rechnen. Sie können nicht die Mehrheiten einer
Großen Koalition dazu benutzen, bisher getroffene Par-
lamentsbeschlüsse einfach abzuräumen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dagmar Ziegler [SPD]: Unerhört!)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805120100

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt die Kollegin

Dr. Anja Weisgerber.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Anja Weisgerber (CSU):
Rede ID: ID1805120200

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und

Kollegen! In meiner Haushaltsrede konzentriere ich
mich heute auf die Klimapolitik. Der Klimawandel ist
nach wie vor eine der größten globalen Herausforderun-
gen des 21. Jahrhunderts. Die nächsten 15 Monate wer-
den entscheidend dafür sein, wie es mit unserer Klima-
politik weitergeht. Bei der Klimakonferenz im nächsten
Jahr in Paris muss es uns gelingen, eine ambitionierte in-
ternationale Klimapolitik zu beschließen. Nur so haben
wir eine realistische Chance, das 2-Grad-Ziel zu errei-
chen; vielleicht ist es die letzte Chance.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD])


Mit entscheidend für einen Erfolg kann sein, dass
Kanzlerin Merkel die Klimapolitik bei der G-7-Präsi-
dentschaft in 2015 zum Thema machen will. Damit hält
sie den Druck auf internationaler Ebene aufrecht und
kämpft dafür, dass auch die anderen Staaten ihren Bei-
trag leisten. Das ist gut so; denn nach wie vor gilt: Allein
wir Deutsche können das Klima nicht retten. Wir brau-
chen die anderen Staaten dieser Welt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD])


Die Staaten, die es selbst nicht schaffen, unterstützen wir
mit deutschen Mitteln für internationale Klimaschutzini-
tiativen, die sich auch in diesem Haushalt wiederfinden.
In diesem Zusammenhang gibt es zum Beispiel Projekte
in Peru, Kolumbien oder Ghana. Das alles sind wichtige
Signale für unser gemeinsames Ziel einer ambitionierten
internationalen Klimapolitik, für die Deutschland kämpft.

Ein politisches Zeichen setzen wir auch in Brüssel,
wo sich die Mitgliedstaaten im Oktober dieses Jahres auf
die europäischen Klimaziele bis 2030 einigen werden.
Wir treten in Brüssel für eine ambitionierte Klimapolitik
mit ambitionierten und ehrgeizigen Klimazielen ein und
gehen mit unseren Forderungen weiter als andere Mit-
gliedstaaten; auch das muss man ganz klar sagen. Per-
sönlich habe ich mich sehr darüber gefreut, dass sich der
neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker
bei seiner Vorstellungsrede im Europäischen Parlament
für ein Energieeffizienzziel von mindestens 30 Prozent
ausgesprochen hat. Denn da gibt es nach wie vor wirk-
lich sehr große Potenziale, die wir in ganz Europa heben
müssen, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Nun zu der Frage: Was machen wir national? Zu einer
glaubhaften Klimapolitik gehört neben dem Hauptpro-
jekt, dem Klimaaktionsplan, zu dem ich gleich noch kom-
men werde, dass wir, die Bundestagsabgeordneten, und
die Mitglieder der Bundesregierung etwas für unser Klima
tun. Deshalb freue ich mich besonders, dass die fraktions-
übergreifende Initiative der Klimapolitiker, Dienstreisen
klimaneutral zu kompensieren, in diesem Haushalt erste
Früchte getragen hat. Der aktuelle Haushaltsentwurf
sieht 2 Millionen Euro für klimaneutrale Dienstreisen
der Bundesregierung vor. Das ist ein guter Anfang, ein
erster Erfolg. Nun müssen auch wir hier im Bundestag
eine Vorbildfunktion übernehmen. Daher wünsche ich
mir ebenso eine Kompensation der Flugreisen der Mit-
glieder des Deutschen Bundestages.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich appelliere hier an die Kollegen aus dem Haushalts-
ausschuss: Lassen Sie uns gemeinsam ausschuss- und
fraktionsübergreifend Möglichkeiten ausloten, wie wir
unsere Mandatsflugreisen klimaneutral kompensieren
können! Das wäre eine kleine Geste mit großer Wirkung.
Auf diese Weise können wir als Politiker ein klimapoliti-
sches Zeichen setzen und gleichzeitig vielleicht auch
Unternehmen ermutigen, über eine Kompensation von
Geschäftsreisen nachzudenken.

Aktuell arbeitet das Umweltministerium an einem
Klimaaktionsprogramm. Alle betroffenen Ministerien
sind aufgefordert, Minderungspotenziale aufzuzeigen
und konkrete Maßnahmen vorzuschlagen. Ziel ist, das
Aktionsprogramm noch in diesem Jahr zu verabschie-
den. Es ist richtig, dass alle Ressorts mit einbezogen
werden und ihren Beitrag leisten. Damit stellen wir die
richtigen Weichen, um unsere Klimaschutzziele errei-
chen zu können – trotz schwieriger Rahmenbedingun-
gen.

Warum sind es schwierige Rahmenbedingungen? Wir
haben immer gesagt, dass es nicht funktionieren wird,
aus der Kernenergie auszusteigen und diese dann kom-
plett durch CO2-neutrale Technologien zu ersetzen. Da-
mit keine Missverständnisse entstehen: Wir alle wollten
den Ausstieg aus der Kernenergie, und wir wollen ihn
nach wie vor; keine Frage. Damit wir unsere Klimaziele
trotz des Ausstiegs aus der CO2-neutralen und grundlast-
fähigen Kernenergie erreichen, müssen wir den Anteil
der erneuerbaren Energien stark ausbauen. Herr Kollege
Kindler, das tun wir auch nach der EEG-Reform. Wir





Dr. Anja Weisgerber


(A) (C)



(D)(B)

bauen den Anteil der erneuerbaren Energien weiter aus.
Wir steuern ihn.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach was! Sie haben doch alles abgebremst! Sie und die großen Konzerne haben alles abgebremst!)


Aber man muss dazusagen: Nicht alle erneuerbaren
Energien – außer der Biomasse – sind grundlastfähig.
Deshalb brauchen wir auch weiterhin fossile Energien.


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)


Um zu gewährleisten, dass möglichst wenig CO2 ausge-
stoßen wird, bevorzugen wir Klimapolitiker von der
Union Gaskraftwerke. Dafür müssen wir die richtigen
Anreize setzen.

Damit bin ich schon beim nächsten und letzten
Thema meiner Rede: Kernstück der EU-Klimapolitik ist
und bleibt der Emissionshandel. Er ist das wirkungs-
vollste, kosteneffizienteste und, wenn Sie so wollen, ge-
rechteste Instrument in der Klimapolitik,


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann setzen Sie sich doch dafür ein!)


weil er gleiche Wettbewerbsbedingungen in ganz Europa
schafft.

Eines möchte ich an dieser Stelle einmal ganz klar sa-
gen: Wenn es um die Maßnahmen geht, die wir ergrei-
fen, um die Klimaziele zu erreichen, dann ist eine natio-
nale CO2-Steuer, wie sie Herr Krischer von den Grünen
erst wieder kürzlich bei einer Veranstaltung hier in Ber-
lin gefordert hat – Sie erinnern sich vielleicht –,


(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Richtig!)


sicherlich nicht die richtige Antwort auf den internatio-
nalen Klimawandel.


(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn Ihre Antwort?)


Ein rein nationales Vorgehen bringt uns nicht weiter. Es
benachteiligt nur unsere Industrie, gefährdet Arbeits-
plätze und hilft uns nicht, auf europäischer Ebene mit
unseren Klimazielen weiterzukommen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was für eine krude Ideologie! Das ist so was von 70er-Jahre!)


Deshalb setzen wir uns – ich sage das, um auf Ihre Be-
merkung einzugehen – in Europa für eine rasche und
nachhaltige Stärkung des Emissionshandelssystems ein.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch! Wo denn?)


Ganz aktuell haben wir den Vorschlag der EU-Kom-
mission für eine Marktstabilitätsreserve auf dem Tisch.
Wir Deutschen fordern, im Unterschied zum EU-Vor-
schlag, dass diese vorher greift. Der Vorschlag der EU-
Kommission ist meiner Meinung nach eine gute Grund-
lage; aber wir müssen noch viel darüber diskutieren.
Unser Ziel muss es sein, dass der Emissionshandel
marktbasiert bleibt, weiterhin CO2-Emissionen redu-
ziert und – das sage ich als Klimapolitikerin ganz ehrlich
und klar dazu – gleichzeitig Investitionen in die richtige
Richtung lenkt.

Ich freue mich auf die Diskussionen dazu mit der
Ministerin und den Kolleginnen und Kollegen des Bun-
destages.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805120300

Der Kollege Christian Kühn spricht jetzt für Bünd-

nis 90/Die Grünen.

Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren auf der Tribüne! Liebe Kolleginnen und Kol-
legen! Leidenschaft ist das, was uns zur Politik gebracht
hat und uns antreibt bei unserer täglichen Arbeit in den
Ausschüssen, in unseren Wahlkreisen, aber auch hier im
Plenum, Leidenschaft für Arten- und Naturschutz – man-
che würden sagen: für die Bewahrung der Schöpfung –,
Leidenschaft für eine Vision und eine Welt ohne Atom-
kraft und Leidenschaft für eine sozial gerechte und kli-
mafreundliche Wohnungs- und Baupolitik.

Mit Leidenschaft hätte dieser Haushalt, Frau
Hendricks, ein großer Wurf werden können. Doch leider
kann ich in diesem Haushalt die Leidenschaft für die
Themen Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung, für die
Themen Klimaschutz und Umweltpolitik bei Ihnen nicht
erkennen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie feiern diese Woche eine Nullnummer, und dieser
Haushalt ist eine Nullnummer für die Umwelt-, Bau-
und Naturschutzpolitik in Deutschland. Sie wird zukünf-
tige Generationen sehr, sehr teuer zu stehen kommen;
denn Sie gehen die Herausforderungen unserer Zeit völ-
lig unzureichend an.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich frage Sie: Wo sind die zusätzlichen Investitionen in
die energetische Sanierung? Wo sind die zusätzlichen
Mittel für den altersgerechten Umbau unserer Wohnun-
gen und unserer Städte? Wo sind die denn? Ich finde sie
in diesem Haushalt nicht, und ich weiß, Sie finden sie
auch nicht. Sie können ja vielleicht in den nächsten Re-
den darauf eingehen, wie Sie diese Herausforderungen
bewältigen wollen.

Ich sage Ihnen etwas, Frau Hendricks: Mehr Leiden-
schaft würde Ihrer Politik guttun, mehr Leidenschaft für
Klima-, Umwelt- und Baupolitik. Bisher sind Sie ein





Christian Kühn (Tübingen)



(A) (C)



(D)(B)

Dreivierteljahr durchs Land gezogen und haben mit sehr
schönen und guten Analysen die Probleme beschrieben.
Aber Sie haben keine vernünftigen Maßnahmen ge-
nannt, wie Sie die Herausforderungen bewältigen wol-
len. Von Ihnen als Schatzmeisterin und ehemaliger Fi-
nanzstaatssekretärin hätte ich erwartet, dass Sie mit
Verhandlungsgeschick mehr für Ihr eigenes Ressort her-
ausholen. Aber das ist Ihnen leider nicht gelungen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn ich mir die Themen anschaue – ich habe ein
Dreivierteljahr Umweltausschusssitzungen erlebt und er-
lebe auch die Beratungen zum Haushalt –, dann erkenne
ich einen roten Faden, der auch hier unterschwellig
durchkommt: Sie sind sich eigentlich nicht einig in der
Wohnungs- und Baupolitik. Sie sind sich auch nicht ei-
nig in der Klima-, Umwelt- und Energiepolitik. Eigent-
lich passen Sie bei diesen Themenfeldern als Koalition
nicht zusammen. Das merkt man immer wieder.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Oh!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, ich sage
Ihnen etwas: Sie sind doch auf der Suche nach einem
Konzept, wie Sie in den Großstädten wieder näher an die
Menschen kommen – wir reden hier ja über Stadtpoli-
tik –, wie Sie in den Großstädten die Menschen wieder
für die Union begeistern können. Ich sage Ihnen: Geben
Sie einfach die Blockade gegen eine funktionsfähige
Mietpreisbremse auf! Sorgen Sie dafür, dass die Miet-
preisbremse kommt, damit Angela Merkel ihr Wahlver-
sprechen erfüllen kann! Dann wählen die Menschen in
den Großstädten Sie vielleicht auch wieder; denn in
Stuttgart, Berlin und auch in München finden die Leute
die Mietpreisbremse richtig klasse.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ulli Nissen [SPD]: In Frankfurt auch!)


– In Frankfurt auch. – An die Kollegen der SPD gewandt
will ich nur sagen: Sorgen Sie dafür, dass die Mietpreis-
bremse nicht durchlöchert wird! Denn wenn sie durch-
löchert ist, funktioniert sie nicht, und dann ist sie weder
sozial noch gerecht, sondern höchstens Wählertäu-
schung.

Frau Hendricks, Sie haben angekündigt, dass Sie das
Wohngeld erhöhen wollen, Ihre Kollegen in der Fraktion
ebenfalls. Wenn ich mir aber anschaue, was Sie mit die-
sem Haushalt vorgelegt haben, dann muss ich feststel-
len: Das Wohngeld bleibt auf dem Niveau von 2013. So
können wir das Wohngeld in Deutschland nicht stärken
wollen. Im Juni dieses Jahres haben Sie das Wohngeld
um 130 Millionen Euro gekürzt, um es im September
wieder um 130 Millionen Euro zu erhöhen. Was Sie hier
veranstalten, ist ein absurdes Nullsummenspiel. Ich kann
wirklich nicht erkennen, warum Sie hier sagen: Wir tun
etwas beim Wohngeld. – Sie tun nichts beim Wohngeld.
Sie belassen es auf dem alten Niveau. Wenn Sie Bau-
und Klimaschutzpolitik wirklich miteinander verzahnen
wollten, dann würden Sie einen Klimabonus einführen,
wie wir ihn beantragen werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Gute an Haushaltsberatungen ist für Oppositions-
politiker, dass die Bundesregierung etwas vorlegen
muss. Sie haben jetzt einen Haushalt vorgelegt und in al-
len Reden heute eine große Herausforderung benannt,
den Klimaschutz. Aber der Klimaschutz im Gebäudebe-
reich kommt mit dieser Großen Koalition nicht voran.
Wo sind denn die Anreize? Wo sind die Programme? Wo
ist das Quartiersanierungsprogramm, das wir dringend
brauchen, um in den Quartieren Klimaschutz zu betrei-
ben? Wo ist der Steuerbonus für die energetische Sanie-
rung? Da liefern Sie nichts. Sie bleiben beim Klima-
schutz blank. So, Frau Hendricks, werden Sie die
Sanierungsquote


(Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Wer hat das denn blockiert?)


von 2,5 Prozent pro Jahr, die Sie selber genannt haben,
nicht erreichen, jedenfalls nicht in Baden-Württemberg,
dem Bundesland, aus dem ich komme. Ich sage Ihnen
auch: Dass Sie die Sanierungsquote nicht erreichen wer-
den, ist der eigentliche Skandal dieses Haushalts; denn
Sie gehen diese große Herausforderung nicht an.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir Grünen begrüßen, dass Sie die Mittel für die
Städtebauförderung erhöht haben. Wir begrüßen auch
die Mittel, die Sie für das Programm „Soziale Stadt“ ein-
gestellt haben. Jetzt müssen Sie dafür sorgen, dass nicht
nur Beton finanziert wird, sondern auch die Menschen,
dass die nichtinvestiven Maßnahmen auch förderungs-
fähig werden. Nach der faktischen Abschaffung des Pro-
gramms unter Schwarz-Gelb hat die SPD-Fraktion ge-
sagt: Das ist die Politik der sozialen Kälte. – Ich hoffe,
dass Sie diese Politik der sozialen Kälte nicht fortsetzen
werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sören Bartol [SPD]: Es ist doch schon alles gut!)


– Das glaube ich erst, wenn wir die Texte dazu sehen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Dann müssen Sie einmal reinschauen! Steht alles drin!)


Ich will Ihnen noch etwas sagen: Die Welt hat sich in
den letzten Monaten dramatisch verändert; Europa hat
sich in den letzten Monaten dramatisch verändert. Wir
haben eine Krise in der Ukraine. In unserem Ausschuss,
im Umwelt- und Bauausschuss, haben wir einen Schlüs-
sel in der Hand, um Deutschland unabhängiger zu ma-
chen von Gaslieferungen aus Russland. Dazu müssen
Sie jedoch an den Gebäudebestand gehen, dazu müssen
Sie ins Quartier gehen und dort Klimaschutz und energe-
tische Sanierung voranbringen. Das tun Sie bisher nicht.
Das wäre aber der Schlüssel. Setzen Sie hier an, nicht
nur aus Klimaschutzgründen, sondern auch im Interesse
von Zielen, die weit darüber hinausgehen und die wir
auch hier wieder benannt haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das Humboldt-Forum ist mehrfach angesprochen
worden. Frau Hendricks, Sie haben gesagt: Beim
Humboldt-Forum, beim Stadtschloss ist alles gut. –





Christian Kühn (Tübingen)



(A) (C)



(D)(B)

Beim Stadtschloss ist nicht alles gut. Das haben Sie auch
erkannt; denn es fehlt, wie Sie gesagt haben, ziemlich
viel Geld für die Finanzierung der Fassade; es fehlen
Spenden. Nun übernimmt der Bund das Ausfallrisiko.
Wer gibt denn überhaupt noch eine Spende, wenn der
Träger des Ausfallrisikos benannt ist?


(Dr. Matthias Miersch [SPD]: Stimmt ja auch so nicht!)


Von daher glaube ich, dass Sie beim Stadtschloss ein
Haushaltsrisiko übernommen haben.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805120400

Herr Kollege Kühn, ich hatte mit meinem Lob bei den

Vorrednern gehofft, dass es als Ermunterung gilt, die Re-
dezeit einzuhalten, und darf Sie bitten, jetzt doch zum
Schluss zu kommen.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch eine gute Rede! – Gegenruf der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/ CSU]: Das glauben Sie! – Christian Haase [CDU/CSU]: Die beste von den Grünen!)


Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Ich komme zum Schluss. – Frau Hendricks, zeigen
Sie Zähne! Bleiben Sie nicht länger unsichtbar, sondern
gehen Sie in die Konfrontation für Umwelt-, Klima- und
Baupolitik! Wir Grünen wissen, dass man für Umwelt-
politik kämpfen muss. Ich glaube, Sie haben im letzten
Dreivierteljahr erkannt, dass Schweigen auch nicht hilft.
Deswegen: Gehen Sie in die Offensive! Kämpfen Sie
mit Leidenschaft für eine bessere Umwelt- und Baupoli-
tik in Deutschland!

Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805120500

Nächster Redner ist für die Sozialdemokraten der

Kollege Ulrich Hampel.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ulrich Hampel (SPD):
Rede ID: ID1805120600

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ich freue mich, dass ich heute meine erste
Rede hier im Hohen Hause halten darf,


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


und bin meinen Kolleginnen und Kollegen der SPD-
Arbeitsgruppe Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor-
sicherheit dankbar, dass sie mir die Möglichkeit gegeben
haben, heute zur Einbringung des Einzelplans 16 zu
sprechen.

Wie Bundesministerin Hendricks und mein Kollege
Lemme bereits ausgeführt haben, steigt das Gesamtvolu-
men des Einzelplans 16, was seine Ursache insbesondere
im Mittelaufwuchs des Baubereiches hat. Innerhalb des
Baubereiches weisen neben dem Posten „Prämien nach
dem Wohnungsbau-Prämiengesetz“ die Ansätze für das
Wohngeld und die Förderung des Städtebaus wesentli-
che Erhöhungen auf. Diese Mittelerhöhungen sind
notwendig und richtig und werden von meiner Fraktion
ausdrücklich begrüßt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zum Wohngeld, lieber Kollege Kühn. Die Koalition
wird die angekündigte Reform des Wohngeldgesetzes in
den nächsten Wochen und Monaten auf den Weg bringen
und damit sicherstellen, dass die im Haushaltsentwurf
eingestellten Mittel den Leistungsempfängern, wie ange-
kündigt, 2015 zur Verfügung stehen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das müssen Sie einbringen!)


Wie dringend notwendig die Reform ist, haben die ver-
gangenen Jahre gezeigt: Die Anzahl der Haushalte, die
Wohngeld beziehen, ging kontinuierlich zurück. Außer-
dem wurde die im Rahmen der Wohngeldnovelle 2009
eingeführte Heizkostenkomponente 2011 von der
schwarz-gelben Bundesregierung wieder gestrichen. Mit
der Wohngeldreform werden wir dafür sorgen, dass wie-
der deutlich mehr Haushalte vom Wohngeld profitieren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das werden wir im Einzelnen durch die Erhöhung der
Tabellenwerte, die regional gestaffelte Erhöhung der
Miethöchstbeträge und dadurch erreichen, dass wir wie-
der eine Heizkostenkomponente einführen.


(Beifall bei der SPD)


Das ist doch eine gute Nachricht für die Menschen in un-
serem Land.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Förderung
des Städtebaus wird es ebenfalls einen deutlichen Mittel-
aufwuchs geben. Damit stellen wir sicher, dass der
Investitionsbedarf für die vordringlichen städtebaulichen
Investitionsprojekte in den Städten und Gemeinden
gedeckt wird. Die Mittelausstattung der einzelnen
Programme der Städtebauförderung bleibt auf dem ho-
hen Niveau des vergangenen Haushaltes.

Das erfolgreiche Städtebauförderprogramm „Soziale
Stadt“ erhält mit 150 Millionen Euro wiederum die
höchste Mittelausstattung. Das ist unserer Meinung nach
auch dringend notwendig.


(Beifall bei der SPD)


Nachdem dieses Programm unter Schwarz-Gelb auf nur
noch 40 Millionen Euro reduziert wurde, kam es zu
deutlichen Einbrüchen bei den Projektzahlen, und drin-
gende Investitionen konnten nicht mehr getätigt werden.
Mit dem Haushalt 2014 haben wir das Programm





Ulrich Hampel


(A) (C)



(D)(B)

deshalb mit deutlich mehr Geld ausgestattet. Diesen Weg
führen wir mit dem aktuellen Haushaltsansatz fort.
Damit unterstreichen wir, dass das Programm „Soziale
Stadt“ das Leitprogramm der Städtebauförderung ist.


(Beifall bei der SPD)


Auch die anderen Programme der Städtebauförderung
erfahren eine deutliche Belebung. In meiner sehr länd-
lich geprägten Münsterländer Region spielt zum Beispiel
das Programm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ eine
immer wichtigere Rolle. Mit diesem Programm werden
viele Kommunen dabei unterstützt, die Infrastruktur in
ihren Ortszentren den veränderten Anforderungen auf-
grund des demografischen Wandels anzupassen.


(Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: Das Bund-Länder-Programm „Kleine Städte und Gemeinden“ hilft auch gut!)


Das ist ein Problem, das sicher auch in Ihren Wahlkrei-
sen einen immer größeren Stellenwert einnimmt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit Blick auf den
angesprochenen demografischen Wandel ist es zu begrü-
ßen, dass für die Zuschüsse für Investitionen in alters-
gerechten Umbau im Haushalt 2015 ebenfalls mehr Geld
eingeplant ist.


(Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: Ganz wichtig!)


Für den Zeitraum 2014 bis 2018 sind hierfür insgesamt
54 Millionen Euro vorgesehen, ein Volumen, das meiner
Meinung nach dringend erforderlich ist.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Nach einer Studie des Kuratoriums Deutsche Alters-
hilfe werden bis 2020, also in sechs Jahren, 3 Millionen
altersgerechte Wohnungen benötigt. Dem Bedarf stehen
aktuell weit weniger als 1 Million altersgerechte Woh-
nungen gegenüber – und der Bedarf wird über das Jahr
2020 hinaus weiter steigen. Wir sind natürlich froh, dass
immer mehr Menschen ein immer höheres Alter errei-
chen. Das bedeutet aber auch, dass sich die Anforderun-
gen an viele Bereiche unserer Infrastruktur und natürlich
auch an die Ausstattung und Beschaffenheit von
Wohnungen verändert. Hier müssen wir gemeinsam
Lösungen entwickeln, wie wir in deutlichem Umfang al-
tersgerechten Wohnraum schaffen. Aktuelle Angebote,
wie sie zum Beispiel die KfW vorhält, werden meiner
Meinung nach nicht ausreichen. Viele ältere Menschen
können und wollen keine Kredite mehr aufnehmen, um
ihr Heim altersgerecht umzubauen. Deshalb brauchen
wir eine direkte Fördermaßnahme für altersgerechten
Umbau.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Sehr geehrte Frau Bundesministerin Hendricks,
meine Fraktion und ich wissen natürlich, dass dieses
Problem hohe Priorität in Ihrem Hause genießt. Wir
freuen uns darauf, gemeinsam mit Ihnen an der Bewälti-
gung nicht nur dieser, sondern auch darüber hinaus an-
stehender Aufgaben zu arbeiten.
Ich danke Ihnen allen für Ihre Aufmerksamkeit. Ein
herzliches Glückauf!


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805120700

Herr Kollege Hampel, Sie hatten schon angekündigt,

dass das Ihre erste Rede sein wird. Ich möchte Ihnen
dazu im Namen der Kolleginnen und Kollegen herzlich
gratulieren und wünsche Ihnen, dass Sie bald weitere
Reden halten werden.


(Beifall – Ulrich Hampel [SPD]: Herzlichen Dank!)


Bevor der Kollege Wegner das Wort erhält, hat der
Kollege Pronold um das Wort zu einer Kurzintervention
gebeten.


Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1805120800

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich melde mich als

Stiftungsratsvorsitzender des Humboldt-Forums und des
Berliner Schlosses zu Wort, weil hier von zwei Rednern
der Opposition falsche Behauptungen aufgestellt worden
sind.


(Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Sehr gut, dass das klargestellt wird!)


Es ist so, dass wir uns beim Berliner Schloss im Kos-
tenrahmen bewegen. Dieser ist nicht verändert worden.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Aufgrund des Baufortschritts, weil die Arbeiten Gott sei
Dank schnell vorangehen, weil es keine Bauverzögerun-
gen gibt, müssen die Mittel zur Verfügung gestellt wer-
den. Wir befinden uns aber im Plan. Es gibt an dieser
Stelle keine Kostenexplosion. Das hat auch überhaupt
nichts mit der Fassade zu tun.

In Bezug auf die Fassade ist es so, dass die Einnah-
men durch Spenden deutlich zunehmen. Weil das
Schloss jetzt sichtbar wird, steigt die Akzeptanz und
nehmen die Spenden zu. Wir werden wie auch bei ande-
ren Projekten alles dafür tun müssen – das darf man
nicht schlechtreden –, dass die noch fehlenden Spenden
für die Fassade eingehen.

Wir werden die Mitglieder des Ausschusses – die Ein-
ladung liegt schon vor – in den nächsten Wochen auf die
Baustelle einladen. Dann gibt es die Gelegenheit, sich
vor Ort ein Bild zu machen, statt hier gefährliche Falsch-
behauptungen in die Welt zu setzen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: Da kann sich die Opposition auch einmal erkenntlich zeigen!)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805120900

Der Kollege Claus möchte darauf erwidern. Dazu er-

teile ich ihm das Wort.






(A) (C)



(D)(B)


Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1805121000

Wenn der geschätzte Kollege Pronold den Vorwurf

der gefährlichen Falschbehauptung am Schluss seiner
Rede nicht unzutreffenderweise eingefügt hätte, hätte ich
geschwiegen.


(Karsten Möring [CDU/CSU]: Das wäre gut gewesen!)


Zweifelsohne haben Ihre Worte ein Stück zur Aufklä-
rung beigetragen. Aber meine Einwände und meine
Kritik sind damit noch nicht vom Tisch. Sie können von
uns nicht erwarten, dass wir Ihnen, wenn Sie uns einen
Etat vorlegen, in dem für dieses Bauvorhaben 56 Millio-
nen Euro mehr etatisiert sind, sofort abnehmen, dass
dieses Geld dem Baufortschritt geschuldet ist, aber der
Deckel so bleibt. Wir werden uns das kritisch anschauen
und darauf drängen, dass die gemeinsamen Beschlüsse
des Haushaltsausschusses eingehalten werden.

Ihre Aussage, dass die Spendeneinnahmen zunehmen,
will ich gerne glauben. Dieser Satz sagt aber nichts aus,
wenn man das berücksichtigt, was einmal zugesagt wor-
den ist. Deshalb lassen Sie uns die Dinge weiter kritisch
begleiten. Vermeiden Sie doch in Zukunft möglichst sol-
che Charakterisierungen einer kritischen, aber durchaus
konstruktiven Opposition.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805121100

Jetzt geht es mit der Rednerliste weiter.

Ich erteile dem Kollegen Kai Wegner für die CDU/
CSU das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Kai Wegner (CDU):
Rede ID: ID1805121200

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Claus,
Ihre letzte Äußerung kann man zumindest in Zweifel
ziehen. Ich bin dem Kollegen Abgeordneten Pronold
sehr dankbar für die Klarstellung, die er hier vorgenom-
men hat. Ich bin mir sicher, dass alle Kritiker, die heute
das Humboldt-Forum immer noch kritisch betrachten,
stolz und froh sein werden, wenn Berlins Mitte durch
dieses Humboldt-Forum bereichert wird und weitere
Strahlkraft für die ganze Republik erzeugt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, liebe Frau Ministerin
Hendricks, ich bin sehr froh, dass es beim Haushaltsent-
wurf 2015 gerade im Umwelt- und Baubereich gelungen
ist, noch mehr Mittel zur Verfügung zu stellen als in die-
sem Haushalt. Die Koalition setzt mit diesem Haushalt
ihren Kurs fort. Wir setzen auf Investitionen, um eine
nachhaltige Entwicklung in Deutschland zu fördern.

Aber ich werde mich heute in meiner Rede schwer-
punktmäßig mit der Städtebauförderung auseinanderset-
zen. Die Große Koalition hat gerade diesen Bereich
stärker in den Fokus der Politik gerückt. Das Gesamtvo-
lumen der Mittel für die Städtebauförderung beträgt im
Jahr 2014 700 Millionen Euro. Mit dem Haushalt 2015
setzen wir diesen Kurs entschlossen fort. Wir wollen
Städte und Gemeinden auf vielfältige Weise bei der Be-
wältigung des demografischen, des sozialen, aber auch
des ökonomischen Wandels unterstützen. Bei allen Maß-
nahmen, die wir hier beraten und beschließen, muss stets
das Wohlbefinden der Menschen im Zentrum der Be-
trachtung stehen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich begrüße es außerordentlich, dass die Programme
„Stadtumbau Ost“ und „Stadtumbau West“ zusammen-
genommen wieder den größten Programmteil der Städte-
bauförderung bilden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD])


Auch das Programm „Aktive Stadt- und Ortsteilzen-
tren“ wird auf hohem Niveau fortgeschrieben. Gerade
hier werden besonders viele Projekte im investiven Be-
reich ermöglicht. Das ist wichtig, weil hier besonders
nachhaltige Lösungen zur Schaffung lebenswerter Städte
und Gemeinden geschaffen werden. Hinzu kommt die
Hebelwirkung des Mitteleinsatzes: Jeder Euro, den wir
im investiven Bereich einsetzen, zieht Folgeinvestitio-
nen im Baubereich in Höhe von 8,50 Euro nach sich.
Das ist insbesondere für unsere Bauwirtschaft und für
unser Handwerk von ganz großer Bedeutung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Das stärkt strukturschwache Regionen und bietet Be-
schäftigung im Bau und im Handwerk. Beschäftigung
gibt den Menschen vor Ort Lebensperspektiven, und
auch das brauchen wir in vielen Städten und Gemeinden.

Zur Stabilisierung und Aufwertung benachteiligter
Stadt- und Ortsteile ist das Programm „Soziale Stadt“
eine gute Wahl. Ich würde es sehr begrüßen, Frau Minis-
terin, Herr Staatssekretär, wenn wir über das Programm
„Soziale Stadt“ Sportvereine mit ihrem großen Potenzial
in Zukunft noch stärker unterstützen könnten. Sportver-
eine sind jetzt schon wichtig für benachteiligte Quar-
tiere, wichtig für den Zusammenhalt von Menschen.
Sportvereine sind Garanten der Stabilität in benachteilig-
ten Stadt- und Ortsteilen. Der Sport kennt weder Reli-
gionen noch Nationalitäten, er kennt kein Alter, keine
soziale Herkunft. Hier lernen sich Menschen unter-
schiedlicher Herkunft besser kennen. Das ist Aufgabe
der sozialen Stadt. Wenn wir Sportvereine und Sport-
anlagen zukünftig noch stärker berücksichtigen, tun wir
unmittelbar etwas für die Quartiere und die Menschen
vor Ort. Deswegen meine Bitte: Lassen Sie uns das ge-
meinsam unterstützen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Erhöhung der Mittel für die Städtebauförderung
ermöglicht es uns auch, neue Schwerpunkte zu setzen.
Ich freue mich, dass es uns in den ersten beiden Haus-
haltsjahren dieser Großen Koalition gelingt, vor allen
Dingen zwei Punkte stark zu fördern:





Kai Wegner


(A) (C)



(D)(B)

Zum einen sorgen wir dafür, dass mehr urbanes Grün
in die Städte geholt wird. Grün steigert die Lebensquali-
tät in bestimmten Bereichen, und da haben wir ganz viel
Potenzial nach oben. Es steigert die Lebensqualität und
ist wichtig im Hinblick auf Klimaschutz und Nachhaltig-
keit. Meine Damen und Herren, die Menschen fühlen
sich in grünen Städten nicht nur wohler,


(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: So ist es!)


sondern sie fühlen sich auch sicherer. Gepflegte Grünan-
lagen steigern das Sicherheitsgefühl der Menschen. Des-
halb ist es gut, dass wir mehr für Grün in den Städten
tun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mehr grüne Bürgermeister!)


– Ja, damit habe ich jetzt gerechnet. Das heißt aber nicht,
dass wir mehr Grüne in den Städten brauchen, liebe Kol-
leginnen und Kollegen von den Grünen, sondern wir
brauchen Natur, Umwelt und Grün in den Städten,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das geht nur mit Grünen!)


und dafür sorgt diese Koalition, aber leider viel zu wenig
die Opposition, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen Sie denn da?)


Zum anderen tun wir auch etwas – Herr Kühn, Sie ha-
ben das ja angesprochen – für die älter werdende Gesell-
schaft. Wir tun etwas zur Bewältigung des demografi-
schen Wandels.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was denn? – Gegenruf des Abg. Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: Die Programme „Stadtumbau Ost“ und „Stadtumbau West“!)


Wir haben das Programm „Altersgerecht Umbauen“ auf-
gelegt.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie viel Geld ist da drin?)


Wir sorgen damit dafür, dass gerade ältere Menschen in
ihrem gewohnten Wohnumfeld, in ihrer vertrauten Um-
gebung wohnen bleiben können. Dafür sorgen wir mit
unserem Programm.

Lieber Herr Kühn, ich würde mir wünschen, dass Sie
mit der Leidenschaft, die Sie von der Regierung einge-
fordert haben, in Ihrer Partei dafür kämpfen, dass der
Bundesrat endlich seine Blockade aufhebt, was die steu-
erliche Förderung der energetischen Sanierung und vie-
ler anderer Sachen angeht. Kämpfen Sie dafür mit Lei-
denschaft! Uns haben Sie da an Ihrer Seite.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist ja lächerlich!)


Meine Damen und Herren, wir haben noch das Thema
Mieten. Dass wir uns auch darum kümmern müssen, ist
gar keine Frage. Ich sage Ihnen: Die beste Antwort auf
steigende Mieten, die beste Antwort auf Verdrängung,
die droht und teilweise aus den zentralen Lagen an die
Ränder auch stattfindet, die beste Antwort darauf ist
Neubau. Bauen, bauen, bauen!

Diese Bundesregierung hat viele Maßnahmen auf den
Weg gebracht; einige sind angesprochen worden. Ich
will noch einmal daran erinnern, wie diese Regierung
den sozialen Wohnungsbau fördert. Der Bund unterstützt
die Länder mit 580 Millionen Euro. Das ist gut und rich-
tig, aber ich wünschte mir, dass die Länder diese Mittel,
die der Bund zur Verfügung stellt, dann auch für den so-
zialen Wohnungsbau einsetzten. Es darf nicht sein, dass
die Mittel des Bundes in den Haushaltslöchern versi-
ckern. Nein, wir brauchen sozialen Wohnungsbau, und
ich fordere die Länder auf, die Mittel des Bundes nicht
nur einzusetzen, sondern auch noch zu verstärken. So
können wir gemeinsam für preiswerte, für bezahlbare
Mieten in unserem Land sorgen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich komme zum Schluss. Der Zustrom von Flüchtlin-
gen – der eine oder andere Redner hat es schon ange-
sprochen – treibt uns alle, wie ich glaube, mit Sorge um.
Das muss auch so sein. Ich glaube, hier stehen zualler-
erst die Länder, dann aber auch der Bund in der Verant-
wortung. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Menschen
würdig untergebracht werden, meine Damen und Her-
ren. Ansonsten erzeugt das sozialen Sprengstoff. Das
können wir nicht gebrauchen. Liebe Frau Ministerin, ich
glaube, der Bund darf weder die Länder und erst recht
nicht die Städte bei der Bewältigung dieser Herausforde-
rung alleinlassen. Wir müssen darüber nachdenken, wie
wir hier noch stärker unterstützend wirken können. Ich
wünsche mir tolle Beratungen. Ich freue mich auf die Er-
gebnisse am Ende.

Eines wird aber deutlich, meine Damen und Herren:
Nicht nur der Haushalt –


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805121300

Herr Kollege Wegner, darf ich Sie an die Redezeit er-

innern!


Kai Wegner (CDU):
Rede ID: ID1805121400

– ist bei dieser Koalition in guten Händen, sondern

insbesondere auch die Städtebauförderung ist bei der
Großen Koalition in guten Händen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805121500

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Karsten

Möring.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) (C)



(D)(B)


Karsten Möring (CDU):
Rede ID: ID1805121600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Frau Ministerin Hendricks, als Unionsfraktion ste-
hen wir auch im Umwelt- und Bauhaushalt für gute und
verlässliche Rahmenbedingungen, für die Umsetzung
des Koalitionsvertrages und für haushaltspolitische Soli-
dität in bewegten Zeiten. Es kann nicht oft genug betont
werden, dass wir mit diesem Haushalt die Wende von
der Zeit der roten Zahlen in die Zeit der schwarzen Zah-
len begehen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Viele Schwerpunkte sind bereits angesprochen wor-
den. Ich möchte einige Aspekte hinzufügen, die mir
wichtig sind und die, wie ich aus vielen Gesprächen
weiß, auch andere Menschen bewegen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Thema „alters-
gerechter Umbau“ ist jetzt drei- oder viermal angespro-
chen worden. Deswegen spare ich mir dasselbe. Ich
möchte aber in diesem Zusammenhang darauf hinwei-
sen, dass wir an diesem Beispiel sehr gut sehen können,
wie wichtig Zuschussprogramme sein können und wel-
che Nebenwirkungen sie für unsere Haushalte haben.
Wenn wir durch den Umbau in alters- oder behinderten-
gerechte Wohnungen nur 15 Prozent unserer pflegebe-
dürftig werdenden Personen einen Umzug ins Heim er-
sparen oder diesen verzögern, bringt das pro Jahr im
Sozialsystem eine Einsparung von ungefähr 3 Milliarden
Euro. Das ist nicht unser primäres Ziel, aber das ist ein
Argument dafür, dass wir bei der Auflegung von Zu-
schussprogrammen auch einmal darauf schauen können,
welche weiteren positiven Effekte so etwas hat. Das soll-
ten wir immer dann, wenn es um Finanzen geht, durch-
aus im Blick haben.


(Beifall bei der CDU/CSU – Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: Guter Hinweis!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die beste Nachricht
des Tages ist die Feststellung der Vereinten Nationen,
dass sich die Ozonschicht der Erde weiter regeneriert
und eigenständig Ozon bildet, von dem wir wissen, dass
es die krebserregende UV-Strahlung der Sonne abhält.
Das ist Grund zur Freude und ein Ansporn für unsere Ar-
beit. Es zeigt vor allen Dingen eins: dass unsere in die-
sem Fall vor über zwei Jahrzehnten getroffenen Rege-
lungen auch wirksam sind – eine sehr ermunternde und
beflügelnde Feststellung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Obwohl die Luftreinhaltung in Deutschland erfreuli-
cherweise bereits ein hohes Niveau erreicht hat, halten
wir die Verringerung der Belastung weiter für notwendig.
Im Sinne des Klimaschutzes und des Gesundheitsschut-
zes halte ich deswegen vor allen Dingen die Wiederauf-
nahme des Förderprogramms für Partikelminderungs-
systeme, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, für
wichtig und möchte dafür auch nachdrücklich werben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Mein Wunsch ist hier, dass wir im weiteren Haus-
haltsverfahren noch eine Lösung finden. Wir müssen
Feinstaub- und Stickoxidemissionen weiter zurückdrän-
gen. Wir können aber nicht nur Maßnahmen allein zulas-
ten der Autofahrer ergreifen. Viele Städte haben wie
meine Heimatstadt Köln inzwischen Umweltzonen mit
deutlichen Einschränkungen für den Straßenverkehr ein-
gerichtet. Trotzdem reichen diese Maßnahmen oft nicht
aus, vor allen Dingen vor dem Hintergrund zukünftig
schärferer Grenzwerte. Wir wissen inzwischen, dass
Baumaschinen einen nicht unerheblichen Anteil an den
Emissionen haben – im städtischen Bereich rund die
Hälfte der Emissionen aus dem Straßenverkehr. Dabei
stellen insbesondere die sehr kleinen Partikel, die Ruß-
partikel, erhebliche Gesundheitsrisiken dar, weil sie auf-
grund ihrer Größe geeignet sind, direkt über die Lunge
in die Blutbahn zu geraten und dann dort bis ins Gehirn
hinein Schäden anzurichten. Ich denke, dass wir hier mit
einer Mischung aus Einsatzbeschränkungen, zum Bei-
spiel in Umweltzonen, und einer Förderung der Filter-
nachrüstung am schnellsten zu spürbaren Verbesserun-
gen kommen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein besserer Lärm-
schutz für die Menschen liegt uns am Herzen, ein
Thema, das wir in enger Abstimmung mit unseren Kol-
leginnen und Kollegen aus dem Verkehrsausschuss an-
gehen, wo natürlich zuständigkeitshalber auch der we-
sentlich größere Etatposten angesiedelt ist. Gerade in
unserem dicht besiedelten, hochindustrialisierten und
verkehrsreichen Land stellt der Lärm nach wie vor ein
bedeutendes Umweltproblem dar. Da Lärm nicht nur be-
lästigend ist, sondern auch gravierende gesundheitliche
Schäden hervorrufen kann, ist eine nachhaltige Vermin-
derung der Lärmbelastung, vor allem im Verkehrssektor,
unser vorrangiges Ziel und wird sicher in der morgigen
Debatte zum Verkehrshaushalt breiter dargestellt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


In meinem Wahlkreis sind es vor allem Fluglärm und
Eisenbahnlärm, die für viele Menschen eine erhebliche
Beeinträchtigung darstellen. Straßenlärm spielt dabei
dank umfangreicher Lärmschutzmaßnahmen am Kölner
Autobahnring eine nicht mehr so große Rolle.

Bei der Frage der Lärmbekämpfung wird oft beklagt,
dass Lärm, je nach Quelle, unterschiedlich behandelt
wird. Bei den erheblichen Mitteln, die wir insgesamt an
den verschiedenen Stellen zur Lärmbekämpfung einset-
zen, ist es, denke ich, an der Zeit, einmal genauer nach-
zuschauen, welcher Lärm in welcher Intensität welche
Wirkungen erzeugt, damit wir die Mittel möglichst ef-
fektiv einsetzen können.

Ich schlage deshalb vor, dass wir uns über die Ein-
richtung eines Lärmkompetenzzentrums – so will ich es
einmal nennen – des Bundes Gedanken machen, in dem
die vorhandenen Informationen über die Lärmwirkung
und die Lärmbekämpfung gebündelt und gewertet und
Antworten auf offene Fragen, beispielweise bei der
Lärmwirkungsforschung, gegeben werden können. Da-
für braucht es nicht viele Haushaltsmittel, weil hier unter
Rückgriff auf bereits bestehenden Sachverstand große
Wirkungen und großer Nutzen für die Bürger erzielt
werden können.


(Beifall bei der CDU/CSU)






Karsten Möring


(A) (C)



(D)(B)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Trinkwasser
ist ein Grundnahrungsmittel höchster Qualität – und das
soll auch so bleiben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir wollen den Schutz der Gewässer vor Nährstoffein-
trägen – Stichwort „Düngeverordnung“ – verstärken und
Fehlentwicklungen korrigieren. Wir stehen in der Ver-
antwortung, diesen Schutz vorsorgend und nachhaltig zu
gewährleisten. Und weil wir beim Stichwort „Schadstoff-
eintrag“ sind, zum heiß diskutierten Thema Fracking nur
eine kurze Bemerkung, Herr Kindler und andere: Wir
werden bei den anstehenden Beratungen eine sachorien-
tierte, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende
Lösung finden.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Geht es auch konkreter?)


Wir sind der Auffassung, dass wir bei diesem Thema
vom Glauben zum Wissen kommen müssen, um eine
vernünftige Entscheidung für die Zukunft treffen zu kön-
nen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was heißt das konkret?)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben als Ko-
alition klare Ziele: mehr Lebensqualität in Stadt und
Land, in einer intakten Umgebung gut leben und bezahl-
bar wohnen können. Dafür wollen wir auch im Sinne
kommender Generationen arbeiten. Es ist schön, dass
wir heutzutage alle älter werden können. Wir wollen al-
les dafür tun, dass wir auch gesund älter werden können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805121700

Sehr geehrter Kollege Möring, das war Ihre erste

Rede hier im Deutschen Bundestag. Im Namen der Kol-
leginnen und Kollegen gratuliere ich Ihnen dazu und
wünsche auch Ihnen viele weitere Beiträge hier im Ho-
hen Hause.


(Beifall)


Nächster Redner ist der Kollege Dr. André
Berghegger für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. André Berghegger (CDU):
Rede ID: ID1805121800

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Lassen
Sie mich mit etwas beginnen, von dem ich nicht weiß
– das sage ich mit einem Augenzwinkern –, ob es heute
schon erwähnt worden ist. Als Haushälter möchte und
werde ich dieses Thema natürlich ansprechen: Wir ha-
ben eine besondere Situation – das erste Mal seit 1969
legen wir einen ausgeglichenen Haushalt vor, ohne Auf-
nahme neuer Schulden. Ich denke, das kann nicht oft ge-
nug erwähnt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das hat für uns natürlich einen hohen Wert und oberste
Priorität, und wir werden das in Zukunft verstetigen.

Frau Bluhm – Sie haben das im Vorfeld in der Presse
und vorhin auch in Ihrer Rede erwähnt –, Sie fordern
sinngemäß für diesen Etat mehr Taten statt Ankündigun-
gen. So weit, so gut – aber dann hört die Zustimmung
auch auf. Ich denke, dieser Haushalt liefert viele Be-
weise dafür, dass auch gehandelt wird, dass aktiv gestal-
tet wird. Ich denke, das ist gut so. Ich bin der Bundes-
regierung und der Ministerin dankbar dafür, dass erst
nachgedacht, dann angekündigt und dann gehandelt
wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich möchte mich in meinem Beitrag auf den Woh-
nungs- und Baubereich beziehen, mit knapp 60 Prozent
des Ausgabevolumens der größte Bereich dieses Etats.
Aber der Haushalt an sich ist kein Selbstzweck, sondern
er soll – das haben wir auch schon gehört – ein Stück
weit Antworten auf gesellschaftspolitische Fragen lie-
fern.

Eine wesentliche Beobachtung machen wir zurzeit im
Bau- und Wohnungsbereich: Es gibt eine erhebliche
Binnenwirkung in Deutschland. Einerseits gibt es einen
großen Zuzug in den Ballungsgebieten und Universitäts-
städten; der Wohnraum wird knapp und damit teurer.
Andererseits gibt es Gebiete, in denen Leerstände entste-
hen, insbesondere im ländlichen Bereich. Aber summa
summarum kann man, glaube ich, sagen: Es fehlen min-
destens 250 000 Wohnungen pro Jahr.

Allein an dieser Beschreibung sieht man ja: Es wird
in dieser Situation keine einheitliche, einseitige oder
einfache Lösung geben, sondern es sind verschiedene
Akteure und Maßnahmen für die verschiedensten Kon-
stellationen gefragt.

Die Kommunen beispielsweise müssen sich anstren-
gen und weiter Bauland ausweisen. Die privaten Inves-
toren aus der Bau- und Wohnungswirtschaft müssen sich
im Neubau von Wohnungen engagieren.

Auch der Bund engagiert sich an verschiedensten
Stellen. Als Erstes möchte ich das mehrfach genannte
Wohngeld erwähnen. Es dient der Unterstützung ein-
kommensschwacher Haushalte und ist ein Zuschuss zu
den Wohnkosten. 130 Millionen Euro zusätzlich werden
als Zuschuss zur Miete oder für selbst genutzten Wohn-
raum zur Seite gestellt. Bund und Länder teilen sich
diese Ausgaben je zur Hälfte.

Mit der angekündigten Wohngeldreform werden die
regional gestaffelten Miethöchstbeträge, die Anpassung
an aktuelle Mieten und an die Einkommensentwicklung
und die erwähnte Heizkostenkomponente umgesetzt.
Dadurch wird die Zahl der Empfängerhaushalte für diese
Leistungen nach der sinkenden Zahl in den letzten Jah-
ren wieder auf über 900 000 steigen. Insgesamt werden
rund 1,8 Millionen Menschen von dieser Leistung profi-
tieren. Ich denke, das ist eine starke Leistung, auf die
man auch immer wieder hinweisen kann.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)






Dr. André Berghegger


(A) (C)



(D)(B)

An Sie gerichtet, Herr Kühn, möchte ich noch die
Finanzierung erklären. Sie haben das vorhin etwas
verdreht bzw. nicht ganz verstanden. Wenn wir die
Wohngeldreform nicht durchführen würden, dann würde
die Zahlungsleistung des Bundes auf ungefähr 400 Mil-
lionen Euro im Jahr sinken. Durch das Aufstocken von
500 Millionen auf 630 Millionen Euro haben wir also
230 Millionen Euro für die Wohngeldreform zur Verfü-
gung. Ich würde das als solide Finanzierung beschrei-
ben. Über das Gesetz werden wir noch in Ruhe diskutie-
ren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Der zweite Bereich sind die Wohnungsbauprämien.
Der Bund fördert damit das Bausparen bis zu bestimm-
ten Einkommenshöhen. Es soll ein Anreiz gesetzt
werden, um Eigentum zu schaffen, zu erwerben und zu
erhalten. Das hat auch etwas mit Altersvorsorge zu tun.

Die Erhöhung um 43 Millionen Euro wurde bereits
angesprochen. Diese Leistung wird ausschließlich vom
Bund getragen. Sie wird nicht in dem Sinne beschlossen
oder prognostiziert; sie kann vielmehr anhand der ge-
schlossenen Altverträge konkret berechnet werden, und
zwar jeweils sieben Jahre nach Vertragsabschluss.

Der dritte Bereich ist die Finanzierung der sozialen
Wohnraumförderung. Auch das haben wir schon mehr-
fach gehört. Sie dient der Bereitstellung von Wohnraum
für Menschen mit geringeren Einkommen. Hierzu gibt
es jedoch eine Vereinbarung zwischen Bund und Län-
dern. Bis 2006 hat der Bund jährlich Finanzhilfen zum
Zweck der sozialen Wohnraumförderung bereitgestellt.
Mit der Föderalismusreform wurde die Zuständigkeit
komplett auf die Länder übertragen, und als Kompen-
sation für den Wegfall dieser ständigen Zahlungen
wurden 518 Millionen Euro vereinbart, die vom Bund
jährlich bis 2019 an die Länder überwiesen werden.

Angesichts dieser beschriebenen Entwicklung im ho-
hen Bereich schließe ich mich dem Gedanken an, den
Kai Wegner vorhin geäußert hat. Ich wünsche, dass die
Länder die zugesagten Zahlungen im Sinne der sozialen
Wohnraumförderung einsetzen, auch wenn es die ur-
sprünglich beschriebene Zweckbindung nicht mehr gibt.
Aber wenn wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen
und nicht immer nur nach fremder Hilfe rufen, dann
können wir, glaube ich, diese Aufgabe gemeinsam lösen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der vierte Bereich ist die Städtebauförderung. Sie ist
die zentrale Säule der Stadtentwicklungspolitik des Bun-
des. Es ist eine bewährte Leistung im Zusammenspiel
von Bund, Ländern und Gemeinden. Man kann sagen:
Es ist ein Konjunkturprogramm par excellence. Wir
haben gerade gehört, dass die Hebelwirkung das Sieben-
bis Achtfache beträgt. Wir steigern die Attraktivität vor
Ort oder lösen Probleme, wenn die betroffenen Kommu-
nen oder Beteiligten diese Probleme in den einzelnen
Lagen bzw. in bestimmten Quartieren nicht selbst stem-
men können.

Gerade aus meiner Heimatregion kann ich berichten:
Vor wenigen Tagen wurden zwei Städte und Gemeinden
in das Städtebauprogramm 2014 aufgenommen, unter an-
derem meine Heimatstadt Melle im Landkreis Osnabrück
in das Programm „Stadtumbau West“. 500 000 Euro wur-
den für ein Projekt bewilligt, zu dem ich alle nur be-
glückwünschen kann. Ich freue mich darüber, weil das
Quartier, eine Industriebrache, ein Projekt ist, das nie-
mand alleine hätte anpacken können. Die Akteure wir-
ken jetzt zusammen. Jetzt erfolgt ein Rückbau, und es
entstehen eine verdichtete Bebauung und ein Zusam-
menspiel zwischen Wohnen, Handel, Handwerk und
Dienstleistungen. Es ist ein tolles Projekt, und sicherlich
auch dank dieser Unterstützung und Leistungen des
Bundes.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: Und das Quartier wird aufgewertet!)


– Genau. Das Quartier wird aufgewertet.

Die Bedeutung dieser Maßnahme erkennen wir auch
am Koalitionsvertrag. Dort ist dieser Bereich als priori-
täre Maßnahme ausgewiesen.

Die Städtebauförderungsmittel sind erhöht worden
auf die angesprochenen 700 Millionen Euro im Jahr,
650 Millionen Euro für die bekannten und bewährten
Programme sowie 50 Millionen Euro für das bundes-
unmittelbare Programm „Nationale Projekte des Städte-
baus“. Ziel dieses Programms soll es sein – das sagt
schon der Name –, nationale Wahrnehmbarkeit und
Qualität zu fördern. Erstmalig werden Schwerpunkte in
diesem Bereich bei Denkmalensembles mit nationalem
Rang und baulichen Kulturgütern von besonderem Wert
gesetzt. Hierfür hat die Bundesministerin einen
Projektaufruf gestartet. Bis zum 22. September können
Kommunen Vorschläge unterbreiten. An dieser Stelle
– wo bietet es sich besser an? – schließe ich mich diesem
Aufruf an die Kommunen an: Liebe Kommunen, ma-
chen Sie Vorschläge! – Es geht um 50 Millionen Euro
und eine relativ geringe Kofinanzierung. Ich denke, das
Haus wird jeden Antrag zur Bearbeitung gerne entge-
gennehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Schließen möchte ich wieder mit Frau Bluhm. Wie
angekündigt, gibt dieser Haushalt viele Beispiele dafür,
dass gehandelt und nicht nur angekündigt wird. Er bietet
eine tolle Grundlage für den Bereich Bau- und Woh-
nungswirtschaft. Wir bringen diesen Bereich ein gutes
Stück voran. Lieber Steffen Kampeter, vielen Dank für
die tolle Vorarbeit an das Bundesfinanzministerium. Ich
freue mich auf die anstehenden Beratungen.

Vielen Dank für das freundliche Zuhören.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805121900

Abschließender Redner in dieser Aussprache ist der

Kollege Christian Hirte, dem ich für die CDU/CSU jetzt
das Wort erteile.





Vizepräsident Johannes Singhammer


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD])



Christian Hirte (CDU):
Rede ID: ID1805122000

Was lange währt, wird manchmal gut. Sehr geehrter

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Damit meine ich nicht
nur unsere heutige Debatte, sondern auch den Haushalt
für das kommende Jahr.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider nicht!)


Nach 46 Jahren gelingt es endlich wieder, einen Haus-
halt aufzustellen, der ohne neue Schulden auskommt.


(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das wissen wir jetzt!)


– Ja, Sie mögen das jetzt wissen. Aber in Anbetracht der
historischen Dimension müssen wir es ständig wiederho-
len.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt ja nicht! Sie machen ganz viele Schulden: bei Investitionen, Infrastruktur, Sozialkassen!)


Unsere Kanzlerin Angela Merkel hat dabei deutlich
gemacht: Sparen ist kein Selbstzweck. Wir haben die
Pflicht zum Haushaltsausgleich, weil wir unser Gemein-
wesen dauerhaft nicht anders finanzieren und unsere
Aufgaben nicht wahrnehmen können. Dies war im Übri-
gen schon der letzten Großen Koalition bewusst, als wir
gemeinsam 2009 die Schuldenbremse verabschiedet
haben. Heute können wir in konsequenter Fortentwick-
lung die Früchte ernten. Insbesondere an die Adresse der
Baupolitiker darf ich ganz klar sagen: Eine Konsequenz
dieser guten Haushaltspolitik ist natürlich auch unser
herausragendes Zinsniveau, das wohl mit Abstand das
erfolgreichste Baukonjunkturprogramm in den letzten
Jahrzehnten darstellt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die eigentliche Herausforderung ist daher, in den
kommenden Jahren die „schwarze Null“ aufrechtzuer-
halten und den ausgeglichenen Haushalt zu verstetigen.
Dazu haben wir uns im Koalitionsvertrag einhellig
verständigt. Dass nachhaltig ausgeglichene Haushalte
längerfristig erreichbar sind, haben uns schon einige
Bundesländer vorgemacht, zum Beispiel mein Heimat-
land, der Freistaat Thüringen.


(Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: Ein schönes Land!)


Dort hat schon die Regierung Althaus ausgeglichene
Haushalte vorgelegt. Obwohl die Regierung Lieberknecht
und unsere neuen Freunde von der SPD in der Anfangs-
phase mehrere Aufgaben zu bewältigen hatten und Schul-
den machen mussten, ist es im Laufe der fünf Jahre gelun-
gen, nicht nur die Schuldenaufnahme zurückzuführen,
sondern die zunächst aufgenommenen Schulden komplett
zurückzuzahlen.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist hier der Bundestag! Keine Wahlkampfrede!)


Daran sieht man, dass wir für gutes Haushalten stehen
und dass die von Christine Lieberknecht geführte Regie-
rung ohne großes Tamtam und mit Augenmaß ihre Haus-
aufgaben gemacht hat.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Anmerkung sei mir mit Blick auf den kommenden
Wahlsonntag noch gestattet: Ich denke, wir in Thüringen
sollten lieber den eingeschlagenen Weg beibehalten, statt
postsozialistische Experimente mit ungewissem Aus-
gang zu starten.


(Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind hier nicht in der Wahlkampfarena!)


Nun zur Umweltpolitik im Einzelplan 16. Auch im
Umweltbereich gehen wir einer unserer Prioritäten-
setzungen in besonderer Weise nach. Im Umweltbereich
steigern wir die Ausgaben für die Forschung. Ein Sor-
genkind im Umweltbereich bleibt die Endlagerung. Bis-
her sieht die Ausgabenplanung für die Endlagerung ra-
dioaktiver Abfälle Kosten in Höhe von 436 Millionen
Euro für das Jahr 2015 vor. Wir müssen uns dabei aber
vor Augen halten, dass es sich hierbei um eine grobe
Schätzung handelt. Möglicherweise werden die Kosten,
jedenfalls in den kommenden Jahren, immer wieder ei-
nen unsicheren Faktor darstellen. Dieses Thema wird
uns daher in den nächsten Jahren erhalten bleiben.

Über den internationalen Klimaschutz ist heute
Abend schon reichlich diskutiert worden. Ich finde, zu
Unrecht sind unsere Ministerin und das Haus kritisiert
worden. Nachdem der Kollege Lemme von der SPD
seine Ministerin nicht ganz so sehr verteidigt hat, will
ich das gerne nachholen; denn ich denke, dass uns ein
guter Haushalt vorgelegt worden ist. Ja, es stimmt: Im
Einzelplan 16 wurde beim Titel „Internationaler Klima-
schutz“ um 46 Millionen Euro gekürzt.

Aber internationaler Klimaschutz geht nicht nur von
dieser einen Stelle des Bundeshaushaltes aus. Es gibt
auch den Energie- und Klimafonds. Der Bundesanteil
daran wird im nächsten Jahr erheblich aufgestockt. Wir
rechnen damit, dass endlich wieder höhere Erlöse aus
dem Handel mit CO2-Zertifikaten erzielt werden und
dass für den Energie- und Klimafonds insgesamt gut
90 Millionen Euro mehr zur Verfügung stehen. Diese
Mittel werden später natürlich auch für klimarelevante
Investitionen bereitstehen.

Auch in anderen Haushalten spielt das Thema Klima-
schutz eine Rolle. Allein im Haushalt des BMZ werden
dafür im Jahr 2015 weitere 175 Millionen Euro zur Ver-
fügung gestellt. Von nachlassendem Engagement beim
Klimaschutz kann überhaupt keine Rede sein. Ich habe
festes Vertrauen darauf, dass die Bundesministerin
Hendricks dieses Thema mit Verve verfolgt und zu guten
Ergebnissen kommt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)






Christian Hirte


(A) (C)



(D)(B)

Die chronische Unterfinanzierung des EKF zwingt
uns gleichwohl, über die Ausgestaltung dieses Fonds
noch einmal ernsthaft nachzudenken. Wir alle, die wir
uns mit diesem Thema intensiver beschäftigen, sehen,
dass wir erhebliche Probleme, insbesondere mit der Fi-
nanzierung, haben. Dies ist ein Thema, dessen wir
Haushälter uns – auch aufgrund von Anregungen des
Bundesrechnungshofes – noch einmal intensiv anneh-
men sollten.

Lassen Sie mich zu einem weiteren Punkt kommen.
Neu im Haushalt ist ein Programm zur Klimaneutralisie-
rung von Dienstreisen der Bundesregierung. Dafür sind
2 Millionen Euro vorgesehen. Damit sollen die durch
Dienstfahrten und Flüge anfallenden Treibhausgasemis-
sionen ausgeglichen werden. Dazu soll quasi mit einer
Spende zugunsten eines internationalen Klimaschutzpro-
jektes in Höhe vergleichbarer CO2-Zertifikate das ge-
plagte Gewissen unserer Minister und unserer Staatsse-
kretärsriege erleichtert werden.

Ich will ehrlich zugeben, dass ich mit diesem Pro-
gramm noch etwas Probleme habe. Das liegt zum einen
daran, dass dieses Programm anders als andere Themen
im Koalitionsvertrag nicht als Maßnahme vorgesehen
ist. Wir haben vorhin schon das Thema Rußpartikelfilter
angesprochen. Die Klimaneutralisierung von Dienstrei-
sen gehörte nicht dazu. Ich gebe auch ehrlich zu, dass ich
noch etwas überzeugt werden muss,


(Dr. Matthias Miersch [SPD]: Das macht die Kollegin Weisgerber schon!)


wie wir mit diesem Thema insgesamt umgehen. Als Ab-
geordneter, in dessen Wahlkreis der Luther-Stammort
Möhra und die Wartburg bei Eisenach liegen, beschäftigt
man sich gelegentlich natürlich mit Martin Luther und
mit dem, was um ihn herum damals geschah. Deswegen
kommt mir eine sogenannte Klimaneutralisierung ein
kleines bisschen wie ein spätmittelalterlicher Ablasshan-
del vor,

(Zustimmung der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE])


mit dem kleinen Unterschied, dass


(Dr. Matthias Miersch [SPD]: Luther noch nicht fliegen konnte!)


der klimapolitische Sünder Bundesregierung seine Buße
einem Dritten, nämlich dem Steuerzahler, überwälzt und
dass damit möglicherweise nicht ganz der Punkt getrof-
fen wird, um am Ende Vergebung zu erlangen.

Ich würde also eher dafür plädieren, die Mittel für den
nationalen Klimaschutz unangetastet zu lassen und zu
schauen, wie wir mit dem Geld weiter vernünftig umge-
hen. Das ist vernünftig, weil Sie, Frau Ministerin
Hendricks, dann nicht Malaysia zur Kontrolle einer dort
finanzierten Biogasanlage besuchen müssten; stattdessen
könnten Sie in meinen Wahlkreis kommen.


(Dr. Matthias Miersch [SPD]: Da kommt sie auch so hin! – Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: Mit Bodo Ramelow!)


Das wäre viel klimafreundlicher. Sie könnten sich dort
zum Beispiel darüber informieren, wie sich ein Rotmi-
lanprojekt entwickelt. Ich glaube, das wäre für alle Be-
teiligten angenehmer. Für mich wäre es das auf jeden
Fall.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1805122100

Mit diesen theologischen Bemerkungen sind wir zum

Schluss unserer heutigen Tagesordnung gelangt.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Freitag, den 12. September 2014,
9 Uhr, ein.

Ich schließe hiermit die Sitzung.