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ID1805100200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/51 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 51. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 11. September 2014 I n h a l t : Berufung von deutschen Mitgliedern des Eu- ropäischen Parlaments für die Teilnahme an den Sitzungen des Ausschusses für die Ange- legenheiten der Europäischen Union . . . . . . . 4659 A Wahl des Herrn Norbert Seitz als ordentli- ches Mitglied für den Stiftungsrat der Stif- tung Flucht, Vertreibung, Versöhnung . . . . 4659 B Wahl der Abgeordneten Katrin Werner als Schriftführerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4659 B Zusätzliche Ausschussüberweisung . . . . . . . . 4659 C Tagesordnungspunkt 1: (Fortsetzung) a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015) Drucksache 18/2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4659 C b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2014 bis 2018 Drucksache 18/2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4659 D Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4659 D Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 4662 D Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . . 4664 B Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 4665 A Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4667 D Niels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4669 C Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 4671 A Niels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4671 B Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 4671 D Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 4673 A Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4674 C Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4675 C Detlef Seif (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4676 C Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4677 D Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung und For- schung Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4679 D Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 4682 C Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . 4684 A Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4685 D Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 4687 A Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 4688 D Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4689 C Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 4690 C Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4692 C Dr. Wolfgang Stefinger (CDU/CSU) . . . . . . . 4694 A Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4695 C Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 51. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2014 Dr. Simone Raatz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4696 B Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 4697 D Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 4700 B Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 4700 B René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4700 D Anette Hübinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 4702 C Tagesordnungspunkt 2: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG, EURATOM) Nr. 354/83 im Hin- blick auf die Hinterlegung der histori- schen Archive der Organe beim Euro- päischen Hochschulinstitut in Florenz Drucksache 18/1779 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4704 A b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Straßenverkehrs- gesetzes und der Gewerbeordnung Drucksache 18/2134 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4704 B c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Umweltstatistik- gesetzes Drucksache 18/2135 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4704 B d) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Umsetzung der Richtlinie 2012/17/EU in Bezug auf die Verknüp- fung von Zentral-, Handels- und Gesell- schaftsregistern in der Europäischen Union Drucksache 18/2137 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4704 D e) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Übereinkommen der Verein- ten Nationen vom 31. Oktober 2003 gegen Korruption Drucksache 18/2138 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4704 C f) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Teilauflösung des Sondervermö- gens „Aufbauhilfe“ und zur Änderung der Aufbauhilfeverordnung Drucksache 18/2230 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4704 C g) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Sechs- ten Gesetzes zur Änderung des Verwal- tungs-Vollstreckungsgesetzes Drucksache 18/2337 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4704 C h) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Zwölf- ten Gesetzes zur Änderung des Bundes- Immissionsschutzgesetzes Drucksache 18/2442 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4704 C i) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Zwei- ten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens „Energie- und Klimafonds“ Drucksache 18/2443 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4704 D j) Antrag des Bundesministeriums der Finan- zen: Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2013 – Vorlage der Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2013 – Drucksache 18/1809 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4704 D k) Antrag des Bundesministeriums der Finan- zen: Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2013 – Vorlage der Haushaltsrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2013 – Drucksache 18/1930 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4705 A Tagesordnungspunkt 3: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses – zu dem Antrag des Bundesministe- riums der Finanzen: Entlastung der Bundesregierung für das Haushalts- jahr 2012 – Vorlage der Haushalts- rechnung des Bundes für das Haus- haltsjahr 2012 – – zu dem Antrag des Bundesministe- riums der Finanzen: Entlastung der Bundesregierung für das Haushalts- jahr 2012 – Vorlage der Vermögens- rechnung des Bundes für das Haus- haltsjahr 2012 – – zu der Unterrichtung durch den Bundes- rechnungshof: Bemerkungen des Bun- desrechnungshofes 2013 zur Haus- halts- und Wirtschaftsführung des Bundes (einschließlich der Feststel- lungen zur Jahresrechnung 2012) – zu der Unterrichtung durch den Bun- desrechnungshof: Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2013 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes – Weitere Prüfungser- gebnisse – Drucksachen 17/14009, 17/14010, 18/111, 18/305 Nr. 4, 18/1220, 18/1379 (neu) Nr. 1.7, 18/1971 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4705 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 51. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2014 III b) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 51. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2014 4789 (A) (C) (B) Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten (D) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 11.09.2014 Dr. Bartsch, Dietmar DIE LINKE 11.09.2014 Becker, Dirk SPD 11.09.2014 Beckmeyer, Uwe SPD 11.09.2014 Bleser, Peter CDU/CSU 11.09.2014 Buchholz, Christine DIE LINKE 11.09.2014 Connemann, Gitta CDU/CSU 11.09.2014 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 11.09.2014 Dinges-Dierig, Alexandra CDU/CSU 11.09.2014 Färber, Hermann CDU/CSU 11.09.2014 Ferner, Elke SPD 11.09.2014 Fischer (Karlsruhe- Land), Axel E. CDU/CSU 11.09.2014 Gabriel, Sigmar SPD 11.09.2014 Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11.09.2014 Heil (Peine), Hubertus SPD 11.09.2014 Hintze, Peter CDU/CSU 11.09.2014 Kretschmer, Michael CDU/CSU 11.09.2014 Dr. Krüger, Hans-Ulrich SPD 11.09.2014 Leutert, Michael DIE LINKE 11.09.2014 Dr. Nüßlein, Georg CDU/CSU 11.09.2014 Ostendorff, Friedrich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11.09.2014 Dr. Reimann, Carola SPD 11.09.2014 Sarrazin, Manuel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11.09.2014 Schlecht, Michael DIE LINKE 11.09.2014 Strässer, Christoph SPD 11.09.2014 Ulrich, Alexander DIE LINKE 11.09.2014 Weinberg, Harald DIE LINKE 11.09.2014 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 51. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1 Einbringung Haushaltsgesetz 2015 – Finanzplan des Bundes 2014 bis 2018 Epl 05 Auswärtiges Amt Epl 30 Bildung und Forschung TOP 2 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 3 Abschließende Beratungen ohne Aussprache Epl 11 Arbeit und Soziales Epl 10 Ernährung und Landwirtschaft Epl 17 Familie, Senioren, Frauen und Jugend Epl 16 Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Norbert Lammert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.

    Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
    habe vor Wiederaufnahme der Haushaltsberatungen Be-
    rufungen und zwei Wahlen durchzuführen.

    Zunächst sind gemäß § 93 b Absatz 8 unserer Ge-
    schäftsordnung auf Vorschlag der Fraktionen deutsche
    Mitglieder des Europäischen Parlaments zu berufen, die
    an den Sitzungen des Ausschusses für die Angelegenhei-
    ten der Europäischen Union teilnehmen können und da-
    bei unter anderem befugt sind, Auskünfte zu erteilen und
    Stellungnahmen abzugeben. Ihre Anzahl und Verteilung
    müssen nach den Wahlen zum Europaparlament oder
    zum Deutschen Bundestag jeweils neu festgelegt wer-
    den. Da kürzlich Wahlen zum Europaparlament stattge-
    funden haben, haben wir dies also neu zu klären.

    Die Fraktionen haben sich nach der im Mai stattge-
    fundenen Wahl zum Europäischen Parlament auf insge-
    samt 15 mitwirkungsberechtigte Mitglieder verständigt.
    Nach dem Wahlergebnis entfallen auf die CDU/CSU sie-
    ben Mitglieder, auf die SPD fünf Mitglieder, auf Bünd-
    nis 90/Die Grünen zwei Mitglieder und auf Die Linke
    ein Mitglied. Sind Sie damit einverstanden? – Das
    scheint der Fall. Dann ist das so beschlossen.

    Vor Eintritt in die Tagesordnung haben wir zwei Wah-
    len durchzuführen. Die Beauftragte der Bundesregierung
    für Kultur und Medien schlägt vor, für den Stiftungsrat der
    Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung als Vertreter
    des Bundesministeriums des Innern Herrn Norbert Seitz
    als Nachfolger für die ausgeschiedene Frau Gabriele
    Hauser als ordentliches Mitglied zu berufen. Darf ich
    auch dafür Ihr Einverständnis feststellen? – Das ist der
    Fall. Damit ist Herr Seitz als ordentliches Mitglied in
    den Stiftungsrat gewählt.

    Schließlich schlägt die Fraktion Die Linke vor, die
    Kollegin Katrin Werner für die Kollegin Kathrin
    Vogler als neue Schriftführerin zu wählen. – Auch dazu
    gibt es offensichtlich Einvernehmen. Dann ist die Kolle-
    gin Katrin Werner als neue Schriftführerin gewählt.
    Interfraktionell ist vereinbart worden, den Antrag der
    Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf der Drucksa-
    che 18/1973 mit dem Titel „Moderne Netze für ein mo-
    dernes Land – Schnelles Internet für alle“ an den Aus-
    schuss für Tourismus zur Mitberatung zu überweisen. –
    Auch dazu besteht offenkundig Einvernehmen.

    Nach der Klärung dieser aufgerufenen Sachverhalte
    können wir nun die Haushaltsberatungen – Tagesord-
    nungspunkt 1 – fortsetzen:

    a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
    gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
    Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
    Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015)


    Drucksache 18/2000
    Überweisungsvorschlag:
    Haushaltsauschuss

    b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
    gierung

    Finanzplan des Bundes 2014 bis 2018

    Drucksache 18/2001
    Überweisungsvorschlag:
    Haushaltsauschuss

    Am Dienstag haben wir für die heutige Aussprache
    eine Redezeit von insgesamt neuneinhalb Stunden be-
    schlossen.

    Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Aus-
    wärtigen Amts, Einzelplan 05. Ich erteile das Wort
    dem Bundesminister des Auswärtigen, Frank-Walter
    Steinmeier.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
    Auswärtigen:

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am
    liebsten hätte ich Sie nach einer langen Sommerpause
    jetzt fröhlich wieder zurück in Berlin begrüßt. Aber ers-
    tens war die Sommerpause, wenn man sie so nennen
    darf, kürzer als vorgesehen – wir haben uns schon in der
    vergangenen Woche hier im Deutschen Bundestag zu ei-





    Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier


    (A) (C)



    (D)(B)

    ner Sondersitzung einfinden müssen –, und zweitens
    konnte in diesem Sommer von einer Pause in der Politik
    keine Rede sein.

    Tägliche Zuspitzungen in den Krisen- und Konfliktre-
    gionen von der Ukraine über den Nahen und Mittleren
    Osten bis nach Afrika, Bilder von Gewalt, Vertreibung
    und Opfern jeden Abend, auch in den deutschen Wohn-
    zimmern. Die Welt ist aus den Fugen geraten. Das ist der
    Eindruck, den die ganz normalen Leute in Deutschland
    haben, und es ist für die außenpolitischen Profis nicht
    ganz einfach, diesen Eindruck wirklich nachhaltig zu wi-
    derlegen.

    Aus den Fugen geraten ist die Welt aber nicht nur weit
    draußen in der arabischen Welt oder in Afrika. Auch in
    Europa müssen wir mühsam – und ich gebe zu: mit eini-
    gem Erschrecken – lernen, dass der Frieden offenbar
    nicht mit einer Ewigkeitsgarantie ausgestattet ist. Das ist
    nicht nur der Befund von außenpolitischen Spezialisten.
    Ganz im Gegenteil – ich vermute, Sie erhalten da ganz
    ähnliche Post wie ich –; ältere Menschen fragen: Kehrt
    der Krieg zurück nach Europa? Jüngere Menschen fra-
    gen: Ist es vorbei mit der offenen und friedlichen Welt,
    in der wir bisher aufgewachsen sind? – Ich finde, beide
    Fragen sind berechtigt. Ich verstehe sie. Am liebsten
    würde man als deutscher Außenminister auf beide Fra-
    gen mit einem entschiedenen Nein antworten.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, Willy Brandt hat
    gesagt: „Nichts kommt von selbst. Und nur wenig ist
    von Dauer.“ Dies sagte er in Bezug auf den Frieden und
    meinte damit genau das. Wir müssen uns jetzt mehr als
    vor fünf, zehn oder fünfzehn Jahren darum kümmern.
    Wir als Bundesregierung versprechen: Wir werden alles
    dafür tun, dass die europäische Friedensordnung, an der
    Generationen von Politikern seit Helsinki gearbeitet ha-
    ben und die uns jahrzehntelang eine friedliche Entwick-
    lung in Europa gewährt hat, bleibt und dass sie trotz des
    Ukraine-Konflikts nicht dauerhaft infrage gestellt wird.

    Den heißen Krieg – so hat es im Augenblick den An-
    schein – haben wir vielleicht vermieden. Aber wir wol-
    len eben auch nicht zurück in die Jahrzehnte des Kalten
    Krieges, der alles lähmt und in dem die Gefahr der tägli-
    chen Eskalation zum Alltag gehört. Wie das ist, weiß
    niemand besser als die Deutschen, die diesseits und jen-
    seits des Eisernen Vorhangs sozusagen an den Front-
    linien der Militärblöcke gelebt haben. Wir wollen keinen
    Kalten Krieg, und wir wollen erst recht keinen heißen
    Krieg. Wir wollen die europäische Friedensordnung er-
    halten.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Weil das so ist und weil vieles nicht mehr so sicher
    scheint wie in den letzten Jahrzehnten, schauen wir mit
    so großer Sorge auf den Ukraine-Konflikt. Ich glaube,
    keiner verurteilt den völkerrechtswidrigen Angriff Russ-
    lands auf die Krim und das Verhalten Russlands in der
    Ostukraine deutlicher als wir. Es kann nicht sein, liebe
    Kolleginnen und Kollegen, dass wir sieben Jahrzehnte
    nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa wieder da-
    rangehen, Grenzen zu korrigieren. Das darf nicht sein.


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Es darf auch nicht sein, dass wir 25 Jahre nach der deut-
    schen und, wie wir immer gesagt und gehofft haben,
    auch der europäischen Wiedervereinigung eine neue
    Spaltung in diesem Europa vorbereiten. Das eine ist ein
    eklatanter Bruch des Völkerrechts, und das andere ist ein
    Rückfall in die Zeit, die wir eigentlich hinter uns hatten.
    Beides dürfen wir nicht dulden.

    Gleichzeitig und etwas leiser warne ich aber auch vor
    kurzsichtigen und gefährlichen Vergleichen. Ja, der
    Ukraine-Konflikt ist die gefährlichste Krise in Europa
    seit Jahrzehnten. Ja, es ist zwischen Europa und Russ-
    land nichts mehr so, wie es in den letzten Jahren war. Ja,
    es ist wahr: Die territoriale Integrität eines europäischen
    Staates ist angetastet, und es gibt keinen Grund, das
    kleinzureden. Ich sehe das alles ganz genauso.

    Was mir nicht gefällt – in aller Offenheit – in dieser
    Debatte der letzten Wochen und Monate, ist die Selbst-
    bezichtigung mancher Europäer unserer Politik als
    Appeasement und der schnelle Bezug auf München
    1938. Einmal ganz abgesehen davon, dass jedenfalls ich
    die historischen Situationen für völlig unvergleichbar
    halte, begreife ich nicht – das ist mir im Augenblick so-
    gar das Wichtigere –, warum sich Europäer in einer sol-
    chen Situation so klein machen. Die Europäer haben sich
    in diesem Ukraine-Konflikt gerade nicht enthalten und
    still geduldet, was passiert. Die Verurteilung der
    Annexion als Verstoß gegen das Völkerrecht war eindeu-
    tig. Europäische Union und NATO haben sofort reagiert.
    Niemand hat gesagt: Alles kann so weitergehen. Alle ha-
    ben gesagt: Wir sind jetzt in einem Zustand, in dem busi-
    ness as usual nicht mehr infrage kommt. – Wir waren die
    Ersten, die zu Reisen ins Baltikum oder zu den Visegrad-
    Staaten aufgebrochen sind und den Menschen dort ge-
    sagt haben: Wir verstehen, dass ihr euch besonders be-
    droht fühlt angesichts dessen, was in der Ukraine pas-
    siert, und wir versichern euch: Die Solidarität der NATO
    steht euch zur Verfügung; Artikel 5 gilt für euch. – Wir
    haben es nicht nur gesagt, sondern haben uns von vorn-
    herein und ohne Zögern als Erste in Europa an Reassu-
    rance-Maßnahmen beteiligt, was die Luft- und Seeüber-
    wachung insbesondere in den baltischen Staaten angeht.
    Wir haben dann, wenn es nötig war, den politischen
    Druck erhöht, und wir haben, insbesondere nach dem
    Abschuss der MH17 mit mehr als 300 Toten, auch nicht
    gezögert, Maßnahmen zu ergreifen, um den ökonomi-
    schen Druck auf Russland zu erhöhen. Meine Damen
    und Herren, ich sage das und rufe uns in Erinnerung:
    Das ist alles andere als Appeasement. Deshalb halte ich
    den Selbstvorwurf von Appeasement für so gefährlich.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wer Lehren aus der Geschichte ziehen will – das soll-
    ten wir gelegentlich tun –, der kann sicher sein, dass das





    Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier


    (A) (C)



    (D)(B)

    dunkle 20. Jahrhundert leider viel Lehrstoff für uns
    Deutsche bereithält. Ich rate dazu, dass wir uns in Debat-
    ten wie diesen nicht nur auf 1938 beziehen, sondern uns
    auch versichern, dass das Gedenkjahr 1914 Lehren für
    uns bereithält, Lehren, die zu vergessen uns Deutschen
    nicht erlaubt ist.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Insofern sage ich noch einmal: Militärische Versiche-
    rung, politischer Druck, ökonomischer Druck – das alles
    war richtig, das war notwendig, und ich stehe zu jedem
    Element. Aber als deutscher Außenminister sage ich mit
    Blick auf den Sommer 1914 auch: Abbruch, Abschot-
    tung, Gesprächslosigkeit und der Ausfall von Außen-
    politik haben damals einen noch kleinen, regionalen
    Konflikt befeuert, der sich in Krieg entladen hat. Des-
    halb sage ich: Dieser Vorwurf, auf das Unterlassen von
    Möglichkeiten verzichtet zu haben, auf letzte Möglich-
    keiten, die vielleicht das Schlimmere hätten verhindern
    können, darf uns in der deutschen Geschichte nicht noch
    einmal gemacht werden. Beides gehört zusammen: der
    politische und der ökonomische Druck, wo er notwendig
    ist, aber auch das Offenhalten von Gesprächskanälen
    und die Rückführung in Verhandlungssituationen.


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Deshalb besteht unsere Politik in diesem Ukraine-
    Konflikt – ein wirklich gefährlicher Konflikt; ich sage es
    noch einmal – immer aus diesen drei Elementen: erstens
    Druck auf Russland, zweitens Schutz derer, die sich be-
    droht fühlen, und drittens – die Kanzlerin hat es gestern
    von diesem Podium aus auch noch einmal gesagt –, weil
    wir doch wissen, dass die militärische Lösung am Ende
    nicht zur Verfügung steht und von niemandem gewollt
    wird, immer auch die Suche nach politischen Möglich-
    keiten zur Entschärfung des Konflikts.

    Es gibt keine Garantie dafür, dass das gelingt; das
    wissen Sie alle. Man muss, wenn man nach solchen
    Möglichkeiten sucht, auch Rückschläge, Niederlagen
    und Enttäuschungen einkalkulieren. Aber es ging jeden-
    falls uns in einer Phase zerstörten Vertrauens, in der wir
    ganz offenbar sind – und zwar nicht nur zwischen Russ-
    land und der Ukraine, sondern auch zwischen Russland
    und Europa –, um nichts anderes als darum, die Ge-
    sprächsfäden nicht vollständig abreißen zu lassen und
    vor allen Dingen das direkte Gespräch zwischen Kiew
    und Moskau auf unterschiedliche Art und Weise zu be-
    fördern.

    Dazu gehörte unser Vorschlag, die OSZE ins Spiel zu
    bringen. Dazu gehörte unser Vorschlag, das Genfer Tref-
    fen zustande zu bringen. Auch die Einrichtung der Kon-
    taktgruppe und die Gespräche, die wir mit dem ukraini-
    schen und dem russischen Außenminister in Berlin
    geführt haben, gehörten dazu – genauso wie zahllose Te-
    lefongespräche der Bundeskanzlerin und von mir. Und
    dazu gehörte letztlich auch unser Verhalten auf dem
    NATO-Gipfel, auf dem wir gesagt haben: Ja, wir müssen
    reagieren, auch mit verstärkten Schutzmaßnahmen der
    NATO; aber wir wollen sozusagen auch nicht völlig mit
    dem brechen, was wir uns in der Vergangenheit einge-
    richtet haben. – Deshalb war es unser Votum, die NATO-
    Russland-Grundakte zu erhalten.


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Darum sage ich: Nein, wir haben noch keine politi-
    sche Lösung, und es gibt auch noch keine Sicherheit für
    die Zukunft der Ostukraine. Aber ich bin auch davon
    überzeugt – das ist ein bisschen die Erfahrung aus vielen
    Jahren –: In Mündungsfeuern von Gewehren entstehen
    keine politischen Lösungen. Deshalb sollten wir auch
    nicht kleinreden, was inzwischen nach den direkten Ge-
    sprächen zwischen Präsident Poroschenko und Putin in
    Minsk – damals holprig und nicht belastbar, aber jetzt
    immerhin verkörpert in einem Zwölf-Punkte-Plan – ein-
    getreten ist: Es ist immerhin gelungen, dass der Waffen-
    stillstand einigermaßen gewahrt wird. Damit besteht die
    Möglichkeit – und dieser Zustand ist hoffentlich nicht
    nur eine Atempause –, zu politischen Verabredungen zu
    kommen, die für die Zukunft tragen. Bei einem solchen
    scharfen Konflikt mit einer solchen Gefährlichkeit für
    ganz Europa ist das unheimlich viel, was erreicht wor-
    den ist. Das sollten wir nicht kleinreden.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Für uns ist das Ganze damit aber nicht zu Ende. Wir
    wenden uns jetzt nicht ab und sagen: Das mögen die
    jetzt unter sich ausmachen. – Natürlich werden wir da-
    rauf achten – und wir werden auch mit unseren Möglich-
    keiten dazu beitragen –, dass ein paar Dinge gewährleis-
    tet bleiben mit Blick auf die Verabredungen, die jetzt
    getroffen und hoffentlich umgesetzt werden. Die Einheit
    der Ukraine steht dabei ganz vorne. Dazu gehört auch,
    dass überall in dem Gebiet der Ukraine Parlamentswah-
    len stattfinden können. Dazu gehört, dass ein nationaler
    Dialog stattfindet und dass wir – nicht nur Deutschland,
    sondern der gesamte Westen – zu den Versprechungen
    stehen, die wir gemacht haben. Wir müssen auch zur
    Verfügung stehen, um der Ukraine ökonomisch wieder
    auf die Beine zu helfen – und das gepaart mit einer Ver-
    fassungsreform in der Ukraine, in der Dezentralisierung
    und der Schutz von Minderheiten am Ende tatsächlich
    verkörpert werden.

    Meine Damen und Herren, das haben wir getan, und
    dafür treten wir weiter ein. Ich halte das für richtige, gute
    deutsche Außenpolitik.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich will zum Thema Irak gar nicht mehr so viel sagen;
    Frau Göring-Eckardt ist heute auch nicht hier. Aber ich
    habe mich gestern sehr über ihren Beitrag geärgert, der
    vermittelt hat, ich oder ein anderes Mitglied der Bundes-
    regierung hätten zum Ausdruck gebracht, dass ein paar
    Waffen für die Sicherheitskräfte der Kurden das Problem
    ISIS auf irgendeine Weise lösen könnten. Ich weiß gar





    Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier


    (A) (C)



    (D)(B)

    nicht, wie viele Interviews ich noch geben soll. Ich sage
    doch in jedem Interview: Natürlich hängt die Zukunft
    des Mittleren Ostens nicht an den Gewehren und den
    MGs für die Peschmerga – natürlich nicht.

    Ich habe es – ich glaube, auch hier – schon gesagt: Zu
    rechtfertigen ist doch diese schwierige Entscheidung, die
    wir uns abverlangt haben, überhaupt nur dann – ich sage
    es noch einmal auch in Richtung von Frau Göring-
    Eckardt –, wenn das, was wir jetzt mit der Ausrüstung
    der kurdischen Streitkräfte tun, in eine politische Strate-
    gie eingebettet ist.


    (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die gibt es ja nicht!)


    Dazu gehört erstens eine Innenpolitik im Irak, die
    endlich mit den Fehlern der Vergangenheit aufräumt und
    die bisher ausgegrenzten Religionen und Regionen ein-
    bezieht. Ich glaube, al-Abadi hat mit der Aufstellung des
    Kabinetts gezeigt, dass er genau das will.

    Dazu gehört zweitens, dass man den ISIS entkernt
    und ihm die Unterstützung von sunnitischen Clans ent-
    zieht, indem man diese in die irakische Innenpolitik zu-
    rückholt.

    Dazu gehört drittens – das ist die politische Strategie –,
    dass wir mit den arabischen Nachbarn ins Gespräch
    kommen und einen Zustand hinbekommen, dass sie sich
    nicht in ihren gegenseitigen Interessenkonflikten rund
    um den Arabischen Golf verlieren, sondern erkennen,
    dass es ein minimales eigenes Interesse aller arabischen
    Staaten gibt: Das ist das Vorgehen gegen radikalisierte
    und terroristische islamistische Gruppierungen wie ISIS
    und andere. Dahin zu kommen, das ist Teil einer politi-
    schen Strategie.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir und ich müssen deshalb nicht überzeugt werden,
    dass allein eine militärische Strategie das Thema ISIS
    oder radikalislamistische Gruppen nicht aus der Welt
    schafft, sondern wir brauchen natürlich eine politische
    Strategie. Das ist übrigens auch Teil der Rede gewesen,
    die Obama vergangene Nacht gehalten hat.

    Wir werden bereits am Montag ein erstes Gespräch
    auf Einladung der Franzosen in Paris führen. Ich selbst
    habe zu einem G-7-Treffen der Außenminister in der Sit-
    zungswoche der VN-Generalversammlung übernächste
    Woche eingeladen, bei dem wir genau diese politische
    Strategie mit den arabischen Staaten miteinander disku-
    tieren werden. Ich versichere Ihnen: Niemand ist so naiv,
    zu glauben, dass ein paar Gewehre für die Peschmerga
    das Problem ISIS aus der Welt bringen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Wir reden aber auch über humanitäre Hilfe. Herr
    Kauder und auch viele andere haben das gestern getan.
    Natürlich müssen wir – das habe ich auch Herrn Kauder
    eben gesagt – immer wieder nachsteuern. Angesichts der
    Vielzahl der Flüchtlinge und der aufwachsenden Flücht-
    lingslager müssen wir immer wieder hinschauen, ob die
    Verteilung einigermaßen ordentlich zustande kommt.
    Dafür werden wir Sorge tragen.

    Aber wir brauchen dafür auch die notwendigen Res-
    sourcen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Deshalb bitte ich, Verständnis dafür zu haben, wenn wir
    im Laufe der Haushaltsgespräche noch einmal darauf zu-
    rückkommen und uns gegenseitig versichern, dass wir,
    wenn wir humanitäre Hilfe nicht nur versprechen, son-
    dern sie tatsächlich vor Ort in diesen Regionen auch leis-
    ten wollen, dies mit den gegenwärtigen Ansätzen im
    Haushalt nicht hinbekommen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Eine letzte Bemerkung. Die Vereinten Nationen habe
    ich schon angesprochen. Ich habe dem russischen Kolle-
    gen gesagt: Die Lösung des Ukraine-Konfliktes ist auch
    deshalb so wichtig – damit hatte der Kollege Gysi ges-
    tern nicht ganz unrecht –,


    (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Na also!)


    weil der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen blockiert
    ist, solange der Konflikt anhält. Wir brauchen eine De-
    blockierung des Sicherheitsrates, damit wir uns den grö-
    ßeren Konflikten dieser Welt zuwenden können.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Insofern hängen die Dinge, obwohl sie geografisch so
    weit voneinander entfernt sind, im Inneren zusammen.

    Es ist eine schwierige Aufgabe, die vor uns liegt.
    Aber ich glaube, die mühsamen Fortschritte, die wir im
    Gaza-Konflikt erreicht haben und vielleicht im Moment
    im Ukraine-Konflikt erreichen, zeigen, dass Außenpoli-
    tik Folgen hat. Ich hoffe, wir können positive Folgen zei-
    gen.

    Vielen Dank.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Das Wort erhält nun der Kollege Wolfgang Gehrcke

für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Gehrcke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Verehrte Kolle-

    ginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Außenminis-
    ter! Wenn es wirklich das Ziel dieser Bundesregierung
    ist, alles dafür zu tun, dass der Friede in Europa erhalten
    bleibt oder – so würde ich es formulieren – wiederherge-
    stellt wird und dass es in Europa nicht zu einer erneuten





    Wolfgang Gehrcke


    (A) (C)



    (D)(B)

    tiefgehenden Spaltung kommt, dann will ich erst einmal
    festhalten: Die Fraktion Die Linke und die Bundesregie-
    rung haben in dieser Zielgebung einen gemeinsamen
    Standpunkt. Das ist nicht wenig; das möchte ich unter-
    streichen.


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Ich habe immer gehofft, dass die Generation meiner
    Tochter und die meines Enkelkindes ohne die Gefahr ei-
    nes Krieges zumindest in Europa und hoffentlich auch
    ohne die Gefahr von Kriegen in der Welt aufwachsen.
    Das war meine feste Überzeugung. Ich war immer ein
    Freund der Friedensdividende, die eingebracht werden
    sollte. Ich finde es entsetzlich, dass wir die Sicherheit,
    dass Generationen nicht mehr mit der Angst vor Kriegen
    aufwachsen müssen, heute nicht mehr geben können,
    weil wir sie nicht mehr haben. Das heißt, es muss einen
    grundsätzlichen Wechsel in der Politik geben.


    (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Vor allem der Russen!)


    Darüber möchte ich reden.

    Ist der Außenminister noch anwesend? – Ja, aber er
    hört nicht zu. Es könnte Ihnen nicht schaden, einmal zu-
    zuhören.

    Nun sage ich etwas, was ich eigentlich gar nicht sagen
    wollte, Herr Außenminister. Sie wissen, dass ich Sie als
    Person schätze und trotzdem tiefe Differenzen in Bezug
    auf Ihren außenpolitischen Kurs bestehen. Vielleicht ist
    es möglich, dass Sie einmal eine Kritik der Fraktion Die
    Linke positiv aufnehmen und überprüfen, ob sie berech-
    tigt ist und ob es nicht doch der deutschen Außenpolitik
    zum Vorteil gereichen könnte, hin und wieder auf eine
    solche Kritik zu hören. Das möchte ich Ihnen quasi als
    Ausgangslage zumindest anbieten.

    Nun müssen wir über Differenzen reden. Wenn wir
    uns über das Ziel einig sind, heißt das noch nicht, dass
    wir uns über den Weg dorthin einig sein müssen. Ich will
    ein paar Differenzen ansprechen. Vor knapp einem Jahr
    waren Sie es, der auf der Münchner Sicherheitskonfe-
    renz gesagt hat, dass er die Weltpolitik nicht von der Au-
    ßenlinie betrachten wolle. Ich habe das immer für falsch
    gehalten. Die geschichtlichen Erfahrungen, zumindest
    wie ich sie aufgearbeitet habe, bedeuten: Wenn Deutsch-
    land Anspruch als Großmacht oder als Mittelmacht erho-
    ben hat, war es immer schlecht für Deutschland und für
    die Welt. Ich möchte, dass wir zu einer Politik der Zu-
    rückhaltung, insbesondere einer Politik der militärischen
    und der ökonomischen Zurückhaltung, zurückkehren.


    (Thomas Oppermann [SPD]: Und Blockfreiheit!)


    Deutschland muss nicht Großmacht spielen.


    (Thomas Oppermann [SPD]: Auch Blockfreiheit, Herr Gehrcke?)


    – Da Sie es zurufen: auch Blockfreiheit! Es gehörte ein-
    mal zum Kurs der Sozialdemokratie, für Blockfreiheit
    und für dieses Land zu kämpfen. Das war nicht das
    Schlechteste für Ihre Partei.

    (Thomas Oppermann [SPD]: Das ist aber eine kurze Periode gewesen!)


    Ich bin für Blockfreiheit und ein Gegner der NATO. Ich
    möchte gern, dass die NATO aufgelöst und durch ein
    kollektives Sicherheitssystem in Europa ersetzt wird. Ich
    glaube, das wäre eine vernünftige Politik. Ich finde es
    schon spannend, zu hören, dass die SPD uns vorhält,
    dass wir für Blockfreiheit sind. Lesen Sie einmal die Ge-
    schichte Ihrer Partei nach! Daraus können Sie etwas ler-
    nen.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Ich bin dagegen, dass Deutschland Anspruch auf
    Großmachtpolitik erhebt.


    (Thomas Oppermann [SPD]: Den erhebt doch keiner! Popanz!)


    Sie haben das mit Frau von der Leyen in München vo-
    rangetrieben. Ich habe den Artikel über Frau von der
    Leyen im Stern mit dem Titel „Die Kriegsministerin“
    sehr genau gelesen. Ich bin außerdem sehr unglücklich
    über die Reden des Bundespräsidenten. Ich akzeptiere
    sie überhaupt nicht. Ich habe eine gewisse Sehnsucht
    nach einem sozialdemokratischen Bundespräsidenten,
    den wir einmal hatten, Gustav Heinemann, der auf die
    Frage, ob er sein Vaterland liebt, geantwortet hat, dass er
    seine Frau liebt. Das war eine anständige Position und
    hatte nichts mit der aggressiven Art und Weise der Poli-
    tik zu tun, wie sie heute betrieben wird.

    Ich möchte der Bundesregierung vorhalten, dass seit
    der Vereinigung das Verhältnis Deutschlands und der EU
    zu Russland noch nie so schlecht war wie heute. Ich will
    hier darauf hinweisen, dass daran die EU und auch die
    Bundesregierung erheblichen Anteil haben. Sie müssen
    mir einmal Folgendes erklären: Sie halten hier eine Frie-
    densrede – ich unterstütze Sie darin –, und am gleichen
    Tag soll über neue Sanktionen gegen Russland entschie-
    den werden.

    Wäre es nach den ersten Schritten in der Ukraine
    – der Waffenstillstand ist dünn und brüchig; ich habe ihn
    immer verteidigt – jetzt nicht vernünftig, zu sagen:
    „Schluss mit Sanktionen, wir treten in neue Gespräche
    mit Russland ein“? Sie wissen ganz genau, dass die ein-
    seitige Unterstützung für Kiew eben noch keine europäi-
    sche Sicherheitspolitik ausmacht und dass hier viel zu
    verändern ist. Wir werden kein Problem in Europa und
    weltweit ohne die Zusammenarbeit mit Russland lösen.

    Ich möchte an die Bundesregierung appellieren: Ma-
    chen Sie uns Russland und die Russen nicht zu Feinden!
    Linke Außenpolitik will Sicherheit in Europa durch eine
    Politik mit und nicht gegen Russland, und das muss je-
    den Tag neu erarbeitet werden.

    Ich mache Ihnen einen konkreten Vorschlag: Im nächs-
    ten Jahr werden wir den 70. Jahrestag der Befreiung vom
    Faschismus begehen. Diese Befreiung war ein weltweites
    Ereignis. Es war Bundespräsident von Weizsäcker, der
    die Zusammenhänge in einer historischen Rede vom
    Kopf auf die Füße gestellt hat, indem er das Ende des
    Zweiten Weltkrieges nicht als Niederlage, sondern als
    Befreiung Deutschlands bezeichnet hat. Wäre es nicht





    Wolfgang Gehrcke


    (A) (C)



    (D)(B)

    eine Chance, wenn Deutschland und Russland 2015 zum
    70. Jahrestag der Befreiung gemeinsam Schlussfolge-
    rungen aus der gemeinsamen Geschichte zögen und wir
    aus der Situation eines Kalten Krieges wieder hinauskä-
    men? Ich denke, wir sollten diese Chance aufgreifen.

    Aufgreifen sollten wir auch die Chance, in der
    Ukraine eine andere Politik zu machen. Herr Außen-
    minister, ich habe nie verstanden, warum Sie sich mit
    dem „Rechten Sektor“ an einen Tisch setzen mussten.
    Ein deutscher Außenminister hat nicht mit Faschisten zu
    reden.


    (Beifall bei der LINKEN)

    Ich habe das, was da passiert ist, für falsch gehalten.


    (Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Unglaublich! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist ja nicht zutreffend! Wie kann man nur so blind auf einem Auge sein!)


    Ein deutscher Außenminister sollte völlig klar und deut-
    lich sagen, dass die sogenannten Freiwilligenbataillone,
    die in der Ukraine kämpfen, eine Ansammlung von
    nazistischen Banden sind, mit denen man nichts zu tun
    haben will. Ein deutscher Außenminister sollte auf die
    ukrainische Regierung einwirken, ihrerseits den brüchi-
    gen Waffenstillstand nicht auch noch zu gefährden. Ich
    glaube, dass man vernünftige Schritte gehen kann und
    dass genügend Vorschläge dafür auf dem Tisch liegen,
    übrigens auch aus Russland.


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

    Wäre es nicht sinnvoll – ich sage das auch an die

    deutschen Medien gewandt –, mit der Verteufelung rus-
    sischer Politik aufzuhören und wieder eine rationale
    Politik zu betreiben?


    (Beifall bei der LINKEN)

    Das kann den Frieden in Europa sichern. Wir wollen den
    Frieden in Europa. Mein Angebot an Sie: Wenn es um
    Frieden geht, finden Sie in der Linken Unterstützung.
    Aber Sie werden auch die Kritik an der Politik der Bun-
    desregierung ertragen müssen. Lernen Sie daraus! Das
    wäre ganz vernünftig.

    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der LINKEN)