Protokoll:
17029

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 29

  • date_rangeDatum: 16. März 2010

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: None Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 19:41 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/29 1 Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt (Drucksachen 17/601, 17/623) . . . . . . . . . 2 Einzelplan 02 Deutscher Bundestag (Drucksachen 17/602, 17/623) . . . . . . . . . 3 Einzelplan 03 Bundesrat (Drucksachen 17/603, 17/623) . . . . . . . . . 4 a) Einzelplan 08 Bundesministerium der Finanzen DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicolette Kressl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Norbert Brackmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 5 Einzelplan 11 Bundesministerium für Arbeit und So- ziales (Drucksachen 17/611, 17/623) . . . . . . . . . Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2585 C 2585 D 2585 D 2599 C 2600 D 2602 A 2603 D 2604 C 2605 D 2608 A 2608 B Deutscher B Stenografisc 29. Sit Berlin, Dienstag, d I n h a Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- neten Dr. Herbert Schui . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt I: a) Zweite Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2010 (Haushaltsgesetz 2010) (Drucksachen 17/200, 17/201) . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung des Haushaltsaus- schusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bun- des 2009 bis 2013 (Drucksachen 16/13601, 17/626) . . . . . . . 2585 A 2585 B 2585 B (Drucksachen 17/608, 17/623) . . . . . . in Verbindung mit 2586 A undestag her Bericht zung en 16. März 2010 l t : b) Einzelplan 20 Bundesrechnungshof (Drucksachen 17/623, 17/624) . . . . . . Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ 2586 A 2586 B 2589 B 2591 D 2593 B 2594 A 2596 B 2598 A Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . Dr. Claudia Winterstein (FDP) . . . . . . . . . . . . . 2610 C 2612 C 2613 D II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . . Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Claudia Winterstein (FDP) . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Einzelplan 09 Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Drucksachen 17/609, 17/623) . . . . . . . . . Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . . Ulrike Flach (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Herbert Schui (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Dr. Michael Luther (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eduard Oswald (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Garrelt Duin (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Hinsken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Rainer Brüderle, Bundesminister BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Tiefensee (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Michael Luther (CDU/CSU) . . . . . . . . Ulrike Flach (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 2615 C 2616 B 2617 A 2619 B 2620 C 2621 A 2622 A 2624 C 2625 C 2626 C 2628 B 2629 B 2630 C, 2630 D 2630 D 2631 C, 2633 B 2636 A 2638 B 2639 A 2640 C 2641 B 2642 B 2644 B 2645 C 2647 C 2648 C 2649 D 2652 A 2653 A 2654 A 2655 C 2656 A 2656 D 2657 C 2658 A 2658 D 7 Einzelplan 12 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Drucksachen 17/612, 17/623) . . . . . . . . . Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Claudia Winterstein (FDP) . . . . . . . . . . . . Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reinhold Sendker (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Uwe Beckmeyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Schnieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 8 Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Natur- schutz und Reaktorsicherheit (Drucksachen 17/615, 17/623) . . . . . . . . . Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernhard Schulte-Drüggelte (CDU/CSU) . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . Heinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . . Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . 2660 C 2660 C 2662 C 2664 B 2665 A 2665 D 2668 C 2670 A 2671 D 2673 A 2674 A 2674 C 2676 A 2677 A 2678 A 2679 B 2680 D 2682 B 2682 A 2684 B 2686 A 2687 A 2688 A 2689 C 2690 C 2691 D 2693 D 2694 D 2696 B 2697 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 III Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Ulrich Petzold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 2698 C 2699 C 2701 A 2702 D 2703 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2585 (A) (C) (D)(B) 29. Sit Berlin, Dienstag, d Beginn: 1
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 2703 (A) (C) (D)(B) Anlage zum Stenografischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bögel, Claudia FDP 16.03.2010 Brinkhaus, Ralph CDU/CSU 16.03.2010 Burchardt, Ulla SPD 16.03.2010 von Cramon-Taubadel, Viola BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16.03.2010 Freitag, Dagmar SPD 16.03.2010 Götz, Peter CDU/CSU 16.03.2010 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 16.03.2010 Rawert, Mechthild SPD 16.03.2010 Röspel, René SPD 16.03.2010 Roth (Esslingen), Karin SPD 16.03.2010 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16.03.2010 Dr. Schavan, Annette CDU/CSU 16.03.2010 Schuster, Marina FDP 16.03.2010 Dr. Seifert, Ilja DIE LINKE 16.03.2010 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Hirte, Christian CDU/CSU 16.03.2010 Hoff, Elke FDP 16.03.2010 Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16.03.2010 Koch, Harald DIE LINKE 16.03.2010 Möller, Kornelia DIE LINKE 16.03.2010 Pflug, Johannes SPD 16.03.2010 Strässer, Christoph SPD 16.03.2010 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16.03.2010 Werner, Katrin DIE LINKE 16.03.2010 Wieczorek-Zeul, Heidemarie SPD 16.03.2010 29. Sitzung Berlin, Dienstag, den 16. März 2010 Inhalt: Redetext Anlage zum Stenografischen Bericht Anlage
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1702900000

Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie alle herzlich zu den Haushaltsberatungen
des Deutschen Bundestages.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich
dem Kollegen Dr. Herbert Schui zu seinem 70. Ge-
burtstag gratulieren, den er am vergangenen Wochen-
ende begangen hat.


(Beifall)


Herr Kollege Schui, im Namen des ganzen Hauses auch
für die nächsten 70 Jahre alle guten Wünsche!

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte I a und b auf:

a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2010 (Haushaltsgesetz 2010)


– Drucksachen 17/200, 17/201 –

Rede
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haus-
haltsausschusses (8. Ausschuss) zu der Unterrich-
tung durch die Bundesregierung

Finanzplan des Bundes 2009 bis 2013

– Drucksachen 16/13601, 17/626 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Carsten Schneider (Erfurt)

Otto Fricke
Roland Claus
Alexander Bonde

Wir kommen zur Beratung der Einzelplä
zunächst der drei Einzelpläne, zu denen ke
che vorgesehen ist.
zung

en 16. März 2010

0.00 Uhr

Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.1 auf:

Einzelplan 01
Bundespräsident und Bundespräsidialamt

– Drucksachen 17/601, 17/623 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Herbert Frankenhauser
Carsten Schneider (Erfurt)

Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Dr. Dietmar Bartsch
Stephan Kühn

Wer stimmt für den Einzelplan 01 in der Ausschuss-
fassung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
Dann ist der Einzelplan 01 in der vom Haushaltsaus-
schuss festgestellten Fassung angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.2 auf:

Einzelplan 02
Deutscher Bundestag

– Drucksachen 17/602, 17/623 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Bernhard Schulte-Drüggelte
Johannes Kahrs

text
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Roland Claus
Alexander Bonde

Wer stimmt für den Einzelplan 02 in der Ausschuss-
fassung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Damit ist auch der Einzelplan 02 mit den Stimmen des
Hauses bei Enthaltung der SPD-Fraktion angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.3 auf:

Einzelplan 03
Bundesrat

– Drucksachen 17/603, 17/623 –

terstattung:
rdnete Stefanie Vogelsang
Brandner
ne, und zwar
ine Ausspra-

Berich
Abgeo
Klaus

Heinz-Peter Haustein





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)

Dr. Dietmar Bartsch
Priska Hinz (Herborn)


Wer stimmt für den Einzelplan 03 in der Ausschuss-
fassung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Damit ist der Einzelplan 03 einstimmig angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.4 auf:

a) Einzelplan 08
Bundesministerium der Finanzen

– Drucksachen 17/608, 17/623 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Brackmann
Carsten Schneider (Erfurt)

Otto Fricke
Dr. Gesine Lötzsch
Stephan Kühn

b) Einzelplan 20
Bundesrechnungshof

– Drucksachen 17/623, 17/624 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Carsten Schneider (Erfurt)

Otto Fricke
Roland Claus
Alexander Bonde

Zum Einzelplan 08 liegt ein Änderungsantrag der
Fraktion Die Linke vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Dann können wir offenkundig so ver-
fahren.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
nächst dem Kollegen Carsten Schneider für die SPD-
Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Carsten Schneider (SPD):
Rede ID: ID1702900100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Bundesminister Schäuble, wir freuen uns, dass Sie
wieder unter uns sind – herzlich willkommen – und dass
wir heute die Gelegenheit haben, die Auseinanderset-
zung über den Haushalt 2010 und die Folgejahre zu füh-
ren. Sie sind mit vielen Vorschusslorbeeren – große Er-
fahrung, Weitsicht, politisches Gewicht –


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Alles richtig!)


als Minister gestartet. Wenn ich den Haushaltsplan be-
trachte, Herr Kauder, dann stelle ich fest: Sie haben den
Bundesminister im Regen stehen lassen.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Was? – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ganz und gar nicht! – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wie hieß denn der Vorgänger?)


In der derzeitigen Wirtschaftskrise, die immer noch kri-
tisch ist, tun Sie nichts, um die Konsolidierung der
Staatsfinanzen nach vorne zu bringen.

(Beifall bei der SPD – Volker Kauder [CDU/ CSU]: So ein Quatsch!)


Im Ergebnis ist eine Nettokreditaufnahme von
80 Milliarden Euro vorgesehen. Das ist die höchste Neu-
verschuldung, die es je in der Bundesrepublik gegeben
hat.


(Christian Ahrendt [FDP]: Dafür ist Steinbrück verantwortlich!)


Das ist das Doppelte von dem, was einer Ihrer Vorgän-
ger, Bundesminister Waigel, 1996 vorgesehen hatte. Es
ist richtig: Es hätte auch unter anderen Regierungen und
anderen Konstellationen eine hohe Neuverschuldung in
diesem Jahr gegeben.


(Birgit Homburger [FDP]: Eine höhere!)


Die Frage ist nur: Wäre sie auch so hoch, wenn es keine
korrigierte Haushaltsplanung aufgrund Ihrer Klientelge-
schenke und der bewussten Wählermanipulation durch
die Zahlung von Spenden gäbe? Die Antwort ist: Nein.

Das belegen zwei Zahlen. Unter der Großen Koalition
waren im Haushalt von Peer Steinbrück 25,6 Milliarden
Euro als Konjunkturkomponente vorgesehen. Heute liegt
sie bei 13 Milliarden Euro. Das sind die Zahlen, die der
Minister selbst vorgelegt hat. Im Gegensatz zum ersten
Regierungsentwurf enthält der zweite Regierungsent-
wurf, den Sie vorgelegt haben, aufgrund der verbesser-
ten wirtschaftlichen Lage eine Entlastung von 10 Milli-
arden Euro. Was haben Sie gemacht? Haben Sie die
Neuverschuldung um 10 Milliarden Euro gesenkt, oder
haben Sie Steuergeschenke an Ihre Klientel, an Hotels,
an Erben und an Unternehmen verteilt? Letzteres haben
Sie getan, und das war der falsche Weg.


(Beifall bei der SPD)


Es sind doch nicht die Opposition oder der Gewerk-
schaftsbund, sondern es ist der BDI, der Ihnen ein ver-
nichtendes Zeugnis ausstellt. Der Präsident des BDI
spricht von Orientierungslosigkeit, und das in einer Zeit,
in der es notwendig wäre, dass wir als größte Volkswirt-
schaft die Führung in Europa übernehmen. Auch die in-
ternational angesehene Zeitung Newsweek kommt zu ei-
nem klaren Urteil und fragt: Wo ist Frau Merkel?
Irgendwann wird in Deutschland nicht nur die Frage ge-
stellt: Wo ist der Bundespräsident?, sondern die Bild-
Zeitung wird auch fragen: Wo ist Frau Merkel? Hat sie
überhaupt eine Vorstellung davon, wie es in diesem
Land weitergehen soll? Hat sie eine Vorstellung davon,
wie viel Angst die Menschen vor Inflation haben, wie
viel Angst sie davor haben, dass die Leistung, die der
Staat derzeit noch erbringen kann, nicht mehr erreicht
werden kann?

Wenn ich mir Ihre Antworten betrachte – der Haus-
halt ist ja in Zahlen gegossene Politik, er ist das Schick-
salsbuch der Nation –, dann muss ich sagen: Es sieht
sehr düster aus. Was tun Sie? Sie legen einen Haushalt
vor, der in maßgeblichen Bereichen Entlastungen auf-
grund der Verbesserung der konjunkturellen Lage bein-
haltet. Sie könnten die Neuverschuldung deutlich weiter
senken. Wir als SPD haben das vorgesehen. Wir kom-
men auf eine Neuverschuldung von 77 Milliarden Euro





Carsten Schneider (Erfurt)



(A) (C)



(D)(B)

und würden nach unseren Planungen dabei auch noch
die Investitionen stärken und internationale Zusagen er-
füllen. Sie hingegen verteilen Geschenke an Ihre Wäh-
lerklientel. Das hat nichts mit dem Gemeinwohl und
nichts mit Stimulierung der Wirtschaft in einer schwieri-
gen Lage zu tun.


(Beifall bei der SPD)


Wir stehen vor einer Herkulesaufgabe. Bis 2016 wer-
den die Zinsausgaben bei einem normalen Zinsniveau
– derzeit haben wir ein historisch niedriges Zinsniveau –
um 60 Prozent, von heute 37 Milliarden Euro auf über
62 Milliarden Euro, steigen. Dafür haben Sie keine Vor-
sorge getroffen. Sie haben keine Gegenfinanzierung.
Das Einzige, was die FDP vorträgt, ist ihre Mär von der
Steuersenkung, die angeblich Wachstum bringen soll.


(Otto Fricke [FDP]: Richtig! Habt ihr keine Steuersenkungen gemacht?)


Der Sachverständigenrat der Bundesregierung – dem
sollten Sie einmal zuhören – kommt zu dem Ergebnis,
dass das, was im Koalitionsvertrag vorgelegt wurde, kei-
nerlei Konsolidierungserfordernissen entspricht. Er führt
aus, dass Steuersenkungen zwar eine kleine Wachstums-
wirkung haben – wie groß sie ist, ist umstritten –, es aber
keine Stimulierung gibt und auch keine komplette Ge-
genfinanzierung vorliegt. Was passieren wird, ist: Sie
werden für die Reichen die Steuern senken, so wie Sie es
im Wahlkampf versprochen haben, und bezahlen werden
es die Armen.


(Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: So ein Unfug! – Bartholomäus Kalb [CDU/ CSU]: Geht es noch etwas einfacher?)


Wir sehen das schon heute im Haushalt. Was haben
Sie gemacht? Sie haben 900 Millionen Euro im Bereich
der aktiven Arbeitsmarktpolitik faktisch eingespart.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Stimmt nicht! Falsch! Das ist die Unwahrheit! – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist eines Haushälters unwürdig!)


Herr Westerwelle hat eine Debatte über Sozialhilfe bzw.
Arbeitslosengeld II mit dem klaren Ziel der Stigmatisie-
rung dieser Menschen, die nach Arbeit suchen, vom
Zaun gebrochen.


(Beifall bei der SPD – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist eine Aussage wider besseres Wissen!)


Und was ist das Ergebnis Ihrer Beratungen? 900 Millio-
nen Euro – das sind über 10 Prozent der Mittel, die zur
Verfügung stehen, um Arbeitslose wieder in den Arbeits-
markt zu integrieren, um ihnen eine Chance zu geben –
sperren Sie. Sie glauben doch nicht im Ernst, liebe Kol-
legen von der Union, dass die FDP diese Mittel – sie
wollte sie früher immer halbieren – wieder freigeben
wird.


(Beifall bei der SPD – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Unglaublich!)

Das wird nicht der Fall sein. Die Arbeitslosen in diesem
Land werden für die Politik der CDU/CSU und der FDP
bluten.

Was Sie finanzpolitisch machen, ist eine Geisterfahrt;
man kann das nicht anders nennen. Ihre Aufgabe wäre
es, den Leuten zu Beginn Ihrer Koalitionszeit reinen
Wein einzuschenken. Zum Glück haben wir in der letz-
ten Legislaturperiode eine Schuldenbremse eingeführt,
um die hohen öffentlichen Defizite zurückzuführen. Das
bedeutet, dass Sie ab 2011 jedes Jahr zwischen 10 und
15 Milliarden Euro – das hängt von der Zinsentwicklung
ab – kumuliert zurückführen müssen. Ich halte das für
unabdingbar; das ist notwendig. Haben Sie in den letzten
fünf Monaten irgendeine Antwort darauf gegeben, wie
Sie diese Herkulesaufgabe, die größte Aufgabe, vor der
diese Regierung und dieses Land stehen, bewältigen
wollen? Nein.


(Beifall bei der SPD)


Sie haben drei Gesetze gemacht. Eines nennen Sie
„Wachstumsbeschleunigungsgesetz“. Das Gegenteil ist
der Fall: Es ist ein Klientelbeglückungsgesetz.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Quatsch!)


Sie haben ein Gesetz gemacht, das darauf zielt, die Um-
satzsteuer noch unübersichtlicher zu regeln, sodass über-
haupt keiner mehr durchblickt. Die FDP wollte immer
eine Vereinfachung; aber alles, was Sie bisher gemacht
haben, verursacht mehr Bürokratie, verunsichert die
Menschen und sorgt für weniger Durchsicht.


(Beifall bei der SPD)


Ein Gesetz, das Sie beschlossen haben, das Sozialver-
sicherungs-Stabilisierungsgesetz, tragen wir in Teilen
mit, im entscheidenden Teil aber nicht, nämlich da, wo
es um die sogenannte Kuhschwanzprämie geht. Das sind
drei Gesetze in fünf Monaten. Neue Subventionen für
Bauern – das ist Ihre Priorität in diesem Land. So geht
das nicht weiter.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Die Sozis bezeichnen die Bauern als „Kuhschwänze“! Super!)


Wenn wir sehen, wo Sie gekürzt haben, dann fragen
wir uns schon, ob Sie wirtschaftspolitisch noch ganz bei
der Sache sind. Sie kürzen die Investitionen um
400 Millionen Euro. Wenn wir bisher eine bessere wirt-
schaftliche Entwicklung als prognostiziert hatten, dann
liegt das an den Maßnahmen – eigentlich soll man sich
ja nicht selbst loben –, die wir in der vergangenen Regie-
rungszeit beschlossen haben. Das kommunale Investi-
tionsprogramm, die Abwrackprämie und die Stimuli im
Bereich der Bezieher von kleinen Einkommen haben
dazu geführt, dass die Wirtschaft nicht so stark abge-
stürzt ist wie prognostiziert. Da besteht ein elementarer
Zusammenhang zu den Investitionen. Was Sie jetzt ma-
chen, ist, genau das zu konterkarieren.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ulrike Flach [FDP]: Das stimmt doch gar nicht!)






Carsten Schneider (Erfurt)



(A) (C)



(D)(B)

Dafür gibt es Belege:

Sie kürzen die Investitionen um 400 Millionen Euro.
Ökonomisch großartig! Große Leistung! Das führt dazu,
dass bei den Investitionen im Baubereich – Stichwort:
Nachfrage – bis zu 1 Milliarde Euro an öffentlichen Mit-
teln einschließlich Kofinanzierung fehlen wird.

Sie kürzen die Verpflichtungsermächtigungen, und
zwar auch für Aufgaben bzw. Aufträge der kommenden
Jahre, um 4 Milliarden Euro. Auch das wird aufgrund
der Kofinanzierung dazu führen, dass bis zu 10 Milliar-
den Euro zusätzlich verloren gehen. Ich frage mich: Le-
sen Sie eigentlich den Wirtschaftsteil der Zeitung? Wis-
sen Sie eigentlich, wie es um dieses Land bestellt ist?
Wir sind in einer sehr kritischen Situation, und Sie ma-
chen nichts weiter als eine wirtschaftspolitische und fi-
nanzpolitische Geisterfahrt. Ich finde, das ist nicht hin-
nehmbar.


(Beifall bei der SPD)


Frau Bundeskanzlerin, Sie haben auf vielen internati-
onalen Gipfeln große Versprechen gemacht. Für die Ent-
wicklungshilfe – Stichwort: ODA-Mittel – wollten Sie –
das haben Sie schon 2006 und später in vielen Sonntags-
reden immer wieder gesagt – 0,51 Prozent vom Bruttoin-
landsprodukt ausgeben. Ich habe von Ihnen bisher noch
kein einziges Wort dazu gehört, dass Sie den Ansatz des
Jahres 2009 halten. Wir hätten eine Steigerung um meh-
rere Milliarden Euro gebraucht, um die gemachten Zusa-
gen einzuhalten. Ich habe nicht gehört, was Sie dazu sa-
gen. Kein Wort!

Im Bereich Klimaschutz haben Sie in Kopenhagen
eine feste Zusage gemacht. 2010 wollten Sie dafür
420 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Was steht im
Haushalt? 70 Millionen Euro! Frau Bundeskanzlerin, ich
erwarte, dass Sie dazu einmal klar Stellung nehmen, dass
Sie klar sagen: „Wir können uns das nicht mehr leisten“
oder etwas anderes.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Aber einfach abzutauchen, so zu tun, als würden diese
Zusagen nicht existieren, sich davor zu drücken, das ist
einer Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland
nicht würdig.

Was macht der Bundesfinanzminister in dieser Situa-
tion? Er beginnt eine Debatte über einen europäischen
Währungsfonds. Zur Frage der Staatsfinanzierung
Griechenlands gab es gestern ein Treffen. Die Erkennt-
nisse dazu sind bisher rudimentär. Ich würde Sie bitten,
Herr Bundesminister Schäuble, dass Sie dem Deutschen
Bundestag und der deutschen Öffentlichkeit klar sagen,
was dort gestern besprochen wurde und was auf
Deutschland zukommt. Müssen wir für Griechenland
bürgen? Müssen wir Kredite für Griechenland absi-
chern? Gehen wir da selbst ins Risiko, oder ist die ableh-
nende Haltung, die die FDP immer wieder vorgetragen
hat, die maßgebliche in der Bundesregierung? Ich hätte
darüber gern Klarheit.

(Beifall bei der SPD – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Was wollen Sie denn? Was ist Ihr Vorschlag?)


Dreimal haben wir dieses Thema im Haushaltsausschuss
angesprochen. Nichts ist uns dazu berichtet worden.
Doch es treibt die Menschen um.


(Otto Fricke [FDP]: Was wollt ihr? Was will die SPD?)


Wir wollen wissen: Ist der Euro sicher? Ist er stabil?
Welche Antwort geben Sie darauf? Warum werfen Sie
als Nebelkerze die Idee eines europäischen Währungs-
fonds in den Raum, der in den nächsten 10 bis 20 Jahren
niemals Realität werden wird, wenn Sie nicht einmal
heute erklären können, was Sache ist?


(Beifall bei der SPD)


Wenn Sie fragen, welches Instrument es sonst gibt,
kann ich Ihnen klar antworten. Es gibt bereits ein Instru-
ment: den Internationalen Währungsfonds. Er ist ge-
nau dafür da. Die Etats wurden erhöht, um zusätzlich
eingreifen zu können. Wir sehen in Ungarn und im Balti-
kum, dass es funktioniert.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das sind aber keine Euroländer!)


Ich frage mich: Warum nutzen Sie dieses Instrument
nicht auch hier, sondern verschlechtern mit Zusagen die
Refinanzierungssituation Deutschlands?

Wir haben ein sehr gutes Rating; wir stehen noch sehr
gut da. Wir nehmen pro Jahr Kredite in Höhe von
350 Milliarden Euro auf. Da ist jeder Zehntelprozent-
punkt, den wir mehr bezahlen müssen, entscheidend.
Fragen Sie sich doch mal eines: Wenn Sie nicht mehr nur
den Bund, sondern auch noch Griechenland und alle an-
deren möglichen Länder mit betrachten, meinen Sie, es
wird dann teurer oder billiger für den Bund? Die Refi-
nanzierung würde teurer werden. Deswegen sage ich:
Vorsicht an der Bahnsteigkante. Über die europäischen
Verträge und die Sanktionsmechanismen kann und muss
man reden. Man sollte aber nichts verschleiern, man
sollte nicht Mittel geben, ohne dies der deutschen Öf-
fentlichkeit zu sagen. Ich möchte Sie bitten, an dieser
Stelle für Klarheit zu sorgen.


(Beifall bei der SPD)


Wir als Opposition kritisieren vor allen Dingen, dass
Sie im Haushalt 2010 nicht sparen. Sie tun nur so. Ich
nenne Ihnen ein Beispiel: das Rüstungsprojekt A400M,
ein Transportflugzeug. Auch darüber haben wir immer
wieder Auskunft verlangt; aber sie ist bisher nicht gege-
ben worden. Dieses Projekt wird teurer. Das hat Minister
Guttenberg gesagt. Für die gleichen Stückzahlen müssen
wir nun mehr zahlen. Das führt dazu, dass sich der Preis
für die Flugzeuge erhöht. In einem privatwirtschaftli-
chen Unternehmen ist so etwas natürlich sehr spannend.
Stellen Sie sich das einmal vor: Sie haben einen Vertrag
mit jemandem geschlossen, der dann vier Jahre später
liefert, und Sie müssen dann auch noch mehr zahlen, als
im Vertrag vereinbart ist, aber bekommen dafür nicht
mehr. Das ist finanzpolitisch großartig. Ich finde, Sie ge-





Carsten Schneider (Erfurt)



(A) (C)



(D)(B)

hen mit den Steuergeldern der Deutschen exzellent um.
Anders als mit Ironie kann man das wirklich nicht stra-
fen.

Der Höhepunkt ist, dass Sie sagen, Sie würden an die-
ser Stelle 100 Millionen Euro im Haushalt sparen. Sie
wissen, dass Sie mehr ausgeben müssen. Der Staats-
sekretär sagt, dass Sie 350 Millionen Euro in diesem
Jahr zahlen müssen, und Sie kürzen um 100 Millionen
Euro. Was ist das? Das ist keine Kürzung; denn Sie wer-
den diese 350 Millionen Euro zahlen müssen. Das ist
eine Fata Morgana.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Joachim Poß [SPD]: Guttenberg macht sowieso nur Fata-Morgana-Politik!)


Zum Schluss möchte ich diese Situation mit dem Start
der letzten schwarz-gelben Regierung vergleichen. Sie
hat ihren ersten Haushalt am 16. Dezember 1982 in
zweiter und dritter Lesung beschlossen. Am Tag danach
stellte der damalige Bundeskanzler Kohl im Deutschen
Bundestag die Vertrauensfrage nach Art. 68 Grundge-
setz, und das Parlament sprach ihm das Misstrauen aus.
Frau Merkel, ich hätte nichts dagegen, wenn auch Sie
das morgen tun würden. Diese Koalition hat abgewirt-
schaftet, bevor sie richtig begonnen hat.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das Misstrauen in der Koalition ist mit Händen zu grei-
fen. Die Bürgerinnen und Bürger haben kein Vertrauen
mehr zu dieser Chaostruppe des permanenten Selbstwi-
derspruchs. Dieses Land hat eine bessere Regierung ver-
dient. Ich sage Ihnen: Meine Stimme hätten Sie morgen
nicht.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1702900200

Norbert Barthle ist der nächste Redner für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1702900300

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Nach dieser heute ersten, von Polemik geprägten
Rede des haushaltspolitischen Sprechers der SPD,


(Ute Kumpf [SPD]: Das war eine gute Rede, Herr Kollege Barthle!)


der ganz offensichtlich aufgrund des Wahlschocks die
haushälterischen Grundregeln vergessen und sich von al-
lem verabschiedet hat, was er noch bis zum letzten Jahr
mitgetragen hat, möchte ich jetzt etwas zu dem Haushalt
sagen, den wir, die christlich-liberale Koalition, nach
langen, teilweise langwierigen und auch anstrengenden
Beratungen zur zweiten und dritten Lesung vorlegen.

Ich will gleich an dieser Stelle betonen, dass die Zu-
sammenarbeit innerhalb dieser christlich-liberalen
Koalition

(Klaus Hagemann [SPD]: Der Mitte! Nicht vergessen!)


ausgesprochen konstruktiv


(Joachim Poß [SPD]: Blendend! Freundschaftlich!)


und harmonisch verlief – von Streit keine Spur.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Joachim Poß [SPD]: Oh ja! Ganz hervorragend!)


In den Haushaltsberatungen ist es uns gelungen, dafür
zu sorgen, dass wir heute ein Gesamtkunstwerk vorle-
gen,


(Lachen bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glaubt Ihnen doch keiner! Das ist nie im Leben Kunst! – Ute Kumpf [SPD]: Das Wort „Kunst“ kommt von Können! Aber Sie können es nicht!)


das zwei sich teilweise widersprechenden Zielsetzungen
gerecht werden soll und auch gerecht wird.


(Joachim Poß [SPD]: Sie sind heute ja lustig!)


Schon deshalb kann man zu Recht von einem Kunstwerk
sprechen.


(Joachim Poß [SPD]: Ja, ja! Nur weiter so! Das war das Wort des Tages! – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist schwarze Kunst, was sie da machen!)


Dieser Haushalt ist der Bekämpfung der Wirtschafts-
und Finanzkrise gewidmet. Unser Land sicher durch
diese Krise zu führen, das ist und bleibt für die christ-
lich-liberale Regierung oberste Priorität. Mit dem
Wachstumsbeschleunigungsgesetz und dem Sozialversi-
cherungs-Stabilisierungsgesetz hat diese Regierung
Handlungsfähigkeit bewiesen.


(Ute Kumpf [SPD]: Na, jetzt reicht es aber!)


Wir werden die Bürgerinnen und Bürger bzw. die Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer allein im Jahr 2010 um
rund 20 Milliarden Euro entlasten.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles auf Pump!)


Wir haben damit weitere Wachstumsimpulse gesetzt und
zur Stabilisierung des Arbeitsmarktes beigetragen.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ja! Das alles zahlen aber irgendwann einmal unsere Kinder!)


Die Einzelteile, die Sie von der Opposition herausgrei-
fen und hier vortragen, haben an dieser wirklich sehens-
werten Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer nur einen marginalen Anteil.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)






Norbert Barthle


(A) (C)



(D)(B)

Natürlich schlagen sich die Anstrengungen zur Be-
kämpfung dieser Krise in einer für viele, auch für mich,
erschreckend hohen Nettokreditaufnahme in Höhe von
80,2 Milliarden Euro nieder; das ist unbestritten.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So viel brauchen wir doch gar nicht!)


Wir nehmen zur Bekämpfung dieser Krise eine Verlet-
zung der Maastricht-Kriterien in Kauf, liegen mit einer
Defizitquote von rund 5,5 Prozent aber immer noch
deutlich besser als viele mit Deutschland vergleichbare
Staaten um uns herum,


(Bettina Hagedorn [SPD]: Wir haben aber die schlechtere Regierung!)


und das nur, weil wir vor der Krise gesamtstaatlich na-
hezu ausgeglichene Haushalte hatten.

Die zweite Zielsetzung, der wir gerecht werden, ist
der Kurswechsel hin zur Konsolidierung des Haus-
halts.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach ja? Wo denn?)


Deshalb haben wir die von Finanzminister Schäuble
schon eingeleitete Absenkung der Nettokreditaufnahme
gegenüber dem Entwurf von Herrn Steinbrück


(Klaus Hagemann [SPD]: Den ihr mitgetragen habt!)


intensiv fortgesetzt


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reine Wachstumsmitnahmen!)


und die Ausgaben – ich betone: die Ausgaben – um
5,6 Milliarden Euro reduziert.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ausschließlich Wachstumstitel! Reine Schätzwertanpassungen!)


– Herr Kollege, eine ähnlich hohe Absenkung der Netto-
kreditaufnahme gegenüber dem Regierungsentwurf gab
es zuletzt 1995,


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine virtuelle!)


und zwar in einer christlich-liberalen Koalition unter
Helmut Kohl.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist alles virtuelles Zahlengeschiebe, dem nichts gegenübersteht!)


Diese Koalition zeigt, dass sie in der Lage ist, zu sparen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Etikettenschwindel!)


Wenn Sie mich fragen, wie das zustande kam, dann
will ich das gerne erklären.


(Klaus Hagemann [SPD]: Dass der Barthle nicht rot anläuft, ist ein Wunder!)

Wir haben die sogenannten Schätzansätze abgesenkt
– das betrifft den Zuschuss an die Bundesagentur für Ar-
beit und die Zinsaufwendungen –, weil sich der Arbeits-
markt positiver als noch im Dezember letzten Jahres er-
wartet entwickelt hat. Wir fahren mit diesem Haushalt
sozusagen einen Teil der Ernte unserer guten Politik ein.


(Widerspruch bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bettina Hagedorn [SPD]: So ein Unsinn!)


Aber wir bleiben an dieser Stelle nicht stehen. Wir ha-
ben mehr als 300 Änderungsanträge vorgelegt und
zusätzliche Einsparungen durchgesetzt. Bei den Ver-
waltungs- und Personalkosten der Bundesregierung
werden wir rund 500 Millionen Euro einsparen. Die Res-
sorts werden diese Leistung durch eine effizientere Be-
wirtschaftung erbringen müssen. Statt auf Staatskonsum
setzen wir auf Investitionen und auf Zukunftspro-
gramme.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ute Kumpf [SPD]: Da bin ich aber gespannt!)


Darüber hinaus haben wir für das Haushaltsjahr 2010
wieder eine pauschale Stelleneinsparung in Höhe von
1 Prozent in den Haushaltsentwurf aufgenommen.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nachdem ihr vorher 1 000 neue Stellen geschaffen habt!)


Wir gewährleisten eine Gleichbehandlung aller Berei-
che, indem wir die 0,4-prozentige Stelleneinsparung, die
im Entwurf schon vorgesehen war, ebenfalls fortschrei-
ben. Damit, meine Damen und Herren, werden brutto
insgesamt 2 600 Stellen eingespart. Das ist eine beachtli-
che Größenordnung.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sparen Sie doch erst einmal den Niebel ein! Dann ist schon viel gewonnen! – Zuruf von DER LINKEN: Sie wissen aber noch nicht, wo Sie einsparen wollen! Das ist schade!)


Leider ist der Großteil der Mittel des Haushalts vor-
gebunden. Trotzdem haben wir im sogenannten dispo-
niblen Bereich, also überall dort, wo Bewegungsspiel-
räume vorhanden sind, Kürzungen vorgenommen. Aber
wir sind nicht mit dem Rasenmäher vorgegangen, son-
dern haben uns alle Einzelpläne gesondert angeschaut
und uns große Mühe gemacht, um herauszufinden, wel-
che einzelnen Ausgabenposten im Detail zu kürzen sind.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ja! Überall, wo Umwelt draufsteht, seid ihr drangegangen! Euer Klientelzeugs habt ihr aber belassen!)


Das war beschwerlich, hat sich aber im Ergebnis ge-
lohnt. So trägt dieser Haushalt die klare Handschrift der
christlich-liberalen Koalition.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt! So sind sie!)


Das ist gut für dieses Land.





Norbert Barthle


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wenn ich mir die Änderungsanträge der Oppositions-
parteien anschaue, muss ich leider feststellen: Eine klare
Linie kann man nicht erkennen. Im Gegenteil: SPD,
Grüne, Linke legen Änderungsanträge vor, die nur den
Zweck haben, die eigene Klientel zu bedienen.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Über eine klare Linie reden und dann so ein Zickzack!)


Das ist, mit Verlaub, zu kurz gesprungen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Der Kollege Schneider hat beklagt, dass wir nicht
eine um 10 Milliarden Euro niedrigere NKA aufweisen.
Schauen wir uns an, was die Änderungsanträge der SPD
unter dem Strich bedeuten: Sie wollen die NKA um
1,3 Milliarden Euro absenken – nicht um 10 Milliarden
Euro –, und dies nur, indem sie die Schätzansätze im
Einzelplan 32 und im Einzelplan 60, also dort, wo es
vorwiegend um Zinsbelastungen geht, schärfer kalkulie-
ren als wir. Wir haben dort bewusst nicht so scharf kal-
kuliert. Wir hätten schärfer kalkulieren können, wir hät-
ten die Nettokreditaufnahme unter 80 Milliarden Euro
drücken können; aber wir haben bewusst Puffer gelas-
sen, um in den sozialen Bereichen auf der sicheren Seite
zu sein: dass wir über das Jahr hinweg sicherstellen kön-
nen, dass das Geld, das in diesen Bereichen notwendig
ist, auch zur Verfügung steht. Das ist im Sinne der Bür-
gerinnen und Bürger dieses Landes.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat ein Disagio mit Sozialpolitik zu tun?)


Wir als christlich-liberale Koalition wollen und wer-
den die Schuldenbremse einhalten, wir werden auch die
Maastricht-Kriterien wieder einhalten; das ist unsere
Zielsetzung. Deshalb muss man darangehen, die Vorbin-
dungen für die künftigen Haushalte entsprechend zu
reduzieren. Das war der Grund, weshalb wir in einem
ersten Schritt bei den Verpflichtungsermächtigungen
ab einer Höhe von 10 Millionen Euro eine 10-prozentige
Kürzung bzw. Sperre vorgesehen haben. Dabei haben
wir zum Beispiel für Baumaßnahmen eine sachgerechte
Ausnahme gemacht. Bei allen Sparanstrengungen, die
wir unternommen haben, haben wir schon immer den
Blick in die Zukunft gerichtet.

Die Investitionsquote dieses Haushalts, lieber Kol-
lege Schneider, beträgt 8,9 Prozent. Wir liegen bei den
Investitionen um über 1 Milliarde Euro höher als 2009.
Wir liegen bei der Investitionsquote besser oder zumin-
dest ähnlich wie in den vergangenen Jahren. Schauen Sie
sich die Zahlen an; dann werden Sie mir das bestätigen
können.

Wir haben neue politische Aufgaben umgesetzt und
dennoch die Nettokreditaufnahme absenken können. Zu
diesen neuen Verpflichtungen gehören zum Beispiel die
Zusagen im Zusammenhang mit der Afghanistankonfe-
renz, die wir mit immerhin 436 Millionen Euro abgebil-
det haben. Dies umfasst neue, zusätzliche Aufgaben für
unsere Soldaten und Soldatinnen.

Auch die Finanzierung des Fast-Start-Programms ist
berücksichtigt. Zusätzlich zu den schon im Entwurf ein-
gepreisten Mitteln in Höhe von 350 Millionen Euro wer-
den weitere 70 Millionen Euro bereitgestellt. Auch für
die Haiti-Konferenz Ende März haben wir haushalts-
technisch bereits Vorsorge getroffen. Darüber hinaus fin-
den Sie in diesem Haushalt zusätzliche Impulse. Zum
Beispiel führen wir das CO2-Gebäudesanierungspro-
gramm, das sich bewährt hat, nahtlos weiter, indem wir
400 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stellen.

Im 20. Jubiläumsjahr der friedlichen Revolution und
des Mauerfalls dürfen die Folgen der SED-Diktatur nicht
verharmlost oder gar vergessen werden. Deshalb stellen
wir für die Rekonstruktion von Stasi-Unterlagen und für
die Gedenkstätten mehr Mittel zur Verfügung.

Lassen Sie mich noch einen Satz sagen zu der wirk-
lich falschen, unrichtigen Aussage, wir hätten bei den
Eingliederungsmaßnahmen gekürzt. Das Gegenteil ist
der Fall. Für diesen Bereich sind 6,6 Milliarden Euro
veranschlagt. 600 Millionen Euro davon bleiben vorläu-
fig gesperrt. Weitere 300 Millionen Euro sind bei den
Verwaltungskosten vorläufig gesperrt. Diese Sperre
kann sofort aufgehoben werden, wenn die Ministerin
– das wird sie sicherlich alsbald tun – ein Konzept vor-
legt, wie dieses Geld zielsicher, zielgenau, ökonomisch
effizient eingesetzt werden soll. Dann stehen 900 Millio-
nen Euro mehr zur Verfügung, als im vergangenen Jahr
notwendig waren. Das ist alles andere als eine Kürzung.
Ich muss Ihnen den Vorwurf machen, dass Sie hier be-
wusst die Unwahrheit behaupten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Exakte Anpassung an die Fallzahlen! Kein Aufwuchs! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Eine Milchbubenrechnung ist das!)


Meine Damen und Herren, ich komme zum Ende. Wir
werden in dieser Woche nicht den Haushalt 2011 und
nicht den Haushalt 2012 beraten, sondern den Haushalt
2010. Nach dieser Beratung bitte ich um Ihre Zustim-
mung.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1702900400

Das Wort erhält nun die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch

für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702900500

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! In einem Satz kann man den Bun-
deshaushalt so zusammenfassen: Er ist gut für Spekulan-
ten und schlecht für Arbeitslose.





Dr. Gesine Lötzsch


(A) (C)



(D)(B)

Noch im letzten Jahr hat die FDP ihr gelbes Sparbuch
in jede Fernsehkamera gehalten. Jetzt ist das gelbe Spar-
buch wie vom Erdboden verschluckt.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Konto ist überzogen!)


Fast in jedem Ministerium wollte die FDP ein paar
Staatssekretäre einsparen. Nichts davon ist passiert.
Stattdessen ist die FDP dadurch aufgefallen, dass sie al-
ten Freunden im Außenministerium und im Entwick-
lungshilfeministerium einen neuen Arbeitsplatz vermit-
telt hat. Sieht so liberales Sparen aus?


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Unsere Hauptkritik an diesem Haushalt besteht darin,
dass die Bundesregierung es nicht für nötig hielt, die
Verursacher der Finanz- und Wirtschaftskrise an den
Kosten der Krise zu beteiligen. Das ist ungerecht, und
das können die Menschen nicht akzeptieren.


(Beifall bei der LINKEN)


Immer wieder haben wir von der Bundeskanzlerin,
Frau Merkel, kritische Worte über die Banken gehört.
Schon 2008 sollten die Verantwortlichen für die Finanz-
krise zur Verantwortung gezogen werden. Nichts ist pas-
siert. Im Bundestagswahlkampf war die Kanzlerin sogar
für eine Transaktionsteuer. Wieder ist nichts passiert. Im
November 2009 sagte Frau Merkel – ich zitiere –:

Wir sind mit dem Heraustreten aus der akuten Form
der Krise in einer Phase, wo manch einer im
Finanzsektor schon wieder, wie ich finde, eine
ziemlich große Lippe riskiert.

Frau Merkel hat aber nichts getan, außer diese Lippe zu
kritisieren. Als die Spekulanten gegen die griechische
Volkswirtschaft wetteten, wollte der Finanzminister die
Leerverkäufe verbieten. Doch wieder ist nichts passiert.

Ich finde, die Bundesregierung muss die Finanzwirt-
schaft mit eindeutigen Gesetzesinitiativen in die Schran-
ken weisen. Das ist das Gebot der Stunde.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Linke hat einen Antrag für eine Bankenabgabe in
den Bundestag eingebracht, wie sie auch Präsident Ob-
ama in den USA plant. Bisher habe ich nur vernommen,
dass der Finanzminister über eine solche Abgabe nach-
denkt. Ich denke, die Regierung muss endlich handeln.
Die Entlastung von Hotels und Großerben ging doch
auch ganz schnell.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich will hier ausdrücklich betonen, dass wir als Linke
in den Haushaltsdebatten im Plenum und in den Aus-
schüssen sehr viele Vorschläge zur Stärkung der Einnah-
men gemacht haben. Allerdings wurden alle diese Vor-
schläge zur Stärkung der Einnahmen von der Koalition
abgelehnt.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Unerhört!)


CDU/CSU und FDP feiern als größten Erfolg der
Haushaltsberatungen Kürzungen von 3 Milliarden Euro
bei der Bundesanstalt für Arbeit. Um es ganz deutlich
zu sagen: Damit werden Westerwelles Pöbeleien gegen
Arbeitslose in diesem Haushalt schon in Zahlen gegos-
sen.


(Beifall bei der LINKEN – Otto Fricke [FDP]: Nennen Sie einmal eine einzige!)


Wofür braucht die FDP auch eine aktive Arbeits-
marktpolitik zur Qualifizierung von Arbeitslosen, wenn
die FDP der Meinung ist, dass die Arbeitslosen nur eine
Schippe oder einen Besen in die Hand zu nehmen brau-
chen, um die Straßen sauber zu halten? Nein, meine Da-
men und Herren, so können Sie das Vertrauen der Men-
schen in diesem Land nicht gewinnen.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir als Linke haben darauf bestanden, dass im Haus-
halt Vorsorge getroffen wird, um das Urteil des Bundes-
verfassungsgerichtes zu den Hartz-IV-Regelsätzen um-
setzen zu können. Auch dieser Vorschlag wurde von
Schwarz-Gelb abgelehnt. Offensichtlich wollen Sie es
mit einem Trick versuchen: Sie wollen eventuell höhere
Hartz-IV-Sätze für Kinder aus der Portokasse bezahlen,
oder – was noch gefährlicher ist – diese Regierung will
die Mehrausgaben für Kinder bei den Erwachsenen wie-
der kürzen. Das ist mit uns nicht zu machen; denn wir
teilen die Auffassung aller Experten, dass die Hartz-IV-
Regelsätze deutlich zu gering sind. Wir brauchen eine
Erhöhung, und wir fordern Sie auf, unserem Antrag dazu
in der nächsten Runde zuzustimmen.


(Beifall bei der LINKEN)


Häufig hören wir von der rechten Seite des Hauses
den Vorwurf, dass eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes
nur dazu führen würde, dass es sich Menschen in der Ar-
beitslosigkeit bequem machen. Ich sage Ihnen aus mei-
ner Lebenserfahrung: Dieser Vorwurf ist zynisch. Die
Mehrheit der Arbeitslosen will arbeiten, und sie kann
mit dieser Demütigung nur schwer umgehen.

Dieser Zynismus führt zu einer gefährlichen Resigna-
tion, aber auch zu Aggressionen bei Betroffenen. Das
kann im Sinne des Zusammenhaltes der Gesellschaft
nicht angestrebt werden. Wir brauchen endlich ein ge-
rechtes System der sozialen Mindestsicherung. Dafür
setzt sich die Linke ein, und das wird sie auch in Zukunft
tun, bis wir das erreicht haben.


(Beifall bei der LINKEN)


Der entscheidende Grund, Kollege Westerwelle, wa-
rum Sie die Debatte über die Hartz-IV-Empfänger ange-
zettelt haben, ist doch nicht, dass Sie sich Sorgen um die
alleinerziehende Kellnerin machen, die Sie immer als
Beispiel genannt haben, sondern dass Ihre Freunde Ih-
nen gesagt haben: Sorg mal dafür, dass nicht mehr über
die Verursacher der Bankenkrise geredet wird. – Dieses
Manöver haben wir durchschaut. Wir finden: Die Verur-
sacher der Bankenkrise müssen zur Kasse gebeten wer-
den, und Pöbeleien gegen Arbeitslose und Hartz-IV-
Empfänger müssen vom gesamten Deutschen Bundestag
deutlich und entschieden zurückgewiesen werden.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])






Dr. Gesine Lötzsch


(A) (C)



(D)(B)

Natürlich sieht der vorgelegte Haushaltsentwurf, der
jetzt beschlossen werden soll, anders aus als der einge-
brachte Haushaltsentwurf. Ich darf Sie aber darauf hin-
weisen, dass nicht jede Kürzung eine echte Kürzung ist.
Schauen wir uns einmal den Einzelplan 14 – Verteidi-
gung – an, der morgen ausführlich diskutiert werden
wird. In diesem Einzelplan haben die Regierungsfraktio-
nen ein bisschen gekürzt. Das hört sich gut an, ist aber
eine Nebelkerze. Denn schon jetzt ist klar, dass am Ende
des Jahres zusätzliche Kosten entstehen werden. Die
Bundesregierung hat sich ja verpflichtet, weiterhin Geld
in den Militärtransporter A400M zu pumpen. Diesen
Militärtransporter braucht niemand, und wir haben auch
keine Lust mehr, uns von EADS erpressen zu lassen.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir haben einen ganz anderen Haushaltsansatz: Wenn
die Politik richtig ist, dann stimmt auch der Haushalt.
Ausgangspunkt unserer Politik ist, dass Menschen von
ihrer Arbeit leben können müssen. Dazu brauchen wir
endlich einen flächendeckenden gesetzlichen Mindest-
lohn.


(Beifall bei der LINKEN)


Dieser würde dafür sorgen, dass Menschen in Würde le-
ben können, und außerdem würde er – nach derzeitigem
Stand – den Bundeshaushalt um mindestens 10 Milliar-
den Euro entlasten. Wenn das nicht ein doppelter Nutzen
ist! Wir von der Linken haben Anträge gestellt, die von
der Mehrheit der Bevölkerung getragen werden. Wenn
Sie unseren Anträgen zustimmen, dann handeln Sie im
Sinne der Mehrheit.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1702900600

Otto Fricke erhält nun das Wort für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Otto Fricke (FDP):
Rede ID: ID1702900700

Geschätzter Herr Präsident! Meine liebe Kolleginnen

und Kollegen! Frau Kollegin Lötzsch, das war vielleicht
eine schöne Parteitagsrede – die brauchen Sie auch noch –,
aber das war keine Haushaltsrede.


(Beifall bei der FDP – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: SparbuchOtto! Heute ja gar kein Sparbuch dabei!)


In die Richtung der SPD möchte ich sagen: Es ist schön,
was man nicht nur im Plenum, sondern auch an anderer
Stelle alles an Attacken und Schuldzuweisungen erleben
muss.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erst selber reden, dann Noten verteilen!)


Herr Kollege Schneider, Ihr Beitrag hat mich über-
rascht und ein wenig enttäuscht. Bleiben Sie bei den
Fakten; bleiben Sie bei den Zahlen! Versuchen Sie nicht
immer irgendwelche Interpretationen.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na dann mal ran, Herr Fricke!)


Ich habe manchmal das Gefühl, dass, sobald der Früh-
ling kommt, gesagt wird: Das ist der böse Klimawandel,
und schuld daran ist die Bundesregierung. – Ungefähr
auf diesem Level bewegt sich im Moment Ihre Argu-
mentation.


(Widerspruch bei der SPD – Bernhard Brinkmann [Hildesheim] [SPD]: Das ist doch platt!)


Ich würde an Ihrer Stelle etwas leiser sein, sonst könnte
Ihnen noch der Vorwurf gemacht werden – das fände ich
allerdings falsch –, Sie wären rechthaberische Schrei-
hälse. An Ihrer Stelle wäre ich da ganz vorsichtig.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Analysieren wir das Ganze doch einmal.


(Bernhard Brinkmann [Hildesheim] [SPD]: Wo ist denn das Sparbuch?)


Wir haben – das muss für die Bürger draußen klar
sein – eine Rekordverschuldung, ohne jede Frage. Alle
von denen, die jetzt hier sitzen, hätten diese Rekordver-
schuldung ebenfalls gemacht, ob nun in dieser oder in ei-
ner anderen Weise. Das sollte man doch wenigstens an-
erkennen. Auch die SPD sollte zugeben: Wie war das
eigentlich mit dem Entwurf von Peer Steinbrück? Wie
hoch war der denn? Dies sollte man sich einmal unab-
hängig von der Frage, ob er richtig oder falsch war, vor-
legen. Man sollte einfach sehen: Von wo kommen wir?
Der Kollege Schneider sagte, wir hätten das Geld nur so
rausgepulvert und es sei ganz schlimm, was wir gemacht
hätten.


(Ute Kumpf [SPD]: Da hat er recht! Wo er recht hat, hat er recht!)


Kann man in Bezug auf das Kindergeld denn vom Raus-
pulvern sprechen? Ist das für Sie etwa Klientelpolitik?
Für uns ist das Zukunftspolitik. Das ist es, was wir ge-
macht haben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Herr Kollege Schneider, Sie sagen: Steuersenkungen
sind falsch. – Ist es nicht so, dass das Bürgerentlas-
tungsgesetz eine wesentliche Steuerreform – übrigens
auch aufgrund des Bundesverfassungsgerichtsurteils –
und eine wesentliche Steuersenkung ist, die zum 1. Ja-
nuar dieses Jahres in Kraft getreten ist? Haben Sie diese
nicht mitbeschlossen? Bleiben Sie bei den Fakten! Und
erst dann kommen Sie mit Rückschlüssen! Versuchen
Sie aber nicht, die Fakten zu verdrehen, um unsere Haus-
haltspolitik falsch darzustellen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1702900800

Herr Kollege Fricke, lassen Sie Zwischenfragen zu?






(A) (C)



(D)(B)


Otto Fricke (FDP):
Rede ID: ID1702900900

Es kommt natürlich darauf an, von wem. Wenn es

aber die Kollegin Hagedorn sein sollte, dann würde ich
das natürlich tun.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Wählerisch!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1702901000

Da sind Sie ja relativ nah an der Interessenlage. –

Bitte schön, Frau Kollegin.


Bettina Hagedorn (SPD):
Rede ID: ID1702901100

Herr Kollege Fricke, Sie haben gerade den zweiten

Regierungsentwurf – von Minister Schäuble – mit dem
ersten Regierungsentwurf der Großen Koalition – von
Peer Steinbrück – aus dem Sommer verglichen und die-
sen in einen Zusammenhang mit dem Haushalt gestellt,
den Sie am Ende dieser Woche beschließen sollen.

Ich habe eine Frage zu dem Vergleich mit der Netto-
kreditaufnahme, den Sie gezogen haben. Geben Sie mir
recht, dass ein wesentlicher Unterschied dieser Haus-
halte darin besteht, dass im Sommer im Steinbrück-Ent-
wurf noch von 4,6 Millionen Arbeitslosen ausgegangen
worden ist und werden musste – das ergab sich aus den
Prognosen –, dass im Schäuble-Entwurf von 4,1 Millio-
nen Arbeitslosen ausgegangen wird und dass am Ende
dieser Woche als neue Berechnungsgrundlage für den
Haushalt von 3,7 Millionen Arbeitslosen auszugehen
ist?


(Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Das liegt an der neuen Regierung, Frau Kollegin!)


Geben Sie mir auch recht, dass diese Differenz von
900 000 Arbeitslosen –


(Otto Fricke [FDP]: Weniger!)


– weniger –, die das Ergebnis der hervorragenden Ar-
beitsmarktpolitik der Großen Koalition ist – das ist si-
cherlich nicht dieser Koalition zu verdanken; das können
Sie sich nicht an den Hut stecken –, automatisch, ohne
dass Sie irgendwo anders sparen müssen, allein im Be-
reich des Haushaltes für Arbeit und Soziales zu Einspa-
rungen von über 10 Milliarden Euro führen wird? Denn
900 000 Arbeitslose kosten schlicht weniger Geld, und
zwar an vielen verschiedenen Haushaltsstellen. Kollege
Fricke, geben Sie mir recht, dass das der Unterschied
zwischen den beiden Haushaltsentwürfen ist?


(Beifall bei der SPD)



Otto Fricke (FDP):
Rede ID: ID1702901200

Das scheint eher eine Rede für die SPD-Fraktion ge-

wesen zu sein, aber trotzdem: Ja, ich gebe Ihnen recht,
und ich bin froh darüber,


(Ute Kumpf [SPD]: Ja, wir auch!)


dass wir so viele Arbeitslose weniger haben. Ich bin
auch froh darüber, dass das ein Teil der Ergebnisse der
Agenda 2010 ist. Umso mehr bin ich darüber enttäuscht,
dass trotz dieser guten Zahlen

(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das war Arbeitszeitverkürzung, nicht die Agenda 2010!)


die SPD jetzt verkündet: Wisst ihr, was? Die Agenda
2010 ist uns egal; die 900 000 Arbeitslosen weniger sind
uns egal. Wir machen das jetzt alles wieder rückgängig.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Was die Zahlen angeht, sage ich Ihnen unumwunden,
Frau Kollegin Hagedorn: Es ist völlig richtig, dass ein
Teil der verbesserten Haushaltszahlen und auch ein we-
sentlicher Teil des Rekordabbaus im Entwurf des Minis-
ters Schäuble im Vergleich zu dem, was wir im Haus-
haltsausschuss beschlossen haben, darauf zurückgeht,
dass sich die wirtschaftliche Situation nicht so schlecht
darstellt, wie es beim Steinbrück-Entwurf und beim
Schäuble-Entwurf der Fall war. Es geht aber nicht allein
darum, das darzustellen, Frau Kollegin Hagedorn; die
Frage ist doch, was man daraus macht.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Genau das ist die Frage!)


Wir haben etwas daraus gemacht.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Noch eine Bemerkung zur SPD: Eine neue Brille ver-
schafft einem nicht unbedingt einen neuen Durchblick,
Kollege Steinmeier. Es zeigen sich allenfalls neue Zah-
len, aber das war es dann auch für die SPD.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der SPD: Unglaublich!)


Was haben wir in diesem Haushalt des Überganges
gemacht? Wir haben die ersten Schritte unternommen.
Wir haben vorsichtig angefangen, dort zu sparen, wo es
möglich war. Wir haben aber auch darauf geachtet, dass
wir das zarte Pflänzlein, das gerade durch die Schneede-
cke kommt, nicht aufs Neue belasten dürfen.

Wir müssen sehen, dass wir an einem Punkt sind, wo
sich die Frage stellt: Was machen wir in Zukunft in
Deutschland? Wo sind die großen Märkte, und wohin
wird sich die Wirtschaft entwickeln? Da kann man keinen
neuen Arbeitsmarkt bilden und versuchen, 200 000 Men-
schen fiktiv in Arbeit zu bringen; vielmehr muss man
sich fragen, wohin sich die Wirtschaft entwickelt und
wie wir den Menschen helfen können.

Dabei sind die Zahlen jedenfalls schon ein bisschen
besser. Wir haben eine Zunahme der Auftragseingänge
und eine Steigerung der Kapazitätsauslastung zu ver-
zeichnen. Wir haben – so sehe ich das jedenfalls – eine
Entwicklung, die zeigt: Die Bodenbildung ist da. Jetzt
müssen wir nach oben kommen. Die Frage ist, wie man
nach oben kommt. Das geht nicht nach dem Motto „Vor-
wärts, indem wir zurück in die Vergangenheit gehen“,
sondern wir müssen nach möglichen Ansätzen suchen,
um die Wirtschaft zu stabilisieren, zu motivieren und da
zu helfen, wo sie entsprechende Hilfe braucht.

Was haben wir gemacht? Frau Kollegin Lötzsch, Sie
haben gefragt: Was ist mit dem Sparbuch?


(Ute Kumpf [SPD]: Haben Sie es verpulvert?)






Otto Fricke


(A) (C)



(D)

Unser Sparbuch ist der Haushalt 2010 in seinem ersten
Ansatz. Jetzt werden Sie sagen – –


(Lachen bei der SPD)


– Das war klar. Das ist typisch Opposition.


(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Das kennst du doch, Otto!)


Dazu sage ich denen, die nicht im Haushaltsausschuss
waren, und der Bevölkerung draußen: Als wir die Berei-
nigungssitzung durchgeführt haben, haben wir noch
ziemlich viele Anträge eingebracht. Insgesamt waren es
310 Sparanträge. Wie hat denn die Opposition Donners-
tagnacht reagiert? Wie, ihr macht Anträge? Wie, ihr
spart? – Ich gebe zu, dass sie nicht ganz dem entspre-
chen, was wir im Sparbuch vorgesehen haben, aber sehr
viel stimmt überein.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind Kürzungen aus der Portokasse, was Sie da gemacht haben!)


Es waren 310 Kürzungsanträge. Das heißt, der Gedanke
des Liberalen Sparbuchs lebt im Haushalt 2010 fort. Da
können Sie machen, was Sie wollen.


(Beifall bei der FDP – Lachen bei der SPD)


Das Allerbeste ist meiner Meinung nach, dass die Op-
position heute in der Haushaltsdebatte sagt: Ihr habt ja
gar nicht gespart. Das ist euch ja alles nur zugeflogen. –
Dazu will ich Sie fragen: Wie war das denn in der Zeit
der Großen Koalition? – Entschuldigung, liebe Kollegin-
nen und Kollegen von der CDU/CSU, aber das lag nicht
an Ihnen. – Wie war das denn, wenn Peer Steinbrück, der
dort hinten so schön in der Sonne sitzt, sagte: „Ich will
mehr sparen“ und es der Wirtschaft besser ging? In je-
dem Jahr, in dem die wirtschaftliche Entwicklung besser
wurde, wurden zwischen Entwurf und Beschluss die
Ausgaben erhöht, weil immer wieder neue Wünsche ka-
men. Das war die Methode der Großen Koalition.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich bitte um Entschuldigung, dass ich das noch einmal
sagen muss. Es ist aber doch so, dass wir das nicht ge-
macht haben. Wir haben nicht wie Sie jedes Mal bessere
wirtschaftliche Zeiten dazu genutzt, um neue Ausgaben-
programme aufzulegen.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr macht immer Steuersenkung!)


Der zweite Punkt, der mich bei der Opposition maß-
los ärgert – das sage ich auch für die Zuhörer und Zu-
schauer –: Sie erleben jetzt eine Debatte, in der die
Haushälter der glorreichen Opposition uns vorwerfen:
Ihr habt nicht gespart! Dann wird es den ganzen Rest der
Woche Debatten geben, in denen die Fachpolitiker der-
selben Opposition fragen: Wie konntet ihr da sparen? Es
ist unverantwortlich, genau in diesem Haushalt zu spa-
ren.


(Zuruf vom Bündnis 90/Die Grünen: Nein, das stimmt nicht!)

Diese Widersprüche werden wir in dieser Woche erle-
ben. Ich bin gespannt, ob wir dann am Freitag in der
Schlussrunde wieder genau das Gegenteil hören. Was
wir hier erleben, ist keine Oppositionspolitik, sondern
Obstruktionspolitik, nichts anderes.


(Beifall bei der FDP)


Ich gebe zu: Wir haben in zwei Bereichen vernünfti-
gerweise nicht gespart, und zwar im Bereich Bildung
– das ist bekannt – und im Bereich Kultur. Bildung – das
wissen wir alle – ist unsere Zukunft. Kollege Schneider,
wenn Sie noch immer an einem industriellen Investi-
tionsbegriff festhalten wollen, sei es drum. Dann sollten
Sie aber auch sehen, dass die Kürzung der Investitionen
um 400 Millionen Euro schlichtweg daran liegt, dass das
Bürgschaftsprogramm nicht so stark genutzt wird. Die
Kollegin Flach wird das nachher in der Debatte genauer
erklären. Investitionen sind eben nicht beschränkt auf
die klassischen Investitionen, sondern das sind auch In-
vestitionen in Köpfe, in Professoren- und Doktoranden-
stellen. Das sind Investitionen in die Zukunft. Diesen
Bereich bauen wir aus.

Das Gleiche gilt für den Bereich Kultur. Denn wir
wissen genau, dass dieses Land bei der Frage, wo man
auch in Zukunft Geld verdienen kann, die Kultur als den
wesentlichen Humus brauchen wird. Wir werden es nur
als Kulturnation schaffen, uns neue Dienstleistungsbe-
reiche zu erschließen. Ohne Kultur werden wir das nicht
schaffen. Deswegen haben wir auch im Kulturbereich
weniger hart gekürzt, als wir es in anderen Bereichen tun
mussten.

Ich komme zu dem Vorwurf, dieser Haushalt sei un-
sozial. Herr Kollege Schneider, auch wenn es mich nicht
freut: Das ist unsere Verantwortung in einer sozialen
Marktwirtschaft. Maßgeblich für die Frage, wie sozial
man ist, sind zwei wesentliche Zahlen. Die erste Zahl ist
die Sozialquote, das Verhältnis, wie viel Prozent des
Haushalts für Soziales ausgegeben wird. Bei der letzten
Regierung mit der SPD waren das 50 Prozent, bei uns
sind das 54 Prozent. Dann gucken wir uns doch einmal
die Steuerzahler an, die auch die Aufgabe haben, den
Schwachen in unserer Gesellschaft zu helfen und denje-
nigen, die nicht mehr arbeiten können, und fragen: Wie
ist das Verhältnis von Steuern zu Sozialausgaben? Bei
Ihnen waren das 64 Prozent, bei uns sind es gegenwärtig
81,7 Prozent.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das sagt aber gar nichts!)


– Ihnen sagt das gar nichts. Für uns heißt das, dass diese
Koalition in der Krise deutlich macht: Wir lassen die
Schwachen nicht im Stich. Aber wir sagen auch klar und
deutlich: Wir müssen dafür sorgen, dass diejenigen, die
die Karre aus dem Dreck ziehen, entlastet werden und
eine Zukunft haben, damit wir auch den Schwachen hel-
fen können. Genau das ermöglicht diese Regierung.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Dann tun Sie das mal! – Weiterer Zuruf des Abg. Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


(B)






Otto Fricke


(A) (C)



(D)(B)

– Ich merke, der Kollege Bonde will unbedingt reden.
Ich bin sicher, wir erleben gleich ein Aufregungsfeuer-
werk des Kollegen von den Grünen.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht so schnöselig, Herr Fricke!)


– Frau Kollegin Künast, auch Sie können gerne reden.
Ob ich schnöselig bin oder nicht, hat mit der Sache
Haushalt nichts zu tun. Versuchen Sie es doch mit Inhal-
ten und mit Stil. Der Kollege Bonde kann das ja gleich
mal machen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich komme zum Schluss. Wir haben mit dem Haus-
halt 2010 einen ersten Schritt in die Richtung gemacht,
die uns die Schuldenbremse vorgibt. Sie haben uns nicht
zugetraut, dass wir die Ausgaben kürzen. Sie haben viele
unserer Kürzungsanträge abgelehnt. Die SPD zum Bei-
spiel hat im Verteidigungshaushalt alle Kürzungsanträge
abgelehnt. Wir werden weitermachen. Ich sage Ihnen:
Mit dem Haushalt wird es so sein wie in dieser Woche
mit dem Wetter: Der Frühling fängt an. Und das liegt
auch an der Regierung.

Danke.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ute Kumpf [SPD]: Vielleicht ist Westerwelle ja ein Wetterfrosch!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1702901300

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält nun

der Kollege Alexander Bonde das Wort.


Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702901400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

Koalition will diese Woche eine Rekordverschuldung
in einer Dimension durchwinken, die diese Republik
noch nicht erlebt hat. Sie merken es den Reden der
Abgeordneten der Koalition nicht an, aber die Neu-
verschuldung in diesem Haushalt soll allein in diesem
Jahr 80,2 Milliarden Euro betragen. Die Koalition ver-
schweigt, dass das nicht das Ende der Fahnenstange ist.
Drei Schattenhaushalte, die sich im Bundeshaushalt
nicht wiederfinden, verschweigen Sie. Wenn Sie sich die
separate, reale Verschuldung wegen Bankenrettung und
Konjunkturpaketen sowie die Risiken des Deutschland-
fonds genau anschauen würden und ehrlich wären, wür-
den Sie zugeben, dass die Rekordverschuldung nicht bei
rund 80 Milliarden Euro, sondern bei 126 Milliarden
Euro liegt. Damit das klar ist: Die bisherige Rekordver-
schuldung in Höhe von 40 Milliarden Euro im Rahmen
der deutschen Einheit verdreifachen Sie locker mit dem,
was Sie hier durchwinken wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es stimmt, dieser Haushalt wird in einer schwierigen
wirtschaftlichen Lage aufgestellt. Teilweise ist diese
große Verschuldung darauf zurückzuführen, dass Politik
reagieren muss. Aber die Höhe dieser schwarz-gelben
Rekordverschuldung hängt auch mit Ihrer Handlungs-
unfähigkeit zusammen. Sie sind nicht bereit, die Mög-
lichkeiten, die dieser Haushalt eröffnet, zu nutzen. Ich
will Sie ehrlich fragen: Sie sind im Wahlkampf mit dem
Versprechen einer bürgerlichen Koalition angetreten. Ich
wüsste gerne, was bürgerlich an diesem blinden Schul-
denmachen ist. Da Sie nicht mehr das Wort „bürgerlich“
verwenden und auch nicht von „schwarz-gelb“, sondern
von „christlich-liberal“ sprechen, will ich von Ihnen wis-
sen: Was ist eigentlich christlich daran, unseren Kindern
und Enkeln diesen Schuldenberg vor die Füße zu kip-
pen? Ich will von der FDP wissen: Was ist eigentlich li-
beral daran, die Zinskosten im Haushalt so hoch zu ja-
gen, wie Sie das mit diesem Haushalt für die nächsten
Jahre und Jahrzehnte tun?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Der vorliegende Haushalt ist nicht alternativlos. Sie
lassen Chancen ungenutzt. Ich nenne als Beispiel den
Subventionsabbau. Allein im Bereich der ökologisch
schädlichen Subventionen haben Sie Handlungsmög-
lichkeiten: 42 Milliarden Euro. Das sage nicht ich, son-
dern das sagt das Umweltbundesamt. Wir haben Ihnen
einen Vorschlag zum Einstieg in den Subventionsabbau
gemacht, nach dem klima- und umweltschädliche Sub-
ventionen um 9 Milliarden Euro gekürzt werden sollen.
Aber Sie denken gar nicht daran, in diese Richtung zu
gehen. Jeder Euro, der umweltschädliches Handeln in
diesem Land fördert und steuerlich begünstigt, wird von
dieser schwarz-gelben Koalition verteidigt. Das ist die
Wahrheit. Das sind Ihre Prioritäten in der Klima- und der
Haushaltskrise.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Neben den ökologisch schädlichen Subventionen gibt
es eine Reihe anderer, über die man sprechen kann.
Symptomatisch für Ihren Haushaltsentwurf ist: Sie
denken kein Stück über das Jahr 2010 hinaus. Sie haben
keinen aktuellen Finanzplan vorgelegt. Sie haben ver-
gessen, einen einzubringen. Das halten wir für einen
eklatanten Verstoß gegen das Haushaltsrecht; darüber
haben wir schon oft diskutiert. Das wirklich Schlimme
ist: Ihr Haushaltsentwurf 2010 lässt an keiner Stelle er-
kennen, wie es weitergehen soll. Sie müssen ab 2011 an-
fangen, die Verschuldung jährlich um 10 Milliarden
Euro herunterzufahren, damit Sie die Maastricht-Krite-
rien und die Vorgaben der Schuldenbremse einhalten
können. Aber in dieser Hinsicht gibt es keinerlei Vorbe-
reitungen in diesem Haushaltsentwurf. Sie sorgen ge-
nauso wie bei den klimaschädlichen Subventionen nicht
für eine langfristige strukturelle Entlastung. Sie führen
keine Strukturreformen durch.

Dass Sie nicht verstehen, welche Aufgaben auf Sie
zukommen, machen die Anmeldungen für den Haushalt
2011 deutlich. Uns liegen endlich die Zahlen vor, aus de-
nen hervorgeht, was alles die Ministerien bei Ihnen, Herr
Schäuble, angemeldet haben. Es wird deutlich: Sie ha-
ben ein Kommunikationsproblem in der Bundesregie-
rung. Sie müssen 2011 die Verschuldung jährlich um
10 Milliarden Euro senken. Aber Ihre Kabinettskollegen
meinen offenbar, dass man die Verschuldung um 10 Mil-
liarden Euro erhöhen müsste. Herr Schäuble, das passt
nicht zusammen. Es ist deutlich: Diese Koalition kann es





Alexander Bonde


(A) (C)



(D)(B)

nicht. Sie haben die Schuldenreduzierung und die Kon-
solidierung weder im Plan noch im Griff.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition,
Sie stellen sich hier hin und erklären, Sie hätten die Neu-
verschuldung wie geplant reduziert. Sie haben nichts an-
deres gemacht, als die konjunkturelle Entwicklung und
ihre positiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in
Schätzansätzen zu berücksichtigen: 1,2 Milliarden Euro
virtuelle Einsparungen bei den Zinsen, 3,6 Milliarden Euro
virtuelle Einsparungen beim Arbeitsmarkt und 350 Millio-
nen Euro virtuelle Einsparungen bei Bürgschaftsrisiken.
Das alles hat nichts mit Sparanstrengungen zu tun. Es ist
die Leistung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
und Unternehmen, aber kein Stück Leistung von
Schwarz-Gelb, was Sie hier als Einsparungen verkaufen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich warte wirklich darauf, dass Sie bei der nächsten Um-
stellung von Sommer- auf Winterzeit sagen, Sie hätten
eine Stunde Zeit eingespart. Das ist etwa so realistisch
wie das Sparpaket, das Sie hier zu schnüren versucht ha-
ben.

Schlimm an diesem Haushalt ist, dass Sie gar keine
Vorstellung davon haben, welche Maßnahmen in der
Krise wirklich wichtig sind, welche Maßnahmen uns in
einer solchen Situation wirklich voranbringen und auf
Dauer Mehrwert schaffen. Sie haben wegen Ihres
Gewurschtels aus Günstlingswirtschaft und Sich-nicht-
entscheiden-Können nie eine richtige Linie entwickelt.
Diese Rekordverschuldung ist in Zahlen gegossene Zau-
derei der Bundesregierung. Dafür gibt es genug Bei-
spiele. Allein im Entwicklungsministerium schaffen Sie
20 neue Stellen für diese FDP-Kameradschaft, die da in-
zwischen Einzug gehalten hat; im Umweltministerium
ist der Umbau des Büros des Ministers wichtiger als die
Beantwortung der Frage, wie es mit den erneuerbaren
Energien und der Ökologisierung der Volkswirtschaft
weitergeht. Gleichzeitig begeht die Kanzlerin einen der
größten Wortbrüche,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Na, na! Jetzt ist aber gut!)


die deutsche Regierungschefs auf internationaler Ebene
jemals begangen haben. In Kopenhagen hat sie den Ent-
wicklungsländern 420 Millionen Euro pro Jahr für
Klimaschutzmaßnahmen versprochen, aber im Haushalt
wurden nur 70 Millionen Euro eingestellt. Das zeigt die
Verlogenheit dieses Haushaltsentwurfs.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Überall da, wo es um die Modernisierung unserer
Volkswirtschaft, die Märkte von morgen, die Ökologi-
sierung unserer Produkte und um die Frage geht, wie wir
Wirtschaftswachstum auch in Zeiten der Klimakrise und
der Ressourcenknappheit organisieren können, haben
Sie Sperrungen und Kürzungen vorgenommen. Beim
Marktanreizprogramm, bei dem es wirklich konkret um
Projekte für mittelständische Unternehmen geht, wird
gekürzt und ein Betrag in Höhe von 100 Millionen Euro
gesperrt.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wollen Sie mehr Geld ausgeben, oder wie?)


Das geht so weiter. Bei den Kürzungen der Mittel für
den Arbeitsmarkt haben Sie verkündet, es handle sich
nicht um eine Kürzung, sondern um eine Sperre. Wir
werden schon genau aufpassen. Ich glaube, dass Sie ge-
rade einen Testlauf machen. Ich glaube, dass Sie mit die-
ser Sperre austesten, ob Sie an die Mittel für den
Arbeitsmarkt herangehen können oder ob der öffentliche
Widerstand zu groß ist. Ich habe den Verdacht, dass
Sperrungen vor der NRW-Wahl in Kürzungen nach der
NRW-Wahl umschlagen. Wir haben Sie genau im Blick.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


An der Stelle wird deutlich: Dieser Haushalt ist eine in-
teressante Mischung aus Donald Duck und Dagobert
Duck. Der Kontostand von Donald und die Sozialkom-
petenz von Dagobert – das kann man wirklich besser
machen.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das gibt Einblick in das Bildungsniveau der Grünen!)


– Ich höre hier Widerspruch. Die Panzerknackerbande
habe ich noch nicht erwähnt. Wir wüssten, wo die hier
im Parlament sitzen würde.

Wir haben Ihnen bei den Haushaltsberatungen ein
grünes Haushaltskonzept vorgelegt, mit dem wir deut-
lich gemacht haben, dass man, wenn man bereit ist, an
den Subventionsabbau heranzugehen – wir haben Ihnen
knapp 9 Milliarden Euro vorgeschlagen –, und wenn
man bereit ist, die Frage der Priorisierung im Haushalt
ernst zu nehmen, anstatt Klientelgeschenke zu verteilen,
für die man das Geld nicht hat, rund 5 Milliarden Euro
sparen kann. Wir haben Ihnen auch belegt, dass es mög-
lich und in einer solchen Krise geboten ist, mit gerechten
Mehreinnahmen einen Beitrag zu leisten, um von der
Rekordverschuldung herunterzukommen und gleichzei-
tig die notwendigen Investitionen in soziale Teilhabe, in
Klimaschutz und ökologische Modernisierung unserer
Wirtschaft zu tätigen und unsere internationalen Ver-
pflichtungen im Bereich Klimaschutz und Entwick-
lungszusammenarbeit zu erfüllen. Sie haben all diese
Möglichkeiten nicht genutzt. Diese Koalition will nicht
konsolidieren, und sie will sich in der Krise nicht auf die
notwendigen Dinge konzentrieren. In der Bundesregie-
rung sitzen Gelbe, die froh sind, dass sie jetzt an der
Macht sind. Jetzt wird zugegriffen, koste es, was es
wolle.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Koalition ist verbraucht. Sie hat keine Vorstellung,
wohin dieses Land geht. Sie versteckt sich hinter der
Krise und entwickelt keinerlei Zukunftsperspektive, we-
der was die wirtschaftliche Dynamik noch was den ge-
sellschaftlichen Zusammenhalt betrifft.





Alexander Bonde


(A) (C)



(D)(B)

Dieser Haushalt bedeutet eine Rekordverschuldung,
die Schwarz-Gelb mutwillig produziert. Dadurch wer-
den die Fehlanreize vergrößert. Ordnungspolitisch gese-
hen hat man keine Vorstellung davon, wohin es mit die-
sem Land gehen soll. Liebe Koalition, dieser Haushalt
beweist erneut: Sie können es einfach nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1702901500

Das Wort erhält nun der Bundesfinanzminister

Dr. Wolfgang Schäuble.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-
zen:

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Erlauben Sie mir, vorab eine kurze persönliche Bemer-
kung zu machen. Ich bin länger im Krankenhaus ge-
wesen, als ich geplant habe. Das liegt daran, dass die
Wundheilungsprozesse bei Querschnittsgelähmten manch-
mal komplizierter sind und länger dauern, als man sich
das wünscht. Die Ärzte haben ihre Stirn ein wenig in
Falten gelegt, als ich gesagt habe: Ich muss jetzt aber ge-
hen. – Sie haben mir gesagt, ich solle mich noch ein bis-
schen schonen. Deswegen möchte ich Sie für die nächs-
ten Tage um Nachsicht bitten, wenn ich nicht die
Präsenz zeige, die eigentlich angemessen ist. Ich be-
danke mich im Voraus für Ihr Verständnis.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben durch
das Frage-und-Antwort-Spiel zwischen Frau Hagedorn
und Herrn Fricke in dieser Debatte die Entstehungsge-
schichte des Haushalts, den wir in dieser Woche verab-
schieden wollen, noch einmal aufgezeigt bekommen. Ich
möchte daran erinnern: Ende September vergangenen
Jahres haben Bundestagswahlen stattgefunden. Ende
Oktober vergangenen Jahres hat sich dieser Bundestag
konstituiert, und anschließend kam eine neue Regierung
ins Amt. Wir haben in ungewöhnlich kurzer Zeit einen
Haushalt aufgestellt und beraten. Wir befinden uns jetzt
in der zweiten und dritten Lesung. Ich möchte mich bei
allen, die daran so intensiv mitgewirkt haben, insbeson-
dere bei den Kolleginnen und Kollegen im Haushalts-
ausschuss, bedanken. Ich glaube, es ist gut für unser
Land, dass wir in schwierigen, unsicheren Zeiten so zü-
gig beraten haben und den Haushalt jetzt verabschieden
werden.

Die neue Bundesregierung ist bei der Aufstellung die-
ses Haushaltes von dem Entwurf ausgegangen, den wir
schon in der letzten Legislaturperiode aufgestellt hatten.
Wir haben die verbesserten Rahmendaten – Frau Hage-
dorn, sie sind doch gar keine Schande; wir alle sind froh
darüber, dass es so ist – genutzt, um das im Koalitions-
vertrag vereinbarte Sofortprogramm – das gefällt nicht
jedem in gleicher Weise; aber das ist so bei demokrati-
schen Entscheidungen – zum 1. Januar 2010 ohne eine
Erhöhung der ursprünglich vorgesehenen Neuverschul-
dung umzusetzen. Verbessert haben sich insbesondere
die Prognosen für den Arbeitsmarkt, was ja erfreulich
ist. Wir haben schon in der Schlussrunde der ersten Le-
sung darüber gesprochen, dass die Entwicklung hoff-
nungsvoll ist. Wir haben die Haushaltsberatungen dazu
genutzt, maßvoll, nicht überzogen und unter Wahrung
der notwendigen Spielräume – die Zeiten sind nach wie
vor ungewiss – zu einer weiteren Reduzierung der trotz-
dem exorbitant hohen Neuverschuldung zu kommen.
Eine Nettokreditaufnahme in Höhe von 80 Milliarden
Euro macht uns Sorgen. Wir werden sie in den kommen-
den Jahren konsequent zurückführen müssen; das wer-
den wir auch tun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das, was wir auf unserem Weg machen – daran will
ich erinnern –, ist das, was wir national, europäisch und
international angesichts einer ungewissen Zukunft als
Exit-Strategie verabredet haben. Sie alle haben gesehen:
Die konjunkturelle Entwicklung hat im letzten Quartal
eine gewisse Pause gemacht. Die erfreuliche Nachricht
ist, dass die Hauptursachen dafür von vorübergehender
Dauer sind: das Auslaufen der Umweltprämie; der Win-
ter verlief strenger, als man es in den letzten Jahren ge-
wohnt war. Das spricht dafür, dass dieser Konjunkturein-
bruch nicht nachhaltig ist. Wir sind aber in einer
unsicheren Zeit. Deswegen bleibe ich bei dem, was die
Bundeskanzlerin schon in der letzten Legislaturperiode
gesagt hat: Wir müssen in dieser Zeit auf Sicht fahren. –
Wir fühlen uns durch die aktuellen Entwicklungen in
dieser Haltung bestätigt.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf-Sicht-Fahren mit geschlossenen Augen geht immer schief!)


– Deswegen halten wir die Augen, so gut wir können,
geöffnet. Manche setzen zur Verbesserung der Sehkraft
sogar eine Brille auf.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


So etwas hängt manchmal vom Alter ab. Herr Bonde,
Sie werden es noch erleben; ich sage es Ihnen vorher.

Wir werden diesen Weg fortsetzen. Im Übrigen
möchte ich doch die Bemerkung machen – das spielt in
der jetzigen Debatte keine Rolle; wir werden es aber bei
anderer Gelegenheit vertiefen –: Wir haben eine Fülle
von Maßnahmen international im G-20-Prozess, europä-
isch und national auf den Weg gebracht. Damit ziehen
wir Schritt für Schritt die Lehren aus dieser fürchterli-
chen Finanz- und Wirtschaftskrise, damit sich nicht wie-
derholen kann, was sich so nicht wiederholen darf.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir sind aber nach wie vor in einer außergewöhnlich kri-
tischen Situation. Wir müssen hier Schritt für Schritt
vorgehen. Ich möchte nur einige Stichworte nennen: Wir
haben die Einführung einer europäischen Finanzauf-
sicht beschlossen; dieses Vorhaben bringen wir voran,
wir setzen es um. Wir werden auch die nationale Finanz-
aufsicht so, wie wir es verabredet haben, umsetzen; da-
ran arbeiten wir intensiv und mit Hochdruck. Wir haben
die gesetzlichen Grundlagen für eine Aufsicht über die
Ratingagenturen geschaffen. Wir verschärfen die Regeln
für riskante Bankgeschäfte. Wir haben die Empfehlun-





Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble


(A) (C)



(D)(B)

gen von G 20 und des Financial Stability Board für mehr
Nachhaltigkeit und gegen falsche Anreize bei den Ver-
gütungssystemen umgesetzt. Außerdem haben wir einen
Gesetzentwurf auf den Weg gebracht – wir arbeiten mit
Hochdruck an der Umsetzung –, der dazu beitragen soll,
die sich aus spekulativen Geschäften ergebenen Risiken
zu verringern; das ist wichtig. Wir werden – ich sagte es
bereits – die Finanzaufsicht, wie es im Koalitionsvertrag
vorgesehen ist, bei der Bundesbank bündeln. Im Übrigen
wollen wir unter gemeinsamer Federführung von Justiz-
und Finanzministerium Regeln für die geordnete Ab-
wicklung von Banken schaffen. Auch das ist dringend
notwendig, und zwar – ich möchte die Bemerkung hin-
zufügen – nicht nur national oder europäisch, sondern
weltweit.

In den letzten Wochen haben wir genau beobachten
können, welche spekulativen Prozesse ablaufen. Ange-
sichts dessen muss man bald darüber nachdenken, ob
man nicht die Nachrichtendienste mit der Beobachtung
beauftragt, wer sich da wo mit wem zu welchen spekula-
tiven Prozessen verabredet. Das ist alles hochspannend.
Es scheint eine der neuen Sorgen zu werden, dass sich
die Spekulationen auch stärker gegen Währungen und
Staaten richten.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ja!)


Glauben Sie ja nicht, dass europäische Währungen die
letzten sind, gegen die sich solche spekulativen Wellen
richten können.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es!)


Dass das nicht geschieht, ist keineswegs gewährleistet.
Das ist eine unserer großen Sorgen.

Es bleibt daher richtig, dass wir mit aller Entschieden-
heit auf zweifache Weise den Weg einer ausbalancierten
Exit-Strategie fortsetzen, nämlich einmal durch allmähli-
che Rückführung der zu hohen Liquidität, die die Ursa-
che für neue Blasenbildungen sein kann, und zum ande-
ren durch allmähliche Rückführung der zu hohen
staatlichen Defizite, ohne dadurch die zarte Pflanze des
wirtschaftlichen Wiederaufschwungs zu ersticken. Das
ist genau die Gratwanderung, die wir auch bei den ver-
schiedenen Etappen unserer Haushaltsberatungen in die-
sen Tagen versucht haben. Diesen Weg müssen wir fort-
setzen.

Es ist übrigens auch richtig, an dem Ziel festzuhalten,
die Wettbewerbsfähigkeit aller europäischen Volks-
wirtschaften und damit der Europäischen Union insge-
samt weiterzuentwickeln und zu verstärken. Das hat man
einmal Lissabon-Strategie genannt. Deswegen will ich
mit großer Klarheit, Ruhe und Gelassenheit die Kritik,
sei sie im Rahmen von G 20, sei sie in Europa, an denje-
nigen, die im Wettbewerb einigermaßen erfolgreich sind,
dass sie schuld an den Problemen anderer seien, zurück-
weisen. Ich habe meiner Kollegin Lagarde, mit der ich
sehr freundschaftlich und vertrauensvoll zusammenar-
beite, gestern Abend, nachdem ich Entsprechendes gele-
sen habe, gesagt: Christine, ich bin Anhänger von Bay-
ern München. Als in der Gruppenphase der Champions
League Bayern München zweimal gegen Olympique
Lyon ziemlich schlecht ausgesehen hat, habe ich mir ge-
dacht, wenn Lyon nur etwas schlechter spielen würde,
hätten es die Bayern etwas leichter. – Aber auf dieser
Basis können wir keine Wettbewerbsordnung aufbauen.
Vielmehr müssen wir die Wettbewerbsfähigkeit von Eur-
opa insgesamt stärken. Von diesem Ziel werden wir uns
auch nicht abbringen lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Manfred Zöllmer [SPD] – Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Es muss Schluss sein mit dem Lohndumping!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1702901600

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Kuhn, in der er wahrscheinlich das Thema
Champions League vertiefen möchte?


(Heiterkeit bei Abgeordneten aller Fraktionen)


Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-
zen:

Bitte sehr, Herr Kollege Kuhn.


Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702901700

In der Frage Bayern München könnten wir uns

schneller treffen als bei anderen Fragen. Aber deswegen
habe ich mich nicht gemeldet.

Sie, Herr Finanzminister, haben gerade einige Maß-
nahmen, die EU-weit im Zusammenhang mit der Fi-
nanzmarktkrise auf den Weg gebracht wurden, angespro-
chen und auch das Thema Spekulationen angerissen.

Meine konkrete Frage ist: Warum treten Sie als Bun-
desregierung nicht dafür ein, dass die sogenannten Leer-
verkäufe verboten werden und dass Credit Default
Swaps, die nicht direkt der Versicherung von Risiken
dienen, sondern rein spekulativ sind, ebenfalls unterblei-
ben müssen? Dies sind die beiden Hauptinstrumente, mit
denen auch gegen Währungen spekuliert wird. Ich finde
es immer etwas untergenau, wenn man hergeht und sagt:
„Wir verbessern die Finanzaufsicht“, aber zu den Maß-
nahmen gegen spekulative Finanzinstrumente sagt,
das gehe so nicht, oder gar nichts dazu sagt. Meine Frage
ist daher: Wie ist da die Haltung der Bundesregierung?

Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-
zen:

Herr Kollege Kuhn, Sie haben wahrscheinlich mitver-
folgt, dass die Bundeskanzlerin zusammen mit dem grie-
chischen Ministerpräsidenten, dem französischen Staats-
präsidenten und dem Präsidenten der Euro-Gruppe – das
ist der luxemburgische Premierminister – einen Brief an
den Kommissionspräsidenten Barroso geschrieben hat,
in dem zu den CDS genau das gefordert wird, was auch
Sie hier vorschlagen, nämlich eine Initiative der Kom-
mission. Das heißt, wir stimmen hier überein. Es ist die
Position der Bundesregierung. Das können wir aber
nicht national machen, sondern das müssen wir europä-
isch machen.

Was das Verbot der Leerverkäufe anbetrifft: Ich habe
vorhin gesagt, Herr Kollege Kuhn – Herr Steinbrück er-
innert sich besser daran als ich –, dass sie zeitweilig aus-





Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble


(A) (C)



(D)(B)

gesetzt waren. Es war vereinbart, dass diese Regelung in
Europa auslaufen soll. Daran haben sich nicht alle gehal-
ten. Wir haben sie aber auslaufen lassen. Ich habe dann
festgestellt, dass wir das korrigieren müssen.


(Joachim Poß [SPD]: Angekündigt!)


Ich habe vorhin gesagt: Wir haben schon Anfang März
ein Eckpunktepapier herausgegeben. Wir werden noch
im Laufe des Frühjahrs einen Gesetzentwurf vorlegen,
mit dem das Verbot ungedeckter Leerverkäufe auf natio-
naler Ebene erreicht werden soll. Wir werden das brau-
chen. Auch insofern stimmen wir also überein, Herr Kol-
lege Kuhn.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Weil sich in diesen Tagen und Wochen die Spekula-
tionen wieder und wieder gegen den Euro richten, was
den Europäischen Rat am 11. Februar in Brüssel sehr be-
schäftigt hat, möchte ich die Gelegenheit nutzen, im Zu-
sammenhang mit Griechenland ein paar Sätze zu einer
Gerüchtelandschaft zu sagen, die ganz offensichtlich ge-
zielt in Mitgliedstaaten – auch in Brüssel; das sage ich
mit großer Klarheit – geschürt wird. Es bleibt dabei:
Griechenland hat nicht um Hilfe nachgefragt. Deswegen
gibt es darüber keine Entscheidung, und es ist auch keine
Entscheidung getroffen worden. Es bleibt auch dabei:
Wenn eine unmittelbare Zahlungsunfähigkeit bevorste-
hen würde, dann müssten wir – das ist klar – im Falle ei-
ner unmittelbar bevorstehenden Notsituation darauf rea-
gieren, wie es der Europäische Rat gesagt hat. Er hat am
11. Februar entschieden: Die Mitgliedstaaten der Euro-
Zone werden, wenn notwendig, entschlossene und koor-
dinierte Maßnahmen ergreifen, um die finanzielle Stabi-
lität der Euro-Area als Ganzes sicherzustellen. – Nicht
mehr und nicht weniger. Diese Lage ist nicht eingetreten.
Natürlich wird auf technischer Ebene daran gearbeitet –
das ist nicht neu, das geht seit Jahren so –, was man tun
würde, wenn die Lage eintreten würde. Sie ist aber nicht
da, und deswegen gibt es keine politischen Entscheidun-
gen.

Bitte nehmen Sie das – aus der gestrigen Euro-Grup-
pen-Sitzung wurde zum Teil Verfälschendes über die
Nachrichtenlage gestreut –, was wir tatsächlich be-
schlossen haben. Wir haben einen Text, den der Präsi-
dent der Euro-Gruppe veröffentlicht hat, miteinander
verabredet und beschlossen. Da steht nichts anderes drin,
als dass diese Lage nicht eingetreten ist, dass keine Ent-
scheidungen getroffen worden sind und dass wir vorbe-
reitet sind, wenn die Lage eintreten würde. Daraus kann
aber nicht der Schluss gezogen werden, dass irgendeine
Entscheidung getroffen worden ist. Wir haben ausdrück-
lich noch einmal das bestätigt, was der Europäische Rat
am 11. Februar beschlossen hat.

Man muss auch mit großem Respekt die Maßnahmen
erwähnen, die Griechenland nicht nur angekündigt, son-
dern zum Teil schon gesetzgeberisch umgesetzt hat.
Wenn ich es richtig weiß, ist die Erhöhung der Mehr-
wertsteuer in Griechenland bereits in Kraft getreten. Ich
bin übrigens derjenige gewesen, der in der vorletzten
Euro-Gruppen-Sitzung vor vier Wochen – das war die
Sitzung, nach der ich ins Krankenhaus gegangen bin –
vorgeschlagen hat, dass Griechenland seine Mehrwert-
steuer erhöhen möge. Griechenland hat also Maßnahmen
ergriffen, die die Märkte bisher auch überzeugt haben.
Die griechische Anleihe vor 14 Tagen ist gut von den
Märkten aufgenommen worden. Deswegen besteht kein
Entscheidungsbedarf; es ist auch keine Entscheidung ge-
troffen worden. Wir müssen aber im Sinne einer Ultima
Ratio vorbereitet sein.

Ich möchte dazu noch eine Bemerkung machen: Nach
Auffassung aller anderen – ich glaube, alle Zahlen bele-
gen das – gehört Deutschland zu den Ländern, die seit
über zehn Jahren wirtschaftlich am meisten von der ge-
meinsamen europäischen Währung profitieren. Wir tra-
gen also die nachhaltige Stabilität der gemeinsamen
europäischen Währung nicht anderen großzügig nach,
sondern müssen sie im wohlverstandenen eigenen Inter-
esse auch in Zukunft gewährleisten. Natürlich gibt es da-
bei in Europa unterschiedliche Interessen; hier wird an
verschiedenen Stellen Druck aufgebaut. Ich glaube, für
uns ist wichtig – der Haushalt 2010, den wir in dieser
Woche beraten und den ich Ihnen zur Annahme emp-
fehle, trägt dem Rechnung –, dass wir auf europäischer
Ebene und weltweit unseren Beitrag zu nachhaltigem
Wachstum und nachhaltiger finanzieller Stabilität leis-
ten.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das machen wir ja nicht! Wir machen das Gegenteil! – Joachim Poß [SPD]: Mit dem Haushalt machen Sie das nicht!)


Ich bitte um Ihre Zustimmung.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe den Schlusssatz nicht verstanden! Mit dem Haushalt hat das nichts zu tun!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1702901800

Die Kollegin Nicolette Kressl ist die nächste Redne-

rin für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Nicolette Kressl (SPD):
Rede ID: ID1702901900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu-

nächst einmal darf ich Ihnen, Herr Minister Schäuble, im
Namen der gesamten SPD-Fraktion alles Gute für die
weitere Genesung wünschen.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zugleich möchte ich aber deutlich machen: Die Bür-
gerinnen und Bürger hätten ein halbes Jahr nach der
Bundestagswahl zu Recht erwarten können, dass Sie ein
abgestimmtes Gesamtkonzept – wir sind in der allgemei-
nen Finanzdebatte – für die Haushalts-, Steuer- und
Finanzmarktpolitik auf den Weg bringen. Davon haben
wir nichts gehört.


(Beifall bei der SPD)






Nicolette Kressl


(A) (C)



(D)(B)

Es ist aber auch klar: Wie sollen drei Themen – Steuer-
politik, Haushaltspolitik, Finanzmarktpolitik – aufeinan-
der abgestimmt werden, wenn Sie sich innerhalb der
Fraktionen nicht einmal bei den einzelnen Themen einig
sind!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Herr Minister Schäuble, wie sollen wir es beispiels-
weise verstehen, dass hier noch kein Wort zum Thema
Steuerpolitik gefallen ist? Die Menschen haben ein
Recht darauf, dass Sie ihnen deutlich machen, wohin die
zukünftige Entwicklung gehen soll. Dazu haben Sie
nichts gesagt. Entlang welcher Grundlinie wollen Sie in
Zukunft dafür sorgen, dass die Städte und Gemeinden,
die Länder und der Bund die Aufgaben, die sie haben,
auch wirklich meistern können? Dazu haben wir heute
nichts gehört.


(Beifall bei der SPD)


Sie haben auch nichts dazu gesagt, wie Sie gewährleis-
ten wollen, dass die Gemeinden auch in Zukunft für Kin-
derbetreuung, Kinder- und Jugendschutz und soziale
Fürsorge genügend finanzielle Mittel haben. Das betrifft
doch die Menschen in ihrem Alltagsleben. Da brauchen
wir Vorschläge und Konzepte. Die haben heute aber völ-
lig gefehlt.


(Beifall bei der SPD)


Bleiben wir einmal beim Thema Steuerpolitik. In den
letzten Tagen wurden wieder die Steuerklassen III und V
hin- und hergeschoben; zu einzelnen Bereichen gibt es
Eckpunktepapiere. Sie haben aber heute mit keinem ein-
zigen Wort gesagt, wie die angekündigten Steuerminder-
einnahmen in Höhe von 20 Milliarden Euro bei den
Kommunen, den Ländern und beim Bund ausgeglichen
werden sollen, ohne dass Sie massive Eingriffe im So-
zialbereich oder bei den Bildungsinvestitionen auf den
Weg bringen. Davon haben wir heute nichts gehört.


(Beifall bei der SPD)


Stattdessen gibt es die große babylonische Sprach-
verwirrung. Das zeigt schon der Blick auf eine Ticker-
meldung vom Sonntag: „Uneinigkeit in FDP über Zeit-
punkt von Steuersenkungen“. Herr Lindner sagt, man
gehe erst 2012 von Steuersenkungen aus, während Frau
Homburger in der gleichen Tickermeldung von 2011
spricht. Andere sagen: Es sei gar nicht die FDP gewesen,
die über diesen Zeitpunkt gesprochen hat. Von der
Union, von der Kanzlerin und vom Finanzminister ha-
ben wir dazu auch heute nichts gehört. Was soll das für
ein Konzept sein? Das ist kein Konzept.


(Beifall bei der SPD)


Die Linie der babylonischen Sprachverwirrung wird
auch im Finanzmarktbereich verfolgt. Einiges von dem,
was Sie ausgeführt haben, Herr Minister Schäuble, teilen
wir ausdrücklich, zum Beispiel was die Regulierung an-
geht. Aber wir sagen Ihnen: Wer blinkt, muss auch
irgendwann mal abbiegen. – Was wir derzeit erleben, ist
etwas anderes. Sie kündigen ein Eckpunktepapier für
den Bereich Finanzmarktregulierung an, während
Herr Solms von der FDP fast gleichzeitig ausführt, dass
im Zuge der Krisenbewältigung eine Sonderabgabe für
Banken nicht infrage kommt.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Chaos in der Regierung! Nichts Neues!)


Zum gleichen Zeitpunkt kündigt Herr Brüderle ein Eck-
punktepapier zum Thema Finanzmarktregulierung an.
Aber Sie stellen nicht beide das gleiche Papier vor, son-
dern jeweils ein anderes.


(Beifall des Abg. Christian Lange [Backnang] [SPD] – Joachim Poß [SPD]: Das ist die Regierung!)


Glauben Sie ernsthaft, dass die deutsche Regierung auf
internationaler Ebene ernst genommen wird, wenn sie
sich nicht einmal auf ein Konzept einigen kann? Das
kann doch nicht wahr sein!


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Axel Troost [DIE LINKE])


Das ist beim Thema Finanztransaktionsteuer genau
das Gleiche. Die Kanzlerin nennt die Finanztrans-
aktionsteuer eine charmante Idee.


(Lachen bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Die FDP legt sofort ihr Veto ein. Ich frage mich: Wer
soll die deutsche Bundesregierung bei internationalen
Verhandlungen ernst nehmen? Auch im Ausland liest
man doch Zeitung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Joachim Poß [SPD]: Slow-Motion-Merkel!)


Das ist nicht der Weg, wie wir das, was notwendig ist,
gemeinsam erfolgreich umsetzen können. Sehen Sie zu,
dass Sie gemeinsame Konzepte auf den Weg bringen.
Vertreten Sie diese auf internationaler Ebene. Dann kön-
nen wir über Unterstützung reden. Das Ankündigen von
verschiedenen Konzepten ersetzt keine solide Politik.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Axel Troost [DIE LINKE])


Wir fordern Sie auf: Verzichten Sie auf weitere Steu-
ergeschenke. Was Herr Fricke eben ausgeführt hat, war
völlig absurd. Er hat behauptet, Sie würden auf Mehr-
ausgaben in Teilbereichen verzichten. Wer durch Steuer-
geschenke für Hotels 1 Milliarde Euro Steuerminder-
einnahmen in Kauf nimmt und wer im Bereich der
Unternehmensteuerreform wieder Schlupflöcher öffnet,
was nach Aussage der kommunalen Spitzenverbände
insgesamt 1,7 Milliarden Euro kostet, der kann das nicht
ernsthaft behaupten. Das ist doch auch eine Form der
Mehrausgabe. Ganz so blöd sind die Menschen in
Deutschland nicht, dass Sie ihnen das ernsthaft verkau-
fen könnten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Axel Troost [DIE LINKE])


Wir wollen, dass Sie Konzepte vorlegen, um die
Handlungsfähigkeit der Kommunen, der Länder und des





Nicolette Kressl


(A) (C)



(D)(B)

Bundes sicherzustellen. Wir wollen nicht, dass Sie die
Gemeinden weiterhin für teure Steuergeschenke ausblu-
ten lassen, die im Übrigen nachgewiesenermaßen keinen
Wachstumseffekt haben. Wir wollen, dass Sie sich auf
gemeinsame Konzepte zur internationalen Finanzmarkt-
regulierung und auf eine Finanztransaktionsteuer eini-
gen. Ehrlich gesagt: Wenn das schon nicht in allen Be-
reichen funktioniert, dann einigen Sie sich wenigstens
auf einige wenige Bereiche. Lieber für einige Punkte ge-
meinsam eintreten und international Erfolg haben, als in
allen Punkten auseinanderzudriften! Das ist für unser
Ansehen wichtig.


(Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD])


Um es zusammenzufassen: Nur wenn endlich klare
Konzepte erkennbar werden, wird der faktische Still-
stand der Politik, den wir im Moment erleben, aufhören.
Nur so kommen wir ein Stück voran. Wir Sozialdemo-
kraten finden: Zeit dafür wäre es allemal.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1702902000

Für die FDP-Fraktion spricht jetzt der Kollege

Dr. Volker Wissing.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Volker Wissing (FDP):
Rede ID: ID1702902100

Ich danke Ihnen, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Frau Kollegin Kressl, Sie wollen Kon-
zepte. Ich sage Ihnen klar: Es gibt ein Konzept, auf das
sich die Koalitionspartner verständigt haben, und das ist
der Koalitionsvertrag.


(Lachen bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Überraschung!)


Wir werden Ihnen konkrete Gesetzentwürfe vorlegen.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Glauben Sie selber daran? Das ist ja unglaublich!)


Wenn Sie diesen zustimmen wollen, sind Sie herzlich
dazu eingeladen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Es war doch so: Ihr sozialdemokratischer Finanz-
minister hat vor etwa drei Jahren angekündigt, im Jahr
2010 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorzulegen.
Um das Ziel zu erreichen, haben Sie die Steuern auf Re-
kordhöhe getrieben: Mehrwertsteuer rauf, Versicherung-
steuer rauf, Sparerfreibetrag gekürzt. Ihnen war alles
recht, Hauptsache, die Bürger wurden zur Kasse gebe-
ten. Die Liste Ihrer Steuergrausamkeiten war lang und
dick. Das Ergebnis im Bundeshaushalt war mehr als
dürftig.


(Beifall bei der FDP – Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Was sagt denn die Bundeskanzlerin dazu? – Joachim Poß [SPD]: Alles mit Frau Merkel!)


Spätestens jetzt, nachdem Sie mit Ihrer Politik und den
Konsolidierungsversuchen gescheitert sind, sollten Sie
eines verstanden haben: Mit Steuererhöhungen gelingt
Haushaltskonsolidierung nicht.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie haben die Steuerlast für die Menschen drastisch nach
oben getrieben, haben den Bürgern mehr und mehr Geld
genommen, und dann haben Sie es im Bundeshaushalt
versickern lassen.

Heute kritisiert die Opposition unsere Forderung nach
mehr Steuergerechtigkeit und nach Entlastung. Dabei
waren es doch Sozialdemokraten, die es trotz Rekord-
steuererhöhung nicht geschafft haben, auch nur ein ein-
ziges finanzpolitisches Problem dieses Landes nachhal-
tig zu lösen.


(Beifall bei der FDP)


Sie üben lauthals Kritik. Aber was haben Sie zustande
gebracht in elf Jahren SPD-Finanzpolitik? Sie haben es
nicht geschafft, den Haushalt zu konsolidieren. Sie ha-
ben es nicht geschafft, das Steuersystem einfacher, nied-
riger oder gerechter zu gestalten. Und Sie haben es
schon gar nicht geschafft – das sage ich, weil Sie das so
lautstark erwähnt haben –, eine funktionierende präven-
tive Aufsicht der Finanzmärkte sicherzustellen.


(Beifall bei der FDP)


Was Sie heute im Bereich der Finanzmarktkontrolle for-
dern, ist all das, was Ihnen in elf Jahren Regierungsver-
antwortung nicht gelungen ist. Wir stellen uns dieser
Herausforderung; der Bundesfinanzminister hat das an-
gekündigt. Wenn Sie sich heute hier hinstellen und sich
gerieren als eine Art Jeanne d’Arc der Bürger gegen die
Macht der Banken, sage ich Ihnen: Die Wahrheit ist,
dass die SPD in elf Jahren Regierungsverantwortung
vielleicht das Schoßhündchen, aber nicht die Bändigerin
der Finanzmärkte war.


(Beifall bei der FDP – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Jetzt ist es aber gut! Reden wir mal über Sie! Was haben Sie eigentlich zu bieten?)


Sie haben gemeinsam mit den Grünen die Finanzaufsicht
in Deutschland zersplittert. Sie haben an genau den fal-
schen Stellen dereguliert, und jetzt


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Jetzt halten Sie die Hand auf!)


sind wir es, CDU/CSU und FDP, die gemeinsam daran
arbeiten, eine schlagkräftige und effiziente Aufsichts-
struktur in Deutschland zu errichten.

Um noch einmal zur Steuerpolitik zurückzukommen:
Sie finden es offenbar vollkommen in Ordnung, wenn
Gehaltserhöhungen der Beschäftigten im unteren Ein-
kommensbereich vor allem beim Finanzminister landen.
Eine Partei wie die SPD, die die kalte Progression elf
Jahre achselzuckend hinnahm, kann doch nicht ernsthaft





Dr. Volker Wissing


(A) (C)



(D)(B)

behaupten, Politik für Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer zu machen. Das ist doch unglaubwürdig.


(Beifall bei der FDP)


Unter den Augen der Sozialdemokraten hat sich der Spit-
zensteuersatz in Deutschland zu einem Regelsteuersatz
für die Mitte entwickelt. Der Höchststeuersatz, der einst
nur für Manager und Geschäftsführer galt, ist unter Ihnen
zum Regelsteuersatz für Facharbeiter geworden. Nun sa-
gen Sie vielleicht: Elf Jahre SPD-Finanzpolitik sind Ge-
schichte, wir müssen jetzt in die Zukunft blicken. – Man
könnte sagen: Schwamm über all Ihre finanzpolitischen
Fehler von gestern, blicken wir nach vorn. – Aber das
Schlimme ist: Sie haben Ihre Meinung bis heute nicht
geändert. Das ist doch das Verheerende.


(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Sagen Sie, was Sie wollen! Was wollen Sie denn jetzt? Sie sind doch in der Regierung! Was möchten Sie denn jetzt?)


Die Koalitionspartner haben vereinbart, die kalte Pro-
gression abzumildern und den Mittelstandsbauch abzu-
bauen. Was rufen die Sozialdemokraten? „Nein!“, rufen
sie. Sie rufen: Nein, steuert den unteren Einkommen die
Überstunden weg! Kassiert den Facharbeiter mit Spit-
zensteuersätzen ab! Besteuert Handwerksmeister wie
Spitzenmanager! – Das rufen Sozialdemokraten.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Herr Gott!)


Gleichzeitig stellen Sie sich hin und sagen, dass Sie die
Hartz-IV-Reformen korrigieren und unabhängig vom
Vermögen Sozialtransferleistungen bezahlen wollen.


(Nicolette Kressl [SPD]: Sagen Sie einmal, was Ihr Konzept ist!)


Was ist denn das für eine Politik für Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer? Ich glaube, bei Ihnen geht einiges
durcheinander.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Sagen Sie doch mal, was Sie wollen! – Nicolette Kressl [SPD]: Der ist immer noch in der Opposition! Wo ist das eigene Konzept?)


Sie haben leistungsbereite Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer jahrelang im Stich gelassen. Die FDP
wird das nicht tun. Wir werden die Abschaffung der kal-
ten Progression in Angriff nehmen. Wir werden das
Steuersystem einfacher und gerechter gestalten, indem
wir den Mittelstandsbauch abbauen und für eine ge-
rechte Steuerlastverteilung in diesem Land sorgen. Einer
muss sich schließlich um all die fleißigen Arbeitnehme-
rinnen und Arbeitnehmer in diesem Land kümmern.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine billige Westerwelle-Parodie, die Sie da gerade aufführen!)


Wir haben mit einer gerechten Familienbesteuerung
angefangen. Jetzt sind die Bezieher und Bezieherinnen
niedriger und mittlerer Einkommen an der Reihe. Um sie
werden wir uns kümmern. Auf dem Weg zur Entlastung
gibt es eine ganze Reihe von Ballast, zum Beispiel von
bürokratischem Ballast, den Sie zum Teil aufgebaut ha-
ben und den wir beseitigen müssen. Auch diesen Weg
werden wir in dieser Koalition entschlossen gemeinsam
gehen.


(Bernhard Brinkmann [Hildesheim] [SPD]: Wie bei der Mehrwertsteuer für Hotels!)


Wir sind und bleiben der Auffassung, dass sich Leis-
tung für alle Einkommen lohnen muss und dass sich so-
ziale Gerechtigkeit nicht auf das Umverteilen von Steu-
ergeldern beschränken darf. Nein, soziale Gerechtigkeit
ist immer auch eine Frage der gerechten Besteuerung.
Das alles ist kein Widerspruch zur Haushaltskonsolidie-
rungspolitik. Im Gegenteil: Ein gerechtes Steuersystem
macht solide Haushalte überhaupt erst möglich.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war aber schwach!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1702902200

Das Wort erhält der Kollege Axel Troost für die Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Axel Troost (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702902300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Bisher ist mit keinem Wort die katastrophale Finanzlage
der Kommunen angesprochen worden.


(Beifall bei der LINKEN – Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Doch! Doch!)


Aber auch dies gehört dringend zur allgemeinen Finanz-
diskussion über den Bundeshaushalt. Die Zahlen sind
alarmierend. Allein in diesem Jahr stehen die Kommunen
vor einem Rekorddefizit von schätzungsweise 12 Milliar-
den Euro. Auch in den Jahren 2011 bis 2013 werden in
jedem Fall zweistellige Milliardendefizite erwartet.

Angesichts der klammen Haushaltslage ist die thürin-
gische Gemeinde Niederzimmern dazu übergegangen,
die infolge des harten Winters entstandenen Schlaglö-
cher in den Straßen zu verkaufen. Da fragt man sich:
Wie lange reicht der Zynismus, dass wir über derartige
in der Not geborene Lösungsmöglichkeiten überhaupt
noch schmunzeln können?

Die Wirklichkeit ist bitterernst. Viele Städte und Ge-
meinden können aufgrund der schwierigen Finanzlage
ihre öffentlichen Ausgaben kaum noch bewerkstelligen.
Dabei ist die Finanznot der Kommunen keineswegs
hausgemacht. Im Gegenteil: Hauptursache der prekären
Lage der Kommunalfinanzen sind die massiven Steuer-
senkungen in den letzten zehn Jahren von verschiede-
nen Bundeskoalitionen. Meine lieben Kolleginnen und
Kollegen, an diesen Koalitionen waren alle hier vertrete-
nen Fraktionen außer der Fraktion Die Linke beteiligt.


(Beifall bei der LINKEN)






Dr. Axel Troost


(A) (C)



(D)(B)

Die Folgen sind eine gigantische Umverteilung von
unten nach oben und Einnahmeverluste in Milliarden-
höhe für die öffentlichen Haushalte. Auch die jüngsten
Steuergeschenke der Bundesregierung – das ist schon
angesprochen worden – werden zu einem erheblichen
Teil die Kommunen aufbringen müssen. Zugleich wäl-
zen Bund und Länder immer mehr Aufgaben und Lasten
auf die Kommunen ab.

Die Kommunen brauchen dringend verbindliche Zu-
sagen statt sporadischer Kaffeekränzchen ihrer Ver-
bandspräsidentinnen und -präsidenten auf Einladung der
Bundeskanzlerin. Die Schlaglöcher in den kommunalen
Haushalten sind zu groß, um sich im unverbindlichen
Miteinander darüber auszutauschen oder die Probleme
sogar auf die lange Bank zu schieben.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Bundesregierung muss endlich, und zwar auch in
diesem Haushalt, kurzfristig wirksame Maßnahmen zur
Wiederherstellung der finanziellen Leistungsfähigkeit
und Handlungsfähigkeit der Städte, Gemeinden und
Landkreise ergreifen. Hierzu gehört, die Gewerbesteuer
zu einer Gemeindewirtschaftsteuer weiterzuentwickeln
und als Sofortmaßnahme die Gewerbesteuerumlage an
den Bund abzuschaffen.

In der letzten Sitzungswoche hat sich die im Koaliti-
onsvertrag vorgesehene Gemeindefinanzkommission
konstituiert. Die Bundeskanzlerin und die Regierungspar-
teien tun nun so, als würden sie sich um die Belange der
Kommunen kümmern. Liest man aber den Kabinettsbe-
schluss zur Einsetzung der Kommission, findet man den
folgenden Satz – ich zitiere –:

Dabei hat die Kommission auf die Vermeidung von
Aufkommens- und Lastenverschiebungen insbe-
sondere zwischen dem Bund auf der einen und Län-
dern und Kommunen auf der anderen Seite zu ach-
ten.

Zu Deutsch: Alles soll beim Alten bleiben, und die Ge-
meinden erhalten am Schluss unter dem Strich keinen
Cent mehr. Das alles ist billiges Wahlkampfgetöse vor
der NRW-Wahl.

Es wundert auch nicht, wenn im Protokoll – wohlge-
merkt im offiziellen Protokoll – dieser konstituierenden
Sitzung der Satz zu finden ist – ich zitiere –:

Es könnte befürchtet werden, dass der Bund bereits
einen Entwurf des Abschlussberichts verfasst, wäh-
rend sich die Länder- und Kommunalvertreter in
den Arbeitsgruppen abarbeiten.


(Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Skandal!)


Das heißt, es ist überhaupt nicht vorgesehen, hier über
wirkliche Veränderungen zu diskutieren. Deswegen rufe
ich an dieser Stelle die Kommunalpolitikerinnen und
Kommunalpolitiker aus allen Parteien auf: Lassen Sie
uns dafür sorgen, dass der gebildete Unterausschuss
Kommunalpolitik schnellstmöglich tagt


(Beifall bei der LINKEN)

und dass den Kommunen spätestens mit dem Haushalt
2011 auch vom Bund wirklich geholfen wird.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1702902400

Nächster Redner ist der Kollege Bartholomäus Kalb

für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1702902500

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Der Bundeshaushalt 2010 steht im Zeichen ei-
ner bewusst antizyklischen Finanzpolitik. Die historisch
einmalige Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise machte
und macht es erforderlich, die sogenannten automati-
schen Stabilisatoren wirksam werden zu lassen.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 1,5 Prozent Wachstum!)


Zudem mussten wir seit dem Herbst 2008, lieber Kol-
lege Bonde, eine Vielzahl von Maßnahmen zur Abwen-
dung der größten Gefahren der weltweiten Finanz- und
Wirtschaftskrise ergreifen. Die finanziellen Dimensio-
nen, die diese Maßnahmen erreicht haben, waren bis da-
hin unvorstellbar.

Heute können wir feststellen, dass diese Maßnahmen
ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Ohne sie hätte es
konjunkturelle Einbrüche ganz anderer Art gegeben, mit
verheerenden Folgen für die Bürger, insbesondere für
die Beschäftigten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Heute bescheinigen Fachleute aus Wirtschaft und Wis-
senschaft übereinstimmend, dass diese Maßnahmen und
das koordinierte Vorgehen der Regierungen und Noten-
banken absolut richtig und im Grunde alternativlos wa-
ren.

Dass damit einhergehend die Verschuldung drama-
tisch angestiegen ist, wird nicht bestritten. Eigentlich
wollten wir entsprechend der früheren Finanzplanung
bereits im Jahre 2010 bei einer Nettoneuverschuldung
von nahe null sein. Stattdessen weist der Bundeshaushalt
für das Jahr 2010, wie schon erwähnt, nach den Beratun-
gen eine Nettokreditaufnahme in Höhe von 80,2 Milliar-
den Euro aus.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Plus Schattenhaushalt!)


Jetzt, am Ende der Krise, kommt es darauf an, dass be-
hutsam, aber konsequent umgesteuert wird.

Der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt und
– noch mehr – die Vorgaben unseres Grundgesetzes ver-
pflichten uns zu einem strikten Kurs der Haushaltskon-
solidierung. Die Haushaltspolitiker der Koalition haben
bereits im Rahmen der Ausschussberatungen ein wichti-
ges Signal für einen strikten Konsolidierungskurs gesetzt.
So ist es gelungen, die im Entwurf vorgesehene Nettokre-





Bartholomäus Kalb


(A) (C)



(D)(B)

ditaufnahme um 5,9 Milliarden Euro auf 80,2 Milliarden
Euro zu senken.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur Wachstumsmitnahmen! Keine Leistung! Trittbrettfahrerei ist das!)


Gewaltige Konsolidierungsschritte, insbesondere im
Hinblick auf den Abbau des sogenannten strukturellen
Defizits, müssen in den nächsten Jahren folgen.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Trittbrettfahrerei! Alles nur Wachstumsleistungen!)


Wir sind Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble
sehr dankbar, dass er in Brüssel keinen Zweifel daran ge-
lassen hat, dass Deutschland die Stabilitätskriterien spä-
testens im Jahre 2013 in vollem Umfang erfüllen wird.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Im Übrigen ist die Einhaltung des Stabilitätspaktes
und der Vorgaben der Schuldenbremse kein Selbst-
zweck. Vielmehr geht es darum, dass wir nicht immer
mehr Lasten in die Zukunft verschieben dürfen. Die Zahl
der sogenannten erwerbsfähigen Personen in Deutsch-
land wird in den nächsten Jahren dramatisch abnehmen.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sinkt die
Zahl der 20- bis 64-Jährigen innerhalb von drei Jahr-
zehnten – das ist eine kurze Zeit – von derzeit 49,8 Milli-
onen auf 38,4 Millionen. Diese Personen, die unseren
Wohlstand und unsere soziale Sicherung erwirtschaften
müssen, werden in der Zukunft die ganze Last zu tragen
haben.

Auch global gesehen hat Deutschland eine große Ver-
antwortung. Deutschland muss der währungspolitische
Stabilitätsanker im Euroraum sein – die währungspoli-
tischen Spannungen sind bekannt; ich brauche nur das
Stichwort „Griechenland“ zu nennen –; das allein wird
aber nicht reichen, um künftigen Fehlentwicklungen
vorzubeugen. Das heißt, einerseits müssen die Staaten
selbst ihre Hausaufgaben machen, und andererseits müs-
sen, natürlich im internationalen Geleitzug, entspre-
chende Maßnahmen ergriffen werden. Es ist darüber hin-
aus wichtig, dass wir an die internationalen Märkte
gerichtet das deutliche Signal aussenden, dass Europa
aus eigener Kraft und in eigener Verantwortung handelt.

Alle Bemühungen werden nichts nützen, wenn es auf
der internationalen Ebene nicht gelingt, dem Fehlverhal-
ten und der Fehlentwicklung auf den internationalen
Finanzmärkten einen Riegel vorzuschieben. Es kann
nicht sein, dass Akteure mit Produkten und Transaktio-
nen außerhalb des geregelten Marktes, meistens mit
fremdem Geld und ohne eigenes Risiko, in der Lage
sind, ganze Volkswirtschaften an den Rand des Ruins zu
treiben.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fast wie eure Regierung!)


Es müssen hier Regeln aufgestellt werden, es muss
Transparenz geschaffen werden. Das gilt für die Aktivi-
täten der Hedgefonds, das gilt für die Aktivitäten der
Private-Equity-Fonds, das gilt für Leerverkäufe, für Kre-
ditabsicherungen und auch für die Rohstoff- und Ener-
giemärkte. Dankenswerterweise hat Bundesminister
Schäuble auf die Zwischenfrage von Herr Kuhn hin be-
reits die entsprechenden Initiativen erläutert.

Es kann nicht richtig sein, dass Kreditabsicherungen
– die sogenannten Credit Default Swaps – in einem Vo-
lumen des 30- bis 40-Fachen dessen gehandelt werden,
wie es zur Ausfallabsicherung eigentlich notwendig
wäre. Es kann auch nicht richtig sein, wenn, wie der
Chef von Air France es kürzlich öffentlich dargestellt
hat, an einem Handelstag 40-mal so viel Rohöl gehan-
delt wird, wie physisch vorhanden ist. Das ist eine dra-
matische Fehlentwicklung.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Wenn es der internationalen Staatengemeinschaft und
insbesondere den führenden Industriestaaten nicht ge-
lingt, diesem Treiben ein Ende zu bereiten, könnte man
in Abwandlung des Spruches „Der nächste Winter
kommt bestimmt“ sagen: Die nächste Krise kommt be-
stimmt. – So viel sollten wir aus der jetzigen Krise ge-
lernt haben, dass wir in der Lage sind, eine nächste Krise
abzuwenden.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Pfeifen im Haushaltsloch!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1702902600

Letzter Redner zu diesem Einzelhaushalt ist der Kol-

lege Norbert Brackmann für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Norbert Brackmann (CDU):
Rede ID: ID1702902700

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Wenn ich mir die heutigen Beiträge der Oppo-
sition anschaue, muss ich feststellen, dass es drei Kon-
stanten gibt.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht „anschauen“! Anhören!)


– Auf Sie kommen wir gleich noch zurück, Herr Bonde. –
Erstens: Wir wollen wissen …! Zweitens: Ihr habt zu
wenig gekürzt! Drittens: Ihr gebt zu wenig aus!


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das hätten Sie wohl gerne, dass das so ist! – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben ja doch nicht zugehört!)


– Herr Bonde, rufen Sie ruhig dazwischen! – Das wird
dann auch noch garniert damit, dass Sie der Kanzlerin
hier vorwerfen, wir würden internationale Verträge nicht
einhalten,


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Wortbruch!)


von „Wortbruch“ und von „Verlogenheit“ sprechen.





Norbert Brackmann


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall des Abg. Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 70 Millionen Euro statt 420 Millionen Euro! Sie haben offensichtlich nicht einmal Ihren Haushalt gelesen! Das ist Etikettenschwindel, und das wissen Sie genau! Peinlich ist das!)


– Hätten Sie lieber in den Haushalt geschaut, Herr
Bonde, statt Donald Duck zu lesen! Dann wären Ihnen
nicht nur die 70 Millionen Euro aufgefallen, sondern
auch die 350 Millionen Euro, die aus dem Ressort er-
wirtschaftet werden sollen – da sind die 420 Millionen
Euro, die wir, wie auf der Klimakonferenz zugesagt, zu-
sätzlich ausgeben. – Ihr Tun, meine Damen und Herren,
ist wenig verantwortungsvoll.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Taschenspielertricks!)


Schon Otto von Bismarck hat einmal gesagt:

Die Scheu vor Verantwortung ist die Krankheit un-
serer Zeit.

Mein Eindruck ist: Das ist auch heute so.

Die christlich-liberale Koalition hat sich ihrer Ver-
antwortung gestellt. Konsolidierung in Verantwortung
kann aber nicht heißen, den Staat kaputtzusparen. Ver-
antwortungsvoll ist vielmehr eine generationengerechte
Politik, die sich an der Zukunft orientiert.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Da haben Sie recht! Aber die fehlt bei Ihnen!)


Genau das ist die Politik der christlich-liberalen Koali-
tion. Diese Verantwortung trifft nicht nur die Regierung,
nicht nur die Koalition, sondern uns alle, all diejenigen,
die den Anspruch erheben, für die Gemeinschaft unserer
Bürgerinnen und Bürger hier aktiv zu werden.

Der Bundeshaushalt 2010 ist der erste Haushalt, den
diese christlich-liberale Koalition vorlegt.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der letzte, wenn Sie mich fragen!)


Dieser Haushalt ist ein Haushalt, der die Übergangszeit
zwischen Krisenbewältigung und Sparzwang markiert.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Sehr wahr!)


Wir haben deshalb den Rotstift in ersten Schritten im
Personal- und Verwaltungsbereich angesetzt. Im Inter-
esse einer weiteren Erholung der Wirtschaft haben wir
die Investitionen für die Zukunft gesichert. Das, meine
sehr verehrten Damen und Herren, nennen wir Verant-
wortung. Die Nettokreditaufnahme haben wir in den
Haushaltsberatungen im Ergebnis um 5,6 Milliarden
Euro auf 80,2 Milliarden Euro senken können. 5,6 Milli-
arden Euro weniger!


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Anpassung von Schätztiteln!)


Nun werfen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von
der Opposition, uns vor, dass wir lediglich von der bes-
seren Konjunktur profitieren.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist ja auch so!)


Sollten Sie sich nicht vielmehr darüber freuen, dass es
mit der Konjunktur wieder besser geht?


(Bettina Hagedorn [SPD]: Das tun wir ja! Wir freuen uns über die Konjunktur! – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Aber nicht über Sie! Das ist der Unterschied!)


Sollten Sie sich nicht darüber freuen, dass weniger Mit-
menschen ihren Arbeitsplatz verloren haben, als das vor
wenigen Monaten noch zu erwarten war? Können oder
wollen Sie diese Erfolge nur deshalb schlechtreden, weil
dies erste sichtbare Ergebnisse der erfolgreichen Politik
der christlich-liberalen Koalition in der Krisenbewälti-
gung sind?


(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Das ist aber übertrieben! – Bettina Hagedorn [SPD]: Das ist eine eigenwillige Interpretation!)


Die Verantwortung, die wir gegenüber unseren Bür-
gern und Bürgerinnen haben, bleibt. Sie löst sich nicht,
indem gute Ergebnisse von Ihnen ins Schlechte geredet
werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Florian Toncar [FDP] – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist erschreckend!)


Die christlich-liberale Koalition hat in den Beratun-
gen drei Akzente gesetzt:


(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Können Sie sie noch einmal wiederholen? – Heiterkeit bei der SPD)


die Wirtschaftsbelebung, die soziale Sicherung zur Kri-
senbewältigung und auch den Sparwillen. Um weitere
Impulse zur Überwindung der Wirtschaftskrise ins-
besondere für den Mittelstand zu geben, haben wir im
parlamentarischen Verfahren zum Beispiel zusätzlich
400 Millionen Euro für die Fortführung des CO2-Gebäu-
desanierungsprogramms zur Verfügung gestellt und da-
mit Wirtschaft, Mittelstand, Wachstum und Ökologie ge-
fördert.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Das hatten Sie vorher halbiert!)


Die soziale Sicherung ist in der Geschichte der Bun-
desrepublik noch nie mit so viel Geld unterfüttert wor-
den wie von der christlich-liberalen Koalition.


(Heinz-Peter Haustein [FDP]: Genau!)


Über 54 Prozent des Gesamthaushalts werden für soziale
Leistungen aufgewendet, angefangen bei Arbeitsmarkt-
ausgaben und Leistungen an die Renten- und Kranken-
versicherung über das Elterngeld bis hin zur landwirt-
schaftlichen Sozialpolitik. Soziale Wärme und nicht
soziale Kälte ist daher die Wahrheit dieses Bundeshaus-
halts.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Warme Worte!)






Norbert Brackmann


(A) (C)



(D)(B)

Lob von der Opposition dafür? Fehlanzeige!


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre ja noch schöner!)


Im Gegenteil: Herr Bonde spricht von blinder Schulden-
macherei.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, Rekordverschuldung! – Otto Fricke [FDP]: Er trägt ja auch keine Brille!)


Das ist doch die von Ihnen gelebte Solidarität mit denje-
nigen in der Bevölkerung, die auf Transferleistungen an-
gewiesen sind und für die wir diese besagten 54 Prozent
aufbringen.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für Hotelketten, oder was?)


Sie werfen uns vor, dass wir 900 Millionen Euro für
die arbeitsuchenden Bürgerinnen und Bürger, die durch
Fortbildungs- und Eingliederungsmaßnahmen am Ar-
beitsmarkt wieder Fuß fassen wollen, und für die Durch-
führung der Grundsicherung für Arbeitslose gesperrt ha-
ben.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Zu Recht! – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, genau, zu Recht!)


Keiner von Ihnen erklärt den Bürgern aber, was eigent-
lich dahintersteckt. Das tun Sie aus gutem Grund nicht,
weil diese Sperre nämlich keine Kürzung ist.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warten wir mal ab!)


In 2009 hatten wir für diese Zwecke insgesamt
10,6 Milliarden Euro im Haushalt eingeplant, tatsächlich
aber nur 10,1 Milliarden Euro gebraucht. 2010 haben
wir jetzt insgesamt 11 Milliarden Euro zur Verfügung
gestellt, also 900 Millionen Euro mehr, als wir im ver-
gangenen Jahr tatsächlich gebraucht haben.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Exakt umrechnen anhand der Fallzahlen!)


Wir wollen natürlich sicherstellen, dass dieses zusätzli-
che Geld auch zweckentsprechend eingesetzt und zielge-
richtet und ökonomisch verwandt wird.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was gesperrt ist, wird gar nicht eingesetzt! Das ist das Problem!)


Dass eine Sperre keine Kürzung ist, sollten Sie als Haus-
hälter wissen.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie mal in den Jobcentern vor Ort, was das heißt!)


Sobald das Arbeitsministerium nachgewiesen hat, dass
mit diesem Geld tatsächlich mehr Menschen in den ers-
ten Arbeitsmarkt kommen, werden wir diese Sperre auch
wieder aufheben.


(Heinz-Peter Haustein [FDP]: Genau! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wann denn?)

Das ist ein verantwortungsvoller Umgang mit dem
Geld; denn jeder vierte Euro, den wir heute ausgeben,
müssen wir uns von kommenden Generationen leihen.
Deswegen ist das der erste Schritt hin zu einem vernünf-
tigen finanziellen Verhalten.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Machen Sie eine vernünftige Steuerpolitik! Dann brauchen Sie nicht so hohe Steuern!)


Der Etat des Finanzministers ist eine gute Wegmarke.
Er ist zudem ein erstes Zeichen dafür, dass wir in einen
Konsolidierungsprozess eingeschwenkt sind. In 310 Än-
derungsanträgen der Koalition sind die Ausgabenansätze
um insgesamt 5,9 Milliarden Euro nach unten korrigiert
worden. Jedes Ressort wird im Verwaltungsbereich sei-
nen eigenen Konsolidierungsbeitrag zu leisten haben.

Alleine die Personal- und die Sachkosten haben wir
um 500 Millionen Euro gekürzt. Insgesamt werden ge-
genüber dem Regierungsentwurf brutto circa 2 600 Stel-
len eingespart. Trotz dieser Leistung heulen Sie auf und
kritisieren Presseberichten zufolge unter anderem, dass
wir auch neue Stellen schaffen. Das ist richtig: Wir
schaffen dort neue Stellen, wo es notwendig ist, und wir
streichen Stellen dort, wo es möglich ist.

Ich möchte ein Beispiel nennen: Die Bekämpfung der
Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung hat für
uns eine hohe Priorität. Circa 3 Prozent des Brutto-
inlandsprodukts – das sind mehrere Hundert Milliarden
Euro – werden schwarz geleistet. Im Jahr 2008 ermittelte
die Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung
eine Schadenssumme von rund 550 Millionen Euro, un-
ter anderem wegen nicht gezahlter Steuern, Sozialversi-
cherungsabgaben und Mindestlöhnen. Dabei handelt es
sich nur um die in Ermittlungsverfahren nachweisbaren
Schäden. Das sind Schäden für unseren Sozialstaat, dem
dadurch Einnahmen entzogen werden. Das ist eine
Schelte für die hart arbeitenden Arbeitnehmer und Ar-
beitgeber, die ihre Steuern und Sozialabgaben ehrlich
zahlen. Wir werden deshalb in diesem Jahr das Personal
der Finanzkontrolle um 150 Stellen aufstocken. In den
nächsten Jahren werden jeweils 100 weitere Stellen fol-
gen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, am besten gestaltet
man die Zukunft, indem man heute die richtigen Ent-
scheidungen trifft.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre doch was! Dann mal ran!)


Deshalb ist dieser Haushalt der erste Schritt auf dem
Weg in eine Zukunft mit einer geringeren Nettoneuver-
schuldung. Es ist ein Haushalt, der Wachstum fördert
und soziale Sicherheit gewährleistet. Es ist der erste
Haushalt dieser christlich-liberalen Koalition, ein Haus-
halt der Verantwortung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haushalt mit Rekordverschuldung!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702902800

Damit schließe ich die Aussprache.





Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt


(A) (C)



(D)(B)

Wir kommen zu den Abstimmungen, zunächst über
den Einzelplan 08, Bundesministerium der Finanzen, in
der Ausschussfassung.

Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die
Linke vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für
den Änderungsantrag auf Drucksache 17/1010? – Gegen-
stimmen? – Enthaltungen? – Damit ist der Änderungsan-
trag bei Zustimmung durch die einbringende Fraktion
abgelehnt. Dagegen hat die Koalition gestimmt. Enthal-
ten haben sich SPD und Bündnis 90/Die Grünen.

Wir kommen jetzt zu Einzelplan 08, Bundesministe-
rium der Finanzen, in der Ausschussfassung. Wer stimmt
dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist
der Einzelplan 08 bei Zustimmung durch die Koalitions-
fraktionen und bei Ablehnung durch die Oppositionsfrak-
tionen angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 20, Bundesrechnungshof, in der Ausschussfassung.
Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltun-
gen? – Dieser Einzelplan ist einstimmig angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.5 auf:

Einzelplan 11
Bundesministerium für Arbeit und Soziales

– Drucksachen 17/611, 17/623 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)

Bettina Hagedorn
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Gesine Lötzsch
Alexander Bonde

Zum Einzelplan 11 liegen ein Änderungsantrag der
Fraktion der SPD und ein Änderungsantrag der Fraktion
Die Linke sowie drei Änderungsanträge der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor.

Wir werden insgesamt drei namentliche Abstimmun-
gen durchführen, wobei über zwei inhaltsgleiche Ände-
rungsanträge der Fraktion der SPD und der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen zusammen in einer namentli-
chen Abstimmung abgestimmt werden soll. Weiterhin
liegt ein Entschließungsantrag der SPD vor, über den wir
am Freitag im Anschluss an die Schlussabstimmung ab-
stimmen werden.

Interfraktionell ist verabredet, zu diesem Einzelplan
eineinhalb Stunden zu debattieren. – Dazu höre ich kei-
nen Widerspruch.

Als erster Rednerin gebe ich das Wort der Kollegin
Bettina Hagedorn für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Bettina Hagedorn (SPD):
Rede ID: ID1702902900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Als zuständige Hauptberichterstatterin im Haushaltsaus-
schuss für den größten Etat des Bundes, nämlich den des
Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, der für
2010 mit rund 143 Milliarden Euro über 45 Prozent der
Gesamtausgaben umfasst, möchte ich mich nach harten
Verhandlungswochen zunächst bei den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern des Ministeriums und Frau von der
Leyen für die zügige Beantwortung von circa 50 Be-
richtsanfragen herzlich bedanken, die uns die parlamen-
tarische Arbeit erleichtert hat. In diesen Dank für die
prompte Zuarbeit schließe ich ausdrücklich die Kolle-
ginnen und Kollegen bei der Bundesagentur für Arbeit,
beim Finanzministerium, im Bundesrechnungshof und
im Haushaltsausschusssekretariat mit ein.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Mir würde dieser Dank allerdings heute noch erheb-
lich fröhlicher über die Lippen kommen, wenn das Er-
gebnis der Schlussabstimmung im Haushaltsausschuss
für die Menschen, für die wir gemeinsam Verantwortung
tragen, Grund zu Freude und Zuversicht bieten würde.
Aber dem ist leider nicht so.

Was Schwarz-Gelb uns heute vorlegt, ist ein Haushalt
der verpassten Chancen. Insbesondere gegenüber der
jüngeren Generation ist es unverantwortlich, ohne Not
den vorhandenen Schuldenberg in dieser Größenord-
nung, um über 80 Milliarden Euro, zu erhöhen.


(Beifall bei der SPD)


Das ist eine Verdoppelung der bisherigen Rekordmarke
von Theo Waigel von 1996, und es ist unverantwortlich,
was Sie damit der künftigen Generation hinterlassen.

Diese Koalition hat – das werden wir diese Woche
noch an vielen Stellen sehen – leider kein Konzept und
versucht, sich mit Hinweis auf die Finanz- und Wirt-
schaftskrise herauszureden und um eine stärkere Spar-
anstrengung herumzumogeln. In Wahrheit spannen Sie
in diesem Haushalt einen Schutzschirm auf – ja, das tun
Sie, aber nur für die eigene gut betuchte Klientel. Die
Arbeitsuchenden, die Familien mit Kindern und auch die
Kommunen lassen Sie schutzlos im Regen stehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Die SPD hat in diesen Haushaltsberatungen solide ge-
rechnete Sparvorschläge gemacht und dennoch klare
Schwerpunkte zugunsten der Kommunen und der Bil-
dung gesetzt. Wir Sozialdemokraten haben in diesen
Haushaltsberatungen entgegen dem, was wir gerade von
Herrn Brackmann gehört haben, bewiesen, dass wir auch
in der Opposition verantwortungsbewusste Vorschläge
machen und Populismus anderen überlassen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Unbestreitbarer Fakt ist: Schwarz-Gelb spart bei wei-
tem nicht genug, und da, wo Sie es dann tun, machen Sie
es auch noch am falschen Ende und sägen an dem Ast,
auf dem wir alle sitzen. Sie sparen zulasten von Kindern
in sozialer Not. Die Kindergelderhöhung, die gerade bei
den Kindern von Hartz-IV-Empfängern nicht ankommt,
ist bereits erwähnt worden. Sie haben sich ohne Not ent-
schieden, in einer gewaltigen Rückrufaktion über 1 Mil-
lion Bescheide zu korrigieren. Das hat die schwarz-rote
Regierung vor einem Jahr anders gehandhabt, und das war
angemessen gegenüber der Zielgruppe, den Hartz-IV-
Empfängern und ihren Kindern, um die es hier geht.


(Beifall bei der SPD)






Bettina Hagedorn


(A) (C)



(D)(B)

Sie haben sich ohne Not an dieser Stelle für Bürokratie-
aufbau entschieden und mit dieser Rückrechnerei viele
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Argen völlig un-
nötig beschäftigt. Damit haben Sie im Endeffekt Büro-
kratiekosten verursacht, die weit über die 20 Euro pro
Kind, um die es bei der Rückrufaktion ging, hinausge-
gangen sind.

Sie sparen aber auch zulasten von Qualifizierung und
Weiterbildung am Arbeitsmarkt bei steigenden Arbeits-
losenzahlen und einem Fachkräftemangel in wichtigen
Zukunftsbranchen für unser Land, der auf uns zukommt.
Die 900-Millionen-Euro-Sperre, auf die ich noch zu
sprechen komme, ist ein Indiz dafür.

Sie sparen aber auch zulasten der Städte und
Gemeinden, deren leere Kassen die Bildungschancen
unserer Kinder ebenso wie die bitter nötigen Investitio-
nen in die Infrastruktur und damit unser aller Lebensqua-
lität und Zukunft in Gefahr bringen. Die Kosten für Un-
terkunft und Heizung, KdU, sind ein wichtiges Indiz
dafür. Sie haben in dem Haushalt von Herrn Schäuble
gegenüber dem Haushalt von Peer Steinbrück die KdU
um 600 Millionen Euro abgesenkt, und Sie haben die
Mittel jetzt nicht erhöht, obwohl Sie mit Ihrem soge-
nannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz – ich würde
es eher Schuldenaufbaugesetz nennen – sehr wohl Sig-
nale an die Kommunen gesandt haben. Aber diesen Sig-
nalen an die Kommunen ist bisher außer heißer Luft
nichts gefolgt.


(Beifall bei der SPD)


Die SPD spannt einen Schutzschirm zur Rettung der
Kommunen auf, den wir in diesem Haushalt auch eins zu
eins abgebildet haben. Er bedeutet allein in diesem Etat
einen Aufwuchs um 400 Millionen Euro für die Kom-
munen. Sie sind diesem Vorschlag nicht gefolgt. Das ist
bitter für die Kommunen.

Das Schlimme daran ist: Wenn es den Kommunen
schlecht geht, dann spürt das jeder Mann, jede Frau und
jedes Kind in diesem Land, nämlich durch Gebühren-
erhöhungen, fehlende Kita-Plätze, steigende Elternbei-
träge, geschlossene Schwimmbäder, Kürzungen bei
Theatern und Museen und Schlaglochpisten in den Städ-
ten und Gemeinden. An dieser Stelle haben Sie komplett
versagt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Bei SPD-geführten Kommunen mag das der Fall sein!)


Das größte Drama spielt sich aber bei den Agenturen
für Arbeit ab. Es geht darum, dass Sie, Frau Ministerin
von der Leyen, in diesem Jahr mit der notwendigen Um-
strukturierung der Argen, die das Bundesverfassungsge-
richt dem Bundestag aufgegeben hat, noch eine harte
Nuss zu knacken haben. Das Schlimme daran ist, dass
die CDU/CSU hier in den letzten zwei Jahren einen bei-
spiellosen Zickzackkurs vorgelegt hat.

Den von Olaf Scholz schon vor zwei Jahren vorgeleg-
ten Gesetzentwurf für ein kooperatives Jobcenter, das
ohne eine Verfassungsänderung möglich gewesen
wäre, haben Sie abgelehnt. Den Gesetzentwurf, der eine
Verfassungsänderung vorsah und den wir schon im letz-
ten Jahr vorgelegt haben und der im November von den
Arbeits- und Sozialministern aller Länder auf der Ar-
beits- und Sozialministerkonferenz befürwortet worden
ist, haben Sie vor einem Jahr ebenfalls abgelehnt. Im
Koalitionsvertrag haben Sie festgelegt, ohne eine Verfas-
sungsänderung auskommen zu wollen. Jetzt wollen Sie
doch wieder eine Verfassungsänderung. Allerdings weiß
man nicht genau, wie.

Ich will Ihnen dazu Folgendes sagen. Sie haben damit
die Menschen massiv verunsichert, und zwar nicht nur
die Arbeitsuchenden, die auf funktionierende und be-
währte Strukturen angewiesen sind, sondern Sie haben
vor allen Dingen die Verunsicherung bei den 66 000
Mitarbeitern in den Argen, in den Jobcentern und in den
Optionskommunen auf die Spitze getrieben,


(Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/ CSU]: So ein Quatsch!)


davon über 22 000 Mitarbeiter, die aus den Kommunen
kommen. Das ist in dieser Situation unverantwortlich.


(Beifall bei der SPD)


Die SPD steht weiter dafür ein, dass wir Ihnen im
Sinne der Menschen für eine Verfassungsänderung die
Hand reichen wollen, allerdings nicht bedingungslos. In
den Eckpunkten, die wir dafür gesetzt haben, geht es ins-
besondere darum, dass für die Integration von Lang-
zeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt genug Mit-
tel bereitstehen. In diesem Punkt hat unsere Hoffnung
auf Ihre Einsicht mit der 900-Millionen-Euro-Sperre lei-
der einen herben Rückschlag erlitten.

Als Optimistin wünsche ich mir, dass bei CDU/CSU
bei dem Thema Arge-Reform endlich Vernunft einkeh-
ren möge, dass wir gemeinsam für über 7 Millionen Ar-
beitsuchende eine gute Lösung erreichen und dass die
246 Argen sowie die 69 Optionskommunen ihre be-
währte Arbeit verfassungskonform auf Dauer fortsetzen
können. Aber als Realistin fürchte ich natürlich: Wer
schon zwei Jahre lang einen derartigen Zickzackkurs
fährt, der hat entweder den Kompass verloren oder das
Ruder nicht fest in der Hand. Da diese Koalition im Mo-
ment nicht so wirkt, als hätte sie den Kompass wiederge-
funden, wird es, Frau Ministerin, an Ihnen sein, das Ru-
der fest in die Hand zu nehmen und diesen unsäglichen
Zickzackkurs im Sinne der Arbeitsuchenden zu beenden.
Aber die Zeit läuft.


(Beifall bei der SPD)


Die Zeit wird auch bei einem anderen Thema knapp.
Ich komme nun zu der 900-Millionen-Euro-Sperre. Es
ist sicherlich purer Zufall, dass ausgerechnet heute die
Dortmunder Ruhr-Nachrichten – nun kann man sich
zwar fragen, wieso ausgerechnet Dortmund, aber die
NRW-Wahl lässt grüßen – schreiben, dass Sie eingese-
hen hätten – das ist wunderbar –, dass Ihre Sperre das
falsche Signal sei.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Wer sagt das?)






Bettina Hagedorn


(A) (C)



(D)(B)

Dazu kann ich Ihnen sagen: Dabei können wir Ihnen
helfen. Es liegen je ein Änderungsantrag der SPD und
auch der Grünen vor, denen Sie in namentlicher Abstim-
mung zustimmen können.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: So ist es!)


Wenn Sie unserem Antrag zustimmen, dann wird diese
Sperre gar nicht mehr in den Haushalt aufgenommen.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Nehmen Sie erst einmal die unanständige Behauptung zurück, das sei eine Kürzung!)


Damit wäre doch das Ziel erreicht. Aber bei Ihnen wird
es so laufen, dass Sie erst einmal diese Sperre ausbrin-
gen. Dann kann sie erst im April wieder aufgehoben
werden, nämlich dann, wenn das Haushaltsgesetz im Ge-
setzblatt steht. Die Ministerin hat dazu im Haushaltsaus-
schuss gesagt, dass sie eine Aufhebung der Sperre im
April als letzten Zeitpunkt für notwendig hält,


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Jetzt schon!)


weil sonst das Geld gar nicht mehr ausgegeben werden
kann.

An dieser Stelle sage ich Ihnen, Frau Ministerin: Sie
werden von uns daran gemessen, ob es Ihnen gelingt, zu-
sammen mit Herrn Schäuble am 15. April im Haushalts-
ausschuss einen Entsperrungsantrag vorzulegen, und ob
es Ihnen gelingt, dass Sie gemeinsam mit der FDP diese
Sperre wieder aufheben. Schauen wir mal.


(Beifall bei der SPD)


In Wahrheit ist es so, dass diese Sperre wie eine fakti-
sche Kürzung wirkt, wenn sie nicht aufgehoben wird.


(Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/ CSU]: Das ist nicht wahr!)


– Herr Kollege Fischer, Sie sollten vielleicht öfter in die
Arbeitsagenturen vor Ort gehen. Die Arbeitsagenturen
im ganzen Land wissen schon jetzt, dass ihnen
900 Millionen Euro weniger zugeteilt werden.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Auch das stimmt nicht! – Axel E. Fischer [KarlsruheLand] [CDU/CSU]: Wir haben noch eine vorläufige Haushaltsführung!)


Die Jobcenter und die Argen vor Ort sind schon heute
bei der langfristigen Planung von Maßnahmen vorsich-
tig, die dazu dienen, Arbeitslose in den ersten Arbeits-
markt zu integrieren.

Meine Damen und Herren von der Regierungskoali-
tion, Sie haben wohl die Information, die wir Haushälter
bekommen haben, vergessen, dass Ende 2009 4,9 Milli-
onen Erwerbsfähige im Arbeitslosengeld-II-Bezug wa-
ren und dass 835 000 von diesen 4,9 Millionen Arbeitsu-
chenden in Maßnahmen waren. Das bedeutet: Wenn Sie
diese Maßnahmen nicht fortführen, haben nicht nur die
betroffenen Menschen keine Chance auf Integration,
sondern dann wird sich auch die Zahl der Arbeitslosen
drastisch erhöhen. Mit anderen Worten: Sie ziehen es
vor, Arbeitslosigkeit anstatt Arbeit zu bezahlen. Das ist
das falsche Signal. Sie fahren mit Ihrer Sperre die
Instrumente zur Integration in den Arbeitsmarkt,
von der JobPerspektive bis zur Initiative „50 plus“, an
die Wand. Halten Sie ein, und stimmen Sie unserem Än-
derungsantrag zu! Nur dann können wir davon ausge-
hen, dass alles vor Ort ankommt.

Ein letztes Wort zu den Trägern der beruflichen Wei-
terbildung in diesem Land. Sie sind es, die den Men-
schen neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt eröffnen.
Nicht nur bei mir, sondern wahrscheinlich auch bei Ih-
nen dürften die Telefonleitungen heiß gelaufen sein.
Selbstverständlich sind die Träger der beruflichen Wei-
terbildung in größter Sorge, dass sie in den nächsten Wo-
chen und Monaten ihre wertvolle Arbeit – auch zulasten
ihrer eigenen Beschäftigten – nicht fortsetzen können.

Das ist ein Haushalt der Kälte, den Sie hier vorlegen.
Das ist ein Haushalt der Kurzsichtigkeit. Kehren Sie um!
Wir würden uns freuen.


(Beifall bei der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702903000

Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt das Wort der

Kollege Axel Fischer.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den Worten
meiner Vorrednerin Hagedorn schließe ich mich an, zu-
mindest was den Dank an das Ministerium angeht. Ich
möchte neben der Ministerin Frau von der Leyen beson-
ders dem Staatssekretär Fuchtel für die gute Zusammen-
arbeit danken.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Oh Gott!)


Für die Beantwortung von Fragen und Anregungen stand
er quasi Tag und Nacht zur Verfügung. So stellt man sich
eine gute Zusammenarbeit vor!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Der Haushalt 2010 orientiert sich noch an dem Ent-
wurf der Großen Koalition. Der ehemalige Arbeitsminis-
ter Olaf Scholz hat diese Zahlen im Wesentlichen hier
hineingeschrieben. Insofern – ich will das gleich deut-
lich sagen – relativieren sich viele Äußerungen, Frau
Hagedorn, die Sie gemacht haben. Es ist uns gelungen,
einen geeigneten Mittelweg zwischen dem Sparsam-
keitsgebot und den Erfordernissen, die unsere wirt-
schaftliche Schieflage mit sich bringt, zu finden. Es kann
letztlich nur verteilt werden, was auch erwirtschaftet
wird. Ich sage es noch einmal: Der Etat „Arbeit und So-
ziales“ trägt die Handschrift von Olaf Scholz. Umso
überraschter war ich über die Flut von Kürzungsanträ-
gen der SPD im Haushaltsausschuss, beispielsweise bei
der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
in Dortmund. Bei den Bezügen der Beamten und Ange-
stellten, ja sogar die Forschungsmittel wollte Ihre Partei
kürzen, Frau Hagedorn.


(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)






Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)



(A) (C)



(D)(B)

Liebe Frau Hagedorn, solche Anträge sind nicht glaub-
würdig, wenn man sie nur in Zeiten der Opposition
stellt, in der Hoffnung, dass die christlich-liberale Koali-
tion sie dann schon ablehnt.

Im Wesentlichen setzt die christlich-liberale Koalition
die erfolgreiche Politik der Vorgängerregierung fort. Wir
wollen die Selbstheilungskräfte des Marktes kurzfris-
tig nutzen. Wir setzen auf eine anspringende Wirtschaft
mit erhöhten Erträgen, und das mit Erfolg. Der Bundes-
zuschuss an die Bundesagentur für Arbeit, für den im
Haushaltsentwurf noch 16 Milliarden Euro vorgesehen
waren, kann aufgrund besserer wirtschaftlicher Rahmen-
bedingungen auf 12,8 Milliarden Euro reduziert werden.
Weniger Arbeitslose als erwartet, damit mehr Einnah-
men aus den Arbeitslosenversicherungsbeiträgen für die
Bundesagentur für Arbeit, das ist ein Erfolg unserer Po-
litik.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Der Haushalt ist kein Sparhaushalt. Er steht voll im Zei-
chen von Wachstumsbeschleunigung und zielt auf die
Ankurbelung unserer Wirtschaft. Deshalb konnten wir
dank Einsparungen im Sozialhaushalt die Neuverschul-
dung nur etwas drücken. Wir müssen uns aber vor Au-
gen führen, dass 80 Milliarden Euro in diesem Haushalt
geliehenes Geld sind.

Ganz kurz zu den Eckdaten des Haushalts für Ar-
beit und Soziales. Das Volumen beträgt 143 Milliarden
Euro, davon sind knapp 81 Milliarden Euro Leistungen
an die Rentenversicherung, 23,9 Milliarden Euro sind
für das Arbeitslosengeld II, knapp 7 Milliarden Euro
sind Leistungen zur Eingliederung von Hartz-IV-Bezie-
hern in Arbeit, und 8 Milliarden Euro stehen für die Be-
teiligung an den Kosten der Arbeitsförderung zur Verfü-
gung, um nur einige Hausnummern zu nennen. Das ist
fast der halbe Bundeshaushalt und weit mehr als die
Hälfte der Steuereinnahmen des Bundes. Es kommt
nicht von ungefähr, dass wir dieses Jahr eine Rekordver-
schuldung in Kauf nehmen. Auch in der derzeitigen
wirtschaftlichen Krise tragen die Aktiven von heute und
morgen weiter den Sozialstaat auf ihrem Rücken. Dieser
Haushalt belegt eindrucksvoll das enorme Ausmaß und
den großen Umfang, in dem unser Gemeinwesen für die
Erfüllung und den Fortbestand des Generationenvertrags
zwischen den aktiven und passiven Jahrgängen Sorge
trägt. Er zeigt eindrucksvoll die enormen Anstrengun-
gen, die für erwerbsfähige Hilfsbedürftige gemacht wer-
den. Hartz-IV-Beziehern wird nicht nur materiell gehol-
fen, nein, mit der Eingliederungshilfe wird auch noch
eine milliardenschwere Hilfe zur Selbsthilfe für die Wie-
dereingliederung in den Arbeitsmarkt vom Steuerzahler
finanziert.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dieser Sozialhaushalt ist ein Beispiel gelebter Solida-
rität,


(Katja Mast [SPD]: Sie kürzen bei denen, die Solidarität brauchen!)

der Solidarität zwischen den Generationen und der Soli-
darität zwischen Erwerbstätigen und Erwerbslosen. Aus
gutem Grund haben wir die Überprüfung von Leistungen
der Eingliederungshilfe gefordert. Immerhin sind
6,6 Milliarden Euro im Bundeshaushalt dafür vorgese-
hen. Ein Kernelement der christlichen Soziallehre ist der
Hinweis, dass es nicht immer am besten ist, alles zentral
zu regeln; denn es muss nicht unbedingt in Berlin ent-
schieden werden, welche Maßnahmen für einen Bürger
in Emden, Mannheim oder Greifswald sinnvoll sein
könnten.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen kommt jetzt weniger Geld dort an!)


Aber wenn dann vermehrt Meldungen durch den Me-
diendschungel rauschen, dass diese Mittel der Steuerzah-
ler falsch eingesetzt und das Geld verdummbeutelt wird,
dann haben die Steuerzahler einen Anspruch darauf, dass
vor Ort genau nachgeschaut wird, was schiefgelaufen ist,
dann haben sie einen Anspruch darauf, dass diese Miss-
stände umgehend abgestellt werden.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Eine bösartige Unterstellung!)


Wir haben in diesem Haushalt einen deutlichen Auf-
wuchs der Mittel für die Eingliederungshilfe gegenüber
den Ausgaben im letzten Jahr. Dieses Geld soll arbeits-
willigen Hartz-IV-Beziehern helfen, sich für eine Arbeit
zu qualifizieren. Diese Menschen haben Hoffnungen, die
sie in die Ergebnisse der Maßnahmen setzen. Umgekehrt
hat auch der Steuerzahler Hoffnungen und Erwartungen,
was die erfolgreiche Verwendung seines Geldes angeht.
All diese Menschen dürfen wir nicht enttäuschen.


(Katja Mast [SPD]: Sie kürzen de facto! – Gegenruf des Abg. Norbert Barthle [CDU/CSU]: Quatsch! Blödsinn!)


Wir dürfen sie nicht dadurch enttäuschen, dass mit der
Eingliederungshilfe Dinge finanziert werden, mit denen
sich die Chancen für die Eingliederung in den Arbeits-
markt nicht verbessern. Wir wollen Maßnahmen fördern,
die effektiv sind. Aber es stellt sich natürlich die Frage,
wie sichergestellt werden kann, dass diese Mittel auch
nutzbringend verwendet werden. Das Geld darf nicht in
nutzloser Beschäftigung versanden, sonst haben wir ei-
nen doppelten Schaden. Der Steuerzahler muss auf sein
Geld verzichten, und der Hilfsbedürftige ist frustriert.
Das kann und darf nicht unser Ziel sein. Wir müssen er-
reichen, dass die knappen staatlichen Mittel effektiv ein-
gesetzt werden. Deshalb haben wir im Haushalt die Mit-
tel für den Eingliederungshilfetitel teilweise gesperrt.
Sie dürfen erst dann ausgegeben werden, wenn ein Kon-
zept zur besseren Integration von Arbeitslosengeld-II-
Empfängern in den Arbeitsmarkt vorgelegt wird; denn
letztlich sind diese Mittel Geld, das wir mit Schulden fi-
nanzieren. Die 80 Milliarden Euro Neuverschuldung zur
Finanzierung des Bundeshaushalts belasten die Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer der Zukunft. Das sind
die nachfolgenden Generationen. Wir können nicht von
Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit reden,
wenn wir nicht sorgsam mit diesem Geld umgehen. Das





Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)



(A) (C)



(D)(B)

ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, wie auch der
Leiter der Bundesagentur für Arbeit, Herr Weise, ver-
gangene Woche betont hat.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist es!)


Frau Kollegin Hagedorn, wir würden das zu Hause,
wenn wir ehrlich sind, doch genauso machen. Bevor wir
mehr Geld in die Nachhilfe unserer Kinder stecken,
schauen wir erst einmal nach, was die Nachhilfe bislang
bewirkt hat und wie man vielleicht bessere Ergebnisse
erzielen kann. Warum soll das bei öffentlichen Mitteln
nicht genauso sein? Wir halten das für einen ganz natür-
lichen Vorgang. Wir wollen eine Überprüfung und einen
Bericht, der uns zeigt, was gut läuft und wo man verbes-
sern kann und muss, damit die Eingliederung optimiert
wird.

Vor Wahlen ist es üblich, staatliche Programme und
Beglückungen für alle und jeden zu fordern. Ganz be-
sonders locker geht man damit auf Oppositionsbänken
um, nicht zuletzt in der Erwartung, diese Versprechen
nie einhalten zu müssen. Ich kann mich noch gut erin-
nern: In der letzten Legislaturperiode waren es vor allem
SPD-Minister, die die Realitätsferne der Linken geißel-
ten.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Wir sind nicht realitätsfern! Wir sind enger an der Realität als Sie!)


Kaum sind sie auf den Oppositionsbänken angekommen,
schlagen sie ähnliche Töne an: Sie fordern nun die Ver-
doppelung der Bezugszeit für Arbeitslosengeld I und neue
staatliche Beschäftigungsprogramme für mehr als 3 Milli-
arden Euro. Auf eine Vermögensprüfung bei Hartz IV
wollen sie offensichtlich ganz verzichten. Heißt das
etwa, der hart arbeitende Steuerzahler bezahlt dem Ban-
ker, der schon mit 40 genügend auf der Bank hat und
nicht mehr arbeiten will, die Warmmiete für seine Woh-
nung und dazu noch den Regelsatz als Taschengeld?


(Widerspruch bei der SPD)


Da fragt sich doch jeder, was das mit sozialer Gerechtig-
keit zu tun hat.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Demagogisch!)


Das ist mit heißer Nadel gestricktes Wahlkampfmaterial,
das nach der Wahl den üblichen Weg gehen wird.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Max Straubinger [CDU/ CSU]: Unsozial bis zum Gehtnichtmehr! – Bettina Hagedorn [SPD]: Wir sind hier bei den Haushaltsberatungen, Herr Kollege!)


Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden
Bundeshaushalt spannt die christlich-liberale Koalition
unter Führung von Angela Merkel einen Schutzschirm
für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Ha, ha, ha!)


Wir halten durch den Einsatz von Steuermitteln die
Lohnnebenkosten stabil. Das sichert Arbeitsplätze und
hält die Gesellschaft zusammen. Die christlich-liberale
Koalition und auch Frau Ministerin von der Leyen sind
sich ihrer Verantwortung bewusst, ihrer Verantwortung
für soziale Gerechtigkeit und ihrer Verantwortung für
den sparsamen Umgang mit Steuermitteln. Beides ge-
hört zusammen. Das zeigt der von Wolfgang Schäuble
vorgelegte Bundeshaushalt, den wir in dieser Woche be-
raten.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702903100

Der Kollege Matthias W. Birkwald ist der nächste

Redner für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702903200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Sozial ist, was Würde schafft. Um
Würde geht es auch beim Umgang mit Rentnerinnen
und Rentnern. Die Angleichung der Rente in den neuen
Bundesländern an das Niveau im Westen ist ein Trauer-
spiel. 20 Jahre sind ins Land gegangen, bevor Sie, liebe
Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU, nun ein ein-
heitliches Rentenrecht für Ost und West ankündigen.
Das fordern wir Linken schon lange. Es muss gelten:
gleicher Lohn für gleiche Arbeit und gleiche Rente für
gleiche Lebensleistung – in Ost und West.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Lebensleistung einer Rentnerin in Frankfurt (Oder)

verdient genauso viel Respekt wie die Lebensleistung ei-
nes Rentners in Frankfurt am Main. Ich weiß: Die Ren-
tenwerte anzuheben, geht nicht über Nacht. Aber fangen
Sie jetzt damit an!


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, sozial ist, was Würde
schafft. Erwerbsarbeit kann, muss aber nicht dazuzäh-
len. Eine mies bezahlte Arbeit für 3 oder 4 Euro in der
Stunde, befristet, ohne Perspektive, eine Arbeit, in die
das Jobcenter Erwerbslose drängt, solch ein Job er-
scheint den Betroffenen sinnlos. Solch eine Arbeit
schafft keine Würde, solch eine Arbeit beseitigt Würde.

Das Gleiche gilt für Sozialleistungen: Hartz IV ent-
würdigt, Hartz IV demütigt und Hartz IV verformt die
Menschen zu willigen und billigen Verkäuferinnen und
Verkäufern ihrer Arbeitskraft. Statt „Fördern und For-
dern“ hätte das Motto von Hartz IV eigentlich „Zwingen
und Schubsen“ heißen müssen. Das ist würdelos, und da-
rum muss Hartz IV überwunden werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Stattdessen brauchen wir „gute Arbeit“, die nieman-
den zum seelenlosen Verkäufer herabstuft, und gute So-
zialleistungen, die keine und keinen zum Bittsteller und
zur Verschiebemasse am Arbeitsmarkt herabwürdigen.
Darum schlagen wir Linken ein Zukunftsprogramm
vor, mit dem massenhaft neue, anständig bezahlte Ar-
beitsplätze entstehen könnten, zum Beispiel durch den
Ausbau der Kinderbetreuung, durch die Ausbildung von
Erzieherinnen und Erziehern, von denen wir viele und





Matthias W. Birkwald


(A) (C)



(D)(B)

gut qualifizierte brauchen, im Bereich der Gesundheits-
förderung und der Prävention, in der Erwachsenenbil-
dung und durch die Förderung der Integration von Zu-
wanderinnen und Zuwanderern.

Von Arbeit muss man leben können. Deswegen for-
dert die Linke einen flächendeckenden gesetzlichen
Mindestlohn, Herr Kolb, von 10 Euro brutto die Stunde.


(Beifall bei der LINKEN)


Mit 10 Euro brutto wären auf einen Schlag bis zu
400 000 Aufstockerinnen und Aufstocker aus Hartz IV
raus, die heute, obwohl sie den ganzen Tag arbeiten,
nicht genug zum Leben haben, und eine weitere halbe
Million Menschen, die Vollzeit zu Hungerlöhnen arbei-
ten, aber Hartz IV nicht in Anspruch nehmen, obwohl sie
aufstocken dürften, wären keine arbeitenden Armen
mehr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, seit
gestern schlagen Sie nun vor, die Bezugsdauer von
Arbeitslosengeld I auf bis zu 24 Monate zu verlängern.
Das findet die Linke gut, weil man auch damit das Ab-
rutschen in Hartz IV zeitweise verhindern kann.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aha!)


Das finden wir auch deshalb gut, weil wir Linken schon
im Juni 2009 gefordert haben, die Bezugsdauer von
Arbeitslosengeld I auf 24 Monate zu verlängern.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aha, das ist abgeschrieben!)


Aber mit Ihrem neuen Hartz-IV-Light-Konzept springen
Sie viel zu kurz. Sie scheuen den klaren Bruch mit der
Hartz-Logik. Machen Sie doch endlich Nägel mit Köp-
fen, und verabschieden Sie sich endgültig von Herrn
Hartz und seinen Untaten!


(Beifall bei der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, sozial ist, was
Würde schafft. Das gilt auch für Familien: Erstens. Kin-
der müssen frei von Armut aufwachsen können. Und
zweitens. Elternschaft darf kein Grund für Armut sein.
Darum muss der Kinderzuschlag deutlich angehoben
werden.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Die Würde von Kindern ist der Ausgangspunkt des
Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Kinder sind
keine kleinen Erwachsenen, und – das fügte das Gericht
hinzu – Erwachsene sind keine Bittstellerinnen und Bitt-
steller, deren Existenz vom Wohlwollen der Familie, der
Nachbarschaft oder von gemeinnützigen Einrichtungen
abhängen darf. Jeder Mensch in unserem Land hat ein
Recht auf die Sicherung seines grundlegenden Bedarfs.


(Beifall bei der LINKEN)


Dieses Recht darf nicht mit dem Verweis auf Pflichten
hintenherum wieder einkassiert werden. Darum treten
wir Linken für eine sanktionsfreie und für eine armuts-
feste soziale Mindestsicherung ein. Darum darf der Re-
gelsatz für Hartz-IV-Betroffene nicht zu niedrig ange-
setzt werden.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Armutsfest heißt 880 Euro im Monat?)


Bildung, Bildung, Bildung schallt es aus allen Ecken,
wenn Lösungsvorschläge gefragt sind. Aber wie viele
Euro sind im Regelsatz für Hartz-IV-Betroffene für Bil-
dung vorgesehen? Nichts, nullkommanull, zero, nada,
niente. Ändern Sie das, und zwar sofort!


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Meine Damen und Herren, wir alle sollten uns einig
sein, dass sich auch Hartz-IV-Betroffene gesund ernäh-
ren können müssen. Auch das ist eine Frage der Würde.
Auch darum ist die Anhebung des Regelsatzes dringend
notwendig, und zwar nicht nur auf 420 Euro, nicht nur
auf 440 Euro, sondern auf mindestens 500 Euro im Mo-
nat.


(Beifall bei der LINKEN)


Sozial ist, was Würde schafft. Hartz IV ist bereits Ar-
mut per Gesetz. Flüchtlinge jedoch erhalten nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz noch ein Drittel weniger.
Das ist reine Willkür, und – lassen Sie mich das hier
auch sagen – das ist verfassungswidrig. Menschenwürde
zweiter Klasse darf es nicht geben.


(Beifall bei der LINKEN)


Für uns Linke ist selbstverständlich: Würde ist keine
Frage der Staatsangehörigkeit. Das folgt auch aus dem
Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Darum, liebe
Kolleginnen und Kollegen von der Koalition: Schaffen
Sie dieses Sondergesetz für Flüchtlinge endlich ab!

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702903300

Die Kollegin Dr. Claudia Winterstein hat das Wort für

die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Rede ID: ID1702903400

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Der Haushalt des Arbeitsministeriums ist, wie
hier schon gesagt wurde, der größte Einzeletat im Bun-
deshaushalt. Er macht 45 Prozent des Gesamtetats aus,
nämlich 143,2 Milliarden Euro. Das ist eine gewaltige
Summe. Dieser Etat verbraucht zwei Drittel der gesam-
ten Steuereinnahmen des Bundes. Er ist im Laufe der
Jahre immer weiter angewachsen. 2006 lagen die Ausga-
ben noch bei 119,8 Milliarden Euro. Für dieses Jahr, für
2010, sollen sie, wie gesagt, bei 143,2 Milliarden Euro
liegen. Dass das so nicht weitergehen kann, muss uns al-
len aufgrund der immens hohen Neuverschuldung klar
sein. Auch dieser Etat muss seinen Beitrag bringen. Das
ist klar.

Wir haben in den Beratungen dieses Haushaltsplans
mit ersten Einsparungen ein richtiges Signal gesetzt.
Der Ansatz für diesen Haushalt liegt jetzt um 9,9 Milli-





Dr. Claudia Winterstein


(A) (C)



(D)(B)

arden Euro niedriger als der des ersten Entwurfs, der
noch von Herrn Steinbrück stammte.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Durch 900 000 Arbeitslose weniger!)


Er liegt auch 3,6 Milliarden Euro niedriger als der An-
satz des zweiten Entwurfs, den Minister Schäuble vorge-
legt hat.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Durch 400 000 Arbeitslose weniger!)


Aufgrund der besseren Arbeitsmarktzahlen gegenü-
ber der Herbstprognose – jetzt spreche ich das an, was
Sie vorhin erwähnt haben – ist es so, dass die Bundesa-
gentur für Arbeit 3,2 Milliarden Euro weniger benötigt
und dass wir für das Arbeitslosengeld II 400 Millionen
Euro weniger ansetzen können. Über diese Entwicklung
können wir uns freuen. Wir haben aber noch weitere An-
träge gestellt, die zu Kürzungen von 26,2 Millionen
Euro geführt haben. Sie hätten gerne für diese Anträge
stimmen können, Frau Hagedorn. Ich kann mich sehr gut
daran erinnern, dass Sie das nicht getan haben.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Wir haben eigene Anträge gestellt!)


Als deutliches Signal für einen sorgfältigen Umgang
mit Steuergeldern hat die Koalition außerdem beim Etat-
posten „Eingliederungsbudget“ eine Sperre von 900 Mil-
lionen Euro verfügt. Das ist schon vielfach erwähnt wor-
den. Wir haben im letzten Jahr 10,1 Milliarden Euro in
diesem Bereich ausgegeben. Genau diese Summe kann
ohne Weiteres auch dieses Jahr ausgegeben werden.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Bei steigenden Arbeitslosenzahlen!)


Ich verstehe die Panikmache überhaupt nicht. Dieser Be-
trag steht ohne Wenn und Aber zur Verfügung. Es geht
lediglich um den Aufwuchs. Sie wollen hoffentlich nicht
behaupten, dass der Aufwuchs, der noch gar nicht be-
schlossen worden ist, im Prinzip schon ausgegeben wor-
den ist.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist falsch, Frau Winterstein! – Bettina Hagedorn [SPD]: Bei steigender Arbeitslosigkeit sparen Sie pro Kopf!)


Diese 900 Millionen Euro, die oben draufgesattelt
worden sind – das ist eine ganz beträchtliche Summe –,
werden mit einer Sperre versehen. Wenn Herr Schneider,
der leider nicht mehr anwesend ist und der schon seit elf
Jahren Mitglied im Haushaltsausschuss ist, den Unter-
schied zwischen einer Sperre und einer Kürzung nicht
kennt,


(Bettina Hagedorn [SPD]: Den kennen wir alle!)


dann muss ich sagen, dass er im Haushaltsausschuss an
der falschen Stelle ist.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Bettina Hagedorn [SPD]: Das ist doch eine Defacto-Kürzung!)

Frau Hagedorn, ich kann nur hoffen, dass Sie den Fehler
von Herrn Schneider nicht ebenfalls begehen, sondern
etwas klüger und ehrlicher sind und hier keine Verhet-
zungspolitik betreiben.


(Katja Mast [SPD]: Sie hat niemanden verhetzt! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sie haben doch den Mist angerichtet, Frau Winterstein! – Gegenruf des Abg. Norbert Barthle [CDU/CSU]: Mist ist doch das, was Sie hier erzählen!)


Sie sollten klar sagen, dass diese Sperre aufgehoben
wird, wenn wir vom Ministerium entsprechende Infor-
mationen bekommen und wenn ein Konzept vorgelegt
wird, durch das deutlich wird, dass wir die Mittel sorg-
fältig einsetzen.


(Katja Mast [SPD]: Was Sie machen, ist ein Skandal!)


Ich will an dieser Stelle Herrn Weise zitieren, der ge-
sagt hat, er widerspreche Berichten, demzufolge die BA
im Zusammenhang mit der Haushaltssperre vor steigen-
der Langzeitarbeitslosigkeit warne. Er unterstütze die
Auffassung des Haushaltsausschusses, wonach die Wirk-
samkeit von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen erhöht
werden könne.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Da hat er wohl einen Anruf von Frau von der Leyen bekommen!)


Das ist genau unser Ziel. Deswegen werden wir warten
und schauen, wie das Konzept aussehen wird. Dann kön-
nen wir diese Sperre aufheben. Es besteht also kein
Grund zur Panik. 10,1 Milliarden Euro stehen ohne Wei-
teres zur Verfügung.

Meine Damen und Herren, es gibt noch einen weite-
ren Punkt, der uns alle sehr beschäftigt. Es geht um die
Frage, was eigentlich aus dem Eingliederungstitel be-
zahlt wird. Frau Hagedorn, Sie haben von Qualifizie-
rungsmaßnahmen gesprochen. Schauen Sie einmal
genau hin: Qualifizierungsmaßnahmen machten nur
18,2 Prozent der Leistungen zur Eingliederung aus. Der
größte Posten im gesamten Instrumentenkasten waren
mit fast 37 Prozent die Ein-Euro-Jobs. Diese stehen nun
überall, auch bei der Opposition, in der Kritik. Das sollte
uns in der ganzen Debatte etwas vorsichtiger werden las-
sen.

Über Äußerungen aus der SPD zur gemeinnützigen
Arbeit bei Hartz IV ist ja in der vergangenen Woche
viel berichtet worden.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen doch einen Arbeitsdienst Schneeschippen!)


Herr Heil hat davon gesprochen, für deutlich mehr als
100 000 Langzeitarbeitslose mit schweren Beschäfti-
gungshemmnissen müsse eine öffentlich bezahlte Be-
schäftigung außerhalb des regulären Arbeitsmarktes
geschaffen werden. Das haben wir schon, allerdings
ziemlich erfolglos. So hat Herr Müntefering 2008 ein
Beschäftigungsprogramm für Langzeitarbeitslose mit





Dr. Claudia Winterstein


(A) (C)



(D)(B)

dem Titel „Kommunal-Kombi“ aufgelegt. Da hieß es
ebenfalls, es sollten 100 000 Jobs für Langzeitarbeitslose
geschaffen werden. Tatsächlich hat dieses Programm die
Erwartungen bei weitem nicht erfüllt.


(Widerspruch der Abg. Katja Mast [SPD])

Auch bei der JobPerspektive, die Ende 2007 aufgelegt
wurde, waren 100 000 Personen angepeilt. Auch hier ist
das Ziel bei weitem nicht erreicht worden.

Das gestern vorgestellte SPD-Konzept spricht jetzt
davon, mit Mehrausgaben von 3 Milliarden Euro
200 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze für
Arbeitslose zu schaffen. 3 Milliarden Euro Mehrausga-
ben! Ich möchte nur daran erinnern: Noch vor einer Wo-
che hat Frau Kraft behauptet,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Wer ist Frau Kraft?)


man werde eine Lösung ohne Mehrkosten für den Staat
finden. Diese Äußerung hatte also eine sehr kurze Halb-
wertszeit.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Katja Mast [SPD]: Sie zerstören gerade alles, was es da gibt, Frau Winterstein!)


Im Übrigen hat die Bundesagentur zu Recht darauf
hingewiesen, dass es schon jetzt in erheblichem Umfang
gemeinnützige Jobs für Langzeitarbeitslose gibt, näm-
lich im Rahmen der sogenannten Ein-Euro-Jobs. Im Fe-
bruar 2010 befanden sich 288 300 Personen in solchen
Arbeitsgelegenheiten. Natürlich muss man sagen: Bei
diesen Ein-Euro-Jobs gibt es erhebliche Probleme. Ich
will aus dem jüngsten Prüfbericht zitieren:

In etwa der Hälfte der geprüften Fälle konnte das
öffentliche Interesse und in zwei Drittel der Fälle
die Zusätzlichkeit und Wettbewerbsneutralität nicht
festgestellt werden.

(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist für Sie nur Schneeschippen!)

Das Handwerk hat im Zuge dieser Debatte deutlich dar-
auf hingewiesen, dass es schon lange schlechte Erfah-
rungen mit diesem Instrument sammelt. Herr Heil, Sie
reden hier über einen steuerfinanzierten Schattenarbeits-
markt, über nichts anderes. Wir wollen in der Regierung
hingegen alles dafür tun, dass Menschen wieder im ers-
ten Arbeitsmarkt Fuß fassen können.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das einzige, was hier hilft, ist wirtschaftlicher Auf-
schwung mit neuen Arbeitsplätzen,


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Beim Schneeschippen!)


die von den Unternehmen geschaffen werden.

(Katja Mast [SPD]: Qualifizierung ist das Schlüsselwort! Und das kostet Geld!)

Genau das ist unser Ziel.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Spätrömische Dekadenz!)


Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702903500

Brigitte Pothmer hat jetzt das Wort für Bündnis 90/

Die Grünen.


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702903600

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Vor-

lage des Haushalts ist immer auch die materielle Ant-
wort auf die Frage: In welcher Gesellschaft wollen wir
eigentlich leben? Dieser Haushaltsentwurf spiegelt eine
Gesellschaft wider, die große soziale Ungleichheiten för-
dert und erhält. Sie fördern mit diesem Haushaltsentwurf
und Ihrer Politik die soziale Spaltung. Sie tun leider
nichts, um – hier hat Deutschland das größte Problem –
die Möglichkeiten zum sozialen Aufstieg zu verbessern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ist das ein Vorwurf an die SPD und Herrn Steinbrück?)


Die Stärke eines Volkes misst sich am Wohle der
Schwachen: Das wäre die richtige Ausgangsthese für die
in den letzten Wochen vor allen Dingen von der FDP so
ohrenbetäubend herbeigebrüllte Sozialstaatsdebatte ge-
wesen. Was für eine Gesellschaft wünschen sich eigent-
lich diejenigen, die das Credo „Leistung muss sich wie-
der lohnen“ vor sich hertragen? Was bedeutet diese
These für die Arbeitslosen?


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Mehr Würde!)


Was bedeutet das für die Behinderten und Flüchtlinge?
Das sind für Sie im Wesentlichen Kostenfaktoren. Was
bedeutet das zum Beispiel für die Friseurin in Sachsen
mit 3,06 Euro die Stunde? Bei Ihnen fangen Leistungs-
träger erst ab einer bestimmten Gehaltsgruppe an. Egal
ob sich die Menschen von morgens bis abends abplagen,
bei Ihnen kommen sie jedenfalls nicht in den Status ei-
nes Leistungsträgers.

Ich sage Ihnen: Wenn Sie für diese Leute etwas tun
und zugleich den Haushalt entlasten wollen, dann führen
Sie einen gesetzlichen Mindestlohn ein!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Das IAB hat vorgerechnet: Schon bei einem Mindest-
lohn von 7,50 Euro könnten im Aufstockerbereich
1,5 Milliarden Euro eingespart werden. So weit zu der
These, die Opposition mache nur Vorschläge, die den
Haushalt belasten. Das Gegenteil ist der Fall.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Vorschläge zulasten Dritter waren schon immer die Qualität der Grünen!)


Ihre ideologische Bockbeinigkeit verhindert, dass wir in
diesem Haushalt Einsparungen erreichen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)






Brigitte Pothmer


(A) (C)



(D)(B)

Wenn eine freie Gesellschaft nicht den vielen hel-
fen kann, die arm sind, kann sie auch nicht die we-
nigen retten, die reich sind.

Das hat John F. Kennedy gesagt; er war bekanntermaßen
kein Kommunistenführer. Vielleicht führt das dazu, dass
Sie ins Nachdenken kommen. Bis jetzt sieht das aller-
dings nicht so aus.

Ich komme zu Ihnen, Frau von der Leyen. Die Frage,
wie das mit den Regelsätzen weitergeht, wird irgend-
wann beantwortet werden müssen. Ich hatte mir – das
muss ich Ihnen sagen – allerdings erhofft, dass Sie die
Situation der Kinder im Härtefallkatalog deutlich ver-
bessern. Aber Schulmaterialien und Schulverpflegung
sind von Ihrem Härtefallkatalog explizit ausgenommen.
Sie sagen, Sie wollen auf Infrastruktur setzen. Ich sage
Ihnen: Hier hätten Sie die Chance gehabt, einen Beitrag
dazu zu leisten und an dieser Stelle entsprechende Maß-
nahmen zu realisieren. Ich fürchte, dass die Kinder
längst aus der Schule raus sind, bis Ihren Worten Taten
folgen. Aber es ist so: Den Kindern knurrt heute der Ma-
gen. Die Kinder brauchen heute Unterstützung bei den
Schulmaterialien.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702903700

Frau Kollegin Pothmer, gestatten Sie eine Zwischen-

frage des Kollegen Weiß?


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702903800

Ja, Herr Weiß. Ich dachte schon, es sei der Kollege

Kolb. Aber der hat sein Deputat an Fragen für diese Le-
gislaturperiode schon erschöpft.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was? Für die ganze Legislatur?)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702903900

Bitte schön.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1702904000

Frau Kollegin Pothmer, Sie reden sich so in Rage. Ich

habe eine kurze Frage: Können Sie mir aus der Regie-
rungszeit von Rot-Grün einen Bundeshaushalt nennen,
in dem die Sozialausgaben sowohl in absoluten Zahlen
als auch in Prozent höher waren als im Bundeshaushalt
2010, den wir in dieser Woche beschließen?


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zielgenau!)



Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702904100

Geschätzter Herr Weiß, die Frage ist nicht, welche ab-

solute Summe für Sozialausgaben vorgesehen ist.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Prozentual!)


In den Sozialetat wird zum Beispiel auch hineingerech-
net, was Sie für den Gesundheitsfonds, den wir über-
haupt nicht brauchen und der teuer und schlecht ist, aus-
geben wollen. Das macht den Sozialetat teurer. Es geht
doch darum, wie wir das Geld ausgeben und für wen wir
das Geld ausgeben. In dieser Hinsicht ist der vorliegende
Haushalt ein schlechtes Beispiel, deutlich schlechter als
es ein rot-grüner Haushalt jemals war.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich komme zu den 900 Milliarden – –


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Millionen!)


Ich komme zu den 900 Millionen Euro, die bei der För-
derung von Arbeitslosen eingespart werden sollen.


(Dr. Claudia Winterstein [FDP]: Gesperrt werden sollen!)


Herr Fischer, ich würde gerne von Ihnen wissen, ob Sie
eigentlich zu den Vorschlägen, die aus Ihrer eigenen
Fraktion kommen, nämlich diese Sperrung zurückzuneh-
men, stehen? Ich frage Sie: Weiß bei Ihnen eigentlich die
rechte Hand, was die linke tut?


(Bettina Hagedorn [SPD]: Genau!)


Eines ist jedenfalls klar:


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Wir wissen immer, was die Linke tut! – Gegenruf des Abg. Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sie wissen aber vorher nicht, was die Rechte tut! Das ist schlecht!)


Wenn Sie diese Sperre nicht zurücknehmen, dann wird
eine große Zahl der Jobcenter ab Mitte des Jahres hand-
lungsunfähig sein. Das ist Ihre Antwort auf das Krisen-
jahr 2010, Herr Fischer, aber das ist die falsche Antwort.
Diese Kürzung muss weg.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Welche Kürzung?)


Sie haben nachher die Gelegenheit, diese Kürzung zu-
rückzunehmen


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Hören Sie auf mit dieser Falschdarstellung!)


und unserem Antrag zuzustimmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Norbert Barthle [CDU/ CSU]: Sie verunsichern die Menschen! Das ist schäbig und unanständig!)


Zur JobPerspektive. Auch in diesem Bereich arbeiten
Sie mit List und Tücke. Sie sprechen sich zwar für die
JobPerspektive aus, aber Sie deckeln die Mittel für die
Jobcenter insbesondere in den Kommunen, in denen es
am besten läuft. Ein Beispiel: Ein Berliner Jobcenter
hatte hier in Planung, 500 Arbeitsplätze über die JobPers-
pektive zu schaffen. Jetzt haben Sie die Mittel für die
Berliner gedeckelt, und so wird es 290 Arbeitsplätze
nicht geben. Allein in einem Berliner Jobcenter werden
290 Menschen ohne Arbeit und ohne Perspektive sein.

Sie treten nicht für das Credo „mehr Gerechtigkeit“
ein, sondern Ihr Credo umfasst einen kruden Leistungs-
begriff. Ihre Aufgabe wäre es, an anderer Stelle durchzu-





Brigitte Pothmer


(A) (C)



(D)(B)

greifen, nämlich dort, wo Schamlosigkeit, Gier und kor-
ruptes Verhalten bei den Eliten herrscht. In diesem
Bereich tun Sie nichts. Es wäre Ihr Auftrag gewesen,
hier mehr Gerechtigkeit zu schaffen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/ CSU]: Deshalb macht die SPD auch keine Vermögensprüfung mehr!)


Indem Sie diesen Haushalt vorlegen, machen Sie offen
gestanden eine anstrengungslose Regierungspolitik. Das
ist nahe an spätrömischer Dekadenz.

Ich danke Ihnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702904200

Das Wort hat die Bundesministerin Ursula von der

Leyen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
Arbeit und Soziales:

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu-
nächst einmal möchte ich dem Hohen Haus, aber auch
dem Haushaltsausschuss sowie den Berichterstatterinnen
und Berichterstattern für ausgesprochen konstruktive
Beratungen danken.

Noch ein Wort vorweg, weil mir die Themen „Bil-
dung“ und „bedürftige Kinder“ am Herzen liegen: Frau
Pothmer, Sie wissen, dass wir das in diesem Jahr beraten
und abschließen müssen, weil das Urteil des Bundesver-
fassungsgerichts das ganz klar sagt. Insofern wird diese
Debatte geführt werden, wenn auch nicht heute. Im
Laufe dieses Jahres wird dieses Thema aber abgeschlos-
sen sein.


(Beifall der Abg. Gitta Connemann [CDU/ CSU])


Das zeigt, dass die Arbeits- und Sozialpolitik den
Blick vor allem nach vorne richten muss. Sie kann ge-
stalten, sie kann bewegen, sie ist entscheidend, wenn es
darum geht – zumindest werden diese Fragen durch sie
beantwortet –, wie offen, wie stark, wie engagiert, wie
zukunftsgewandt, wie kommunikativ, wie optimistisch
eine Gesellschaft ist.

Nehmen wir ein Beispiel: Für das Umändern von
Arbeits- und Sozialpolitik in Zeiten der Krise ist das
Kurzarbeitergeld vielleicht ein Synonym. Das ist ein
arbeitsmarktpolitisches Instrument, das lange ein Schat-
tendasein geführt hat.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das haben Sie verschlechtert!)


Der beherzte Ausbau und Einsatz dieses Instruments hat
dazu geführt, dass Hunderttausende Arbeitsplätze in der
Krise gerettet worden sind, dass die Entstehung von
Langzeitarbeitslosigkeit verhindert worden ist, dass
Kaufkraft und Zuversicht erhalten worden sind. Deshalb
ist Deutschland im Augenblick wohl das einzige Land,
in dem die Krise auf dem Arbeitsmarkt emotional und
real nicht so stark durchschlägt wie in anderen Ländern.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Dank Olaf Scholz!)


Wir werden, wenn wir das weiter so gut machen, stärker
aus der Krise herauskommen als viele andere Länder.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich weiß, dass das Geld kostet. Aber es ist günstiger,
frühzeitig in die Vermeidung von Arbeitslosigkeit zu in-
vestieren, als nachträglich Arbeitslosigkeit finanzieren
zu müssen und mit all ihren langwierigen materiellen
und psychologischen Folgen umgehen und diese kurie-
ren zu müssen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sagen Sie das Ihren Haushältern, Frau von der Leyen!)


Deshalb möchte ich an dieser Stelle klarstellen: Das
Vorurteil, dass das Kurzarbeitergeld Großkonzernen auf
Kosten des Mittelstandes geholfen hätte, stimmt nicht.
Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben jetzt die Zahlen für
das letzte Jahr. Die Daten, die vorliegen, zeigen, dass
56 Prozent der Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter in
mittelständischen Betrieben arbeiten, in Betrieben mit
zwischen 20 und 500 Beschäftigten. 15 Prozent arbeiten
in Betrieben mit weniger als 20 Beschäftigten. Somit
zeigt sich ganz deutlich, dass sich dieses Kurzarbeiter-
geld ausgezahlt hat. Es ist beherzt investiert worden, und
es ist frühzeitig gehandelt worden. Wir haben vertraute
Pfade verlassen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle
dem gesamten Hohen Haus danken; denn das ist ein Zei-
chen für den Zusammenhalt in der Krise gewesen. Die
Früchte davon ernten wir heute in hohem Maße.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das zeigt sich auch beim Haushalt des Bundesminis-
teriums für Arbeit und Soziales: 143,2 Milliarden Euro.
Das sind 3,6 Milliarden Euro weniger, als ursprünglich
veranschlagt. Diese positive Entwicklung ist im Wesent-
lichen auf einen einzigen Faktor zurückzuführen, auf
den eben beschriebenen Erfolg, darauf, dass sich der Ar-
beitsmarkt in Deutschland besser gehalten hat, als dies in
anderen Ländern der Fall gewesen ist.

Ich möchte aber auch ganz deutlich sagen: Wir gehen
zwar mit einer relativ starken Position in das Jahr 2010
– wir haben in Europa gewissermaßen die Pole Position
inne –, aber wir sollten uns nichts vormachen. Die größte
Wucht der Krise ist durch betriebsinterne Flexibilität
abgefedert worden. Das bedeutet für den Arbeitsmarkt:
Es wird noch lange dauern, bis Betriebe wieder einstel-
len werden. Wir sind noch lange nicht aus der Krise her-
aus. Wir müssen dies bei all den Diskussionen, die im
Augenblick laufen, gewissermaßen als Warnlampe in-
nerlich mitführen.

Gerade angesichts der aktuellen Diskussion über die
Arbeitsmarktpolitik möchte ich klarstellen, dass für
mich in der Arbeitsmarktpolitik der Dreisatz gilt: Erst
einmal auf die Stärken der Menschen schauen. Dieses





Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen


(A) (C)



(D)(B)

Land braucht jeden und das, was er oder sie kann. Um-
gekehrt gilt: Jeder muss sich nach seinen Fähigkeiten
und Möglichkeiten einbringen, muss sich erst selbst an-
strengen; denn erst dann hilft ihm der Staat und nicht
umgekehrt. Schlussendlich justiert Politik den Rahmen,
in dem dann die richtigen Anreize gesetzt werden. Des-
halb ist es bei der Diskussion über die Haushaltsmittel so
wichtig, dass nicht nur die Höhe, sondern auch Zweck
und Ziel der Ausgaben debattiert werden.

Ganz entscheidend sind eine schnelle passgenaue Ak-
tivierung und Arbeitsvermittlung. Das spart dem Sozial-
staat Geld, weil Langzeitarbeitslosigkeit verhindert wird
und all die Folgen für die Familien nicht zu tragen sind.
Die Frage ist also immer: Wo können wir besser wer-
den? Das beziehe ich auch ganz bewusst auf die Sperre
von 900 Millionen Euro im Eingliederungs- und Verwal-
tungsetat für Grundsicherung. Die Freigabe der Mittel ist
an die Vorlage eines Konzepts geknüpft. Ich nehme die-
sen Auftrag ernst und nehme ihn selbstverständlich an.

Kernziel ist und bleibt die Vermittlung in den ersten
Arbeitsmarkt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Diesen Prozess, die schnelle Vermittlung, müssen wir
stringenter und systematischer organisieren. Die Men-
schen wollen arbeiten. Sie brauchen dazu passgenaue
Angebote. Keine Seite darf sich an die Arbeitslosigkeit
gewöhnen, weder die Arbeitslosen noch die Verwaltung.

Mit anderen Worten: Wo können wir besser werden?
Es gibt drei Felder, die mir wichtig sind.

Erstens die Passgenauigkeit und schnelle Taktung
der Angebote. Man muss von Anfang an klären: Wie ist
der Standort? Welche Stärken hat jemand? Wo sind die
Defizite? Wo gibt es Vermittlungshindernisse? Es muss
Sofortangebote und Termine in schneller Taktung geben,
damit sich klärt, wer wirklich arbeiten will und wer viel-
leicht vergessen hat, dass er woanders mehr Arbeit hat.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es geht um die konsequente Bereitschaft zum Mitma-
chen, das konsequente Anbieten von Angeboten und
Qualifizierung sowie die Vermittlungsbemühungen; dies
zeigt sich in allen Daten. Das führt zum Erfolg, und zwar
für die Arbeitslosen, für die Arbeitgeber, für die Jobcen-
ter und damit auch für den Sozialstaat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das zweite Feld, bei dem wir besser werden können
und müssen, betrifft die Alleinerziehenden. Arbeitslo-
sigkeit hat immer eine Ursache. Aber wir können doch
nicht akzeptieren, dass die Ursache für Arbeitslosigkeit
ein Kind ist. Das ist die Kausalkette bei den Alleinerzie-
henden. 40 Prozent aller Alleinerziehenden sind in
Langzeitarbeitslosigkeit. Sie sind jünger und qualifizier-
ter als der Durchschnitt der Langzeitarbeitslosen. Sie
bleiben länger in der Langzeitarbeitslosigkeit als alle an-
deren Langzeitarbeitslosen. Warum? Weil ihnen die An-
gebote für Kinderbetreuung oder Ganztagsschulplätze
fehlen. Da müssen wir besser werden. Es ist ein Armuts-
zeugnis für ein Land, wenn ein Kind die Ursache für
Langzeitarbeitslosigkeit ist. Dies muss sich ändern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das dritte Feld, das mir wichtig ist, betrifft Jugendli-
che. Wir müssen neue Akzente bei der Vermittlung von
Jugendlichen setzen, indem wir den Blick auf Kontinui-
tät und Verlässlichkeit schärfen. Es gibt gerade bei den
Jugendlichen viel zu viele Bruchstellen in der Kette der
Maßnahmen. Es gibt Berufsberatung in der Schule, die
Arbeitsvermittlung, die Berufsvorbereitung und die
Matching-Beauftragten bei den IHKs. Jeder ist vielleicht
an seiner Stelle richtig, aber zum Schluss ist es eine
Kette von Erlebnissen des Scheiterns für die Jugendli-
chen, wenn sie von einer Hand zur nächsten gereicht
werden. Wenn wir dieses große Wort „Hilfe aus einer
Hand“ ernst nehmen wollen, dann muss es vor allem bei
den jungen Menschen gelten, die einen Anker, einen
Mentor brauchen. Es ist der richtige Moment, das Kon-
zept „Hilfe aus einer Hand“ in einer Person neu umzu-
setzen.


(Zuruf von der SPD: Hilfe unter einem Dach!)


Ich möchte an dieser Stelle noch einmal sagen, dass
ich nach wie vor der Überzeugung bin – das habe ich in
der kurzen Zeit in diesem Amt immer wieder betont –,
dass die Arbeitsmarktreformen der letzten Jahre in die
richtige Richtung gegangen sind. Sie hatten den Grund-
satz, Menschen durch Aktivierung eine reelle Chance zu
geben, weil jeder Monat länger in Arbeitslosigkeit das
Risiko erhöht, dass sich Langzeitarbeitslosigkeit verfes-
tigt. Ich nenne zwei Zahlen. 2005 waren 37 Prozent der
Menschen, die arbeitslos waren, länger als ein Jahr ohne
Arbeit. Dann kamen die Arbeitsmarktreformen. 2009,
mitten im Krisenjahr, waren es nur noch 29 Prozent, die
länger als ein Jahr arbeitslos waren. Das heißt, es waren
weniger. Jetzt können wir doch nicht die Rolle rückwärts
machen, indem wir wieder in die alten Fehler verfallen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Bettina Hagedorn [SPD]: Das tun wir auch nicht!)


Deshalb, liebe SPD, ich hätte bezüglich des Konzepts
gestern mehr erwartet.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wo ist denn Ihr Konzept?)


Dazu muss ich an dieser Stelle ein paar kritische Worte
sagen. Ich lese: länger Arbeitslosengeld bei Qualifizie-
rung.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ja, genau!)


Ein Blick ins Gesetz genügt, um zu sehen: Das steht
schon drin. Das ist nichts Neues. Das ist ungefähr so pri-
ckelnd wie ein abgekautes Kaugummi.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Katja Mast [SPD]: Nein! Das stimmt nicht!)


Die Regelung, dass das Arbeitslosengeld I bei Qualifi-
zierung länger bezogen werden kann, gibt es schon
heute. Im Extremfall geht das bis zu 36 Monate.





Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen


(A) (C)



(D)(B)

An einer anderen Stelle habe ich mir die Augen gerie-
ben: Sie beklagen, dass es zu viel Teilzeit gibt. Wer hat
denn das Recht auf Teilzeit – übrigens vernünftiger-
weise, weil es kaum eine reelle Chance auf Vereinbarkeit
von Beruf und Familie gab – eingeführt?


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Gute Frage! Wer war das denn?)


Es war die SPD bzw. es war, um es korrekt zu sagen,
Rot-Grün. Jetzt läuft das. Die Menschen nehmen sich
das Recht auf Teilzeit. Die unbefristete Teilzeit – ich be-
tone: die unbefristete – expandiert, nicht als Verdrän-
gung der Vollzeit, sondern als Ergänzung der Vollzeit.
An den entsprechenden Arbeitsmarktzahlen lässt sich
ablesen: Oft ist die Teilzeit ein Übergang in die Vollzeit.
Nachdem sich der Erfolg nach einigen Jahren eingestellt
hat, kann es jetzt doch nicht heißen: Rein in die Kartof-
feln und wieder raus aus den Kartoffeln. Das kann kein
Konzept für die Zukunft sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Mir ist wirklich an diesem Thema gelegen.

Ich weiß, dass wir in der Vergangenheit Fehler ge-
macht haben. Diese Fehler muss man in der Zukunft kor-
rigieren; das akzeptiere ich immer. Aber den Blick zu-
rück zu werfen, wie Sie es bei den beiden Punkten, die
ich gerade exemplarisch genannt habe, vorschlagen,
kann keine Antwort sein. Wir leben in einer sozialen
Marktwirtschaft. Wir alle sind der festen Überzeugung:
Sie ist das Richtige. Sie zeichnet sich aus durch Wettbe-
werb und durch Freiheitlichkeit, aber mit Maß und
Mitte, mit Leitplanken. Unsere Aufgabe muss es sein,
diese richtigen Grundprinzipien heute in eine moderne,
in eine globalisierte Arbeitswelt zu übersetzen. Daran
möchte ich mit Ihnen gemeinsam arbeiten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702904300

Der Kollege Hubertus Heil hat das Wort für die SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1702904400

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Frau von der Leyen, die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer und die arbeitsuchenden Menschen in die-
sem Land brauchen mehr als Ihre warmen Worte. Die
brauchen Taten. Sie sind Ministerin.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Und was für eine!)


Sie beschreiben schön die Zusammenhänge.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Die ist doch wirklich gut, nicht wahr?)


Sie kritisieren, was andere wollen. Sie sagen aber nicht,
was Sie selbst wollen. Das ist für eine Bundesministerin
für Arbeit und Soziales ungenügend.

(Beifall bei der SPD)


Gehen wir die einzelnen Punkte einmal durch. Es war
viel die Rede von Fördern und von Fordern. Auf einmal
heißt es wieder: Hilfe aus einer Hand. Herzlich willkom-
men im Klub! Vor ein paar Wochen haben Sie noch von
Hilfe unter einem Dach gesprochen. Es ist sehr vernünf-
tig, dass Sie wieder auf sozialdemokratische Positionen
einschwenken, zumindest verbal. Bemühen wir uns, dass
wir das hinkriegen.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Wer mit zwei Händen gibt, gibt mehr als mit einer!)


Aber was nützt die Hilfe aus einer Hand, wenn es eine
leere Hand ist? Herr Barthle, so einfach können Sie sich
das nicht machen. Sie haben im Bereich der aktiven Ar-
beitsmarktpolitik ohne Not 900 Millionen Euro gesperrt.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt kriegen Sie sich mal wieder ein!)


Es ist zynisch, wenn die FDP so etwas beantragt und im
gleichen Zuge über die Arbeitsunwilligkeit von Lang-
zeitarbeitslosen räsoniert. Wer denen die Chancen raubt,
der darf nicht über vermeintliche Arbeitsunwilligkeit rä-
sonieren. Das wäre zynisch. Deshalb ist unser Antrag
heute klar: Heben Sie diese Sperre auf! Sie nimmt den
Menschen Chancen auf Arbeit. Den Menschen Chancen
zu geben, muss aber unser Ziel sein.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Sie haben der Ministerin wohl nicht zugehört, Herr Heil! Denn dann wären Sie klüger!)


– Herr Barthle, es ist interessant, dass die Ministerin, so-
zusagen aus Ärger über die eigenen Haushälter, wieder
beim Haushaltsausschuss angekrochen kommen muss,
um die Aufhebung dieser Sperre zu beantragen. Aber
die Folgen in der Praxis – schauen Sie sie sich in den Ar-
gen an – sind frappierend.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Aha! Sehr interessant! Haben die etwa schon 11 Milliarden Euro verbraucht? Sie reden doch so einen Stuss! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das ist definitiv Blödsinn!)


Da Sie Herrn Weise zitiert haben, sage ich Ihnen: Ich
kann mir vorstellen, wie das gelaufen ist. Die Folgen der
Kürzungen, die Sie planen, sind in der Bundesagentur
für Arbeit berechnet worden. Vor Ort wird es 100 Argen,
100 Jobcenter geben, die in der zweiten Jahreshälfte
keine aktive Arbeitsmarktpolitik mehr machen können.
Das ist die Folge Ihrer Politik.


(Beifall bei der SPD – Norbert Barthle [CDU/ CSU]: Ach was! Das tritt nur in dem Fall ein, wenn die Sperre nicht aufgehoben wird! Das ist doch schäbig, was Sie hier machen! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Wir sind noch in der ersten Hälfte!)


Frau von der Leyen hat wahrscheinlich Wut bekom-
men, dass die Bundesagentur die Wahrheit beschrieben
hat. Dann hat sie Herrn Weise angerufen, ihn zurückge-





Hubertus Heil (Peine)



(A) (C)



(D)(B)

pfiffen und ihn aufgefordert, sich freundlicher zu äußern,
da sie ja beantragen werde, dass die Sperre wieder auf-
gehoben wird.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Blödsinn!)


Aber bis dahin herrscht in den Jobcentern Attentismus.
Die Maßnahmen für die zweite Jahreshälfte müssen be-
antragt werden, damit die Leute Chancen haben. Das
scheitert im Moment an Ihnen.


(Beifall bei der SPD – Volker Kauder [CDU/ CSU]: So ein Unsinn! – Gegenruf des Abg. Christian Lange [Backnang] [SPD]: Reden Sie vor Ort mit den Leuten! Ihre Politik ist eine Katastrophe!)


Ich will Ihnen eines sagen: Ich befürchte, das, was Sie
mit dieser Sperre versuchen, ist nur ein Wetterleuchten
für das, was Sie in der zweiten Jahreshälfte, vor allen
Dingen nach der nordrhein-westfälischen Landtagswahl,
im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik tatsächlich
vorhaben. Sie wollen für Ihre verfehlte Steuer- und
Klientelpolitik die aktive Arbeitsmarktpolitik zu einem
Steinbruch machen. Das heißt nichts anderes, als dass
Sie, um FDP- und CDU/CSU-Klientel zu bedienen, be-
reit sind, den Schwächsten der Schwachen die Chancen
zu rauben. Das geht so nicht, und wir werden das atta-
ckieren.


(Beifall bei der SPD)


Frau von der Leyen, gänzlich geschwiegen haben Sie
heute wie so oft zum Thema „Recht und Ordnung auf
dem Arbeitsmarkt“. Es ist vollkommen in Ordnung,
wenn Sie davon sprechen, dass unser Ziel nach wie vor
sein muss, wo immer es geht Menschen in den ersten Ar-
beitsmarkt zu bringen.

Aber Sie verschließen die Augen davor, dass in vielen
Bereichen die Arbeit prekär geworden ist und dass es po-
litische Maßnahmen braucht, um dafür zu sorgen, dass
Menschen in ordentliche Arbeit kommen, in anständige
Arbeit, in Arbeit, von der sie leben können. Es ist ein
Zynismus sondergleichen, wenn FDP und CDU/CSU
Menschen, die Vollzeit arbeiten, Leistungsträger, zu
Leistungsempfängern machen, indem sie den Menschen
einen Mindestlohn nach wie vor vorenthalten und sie
dazu zwingen, zum Amt zu gehen und ergänzend
Arbeitslosengeld II zu beziehen. Machen Sie Schluss mit
der Aufstockerei! Sorgen Sie für Mindestlöhne, für an-
ständige Löhne, für Löhne, von denen die Menschen le-
ben können! Das ist die Aufgabe einer Arbeitsministe-
rin.


(Beifall bei der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702904500

Herr Kollege Heil, Ihr Kollege Schaaf würde Ihnen

gerne eine Zwischenfrage stellen.


Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1702904600

Gerne; herzlichen Dank!


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist eine bestellte Zwischenfrage!)


Anton Schaaf (SPD):
Rede ID: ID1702904700

Ich stelle normalerweise keine solche Zwischenfrage.

Aber die Ministerin hat in ihrer Rede zu den zentralen
Fragen, zum Beispiel zur Aufstockerproblematik – die
Sie, Kollege Heil, zu Recht angesprochen haben –, vor
allen Dingen aber zum Thema „Zeit- und Leiharbeit“,
insbesondere vor dem Hintergrund der Freizügigkeit,
nun wirklich überhaupt kein Wort gesagt.

Herr Kollege Heil, Sie haben vielleicht die Äußerun-
gen des Arbeits- und Sozialministers von Nordrhein-
Westfalen, Karl-Josef Laumann, CDU, wahrgenommen.
Herr Laumann hat am Wochenende gesagt: Wir müssen
gerade in diesem Bereich unbedingt handeln. Herr Heil,
stimmen Sie mit mir überein, dass Herr Laumann recht
hat? Würden Sie mir recht geben, dass wir in diesem Be-
reich unbedingt einen Mindestlohn brauchen?

Würden Sie mir darüber hinaus recht geben, dass es
die Unionsfraktion war, dass es Volker Kauder war, dass
es Staatssekretär Brauksiepe war, die in der letzten Le-
gislatur verhindert haben, dass im Bereich der Zeit- und
Leiharbeit für Recht und Ordnung gesorgt wird?


Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1702904800

Herr Kollege Schaaf, ich bin Ihnen sehr dankbar für

diese Frage.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Diese Frage war bestellt! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Peinlich!)


– Ja; aber ich werde sie jetzt beantworten. Das ist mein
gutes Recht. – Dieses Thema spielt bei Frau von der
Leyen gar keine Rolle; aber es beschäftigt die Menschen –
da können Sie aus der Unionsfraktion noch so zurufen.

Es ist tatsächlich so, dass es ein System von der
Leyen gibt: Man informiert sich aus Umfragen, was die
Menschen wichtig finden, nimmt das als Aufreißer – und
wendet sich dann gleich dem nächsten Thema zu. So war
es auch im Fall Schlecker. Frau von der Leyen hat sich
groß aufgeblasen, die Zustände bei Schlecker seien ein
Unding XXL. Es geht aber nicht darum, moralische
Appelle vom Stapel zu lassen, es geht darum, für Recht
und Ordnung zu sorgen und gegen den Missbrauch von
Zeit- und Leiharbeit vorzugehen. Dafür muss man ers-
tens den Mindestlohn für die Zeitarbeitsbranche, den
CDU/CSU und FDP verhindern, durchsetzen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Zweitens muss man dafür sorgen, dass für Zeit- und
Leiharbeitnehmer wie für Stammarbeitnehmer der
Grundsatz gilt: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Das
schafft Sicherheit, das sorgt für Recht und Ordnung auf
dem Arbeitsmarkt.

In Nordrhein-Westfalen, Herr Schaaf, läuft das glei-
che System von der Leyen ab, nur dass da das Exemplar
Laumann heißt. In einem Interview für die aktuelle Aus-
gabe des Spiegel hat er sich gegen den Missbrauch von
Zeit- und Leiharbeit gewendet. Doch was machen seine
Parteifreunde in Berlin? Wir müssen Tatenlosigkeit fest-
stellen.





Hubertus Heil (Peine)



(A) (C)



(D)(B)

Frau von der Leyen, wo ist Ihr Konzept für den
Kampf gegen den Missbrauch von Zeit- und Leiharbeit,
gegen Scheintarifverträge, gegen Entwicklungen, die an-
ständige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als Be-
drohung auf sich zukommen sehen, weil sie feststellen
müssen, dass ihre Rechte und ihre Löhne untertunnelt
werden durch den Missbrauch von Zeit- und Leiharbeit?
Sorgen Sie endlich für Recht und Ordnung auf dem Ar-
beitsmarkt!

Herzlichen Dank, Herr Schaaf, für die Gelegenheit,
über diesen Punkt zu sprechen.


(Beifall bei der SPD – Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/CSU]: Wie soll das funktionieren, wenn Ihre eigenen Leute Sie nicht verstehen?)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702904900

Herr Kollege Heil, auch Frau Winterstein hätte noch

eine Frage an Sie.


Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1702905000

Ja, gerne.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702905100

Bitte schön.


Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Rede ID: ID1702905200

Herr Heil, Sie haben gerade gesagt, dass die Argen

zur Jahresmitte hin keine Gelder mehr hätten, um dafür
Sorge zu tragen, dass ihre Mitarbeiter weiter beschäftigt
werden können.


Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1702905300

Das habe ich nicht gesagt.


Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Rede ID: ID1702905400

Meine Frage an Sie ist: Wollen Sie damit behaupten,

dass für die zweite Jahreshälfte nur noch 900 Millionen
Euro gebraucht werden


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gute Frage!)


und in der ersten Jahreshälfte quasi 10,1 Milliarden Euro
schon ausgegeben worden sind?


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Noch besser!)


Das wäre eine sehr seltsame Art des Wirtschaftens. Ich
glaube kaum, dass man in der zweiten Jahreshälfte mit
900 Millionen Euro auskommen kann.

Meine zweite Frage ist: Kennen Sie eigentlich den
Unterschied zwischen einer Sperre und einer Kürzung?
Wenn nicht, können Sie sich gerne bei uns erkundigen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: Die Frage entlarvt den ganzen Unsinn der Rede!)


Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1702905500

Frau Winterstein, danke für die Gelegenheit, diese

beiden Fragen zu beantworten; auch wenn Sie mir Sätze
unterstellt haben, die ich ausweislich des Protokolls
nicht gesagt habe.

Aber fassen wir es zusammen: Erstens. Sie haben eine
Haushaltssperre für zwei Bereiche beantragt, nämlich
für 300 Millionen Euro im Bereich der Arbeitsvermittler
und für 600 Millionen Euro im Bereich der aktiven Ar-
beitsmarktpolitik.

Es gibt einen schönen Vermerk der Bundesagentur für
Arbeit, in dem die Folgen Ihres Tuns beschrieben wer-
den; darin wird ausgeführt, was passiert, wenn die
Sperre nicht aufgehoben wird. Es wird beschrieben, dass
in der zweiten Jahreshälfte in über 100 Jobcentern in
Deutschland – das habe ich gesagt, und ich bleibe dabei –
keine zusätzliche Bestellung von aktiver Arbeits-
marktpolitik mehr möglich ist.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Genau!)


Sie wissen vielleicht – ich hoffe, Sie wissen es, ich
hoffe, dass Sie zumindest einmal in der Bundesagentur
in Nürnberg nachgefragt haben; es wäre ganz gut, wenn
sich Haushälter, die zuständig sind, in einem Jobcenter
auch einmal umschauen und mit Praktikern reden wür-
den –,


(Dr. Claudia Winterstein [FDP]: Ich war gerade vor zwei Wochen in einem solchen!)


dass die Maßnahmen für Langzeitarbeitslose in der
zweiten Jahreshälfte, die notwendig sind, um sie mit be-
gleitenden Hilfen wieder in Arbeit zu bringen, jetzt be-
stellt werden müssen.

Frau von der Leyen hat vorhin davon gesprochen,
dass wir einen guten Service für Langzeitarbeitslose
brauchen und dass sie eine Betreuung aus einer Hand be-
nötigen. Wir erreichen das nur, wenn die Relation zwi-
schen der Zahl der Jobvermittler und der Zahl der Lang-
zeitarbeitslosen besser wird. Auch hier setzen Sie mit
Ihrem Sparversuch die Axt an.


(Bettina Hagedorn [SPD]: 3 200 Stellen!)


Ich sage Ihnen: Das, was Sie da gemacht haben, hat
sich schon jetzt als Unsinn herausgestellt. Deshalb haben
einige in der Union ein schlechtes Gewissen. Ich sage
Ihnen auch: Das ist nur das Wetterleuchten für das, was
Sie und Ihre Fraktion nach der NRW-Wahl vorhaben.
Wenn man Frau Homburger fragt, wo nach der Wahl ge-
kürzt werden soll, dann sagt sie immer: in der Arbeits-
marktpolitik. Ich sage Ihnen, was Sie vorhaben: bei
Hoteliers Geschenke verteilen und in der Arbeitsmarkt-
politik kürzen. Das nenne ich unanständig und verirrt,
diesen Vorwurf müssen Sie sich auch gefallen lassen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Frau Winterstein, den Unterschied zwischen einer
Sperre und einer Haushaltskürzung kenne ich übrigens
sehr wohl, ich weiß aber auch, was an dieser Stelle da-
hintersteckt. Sie haben insgesamt ein Misstrauen gegen
aktive Arbeitsmarktpolitik.





Hubertus Heil (Peine)



(A) (C)



(D)(B)

In Ihrer Fraktion laufen ja auch Debatten gegen die
Kurzarbeit. Das gilt auch für Teile des Wirtschaftsflü-
gels der Union. Sie haben die Regeln für die Kurzarbeit
in diesem Bereich verschlechtert. Das hat Frau von der
Leyen ja verschwiegen. Die Kurzarbeit wurde gelobt.
Dieses Lob verdient Olaf Scholz. Sie haben sie zwar
fortgesetzt, aber die Dauer verkürzt, und Sie haben nicht
dafür gesorgt, dass die Remanenzkosten, also die Sozial-
versicherungsbeiträge, auch über den 1. Januar 2011 hi-
naus übernommen werden können.

Sie sagen nichts zu dem, was in der Metall- und Elek-
troindustrie vereinbart wurde, also zu der kleinen Kurz-
arbeit. Das bedeutet ein Stück Arbeitszeitverkürzung
und ein Stück Brücke in einer Zeit, in der wir Menschen
in Beschäftigung halten wollen. Auch hier versagen Sie,
weil Sie mit der Ideologie der FDP nicht zurechtkom-
men.

Dieser Koalitionspartner ist Ihr Problem, Frau Minis-
terin. Sie haben in früherer Funktion viel Richtiges
machen können, weil Sie die Unterstützung der SPD-
Bundestagsfraktion hatte. Jetzt haben Sie die falsche Un-
terstützung. Deshalb kommen Sie nicht voran.


(Beifall bei der SPD)


Frau Winterstein, habe ich das richtig mitbekommen,
dass Sie noch eine Frage stellen wollten?


(Dr. Claudia Winterstein [FDP]: Nein, ich bin entgeistert!)


– Okay, dann machen wir das das nächste Mal.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Voraus-
setzung für die Erreichung des Ziels, Menschen in
ordentliche Arbeit zu bringen, ist, dass es eine Bundes-
regierung gibt, die eine Konzeption in der Wirtschafts-
und in der Arbeitsmarktpolitik hat. Wir werden gleich
über den Haushalt von Herrn Brüderle zu sprechen ha-
ben und dabei feststellen müssen: Es gibt keine Wachs-
tumsstrategie dieser Bundesregierung in der Krise, es
gibt warme Worte und in vielen Bereichen mehr Mittel-
maß als Mittelstandspolitik, und es gibt kein Konzept in
der Industriepolitik und kein Konzept in der Dienstleis-
tungspolitik.

Die Beantwortung der Frage, wo die Arbeit von mor-
gen entsteht, müsste das zentrale Projekt dieser Bundes-
regierung sein – mit einer aktiven Wirtschaftspolitik. Die
Beantwortung der Frage, wie wir die Menschen in die
Arbeit von morgen bringen, wäre eine Aufgabe der Bun-
desarbeitsministerin. Dies geschieht durch eine Beschäf-
tigungspolitik, mit der Menschen qualifiziert werden
und mit der dafür gesorgt wird, dass sie Chancen im Le-
ben haben – vor allen Dingen diejenigen, die lange keine
Chance hatten.

Frau von der Leyen, Sie sind vorhin auf billigste Art
und Weise über die Vorschläge der SPD zur Arbeits-
marktpolitik hergefallen.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Max Straubinger [CDU/CSU]: Sehr konstruktiv!)

Wir sagen ganz deutlich: Wir hatten den Mut zu
Arbeitsmarktreformen, die bitter waren. Wir haben
auch den Mut, weiterzudenken, wo ein Weiterdenken
notwendig ist. Ich glaube, beides unterscheidet uns von
Ihnen. Sie haben keine Ideen, und Sie haben keinen Mut,
Neues zu wagen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Über Konzepte von anderen herzuziehen und hier keine
zu liefern, nenne ich billig, Frau von der Leyen.

Jetzt will ich Ihnen noch zu einem Punkt etwas sagen.
Ich habe gelesen, dass Ihre Kanzlerin – schönen Gruß an
sie – gestern behauptet hat, unser Vorschlag, keine Ver-
mögensprüfung mehr durchzuführen, führe dazu, dass
Langzeitarbeitslose ihre sechs, sieben, acht Häuser be-
halten können. Ich will Sie eines fragen: In welcher
Welt, in der Langzeitarbeitslose sechs, sieben, acht Häu-
ser haben, leben Sie eigentlich? Die Wahrheit ist doch:
Wir wollen gerade, dass diese entwürdigende Prüfung
nicht mehr stattfindet, weil sie in der Praxis, in der
Realität keine Rolle spielt und weil die Leute nicht wol-
len, dass sie die Hosen herunterlassen müssen, wenn sie
unverschuldet in Not geraten sind.

Ich sage Ihnen: Bauen Sie diese Bürokratie ab! Es ist
falsch, diesen Weg weiter zu beschreiten. Sie haben ja
schon mit dem Schritt beim Schonvermögen gezeigt,
dass Sie begriffen haben, dass es dort ein Problem gibt.
Seien Sie konsequent und kritisieren Sie nicht, was an-
dere machen!

Konzeptionslosigkeit ist das eine, aber Ihr Prinzip,
Frau von der Leyen, ist das Prinzip einer Kängurupolitik.
Sie wollen mit leerem Beutel große Sprünge machen.
Das wird nicht funktionieren. Deshalb sage ich Ihnen:
Nachsitzen und Nachdenken ist das Mindeste, was wir
von Ihnen erwarten können.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD – Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/CSU]: Das wäre für den Herrn Heil mal gut, das Nachdenken!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702905600

Das Wort hat der Kollege Dr. Heinrich Kolb für die

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1702905700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Kollege Heil, es hätte mich gefreut, wenn Sie auch
zur Konzeption der FDP, die wir in der letzten Woche
vorgelegt haben, etwas gesagt hätten. Denn dabei han-
delt es sich um einen wirklich modernen Ansatz für die
Überarbeitung der von Ihnen zu verantwortenden Hartz-
Gesetze. Wir glauben nicht, dass es richtig wäre, den
Ansatz der Vergangenheit vollkommen über Bord zu
werfen. Man muss ihn aber weiterentwickeln. Dazu ha-
ben wir konkrete Vorschläge vorgelegt. Das hätte eine
Erwähnung Ihrerseits zumindest verdient.





Dr. Heinrich L. Kolb


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der FDP – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Dazu hat nicht einmal Frau von der Leyen etwas gesagt!)


Wir reden heute über den Einzelplan 11, der für sich
genommen mit 143 Milliarden Euro schon eine beein-
druckende Größe hat. Ich möchte aber Folgendes ins Be-
wusstsein rufen: Der Einzelplan 11 ist nur ein Teil des-
sen, was wir in Deutschland insgesamt für soziale
Zwecke aufwenden. Im Jahr 2009 waren es – für alle öf-
fentlichen Haushalte und die Sozialversicherungen –
750 Milliarden Euro. Zum Vergleich: 1991, dem ersten
Jahr nach der deutschen Einheit, waren es 423 Milliar-
den Euro. Das ist ein Aufwuchs von 77 Prozent in knapp
20 Jahren. Es spricht viel dafür, dass wir in diesem Jahr
zusätzlich zu diesen 750 Milliarden Euro noch 20 bis
22 Milliarden Euro aufwenden müssen. Das kann man
allein an der Entwicklung des Einzelplans 11 erkennen,
der einen ganz erheblichen Teil dieses Gesamtansatzes
darstellt.

Das Paradoxe, Wundersame und Widersprüchliche
ist: Obwohl von Jahr zu Jahr mehr Geld ausgegeben
wurde – eine Ausnahme bildet das Jahr 2004; da han-
delte es sich allerdings nicht um einen echten Rückgang,
sondern eher um eine Stagnation –, gibt es in unserer
Gesellschaft das weit verbreitete Gefühl des Sozialab-
baus. Jedenfalls besteht bei vielen Menschen der Ein-
druck, dass es in unserem Land trotz des erheblichen und
deutlich ausgeweiteten Mitteleinsatzes nicht gerechter
zugeht. Das gilt auch für den Bereich Hartz IV, der im
Moment besonders intensiv diskutiert wird. Im Rahmen
der Gesamtausgaben von rund 50 Milliarden Euro wer-
den aktuell mindestens 8 Milliarden Euro mehr ausgege-
ben, als je für Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe aufge-
wendet wurde, als es noch getrennte Systeme waren. In
dieser Situation kommt es nicht darauf an – das hat Frau
Pothmer völlig zu Recht gesagt –, um wie viel Geld es
sich handelt, sondern darauf, was man damit macht.

Das SPD-Präsidium hat gestern beschlossen, noch
eine Schippe draufzulegen. Herr Heil, allein für die
Schaffung von 200 000 Beschäftigungsverhältnissen auf
dem sozialen Arbeitsmarkt sollen pro Jahr zusätzliche
3 Milliarden Euro aufgewendet werden. Herr Gabriel,
der Erzengel der Sozialdemokratie, hat noch hinzuge-
fügt, dies sei sehr bescheiden. Es ist wohl so zu verste-
hen, dass das erst der Anfang ist und später noch nach
Belieben gesteigert werden kann. Wir halten das Kon-
zept, das die SPD gestern vorgelegt hat, für falsch und
für rückwärtsgewandt. Herr Heil, das ist die perfekte
Rolle rückwärts, die Sie gestern, sieben Jahre nach der
Agenda-Rede des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder, hier
vorgeführt haben.

Mühelos wickelt die neue SPD-Führung die
Agenda 2010 ab. Allein das Prinzip der Zusammenle-
gung der Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe halten Sie
noch als Monstranz hoch. In Bezug auf die Agenda 2010
bleibt aber kein Stein auf dem anderen, frei nach dem
Motto von Konrad Adenauer: Was kümmert mich mein
dummes Gesetz von gestern? So empfinden Sie es ganz
offensichtlich.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wo bisher gefordert wurde oder gefordert werden
sollte, da wird künftig kräftig gepampert. Der anstren-
gungslose Wohlstand in sozialen Arbeitsverhältnissen
– natürlich mit einer Bezahlung, die Hilfebedürftigkeit
ausschließt; wenn ich Ihr Konzept richtig gelesen habe –
führt zu Kosten von 3 Milliarden Euro; ich habe das
nachgerechnet. Ich finde Ihr Konzept insgesamt sehr
enttäuschend. Ich frage mich wirklich, was eigentlich Ihr
Fraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier, der da-
mals in seiner Funktion als Kanzleramtsminister einer
der Architekten der Agenda 2010 war, zu diesem Kurs-
wechsel sagt.


(Zuruf von der FDP: Wo ist der eigentlich?)


Die Reaktion in den Medien heute ist jedenfalls verhee-
rend. Die Welt nennt Sie zynisch; Sie hätten die Arbeits-
losen nicht mehr im Blick. Es ist völlig richtig, was dort
geschrieben wurde. Die Rheinische Post schreibt über
den Abschied von der Regierungsfähigkeit. Sie sind ge-
meint, Herr Kollege Heil.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


„Arbeitsmarktpolitik als Kuschelecke“, wie das Han-
delsblatt schreibt, und Retro-SPD: Das sind Urteile, die
heute über Sie gefällt worden sind. Sie hätten besser
noch einige Wochen nachgedacht, wie es offensichtlich
die Kollegen von der Union tun, um dann mit einem
neuen und besseren Vorschlag auf den Markt zu kom-
men.

Im Einzelnen will ich zunächst Ihr Mindestlohn-
Mantra ansprechen. Sie sind jetzt bei 8,50 Euro. Die
Kollegen von den Linken sind schon bei 10 Euro ange-
langt. Sie sollten einmal das alte Märchen von Wilhelm
Schröder nachlesen: Der Wettlauf von Hase und Igel auf
der Buxtehuder Heide. Das Rennen werden Sie nicht ge-
winnen, Herr Heil. Nach Untersuchungen der FU Berlin
und dem Ifo-Institut in Dresden kostet das 1,2 Millionen
Arbeitsplätze in Deutschland.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Das ist ja absurd, was Sie hier erzählen!)


Wenn Sie wirklich das Ziel der Vollbeschäftigung ver-
folgten, Herr Kollege Heil, dann müssten Sie schnellst-
möglich von Ihren Plänen eines gesetzlichen Mindest-
lohnes Abstand nehmen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ihr Konzept der Leih- und Zeitarbeit ist falsch. Es
ist auch falsch, Herr Kollege Heil, wenn Sie uns unter-
stellen, wir würden die Augen verschließen. Wir haben
Anfang des Jahres, als klar wurde, worum es bei
Schlecker ging, sofort deutlich gesagt, dass wir das nicht
mitmachen werden. Wir arbeiten derzeit in Zusammen-
arbeit mit dem Ministerium an einem Konzept, um ge-
nau das zu ändern. Ich freue mich, dass es mittlerweile in
Deutschland auch Tarifverträge gibt – dabei sind näm-
lich zunächst einmal die Tarifpartner gefordert –, die den





Dr. Heinrich L. Kolb


(A) (C)



(B)

Anwendungsbereich des jeweiligen Tarifvertrags klar
begrenzen und besagen, dass im Falle einer systemati-
schen Umgehung durch Zeitarbeit ein Abweichen vom
Prinzip des Equal Pay nicht vom Tarifvertrag gedeckt
ist.

Die Verlängerung des Arbeitslosengeldes I bei Bil-
dungsmaßnahmen in Ihrer Intonierung halte ich für
falsch. Denn ich glaube, es ist wichtig und richtig, die
Menschen vom ersten Tag der Arbeitslosigkeit an opti-
mal zu fördern


(Bettina Hagedorn [SPD]: Bleiben Sie doch mal beim Haushalt, um den es hier geht!)


und von Anfang an darauf hinzuwirken, dass die Rück-
kehr in den ersten Arbeitsmarkt möglichst unverzüglich
gelingt.

Ihre sehr großzügige Qualifizierung auf Kosten der
Beitragszahler, die Sie offensichtlich vorhaben, lässt
sich so nicht machen. Es ist zwar schön, wenn auch ein
40- oder 50-Jähriger noch einen Universitätsabschluss
erreichen kann.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Vielleicht können Sie mal zum Haushalt reden! – Weiterer Zuruf der Abg. Katja Mast [SPD])


– Das haben Sie in Ihrem Papier geschrieben, Frau Kol-
legin Mast. Lesen Sie es doch einmal! – Wenn das aber
auf Kosten der Beitragszahler erfolgen soll, dann weise
ich darauf hin, dass es wirklich nicht Aufgabe der Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitgeber in Deutschland ist,
Defizite in der Gesellschaft zu heilen, die schon früher
entstanden sind.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Berufsausbildung!)


Insgesamt ist das, was Sie vorlegen, Herr Heil, ein
Kessel Buntes. „Wünsch dir was“ ist nichts gegen das,
was Sie präsentieren. Sie sind von allen guten sozialpoli-
tischen Geistern verlassen. Deswegen ist es gut, dass Sie
bis auf Weiteres – ich wünsche Ihnen eine sehr lange Re-
generationszeit – auf den Oppositionsbänken sitzen.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Schade, dass Sie nicht zum Thema geredet haben! – Katja Mast [SPD]: Nordrhein-Westfalen! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wo ist denn die spätrömische Dekadenz geblieben?)


Den Wettlauf mit der Linken – das will ich abschließend
sagen – werden Sie mit solchen Konzepten allerdings nie
gewinnen können. Denn die sind immer einen Schritt
weiter, als Sie es sein können.


(Beifall bei der LINKEN)


Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702905800

Das Wort hat die Kollegin Sabine Zimmermann für

die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)


Sabine Zimmermann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702905900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einen

Monat lang hat die FDP gegen Erwerbslose gehetzt und
Vorurteile verbreitet, und das mit wohlwollender Tole-
rierung der CDU/CSU und sogar unserer Bundeskanzle-
rin. Herr Fischer, wenn Sie von einem Haushalt des soli-
darischen Ausgleichs sprechen, dann haben Sie, denke
ich, ein falsches Verständnis von Solidarität.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Darüber sollten Sie sich einmal sachkundig machen.

Herr Barthle, Sie haben von einem Kunstwerk ge-
sprochen. Die Kürzungen in der Arbeitsmarktpolitik bei
den Schwächsten der Gesellschaft sind in der Tat ein
Kunstwerk von Ihnen.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Wo gibt es denn da Kürzungen? Sie sollten sich mal erkundigen! Keine Ahnung! Von nichts eine Ahnung!)


Was Sie mit diesem Haushalt vorlegen, ist eine bei-
spiellose Frechheit gegenüber den Menschen in diesem
Land. Das werden wir als Linke nicht mitmachen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich will mit dem Wichtigsten anfangen. Sie sperren
mal eben 900 Millionen Euro bei den Arbeitsmarktmit-
teln. Das ist Geld, das eigentlich für Fortbildungen, Um-
schulungen oder öffentlich geförderte Arbeitsplätze vor-
gesehen ist. Mit diesem Geld sollen nun die
Haushaltslöcher gestopft werden, die Ihre Steuersen-
kungspolitik für die oberen Zehntausend verursacht hat,
meine Damen und Herren der FDP und der Union.


(Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/ CSU]: Völliger Quatsch!)


Mit dieser Haushaltssperre machen Sie noch vor der
Nordrhein-Westfalen-Wahl deutlich, wohin die Reise
mit Ihnen gehen wird. Sie wollen die Arbeitslosenversi-
cherung und die Arbeitsmarktpolitik nachhaltig schwä-
chen, aber nicht mit der Linken.


(Beifall bei der LINKEN – Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/CSU]: Völlig falsch! Wir wollen sie effektiver machen!)


– Hören Sie mir bitte zu, dann können Sie vielleicht et-
was lernen.


(Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/CSU]: Sie haben mir wohl nicht zugehört!)


Die Linke hat klare Alternativen. Erstens. Wir wol-
len den Bezug von Arbeitslosengeld I auf 24 Monate
verlängern, um den schnellen Absturz in Hartz IV zu
verhindern. Angesichts des gestrigen Vorschlags der
SPD wundere ich mich nur, dass Sie letztens gegen unse-
ren Vorschlag gestimmt haben und jetzt auf einmal ge-
nau diesen Vorschlag auf die Tagesordnung setzten.

Zweitens. Wir wollen die Mittel für die aktive Ar-
beitsmarktpolitik erhöhen und damit auf die steigende
Zahl von Arbeitslosen reagieren. Sie sprechen immer da-
von, die Steigerung sei nicht so hoch. Aber die Arbeits-

(D)






Sabine Zimmermann


(A) (C)



(D)(B)

losigkeit steigt und die Langzeitarbeitslosigkeit noch
mehr.


(Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/CSU]: Wir wollen die Mittel effektiver einsetzen! Es geht um die Qualität, nicht um die Quantität!)


Schauen Sie sich dazu einmal die Statistik an.

Drittens. Wir wollen mehr öffentlich geförderte, regu-
läre Arbeitsplätze statt dieser unsäglichen Ein-Euro-Jobs.


(Beifall bei der LINKEN)


Gute Ansätze in einzelnen Bundesländern wie in Ber-
lin werden derzeit von Ihrer Politik total torpediert.

Ein Beispiel: André ist 52 Jahre alt und arbeitet seit
etwa zwei Jahren in Berlin-Kreuzberg in einem Treff-
punkt für Senioren und Flüchtlinge. Seine und die Stelle
anderer werden durch öffentliche Arbeitsmarktgelder fi-
nanziert. Die rot-rote Landesregierung hat im Rahmen
eines öffentlichen Beschäftigungssektors Tausende sol-
cher Stellen eingerichtet: als reguläre Arbeitsplätze, ta-
riflich bezahlt und armutsfest.


(Beifall bei der LINKEN)


André ist stolz auf das Geschaffene und auch stolz auf
sich selbst. 1997 verlor er seinen Job als Betriebsschlos-
ser. Damit begann für ihn der soziale Abstieg. Er sagt,
mit der Stelle habe sich sein Leben grundlegend geän-
dert. Er hat eine neue Wohnung. Er hat eine Lebensge-
fährtin. Er konnte sogar den Führerschein machen. Er
kann in eine Zukunft blicken. Aber Sie sperren einfach
das Geld. Nun muss André Angst haben, dass er wieder
absteigt, weil seine Stelle im öffentlichen Beschäfti-
gungssektor nicht weiter finanziert werden kann.

Es geht heute nicht nur um den Haushalt für das Jahr
2010. Es geht hier auch um eine grundlegende Neuaus-
richtung der Arbeitsmarktpolitik. Auch das ist ein Re-
sultat der Agenda-2010-Politik der Schröder’schen Re-
gierung. Herr Heil, hören Sie mir kurz zu. Sie sprachen
von prekären Arbeitsverhältnissen, daher frage ich Sie:
Wer hat denn das Tor dafür geöffnet? Das sind nämlich
Sie als SPD gewesen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das stimmt allerdings! Und die Grünen waren dabei!)


Ganz genau so war es. Lesen Sie das einmal nach.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich komme zum Schluss. Jeder, der in einem Betrieb
arbeitet, weiß: Die Farben Schwarz und Gelb sind ein
Hinweis für eine drohende Gefahr. Spätestens mit die-
sem Haushalt weiß jeder in diesem Land: Schwarz-Gelb
ist eine Gefahr für den sozialen Frieden.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702906000

Der nächste Redner ist Markus Kurth für Bündnis 90/

Die Grünen.

Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702906100

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Die bisherige Debatte, insbesondere so, wie sie von
der Regierung geführt wird, beweist doch eine erhebli-
che konzeptionelle Armseligkeit; das muss ich schon sa-
gen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU/CSU: Na, na!)


Was insbesondere die Ministerin hier zu bieten hatte,
waren, mit Verlaub, nur Allgemeinplätze. Da war von
der Stärkung der Menschen die Rede, davon, dass sich
die Menschen erst einmal selber anstrengen sollen,


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Sehr gut!)


von passgenauen Hilfen und enger Termintaktung.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Auch gut!)


Ich bitte Sie. Wenn man hier in diesem Hause einige
Jahre Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik gemacht hat, dann
weiß man, dass diese Dinge Selbstverständlichkeiten
sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Es wird doch erst dann interessant, wenn man diese
Ansprüche der Stärkung der Menschen und der Pass-
genauigkeit mit den konkreten Vorhaben und der Praxis
Ihrer Politik vergleicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ist denn etwa eine Stärkung der Menschen möglich,
wenn Förderprogramme unter dem Damoklesschwert
der Kürzung des Eingliederungstitels stehen? Ist es denn
möglich, die Eigenverantwortung der Menschen zu för-
dern, wenn Programme wie die JobPerspektive, durch
die Menschen neue Hoffnung geschöpft haben, mir
nichts, dir nichts über Nacht eingestellt werden und die
Menschen systematisch enttäuscht werden?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sind denn mehr Eigenverantwortung und die Stärkung
der Menschen möglich, wenn geplant wird – dazu haben
wir heute nichts gehört –, die Erhöhung des Regelsatzes
so umzusetzen, dass man den Menschen Gutscheinhefte
in die Hand drückt und nur noch Sachleistungen bewil-
ligt? Ist denn eine passgenaue Förderung angesichts ei-
ner Ausschreibungspraxis der Bundesagentur für Arbeit
möglich, die nach wie vor in den allermeisten Fällen
dazu führt, dass die Weiterbildungsträger und die Be-
schäftigungsgesellschaften Dumpinglöhne zahlen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Angesichts des Auftrittes von Ihnen, Herr Heil – das
kann ich mir nicht verkneifen –, kann ich auch die SPD
nicht aus der Verantwortung entlassen. Sie haben elf
Jahre lang die Rechts- und Fachaufsicht über die Bun-
desagentur für Arbeit gehabt. Sie haben gegen unseren
fortwährenden Widerstand, solange wir in der Koalition
waren, es zugelassen und sogar gefördert, dass ein Nied-





Markus Kurth


(A) (C)



(D)(B)

riglohnsektor in der Weiterbildungsbranche und bei den
Beschäftigungsgesellschaften entstanden ist.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Keiner will es gewesen sein!)


Es machte Sie ein Stück weit glaubwürdiger, Herr Heil,
wenn Sie hier nicht nur selbstgerecht aufträten, sondern
dafür auch die politische Verantwortung übernähmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das musste gesagt werden. Ich selbst habe das drei Jahre
mit Ihnen erlebt.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Jetzt geht es aber an die Abrechnung!)


Es ist allerdings genauso wenig glaubhaft, verehrte
Kolleginnen und Kollegen von den Freien Demokraten,
wenn Ihr Generalsekretär Lindner bei einem sozialpoliti-
schen Symposium, das in der letzten Woche stattgefun-
den hat,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wären Sie mitgekommen! Da hätten Sie viel lernen können!)


die Resignation von Hauptschülern beklagt, die sagen,
ihre Perspektive sei nur Hartz IV, und Sie zugleich in
diesem Bundeshaushalt die Mittel für die Förderung kür-
zen. Es muss für diese jungen Menschen, die auf Förde-
rung angewiesen sind, und auch für die Langzeitarbeits-
losen, die arbeitswillig sind, sehr schal klingen, wenn Ihr
Generalsekretär davon spricht, die Menschen müssten
zwischen Lebensentwürfen wählen können oder – das
habe ich mir heute morgen noch im Internet angesehen –
sollten Autoren der eigenen Biografie werden. Dann
empfehlen Sie als Autorenschaft der eigenen Biografie,
Schneeschipper zu werden. Das ist paternalistisch, was
Sie den Menschen anbieten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Sie reden von Eigenverantwortung. Aber in Wirklichkeit
kujonieren Sie sie.

Wir als Bündnis 90/Die Grünen haben Vorschläge zur
Regelleistung und zu einer intelligenten Förderung öffent-
licher Beschäftigung gemacht. Wir halten einen Kombi-
lohn, einen gezielten Lohnkostenzuschuss, der Produktivi-
tätsnachteile ausgleicht und so Wettbewerbsverzerrungen
vermeiden hilft, für eine kluge Lösung. Wir wollen die
passiven Mittel in aktive Mittel überführen. Die Blau-
pause dafür gibt es bereits mit dem Programm „JobPer-
spektive“. Herr Schiewerling, Sie von der CDU/CSU
könnten als nachfolgender Redner erklären, warum Sie
faktisch die Mittel für die im Grundsatz in die richtige
Richtung weisende Koppelung von Transferleistungen
und Eigenleistungen kürzen, sich hinter der Aussage ver-
stecken, Sie wollten eine gerechtere Mittelverteilung, und
gleichzeitig in einer Stadt wie Dortmund dafür sorgen,
dass nun 700 Menschen ihren Platz in der JobPerspektive
verlieren werden. So kommen Sie nicht weiter. Ich
möchte gerne hören, was Sie diesen Menschen sagen.

Setzen Sie Fördermittel intelligent ein! Folgen Sie un-
serem Konzept eines Progressivmodells sowie eines in-
telligenten Transfers passiver Mittel in aktive Mittel!
Dann wären Sie erheblich weiter.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702906200

Der Kollege Karl Schiewerling hat das Wort für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1702906300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kurth, wenn
ich mir die heutige Diskussion vor Augen führe, dann
habe ich den Eindruck, dass wir in unterschiedlichen
Welten leben. Der Einzeletat der Bundesarbeitsministe-
rin ist, gemessen sowohl am absoluten Umfang als auch
am prozentualen Anteil am Gesamthaushalt, der größte
Etat eines Arbeitsministeriums, den es in der Geschichte
der Bundesrepublik Deutschland jemals gab.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


In dieser Situation von Kahlschlag und sozialem Ende
zu sprechen, ist nach meinem Dafürhalten – das sage ich
Ihnen frank und frei – unverantwortlich.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir geben, um das in aller Deutlichkeit zu sagen,
81 Milliarden Euro für die Sicherung der Rente aus, wir
geben 12,5 Milliarden Euro für die Bundesagentur für
Arbeit aus, und wir geben 38 bis 39 Milliarden Euro für
die Grundsicherung aus, um nur einige wenige Punkte
zu nennen. Die 12,5 Milliarden Euro für die Bundesa-
gentur für Arbeit – das sei der Wahrheit geschuldet, und
darauf können die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
und die Betriebe stolz sein – sind erst in diesem Jahr fäl-
lig; denn das wichtige Instrument der Kurzarbeit wurde
im vergangenen Jahr komplett aus Beitragsmitteln finan-
ziert. Wir wollen den Beitrag für die Arbeitslosenversi-
cherung in der Größenordnung von 2,8 Prozent halten.
Wir geben in diesem Jahr zwar über 3 Milliarden Euro
weniger Zuschuss als geplant, weil er nicht notwendig
ist, aber wir geben den Zuschuss an die Bundesagentur
für Arbeit, damit wir das Instrument der Kurzarbeit in
diesem Jahr fortführen können. In dieser Situation von
Kahlschlag zu reden und den Eindruck zu vermitteln, als
wäre alles sozialpolitisch am Ende, halte ich schlicht und
einfach für unverantwortlich und an der Realität dieser
Welt vorbei.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Um auf die 900 Millionen Euro zu sprechen zu kom-
men: Die sind mit einer Haushaltssperre versehen.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Genau!)


Wir haben in vielen Beiträgen deutlich dargestellt, dass
wir in der Koalition in der internen Diskussion Klarheit





Karl Schiewerling


(A) (C)



(D)(B)

haben. Dass die Bundesarbeitsministerin ein gutes Kon-
zept vorlegen wird, hat sie vorhin überzeugend skizziert.
Ich bin ganz sicher, dass wir in kürzester Zeit erleben
werden, dass die Sperrung aufgehoben wird.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Prinzip Hoffnung!)


Dazu bedarf es keiner namentlichen Abstimmung, dazu
bedarf es keines Tamtams. Diese Koalition ist intelligent
genug, die richtigen Schritte zu gehen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Herr Kollege Kurth, um Ihnen die Antwort auf die
Frage nach der „JobPerspektive“ zu geben: Das betrifft
nicht nur Dortmund, sondern das betrifft viele Regionen
in Nordrhein-Westfalen. Wir werden die Arbeitsmarkt-
politik auch nach der Entfristung und selbst dann, wenn
es keine Entfristung gäbe – aber es wird eine Entfristung
geben; davon bin ich fest überzeugt –, aktiv weiter fort-
führen, und wir werden erleben, dass in Dortmund, Bie-
lefeld und in vielen anderen Städten eine erfolgreiche
Arbeitsmarktpolitik, auch mit Unterstützung der Landes-
regierung von Nordrhein-Westfalen, fortgesetzt werden
wird. Das Programm „JobPerspektive“ wird weiterent-
wickelt, und wir werden erleben, dass die Instrumente
greifen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Finanzkrise und in deren Folge die Wirtschafts-
krise, die sich bislang Gott sei Dank in glimpflicher
Weise entwickelt hat, ist eine Herausforderung für die
Arbeitsmarktpolitik und die Finanzpolitik gewesen, wie
wir sie in den vergangenen Jahren in der Bundesrepublik
noch nicht erlebt haben. Ich sage sehr deutlich: Wir ste-
cken noch mitten in dieser Krise. Von dieser Krise sind
alle betroffen: Betriebe, Arbeitnehmer, Staat und Gesell-
schaft. Die Krise ist so lange nicht vorbei, wie nicht die
Betriebe, die davon betroffen sind, wieder Tritt gefasst
haben, und Arbeitnehmer, die in Kurzarbeit sind oder ih-
ren Arbeitsplatz zu verlieren drohen, nicht wieder gesi-
cherte Arbeitsplätze und gesicherte Perspektiven haben.
Deswegen haben wir den Schutzschirm nicht nur über
Banken und Betriebe gespannt, sondern auch über die
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir haben in die-
ser Koalition auch beschlossen, dass dieser Schutz-
schirm bis Ende 2010 gespannt bleiben wird. Nach mei-
ner festen Überzeugung ist es notwendig, dann, wenn
wir feststellen, dass die Wirtschaftskrise, die aufgrund
der Finanzkrise entstanden ist, noch nicht vorbei ist und
sie bestimmte Branchen noch fest im Griff hat, für diese
Branchen den Einsatz des Instruments der Kurzarbeit
auch über das Jahr 2010 hinaus zu verlängern. Ich sage
Ihnen: In dieser Koalition werden wir unsere Aufgabe
wahrnehmen. Der Staat steht diesen Menschen, aber
auch der Wirtschaft, den Unternehmen und den mittel-
ständischen Betrieben bei, um die Krise gemeinsam für
eine gute Zukunft zu überwinden.

Der Sozialstaat hat durch seine Strukturen und durch
seine Hilfesysteme – auch das sei in der Debatte heute
Morgen noch einmal deutlich betont – wesentlich dazu
beigetragen, dass wir besser als andere Länder dastehen
und dass wir vor allem im Ausland bewundert werden.
Ich kann mich nur darüber wundern, wie wir hier im
deutschen Parlament diskutieren, während der Begriff
„Kurzarbeit“ mittlerweile als feststehender Begriff wie
das Wort „Kindergarten“ in den Wortschatz der Ameri-
kaner übergegangen ist. Wir machen uns den Erfolg, den
wir miteinander erwirtschaftet haben, selbst kaputt, und
das Ausland kann nur staunend auf unsere Mentalität
schauen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich sage allerdings auch in aller Klarheit: Was mich
sehr wurmt, ist, dass wir für die Überwindung dieser
Krise viel Geld in die Hand nehmen müssen. Ich bedau-
ere sehr, dass wir das Geld leider nicht von denen zu-
rückbekommen, die uns die Krise eingebrockt haben,
mit deren schlimmen Konsequenzen wir es jetzt zu tun
haben.


(Zuruf von der SPD: Dagegen kann man aber was tun!)


Wahr ist aber auch: Der Sozialstaat muss finanzierbar
bleiben. Solidarität ist keine Einbahnstraße. Solidarität,
das bedeutet auch, dass man erwarten kann, dass jeder
tut, was er kann. Der Staat ist kein Selbstbedienungsla-
den. Er ist kein Selbstbedienungsladen für diejenigen,
die Steuern hinterziehen


(Zuruf von der SPD: Die auf den Steuer-CDs!)


und so ihrer Verpflichtung nicht nachkommen, und er ist
kein Selbstbedienungsladen für diejenigen, die glauben,
sie könnten sich Sozialleistungen erschleichen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Tragen muss die gesamte Last hinterher die breite Mit-
telschicht unseres Landes. Sie zu stärken, das ist unsere
Aufgabe. Ich bezeichne das in aller Deutlichkeit als ei-
nen wichtigen Teil unserer Arbeitsmarktpolitik.

Wir stehen vor der Aufgabe, jetzt das zu tun, was not-
wendig ist, um einen bestimmten Teil der Sozialpolitik
wieder auf ordentliche organisatorische Grundlagen zu
stellen: das im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch veran-
kerte Arbeitslosengeld II. Die Bund-Länder-Kom-
mission ist dabei, dies zu tun. Ich erlebe dort sehr viel
konstruktive Zusammenarbeit. Ich bin in dieser Frage
hoffnungsfroh. Darüber hinaus müssen wir, wie vom
Bundesverfassungsgericht gefordert, die Bedarfssätze
überprüfen. Wir werden uns zügig an diese Aufgabe ma-
chen. Das betrifft übrigens auch das in der Öffentlichkeit
sehr intensiv diskutierte Geld für die Kinder, die durch
Ferienjobs Geld erwirtschaftet haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn ich mir diese Debatte anhöre, dann habe ich
den Eindruck, dass 2002, 2003, 2004 bis Mitte 2005
Herr Bundeskanzler Schröder allein regiert hat.


(Zuruf von der SPD: Ein guter Mann!)


Man tut so, als hätte er hier im Parlament allein gesessen
und sämtliche Gesetze allein verabschiedet. Die Grünen





Karl Schiewerling


(A) (C)



(D)(B)

machen sich vom Acker, die SPD macht sich vom
Acker.


(Katja Mast [SPD]: Sie machen sich auch vom Acker!)


Keiner will’s gewesen sein. Herr Schröder habe sie alle
unter Druck gesetzt und an die Kandare genommen; er
habe ihnen Entscheidungsfreiheit genommen. Ich habe
das Gefühl, in einer anderen Republik zu sein. Ich sage
mit Blick auf die SPD, auf die Grünen und ausdrücklich
auch mit Blick auf den Teil, der die CDU/CSU und die
FDP betrifft: Bekennen wir uns zu dem, was mit den Än-
derungen im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erreicht
wurde. Die Arbeitsmarktreform war eine gute, zwin-
gend notwendige Entscheidung. Nachdem ich Ihr Papier
gelesen habe,


(Bettina Hagedorn [SPD]: Das steht in unserem Papier drin, dass es richtig war!)


rate ich Ihnen, den Erfolg Ihrer Arbeit nicht durch funda-
mentale Strukturveränderungen, zum Beispiel durch die
Nichtanrechnung der Vermögensgrenzen, zu konterka-
rieren und so kaputtzumachen.


(Zurufe von der CDU/CSU: Ja! – So ist es!)


Ich rate Ihnen: Lassen Sie nicht die Vernunft aus wahl-
taktischen Gründen hintenan! Bleiben Sie bei dem, was
Sie gemacht haben!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Meine Damen und Herren, die Koalition wird die gro-
ßen Herausforderungen anpacken, gemeinsam mit unse-
rer Bundesarbeitsministerin, Frau Dr. Ursula von der
Leyen, die an die Dinge auf ihre eigene Art mit Verve
und Engagement herangeht. Ich sage ihr unsere Unter-
stützung zu. Sie ist übrigens in einem von Männern do-
minierten Arbeitsministerium diejenige, die durch ihre
Art zwar harte Themen anpackt, diese aber leicht ver-
daulich macht.

Ich hoffe, dass wir miteinander die Herausforderun-
gen anpacken werden. Darauf freue ich mich und danke
Ihnen für Ihre Unterstützung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702906400

Die Kollegin Katja Mast hat jetzt das Wort für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Seien Sie vorsichtig, Frau Mast! Harald Schmidt ist überall!)



Katja Mast (SPD):
Rede ID: ID1702906500

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen

und Kollegen! Lieber Kollege Karl Schiewerling, es ist
ja schon bemerkenswert, dass Sie in Ihrer Rede gerade
eben in der Debatte über den Bundeshaushalt zu dem
Thema Lohnnebenkosten, die wir gemeinsam erfolg-
reich zum Beispiel bei der Arbeitslosenversicherung von
6,5 Prozent auf 2,8 Prozent abgesenkt haben, nichts dar-
über gesagt haben, was denn nächstes Jahr mit dem
Bundeszuschuss an die Bundesagentur für Arbeit
passiert und ob Sie auch im nächsten Jahr den Satz von
2,8 Prozent bei der Arbeitslosenversicherung halten wer-
den.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Steht doch alles im Gesetz!)


Dieser Haushalt ist nämlich nur Stückwerk. Er regelt
nichts über den Tag hinaus. In ihm wird vor allen Dingen
das verschwiegen, was nach der Landtagswahl in Nor-
drhein-Westfalen am 9. Mai kommen wird. Ich sage Ih-
nen schon jetzt auf den Kopf zu, Frau von der Leyen –
auch Sie haben sich ja heute zu diesem Thema ausge-
schwiegen –: Sie werden gemeinsam mit der ganzen Re-
gierung die Lohnnebenkosten erhöhen, und zwar deut-
lich. Das wird Arbeitsplätze vernichten; das sorgt nicht
dafür, dass Menschen in Arbeit kommen. Deswegen
kann ich Ihnen heute schon sagen: In dieser Frage wer-
den wir nicht an Ihrer Seite sein.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Dieser Haushalt, der Stückwerk ist, nichts über den
Tag hinaus regelt und all das verschweigt, was nach der
Wahl in Nordrhein-Westfalen kommt, bringt dann auch
noch Kürzungen für diejenigen mit sich, die auf unsere
Solidarität angewiesen sind, bzw. genauer: Die Kürzun-
gen werden durch eine Haushaltssperre in Höhe von
900 Millionen Euro, die hier ja schon angesprochen
wurde, auf die Zeit nach April vertagt. Damit werden
Mittel für diejenigen, die unsere besondere Aufmerk-
samkeit brauchen und denen unser besonderes Engage-
ment gelten sollte, damit sie in Arbeit vermittelt werden,
weggenommen.

Ich will das noch einmal am Bundesprogramm
„JobPerspektive“ klarmachen. Ein gemeinsamer Erfolg
der rot-schwarzen Regierung war es, dass Langzeitar-
beitslose mit vielfachen Vermittlungshemmnissen, die
ganz am Rand des Arbeitsmarktes stehen und die schon
von vielen aufgegeben worden waren, durch die JobPer-
spektive mithilfe eines Beschäftigungszuschusses in Ar-
beit gebracht wurden und dass ihnen Teilhabe an der Ge-
sellschaft ermöglicht wurde. Was machen Sie heute? Sie
machen einen ganz billigen Haushaltstrick. Sie erhöhen
formal die Mittel von 540 Millionen auf 700 Millionen
Euro, verteilen die Mittel aber so, dass nicht nur zum
Beispiel entsprechende Projekte in Bielefeld und Dort-
mund nicht fortgeführt werden können und damit auch
entsprechende Arbeitsverträge nicht verlängert werden,
sondern dass auch dieser zusätzliche Arbeitsmarkt für
Langzeitarbeitslose vernichtet wird. Damit nehmen Sie
Menschen mit vielfachen Vermittlungshemmnissen die
Perspektive.

Als Sozialpolitikerin und Sozialdemokratin kann ich
Ihnen sagen: Wir werden dafür sorgen, dass die Men-
schen in der Republik das erfahren. Es geht nicht, dass
wir uns nur um diejenigen kümmern, die einfach in Ar-
beit vermittelt werden können – dass wir uns um sie
kümmern, ist gut; denn wir möchten, dass jeder gute Ar-
beit hat –, sondern wir als Sozialdemokratische Partei





Katja Mast


(A) (C)



(D)(B)

wollen, dass auch Langzeitarbeitslose mit vielfachen
Vermittlungshemmnissen gute Arbeit erhalten.


(Beifall bei der SPD)


An der Stelle geht es aber noch weiter: Wie werden
Sie mit dem im Ausschuss für Arbeit und Soziales kon-
trovers diskutierten Thema der Härtefallregelung für
Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen und -Empfänger
umgehen? Wir wollen, dass das Thema Härtefallrege-
lung federführend im Fachausschuss von den Sozialpoli-
tikern mit Vertretern des Sozialministeriums diskutiert
wird. Wenn es einen Punkt gibt, den uns das Bundesver-
fassungsgericht klar mit auf den Weg gegeben hat, dann
ist es doch der, dass es um das kulturelle und soziale
Existenzminimum geht, das notwendig ist, um in Würde
in Deutschland leben zu können. Mit diesem Thema dür-
fen wir nicht einfach buchhalterisch umgehen und es den
Finanzpolitikern überlassen, sondern hier ist unsere
sozialpolitische Kompetenz gefragt. Da erwarte ich von
Ihnen, Frau von der Leyen, von Ihrem Ministerium, von
der CDU/CSU-Fraktion und von der FDP-Fraktion, dass
Sie mit einem eigenen Gesetzentwurf dafür sorgen, dass
wir als fachpolitisch zuständige Sozialpolitiker dieses
Thema diskutieren.


(Beifall bei der SPD)


Ich sage dies auch deswegen, weil heute schon klar
ist, dass das, was Sie mit einem Volumen von 100 Milli-
onen Euro vorgelegt haben, zu kurz gesprungen ist. Wir
brauchen mindestens 125 Millionen Euro. In Ihrem Vor-
schlag, den alle Fachverbände stark kritisieren, beden-
ken Sie von den Regierungsfraktionen nicht, dass neben
Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind,
auch Menschen mit einem Rollator eine Hilfe für den
Haushalt brauchen. Deshalb müssen wir Sozialpolitiker
selber eine Diskussion darüber führen.

Ich bleibe dabei: Mit dem Haushalt, den Sie vorgelegt
haben, kürzen Sie bei denen, die auf Solidarität angewie-
sen sind. Er ist Stückwerk und enthält keine Regelungen
über den Tag hinaus. Sie verschweigen, was nach der
Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen passieren wird.
Sie werden die Lohnnebenkosten erhöhen, indem Sie
den Beitrag für die Arbeitslosenversicherung anheben
werden. Aber Sie sagen heute nichts dazu. Ich fordere
Sie daher auf: Bestätigen Sie das, was ich gesagt habe,
oder dementieren Sie es einfach durch Ihren nächsten
Redner in dieser Debatte! Ich bin gespannt auf das, was
der Kollege, der nach mir sprechen wird, zu sagen hat.


(Beifall bei der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702906600

Max Straubinger spricht für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1702906700

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Als letzter Redner zu dem Haushalt für Arbeit und Sozi-
ales möchte ich zusammenfassend sagen, dass die Bun-
desregierung mit diesem Haushalt ihrer sozialen Ver-
antwortung besonders gerecht wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Der Kollege Karl Schiewerling hat bereits darauf hin-
gewiesen, dass es mit einem Volumen von 143,2 Milli-
arden Euro der größte Haushalt für Arbeit und Soziales
ist, den es in der Bundesrepublik jemals gegeben hat.
Das bringt zum Ausdruck, dass die Bundesregierung ih-
rer sozialen Verantwortung gerecht wird und die Men-
schen unterstützt, die Hilfe bedürfen. Wenn wir noch die
Ausgaben für Gesundheit und Familien hinzurechnen,
dann kommen wir zu dem Ergebnis, dass weit über
50 Prozent des gesamten Bundeshaushaltes für soziale
Maßnahmen ausgegeben werden.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: 54 Prozent!)


Dies zeigt sehr deutlich, dass wir unserer sozialen Ver-
antwortung gegenüber den Menschen gerecht werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dies wird insbesondere bei den Maßnahmen im Be-
reich Arbeit und Soziales deutlich. Für die gesetzliche
Rentenversicherung, für die Knappschaft und für die
landwirtschaftliche Alterskasse gibt es einen Zuschuss in
Höhe von 81 Milliarden Euro. Auch die Arbeitsmarkt-
maßnahmen, die letztendlich Ausdruck einer aktiven
Arbeitsmarktpolitik sind, zeigen, dass sich diese Bun-
desregierung unter Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
und mit der neuen Bundesarbeitsministerin Frau Dr. von
der Leyen hier besonders verantwortlich fühlt. Trotzdem
versucht die Opposition heute, an diesem Haushalt Kri-
tik zu üben.

Diese vielfältigen Maßnahmen, die wir hier durchfüh-
ren werden, sind für Menschen gedacht, die der Hilfe be-
dürfen. Das Beste, was wir für die Menschen in unserem
Land machen können, ist jedoch, zusätzliche Arbeits-
plätze zu schaffen. Deshalb war es goldrichtig, zum
1. Januar dieses Jahres das Wachstumsbeschleuni-
gungsgesetz in Kraft zu setzen. Außerdem werden die
Bürgerinnen und Bürger entlastet, indem sie ihre Kran-
kenversicherungsbeiträge von der Steuer absetzen kön-
nen. Diese Gesamtentlastung der Bürgerinnen und Bür-
ger in Höhe von über 20 Milliarden Euro ist Grundlage
für den wirtschaftlichen Aufschwung in unserem Land.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Damit schaffen wir mehr Arbeitsplätze. Das wiederum
versetzt die Menschen in die Lage, ihr Leben eigenver-
antwortlich zu gestalten. Diesem Ziel hat sich die Bun-
desregierung verschrieben.

Wo sind die Alternativen der Opposition?


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Was machen Sie mit den Lohnnebenkosten?)


Angesichts der Anträge, über die wir noch namentlich
abstimmen werden, kann man sich nur die Augen reiben.
Frau Kollegin Hagedorn hat der Bundesregierung insge-
samt vorgeworfen, eine unverantwortliche Haushalts-
politik zu betreiben und vor allen Dingen eine viel zu
hohe Nettoneuverschuldung einzugehen. Frau Kollegin
Hagedorn, auch uns stört die Nettoneuverschuldung in
ihrer Gesamtheit; aber die Ausgaben sind eine Antwort
auf die Herausforderungen der Finanzkrise, deren





Max Straubinger


(A) (C)



(D)(B)

wirtschaftliche Auswirkungen wir abzufedern haben,
mit der Verlängerung des Bezugs von Kurzarbeitergeld,
vor allem aber mit der Unterstützung der Wirtschaft, da-
mit zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden. Damit
betreiben wir eine verantwortbare Politik, der Krise ent-
gegenzuwirken. Frau Kollegin Hagedorn, es ist also
keine unverantwortliche, sondern eine angemessene
Haushaltspolitik, mit der wir die Herausforderungen po-
sitiv in Angriff nehmen können.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Daniel Volk [FDP])


Werte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,
es geht nicht, auf der einen Seite die Verschuldung zu be-
klagen, auf der anderen Seite aber Anträge in den Bun-
destag einzubringen, die die Erhöhung des Arbeitslo-
sengeldes II fordern. Die Grünen fordern eine Erhöhung
auf 420 Euro, die Linken auf 500 Euro; bei der SPD ist es
noch undefiniert.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Wir haben bei den Kommunen etwas draufgelegt!)


Dabei geht es um Mehrausgaben, die den Bundeshaus-
halt mit bis zu 16 Milliarden Euro belasten würden, ohne
dass ein Finanzierungsvorschlag unterbreitet würde.


(Zuruf von der SPD: Das stimmt nicht!)


Das Beispiel zeigt sehr deutlich: SPD und Linke glei-
chen sich an, auch mit dem neuen Programm, dem sich
die SPD jetzt augenscheinlich verschrieben hat. Es ist
schon bezeichnend: Offensichtlich nimmt weder der
Fraktionsvorsitzende, Kollege Steinmeier, noch der ehe-
malige Bundesminister Franz Müntefering an der De-
batte teil,


(Zuruf von der SPD: Sie sind alle da! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Machen Sie mal die Augen auf!)


weil sie merken, dass dies eine Abkehr von der früheren
Politik ist, die dazu beigetragen hat, Langzeitarbeitslo-
sigkeit und Arbeitslosigkeit überhaupt zu bekämpfen.
Am Ende der rot-grünen Regierungszeit hatten wir in
unserem Land 5 Millionen Arbeitslose; jetzt sind wir bei
3,4 Millionen Arbeitslosen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Mit der Finanzkrise!)


Das ist der Erfolg der bisherigen Politik. Wir werden
diese Politik fortsetzen, damit die Arbeitslosigkeit in un-
serem Land weiterhin bekämpft wird. Wir wissen näm-
lich, dass das die beste Fürsorge für die Menschen in un-
serem Land ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


In diesem Sinne kann ich Ihnen nur empfehlen, die-
sem Bundeshaushalt die Zustimmung zu erteilen und
uns, die Bundeskanzlerin und die Bundesarbeitsministe-
rin tatkräftig bei der Arbeit zu unterstützen, damit es den
Leuten besser geht. Wir von der CDU/CSU-Bundestags-
fraktion werden in dieser Koalition gemeinsam mit der
FDP nichts unversucht lassen, um mehr Arbeitsplätze in
unserem Land zu schaffen.

(Zuruf von der SPD: Nicht mit diesem Haushalt!)


Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702906800

Damit schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-

plan 11, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, in
der Ausschussfassung. Dazu liegen fünf Änderungsan-
träge vor; über drei dieser Anträge werden wir nament-
lich abstimmen.

Wir kommen zur ersten namentlichen Abstimmung.
Hier geht es um die beiden inhaltsgleichen Änderungs-
anträge der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/1017
und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksa-
che 17/1018. Wir werden jetzt über beide Anträge ge-
meinsam abstimmen; dies ist interfraktionell so verabre-
det. – Damit sind Sie offensichtlich einverstanden. Dann
verfahren wir so.

Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre
Plätze einzunehmen. – Sind alle Urnen besetzt? – Das
scheint der Fall zu sein. Dann eröffne ich die Abstim-
mung.

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall.
Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die Schrift-
führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu
beginnen.1)

Wir kommen direkt zur zweiten namentlichen Ab-
stimmung, nämlich zum Änderungsantrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 17/1011. Ich bitte die Schrift-
führerinnen und Schriftführer wiederum, die vorgesehe-
nen Plätze einzunehmen. Sind alle Urnen besetzt? – Das
ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung.

Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme noch nicht abgegeben hat? – Das scheint nicht
der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung und
bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer wiederum,
mit der Auszählung zu beginnen.2)

Ich möchte darauf hinweisen, dass wir im Anschluss
an die jetzt folgende namentliche Abstimmung weitere
Abstimmungen durchführen.

Jetzt kommen wir aber zunächst zur dritten nament-
lichen Abstimmung, und zwar über den Änderungsan-
trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksa-
che 17/1020. Ich bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer wiederum, die Plätze einzunehmen. – Sind
alle Plätze an den Urnen besetzt? – Das scheint der Fall
zu sein. Dann ist die Abstimmung eröffnet.

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme noch nicht abgegeben hat? – Ja, es gibt noch ei-
nige. – Ich frage ein zweites Mal: Ist ein Mitglied des
Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgege-
ben hat? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die

1) Ergebnis Seite 2631 C
2) Ergebnis Seite 2633 B





Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt


(A) (C)



(D)(B)


Heinz-Joachim Barchmann Wolfgang Gunkel Ullrich Meßmer Kerstin Tack
Sören Bartol
Bärbel Bas
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding (Heidelberg)

Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann


(Hildesheim)

Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Martin Burkert
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger

Klaus Hagemann
Michael Hartmann


(Wackernheim)

Hubertus Heil (Peine)

Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz (Essen)

Frank Hofmann (Volkach)

Dr. Eva Högl
Christel Humme
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe (Leipzig)

Fritz Rudolf Körper
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Dr. Rolf Mützenich
Dietmar Nietan
Manfred Nink
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Marlene Rupprecht


(Tuchenbach)

Anton Schaaf
Axel Schäfer (Bochum)

Bernd Scheelen
Marianne Schieder


(Schwandorf)

Werner Schieder (Weiden)

Ulla Schmidt (Aachen)


Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Waltraud Wolff


(Wolmirstedt)

Uta Zapf
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries

DIE LINKE

Jan van Aken
Agnes Alpers
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Heidrun Bluhm
Steffen Bockhahn
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Klaus Barthel

Bettina Hagedorn
Franz Müntefering
Franz Thönnes

Wolfgang Tiefensee
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels

Hans-Joachim Hacker Dr. Matthias Miersch Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Abstimmung. Ich bitte di
Schriftführer, mit der Auszäh

Wir setzen jetzt die Abstim
zu einem weiteren Ände
Bündnis 90/Die Grünen.

Abstimmung über den Än
Bündnis 90/Die Grünen auf
stimmt für diesen Änderungs
Enthaltungen? – Damit ist d
lehnt bei Zustimmung durch
Dagegen haben die Koalitio
Enthalten hat sich die Fraktio

Ich unterbreche jetzt die
der Ergebnisse der namentlic
wir dann gemeinsam über de
änderten Einzelplan 11 abstim

1) Ergebnis Seite 2636 A

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 581;
davon

ja: 265
nein: 316

Ja

SPD

Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
e Schriftführerinnen und
lung zu beginnen.1)

mungen fort und kommen
rungsantrag der Fraktion

derungsantrag der Fraktion
Drucksache 17/1019. Wer

antrag? – Gegenstimmen? –
er Änderungsantrag abge-

die einbringende Fraktion.
n und die SPD gestimmt.
n Die Linke.

Sitzung bis zum Vorliegen
hen Abstimmungen, damit
n geänderten oder nicht ge-
men können.

Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Peter Friedrich
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Ulrike Gottschalck
Angelika Graf (Rosenheim)

Michael Groschek
Michael Groß

(Unterbrechung von 1 Vizepräsident Dr. h. c. W Ich eröffne die unterbroc teile die Ergebnisse der dr mungen mit. Zunächst gebe ich das von Schriftführern ermittelte Erg mentlichen Abstimmung übe Fraktion der SPD und der F Die Grünen zur zweiten Bera gierung eingebrachten Entwu Feststellung des Bundeshau haltsjahr 2010 – hier: Einze des Bundesministeriums für A Drucksachen – bekannt: abg Ja haben gestimmt 265, mit Enthaltungen keine. Die Än lehnt. Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel 4.01 bis 14.09 Uhr)


olfgang Thierse:
hene Sitzung wieder und
ei namentlichen Abstim-

den Schriftführerinnen und
ebnis der gemeinsamen na-
r die Änderungsanträge der
raktion des Bündnisses 90/
tung des von der Bundesre-
rfs eines Gesetzes über die
shaltsplans für das Haus-
lplan 11, Geschäftsbereich
rbeit und Soziales, diverse

egebene Stimmen 581. Mit
Nein haben gestimmt 316,
derungsanträge sind abge-

Silvia Schmidt (Eisleben)

Carsten Schneider (Erfurt)

Olaf Scholz
Ottmar Schreiner
Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Stefan Schwartze
Dr. Carsten Sieling
Peer Steinbrück





Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) (C)



(D)(B)

Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Diana Golze
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Heike Hänsel
Dr. Rosemarie Hein
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Andrej Konstantin Hunko
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Thomas Nord
Petra Pau
Jens Petermann
Richard Pitterle
Yvonne Ploetz
Ingrid Remmers
Paul Schäfer (Köln)

Michael Schlecht
Dr. Herbert Schui
Kathrin Senger-Schäfer
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Kerstin Andreae
Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Cornelia Behm
Birgitt Bender
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Ingrid Hönlinger
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Memet Kilic
Sven-Christian Kindler
Maria Anna Klein-Schmeink
Ute Koczy
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Fritz Kuhn
Stephan Kühn
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth (Quedlinburg)

Monika Lazar
Nicole Maisch
Agnes Malczak
Jerzy Montag
Kerstin Müller (Köln)

Beate Müller-Gemmeke
Ingrid Nestle
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann Ott
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)

Krista Sager
Manuel Sarrazin
Christine Scheel
Dr. Frithjof Schmidt
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang Strengmann-

Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Daniela Wagner
Wolfgang Wieland
Dr. Valerie Wilms
Josef Philip Winkler

Nein

CDU/CSU

Ilse Aigner
Peter Altmaier
Peter Aumer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck


(Reutlingen)

Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen


(Bönstrup)

Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)

Dirk Fischer (Hamburg)


(Karlsruhe Land)

Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Josef Göppel
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu

Guttenberg
Olav Gutting
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Thomas Jarzombek
Dr. Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung (Konstanz)

Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Volker Kauder

(Villingen Schwenningen)

Dr. Stefan Kaufmann
Eckart von Klaeden
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers


(Heidelberg)

Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Dr. Michael Luther
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer (Altötting)

Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk





Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) (C)



(D)(B)


Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller (Erlangen)

Nadine Müller (St. Wendel)

Dr. Philipp Murmann

Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer

Dr. Ole Schröder
Dr. Kristina Schröder


(Wiesbaden)

Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Detlef Seif
Johannes Selle

Erika Steinbach
Dieter Stier
Gero Storjohann

FDP

Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine Aschenberg-

Dugnus
Daniel Bahr (Münster)

Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Nicole Bracht-Bendt

Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai

Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger

Lars Lindemann
Christian Lindner
Dr. Martin Lindner (Berlin)

Michael Link (Heilbronn)

Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer

Hans-Joachim Otto

(Frankfurt)

Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Lucia Puttrich
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche (Potsdam)

Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht (Weiden)

Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt (Fürth)

Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff

Wir kommen zu dem von
Schriftführern ermittelten E
Abstimmung über den Änd
Die Linke zur zweiten Beratu
Bundesregierung, Haushaltsg
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Strobl (Heilbronn)

Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg (Hamburg)

Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Dagmar Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew

den Schriftführerinnen und
rgebnis der namentlichen
erungsantrag der Fraktion
ng des Gesetzentwurfs der
esetz 2010 – Geschäftsbe-
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Joachim Günther (Plauen)

Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Manuel Höferlin
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Patrick Kurth (Kyffhäuser)

Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht

reich des Bundesministerium
abgegebene Stimmen 572. M
mit Nein haben gestimmt 50
damit abgelehnt.
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Birgit Reinemund
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Dr. Hermann Otto Solms
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Torsten Heiko Staffeldt
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Stephan Thomae
Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel


(Lüdenscheid)

Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)


s für Arbeit und Soziales –:
it Ja haben gestimmt 70,

2. Der Änderungsantrag ist
Bernd Neumann (Bremen)

Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski

Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Klaus Breil
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub

Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Petra Müller (Aachen)

Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann


(Lausitz)

Dirk Niebel





Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) (C)



(D)(B)

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 572;
davon

ja: 70
nein: 502

Ja

DIE LINKE

Jan van Aken
Agnes Alpers
Dr. Dietmar Bartsch
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Heidrun Bluhm
Steffen Bockhahn
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Diana Golze
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Heike Hänsel
Dr. Rosemarie Hein
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Andrej Konstantin Hunko
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Petra Pau
Jens Petermann
Richard Pitterle
Yvonne Ploetz
Ingrid Remmers
Paul Schäfer (Köln)

Michael Schlecht
Dr. Herbert Schui
Kathrin Senger-Schäfer
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann

Nein

CDU/CSU

Ilse Aigner
Peter Aumer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck


(Reutlingen)

Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen


(Bönstrup)

Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)

Dirk Fischer (Hamburg)


(Karlsruhe Land)

Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Josef Göppel
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu

Guttenberg
Olav Gutting
Florian Hahn
Holger Haibach
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Dr. Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung (Konstanz)

Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Volker Kauder

(Villingen Schwenningen)

Dr. Stefan Kaufmann
Eckart von Klaeden
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers


(Heidelberg)

Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Dr. Michael Luther
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer (Altötting)

Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller (Erlangen)

Nadine Müller (St. Wendel)

Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann (Bremen)

Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Lucia Puttrich
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche (Potsdam)

Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht (Weiden)

Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt (Fürth)

Patrick Schnieder





Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) (C)



(D)(B)

Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Dr. Kristina Schröder


(Wiesbaden)

Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Strobl (Heilbronn)

Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Marcus Weinberg (Hamburg)

Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Dagmar Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew

SPD

Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Bärbel Bas
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding (Heidelberg)

Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann


(Hildesheim)

Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Martin Burkert
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Peter Friedrich
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Ulrike Gottschalck
Angelika Graf (Rosenheim)

Michael Groschek
Michael Groß
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann


(Wackernheim)

Hubertus Heil (Peine)

Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz (Essen)

Frank Hofmann (Volkach)

Dr. Eva Högl
Christel Humme
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe (Leipzig)

Fritz Rudolf Körper
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Petra Merkel (Berlin)

Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Dietmar Nietan
Manfred Nink
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Marlene Rupprecht


(Tuchenbach)

Anton Schaaf
Axel Schäfer (Bochum)

Bernd Scheelen
Marianne Schieder


(Schwandorf)

Werner Schieder (Weiden)

Ulla Schmidt (Aachen)

Silvia Schmidt (Eisleben)

Carsten Schneider (Erfurt)

Olaf Scholz
Ottmar Schreiner
Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Stefan Schwartze
Dr. Carsten Sieling
Peer Steinbrück
Kerstin Tack
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Waltraud Wolff


(Wolmirstedt)

Uta Zapf
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries

FDP

Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine Aschenberg-

Dugnus
Daniel Bahr (Münster)

Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Nicole Bracht-Bendt
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Joachim Günther (Plauen)

Dr. Christel Happach-Kasan
Manuel Höferlin
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Patrick Kurth (Kyffhäuser)

Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Sabine Leutheusser-

Schnarrenberger
Lars Lindemann
Christian Lindner
Dr. Martin Lindner (Berlin)

Michael Link (Heilbronn)

Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Petra Müller (Aachen)

Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann


(Lausitz)

Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto


(Frankfurt)

Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Birgit Reinemund
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Dr. Hermann Otto Solms
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Torsten Heiko Staffeldt
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Stephan Thomae
Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel


(Lüdenscheid)






Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) (C)



(D)(B)


Dr. Dietmar Bartsch

Dr. Martina Bunge

Thomas Lutze
Ulrich Maurer

Jens Petermann

Ekin Deligöz

Winfried Hermann

Brigitte Pothmer
Tabea Rößner

Dr. Wolfgang Strengmann-
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Diana Golze
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Heike Hänsel
Dr. Rosemarie Hein
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Andrej Konstantin Hunko
Ulla Jelpke
Richard Pitterle
Yvonne Ploetz
Ingrid Remmers
Paul Schäfer (Köln)

Michael Schlecht
Dr. Herbert Schui
Kathrin Senger-Schäfer
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Ingrid Hönlinger
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Sven-Christian Kindler
Maria Anna Klein-Schmeink
Ute Koczy
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Fritz Kuhn
Stephan Kühn
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth (Quedlinburg)

Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Daniela Wagner
Wolfgang Wieland
Dr. Valerie Wilms
Josef Philip Winkler

Nein

CDU/CSU

Ilse Aigner
Peter Altmaier
Peter Aumer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Heidrun Bluhm
Steffen Bockhahn
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter

Dorothée Menzner
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Thomas Nord
Petra Pau
Katja Dörner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius

Claudia Roth (Augsburg)

Krista Sager
Manuel Sarrazin
Christine Scheel
Dr. Frithjof Schmidt
Dorothea Steiner
Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)


BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Kerstin Andreae
Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Cornelia Behm
Birgitt Bender
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Hans-Josef Fell

Wir kommen zu dem von
Schriftführern ermittelten E
Abstimmung über den Änd
Bündnis 90/Die Grünen zur

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 577;
davon

ja: 133
nein: 444

Ja

DIE LINKE

Jan van Aken
Agnes Alpers
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Ingrid Hönlinger
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Sven-Christian Kindler
Maria Anna Klein-Schmeink
Ute Koczy
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer

den Schriftführerinnen und
rgebnis der namentlichen
erungsantrag der Fraktion
zweiten Beratung des Ge-

Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Agnes Krumwiede
Fritz Kuhn
Stephan Kühn
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth (Quedlinburg)

Monika Lazar
Nicole Maisch
Agnes Malczak
Jerzy Montag
Kerstin Müller (Köln)

Beate Müller-Gemmeke
Ingrid Nestle
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann Ott
Lisa Paus

setzentwurfs der Bundesregier
ebenfalls Einzelplan 11 –: abg
Ja haben gestimmt 133. Mit
Der Änderungsantrag ist dam

Harald Weinberg
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Kerstin Andreae
Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Cornelia Behm
Birgitt Bender
Alexander Bonde
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)

Krista Sager
Manuel Sarrazin
Christine Scheel
Dr. Frithjof Schmidt
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang Strengmann-

Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Daniela Wagner
Wolfgang Wieland
Dr. Valerie Wilms
Josef Philip Winkler

ung, Haushaltsgesetz 2010 –
egebene Stimmen 579. Mit
Nein haben gestimmt 446.
it abgelehnt.

Monika Lazar
Nicole Maisch
Agnes Malczak
Jerzy Montag
Kerstin Müller (Köln)

Beate Müller-Gemmeke
Ingrid Nestle
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann Ott
Lisa Paus





Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) (C)



(D)(B)

Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck


(Reutlingen)

Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen


(Bönstrup)

Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)

Dirk Fischer (Hamburg)


(Karlsruhe Land)

Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Josef Göppel
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu

Guttenberg
Olav Gutting
Florian Hahn
Holger Haibach
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Thomas Jarzombek
Dr. Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung (Konstanz)

Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Volker Kauder

(Villingen Schwenningen)

Dr. Stefan Kaufmann
Eckart von Klaeden
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers


(Heidelberg)

Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Dr. Michael Luther
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer (Altötting)

Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller (Erlangen)

Nadine Müller (St. Wendel)

Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann (Bremen)

Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Lucia Puttrich
Daniela Raab
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche (Potsdam)

Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht (Weiden)

Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt (Fürth)

Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Dr. Kristina Schröder


(Wiesbaden)

Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Strobl (Heilbronn)

Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Marcus Weinberg (Hamburg)

Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Dagmar Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew

SPD

Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Bärbel Bas
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding (Heidelberg)

Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann


(Hildesheim)

Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Martin Burkert
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Peter Friedrich
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Ulrike Gottschalck
Angelika Graf (Rosenheim)

Michael Groschek





Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) (C)



(D)(B)


Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner

Werner Schieder (Weiden)

Ulla Schmidt (Aachen)


Patrick Döring (Frankfurt)

Cornelia Pieper
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe (Leipzig)

Fritz Rudolf Körper
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Petra Merkel (Berlin)

Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Dietmar Nietan
Manfred Nink

Damit kommen wir zur Ab
plan 11 in der Ausschussfas
Wer stimmt dagegen? – Enthal
ist mit den Stimmen der beid
gen die Stimmen der drei O
nommen.

Liebe Kolleginnen und K
nungspunkt I.6 auf:

Einzelplan 09
Bundesministerium
nologie

– Drucksachen 17/609
Silvia Schmidt (Eisleben)

Carsten Schneider (Erfurt)

Olaf Scholz
Ottmar Schreiner
Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Stefan Schwartze
Dr. Carsten Sieling
Peer Steinbrück
Kerstin Tack
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Waltraud Wolff


(Wolmirstedt)

Uta Zapf
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries

stimmung über den Einzel-
sung. Wer stimmt dafür? –
tungen? – Der Einzelplan 11
en Koalitionsfraktionen ge-
ppositionsfraktionen ange-

ollegen, ich rufe Tagesord-

für Wirtschaft und Tech-

, 17/623 –
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Joachim Günther (Plauen)

Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Manuel Höferlin
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Patrick Kurth (Kyffhäuser)

Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht

Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Mich

(Er Ulrike Flach Roland Claus Alexander Bonde Nach einer interfraktione die Aussprache eineinhalb S höre keinen Widerspruch. Da Ich eröffne die Aussprach Carsten Schneider für die SPD (Beifall bei Gisela Piltz Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Heiko Staffeldt Dr. Rainer Stinner Carl-Ludwig Thiele Stephan Thomae Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff ael Luther furt)


(Lüdenscheid)


llen Vereinbarung sind für
tunden vorgesehen. – Ich

nn ist das so beschlossen.

e und erteile dem Kollegen
-Fraktion das Wort.

der SPD)
Michael Groß
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann


(Wackernheim)

Hubertus Heil (Peine)

Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz (Essen)

Frank Hofmann (Volkach)

Dr. Eva Högl
Christel Humme
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek

Thomas Oppermann
Holger Ortel
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Joachim Poß
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Marlene Rupprecht


(Tuchenbach)

Anton Schaaf
Axel Schäfer (Bochum)

Bernd Scheelen
Marianne Schieder


(Schwandorf)

FDP

Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine Aschenberg-

Dugnus
Daniel Bahr (Münster)

Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai

Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger

Lars Lindemann
Christian Lindner
Dr. Martin Lindner (Berlin)

Michael Link (Heilbronn)

Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Petra Müller (Aachen)

Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann


(Lausitz)

Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto






(A) (C)



(D)(B)


Carsten Schneider (SPD):
Rede ID: ID1702906900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

Debatte über den Haushalt des Wirtschaftsministeriums
knüpft nahtlos an die Debatte über den Arbeitsmarkt an,
weil Wirtschaft und Arbeitsmarkt natürlich zusammen-
hängen.

Man fragt sich: Was hat diese Koalition, was hat die-
ser Minister in die Haushaltsberatungen eingebracht
oder getan, um die wirtschaftliche Situation in Deutsch-
land zu verbessern? Wenn man sich den Etat anschaut,
muss man sagen: Die Antwort „gar nichts“ wäre noch
gut. Es ist aber viel schlimmer: Sie haben in Ihrem Etat
bei den Investitionen gekürzt. Sie haben Maßnahmen,
die Sie mit Ihrem „Möchtegern-Wachstumsbeschleuni-
gungsgesetz“ eingeführt haben, also Einzelsubventio-
nen für Branchen wie die Landwirtschaft, aber auch das
Hotelgewerbe, ausgeweitet. Dabei hat die Koalition auch
noch einen Antrag zugunsten von Campingplätzen ein-
gebracht. Campingplätze sind ein ganz wichtiger Wirt-
schaftsfaktor.


(Garrelt Duin [SPD]: Ganz wichtig!)


Sie haben kein industriepolitisches Konzept. Für den
Mittelstand haben Sie nur warme Worte. Im Hinblick auf
die Kreditklemme, die die deutschen Unternehmen be-
lastet und die Wachstumsentwicklung in diesem Jahr
wahrscheinlich frappierend beeinträchtigen wird, haben
Sie gar keine Ideen.

Die Mittel für die Gemeinschaftsaufgaben „Verbesse-
rung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ – das
betrifft nicht Ihren Etat; es geht um 25 Millionen Euro
Investitionen – und „Verbesserung der regionalen Wirt-
schaftsstruktur“ – diese Gemeinschaftsaufgabe hat in
den vergangenen Jahren enorm dazu beitragen, dass wir
einen Beschäftigungsaufbau und eine Erneuerung der In-
dustrieproduktion hatten und dass die deutsche Wirt-
schaft ihre Wettbewerbsposition verbessern konnte –
werden mit diesem Haushalt um 10 Millionen Euro ge-
kürzt. Dadurch fallen auch die Kofinanzierungsmittel
der Länder in Höhe von 10 Millionen Euro weg. Man
muss auch bedenken, dass dadurch die entsprechenden
privaten Investitionen verlorengehen. Das ist ein klares
Zeichen, dass Sie nicht verstanden haben, in welcher Si-
tuation sich Deutschland gerade befindet.


(Beifall bei der SPD)


Sie haben sich den Bürokratieabbau auf die Fahnen
geschrieben. Gesehen hat man davon noch nichts.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich auch nicht!)


Wenn ich mir die Erläuterungen des Finanzministeriums
zur Umsatzsteuerrichtlinie anschaue, insbesondere wie
das mit den Aufwendungen für Essen und Frühstück
funktionieren soll, muss ich sagen: Das ist eher eine Be-
lastung, eher ein Aufbau von Bürokratie. Auch da, Herr
Minister Brüderle, sind Sie gescheitert.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie sagen nichts zum Thema Opel. Man hat den Ein-
druck, Sie würden dieses Thema am liebsten schnell be-
erdigt sehen. Wie ich schon gesagt habe: Industriepolitik
scheint nicht Ihr Thema zu sein.

Die Interessen der Solarindustrie, einer der Wachs-
tumsmärkte gerade in Ostdeutschland, werden durch Ih-
ren Partner in der Regierungskoalition mit Füßen getre-
ten. Im Zusammenhang mit dem Erneuerbare-
Energien-Gesetz werden extreme Kürzungen vorge-
nommen, was dazu führt, dass hier bis zu 5 000 Arbeits-
plätze und viele Investitionen auf der Kippe stehen.
Diese Kürzungen betreffen nicht nur die Einspeisevergü-
tung, sondern auch die direkten Maßnahmen hinsichtlich
der Absatzförderung. Auch die Mittel für das Marktan-
reizprogramm – auch das müsste Sie als Wirtschaftsmi-
nister interessieren – sind gekürzt bzw. gesperrt worden.
Das führt dazu, dass kein Umstieg erfolgt. Wir werden
keinen Energiemix bekommen, und Arbeitsplätze und
damit natürlich auch Exportanteile gehen verloren.


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Das, was Sie hier erzählen, glauben Sie doch selber nicht!)


Herr Minister, das ist der Funktion eines Bundeswirt-
schaftsministers, so wie zumindest ich sie bisher inter-
pretiert habe, nicht würdig.

Sie haben als Mitglied der FDP-Fraktion in den ver-
gangenen Jahren viele Anträge eingebracht, was Kür-
zungen betrifft. Dabei ging es insbesondere auch um den
Bereich der Staatssekretäre. Wir haben Ihnen entspre-
chende Änderungsanträge vorgelegt. Sie haben keinem
einzigen dieser Änderungsanträge zugestimmt, ge-
schweige denn dafür gesorgt, dass das, was Sie vor der
Wahl gesagt haben, auch nach der Wahl gilt. Bei dieser
Tatenlosigkeit, die von diesem Haus ausgeht, sollte man
eher den Minister als die Staatssekretäre abschaffen;
denn für die Unterschrift sind auch sie gut.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Stattdessen erhöhen Sie die Exportsubventionen bzw.
die Kreditermächtigungen für den Bau von Atomkraft-
werken. Es ist eine Hermesbürgschaft im Umfang von
über 1 Milliarde Euro für ein nicht sicheres, unmodernes
Atomkraftwerk in Brasilien vorgesehen. Dafür haben Sie
sofort Unterstützung bereitgestellt. Zukunftstechnolo-
gien haben aber keine Chance. Die Atomwirtschaft ist
Ihre Klientel; das ist Ihr wirtschaftspolitisches Pro-
gramm.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulla Lötzer [DIE LINKE] – Iris Gleicke [SPD]: Strahlende Zukunft!)


– Das ist eine strahlende Zukunft für Deutschland.

Dann fragt man sich, was Sie eigentlich im Bereich
der Kreditwirtschaft tun. Sie haben einen Kreditmedia-
tor eingesetzt. Die Lage am deutschen Bankenmarkt ist
prekär. Aufgrund der allgemeinen Eigenkapitalschwäche
hatten wir allein im letzten Jahr mit einem Zuwachs an
Unternehmensinsolvenzen von 11 Prozent zu kämpfen.





Carsten Schneider (Erfurt)



(A) (C)



(D)(B)


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Wo das denn?)


Darauf gibt es bisher keine Antwort aus Ihrem Haus. Sie
führen einen Gipfel nach dem anderen durch. Das Ein-
zige, was bisher daraus geboren wurde, war ein Kredit-
mediator, der nun seine Arbeit aufnehmen soll.

Er hat sieben Mitarbeiter und ist außergewöhnlich gut
bezahlt. Das an sich ist schon genug Anlass zur Kritik.
Er wird der Aufgabe aber überhaupt nicht gerecht. Ich
habe heute Morgen ein Interview dazu gehört, was er
machen will. Bis zu 10 000 Unternehmen, die Probleme
haben, sollen sich an ihn wenden können – und das bei
sieben Mitarbeitern. Schon das geht überhaupt nicht.

Die Unternehmen sollen darauf hingewiesen werden,
dass es im Zweifel bei der KfW eine 90-prozentige
Bürgschaft oder Absicherung gibt. Diese Information
steht im Internet; man kann sie dort ganz einfach erhal-
ten.

Die Einsetzung eines Kreditmediators ist nichts wei-
ter als ein Feigenblatt für einen Aktionismus, der zu
nichts führt, weil Sie nicht die Traute haben, den Banken
im Hinblick auf die Finanzierung auf die Finger zu
hauen und letztendlich dafür zu sorgen, dass sie ihrer
Aufgabe, der Kreditversorgung nachzukommen, auch
tatsächlich gerecht werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Hierzu höre ich nichts. Sie setzen auf Freiwilligkeit. Das
ist der falsche Weg.


(Beifall bei der SPD)


Noch eine kleine Anekdote zum Schluss, um zu zei-
gen, womit sich Ihr Haus beschäftigt. Ich habe im Inter-
net nachgeschaut, was Sie in den letzten Tagen alles
gemacht haben, und eine Pressemitteilung des Parlamen-
tarischen Staatssekretärs Burgbacher über den Camping-
tourismus in Deutschland gefunden.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)


Ich habe ja nichts gegen den Campingtourismus; aber
das darf nicht alles sein, womit Sie sich beschäftigen. Ich
zitiere:

Die Campingwirtschaft steht vor der Herausforde-
rung, gleichzeitig der steigenden Nachfrage im In-
land gerecht zu werden und für den dynamischen
europäischen Wettbewerb vorbereitet zu sein.
Umso wichtiger sind zuverlässige und gesicherte
Daten und Fakten für die zukunftsgerichtete und
nachhaltige Weiterentwicklung des deutschen Cam-
pingangebotes.


(Otto Fricke [FDP]: Falsch oder richtig?)


Das ist ein Armutszeugnis für das Wirtschaftsministe-
rium der größten Volkswirtschaft Europas. So wird das
nichts. Deswegen werden wir diesen Haushalt auch ab-
lehnen.


(Beifall bei der SPD)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1702907000

Das Wort hat nun Ulrike Flach für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1702907100

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-

ren! Lieber Kollege Schneider, das war ein Sammel-
surium von wilden Anschuldigungen, mit denen man
eigentlich nicht ernsthaft in die Beratung eines so wichti-
gen Haushalts gehen kann.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Als ein sozialdemokratischer Wirtschaftsminister die-
sen Einzelplan aufgegeben hatte und die Große Koali-
tion anfing, dort aufzuräumen, wurden uns allen – daran
erinnere ich mich als Haushälterin; damals begleitete ich
Sie noch aus der Opposition heraus – Unmengen an
kleinsten und winzigen Klientelprogrammen präsen-
tiert. Diese sind schon damals unter der Großen Koali-
tion wieder eingesammelt worden. Was Sie als durch-
gängige Industriepolitik bezeichnen, ist über die vielen
Jahre hinweg nichts anderes als Kleinstklientelpolitik
gewesen.

Sie muss jetzt endlich auf solide Füße gestellt werden.
Das heißt, wir fassen die einzelnen Programme zusam-
men. Im Mittelstand werden ganz bewusst neue Techno-
logien gefördert, zum Beispiel Breitbandverbindungen.
Wir fördern übrigens auch einen der zukunftsträchtigs-
ten Bereiche der nächsten Jahrzehnte: die Gesundheits-
wirtschaft. Es sind also völlig neue Projekte auf den Weg
gebracht worden, von denen Sie bei den Haushaltsbera-
tungen aber offensichtlich nichts mitbekommen haben.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich möchte darauf eingehen, dass Sie sagen, es sei
nicht erkennbar, dass sich in diesem Haushalt überhaupt
irgendetwas ändere. Was haben wir gemacht? Wir haben
die schwierige Aufgabe, dass wir, aus einer wilden Krise
herauskommend, versuchen müssen, haushalterisch eine
Senkung der Ausgaben zu erreichen. Das versuchen
wir zurzeit.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Versuchen sieht anders aus!)


Der Umfang des Einzelplans des BMWi ist mit
6 Milliarden Euro immerhin um 161 Millionen Euro ge-
ringer als der im Haushaltsentwurf und sogar niedriger
als das Soll im Jahr 2009. Die erste Aufgabe ist also er-
füllt. Dies war in all den Jahren unter Ihrer Ägide nicht
der Fall. Es ist endlich einmal gespart worden, und zwar
überall, und nicht, wie Sie meinen, an wichtigen Stellen.


(Beifall bei der FDP – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn mit der Steinkohlesubvention?)


Ich möchte auf das Thema Investitionen zu sprechen
kommen. Lassen Sie mich ein paar Zahlen nennen. Im
Jahr 2008 – einem normalen Haushaltsjahr vor der Wirt-
schaftskrise – lagen die Ausgaben für Investitionen bei
24,7 Milliarden Euro. Im Krisenjahr 2009 wurden die





Ulrike Flach


(A) (C)



(D)(B)

Ausgaben durch die Konjunkturpakete auf 32,8 Milliar-
den Euro gesteigert. Hierzu gehört ein Darlehen in Höhe
von 4 Milliarden Euro für den Gesundheitsfonds, das
aber nicht abgerufen wurde. Im Entwurf 2010 sind die
Ausgaben für Investitionen immer noch 3,6 Milliarden
Euro höher als im Nichtkrisenjahr 2008, lieber Kollege
Schneider. Ein Teil der verbleibenden Kürzungen hat mit
rein technischen Veränderungen zu tun. Fast 400 Millio-
nen Euro werden allein bei den Investitionen abgezogen,
weil Entschädigungszahlungen für Kreditausfälle im
Rahmen des Bürgschaftsfonds nicht gebraucht wurden.
Das, lieber Kollege Schneider, ist ein gutes und kein
schlechtes Zeichen.

Zudem hat die alte Bundesregierung, der bekanntlich
auch die SPD angehörte, über 2 Milliarden Euro an
Investitionsmitteln im Rahmen des Investitions- und Til-
gungsfonds bereitgestellt. Diese Summe taucht im Haus-
halt nicht auf, wird aber 2010 zu großen Teilen in Inves-
titionen abfließen. Das heißt, Ende des Jahres werden die
Ausgaben für Investitionen sogar höher sein als 2009.

Lieber Kollege Schneider, das, was Sie behauptet ha-
ben, nenne ich Verdrängung von Fakten. Das sind Mär-
chen, die an keiner Stelle stimmen. Diese Regierung
steht für Investitionen und wird dafür sorgen, dass wir
einen soliden Weg aus der Krise in eine nachhaltige Zu-
kunft einschlagen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1702907200

Das Wort hat nun Herbert Schui für die Fraktion Die

Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Herbert Schui (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702907300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Wirt-

schaftspolitik muss sich unter den gegebenen Bedingun-
gen vor allen Dingen darum kümmern, die Arbeitslosig-
keit in den Griff zu bekommen. Mit Arbeitsmarktpolitik
allein lässt sich das aber nun wirklich nicht realisieren.


(Beifall bei der LINKEN)


Unser Problem besteht darin, dass das Bruttoinlands-
produkt im vergangenen Jahr um 5 Prozent gesunken ist.
Dafür bewundert uns das Ausland nicht, weder die Ver-
einigten Staaten – dort schrumpfte das Bruttoinlandspro-
dukt nicht so stark – noch Frankreich. Wenn das Sinken
des Bruttoinlandsprodukts aber voll auf den Arbeits-
markt durchgeschlagen wäre, dann hätten wir nun
1,8 Millionen Arbeitslose mehr.

Warum sind wir glimpflich davongekommen? Warum
ist die Beschäftigung einigermaßen stabil geblieben?


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Weil wir eine kluge Politik gemacht haben!)


– Das ist nicht das Ergebnis irgendeiner klugen Politik. –
Der wesentliche Grund ist, dass die Arbeitsproduktivität
im vergangenen Jahr um 2,2 Prozent gesunken ist. Nun
könnte man natürlich denken, dass das daran liegt, dass
die Leistungsträger aufgrund lausiger Arbeitsbedingun-
gen und niedriger Löhne pro Stunde weniger arbeiten.
Das stimmt aber nicht: Aufgrund der technischen Aus-
lastung der Kapazitäten ist die Produktivität gesunken.

Das Arbeitsvolumen ist um 2,8 Prozent gesunken.
Das haben Sie weggeschoben, und zwar vor allen Din-
gen dadurch, dass im vergangenen Jahr aufgrund der
Zunahme von Teilzeitarbeit die durchschnittliche wö-
chentliche Arbeitszeit von 26 auf 25 Stunden pro Woche
gesenkt worden ist. Auch das ist nicht weiter bewun-
dernswert.

All das hat sich aufgrund der Hartz-Gesetzgebung
und durch den Umstand ergeben, dass die Produk-
tionstechnik bei solchen Konjunkturabschwüngen zwin-
gend zu einer Senkung der Produktivität der Arbeit
führt. Es ist also weder Ihr Verdienst noch ein politisches
Verdienst. Es hat sich nun einmal so durchgesetzt, aber
es ist nicht viel dabei.

Das einzige Vernünftige im vergangenen Jahr war die
Kurzarbeitergeldregelung. Wir sind dafür, dass diese Re-
gelung fortgeführt und ausgebaut wird und dass der Be-
zug des ALG I verlängert wird. Auf diese Art und Weise
kann man spontan das Schlimmste abfedern.


(Beifall bei der LINKEN)


Mehr kann man damit aber nicht erreichen. Notwen-
dig ist eine Politik, die den Arbeitsmarkt aufgrund einer
gesteigerten Produktion wieder in Schwung bringt. Des-
wegen fordern wir ein Zukunftsprogramm mit einem
Umfang von 100 Milliarden Euro. Das kommt Ihnen
entsetzlich viel vor, aber damit könnte man im öffentli-
chen Dienst 2 Millionen Menschen zusätzlich beschäfti-
gen. Zudem schaffen alle zusätzlichen öffentlichen Aus-
gaben durch die zusätzliche Staatsnachfrage mehr
Beschäftigung.

Die Frage ist, wie das finanziert werden soll. Dazu
findet sich in allen Haushaltsentwürfen nichts. Das
Ganze lässt sich durch eine Millionärsabgabe finanzie-
ren, die locker 80 Milliarden Euro einbringen würde.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Locker?)


– Nun gut, es ist hart, als Grüner gegen einen Millionär
anzugehen. Das kann ich verstehen. Aber wir haben we-
niger Hemmungen als Sie. Das sollten Sie uns überlas-
sen.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Traumtänzer! – Otto Fricke [FDP]: Ihr habt überhaupt keine Hemmungen!)


– Nein, warum sollten wir auch.

Eine weitere Möglichkeit wäre eine Erhöhung der
Steuern auf Gewinneinkommen. In Deutschland werden
die Gewinneinkommen nach Eurostat gegenwärtig mit
25 Prozent besteuert. In Frankreich sind es 40 Prozent.
Würde man die Steuer auf den französischen Satz anhe-
ben, würden die Steuereinnahmen um 100 Milliarden
steigen. So lassen sich Arbeitsmarktpolitik und Beschäf-
tigungspolitik finanzieren.





Dr. Herbert Schui


(A) (C)



(D)(B)

Sie setzen dagegen einzig auf den Export. Das ist Ihr
Problem. Wie viel müsste aber zusätzlich exportiert wer-
den, um in diesem und im nächsten Jahr wenigstens ein
Wachstum von 1,5 Prozent zu erzielen? Wer soll das al-
les kaufen? Sollen die Chinesen doppelt so viel von uns
kaufen, wie es jetzt schon der Fall ist? Daran glauben Sie
doch selber nicht.


(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Wurde schon mehrfach gemacht!)


– Die Exporte steigen zwar um 2 Milliarden bis
3 Milliarden Euro pro Jahr, aber nicht um den Betrag,
der notwendig ist, um das Wachstum um 1 Prozent oder
1,5 Prozent zu erhöhen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Die Volkswirtschaft wächst auch um mehr als 10 Prozent!)


– Das reicht nicht aus. Bedenken Sie eines: Die Linke
hat immer wieder vorgetragen, dass wir eine verstärkte
Binnennachfrage brauchen.


(Franz Obermeier [CDU/CSU]: DDR-Wirtschaft!)


– Sie sagen doch wohl nicht, dass die französische Wirt-
schaftsministerin, Frau Lagarde, ein IM gewesen ist. Das
glaube ich nicht. Sie hat diese Geschichte ausgegraben
und verlangt, dass Deutschland mehr importiert, damit
die Handelsbilanzungleichgewichte vor allen Dingen in-
nerhalb der EU verschwinden.


(Beifall bei der LINKEN)


Deutschland kann nur dann mehr importieren, wenn
die Löhne, Gehälter und Staatsausgaben insgesamt stei-
gen. Das geht nur bei einer anderen Steuerlast und mit
höheren Löhnen. Anders ist das nicht zu schaffen.


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn wir das nicht hinbekommen, dann bringen wir
nicht nur unsere Konjunktur in Gefahr; dann ist die ge-
samte EU gefährdet. Das müssen Sie bedenken.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1702907400

Das Wort hat nun Michael Luther für die CDU/CSU-

Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Michael Luther (CDU):
Rede ID: ID1702907500

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Brüderle! Selten
waren Haushaltsberatungen so kurz wie in diesem Jahr.
Aber noch seltener ist, unter welchen Vorzeichen wir
den Haushalt beraten mussten. Es muss noch einmal klar
erwähnt werden: Wir haben es nach wie vor mit den Fol-
gen einer Wirtschafts- und Finanzkrise zu tun. Das hat
natürlich die Beratungen beeinflusst. Wir hatten einen
sehr engen Zeitplan. Aber wir haben den Haushalt trotz-
dem sehr intensiv und gut beraten und an vielen Punkten
überarbeitet und verändert.
Das Ziel, das wir uns als Koalition am Beginn der
Haushaltsberatungen gesetzt haben, war: Wir wollen von
der hohen Neuverschuldung etwas herunterkommen.
Das ist uns gelungen. Wir haben 5,6 Milliarden Euro
eingespart. Es hätte mehr sein können, aber das ist schon
etwas. Ich habe mir einmal ausgerechnet, was das bedeu-
tet. Bei dem momentan geltenden Zinssatz bedeutet eine
Ersparnis von 5,6 Milliarden Euro 140 Millionen Euro
weniger Zinsen im nächsten Jahr. Das ist ungefähr so
viel, wie die Physikalisch-Technische Bundesanstalt
kostet. An dieser Stelle wird sehr deutlich, dass das Ziel
dieser Legislaturperiode für den Haushalt ganz klar sein
muss: Wir müssen von der Neuverschuldung herunter-
kommen, damit wir auch in Zukunft einen beherrschba-
ren Haushalt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dieses Ziel haben wir auch im Einzelplan des Bundes-
wirtschaftsministeriums verfolgt. Es ist schon gesagt
worden: Der Umfang des Haushalts beträgt 6,1 Milliar-
den Euro, 160 Millionen Euro oder 2,6 Prozent weniger
als im Regierungsentwurf. Das sind rund 40 Millionen
Euro weniger als im Haushalt 2009. Ich denke, das ist
ein gutes Ergebnis.

Wie ist es zustande gekommen? Sicher, dazu haben
die sinkenden Ausgaben bei den Kohlebeihilfen beige-
tragen. Aber wir haben auch richtig gespart: zum einen
bei den Verwaltungs- und Personalausgaben und zum
anderen bei den Programmtiteln. Wir müssen in diesen
Zeiten – auch das muss gesagt werden – den Mut haben,
zu gucken: Ist das, was in unserem Programmhaushalt
steht, alles richtig, oder können wir in Zeiten knapper
Kassen den Umfang des einen oder anderen Programms
verringern und immer noch das erreichen, was wir errei-
chen wollen? Ich denke, gerade in den Zeiten knapper
Kassen ist diese Art der Prioritätensetzung sehr wichtig.

Trotzdem haben wir mit dem Haushalt 2010 Impulse
gesetzt. Es gibt ein durchgehendes Prinzip: Wir wollen
weg von alten, lediglich bestandserhaltenden Subventio-
nen, und wir wollen hin zur Förderung von Innovation
und Technologie. Manchmal muss man es in diesem
Hause noch einmal sagen – auch ich verteile gerne und
würde gerne verteilen, wenn genügend Geld da wäre –:
Es gilt die Binsenweisheit: Bevor ich verteile, muss ich
mich erst einmal darum kümmern, etwas zu verdienen,
was ich verteilen kann.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Warum unterstützen Sie dann diese Regierung? Warum senken Sie dann Steuern wie ein Irrer?)


Vor genau diesem Hintergrund sehe ich mir die vielen
Programmtitel im Haushalt des Bundeswirtschaftsminis-
teriums an und stelle fest, dass hier tatsächlich etwas für
unsere Zukunft, für Wachstum und Beschäftigung getan
wird.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat doch mit dem Haushalt nichts zu tun!)






Dr. Michael Luther


(A) (C)



(D)(B)

Ich will hier ein paar Punkte nennen.

Erstens. Wir verstärken die Investitionen in neue
Technologien. Ich nenne hier zum Beispiel Luft- und
Raumfahrt, Energieforschung, Schifffahrts- und Meeres-
technik. In diesen Hightechbereichen wollen und müs-
sen wir in der Zukunft gut aufgestellt sein. Genau hier
wollen wir Wachstum generieren. Wir wollen weiter an
der Weltspitze mitspielen.

Zweitens. Auch in 2010 bildet die Förderung von In-
novations- und Zukunftstechnologien ein wichtiges
Kernstück des Einzelplanes. 2,3 Milliarden Euro stehen
dafür im Haushalt. Entsprechend unserem Koalitions-
vertrag werden als erste Tranche aus dem 12-Milliarden-
Euro-Paket 84 Millionen Euro für Forschung und Ent-
wicklung aus dem Einzelplan zur Verfügung gestellt.
Hiermit wollen wir die Bildungs- und Forschungsland-
schaft in Deutschland stärken und für die Herausforde-
rungen der Zukunft fit machen.

Drittens. Im Zuge unserer Beratung haben wir in wei-
teren zukunftsgerichteten Bereichen zusätzliche Akzente
gesetzt. Ich nenne hier nur zwei: Breitbandtechnologie
bei Internetanschlüssen und das Thema Gesundheits-
wirtschaft. In diesen Bereichen wird das Geld zukünftig
gut angelegt sein.


(Beifall der Abg. Ulrike Flach [FDP])


– Danke. Frau Flach weiß wahrscheinlich noch besser,
was ich meine,


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Aber wir klatschen auch noch! – Gegenruf des Abg. Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht enden wollender Beifall!)


weil wir über diesen Etatentwurf sehr intensiv beraten
haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Ulrike Flach [FDP] – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Orkanartiger Beifall innerhalb der Fraktion der CDU/CSU)


Viertens. Wichtig für unsere Volkswirtschaft ist der
Mittelstand. Hier leistet der Haushalt einen wichtigen
Beitrag. Es ist doch klar, dass sich gerade der Mittelstand
große Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in der
Regel nicht leisten kann. Deshalb muss hier die Zusam-
menarbeit mit den Forschungseinrichtungen und den
Hochschulen organisiert werden. Dafür steht Geld zur
Verfügung, nämlich 2010 fast 620 Millionen Euro. Ich
will an dieser Stelle erwähnen: Das wichtigste Programm
in diesem Zusammenhang ist das Zentrale Innovations-
programm Mittelstand, ZIM. Das ist das Basisprogramm
für die Förderung der mittelständischen FuE-Projekte. Es
wird von den Unternehmen angenommen. Es wird stark
nachgefragt. Es genießt hohe Wertschätzung. Ich sage
ganz klar: Ich werde mich dafür einsetzen, dass das auch
in Zukunft ein wichtiges Programm im Haushalt des Bun-
deswirtschaftsministers sein wird.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ganz besonders freue ich mich, dass es gelungen ist,
die Mittel für den Aufbau Ost zu verstetigen. Ich will es
wie folgt formulieren: Aufbau Ost heißt für mich zuneh-
mend, den wirtschaftlichen Aufbau Ost zu forcieren und
noch besser zu organisieren. Gesamtwirtschaftlich wäre
es am besten, wenn die neuen Bundesländer genauso
leistungsfähig würden wie die alten. Hier ist in den letz-
ten 20 Jahren wirklich viel erreicht worden. Wir haben
am Donnerstag die Feierstunde „20. Jahrestag der freien
Wahl zur Volkskammer der DDR“. Ich bin seit der Zeit
in der Politik und weiß, was alles in diesem Zeitraum
passiert ist. Aber wir sind noch nicht am Ziel.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Deswegen kürzen Sie auch die GRW!)


Es ist wichtig, dass wir alle Möglichkeiten nutzen, um
den Aufholprozess zu unterstützen. Es ist klar: Es wird
nicht mehr um Großansiedlungen gehen. Thema wird
vielmehr sein, dass wir den mittlerweile entstandenen
und etablierten Klein- und Mittelstand wachsen lassen,
damit er größer wird. Genau das ist das Ziel des ZIM
und der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regio-
nalen Wirtschaftsstruktur“.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Deswegen kürzen Sie ja auch!)


Dieser Titel, dessen Mittel zu sechs Siebteln den neuen
Bundesländern zustehen, bleibt auf etwa gleichem Ni-
veau erhalten.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Es wird gekürzt!)


– Es ist wahr, dass dort auch gekürzt wird.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)


Wenn man aber nirgendwo kürzt, dann kann man die
Haushaltskonsolidierung nicht bewältigen. Ich denke,
was wir hier gemacht haben, ist erträglich und erlaubt
trotzdem die von mir formulierte Schwerpunktsetzung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ulrike Flach [FDP])


Sechstens. Von 2003 bis 2008 war Deutschland Ex-
portweltmeister. Letztes Jahr hat uns China überholt. Ge-
nau hier sehe ich die Herausforderungen für die Zukunft.
Deutschland ist die führende Exportnation in Europa.
Wir müssen mit der Konkurrenz aus den USA und China
auf Augenhöhe bleiben. Deshalb ist gerade die Außen-
wirtschaftsförderung so wichtig. Sie hat nun ein Volu-
men von rund einer Viertelmilliarde Euro. Das sind
20 Prozent mehr als im letzten Jahr. Es ist wichtig, dass
wir unsere Player in diesem Spiel, die Auslandshandels-
kammern und die Germany Trade & Invest, stärken. Ge-
nau das tun wir mit diesem Haushalt, um dem Ziel, au-
ßenwirtschaftlich besser aufgestellt zu sein, gerecht zu
werden.

Siebtens. Vorgestern, am vergangenen Sonntag, ist die
ITB, die größte Tourismusmesse der Welt, in Berlin zu
Ende gegangen.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Und, war es schön?)






Dr. Michael Luther


(A) (C)



(D)(B)

Gerade diese Messe hat wieder gezeigt, wie wichtig der
Tourismussektor ist, und zwar auch unter wirtschaftspo-
litischen Gesichtspunkten. Herr Schneider, ich kann nur
ein kleines Detail herausgreifen. Ich bräuchte einen gan-
zen Tag, wenn ich alle wirtschaftlichen Bereiche aufzäh-
len wollte, um ein Gesamtbild zu malen. Auf jeden Fall
ist der Tourismus ein wichtiger Baustein. Deshalb ist es
richtig, ihn weiter in vernünftigem Maße zu fördern.

Ich wäre kein Abgeordneter meiner Region, wenn ich
nicht ein Thema, das mir besonders am Herzen liegt, er-
wähnen würde, und zwar das Thema Wismut-Sanie-
rung. Die Botschaft lautet: Für die weitere kontinuierli-
che Sanierung und Rekultivierung der ehemaligen
Uranerzbergbau-Flächen in Sachsen und Thüringen
durch die Wismut haben wir für das laufende Jahr das
Geld eingeplant, das wir brauchen. Ich will es an dieser
Stelle klar formulieren: Diese Sanierung, die über viele
Jahre geht, ist wirklich ein Erfolg. Sie kann sich sehen
lassen, und auf sie können wir stolz sein. Wir sollten das,
was in den nächsten Jahren noch geleistet werden muss,
fortsetzen.

Ich komme zum Schluss. Ich möchte mich bei all de-
nen bedanken, die mitgeholfen haben, dass wir bei den
Haushaltsberatungen in der letzten Woche zu diesem Er-
gebnis gekommen sind. Ich möchte mich auch bei den
Mitarbeitern des Ministeriums und den Mitarbeitern des
Haushaltsausschusses bedanken, die uns – so sage ich es
einmal – zum Teil haben ertragen müssen. Solche Haus-
haltsberatungen sind ziemlich turbulent, und es muss
ziemlich viel möglichst gleichzeitig gemacht werden.
Sie haben Großes geleistet. Dafür recht herzlichen Dank.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1702907600

Das Wort hat nun Alexander Bonde für die Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen.


Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702907700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

reden über einen Wirtschaftsetat in schwierigen Zeiten.
Wir sind in einer Situation, in der viele kleine und mittel-
ständische Unternehmen noch immer schwer zu kämp-
fen haben. Wir wissen, dass der Arbeitsmarkt erheblich
unter der konjunkturellen Lage leidet und noch leiden
wird, wenn sich die wirtschaftliche Situation so weiter-
entwickeln wird. Umso erstaunlicher ist es, dass der
Wirtschaftsminister in der öffentlichen Diskussion
nicht auftaucht, dass die ordnungspolitische Linie, die er
und seine Partei noch im Wahlkampf vertreten haben,
abgemeldet ist. Außer dem fortlaufenden Steuersen-
kungsmantra und Wachstumsträumen gibt es von diesem
Minister keinerlei Beitrag zur wirtschaftspolitischen
Diskussion.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Jetzt sind wir zum Glück in der Situation, dass sich
die Wachstumserwartungen auf 1,4 Prozent verbessert
haben. Diese Erholung der Konjunktur tritt aber nicht
wegen dieser Koalition, sondern trotz dieser Koalition
ein. Die Wirtschaftsentwicklung beruht nicht auf der
Leistung des Wirtschaftsministers, sondern sie findet
trotz eines Wirtschaftsministers statt, der mit letzter
Kraft in dieses Amt gerobbt ist.


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir haben in den Debatten während der Haushaltsbera-
tungen erlebt, dass diese Bundesregierung gar keine Vor-
stellung hat, wo eigentlich in Zukunft Wertschöpfung als
Basis unseres Wohlstands entstehen soll. Sie hat keine
Vorstellung, wo eigentlich die Jobs von morgen mit den
Produkten von morgen geschaffen werden sollen. Der
Einzelplan ist ein wilder Bauchladen von Subventiön-
chen hier und Unterstützungen da, für alle ein bisschen,
aber es ist keine Linie darin.


(Ulrike Flach [FDP]: Sie haben ihn nicht richtig gelesen!)


Es fehlt eine Analyse, was man für eine Volkswirtschaft
wie unsere mit ihrem großen Exportanteil, mit Leitbran-
chen wie Automobil- und Maschinenbau, die von dem
Konjunktureinbruch, aber auch von strukturellen Proble-
men massiv betroffen sind, tun kann. Mobilität wird in
Zukunft andere Produkte als die erfordern, die die deut-
schen Automobilbauer produzieren. Die Branchen wer-
den von den Veränderungen des Klimas und dem Res-
sourcenmangel massiv betroffen sein, wenn die Politik
nicht in der Lage ist, einen ordnungspolitischen Rahmen
zu entwickeln, mit dem eine ökologische Modernisie-
rung unserer Wirtschaft erreicht werden kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir alle wissen, dass wir schon heute daran arbeiten
müssen, um Produkte für die Märkte von morgen zu ent-
wickeln. Damit werden Arbeitsplätze schon heute erhal-
ten. In dieser Hinsicht ist beim Wirtschaftsminister Fehl-
anzeige, es ist Fehlanzeige bei diesem Einzelplan, den
wir hier beraten.

Man hört von der Koalition, dass die erneuerbaren
Energien wichtig seien, aber Reden und Handeln passen
nicht zusammen. Überall dort, wo es um die Rahmenbe-
dingungen geht, damit wir an der Spitze bleiben, machen
Sie mit Sperren, Kürzungen, Verzetteln und Umwidmen
genau diese Zukunftsbereiche kaputt, anstatt auf sie zu
setzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ulrike Flach [FDP]: Das stimmt doch gar nicht!)


Ihre ordnungspolitische Verwirrung ist mit Händen zu
greifen. Wer von der FDP sich noch einmal traut, vom
Rednerpult aus von Bürokratieabbau zu sprechen, der
sollte eigentlich sagen, was das Resultat der Hotelketten-
subventionsbeschleunigungsnummer ist. Ich nehme an,
Sie bekommen die gleichen Briefe wie ich von Mittel-
ständlern und Steuerberatern, in denen geschildert wird,
welche Auswirkungen Ihre Politik hat. Ich verweise auf
einen dreiseitigen, klein geschriebenen Text. Einen sol-
chen Umfang braucht es schon, um diese Auswirkungen





Alexander Bonde


(A) (C)



(D)(B)

deutlich zu machen. Das Resultat für die Inhaber kleiner
und mittelständischer Unternehmen ist: Sie fahren steu-
erlich und abrechnungstechnisch besser, wenn sie Sorge
tragen, dass eine Hotelbuchung nicht von dem Mitarbei-
ter erfolgt, der später auf einer Dienstreise in diesem Ho-
tel übernachtet. Steuerliche Subventionen wie Ihre Mö-
venpick-Nummer haben derartige Detailregelungen zur
Folge.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das ist Bürokratiewahnsinn. Diesen Schuh müssen Sie
sich anziehen. Sie schaffen ein Privileg für wenige und
massive, unproduktive Bürokratie für viele. Das Ganze
geht auf den Staatssekretär dieses Wirtschaftsministers
zurück. Man kann nur sagen: ordnungspolitische Hel-
den, bezüglich Bürokratieabbau Maulhelden. Zum
Schluss hat nämlich niemand etwas von Ihren Klientel-
geschenken, die Sie hier machen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Stichwort „Kreditmediator“: Sie trauen sich nicht, in
der Frage der Finanzierung deutlich zu machen, dass die
Banken, die durch die öffentliche Hand gerettet worden
sind, jetzt Verantwortung dafür tragen, mit Nachdruck
das Ziel zu verfolgen, die Realwirtschaft mit Krediten zu
versorgen. Stattdessen machen sie eine Alibinummer: Ir-
gendein Kumpel aus Rheinland-Pfalz wird gut bedacht.
5 Millionen Euro werden aus dem Steuersäckel zur Ver-
fügung gestellt. Herrn Metternich finanziert man die
Gründung einer GmbH, die dem Bund nicht gehört, auf
die er keinen Einfluss hat und bei der er nicht weiß, was
in ihr passiert. Das alles ist doch eine Wurstelei, die in
dieser Krise keinem Menschen hilft. Da hat sich die FDP
übernommen. Geben Sie es endlich zu, und lassen Sie so
einen Unfug!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ein weiteres aktuelles Beispiel: A400M. Herr Minis-
ter, Sie stellen sich vor die Kameras, geißeln das ameri-
kanische Handeln, da mit Protektionismus die amerika-
nische Luftfahrtindustrie gegenüber der europäischen
Konkurrenz bevorzugt werde. Wenn der Verteidigungs-
minister exakt das Gleiche macht, wenn EADS in Sa-
chen A400M für unternehmerisches Versagen Steuermil-
liarden hinterhergeworfen werden, dann stellt sich die
Frage: Wo ist da der große Ordnungspolitiker? Wo ist da
der Wettbewerbshüter Brüderle? Abgetaucht, abge-
taucht, abgetaucht! Herr Minister, es ist eine Schande für
ein Land wie die Bundesrepublik, einen Wirtschafts-
minister zu haben, der in so einer Situation keine Rolle
spielt, nicht auftaucht und nicht seinen Job macht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich finde, Sie müssen schnell Ihre Haltung ablegen,
dass Wirtschaftspolitik das Subventionsgießkännchen
für Bereiche ist, die einem besonders wichtig sind. Sie
müssen aus der Falle herauskommen, zu glauben, man
könne immer mehr Geld in alte Strukturen pumpen. Was
wir heute brauchen, ist ein Neuanfang. Die Politik hat
die wichtige Rolle, umzusteuern. Wer wie Sie, Herr
Lindner, Rüstungsexporte für einen guten deutschen
Beitrag zur Weltwirtschaft hält, der sollte lieber ruhig
sein. Wir glauben, dass man da auf einen neuen Weg
muss,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE])


dass die Ökologisierung der Wirtschaft der richtige Weg
ist und nicht die Unterstützung der Buddys in der Rüs-
tungsindustrie, die Ihnen so am Herzen liegen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Das sind eure Buddys von der Solarenergie! Ihr seid eine Klientelpartei!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1702907800

Das Wort hat nun Eduard Oswald von der CDU/CSU-

Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1702907900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Lieber Kollege Alexander Bonde, unser Bundeswirt-
schaftsminister Rainer Brüderle macht einen guten Job.
Er zeigt Perspektiven auf. Er macht seine Sache sehr gut,
und er hat unser Vertrauen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glauben aber nur noch Sie! – Garrelt Duin [SPD]: Bis auf den letzten Satz glauben wir nichts davon!)


Drei Fragen sind es, die sich uns stellen:

Erstens. Wie machen wir unser Finanzsystem krisen-
fest, damit sich das, was sich ereignet hat, nicht noch
einmal ereignet? Dabei ist klar: Die Welt braucht Regeln
für das globale Wirtschaften, Regeln, deren Einhaltung
sichergestellt sein muss. Hier gilt es, das richtige Maß
von Freiheit und Reglementierung zu finden.

Zweitens. Gerade in einer Situation, in der die Unsi-
cherheit über die weitere Entwicklung der Lage der öf-
fentlichen Haushalte in Europa und in der Eurozone zu-
nimmt, ist es wichtig, dass wir als großes Mitgliedsland
bei der Haushaltskonsolidierung mit gutem Beispiel vo-
rangehen und mit unserer Haushaltspolitik als Stabili-
tätsanker dienen.

Drittens. Wie erhöhen wir die Dynamik der Realwirt-
schaft, weil sich ohne mehr Wachstum alle anderen Pro-
bleme erst recht nicht lösen lassen? Gerade hier, liebe
Kolleginnen und Kollegen, ist Optimismus angesagt.
Tatsache ist, dass die Zuversicht in der deutschen Wirt-
schaft wächst, wie auch die heutigen Meldungen in der
Wirtschaftspresse deutlich machen.

Nur wenn das Finanzsystem stabil ist, kann sich die
Wirtschaft positiv entwickeln. Die Banken haben sich
zu weit von der übrigen Wirtschaft entfernt. Wenn die





Eduard Oswald


(A) (C)



(D)(B)

Banken den Bezug zur Realwirtschaft einbüßen, dann
bekommen wir ein Ergebnis wie gehabt. Banken müssen
verinnerlichen, in welch erheblichem Maße der Steuer-
zahler für ihre Rettung geradestehen musste. Deshalb
sind die Banken, die von den Maßnahmen des Staates
profitiert haben, an den Kosten des Staates, der Steuer-
zahler also, zu beteiligen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


– An der Stelle hätte eigentlich meine Fraktion auch mit-
klatschen müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


– Die holen das jetzt nach.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist notwendig,
dass der Staat einen Ordnungsrahmen bietet, um Freiheit
zu lassen und Leben ohne staatliche Bevormundung zu
gestalten. Für uns ist Wirtschaft nicht Selbstzweck, son-
dern sie hat immer und in jeder Phase dem Menschen zu
nutzen. Ohne leistungsfähige Betriebe, ohne einen stabi-
len Mittelstand, ohne florierendes Handwerk, ohne inno-
vative Forschung und Entwicklung gibt es keine stabile
Situation auf dem Arbeitsmarkt. Die Fähigkeit, Innovati-
onen zu entwickeln und erfolgreich auf den Weltmärkten
zu vermarkten, entscheidet mehr denn je über den Wohl-
stand und die wirtschaftliche Dynamik. Nur mit hoch-
modernen Eigenentwicklungen wird die deutsche Wirt-
schaft auf den Weltmärkten Erfolg haben.

Wir brauchen in vielen Bereichen einen Mentalitäts-
wandel. Wir müssen wieder mehr Mut zum Risiko zei-
gen. Wir müssen Neues wagen, an unsere Ideen glauben
und auch stärker auf die Chancen des Fortschritts setzen.
Wir brauchen für viele Bereiche eine neue Begeisterung.


(Klaus Barthel [SPD]: Dann fangen Sie doch einmal bei sich an!)


Diese Begeisterung braucht man auch in den Bereichen
der Bildung und auch, um neue Zukunftstechnologien
umzusetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


– Das ist die Meinung dieser Koalition. Deshalb gerade
eben auch der Beifall.

Neue Technologien dürfen also nicht als Bedrohung
verstanden werden, sondern als Chance.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)


Deutschland muss wieder zum Gründerland werden. Un-
ser Ziel ist es, jungen und innovativen Unternehmen alle
Startmöglichkeiten zu geben. Dazu zählt auch, sie von
unnötigen Bürokratielasten zu befreien.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)


Selbstständigkeit muss wieder attraktiver gemacht wer-
den.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)


Eine neue Gründerdynamik muss angestoßen werden.

(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)


Das ist unser Auftrag, und der Bundeswirtschaftsminis-
ter ist dabei, dies auch zu entwickeln.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD: Aha?)


Wir haben die Bereitstellung von zusätzlichen Mitteln
für Bildung, Forschung und Innovation vereinbart. Inno-
vationen und Investitionen in Forschung und Entwick-
lung sind treibende Kräfte und die zentralen Triebfedern
unseres gesamten wirtschaftlichen Wachstums. Ich per-
sönlich werbe für eine steuerliche Förderung in For-
schung und Entwicklung.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die themenspezifische Projektförderung ist unverzicht-
bar. Sie muss aber durch das themenoffene, breitenwirk-
samere, branchenoffene und leicht darstellbare Instru-
ment der steuerlichen Forschungsförderung ergänzt
werden. Nur wenn wir in Forschung und Technologie in-
vestieren, können wir unser Wohlstandsniveau erhalten.
Wir müssen alte Dinge beiseite legen und uns neuen
Dingen zuwenden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Garrelt Duin [SPD]: Wo denn? – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müssen Sie diesen Haushalt beiseite legen!)


Wir müssen auch junge Menschen hin zur Technik füh-
ren. Begeisterungsfähigkeit für technische Vorgänge
führt dann auch zum Ergreifen technischer Berufe.


(Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


– Ich freue mich, dass Sie bei all den Dingen dann auch
zustimmen.

So wie die Forschung für die Wirtschaft der Schlüssel
für eine bessere Anpassungsfähigkeit an den technischen
Fortschritt ist, ist Bildung für den Menschen der Schlüs-
sel zum gesellschaftlichen Aufstieg. Die Chancen unse-
rer deutschen Volkswirtschaft hängen in hohem Maße
von gut ausgebildeten Fachkräften ab. Nur hervorragend
qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können
deutsche Spitzenpositionen bei Technologie und Innova-
tion sichern. Die Qualität der Bildung entscheidet über
unsere Zukunft.

Unser Schulsystem muss in der Lage sein, Qualifika-
tionen, Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln, die
dann auch Grundlage für eine gute Ausbildung sind. Der
Betrieb und das berufliche Schulwesen können nicht der
Reparaturbetrieb für das sein, was im Pflichtschulbe-
reich versäumt wurde. Hier haben die Länder durchaus
noch Hausaufgaben zu machen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wenn wir von Bildung reden, müssen wir auch si-
cherstellen, dass unser Bildungssystem mehr als bisher
wirtschaftliche Zusammenhänge vermittelt. Es muss
auch die Erkenntnis vermittelt werden, dass unsere Zu-





Eduard Oswald


(A) (C)



(D)(B)

kunft ganz davon abhängt, ob wir es schaffen, eine
Chancengesellschaft zu sein, in der sich Leistung und
Anstrengung lohnen. Ich möchte, dass die Informations-
und Kommunikationstechnologie zum Markenzeichen
der deutschen Wirtschaft gehört. Auch hier hat der Wirt-
schaftsminister Akzente gesetzt.

Bis Ende des Jahres soll eine flächendeckende Breit-
bandversorgung in ganz Deutschland sichergestellt wer-
den.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Wie bitte? Am Ende des Jahres?)


Auch für meine Fraktion sage ich deutlich: Eine Zweitei-
lung von Räumen und damit von Chancen der Menschen
dürfen und werden wir nicht zulassen. Ländliche Räume
dürfen nicht vom technischen Fortschritt abgeschnitten
werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir werden mit großer Aufmerksamkeit darauf achten,
dass diese Möglichkeiten flächendeckend vorhanden
sind.

So wie der Mittelstand eine verlässliche und stabile
Säule der deutschen Wirtschaft ist, so ist in keinem ande-
ren führenden Industrieland die Bedeutung der Indus-
trie so hoch wie in Deutschland. Auch in Zukunft muss
Deutschland seinen Platz in der internationalen Arbeits-
teilung über die Industrie definieren. Ziel muss es sein,
die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie auszu-
bauen und so das Industrieland Deutschland als Ganzes
zu stärken. Übrigens: Die deutsche Exportquote ist das
Ergebnis von Innovation, Qualität und eines fairen Wett-
bewerbs.

Die Industrie ist nicht nur ein fester Bestandteil unse-
rer kulturellen Prägung. Sie steht auch für knapp
8 Millionen Beschäftigte und bildet Hunderttausende
junge Menschen aus. Wir müssen deutlich sagen: Wir
haben die Krise so gut überstanden, weil sich die Indus-
trie in unserem Lande als robust erwiesen hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Der heutige Haushalt baut auf dem soliden Funda-
ment auf, den die beiden vorherigen Wirtschaftsminister
der Großen Koalition mit erarbeitet haben.


(Garrelt Duin [SPD]: Aha!)


– Es gibt keinen Beifall aus den Reihen der Sozialdemo-
kraten. Schade! – Dieser Haushalt ist eine gute Basis, da-
mit unsere Unternehmen ihre Spitzenplätze auf den
Weltmärkten behaupten und neue Positionen erringen
können. Mit diesem Haushalt stärken wir das Wachstum
der Wirtschaft und damit den Standort Deutschland, um
Arbeitsplätze in Deutschland – darum geht es – zu si-
chern und zu schaffen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1702908000

Das Wort hat nun Garrelt Duin für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)



Garrelt Duin (SPD):
Rede ID: ID1702908100

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Lieber Kollege Oswald, durch unsere gemein-
same Arbeit im Ausschuss habe ich Sie als einen CSU-
Politiker mit einem hohen Maß an Glaubwürdigkeit ken-
nengelernt. Aber der erste Satz in Ihrer Rede lässt Zwei-
fel daran aufkommen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Denn für Ihre Behauptung, dass der Bundeswirtschafts-
minister Brüderle einen Superjob mache, führen Sie in
den knapp 10 Minuten, in denen Sie geredet haben, kei-
nen einzigen Beweis an. Das zeigt nur, dass Sie selbst
nicht daran glauben, was Sie am Anfang Ihrer Rede ge-
sagt haben, nämlich dass Brüderle ein guter Minister sei.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vergiftetes Lob!)


Natürlich muss man jedem Minister 100 Tage als Ein-
arbeitungszeit zugestehen.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht 100 Nächte!)


Inzwischen sind wir einen Monat weiter, Herr Brüderle.
Aber klare Ziele und wirkungsvolle Maßnahmen können
wir nicht zur Kenntnis nehmen. Nichts ist passiert. Bei
mir in Ostfriesland würde man dazu sagen: abwarten und
Tee trinken. Das ist, wenn man seinen Altersruhesitz auf
einem Gehöft hat, sicherlich auch ein probates Motto,
aber nicht für den Wirtschaftsminister einer der größten
Volkswirtschaften der Welt.


(Otto Fricke [FDP]: Eher für die SPD!)


Sie lassen in Ihrem Ministerium Berichte erstellen,
Kommissionen einsetzen, Untersuchungen einleiten und
Fragen stellen. Aber nichts Konkretes passiert. Ich habe
mehrfach darauf gedrängt – der Ausschussvorsitzende
und die Kollegen im Ausschuss können das bestätigen –,
dass wir eine Arbeitsplanung des Ministeriums erhalten.
Diese haben wir durch das Ausschusssekretariat zugelei-
tet bekommen. Ich will Ihnen diese Arbeitsplanung op-
tisch nicht vorenthalten.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur zwei Seiten! – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steht da jetzt jedes Weinfest drauf, oder was?)


Diese beiden Seiten sind die Arbeitsplanung des Bundes-
wirtschaftsministeriums. Sie beginnt mit dem wichtigen
Punkt „Gesetz zu den Änderungsurkunden vom 24. No-
vember 2006 zur Konstitution … der Internationalen
Fernmeldeunion vom 22. Dezember 1992“.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Peinlich!)


Mit ähnlich bedeutungsvollen Punkten geht es in dieser
Arbeitsplanung weiter. Herr Brüderle, ich weiß nicht, ob





Garrelt Duin


(A) (C)



(D)(B)

Sie in diese Arbeitsplanung involviert sind und ob Ihnen
bekannt ist, was Ihr Ministerium da vorhat.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! In Arbeit ist er nicht involviert!)


Es spottet jeder Beschreibung. Es ist ein Dokument der
Untätigkeit und der Ideenlosigkeit. Das darf man diesem
Minister und seinem Ministerium nicht durchgehen las-
sen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir werden es gleich in der Rede wahrscheinlich zum
wiederholten Male feststellen – wir haben das schon bei
der Debatte zum Jahreswirtschaftsbericht, in der ersten
Lesung und an anderer Stelle erlebt –: Es wird angekün-
digt; aber die Ankündigungen werden durch nichts hin-
terlegt; im Zweifel wird noch einmal vertagt.

Die großen Fragen bleiben unbeantwortet. Wie krie-
gen wir es zum Beispiel hin, eine neue Balance zwischen
dem erfolgreichen Export und der zu schwachen Binnen-
nachfrage zu schaffen? Da erwarte ich Antworten des
Bundeswirtschaftsministers. Wie kriegen wir es hin, in
Deutschland eine neue Investitionskultur zu schaffen?
Welche Instrumente brauchen wir – zum Beispiel bes-
sere Abschreibungsbedingungen und Investitionszula-
gen –, damit wir, um nur ein Beispiel zu nennen, die
ökologische Modernisierung des Maschinenparks in
Deutschland effektiv voranbringen? Wo sind die Jobs
von morgen? Mit welchen Leitmärkten wollen wir agie-
ren? In welche Leitmärkte soll investiert werden? Wie
können wir die Förderung so punktgenau anbringen,
dass wir zum Beispiel die Gesundheitswirtschaft, die
Luftfahrt, die Mobilitätswirtschaft und die Chemie, aber
auch die Bio- und Nanotechnologie – ich erwähne sie
ausdrücklich, weil sie gerade in die Diskussion einge-
bracht wurde – entscheidend fördern? Nicht zuletzt stellt
sich die Frage: Wie kann eine Forschungsförderung aus-
sehen, die sich – da gebe ich dem Kollegen Oswald aus-
drücklich recht – nicht allein auf die Projektfinanzierung
konzentriert, sondern auch – Kollege Riesenhuber, wir
haben inzwischen mehrfach darüber gesprochen – mit
Steuergutschriften hantiert?

Ich wage, es vorauszusagen: Herr Brüderle wird hier
gleich in seiner Rede sagen, dass er dem Instrument der
Steuergutschrift grundsätzlich offen gegenübersteht. Er
ist jetzt aber lange genug im Amt, um endlich einmal ei-
nen konkreten Vorschlag auf den Tisch zu legen, damit
wir die Forschungsförderung gerade auch für kleine und
mittelständische Unternehmen in Deutschland tatsäch-
lich voranbringen und uns nicht nur in Ankündigungen
ergehen.


(Beifall bei der SPD)


Sie sind ein „Man-müsste-mal“-Minister. Der „Man-
müsste-mal“-Minister sagt: Man müsste mal dem Hand-
werk helfen. Aber das Einzige, was kommt, ist der
Vorschlag einer Nullrunde – Zurückhaltung in den Tarif-
verhandlungen – und Ähnliches. Durch Ihre kommunal-
feindliche Politik würgen Sie die Beschäftigungsmög-
lichkeiten im Handwerk ab. Herr Fuchs und andere, Sie
werden sich erinnern: Wir haben das Konjunkturpaket II
in der Großen Koalition gerade mit Blick auf das Hand-
werk auf den Weg gebracht. Das, was Sie jetzt machen
– Sie drehen den Kommunen den Hahn zu –, schadet
dieser Gruppe von Unternehmen, nämlich dem Mittel-
stand und dem Handwerk vor Ort, das bestimmte Auf-
träge künftig nicht mehr bekommen kann. Drehen Sie
auf diesem völlig falschen Weg um!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Der „Man-müsste-mal“-Minister sagt: Im Bereich der
Energie müsste man mal neue Dinge voranbringen. Es
passiert aber nichts. Ihr Konzept soll irgendwann im
Sommer vorgelegt werden.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1702908200

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Hinsken?


Garrelt Duin (SPD):
Rede ID: ID1702908300

Aber immer.


Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1702908400

Herr Kollege Duin, Sie haben eben auf das Handwerk

verwiesen und verschiedene Dinge angemahnt. Sind Sie
bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass sich der Präsident
des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks letzte
Woche im Rahmen der Internationalen Handwerksmesse
in München sehr positiv über das geäußert hat, was die
Bundesregierung für das Handwerk und für die Wirt-
schaft im Allgemeinen leistet?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Garrelt Duin (SPD):
Rede ID: ID1702908500

Sehr geehrter Kollege Hinsken, ich habe nicht nur

wahrgenommen, was er in München gesagt hat. Ich war
selbst in München und habe dort verschiedene Gesprä-
che mit verschiedenen Vertretern geführt. In der abge-
laufenen Woche war der Präsident des Zentralverbandes
des Deutschen Handwerks zufällig bei mir im Wahlkreis,
anlässlich der Verabschiedung des dortigen Präsidenten
der Handwerkskammer. Weil er dort wiederholte, dass
politisch manches zugunsten des Handwerks auf den
Weg gebracht worden sei, nutzte ich die Gelegenheit, ihn
konkret darauf anzusprechen und nachzufragen. Er hat
bestätigt, dass insbesondere das Konjunkturprogramm
der Großen Koalition dem Handwerk vor Ort, den klei-
nen und mittelständischen Unternehmen mit drei oder
vier Beschäftigten, genutzt hat und dass auch er mit gro-
ßer Skepsis sieht, was jetzt veranstaltet wird. Das Hand-
werk hat nämlich überhaupt nichts von der Klientelpoli-
tik, die Sie hier in den letzten Monaten auf den Weg
gebracht haben. Ich nehme also sehr wohl zur Kenntnis,
was der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen
Handwerks sagt, und bin mit ihm vollkommen einer
Meinung, dass es längst nicht ausreicht, zu sagen, was
Sie für den Mittelstand tun könnten. Herr Kollege Hin-
sken, „man müsste mal“ reicht dort eben nicht aus.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])






Garrelt Duin


(A) (C)



(D)(B)

Ich war beim Thema Energie. – Herr Umweltminister
Röttgen ist auch da. – Er freut sich natürlich ein Loch in
den Bauch, dass das Wirtschaftsministerium in dieser
Frage nicht zu Potte kommt und sein energiepolitisches
Konzept erst im Sommer oder im Herbst vorlegen will,
weil er nun einige Eckpunkte vorgeben kann: zurück in
das Atomzeitalter und extreme Schwächung der Unter-
nehmen im Bereich der erneuerbaren Energien. Er gibt
keine Antwort auf die Frage, wie es mit den Netzen wei-
tergehen soll. Wie soll die Steuerungsfähigkeit des Staa-
tes dabei sichergestellt sein? Das Einzige, was in der Ar-
beitsplanung dazu vorgesehen ist, ist ein großer Nebel.
Es lässt sich fast täglich nachlesen, dass auch in der Ko-
alition das Thema Entflechtungsgesetz längst nicht zu
Ende diskutiert ist.


(Zuruf von der FDP: Unsinn!)


Ich will einen weiteren Punkt des „Man-müsste-mal“-
Ministers ausdrücklich ansprechen. Es geht um die
Frage, wie man mit Opel umgeht. Sie haben 36 Fragen
– nach anderer Zählweise, wenn man die übrigen Punkte
mitzählt, sind es 53 Fragen – gestellt. Natürlich ist es
richtig, dass man GM Fragen zur Zukunft des Unterneh-
mens stellt. Aber es kann doch nicht sein, dass Sie sich
Woche für Woche hinter diesen Fragen verstecken, ob-
wohl Sie schon einige Antworten haben. Es ist ja nicht
so, dass sie en bloc beantwortet werden, sondern sie wer-
den Punkt für Punkt abgearbeitet.


(Ulrike Flach [FDP]: Was wollen Sie denn, Herr Duin? Wie viele Milliarden wollen Sie denn in die Hand nehmen?)


Sie verstecken sich dahinter, dass die Europäische Union
doch bitte ex ante eine Prüfung vornehmen solle, obwohl
die Europäische Union Ihnen klipp und klar gesagt hat,
dass sie dazu nicht bereit ist.

Vier Ministerpräsidenten aus verschiedenen Bundes-
ländern haben darum gebeten, endlich zu einem Spitzen-
gespräch zusammenzukommen, damit klar wird, welche
Strategie die Bundesregierung gemeinsam, am besten
Hand in Hand mit den betroffenen Bundesländern ver-
folgt. Nichts tun sie! Sie verfolgen eine Hinhaltetaktik
auf dem Rücken der dort Beschäftigten. Die Unsicher-
heit wächst jede Woche. Sie müssten sich als Bundes-
wirtschaftsminister endlich einmal an die Spitze der
Bewegung setzen und sagen: Ich versuche, die Dinge zu
regeln.


(Ulrike Flach [FDP]: So, wie Sie das gemacht haben?)


Ich versuche, um die Arbeitsplätze in Deutschland zu
kämpfen.


(Zuruf von der FDP: Was heißt das?)


Ich will verhindern, dass Subventionen dazu verwendet
werden, dass Arbeitsplätze in Deutschland abgebaut und
an anderer Stelle wieder aufgebaut werden. – Das wäre
Ihre Aufgabe. Stattdessen tun Sie nichts, nicht nur in die-
sem Bereich, sondern leider in viel zu vielen Bereichen.


(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich abschließend zu diesem Haushalt sa-
gen: Als „Man-müsste-mal“-Minister wollten Sie in ei-
nigen Bereichen aufstocken. Das ist alles wieder weg.
Ob es die Beratung zum Energieeinsparen ist, ob es die
Innovationsberatung Mittelstand oder die von den Be-
richterstattern hoch gelobten Wirtschaftsbeziehungen
zum Ausland sind – alles ist weniger geworden. Deswe-
gen gebe ich einem Vertreter aus der Wirtschaft recht, in
diesem Fall dem Präsidenten des Bundesverbandes für
Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen, BGA,
Herrn Anton Börner, der sagt:

Die Koalition sollte sich endlich an die Arbeit ma-
chen, statt sich mit weiteren Kindereien aufzuhal-
ten.

Genau das ist es, was wir von Ihnen, Herr Wirtschafts-
minister, verlangen: Machen Sie endlich Ihre Arbeit!

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD – Ulrike Flach [FDP]: Auweia!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1702908600

Das Wort hat nun Bundesminister Rainer Brüderle.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft und
Technologie:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Früh-
jahr kommt, es vertreibt den Winter, und zwar auch den
Konjunkturwinter. Die Politik hat das Ihrige getan.


(Ute Kumpf [SPD]: Wo denn?)


Wir sorgen für konjunkturelle Frühlingswärme.


(Lachen bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ute Kumpf [SPD]: Das glauben Sie doch selber nicht!)


Unsere Entlastungen haben der Wirtschaft geholfen. Die
Verbraucher, vor allem Familien und Mittelstand, haben
mehr Geld zur Verfügung. Das stützt die Binnennach-
frage. Wir sorgen für Wachstum. Wir sind auf dem rich-
tigen Weg. Im Januar haben sich die Auftragseingänge
und die Produktion wieder belebt. Der Arbeitsmarkt hat
dem strengen Winter getrotzt. Wir müssen diesen Weg
beherzt weitergehen. In der Sozialpolitik heißt das: Der
Status quo gehört auf den Prüfstand.

Die SPD wollte zuerst keine Debatte; jetzt zieht sie
mit einem Papier nach. Sieben Jahre nach der Agenda
2010 wollen Sie davon nichts mehr wissen. Jetzt wollen
Sie eine Agenda 1970,


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


als hätte es die Wiedervereinigung, die Europäisierung
und die Globalisierung nicht gegeben. Sie setzen auf die
Konzepte der 70er-Jahre, die von massiver Umvertei-
lung geprägt waren. In wenigen Wochen streifen Sie elf
Jahre Regierungsverantwortung ab. Sie rechnen auch
nicht so schnell damit, in die Regierungsverantwortung
zurückzukommen; sonst hätten Sie deutlich gesagt, was





Bundesminister Rainer Brüderle


(A) (C)



(D)(B)

Ihre Vorschläge kosten. Das Wirtschaftsministerium hat
einen groben Kostenvoranschlag gemacht: Die Kosten
für die Realisierung Ihrer Vorschläge belaufen sich auf
mindestens 10 Milliarden Euro für die öffentlichen Haus-
halte; das ist eher der untere Rand.


(Ulrike Flach [FDP]: Toll!)


Sie versuchen offensichtlich gerade, oppositionsfähig zu
werden. Regierungsfähig sind Sie derzeit nicht.


(Beifall bei der FDP – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von fehlender Regierungsfähigkeit verstehen Sie schließlich was!)


Die Null-Euro-Jobs der nordrhein-westfälischen Spit-
zenkandidatin werden jetzt „Programm für soziale Ar-
beit“ genannt. Im Klartext: Sie schreiben mindestens
200 000 Menschen als arbeitsunfähig ab. Das ist nicht
der Ansatz der Bundesregierung. Die Bundesregierung
will allen eine Chance auf Arbeit geben. Wir wollen nie-
manden ausgrenzen. Wir wollen Menschen aus ihrer Ab-
hängigkeit vom Sozialstaat befreien. Das geht nur durch
effektive Betreuung der Arbeitslosen vor Ort und durch
bessere Hinzuverdienstmöglichkeiten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Dafür sind Sie doch gar nicht zuständig!)


So können auch Langzeitarbeitslose Schritt für Schritt in
den ersten Arbeitsmarkt kommen. Es geht um eine Ba-
lance zwischen denen, die Leistung beziehen, weil sie
bedürftig sind, und denen, die Leistung erbringen. Diese
Balance haben Teile der Opposition offenbar aus dem
Blick verloren.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Sie sind der Wirtschaftsminister!)


Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang eine per-
sönliche Anmerkung: Der Vorsitzende der SPD hat mei-
ner Partei Verfassungsfeindlichkeit vorgeworfen.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: „Radikal“ hat er gesagt! – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Lächerlich!)


Diesen Vorwurf halte ich für total daneben. Demokraten
sollten nicht auf diese Weise miteinander umgehen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich bin der Letzte, der nicht weiß, dass man im Eifer des
Gefechts zugespitzt formuliert. Ich hoffe aber, Herr Gab-
riel findet die Kraft, sich für diese Äußerung zu ent-
schuldigen.

Meine Damen und Herren, der deutsche Aufschwung
lebt vom Export. Fast die Hälfte unserer Wirtschaftsleis-
tung hängt vom Export ab; das wissen Sie alle. Das mag
dem einen oder anderen Land in Europa nicht passen.
Ich persönlich freue mich über die Wettbewerbsfähigkeit
deutscher Produkte. Deshalb werde ich demnächst eine
Außenwirtschaftsoffensive vorstellen.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: „Demnächst“!)

Nicht nur die internationalen Märkte für Güter und
Dienstleistungen müssen wir erschließen.


(Garrelt Duin [SPD]: Oh!)


– Herr Duin, wir unterscheiden uns von Ihnen: Wir den-
ken zuerst nach und handeln dann. Sie haben ja schon re-
signiert, wie Ihr Parteivorsitzender aus Niedersachsen.


(Beifall der Abg. Ulrike Flach [FDP])


Es geht dabei auch um den Zugang zu wichtigen Roh-
stoff- und Energiequellen. Die Schwellenländer holen
auf. Wenn wir nicht zurückfallen wollen, müssen wir ak-
tiv bleiben.

Der Schwerpunkt wird natürlich auf Delegationsrei-
sen liegen. Nichts ersetzt Kontakte vor Ort.


(Beifall bei der FDP – Lachen bei Abgeordneten der SPD – Garrelt Duin [SPD]: Wer darf denn mit?)


Ich finde es schädlich, wie Teile der Opposition Delega-
tionsreisen für durchsichtige innenpolitische Kampag-
nen missbrauchen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ihnen ist offenbar gar nicht bewusst, welchen Schaden
Sie Deutschland und der deutschen Wirtschaft damit zu-
fügen. Delegationsreisen werden weiterhin so zusam-
mengesetzt, dass sie Deutschland nützen.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Und der FDP!)


Firmen, die sich von Außenminister a. D. Dr. Joseph Fi-
scher beraten lassen, werden genauso berücksichtigt wie
andere Mitbewerber.


(Beifall bei der FDP)


Ich werde weiterhin im Ausland Unternehmen besuchen,
die sich von Bundeskanzler a. D. Gerhard Schröder ver-
treten lassen.


(Zuruf von der SPD: Kommen Sie doch mal zum Haushalt!)


Nur gegen einen Rat von Frau Künast habe ich Vorbe-
halte. Sie hat empfohlen, Toyota zu fahren. Da klemmt
offenbar irgendwo ein Gaspedal.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war die Bremse! Aber lassen Sie mal stecken! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht hier um Wirtschaftspolitik!)


Der Bundesregierung geht es darum, deutsche Pro-
dukte und Dienstleistungen im Ausland zu fördern.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie hier einmal was zum Thema!)


Teile der Opposition mögen da Beklemmungen bekom-
men. Für mich ist Wirtschaftspatriotismus kein Schimpf-
wort.





Bundesminister Rainer Brüderle


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der FDP)


Deutschland lebt vom Freihandel, von offenen Märkten.
Das kann man nicht vom Schreibtisch aus unterstützen.
Im Bundeswirtschaftsministerium sind 144 Millionen Euro
für die Exportförderung eingestellt. Jeder Cent davon ist
gut angelegt.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind ein Plattitüdendrescher!)


Die Bundesregierung wird aber auch Maßnahmen zur
Stärkung der Binnenkonjunktur ergreifen. Wir sorgen
dafür, dass Energie bezahlbar bleibt. Als Brücke in das
regenerative Zeitalter brauchen wir die Kernenergie.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir brauchen Strom aus sauberer Kohle. CCS ist für
mich eine Zukunftstechnologie.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie darf aber nicht das gleiche Schicksal erleiden wie der
Transrapid oder Teile der Biotechnologie. Wenn wir
überall die Technologieführerschaft abgeben, dann wer-
den wir unseren Wohlstand auf Dauer nicht halten kön-
nen, dann werden wir Arbeitsplätze nicht erhalten und
neue Arbeitsplätze nicht schaffen können.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Gerade bei der Energieerzeugung darf es keine Denkver-
bote geben. Wir werden den Energiemix in Richtung er-
neuerbare Energien umbauen. Wir werden das aber nicht
auf Kosten des Industriestandortes und der Verbraucher
tun.

Ich bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen
im Ausschuss für die zum großen Teil konstruktiven
Haushaltsberatungen. Insgesamt ist der Einzelplan im
zweiten Regierungsentwurf um 160 Millionen Euro re-
duziert worden. Sie sehen, dass wir schon in diesem Jahr
ein kleines Sparsignal setzen. Die Konsolidierungs-
anstrengungen werden natürlich zunehmen und zuneh-
men müssen.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich möchte die Rede auf CD!)


Wir haben einen klaren Wachstumskurs eingeschlagen.
Wenn es uns aber nicht gelingt, mehr Wachstum zu be-
wirken, werden wir die Haushalte nicht konsolidieren
können. Deshalb ist die Zwei-Schritt-Konzeption der
Bundesregierung richtig:


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einen Schritt vor und einen zurück, oder was?)


Wir müssen erst das Wachstum stärken, indem wir ent-
lasten, und dann den Haushalt konsolidieren, damit es
nachhaltig wirkt.

Wenn die ausländische Presse heute in Überschriften
kritisiert, die deutsche Wirtschaft sei zu stark,

(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bestimmt nicht wegen Ihnen!)


dann ist das ein Kompliment für die Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer, die Unternehmen und den Mittel-
stand, die die Restrukturierung in der deutschen Wirt-
schaft bewerkstelligt haben,


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


aber auch für die Bundesregierung, die die Weichen rich-
tig gestellt hat. Wenn Sie das alles runtermachen, dann
werden Sie das Konjunkturpflänzchen, das wir haben
– es ist noch kein selbsttragender Aufschwung –, gefähr-
den. Wenn Sie das alles zerreden, wenn Sie sagen, was
wir machen, sei Mist und verkehrt, dann ist das kein Bei-
trag, um den Aufschwung, den wir stärken müssen, zu
stärken. Sie sollten sich hinter die Konzeption der Bun-
desregierung stellen und ruhig einmal anerkennen, dass
wir etwas Vernünftiges machen.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn ihr etwas Vernünftiges macht, dann machen wir doch mit!)


Obwohl wir die Bürgerinnen und Bürger zum 1. Ja-
nuar dieses Jahres bereits steuerlich entlastet haben – wir
streben insgesamt eine Entlastung um 24 Milliarden
Euro an –, legen wir einen Haushalt vor, der wichtige
Entscheidungen enthält, um die Verschuldung ein Stück
abzubauen. Damit setzen wir das Signal: Wir meinen es
ernst damit, einerseits das Wachstum zu stärken und an-
dererseits zu konsolidieren. Das ist eine Doppelstrategie,
die genau das bewirkt, was Deutschland stark macht, of-
fenbar so stark, dass selbst unsere französischen Freunde
sagen, wir seien zu stark. Wir sind auf dem richtigen
Kurs. Wir sollten das nicht zerreden. Wir sollten den
Kurs konsequent beibehalten.

Meine Kolleginnen und Kollegen von den Sozial-
demokraten, dass Sie sich nach den miserablen Wahl-
ergebnissen in einem Suchprozess befinden, verstehe
ich. Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich wieder finden.
Aber Sie sollten das nicht zulasten der Chancen für mehr
Beschäftigung in Deutschland tun.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein schwacher Auftritt!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1702908700

Das Wort hat nun Roland Claus für die Fraktion Die

Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702908800

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Herr Bundesminister, warmen Wind haben Sie
angekündigt, warmen Wind haben Sie abgeliefert, aber
Ihrer Verantwortung als Bundesminister sind Sie mit der
Rede nicht nachgekommen. Das will ich Ihnen deutlich
sagen.





Roland Claus


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben bei der Debatte zum vorherigen Tagesord-
nungspunkt von der Koalition sehr oft erzählt bekom-
men, welch unendlich große Dimension der Sozialetat
hat. Was die Zahlen anbetrifft, stimmt das. Aber lassen
Sie uns das einmal anders betrachten. Wir brauchen so
unendlich viel Geld für den Sozialetat, weil es sich um
einen gigantischen wirtschafts- und sozialpolitischen
Reparaturbetrieb handelt. Wir betreiben hier soziale
Nachsorge. Sie haben die Gesellschaft mit Ihrer Politik
so kaputt gemacht, dass man hinterher so viel Nachsorge
braucht. In der Tat bringen Sie Wirtschafts-, Finanz- und
Sozialpolitik nicht zusammen. Das ist doch das Problem,
mit dem wir es hier zu tun haben.


(Beifall bei der LINKEN)


Hätten wir armutsfeste Renten, hätten wir auskömmliche
Löhne und Gehälter und hätten wir Arbeit für alle, die
arbeiten wollen, bräuchten wir den Etat in dieser Grö-
ßenordnung überhaupt nicht einzustellen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Die Linke will eine Wirtschaftspolitik, die dem Mit-
telstand und Existenzgründern Zukunftschancen eröffnet
und nicht verbaut, die Arbeit schafft, von der Beschäf-
tigte sorgenfrei leben können, und zu mehr wirtschaftli-
cher Stabilität und sozialer Gerechtigkeit gleichermaßen
beiträgt. Kleiner geht es in der Tat nicht.

Die Realität des Jahres 2010 sieht völlig anders aus.
Wir haben es inzwischen mit einer doppelten Zukunfts-
angst zu tun. Da sind auf der einen Seite Existenzgrün-
der und kleine Unternehmen, die nicht wissen, wie sie
ihren Betrieb in die nächsten Jahre führen sollen, und auf
der anderen Seite Beschäftigte, die zum Teil mit Armuts-
löhnen auskommen müssen. Heute hören wir, dass ins-
besondere Berufseinsteiger befristete Verträge inzwi-
schen als Realität akzeptieren müssen.

Die Wahrheit in der Krise ist doch: Unsicherheit re-
giert die Arbeitswelt. Für den Erhalt der Jobs wird na-
hezu alles in Kauf genommen. Hier greift nicht nur die
staatliche Kurzarbeitsregelung – lügen wir uns doch
nicht in die Tasche –; in sehr vielen Betrieben, insbeson-
dere im Osten, werden auch noch betriebliche Kurz-
arbeitsregelungen mit Lohnverzicht vereinbart, denen
die Belegschaften sogar zustimmen. Gleichzeitig ist jede
Menge Selbstausbeutung zu beobachten, gerade im Mit-
telstand, bei Geschäftsführern, bei leitenden Angestell-
ten, die den Banken machtlos gegenüberstehen. Deshalb
ist richtig: Erst wenn die Dominanz der sogenannten
Finanzwirtschaft über die sogenannte Realwirtschaft ge-
brochen ist, kann man überhaupt erst wieder von sozialer
Marktwirtschaft reden.


(Beifall bei der LINKEN)


Schlimm genug, dass Ihnen das ein Sozialist erklären
muss! Zwar habe ich dieser Tage gelesen, dass auch An-
gela Merkel dies in Luxemburg gesagt hat; aber in der
praktischen Politik erlebe ich genau das Gegenteil.
Vor diesem Hintergrund bewerten wir auch Ihren Etat
und damit die Politik Ihres Ministeriums. Im Grunde be-
inhaltet dieser Etat die Verwaltung Ihrer Behörden und
einen gehörigen Lobbyismus. Gegen eine gute Behör-
denverwaltung ist nichts einzuwenden. Beim Bundes-
kartellamt würden wir sogar eine noch bessere Ausstat-
tung befürworten, weil das Geld dort allemal wieder
hereinkommt. Der unverhohlene Subventionismus von
staatsnahen Monopolisten in der Flugzeugindustrie hin-
gegen ist alles Mögliche; aber liberale Politik kann das
nicht sein.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Zeit, in der wir leben, ruft regelrecht nach einem
beherzten Wirtschaftsminister; aber die Koalition hat
uns mit Rainer Brüderle gesegnet. Herr Minister, man
kann Sie auch als Grußwortminister bezeichnen.


(Garrelt Duin [SPD]: Oh ja! Das stimmt!)


Egal von welchen Verbänden man eingeladen wird oder
ob man sich auf ein vernünftiges Gespräch bei einer
Konferenz oder am Abend freut, vorher wurde leider im-
mer erst eine Brüderle-Rede auf die Tagesordnung ge-
setzt.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Wo werden Sie denn eingeladen?)


Herr Minister, ich muss Sie fragen: Wann machen Sie ei-
gentlich Ihren Job?

Besonders fatal wirkt sich die unterlassene Wirt-
schaftspolitik in Ostdeutschland aus. In diesen Tagen
wurde eine Analyse der Wirtschaftsmedien unterbreitet,
und siehe da: Gerade einmal 1,5 Prozent der Unterneh-
men, die darin erwähnt werden, stammen aus Ostdeutsch-
land. Im Osten gibt es nicht eine einzige Firmenzentrale.
Es ist nach wie vor so, dass die 100 leistungsstärksten ost-
deutschen Unternehmen zusammen nicht einmal die
Hälfte der Leistungskraft von Daimler erreichen.

Um es an einem markanten Beispiel deutlich zu ma-
chen: Der Osten hat bei der Einführung erneuerbarer
Technologien einen Erfahrungsvorsprung. Das hat damit
zu tun, dass neue technologische Schritte immer auch
gesellschaftspolitische Veränderungen nach sich ziehen
und dabei auch Chancen im Osten genutzt wurden; ich
persönlich unterstütze das ausdrücklich in Sachsen-An-
halt. Obwohl der Osten in diesem Bereich vorn dabei ist,
werden ihm durch die Kürzungen im Bereich der erneu-
erbaren Energien die Zukunftschancen verbaut. Die
Proteste der ostdeutschen Landesregierungen haben Sie
bislang genauso ignoriert wie die Proteste der Opposi-
tion. Ich sage Ihnen: Hinnehmen werden wir das deshalb
noch lange nicht!


(Beifall bei der LINKEN)


Besonders perfide ist, wie Sie so etwas begleiten. Sie ha-
ben einen neuen Begriff erfunden: Überförderung. Wer
will denn etwas überfördern? Sie haben diesen Begriff
erfunden, um einer modernen, zukunftsfähigen Branche
die Chancen zu nehmen.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.





Roland Claus


(A) (C)



(D)(B)


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Gott sei Dank!)


Die wirtschaftspolitischen Vorschläge der Koalition sind
für uns nicht tragbar. Wir lehnen den Etat ab. Die wirt-
schafts- und sozialpolitische Initiative in diesem Land
hat einen Namen: die Linke in Ost und West.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1702908900

Das Wort hat nun Ingrid Nestle für die Fraktion Bünd-

nis 90/Die Grünen.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)



Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702909000

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Brüderle, Sie
wollen Weltmeister sein bei der Energieeffizienz – zu
Recht; denn die Energieeffizienz ist ein zentraler Bau-
stein für Klimaschutz und Energiewende. Aber wo bleibt
der große Wurf in Sachen Energieeffizienz?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ja, Sie haben in Ihrem Haushaltsplan verstreut ein paar
kleine Programme für Energieeffizienz; aber Sie haben
nichts, was der Größe dieser Herausforderung auch nur
annähernd gerecht werden könnte, nichts, was ausrei-
chen würde, um die Ziele bei der Energieeffizienz, die
die Bundesregierungen seit Jahren verfehlen, zu errei-
chen.

Energieeffizienz unterstützt auch den Mittelstand. Wo
ist eigentlich Ihre Mittelstandspolitik? Erst letzten Frei-
tag haben 150 Stadtwerke laut um Hilfe gerufen, weil
Sie, indem Sie die Laufzeit von Atomkraftwerken ver-
längern wollen, die Investitionssicherheit hinwegfegen
und neue Investitionen erschweren.

Manchmal, Herr Minister, haben Sie durchaus recht.
Desertec und das Nordseenetz sind gute Ideen. Große
Netze, die verschiedene Regionen mit erneuerbaren En-
ergien vernetzen, können dazu beitragen, dass Strom aus
erneuerbaren Energien immer zur Verfügung steht, nicht
nur dann, wenn bei uns der Wind weht oder die Sonne
scheint. In Ihrem Haushaltsplan findet man allerdings
keinen einzigen Euro für diese guten Ideen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ein lapidares „Private sollen das finanzieren“ reicht
nicht. Nein, Sie müssen auch öffentliche Gelder in die
Hand nehmen für Planung und Bau dieser Netze. Ich
will Ihnen drei Gründe dafür nennen.

Erstens. Bei allen Projekten für die Energiewende,
bei denen man auf das Geld der vier großen Energiever-
sorger gesetzt hat, ging die Entwicklung entweder in die
falsche Richtung oder vollzog sich viel zu langsam. In
die falsche Richtung ging es zum Beispiel mit dem Bau
neuer Kohlekraftwerke, die auf Jahrzehnte viel zu viel
CO2 in die Atmosphäre entlassen werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Viel zu langsam vollzieht sich die Entwicklung zum Bei-
spiel bei Offshore-Windparks. Die Bundesregierung hat
sich von den großen Energieversorgungsunternehmen
einen viel schnelleren Ausbau der Offshore-Anlagen er-
hofft. Ohne Subventionen des BMU wäre der erste Park
noch immer nicht am Netz. Wir können uns also nicht
darauf verlassen, dass die Supernetze ausgerechnet von
den Konzernen ausgebaut werden, die die Märkte lieber
abschotten, um für den Strom, den sie in ihren eigenen
Kraftwerken erzeugen, hohe Preise durchzusetzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der zweite Grund, warum es sich lohnt, hierfür auch
öffentliche Gelder in die Hand zu nehmen: Wettbewerb.
Monopole gehören nicht in private Hand.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Der Aufbau neuer Netze ist eine Chance für den Staat,
Teile des Netzes wieder selbst in die Hand zu nehmen
und zu kontrollieren. Einen privaten Monopolisten, der
einem nie die vollständigen Daten und Fakten rechtzeitig
zur Verfügung stellt, zu regulieren, ist immer ineffizien-
ter, als selbst den Betrieb zu übernehmen.

Der dritte Grund, warum es sich lohnt, hierfür staatli-
che Gelder in die Hand zu nehmen: Das ist endlich ein-
mal eine Investition, die Gewinne für den Bundeshaus-
halt einspielen kann; denn die Renditen aus dem Betrieb
der Supernetze werden deutlich höher sein als die Zin-
sen, die wir zahlen müssen für das Geld, das wir aufneh-
men, um diese Netze zu bauen. Endlich einmal haben
wir eine Investition, die künftige Haushalte entlastet.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie stocken die Mittel für die Luftfahrt um
50 Millionen Euro auf. Anstatt abzuheben, sollten Sie
lieber in den Ausbau der Stromnetze investieren. Nur so
können Sie die Energiewende voranbringen; nur so ga-
rantieren Sie Wettbewerb. Darüber hinaus können Sie
Gewinne für den Bundeshaushalt generieren.

Reden Sie nicht nur von nachhaltiger Energiepolitik,
sondern handeln Sie auch! Investieren Sie in den Ausbau
der Netze und in Energieeffizienz, und sorgen Sie für In-
vestitionssicherheit, anstatt sie durch die Verlängerung
der Laufzeit von Atomkraftwerken zu verhindern.

Danke.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1702909100

Frau Kollegin Nestle, dies war Ihre erste Rede im

Deutschen Bundestag. Herzliche Gratulation und alle
guten Wünsche für die weitere Arbeit!


(Beifall)


Das Wort hat nun Michael Fuchs für die CDU/CSU-
Fraktion.





Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Michael Fuchs (CDU):
Rede ID: ID1702909200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Leider ist der
Kollege Schneider schon gegangen, obwohl man in einer
solchen Debatte üblicherweise dableibt.


(Garrelt Duin [SPD]: Er kommt gleich wieder!)


Herr Duin, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ihm aus-
richten würden: Erstens habe ich heute den Eindruck ge-
winnen müssen, dass zwei Reden an einem Tag zu viel
für ihn sind. Zweitens habe ich den Eindruck gewinnen
müssen, dass er des Lesens nicht kundig ist; denn er
sprach von der Kreditklemme. Auf diese Kreditklemme
hat der Bundeswirtschaftsminister in der letzten Woche
fokussiert und ist sie richtig angegangen.

Ich habe mir das gerade einmal herausgesucht: So-
wohl von den Spitzenverbänden der deutschen Wirt-
schaft als auch von den Spitzenverbänden der Banken
wurde gemäß dem Bundesfinanzministerium festgestellt
– Lesen bildet, Herr Duin; das sollte man vielleicht gele-
sen haben –, dass es keine flächendeckende Kredit-
klemme gibt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Dies steht in dem Abschlusskommuniqué; das ist Ihnen
genauso zugänglich, wie es mir zugänglich ist. Deswe-
gen ärgert es mich, wenn etwas dann einfach so behaup-
tet wird. Das sollte man nicht tun.

Meine Damen und Herren, ich halte es für sehr wich-
tig, dass wir hier im Deutschen Bundestag nicht aus
durchsichtigen Gründen so tun, als gäbe es diese flä-
chendeckende Kreditklemme; denn es ist natürlich nicht
in Ordnung, dass wir die Banken jetzt dafür beschimp-
fen, dass sie nicht genügend Risiko eingehen, während
wir sie vorher dafür beschimpft haben, dass sie zu viel
Risiko eingegangen sind. Hier sollten wir also genau
wissen, was wir tun.

Basel II ist richtig. Die Banken müssen die Kredite,
die sie an bestimmte Unternehmen vergeben, in dem ei-
nen oder anderen Fall nun mit mehr Eigenkapital unter-
legen. Das ist von uns so gewollt; das haben wir hier ge-
meinsam so beschlossen. Deshalb sollten wir bitte dazu
stehen.

Nun aber zu einem anderen Thema. Gestern habe ich
zwei Dinge von Frankreich gelernt:

Erstens. Frankreich beschäftigt in der Exportförde-
rung doppelt so viele Beamte wie Deutschland, doch der
Umfang der französischen Exporte beträgt gerade ein-
mal die Hälfte.

Zweitens. Präsident Sarkozy hat am 4. März 2010
eine Conclusion des Etats Généraux de l’Industrie he-
rausgegeben und dabei zusätzlich die Förderung der
französischen Exporte durch die EU gefordert. Außer-
dem habe ich die Worte von Frau Lagarde, der Finanz-
ministerin, gehört, dass wir unseren Exportüberschuss
jetzt einmal zurückfahren müssten.

Das weise ich mit Nachdruck zurück.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es ist absurd, dass Deutschland schwächer werden soll,
damit die Schwäche der Franzosen nicht auffällt. Anders
kann man das ja wohl nicht sagen.


(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch, das kann man anders sagen!)


Da die Franzosen in diesem Jahr ein Staatsdefizit
bzw. eine Nettoneuverschuldung von 8,2 Prozent haben
werden – wir haben mit unseren rund 5,5 Prozent auch
noch immer viel zu viel –, sollten sie sich erst einmal da-
mit beschäftigen. Die Gewerkschaften, die Unternehmen
und die Arbeitgeberverbände in Deutschland haben in
den letzten Jahren eine vernünftige Tarifpolitik gemacht,
die dazu geführt hat, dass unsere Wettbewerbsfähigkeit
international gestiegen ist. Wir haben unsere Hausaufga-
ben Gott sei Dank richtig gemacht. Das lasse ich mir von
niemandem verbieten. Das war eine krisenangepasste
Politik für die deutsche Wirtschaft, und das war auch gut
so. Dass wir dadurch exportfähig sind, muss so bleiben;
das brauchen wir.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ulrike Flach [FDP])


Ich will sehr deutlich sagen: Das zeigt, dass wir keine
europäische Wirtschaftspolitik brauchen, wenn diese eu-
ropäische Politik bedeutet, dass die stärkeren Länder
schwächer werden müssen, weil die schwächeren Län-
der keine Lust haben, stärker zu werden. Das kann es
nicht sein; das kann keine europäische Wirtschaftspolitik
sein. Das müssen wir verhindern.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Exportwirt-
schaft war in den letzten Jahren die stützende, die tra-
gende Säule unseres Wirtschaftswachstums. Wenn wir
sie nicht gehabt hätten, dann würde nicht rund ein Drittel
der Arbeitsplätze mittlerweile im Bereich des Exports zu
finden sein. Genau das brauchen wir. Deutschland kann
nicht ohne den Export leben. Wir haben hochinteressante
und spezialisierte Produkte, die wir nicht alleine in
Deutschland verkaufen können. Wir müssen sie auch auf
den Weltmärkten verkaufen.

Deswegen finde ich es richtig, dass der Haushalt stark
exportorientiert ist. In diesem Haushalt werden insge-
samt 255 Millionen Euro für die Exportförderung veran-
schlagt. Ich bin froh, dass wir Hermesbürgschaften,
Außenhandelskammern, Auslandsmessen etc. fördern.
Diese Außenwirtschaftsförderung – dafür bin ich dem
Wirtschaftsminister ausgesprochen dankbar – muss so
weiterlaufen.

Ich halte es auch für dringend notwendig, dass der
Wirtschaftsminister mit Delegationen ins Ausland reist.
Ich selber habe an einer solchen Reise mit Herrn Brü-
derle teilgenommen. Sie war sehr erfolgreich, und zwar
auch in Ihrem Sinne, im grünen Sinne. Wir waren zu-
sammen mit Siemens in China. Siemens baut in China





Dr. Michael Fuchs


(A) (C)



(D)(B)

jetzt die erste Hochspannungs-Gleichstrom-Übertra-
gungs-Leitung – HGÜ; das ist ein kompliziertes Wort –,
eine Technologie, die vollkommen neu ist und dazu
führt, dass vom Drei-Schluchten-Damm, wo aus Wasser-
kraft Strom hergestellt wird, Strom in Richtung Shang-
hai übertragen wird.

Nebenbei: Die Chinesen haben sich vorgenommen,
das innerhalb von zwei Jahren umzusetzen. Das muss
auch unsere Aufgabe in diesem Hause sein. Herr Minis-
ter, wir müssen dafür sorgen, dass so etwas auch in
Deutschland innerhalb von zwei Jahren möglich ist.
Auch bei uns muss die neue Schnellbauweise von Net-
zen möglich sein. Es kann nicht sein, dass es hier auf-
grund von Planfeststellungs- und Baugenehmigungsver-
fahren zig Jahre dauert.

Wenn wir mit erneuerbaren Energien erfolgreich sein
wollen, dann müssen Transportmöglichkeiten ins Landes-
innere vorhanden sein. Es muss selbstverständlich wer-
den, dass Offshore-Energie aus der Nord- oder Ostsee
nach Bayern oder Baden-Württemberg transportiert
wird, sonst kann das mit den erneuerbaren Energien
nicht funktionieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir müssen uns eine Scheibe von dem, was die Chi-
nesen machen, abschneiden. Denn sie sind im Hinblick
auf die Energieversorgung vorbildlich. Sie haben er-
kannt, dass die Wirtschaftspolitik nur dann richtig funk-
tionieren kann, wenn die Energiepolitik ebenfalls funkti-
oniert.

Dies ist aber nur bei Preisen realisierbar, die es ermög-
lichen, dass die Wirtschaft funktioniert. Darauf müssen
wir uns auch hier verständigen. Ich bin absolut dafür, dass
wir eine Energiepolitik betreiben, die sich immer daran
orientiert, dass Deutschland ein Industrieland ist. Meine
Vorstellung von Deutschland ist die eines Industrielands.
Nur wenn Deutschland das bleibt, macht es Spaß, hier zu
leben. Wir brauchen die deutsche Wirtschaft und die deut-
sche Industrie. Dafür werden wir kämpfen, und dazu
gehören Energiepreise, die in Deutschland die Schwer-
metallindustrie, die Zinkverhüttung oder die Aluminium-
und die Papierindustrie nach wie vor ermöglichen und
auch für den Verbraucher bezahlbar sind.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1702909300

Kollege Fuchs, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Hempelmann?


Dr. Michael Fuchs (CDU):
Rede ID: ID1702909400

Wenn es denn sein muss.


(Zuruf von der FDP: Das verlängert Ihre Redezeit!)


– Sicher. Ich war aber fast fertig.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1702909500

Bitte.

Rolf Hempelmann (SPD):
Rede ID: ID1702909600

Vielleicht mache ich Ihnen eine Freude mit der Zwi-

schenfrage.


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Natürlich!)


Sie haben sich eben darüber ausgelassen, was in China
alles geht und in Deutschland nicht. Als Beispiel haben
Sie die HGÜ-Leitung genannt. Daher meine Frage: Hat
es einen Mentalitätswandel in Ihrer Fraktion gegeben?
Wir haben nämlich im letzten Jahr über das Energielei-
tungsausbaugesetz verhandelt. Unser Vorschlag war,
auch in Deutschland die Türen für ein erstes Referenz-
projekt in Sachen HGÜ zu öffnen. Das ist damals von Ih-
rer Seite abgelehnt worden. Meine Frage ist also: Hat ein
Mentalitätswandel stattgefunden? Gehen Sie davon aus,
dass wir in nächster Zeit etwas auf den Tisch bekommen?


Dr. Michael Fuchs (CDU):
Rede ID: ID1702909700

Wir sind durchaus der Meinung, dass es, wenn wir ein

komplettes Netzwerk aufbauen müssen, notwendig ist,
Strom, der beispielsweise in Offshore-Parks entsteht, in
die Region zu bringen, in der er verbraucht wird; das
habe ich eben bereits gesagt. Anders macht es keinen
Sinn. Denn wir werden diesen Strom wahrscheinlich
nicht auf Norderney oder auf Sylt brauchen. Ich gehe
also davon aus, dass es notwendig ist, den Strom in die
Regionen zu bringen, in denen er auch wirklich benötigt
wird. Deswegen müssen diese Leitungen gebaut werden.
Wenn wir mit HGÜ mittlerweile eine Technologie ha-
ben, durch die es auf einer Strecke von 1 000 Kilometern
zu einem Stromverlust von nur 2 bis 3 Prozent kommt,
dann kann ich sagen: Das macht Sinn.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Die Antwort ist also Ja!)


Deshalb sollten wir dafür sorgen, dass das ermöglicht
wird.

Weiter zu den Energiepreisen. Die Energiepreise in
Deutschland müssen konkurrenz- und wettbewerbsfähig
sein. Es kann nicht sein, dass wir aufgrund des Einsatzes
von erneuerbaren Energien so hohe Preise haben, dass in
Deutschland Arbeitsplätze wegfallen. Ich möchte das an
einem Beispiel aus meinem Wahlkreis verdeutlichen. In
Koblenz gibt es eine Firma, die Kimberly-Clark heißt.
Sie ist besser bekannt unter dem Namen Kleenex und
stellt Papier im großen Stil her. Sie hat in ganz Europa
baugleiche Papiermaschinen. In Koblenz verbrauchen
diese Maschinen bei einer Laufzeit von 365 Tagen rund
26 Millionen pro Jahr. In Frankreich steht eine bauglei-
che Maschine, die nur 17 Millionen verbraucht. Irgend-
wann einmal wird unter Umständen der amerikanische
Mutterkonzern beschließen: Wir packen die Maschine
und schieben sie dahin, wo der Strom billiger ist. Das
kann nicht unser Ziel sein. Daran müssen wir arbeiten.
Ich betone noch einmal: Ich möchte, dass Deutschland
ein Industriestandort bleibt.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1702909800

Herr Kollege, wollen Sie Ihre Redezeit noch ein biss-

chen verlängern? Die Kollegin Höhn möchte eine Zwi-
schenfrage stellen.






(A) (C)



(D)(B)


Dr. Michael Fuchs (CDU):
Rede ID: ID1702909900

Ich habe bis heute Abend Zeit.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1702910000

Bitte schön.


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702910100

Herr Kollege Fuchs, wenn Sie den Standort in Ihrem

Wahlkreis erhalten wollen und über zu hohe Energie-
preise klagen, frage ich Sie: Sind Sie mit uns der Mei-
nung, dass die hohen Energiepreise daher rühren, dass
wir keinen Wettbewerb haben, sondern dass es vier
große Energiekonzerne gibt, die in den letzten fünf Jah-
ren zulasten der Bevölkerung ihren Gewinn von
12 Milliarden auf 18 Milliarden Euro gesteigert haben,
und dass die viel zu hohen Energiepreise den Standort
des von Ihnen genannten Unternehmens gefährden?
Wollen Sie mit uns zusammen mehr Wettbewerb einfüh-
ren und damit die Macht der vier großen Energiekon-
zerne kappen, statt die Laufzeiten für Atomkraftwerke
zu verlängern? Denn genau damit verlängern Sie die
Monopole, steigern die Energiepreise und belasten damit
das Unternehmen in Ihrem Wahlkreis.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Michael Fuchs (CDU):
Rede ID: ID1702910200

Frau Kollegin, ich bin gerade nicht Ihrer Meinung. Wir

haben vier Energiekonzerne, aber es war beispielsweise
Rot-Grün, die zu einer Verstärkung der Monopolisierung
beigetragen haben. Ich sage nur Ruhrgas, STEAG etc.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nicht ablenken!)


Das haben Sie damals mit einer Ministererlaubnis er-
möglicht. Ich verstehe nicht, warum Sie sich über etwas
beschweren, was Sie selbst gemacht haben.


(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil fehlender Wettbewerb zu höheren Preisen führt! – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Beim Wettbewerb kneift er!)


Wir sollten uns aber auch um die Binnennachfrage
kümmern. Wir haben mit den Gesetzen, die zum
1. Januar 2010 in Kraft getreten sind, die Binnennach-
frage gesteigert. Wir haben das Wachstumsbeschleuni-
gungsgesetz gemacht, und wir haben noch mit Ihnen zu-
sammen das Bürgerentlastungsgesetz gemacht. Das war
auch sinnvoll. Seit dem 1. Januar 2010 ist den Bürgern
ein Entlastungsvolumen von rund 22 Milliarden Euro
zugutegekommen. Wir haben den Kinderfreibetrag auf
7 008 Euro erhöht. Wir haben das Kindergeld erhöht,
worüber sich der eine oder andere beschwert hat. Ich
halte es für richtig, dass wir kinderreiche Familien unter-
stützen.

Ein Vier-Personen-Haushalt zahlt erst ab einem Ein-
kommen von rund 30 000 Euro Steuern. Wir haben etli-
ches für die Unternehmen getan. Wir haben den Fehler
bei den geringwertigen Wirtschaftsgütern, den wir ge-
meinsam gemacht haben, wieder bereinigt. Das war
schon ein Ansatz zum Bürokratieabbau. Wir müssen
selbstverständlich auf diesem Sektor noch weiterma-
chen.

Etliche Punkte müssen noch verstärkt werden. Das
wissen wir, und das weiß der Bundeswirtschaftsminister.
Das werden wir gemeinsam machen. Vor allen Dingen
auf dem Sektor Bürokratieabbau wird sich auch in die-
sem Jahr noch etliches tun.

Ich bin relativ optimistisch. Der Bundeswirtschafts-
minister hat ein Wachstum von 1,4 Prozent prognosti-
ziert. Lieber Herr Brüderle, ich glaube, es wird mehr.
Denn mittlerweile gehen sämtliche Banken von rund
2 Prozent aus. Wir sind auf einem guten Weg. Lassen Sie
uns diesen Weg verstetigen und verstärken. Dann wer-
den wir allesamt erfreut auf die Wirtschaftsleistung die-
ses Landes blicken können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1702910300

Das Wort hat nun Wolfgang Tiefensee für die SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Wolfgang Tiefensee (SPD):
Rede ID: ID1702910400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr verehrte Gäste! Sehr geehrter Herr Minister Brü-
derle! Wir diskutieren den Haushalt des Wirtschaftsmi-
nisteriums in schwieriger Zeit. Er besteht zu einem Teil
aus der Fortschreibung dessen, was die vorherige Bun-
desregierung auf den Weg gebracht hat, und er ist er-
gänzt um etwas, das Sie in diesen Haushalt eingebracht
haben.

Ich fasse für mich zusammen: Das Gute in diesem
Haushalt ist nicht neu, weil es fortgeschrieben ist, und
das Neue, das Sie einbringen, ist nicht gut. Ich möchte
das an einigen Beispielen belegen.

Aber zuvor, sehr verehrter Herr Minister, möchte ich
Ihnen nicht durchgehen lassen, was Sie in Ihrer Rede,
die sich zum Teil auch mit der Wirtschaft beschäftigt hat,
über die Vorhaben der SPD und über die Erfolge der ge-
genwärtigen Regierung gesagt haben. Herr Minister, es
geht nicht an, dass Sie sich mit fremden Federn schmü-
cken, dass Sie sich die Erfolge, zum Beispiel die Erfolge
einer starken Wirtschaftspolitik seit 1998, an den Hut
heften und gleichzeitig die SPD für neue Vorschläge dif-
famieren. Das geht nicht. Das lassen wir Ihnen nicht
durchgehen.


(Beifall bei der SPD)


Wenn Sie über die Agenda 1970 sprechen – ich
möchte mich eigentlich nicht mit der Vergangenheit auf-
halten – und unsere Vorschläge als rückwärtsgewandt
bezeichnen, dann nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass al-
les das, was Sie jetzt an Erfolgen aufführen und was aus
Frankreich zu uns herüberschwappt, nicht der Erfolg der
FDP-Politik, sondern der Erfolg der vorhergehenden Re-
gierung unter starker Beteiligung der SPD ist.





Wolfgang Tiefensee


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der SPD – Zuruf von der FDP: Was heißt das jetzt?)


Jetzt schauen wir uns den Haushalt im Einzelnen an!
Das Neue ist nicht gut.

Erstes Thema: Wie ist es um die Wirtschaftsförderung
im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der
regionalen Wirtschaftstruktur“ bestellt? Herr Dr. Luther,
Sie haben dieses Thema angesprochen. Ich verstehe
nicht, wie Sie sagen können: „Wir bleiben auf dem glei-
chen Niveau; wir tun etwas für die Ost-Förderung“,
wenn Sie im gleichen Atemzuge sagen müssen: Es wer-
den 10 Millionen Euro dieser Sonderförderung einge-
spart.


(Ulrike Flach [FDP]: Das ist doch aus dem Investitionsfonds! Gucken Sie sich den richtigen Titel an!)


Das Fazit: Die Ost-Förderung wird zurückgefahren. Das
ist kein guter Weg. Wir können Ihnen dafür nicht unsere
Zustimmung geben.


(Ulrike Flach [FDP]: Das stimmt ja auch nicht!)


Die SPD würde das anders machen. Wir müssen hier
weiter investieren.


(Ulrike Flach [FDP]: Richtig lesen, Herr Tiefensee!)


Zweites Thema: Opel. Ich weiß nicht, ob Ihnen die
Namen „Lewald“ und „Lieske“ etwas sagen, Herr Brü-
derle. Herr Lewald ist der Geschäftsführer des Opel-
Werks in Eisenach, Herr Lieske der Betriebsratschef. Sie
sind noch nie dort gewesen; anderswo sind Sie gewesen.


(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dahin können wir mal eine Delegationsreise machen!)


Machen Sie einmal eine Reise dorthin und schauen Sie
sich an, wie mit den Arbeitern und Arbeiterinnen dort
umgegangen wird, auch nach Ihrem Motto: „Leistung
muss sich lohnen“! Was können Sie diesen Arbeitern
heute bieten? Sie ducken sich weg, wenn es darum geht,
einen Vorschlag aufzugreifen, der besagt: Wir müssen
dringend einen runden Tisch einberufen, an dem die
Länder, die Gewerkschaften, die Unternehmen, der Mi-
nister und Vertreter von GM sitzen. – Sie dürfen das
nicht auf die Beamten abschieben. Sie dürfen den Fra-
genkatalog nicht ständig erweitern. Sie dürfen nicht die
Europäische Union mit der Ex-ante-Regelung vorschie-
ben, sondern Sie müssen endlich handeln. Ducken Sie
sich nicht weg, sondern kümmern Sie sich persönlich um
dieses Problem! Berufen Sie noch in diesem Monat ei-
nen runden Tisch ein und fahren Sie dorthin, um einmal
zu sehen, worum es in einem solchen Werk wie Eisenach
geht!


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1702910500

Kollege Tiefensee, gestatten Sie eine Zwischenfrage

des Kollegen Luther?

Wolfgang Tiefensee (SPD):
Rede ID: ID1702910600

Selbstverständlich.


Dr. Michael Luther (CDU):
Rede ID: ID1702910700

Lieber Kollege Tiefensee, ich möchte auf das Thema

Gemeinschaftsaufgabe zurückkommen und nur etwas
zur Klarstellung sagen. Die 10 Millionen Euro werden
nicht bei dem 81er-Titel – das ist der mit den 670 Millio-
nen Euro – gekürzt,


(Ulrike Flach [FDP]: Eben!)


sondern bei dem 82er-Titel. Das betrifft also das Kon-
junkturpaket. Dort ist die Verteilung wie folgt: Hälfte
West und Hälfte Ost. Es ist also kein reiner Ost-Titel.
Das ist für meine Begriffe möglich, weil genau dort noch
Luft ist. Geben Sie mir also in dem Punkt recht, dass das
keine Reduzierung ist, die rein den Osten betrifft?


Wolfgang Tiefensee (SPD):
Rede ID: ID1702910800

Herr Dr. Luther, ich halte erstens fest, dass bei der GA

gekürzt worden ist, nämlich bei dem Sonderprogramm
um 10 Millionen Euro. Das muss man so deutlich sagen,
weil Sie in Ihrer Rede vorhin den Anschein erweckt ha-
ben, als bliebe das gleich.


(Ulrike Flach [FDP]: Der Titel als solcher bleibt auch gleich!)


Der zweite Punkt. Es ist ein Teil des Konjunktur-
pakets, übrigens des Konjunkturpakets, das nicht von
dieser Regierung auf den Weg gebracht worden ist. Die-
ses Konjunkturpaket hat gerade den Sinn, Investitionen
dort auszulösen, wo ein Vervielfacher – mal sieben oder
mal acht – wirkt, der die Wirtschaft anspringen lässt, wo
es darum geht, sie zu stabilisieren, vorwiegend in Ost-
deutschland, nämlich zu sechs Siebteln in Ostdeutsch-
land und zu einem Siebtel in Westdeutschland. An dieser
Stelle zu kürzen, ist kontraproduktiv. Deshalb sage ich:
Das Konjunkturprogramm in Gang zu setzen, sich dar-
auf auszuruhen, sich mit diesen Federn zu schmücken,
ist das eine; das andere ist, einen neuen Aspekt hinzuzu-
fügen, nämlich den der Kürzung, und das Konjunktur-
paket damit zu konterkarieren. Das halten wir nicht für
richtig.


(Beifall bei der SPD)


Nächstes Thema ist die Solarförderung. Auch hier,
sehr verehrter Herr Minister, ist wieder ein Wegducken
zu erkennen. Wenn Sie sich anschauen, wie die Industrie
auf die kurzatmigen und plötzlich unterbreiteten Vor-
schläge reagiert, müssen Sie doch zur Besinnung kom-
men und einsehen: Wir müssen zunächst einmal eine
Anhörung durchführen, um genau zu erfahren, ob nicht
Arbeitsplätze wegfallen, die wir dringend benötigen. –
Eine solche Anhörung haben wir vorgeschlagen.

Was soll das allgemeine Gerede von der Förderung
des Mittelstands, wenn Sie durch die Kürzung bei der
GA den Mittelstand schwächen, wenn Sie – Stichwort
Opel – einen mittelgroßen Mittelständler in Eisenach
– und anderswo – gefährden? Was soll das Gerede vom
Mittelstand, wenn Sie bei der Solarförderung plötzlich
eine über die beschlossene degressive Senkung hinaus-





Wolfgang Tiefensee


(A) (C)



(D)(B)

gehende Kürzung in Ihrem Etat vorsehen? Das ist genau
das Gegenteil von dem, was Sie postulieren.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1702910900

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der

Kollegin Flach?


Wolfgang Tiefensee (SPD):
Rede ID: ID1702911000

Selbstverständlich.


Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1702911100

Danke schön. – Herr Tiefensee, Sie sind ja kein Haus-

hälter. Deshalb möchte ich Sie auf einen Umstand hin-
weisen und Sie fragen, ob Ihnen dieser Umstand bei Ih-
rer Behauptung, dass bei der GA ein Schaden erzeugt
würde, vielleicht nicht bekannt gewesen ist: Der Mittel-
abfluss im Jahre 2009 betrug 86,33 Millionen Euro von
immerhin 100 Millionen Euro. Das heißt, der Mittelab-
fluss war deutlich geringer als das, was wir angesetzt
hatten. Dass in einem solchen Fall die Haushälter dafür
sorgen – wir alle in diesem Land sind aufgefordert, auch
im Hinblick auf die Schuldenbremse zu sparen –, dass
hier entsprechend zurückgefahren wird, ist ein ganz na-
türliches Verfahren im Haushaltsprozess. War Ihnen das
nicht bekannt?


Wolfgang Tiefensee (SPD):
Rede ID: ID1702911200

Mir ist der Vergleich zwischen Soll und Ist durchaus

bekannt, Frau Kollegin Flach. Es gibt zwei Wege, auf so
etwas zu reagieren. Sie haben den einen gewählt. Sie
schauen sich das Ist an, vergleichen es mit dem Soll und
kürzen, wenn eine Differenz vorhanden ist. Wie wäre es,
wenn Sie den zweiten Weg gingen? Sie sollten sich fra-
gen: Warum ist der Mittelabfluss gerade im Jahre 2009
so schlecht? Warum klappt die Kofinanzierung der Län-
der nicht? Wie Sie wissen, ist die Gemeinschaftsauf-
gabe eine Angelegenheit der Wirtschaftsfördergesell-
schaften der Länder. Hier besteht kein Rechtsanspruch
wie bei der Investitionszulage. Das heißt, hier ist ein Me-
chanismus in Gang zu setzen. Sie wissen genauso gut
wie ich, dass das Jahr 2009 alles andere als günstig für
Investitionen der Unternehmen gewesen ist. Der erste
Weg, zu kürzen, weil es eine Differenz zwischen Soll
und Ist gibt, ist falsch. Der richtige ist, ab 2010 dafür zu
sorgen, dass die Gelder abgerufen werden; denn dieses
Geld hat – ich habe es bereits angesprochen – mindes-
tens den achtfachen Nutzen.


(Beifall bei der SPD)


Frau Flach, ich darf Sie darüber hinaus daran erin-
nern, dass die Investitionszulage abgeschmolzen wird.
Meine Frage an Sie und den Herrn Minister lautet: Wie
wollen Sie die Investitionszulage, die das Pendant zur
Gemeinschaftsaufgabe bildet, kompensieren, wenn Sie
die Mittel für diesen Titel in Zukunft kürzen?


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Keine Antwort von Ihnen, Frau Flach! Sie sind sprachlos! – Gegenruf der Abg. Ulrike Flach [FDP]: Ich brauche nicht zu antworten! Ich habe eine Frage gestellt!)

Denken Sie darüber nach, damit wir in Zukunft darüber
diskutieren können.

Ich komme zu einem anderen, konkreten Thema, der
Elektromobilität; auch darüber haben wir schon disku-
tiert. Herr Oswald, ich kann vielen Ihrer allgemeinen
Äußerungen zustimmen, nicht aber, wenn es konkret
wird. Deutschland ist bei der Elektromobilität nicht ge-
rade der Vorreiter. Was erleben wir? Es wird ein kleiner
Zirkel von Beamten, eine Geschäftsstelle gebildet, die es
richten soll. Der Minister kümmert sich nicht darum. –
Da Sie auf der Regierungsbank murmeln, das sei
Quatsch, bitte ich Sie, die Unternehmen, die in den Be-
reichen Elektromobilität sowie Wasserstoff- und Brenn-
stoffzellenforschung tätig sind, zu fragen, wie diese über
eine solche Geschäftsstelle denken, die seit Ewigkeiten
auf sich warten lässt und ihre Arbeit nicht aufnimmt.

Summa summarum – sehr verehrter Herr Brüderle,
ich rede Ihnen ins Gewissen –: Kümmern Sie sich selbst
um die Sachen! Schauen Sie sich das genau an, und ma-
chen Sie es zur Chefsache, damit hier nicht Stillstand
herrscht! Hoffen Sie nicht auf einen allgemeinen Früh-
lingswind, sondern nutzen Sie die Zeit, die Wirtschaft
voranzubringen! Ansonsten läuft Ihnen die Zeit davon.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1702911300

Als letzter Redner in dieser Debatte hat nun das Wort

Joachim Pfeiffer für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1702911400

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Ich möchte am Ende der Debatte über den Einzel-
plan 09 auf den Sinn dieser Debatte zurückkommen. Es
geht um den Haushalt 2010. Manche Dinge sind offen-
bar etwas durcheinandergekommen.

Wir sind noch immer mitten in der größten Wirt-
schafts- und Finanzkrise. Es geht darum, mit diesem
Haushalt zu stabilisieren und neue Impulse für die Zu-
kunft zu setzen. Damit haben wir 2008/2009 gemeinsam
begonnen. Das führen wir in diesem Jahr in neuer Kon-
stellation fort, um die Voraussetzungen für ein selbsttra-
gendes Wachstum zu schaffen. Es geht darum, mit die-
sem Haushalt gerade im Wirtschaftsbereich zu säen,
sodass wir in den nächsten Jahren die Früchte ernten
können. Wir haben bereits konkrete Schritte unternom-
men. Weitere sind vorgesehen.

Nehmen wir als Beispiel den Wettbewerb. Durch
Wettbewerb werden neue Dienstleistungen und Arbeits-
plätze im Postbereich generiert. In der Großen Koalition
ist es nicht gelungen – weil Sie sich leider verweigert ha-
ben, meine Damen und Herren von der SPD –, für eine
Gleichbehandlung bei der Umsatzsteuer zu sorgen. Das
hätten wir eigentlich schon im letzten Jahr machen kön-
nen. Es war bisher so – das haben wir erst in der letzten
Sitzungswoche geändert –, dass nur die Post AG von der





Dr. Joachim Pfeiffer


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(D)(B)

Umsatzsteuer für Universaldienstleistungen befreit war,
die anderen Postdienstleister aber nicht. Es gab sogar
den Postmindestlohn – der wurde jetzt per Gerichtsbe-
schluss aufgehoben –, der zu Entlassungen und Arbeits-
platzabbau geführt hat. Das ist ein Sektor, in dem wir
jetzt die Grundlagen für Wachstum und Beschäftigung
gelegt haben. Wir machen dasselbe auch im Telekom-
munikationsbereich. Das Stichwort „Breitband“ ist be-
reits angesprochen worden. Auch im Bahnbereich wird
mit der Einführung einer Anreizregulierung in dieser Le-
gislaturperiode die Saat dafür gesät, dass wir später Ar-
beitsplätze ernten können.

Das ZIM-Programm ist schon angesprochen wor-
den. Es ist auf den Mittelstand, die KMU, zugeschnitten,
einfach in der Handhabung und ermöglicht Kooperati-
onsmodelle zwischen mittelständischen Unternehmen
und einzelbetriebliche FuE-Projekte. Wir haben jetzt
mehr als doppelt so viele Anträge wie zuvor, nämlich
8 400. 775 Millionen Euro sind bewilligt, die direkt in
die Innovationskraft unserer mittelständischen Unter-
nehmen fließen und damit Arbeitsplätze schaffen.

Die steuerliche Forschungsförderung ist angespro-
chen worden. Wir bereiten gerade konkrete Modelle vor,
wie wir sowohl den Mittelstand als auch die Großunter-
nehmen einbeziehen können und Standortnachteile, die
wir gegenüber anderen Ländern haben – vorhin wurde
Frankreich erwähnt –, abbauen können. Das ist die beste
Politik, um zukünftig Forschung und Entwicklung zu
stärken und damit Arbeitsplätze und Wachstum zu gene-
rieren.

Ich möchte noch auf einen anderen Punkt hinweisen,
der mir heute Morgen in der Debatte und in der letzten
Woche aufgefallen ist. Ich wende mich an die Kollegin-
nen und Kollegen der SPD. Ich habe wirklich den Ein-
druck, als ob Ihr Motto lautet: Vorwärts, zurück in die
Vergangenheit!

Wie Sie sich in der letzten Woche von der Gesund-
heitspolitik der letzten Legislaturperiode distanziert und
in Anwesenheit Ihrer früheren Ministerin das Gegenteil
dessen propagiert haben, was Sie noch vor einem halben
Jahr selber beschlossen haben, war schon atemberau-
bend.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wenn ich den Kollegen Heil heute Morgen und die
Vorschläge zum Arbeitsmarkt richtig verstanden habe,
dann stellen Sie die erfolgreichen Reformen der
Agenda 2010 auf den Kopf. Sie wollen die Bezugsdauer
des Arbeitslosengeldes I von zwölf auf 24 Monate ver-
längern.


(Garrelt Duin [SPD]: Wollten Sie in Ihrer Rede nicht vom Haushalt reden?)


Dabei ist die bisherige Regelung nun nachweislich in der
Sache und auch politisch – das dachte ich jedenfalls –
unstrittig eine der erfolgreichsten Komponenten der
Agenda 2010. Der Anteil der Menschen, die über ein
Jahr arbeitslos sind, betrug im Jahr 2005 37,4 Prozent,
aber im Jahr 2009, mitten in der größten Wirtschafts-
und Finanzkrise, die wir jemals hatten, 29,7 Prozent.
Jetzt wollen Sie diese erfolgreiche Hauptkomponente
der Agenda 2010 wieder rückgängig machen. Ich muss
Ihnen dazu sagen: Das ist nicht nur in der Sache falsch,
sondern ich frage mich auch, welche politische Bot-
schaft sich dahinter verbirgt. Ist das jetzt eine Generalab-
rechnung der SPD mit elf Jahren Regierungsverantwor-
tung,


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Mit sich selbst! – Florian Pronold [SPD]: Man muss seine Redezeit nicht ausschöpfen! Man kann einfach aufhören!)


mit sich selbst, mit Gerhard Schröder, mit Wolfgang Cle-
ment und wem auch immer, der diese Politik vertreten
hat?


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Anbiederung an Lafontaine!)


Der Kollege Schneider, der jetzt wieder da ist, hat in
seiner Rede das Thema Industriepolitik angesprochen.
Die Industriepolitik von Rot-Grün haben wir am Bei-
spiel von Holzmann erlebt. Es wurden Steuergelder ein-
gesetzt, aber nachher war das Unternehmen pleite, das
Geld war weg, und die Arbeitsplätze waren weg.

So etwas werden wir bei Opel nicht machen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir haben gemeinsam eine Überbrückungsfinanzierung
ermöglicht. Dieses Geld wurde zurückgezahlt. Jetzt be-
ginnen die Verhandlungen von neuem. Es sind noch
Zweifelsfragen offen.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Welche?)


Opel hat bisher nicht nachgewiesen, wie die Abgrenzung
zum Mutterkonzern in den USA abschließend geregelt
wird. Es ist nicht nachvollziehbar, dass Opel durch die
Lizenzen und die Gebühren, die dann anfallen, schlech-
tergestellt werden soll als zu dem Zeitpunkt, als Magna
noch im Spiel war. Wir werden für solche Dinge nicht
leichtfertig deutsches Steuergeld hinauswerfen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir werden das Ganze also sehr genau prüfen. Wenn die
offenen Fragen geklärt sind, werden wir dieses Unter-
nehmen so wie die anderen Unternehmen behandeln. Sie
fordern hier Industriepolitik zugunsten von Opel ein; so
habe ich Sie vorher verstanden.


(Garrelt Duin [SPD]: In der Angelegenheit muss man Tempo machen!)


Erneuerbare Energien wurden angesprochen. Ich
kann nur wenige Punkte streifen. Das CO2-Gebäude-
sanierungsprogramm war ein Kernbestandteil unserer
Politik seit 2005. Wir haben dieses Programm verlän-
gert, verstetigt, ausgebaut, und zwar so erfolgreich, dass
wir es im letzten Jahr zum ersten Mal erreicht haben,
dass an mehr als 5 Prozent – 5,8 Prozent – der Gebäude
eine energetische Gebäudesanierung vorgenommen wor-
den war. Dennoch haben Sie im Haushaltsausschuss der
Aufstockung der Mittel für die CO2-Gebäudesanierung





Dr. Joachim Pfeiffer


(A) (C)



(D)(B)

nicht zugestimmt. Da frage ich mich, wie das zu erklären
ist.


(Florian Pronold [SPD]: Weil es zu wenig war! Was ist im nächsten Jahr?)


Ich muss sagen: Ich verstehe es weder politisch noch in
der Sache. Herr Brüderle, Sie haben vorhin auf die
Agenda 1970 hingewiesen. Angesichts der Geschwin-
digkeit, mit der es bei der SPD vorangeht, habe ich den
Eindruck, dass wir bald über den Austritt aus der NATO
oder über die Vergesellschaftung von Schlüsselindus-
trien sprechen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Jetzt sind wir bald bei der Agenda 1957; das ist so lang-
sam mein Eindruck.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702911500


Herr Pfeiffer, Ihre Redezeit ist abgelaufen.


Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1702911600


Aber es gab noch den Wunsch nach einer Zwischen-
frage.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702911700


Nein, den nehmen wir nicht mehr entgegen.


Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1702911800


Das ist aber ausgesprochen schade.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702911900


Sie haben Ihre Redezeit schon länger überschritten.


Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1702912000


Insofern kann ich nur sagen: Man ist bei uns gut auf-
gehoben. Deutschland ist mit einer christlich-liberalen
Koalition in guter Hand. Wir werden noch Gas geben,
damit all das, was wir gesät haben, im nächsten Jahr ge-
erntet werden kann.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702912100


Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 09, Bundesministerium für Wirtschaft und Techno-
logie, in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der
Einzelplan 09 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktio-
nen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen ange-
nommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.7 auf:

Einzelplan 12
Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung

– Drucksachen 17/612, 17/623 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Bartholomäus Kalb
Johannes Kahrs
Dr. Claudia Winterstein
Roland Claus
Stephan Kühn

Zum Einzelplan 12 liegt ein Änderungsantrag der
Fraktion Die Linke vor. Außerdem liegt ein Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion der SPD vor, über den wir am
Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen wer-
den.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. Gibt es
Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so
beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner das Wort dem Kollegen Johannes Kahrs von der
SPD-Fraktion.


Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1702912200

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Wir diskutieren jetzt den Einzelplan des Bun-
desministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Mit 26 Milliarden Euro ist er der viertgrößte Einzelhaus-
halt und der größte Investitionshaushalt des Bundes.
Mein Vorredner hat zum Einzelplan Wirtschaft einen
Haufen Unsinn erzählt, auch was das CO2-Gebäudesa-
nierungsprogramm angeht. An dieser Stelle will ich
das einmal richtigstellen: Wir Sozialdemokraten haben
im Haushaltsausschuss selbstverständlich dagegenge-
stimmt, weil die Koalition dieses Programm weder so-
lide durchfinanziert hat noch einen vernünftigen Weg
aufgezeigt hat, wie es mit diesem Programm in der Zu-
kunft weitergehen soll.

Wie ist denn die Realität? Alle Titel zusammenge-
rechnet, beträgt der Umfang dieses Programms jetzt
knapp 1,5 Milliarden Euro. Im letzten Jahr gab es einen
Ausgabenblock von deutlich über 2 Milliarden Euro.
Jetzt überlegt man sich: Woher kommt das Geld, das die
Koalition gefunden hat? Es ist nicht so, dass sie frisches
Geld genommen hat, um dieses wirklich wegweisende
und gute rot-grüne Programm fortzusetzen, nein, sie hat
Mittel aus dem Jahre 2011 vorgezogen.


(Patrick Döring [FDP]: Wie Sie das im letzten Jahr ja auch gemacht haben!)


Das heißt, im Jahre 2011, Herr Kollege, wird es so sein,
dass Ihnen nicht diese 1,5 Milliarden Euro zur Verfü-
gung stehen, sondern deutlich weniger als 1 Milliarde
Euro, und dann müssen Sie frisches Geld zur Verfügung
stellen. Dann hat der Minister nur das Problem, dass er
im nächsten Jahr erstens keine Konjunkturmittel mehr in
dem Umfang hat und zweitens der Bundesfinanzminister





Johannes Kahrs


(A) (C)



(D)(B)

ihm Geld nehmen wird und, wenn es so weiterläuft im
Haushaltsausschuss, die Kollegen der Koalition ihm
noch mehr Geld klauen werden, nachdem sie es in die-
sem Jahr schon fleißig getan haben.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das mit dem „klauen“ nehmen Sie zurück!)


Das alles ist eine Zwickmühle. Im Ausschuss befragt,
wie er dazu stehe, hat der Minister gesagt: Na ja, dann
läuft die Programmförderung eben im April aus.

Wenn man so mit einem Programm umgeht, das wir
alle für richtig, wichtig und gut halten, dann darf man
sich nicht wundern, dass wir als Koalition dem nicht zu-
stimmen.


(Patrick Döring [FDP]: Opposition! – Dr. Claudia Winterstein [FDP]: Sie sind in der Opposition!)


Wir haben einen Änderungsantrag vorgelegt, in dem wir
gefordert haben, deutlich mehr Geld hierfür vorzusehen.
Wir haben auch gesagt, woher es kommen soll.


(Patrick Döring [FDP]: Aus dem Straßenbau!)


– Aber aus nichtgenutzten Mitteln.


(Patrick Döring [FDP]: Wir können sie doch nutzen! Wir nutzen sie doch!)


– Lesen bildet, Denken hilft. Ich helfe Ihnen immer
gerne dabei.


(Beifall bei der SPD)


Das heißt also, dass man in diesem Fall vernünftig und
solide vorgehen sollte.

Wenn man sich den Haushalt anschaut, stellt man fest,
dass er sich gegenüber dem, den wir in der ersten Lesung
beraten haben, etwas verändert hat. Das liegt daran, dass
die Koalition den Haushaltsansatz gekürzt hat. Kürzen
ist immer eine feine Geschichte für Haushälter, es muss
aber auch Sinn machen. Schauen wir uns einmal an, wo
gekürzt worden ist. Daran kann man klarmachen, wo die
Unterschiede liegen:

Zunächst einmal wurde beim Denkmalschutzpro-
gramm Ost und beim Denkmalschutzprogramm West
gekürzt. Als Mitglied des Deutschen Nationalkomitees
für Denkmalschutz kann ich das nicht gut finden. Wenn
man sich, jeder in seinem Wahlkreis, einmal anschaut,
welche Aufgabe in Deutschland dem Denkmalschutz zu-
kommt und wie wichtig er für die Kommunen und die
Gemeinden ist, dann kommt man zu dem Schluss: Das
ist garantiert der falsche Ort; das ist Unsinn.


(Beifall bei der SPD)


Weiterhin wurden beim Programm „Soziale Stadt“
20 Millionen Euro gestrichen. Das ist auch nicht wirk-
lich toll.

Außerdem stellt man fest, dass die Etats der Pro-
gramme für den kombinierten Verkehr um mehr als die
Hälfte gekürzt worden sind.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Pfui!)

Das muss man sich einmal genauer anschauen. Der Mi-
nister – er sitzt ja dankenswerterweise da, obwohl er
nicht zuhört –


(Widerspruch des Abg. Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU])


hat hier beim letzten Mal groß verkündet, dass sein
Schwerpunkt die Schiene ist. Diesen Schwerpunkt
Schiene findet man im Haushalt allerdings nicht wieder.
„Schwerpunkt Schiene“ heißt doch, dass man dafür sor-
gen muss, dass es viele Möglichkeiten gibt, vom Lkw
auf die Schiene umzuladen, also kombinierten Verkehr
zu ermöglichen. Die Programme hierfür hat die Koali-
tion um 65 Millionen Euro gekürzt. Es sind jetzt noch
knapp 50 Millionen Euro im entsprechenden Topf.


(Dr. Claudia Winterstein [FDP]: 54 Millionen!)


Das ist doch blanker Unsinn.

Die Kollegin von der FDP kommt ja immer und er-
zählt, dass für die Verwendung der Einnahmen aus der
Lkw-Maut gilt: Straße finanziert Straße. Das Geld aus
der Lkw-Maut soll also beim Verkehrsträger Straße blei-
ben. Was heißt denn das im Ergebnis? Im Ergebnis,
werte Frau Kollegin Winterstein, heißt das, dass für die
Wasserstraßen und für die Bahn weniger Geld da sein
wird.


(Sören Bartol [SPD]: So ist es! – Gegenruf des Abg. Patrick Döring [FDP]: Sie wollen es nicht verstehen!)


Nun hat uns der Minister erzählt – wir haben das ja
alle erlebt –, dass es keine Streichlisten bei der Bahn
gibt.


(Patrick Döring [FDP]: Gibt es auch nicht!)


Wir haben dann rauf und runter nachgefragt; auf einmal
ist der Bahnchef, nicht der Minister, nicht seine Staatsse-
kretäre, sondern der Bahnchef, damit man gleich weiß,
wer in diesem Bereich die Hosen anhat, gekommen und
ist im Verkehrsausschuss die Streichliste mit uns durch-
gegangen und hat erklärt, was kommt, was vielleicht
kommt und was gar nicht kommt.


(Patrick Döring [FDP]: Stimmt nicht! Hätte sich vielleicht gelohnt, dabei gewesen zu sein!)


Dabei konnte man feststellen, dass zum Beispiel die
Y-Trasse nicht gebaut werden soll.


(Patrick Döring [FDP]: Stimmt nicht!)


Uns allen jedoch hat der Minister erzählt, er möchte ei-
nen Großteil des Zuwachses beim Güterverkehr auf die
Schiene bringen. Der Bahnchef dagegen erzählt uns,
dass eine der wichtigsten Strecken, die genau für diesen
Zweck gebaut werden sollte, nämlich die Y-Trasse, nicht
kommt.


(Patrick Döring [FDP]: Stimmt nicht! Hat weder Herr Grube noch der Minister gesagt!)


Was ist denn das für eine Wirtschaftspolitik?! Es geht
hier um einen Etat, der für die Infrastruktur und damit





Johannes Kahrs


(A) (C)



(D)(B)

für die Wirtschaftskraft Deutschlands wesentlich ist.
Aber genau bei diesem Etat wird gestrichen.


(Beifall bei der SPD)


Das, worum es hier geht, nennt sich – das sei allen
Süddeutschen gesagt – Hinterlandverkehr. Dass die In-
frastruktur hierfür vorhanden ist, ist für die Häfen wich-
tig, ist für Deutschland wichtig, nur sie wird nicht ge-
baut.

Wenn man sich die Lage nun genauer anschaut, wird
man feststellen, dass in 2011 und 2012 dem Minister
sehr viel Geld fehlen wird. Aus welchem Grunde? Das
Finanzministerium wird höchstwahrscheinlich seinen
Etat nicht weiter erhöhen, sondern weiter streichen; au-
ßerdem laufen Konjunkturmittel aus. Verzweifelte Ver-
suche, an Geld zu kommen – derer gibt es viele –, wer-
den wir nicht durchgehen lassen, weil dafür in der Regel
Schattenhaushalte eingerichtet werden.

Ich habe hier schon einmal etwas zum Thema Pkw-
Maut gesagt. Der Minister hat sich dazu leider noch
nicht abschließend geäußert, obwohl das ganz schön
wäre. Wir jedenfalls sind dagegen.

Über ÖPP-Projekte kann man reden. Sie müssen
sich am Ende nur als kostenneutral für den Haushalt er-
weisen; denn, wie gesagt, Schattenhaushalte wollen wir
nicht. Wir wollen auch keine Finanzierungsmodelle fi-
nanzieren. Wir kennen das schon: Dabei werden häufig
Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Alte Sprüche!)


Das wollen die Menschen nicht mehr. Davon haben sie
die Schnauze voll.

Die VIFG, die Verkehrsinfrastrukturfinanzie-
rungsgesellschaft, ist ein weiterer Schattenhaushalt.
Wenn man in Zukunft am Finanzministerium und am
Haushaltsausschuss vorbei Geld aufnimmt, um mit die-
sem Geld bestimmte Dinge zu machen, dann baut man
weitere Schuldenberge auf. Wer wird das zahlen?


(Patrick Döring [FDP]: Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesetz, Herr Kollege! Gucken Sie es sich an!)


– Lesen bildet, Denken hilft. – Das heißt also, am Ende
brauchen wir das alles nicht. Wir müssen vielmehr
schauen, dass das, was wir machen, solide finanziert
wird.


(Patrick Döring [FDP]: Autobahnmautgesetz! Gucken Sie es sich mal an!)


Die Kameralistik wirkt manchmal langweilig. Aber
sie ist ehrlich. Das kann man von Ihrer Haushaltspolitik
nicht behaupten.


(Beifall bei der SPD)


Bei der Kameralistik weiß man nämlich genau, was man
hat und wie es in der Zukunft aussieht. Deswegen sollte
man sich daran halten. Das ist alles wichtig, richtig und
gut.
Da meine Zeit an diesem Rednerpult ihrem Ende ent-
gegengeht, will ich Ihnen noch kurz Folgendes mitge-
ben: Wenn man über Infrastruktur redet, dann muss man
sich über den Ausbau von Wasserstraßen, über die Elb-
vertiefung von Hamburg bis Magdeburg – Otterndorf
nicht zu vergessen, Herr Staatssekretär – unterhalten.
Wir müssen uns auch über die Zukunft der Wasser- und
Schifffahrtsdirektionen unterhalten, weil sie wichtig
sind. Man muss schauen, dass in diesem Bereich nicht
totgespart wird, sondern dass investiert wird, damit sie
ihre Arbeit vernünftig machen können.

Vielen Dank, viel Spaß und Glück auf.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702912300

Das Wort hat der Kollege Bartholomäus Kalb von der

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1702912400

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Herr Kollege Kahrs, letzte Woche hatten Sie
noch Fieber, heute sind Sie quicklebendig. Aber nicht al-
les, was Sie gesagt haben, war richtig.


(Dr. Claudia Winterstein [FDP]: Ich glaube, er hatte noch Fieber! – Patrick Döring [FDP]: Fieberwahn!)


Der Etat des Bundesministers für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung ist mit 26,3 Milliarden Euro einer der
größten Einzeletats und mit rund 14,7 Milliarden Euro
an Investitionen der Investitionshaushalt schlechthin.
Der größte Anteil davon ist wiederum für Infrastruktur-
maßnahmen vorgesehen.

Eine moderne Gesellschaft, eine arbeitsteilige Wirt-
schaft und eine leistungsfähige Volkswirtschaft erfor-
dern ein immer höheres Maß an Mobilität. Mobilität ist
einerseits Voraussetzung für die Sicherung des Wohl-
standes, andererseits auch Ausdruck von Freiheit und
der Möglichkeit individueller Lebensgestaltung. Erfreu-
licherweise zählt die Verkehrsinfrastruktur in Deutsch-
land noch immer zu den positiven Standortfaktoren die-
ses Landes. Wir müssen aber alles unternehmen, um die
Qualität und die Leistungsfähigkeit dieser Infrastruktur
zu erhalten und weiter zu verbessern. Nicht ausreichende
Erhaltungsinvestitionen wären nichts anderes als eine
verdeckte Verschuldung und eine Lastenverschiebung in
die Zukunft.

Trotz des selbst auferlegten Zieles der Haushaltspoli-
tiker der Koalition, schon im Haushalt 2010 den Spar-
kurs einzuleiten und ein deutliches Signal für den Kon-
solidierungskurs der nächsten Jahre zu setzen, haben wir
entschieden, keine Sparmaßnahmen zulasten von Inves-
titionen insbesondere im Infrastrukturbereich zu täti-
gen. Mit den Ansätzen im Einzelplan 12 in Verbindung
mit den noch zur Verfügung stehenden Mitteln aus dem
Konjunkturprogramm wollen wir die Investitionen in die





Bartholomäus Kalb


(A) (C)



(D)(B)

Bundesverkehrswege, also Schiene, Straße, Wasser-
straße, auf hohem Niveau fortsetzen.

Ich weiß, dass die Erwartungen und Forderungen aus
dem einen oder anderen Bereich sogar noch weit über
die Möglichkeiten des Bundeshaushaltes hinausgehen.
Deswegen wird es notwendig sein, alle Möglichkeiten,
die uns zur Finanzierung von Verkehrsinfrastruktur zur
Verfügung stehen, optimal zu nutzen. Wir erwarten des-
halb auch, dass nach Abschluss des Maut-Schiedsver-
fahrens die dem Bund zustehenden bzw. zufließenden
Mittel zusätzlich für die Verkehrsinfrastruktur bereitge-
stellt werden. Wir wissen, wie schwierig das Verfahren
im Moment ist und dass es von der gegnerischen Seite
offensichtlich in die Länge gezogen wird.

Wir haben nach langen und intensiven Beratungen da-
für Sorge getragen, dass die Transrapidversuchsanlage
im Emsland nicht am 30. April dieses Jahres den Betrieb
einstellt und stillgelegt werden muss. Wir wollen damit
sicherstellen, dass noch erforderliche Tests und Zertifi-
zierungen durchgeführt werden können, um damit einer
in Deutschland mit 1,3 Milliarden Euro Forschungsgel-
dern entwickelten Technologie Vermarktungschancen zu
eröffnen.Wir haben uns diese Beratungen und die Ent-
scheidungen darüber wirklich nicht leichtgemacht.

Es ist für mich sowieso unbegreiflich – ich sage das
mit Ironie –, dass wir Deutsche es immer wieder fertig-
bringen, mit viel Forschungsaufwand neue Produkte
und Technologien zu entwickeln, uns dann aber der Mut
verlässt und wir die Markteinführung, die Anwendung
und den Nutzen daraus anderen überlassen. Das gilt
nicht nur für die Magnetschwebebahntechnologie, son-
dern gleichermaßen für viele Bereiche der Luft- und
Raumfahrt, der Elektronik, der Datenkommunikation,
der Energie, der Kernenergie, der Kernfusion und der
Bio- und Gentechnologie.

Früher führte das Ministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung auch den Begriff Raumordnung in
seiner Bezeichnung. Damit war deutlich umschrieben,
dass der Bundesminister für Verkehr und Bau eben nicht
nur für diese Bereiche und den Bereich der Stadtent-
wicklung zuständig ist, sondern für die gute Entwick-
lung des ganzen Landes Verantwortung trägt. Früher gab
es heftige Diskussionen, ob man bei Investitionen in die
Infrastruktur mehr dem Bedarfsdeckungsprinzip oder
dem Erschließungsprinzip folgen sollte. Heute kann man
feststellen – ich sage das auch mit Blick auf die neuen
Bundesländer; denn ich komme selbst aus einem ehe-
mals strukturschwachen Gebiet –, dass die Bereitstel-
lung einer guten Infrastruktur die Voraussetzung für eine
gute Entwicklung auch dünner besiedelter Regionen, der
ländlichen Räume und der peripheren Gebiete ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Neben der Verkehrsinfrastruktur gewinnt auch die
Verfügbarkeit hochleistungsfähiger Datenkommunika-
tionsnetze eine immer größere Bedeutung; wir haben
uns vorhin, bei den Beratungen zum Wirtschaftsetat,
darüber ausgetauscht. Ich mache keinen Hehl daraus,
dass die bisherigen Entscheidungen der Bundesnetza-
gentur nach meiner Ansicht dem Ziel einer flächende-
ckenden Versorgung mit einem hochleistungsfähigen
DSL-Netz zuwiderlaufen.

Ich wäre dem Bundesminister sehr dankbar, wenn er
sich in der Bundesregierung, gerade im Interesse der
ländlichen Räume – er hat seine Verantwortung für die
ländlichen Räume besonders hervorgehoben – und der
Randregionen unserer Republik, dafür einsetzen könnte,
dass hier die erforderlichen Entscheidungen herbeige-
führt werden. Wir können einer Abwanderung aus die-
sen Räumen und ihrer Entleerung nur durch die Bereit-
stellung dieser Infrastruktur entgegenwirken. Wenn wir
das nicht hinkriegen, werden gerade die qualifizierten
Menschen gezwungen sein, aus technischen Gründen die
nicht versorgten Gemeinden zu verlassen und in Sied-
lungsschwerpunkte abzuwandern. Das würde die Pro-
bleme, die sich für diese Regionen aufgrund der demo-
grafischen Entwicklung ohnehin ergeben, dramatisch
verschärfen. Dem Ziel folgend, ländliche Regionen zu
stärken, haben wir den Wunsch des Ministers aufgegrif-
fen und ein Programm zur Förderung von kleineren
Städten und Gemeinden – Kollegin Raab hat sich in der
ersten Lesung in besonderer Weise dafür ausgespro-
chen – in die Tat umgesetzt, das wir neu in den Haushalt
aufgenommen haben.

Die Maßnahmen im Bereich der Städtebauförde-
rung und des CO2-Minderungsprogrammes sind in
diesem Haushalt von besonderer Bedeutung. Durch Um-
schichtungen bzw. durch das Vorziehen von Verpflich-
tungsermächtigungen konnten wir sicherstellen, dass das
CO2-Minderungsprogramm der KfW auch in diesem
Jahr mit einem großen Bewilligungsrahmen ausgestattet
ist. Es gibt keinen Zweifel, dass dieses Programm einen
wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele
leistet und auch konjunkturell sehr positive Wirkungen
entfaltet, insbesondere für die Bereiche des Handwerks
sowie des Bau- und Baunebengewerbes.

Lieber Kollege Barthle, wir Haushälter dürfen ande-
rerseits die Vorbelastungen künftiger Haushalte nicht aus
den Augen verlieren.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist es!)


Die Lösung, die wir hier gefunden haben, scheint mir
vertretbar zu sein. Ich danke den Kolleginnen und Kolle-
gen der Koalitionsfraktionen, dass sie in dieser Frage
dem Vorschlag, den Frau Kollegin Dr. Winterstein und
ich der Arbeitsgruppe vorgelegt haben, gefolgt sind. Ich
sage dazu: Hätte uns etwas veranlassen können, diese
Maßnahmen nicht zu ergreifen, dann wären es die unge-
heuer vielen Mails gewesen, die uns zu diesem Thema er-
reicht haben. Mir schreibt jemand – ich nenne den Namen
bewusst nicht, sonst fühlt er sich auch noch geehrt –, dass
mich nach seiner Zählung 19 335 E-Mails zum CO2-
Minderungsprogramm hätten erreichen müssen. Wer
mich und meine Mentalität kennt, der weiß, dass ich bei
solchen Versuchen, Druck auszuüben, eher auf stur
schalte und gar nicht mehr will. Wir haben uns der Sache
verpflichtet gefühlt und Vorschläge unterbreitet. Wir
konnten diese in der Koalition vereinbaren.





Bartholomäus Kalb


(A) (C)



(D)(B)

Zu Ihnen, Herr Kollege Kahrs, will ich eines sagen:
Die VIFG stellt bis jetzt keinen Schattenhaushalt dar.


(Patrick Döring [FDP]: So ist es!)


Was wir tun müssen, haben wir in der Koalition verein-
bart. Entweder müssen wir die VIFG zum Laufen brin-
gen, sodass sie Effizienzreserven heben kann, oder wir
müssen eine andere Entscheidung treffen.

Auch beim kombinierten Verkehr haben wir nicht
mehr und nicht weniger getan, als die Mittel so umzu-
schichten, dass sie in anderen Bereichen verfügbar sind,
weil gerade das Jahr 2009 gezeigt hat, dass die Mittel
aus diesen Bereichen nicht abgeflossen sind.


(Sören Bartol [SPD]: Aber warum denn?)


– Weil es die konjunkturelle Situation nicht hergegeben
hat, dass die privaten Investoren die Mittel hätten abru-
fen können. Das ist der Sachverhalt. Wenn sich die
Dinge im nächsten Jahr bei den Haushaltsberatungen
wieder anders darstellen, dann werden wir alles daran-
setzen, dass die erforderlichen Mittel für den kombinier-
ten Verkehr wieder bereitgestellt werden können.


(Patrick Döring [FDP]: So ist es!)


Ich danke Ihnen sehr.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702912500

Das Wort hat der Kollege Roland Claus von der Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702912600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden

über den Etat mit dem größten Einfluss auf Investitionen
und Infrastruktur, und ich füge hinzu: nicht nur auf der
Ebene des Bundes. Es gibt keinen einzigen Bundestags-
wahlkreis, der nicht in der einen oder anderen Weise mit
diesem Etat verbunden wäre. Das war der Grund, warum
die Fraktion Die Linke diesem Etat gerne zugestimmt
hätte. Wir haben viele Vorschläge gemacht, aber wir sind
daran gescheitert, dass Sie in der Koalition die falschen
Signale setzen. Deshalb werden Sie heute unsere Zu-
stimmung nicht bekommen.

Die Linke steht für eine Verkehrs-, Bau- und Stadtent-
wicklungspolitik, die stets von sozialer Verantwortung
und demokratischer Teilhabe aller an den Gütern der öf-
fentlichen Daseinsvorsorge ausgeht. Kurz gesagt: Was
alle brauchen, muss öffentlich zugänglich sein. Mobilität
und urbanes Leben müssen bezahlbar sein. Einem sol-
chen Maßstab entspricht der uns vorliegende Plan jedoch
nicht.

Ich will das an wenigen Beispielen kenntlich machen.
Herr Bundesminister Ramsauer, Sie werden nicht müde,
der Öffentlichkeit zu erklären, dass Sie das Verkehrs-
wachstum bewältigen wollen. In Ihrem ganzen Denken
– wir haben das den Beiträgen der Koalition entnommen –
gehen Sie offenbar davon aus, dass ein solches Wachs-
tum ungebrochen hingenommen und irgendwie bewäl-
tigt werden soll. Verkehrsvermeidung wäre die Lösung.
Verkehrswachstum ist das Problem. Lassen Sie sich das
gesagt sein.


(Beifall bei der LINKEN)


Es ist völlig undenkbar, sich die Zukunft des interna-
tionalen Welthandels weiterhin als eine Expansion des
Güterverkehrs vorzustellen. Wir brauchen neue interna-
tionale Regeln des Welthandels, in denen festgelegt
wird, wie wir vom Güterhandel weg hin zu einem Han-
del mit Know-how und Brain kommen können und wie
wir die Bedingungen dafür schaffen.

Stichwort Deutsche Bahn. Trotz einiger lautstarker
und launiger Bekundungen gegen schnelle Privatisierun-
gen haben Sie nicht die Courage aufgebracht, den Mehr-
heitsbeschluss des Bundestages aus dem Jahre 2008, der
der Regierung die Möglichkeit eröffnet, die Bahn teilzu-
privatisieren, aufzuheben. Mit einem Antrag im Aus-
schuss haben wir von der Linken Ihnen einen solchen
Weg geebnet. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, diesen
Weg zu gehen. Es hilft uns nichts, Herr Minister, wenn Sie
sich in Ihrer schönen Heimat gegen den – so wörtlich –
Privatisierungswahn aussprechen, aber keine prakti-
schen Schritte erfolgen. Es wäre an der Zeit, die Lehren
aus einer verfehlten Bundes- und Bahnpolitik zu ziehen
und zu sagen: Die Bahn soll in staatlicher Hand bleiben.
Das ist zumindest unsere Position.


(Beifall bei der LINKEN)


Währenddessen hätschelt die Bahn ihre Prestigepro-
jekte mithilfe des Bundes weiter, und zwar zulasten flä-
chendeckender Bahnverbindungen. Ich will gar nicht
über die Berliner S-Bahn reden, aber schon sagen, dass
wir eine Reihe von Lehren daraus zu ziehen haben. Zu-
gleich ist es inzwischen so, dass viele ostdeutsche Groß-
städte vom Schnellverkehr, vom Intercityverkehr fak-
tisch abgeschnitten sind.

Ich will Ihnen noch ein Beispiel aus dem Bereich
Bahn nennen: Es gibt eine Vielzahl kleinerer Bahnsiche-
rungsunternehmen. Das sind Firmen, die auf Baustel-
len der Bahn die Sicherungen vornehmen. Wenn wir
Bahn fahren, sehen wir das alles. Inzwischen ist die Situ-
ation so, dass es im Großraum München solche Siche-
rungsfirmen faktisch nicht mehr gibt, diese aber aus Re-
gionen wie Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern oder
aus Brandenburg bis München fahren, um dort für ein
Drittel des in München üblichen Lohnes diese Aufgabe
zu erfüllen. Ich nenne das volkswirtschaftlich und be-
triebswirtschaftlich absurd. Das ist das Ergebnis Ihrer
Politik. Das müssen Sie sich hier von uns so sagen las-
sen.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir finden es auch nicht in Ordnung, dass Sie die
Flüsse im Osten offenbar auf Westniveau betonieren
wollen. Nach einer Reihe von Naturereignissen muss
man auch einmal die Frage stellen: Haben Sie denn gar
nichts dazugelernt? Nun weiß ich natürlich, dass man
mir da immer Vorwürfe machen kann, aber ich will den-
noch sagen: In der DDR haben wir einige ökologische
Sünden nicht begangen, weil wir ökonomisch nicht dazu





Roland Claus


(A) (C)



(D)(B)

in der Lage waren. Das muss faktisch aber nicht bedeu-
ten, dass man jetzt, wo man ökonomisch dazu in der
Lage ist, ökologischen Unsinn betreibt und die Flüsse in
einer Weise zu betonieren versucht, wie das derzeit ge-
schieht.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Sagen Sie bloß, die DDR war ein ökologisches Musterland!)


Ich sage deshalb: Der Saale-Ausbau für zig Millionen
Euro ist Unsinn. Es gäbe Alternativen. Sie liegen auf
dem Tisch und werden angeboten. Die Schubbootver-
bände wären eine solche Option. Sie sind nicht in der
Lage, auf diese Dinge einzugehen. Deshalb muss man
Ihnen immer wieder die alte Erkenntnis ins Stammbuch
schreiben: Es ist richtig, die Schiffe den Flüssen anzu-
passen und nicht die Flüsse den Schiffen.


(Beifall bei der LINKEN)


Das würde aber bedeuten, in der Tat einmal etwas vom
Osten zu lernen.

Ich habe mich gefreut, dass mein Vorredner das
Maut-Schiedsverfahren angesprochen hat. Ich merke
eine gewisse Hoffnung, dass große deutsche Firmen, die
dem Steuerzahler ganz offenkundig noch eine Menge
Geld schulden, demnächst vielleicht doch noch zur
Kasse gebeten werden. Mein Vorschlag ist immer: So-
lange dieses Schiedsverfahren noch läuft, dürfen wir
nicht die gleichen Firmen subventionieren, was wir über
den Bundeshaushalt aber tun. Ich verspreche Ihnen:
Wenn wir dieses Verfahren anwenden würden, wäre das
Schiedsverfahren sehr viel schneller zu Ende.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Linke wird den Finanzplan des Bundesministers
besonders sorgfältig im Auge behalten. Es geht um einen
großen Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge. Be-
reits in wenigen Monaten reden wir über den Haushalt
von 2011. Das ist eine Chance für die Koalition und das
Ministerium, ihre heutigen Fehler zu korrigieren. Ich
sage das nicht leichtfertig daher. Ich bin voller Hoffnung,
weil ich das Verfahren kenne. Hier im Plenarsaal lehnen
Sie Anträge der Opposition ab, um sie im Gesetzgebungs-
verfahren wieder aufzugreifen. Deshalb hoffe ich, dass
wir bei der Beratung für den Haushaltsplan 2011 ein
Stück weiter sind.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702912700

Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Claudia Winter-

stein von der FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Rede ID: ID1702912800

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Zunächst einmal können wir positiv festhalten:
Im Einzelplan 12 ist der Koalition eine gute Kombina-
tion aus wichtigen Wachstumsimpulsen und nötigen
Sparmaßnahmen gelungen.
Wir haben es geschafft, die Investitionen in die Ver-
kehrswege auf einem hohen Niveau zu halten. Fast
15 Milliarden Euro können wir 2010 ebenso in den Aus-
und Neubau unserer Schienen, Straßen und Wasserwege
investieren wie in die Entwicklung unserer Städte und in
Zukunftstechnologien. Wir schaffen damit wichtige Im-
pulse zur Überwindung der Wirtschaftskrise und stärken
Mobilität und Wachstum in Deutschland. Auf der ande-
ren Seite konnten wir durch maßvolles Einsparen ein
erstes Zeichen für die notwendigen Konsolidierungs-
maßnahmen der nächsten Jahre setzen; denn die Schul-
denbremse fordert eine deutliche Rückführung der Neu-
verschuldung bis zum Jahr 2016. Das wissen wir alle.
Deswegen brauchen wir Impulse für mehr Wachstum.
Wir leisten einen wichtigen Impuls zur Stützung des
Aufschwungs, indem wir in diesem Jahr 400 Millionen
Euro mehr für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm
zur Verfügung stellen. Damit stehen für 2010 insgesamt
1,5 Milliarden Euro für die Förderung der energetischen
Sanierung zur Verfügung. Wir leisten damit einen wich-
tigen Beitrag für Energieeinsparung und Klimaschutz im
Gebäudebereich.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Herr Kahrs – es wäre nett, wenn Sie mir ganz kurz zu-
hören würden –, ich verstehe ja, dass Sie sich noch nicht
so gut auskennen, weil Sie im Verkehrsbereich neu sind.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD)


Ansonsten müsste Ihnen, wenn Sie kritisieren, dass wir
für dieses Jahr eine Summe aus dem Haushalt 2011 vor-
gezogen haben, klar sein, dass Ihre Fraktion genau das
im Jahr zuvor in der alten Legislaturperiode gemacht
hat. Sonst hätten wir in diesem Jahr sowieso 1,5 Milliar-
den Euro gehabt. Genau aus diesem Grund sind wir in
diesem Jahr gezwungen, aus dem Jahr 2011 etwas in das
Jahr 2010 vorzuziehen. Daher haben wir in diesem Jahr
überhaupt 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Im nächs-
ten Jahr werden es etwa 900 Millionen Euro sein. Wir
werden dann sehen, wie viele Anträge vorliegen und in-
wieweit es notwendig sein wird, im nächsten Jahr noch
einmal zu handeln. Es war dieses Jahr wichtig, um den
Wachstumsschub zu nutzen, um möglich zu machen,
dass hier Investitionen getätigt werden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702912900

Frau Kollegin Winterstein, erlauben Sie eine Zwi-

schenfrage des Kollegen Kahrs?


Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Rede ID: ID1702913000

Ja, bitte.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702913100

Bitte, Herr Kahrs.


Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1702913200

Frau Kollegin, Sie haben am Anfang gesagt, dass Sie

400 Millionen Euro draufgetan haben.






(A) (C)



(D)(B)


Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Rede ID: ID1702913300

Vorgezogen.


(Ute Kumpf [SPD]: Was haben Sie? Rauf, runter, vor?)



Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1702913400

So eng wollen wir das alles nicht sehen; Ihre Formu-

lierung war eine andere. Wichtig ist die Feststellung: Im
letzten Jahr hatten wir 1,5 Milliarden Euro und sind auf
über 2 Milliarden Euro gekommen, weil der Bedarf so
war. Dass der Bedarf weiter ansteigt, wissen Sie und
weiß ich; das ist bekannt.


Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Rede ID: ID1702913500

Das weiß keiner.


Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1702913600

So sind jedenfalls die Prognosen. Das heißt, dass wir

für dieses Jahr mit einem Bedarf von über 2 Milliarden
Euro rechnen können. Jetzt sind Sie mit Ihren 400 Mil-
lionen Euro, die Sie aus 2011 genommen haben, wieder
knapp an 1,5 Milliarden Euro gekommen. Wie Sie auf
die 2,1 oder 2,2 Milliarden Euro, die gebraucht werden,
auffüllen, wissen Sie bis heute nicht. Das heißt, spätes-
tens ab September oder Oktober ist sowieso Schluss. Im
nächsten Jahr – das haben Sie eben selber gesagt – haben
Sie noch maximal 900 Millionen Euro. Wie Sie das bei
knapper werdendem Geld bewältigen wollen, wissen Sie
nicht. So sieht Perspektivlosigkeit aus und nicht die Ab-
sicherung eines gut laufenden Programms. Das ist die
Tragik, oder sehen Sie das anders?


(Beifall bei der SPD)



Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Rede ID: ID1702913700

Selbstverständlich sehe ich das anders. Ich habe vor-

hin gesagt, dass wir in diesem Jahr 1,5 Milliarden Euro
zur Verfügung stellen und dass wir diese Mittel aus dem
Jahr 2011 in das Jahr 2010 vorziehen.


(Gustav Herzog [SPD]: Und was machen Sie 2011?)


Wir wissen, dass zurzeit viele Anträge vorliegen. Darauf
reagieren wir. Wir wissen nicht, wie sich das in Zukunft
entwickeln wird. Wir warten erst einmal ab.


(Gustav Herzog [SPD]: Sie machen die Augen zu!)


Mit den 1,5 Milliarden Euro in diesem Jahr sind wir in
der Lage, alle Anträge, die uns vorliegen, zu erfüllen


(Beifall des Abg. Patrick Döring [FDP])


und die Menschen dazu zu bringen, dass sie in diesem
Jahr Investitionen tätigen. Wie viele Anträge dazukom-
men werden, wissen weder Sie noch weiß ich das. Das
wird sich im Laufe dieses Jahres oder zu Beginn des
nächsten Jahres zeigen. Wichtig ist, dass wir für das Jahr
2011 noch knapp 900 Millionen Euro zur Verfügung ha-
ben. Ich denke, das ist eine gute Summe, mit der man im
Jahr 2011 erst einmal arbeiten kann.

(Gustav Herzog [SPD]: Das reicht hinten und vorne nicht!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702913800

Kollege Kahrs hat noch eine Nachfrage; aber danach

sollte er bitte keine mehr stellen.


(Zuruf von der LINKEN: Dann melde ich mich! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


– Dann lasse ich keine Zwischenfragen mehr zu. – Bitte
schön, Herr Kahrs.


Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1702913900

Sie haben eben dankenswerterweise gesagt, dass Sie

vorhaben, alle Anträge zu erfüllen, die in diesem Jahr
gestellt werden. Das begrüße ich natürlich, weil es ein
gutes rot-grünes Programm ist. Wenn Sie das fortführen
wollen, ist das schön. Wir hatten im letzten Jahr Anträge
mit einem Volumen von circa 2,1 Milliarden Euro. Alle
Anzeichen deuten darauf hin, dass wir in diesem Jahr
wieder über 2 Milliarden Euro benötigen werden. Eben
haben Sie gesagt, dass Sie maximal 1,5 Milliarden Euro
für das Programm zur Verfügung haben. Wo wollen Sie
die 600 oder 700 Millionen Euro hernehmen, für die Sie
keine Vorsorge getroffen haben?


Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Rede ID: ID1702914000

Wir haben im Moment noch nicht mehr Anträge vor-

liegen. Wir haben Anträge für genau diese Summe vorlie-
gen. Sie haben vorhin den kombinierten Verkehr ange-
sprochen und gesagt, wir hätten da gekürzt, das sei eine
ganz große Unverschämtheit.


(Johannes Kahrs [SPD]: So ist das!)


Wenn Sie dieses Beispiel nennen, kann ich nur eines
dazu sagen: Im letzten Jahr sind lediglich 35 Millio-
nen Euro abgerufen worden,


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Da war doch Wirtschaftskrise, und zwar voll!)


obwohl mehr Geld zur Verfügung stand.


(Johannes Kahrs [SPD]: Ein Wachstumsprogramm! – Uwe Beckmeyer [SPD]: Was ist das eigentlich für eine Rechnung?)


In diesem Jahr stehen 54 Millionen Euro zur Verfügung,
also weitaus mehr als im letzten Jahr. Insofern sage ich:
Warten wir auch hier erst einmal ab. Vielleicht werden
auch in diesem Jahr nur 35 Millionen Euro abgerufen,
obwohl wir 54 Millionen Euro zur Verfügung gestellt
haben.


(Johannes Kahrs [SPD]: Abwarten ist doch keine Politik! – Florian Pronold [SPD]: Wir könnten noch 40 Jahre warten, ob das Klima schlechter wird!)


Wir müssen abwarten, welche Entwicklung sich zeigt.
Das können wir nicht von vornherein festlegen.


(Abg. Johannes Kahrs [SPD] nimmt wieder Platz)






Dr. Claudia Winterstein


(A) (C)



(D)(B)

– Da Sie sich hingesetzt haben, muss ich jetzt mit meiner
Rede weitermachen.


(Florian Pronold [SPD]: Es wird auch nicht besser, wenn Sie weitermachen!)


Ich möchte die Wichtigkeit des Gebäudesanierungs-
programms deutlich machen. Da Sie gesagt haben, es
sei ein rot-grünes Projekt, stelle ich fest: Wir führen es
weiter, weil wir es für sinnvoll halten.


(Johannes Kahrs [SPD]: Dann müssen Sie es auch finanzieren!)


Bisher sind durch das Programm etwa 550 000 Wohnun-
gen saniert bzw. energieeffizient gebaut worden – das
finden wir gut –, es wurden Investitionen in Höhe von
20 Milliarden Euro auf den Weg gebracht, und es wur-
den 250 000 Arbeitsplätze geschaffen. Es ist ein wunder-
bares Programm. Insofern freuen wir uns, dass wir dafür
1,5 Milliarden Euro zur Verfügung haben.

Weil Sie es so dargestellt haben, als hätten wir nur ge-
kürzt, will ich deutlich machen: Auch in anderen Berei-
chen haben wir etwas getan. Bei der Stadtentwicklung
zum Beispiel haben wir 20 Millionen Euro zusätzlich
zur Verfügung gestellt.


(Martin Burkert [SPD]: Aus dem falschen Topf!)


Auch für den ländlichen Bereich haben wir 20 Mil-
lionen Euro zur Verfügung gestellt. Gegen die geplante
Halbierung der Zuschüsse im Hinblick auf den Finanz-
beitrag an die Seeschifffahrt haben wir uns gewehrt.


(Florian Pronold [SPD]: Wer wollte da denn kürzen? Gegen wen haben Sie sich gewehrt?)


Wir haben diese Kürzung nicht mitgetragen und auch
diese 57 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Es ist also nicht so, dass wir eine Kürzung nach der
anderen vollziehen. Vielmehr haben wir genau das ge-
tan, was ich zu Beginn dargelegt habe: Wir haben dafür
Sorge getragen, dass Wachstumsimpulse gegeben wer-
den. Dort, wo es sich angeboten hat, haben wir Kürzun-
gen vorgenommen.


(Johannes Kahrs [SPD]: Aber beim kombinierten Verkehr haben Sie gekürzt!)


– Beim kombinierten Verkehr stehen jetzt statt 35 Mil-
lionen Euro 54 Millionen Euro zur Verfügung, um das
einmal deutlich zu sagen.


(Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Statt ursprünglich 130!)


– Es waren im Soll 110 Millionen Euro. Ich kenne die
Zahlen; denn ich bin Haushälterin.


(Johannes Kahrs [SPD]: Das ist aber falsch! – Florian Pronold [SPD]: Wenn man Ist und Soll verwechselt, ist das schon peinlich!)


Insofern ist festzustellen, dass wir in diesem Jahr mehr
Geld zur Verfügung haben, als im letzten Jahr verbraucht
worden ist. Das ist eine Tatsache.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Aber den Unterschied zwischen Ist und Soll sollte man kennen!)


Jetzt würde ich gerne fortfahren, statt immer auf Ihre
Zwischenrufe zu reagieren.


(Florian Pronold [SPD]: Das müssen Sie auch nicht! Ihre Rede wird dadurch auch nicht besser! – Weiterer Zuruf von der SPD: Das ist doch Ihre Entscheidung!)


Ich will auf das Programm „Aktive Stadt- und Ortsteil-
zentren“ zu sprechen kommen. Ich habe bereits gesagt:
Hier haben wir die Mittel um 20 Millionen Euro aufge-
stockt; insgesamt stehen jetzt 95 Millionen Euro zur Ver-
fügung. Diese Mittel können von den Städten und Ge-
meinden genutzt werden. Ich denke, das ist sinnvoll.

Ich möchte auf ein weiteres Thema zu sprechen kom-
men. In den Haushaltsplanberatungen gab es auch Dis-
kussionen über die Zukunft der Magnetschwebetechnik
und die Weiterführung der Transrapidversuchsstrecke
im Emsland. Wir bedauern sehr, dass es trotz so vieler
Jahre der Forschung und Entwicklung nicht zu einem
Einsatz des Transrapids in Deutschland gekommen ist.
Wir haben die Finanzierung der Teststrecke noch einmal,
und zwar bis zum Jahresende, verlängert, um die Chancen
einer Vermarktung zu wahren, da es gewisse Interessen-
ten gibt. Brasilien zum Beispiel arbeitet zurzeit an einer
Ausschreibung. Diese Chance wollen wir wahrnehmen.
Denn im Erfolgsfall würde das bedeuten, dass wir eine
einmalige Einnahme in Höhe von 100 Millionen Euro er-
halten. Das würde dem Bundeshaushalt natürlich sehr
guttun.

In dieser Beziehung kann ich nur eines sagen: Herr
Minister Ramsauer, ich setze alle meine Hoffnungen auf
Sie, dass die Verhandlungen mit Brasilien ein Erfolg
werden, sodass wir dann sagen können: Es hat sich ge-
lohnt, die Finanzierung der Teststrecke noch einmal um
ein Jahr zu verlängern. Allerdings müssen wir uns auch
überlegen: Was wird aus dieser Teststrecke? Ich erwarte,
dass Sie uns ein klares Konzept vorlegen, was mit dieser
Versuchsstrecke geschehen soll.


(Florian Pronold [SPD]: Das können Sie mit dem Raumfahrtprogramm kombinieren und auf den Mond schießen!)


Es gibt sicher auch andere Gebiete, zum Beispiel den
Bereich der Elektromobilität, wo es sich lohnt, die For-
schung fortzusetzen. Ich setze auf Sie, dass Sie entspre-
chende Konzepte entwickeln.

Wir Haushaltspolitiker haben uns das Ziel gesetzt, die
Neuverschuldung zurückzuführen. Insofern müssen wir
natürlich auch überlegen, wo es Einsparmöglichkeiten
gibt. Wir haben im Koalitionsvertrag verankert, dass die
Verkehrsinvestitionen unabhängiger von den Schwan-
kungen des Bundeshaushaltes getätigt werden sollen;
das gilt sowohl für die Straße als auch für die Schiene.

Zum Thema Straße. Wir wollen – das haben Sie rich-
tig gesagt – erreichen, dass die Einnahmen aus der Lkw-
Maut vollständig in die Straße investiert werden.





Dr. Claudia Winterstein


(A) (C)



(D)(B)


(Johannes Kahrs [SPD]: Wie wollen Sie dann die Schiene finanzieren?)


Zudem soll die Verkehrsinfrastrukturgesellschaft kre-
ditfähig werden,


(Florian Pronold [SPD]: Schattenhaushalt!)


damit sie bei der Ausfinanzierung von Autobahnprojek-
ten mehr Spielraum erhält.


(Florian Pronold [SPD]: Und wie geht es weiter bei der Bahn?)


Ein Wort noch zur Bahn. Es ist eine Tatsache, dass
für den Ausbau wichtiger Strecken nicht genügend Mit-
tel im Haushalt vorhanden sind.


(Florian Pronold [SPD]: Dann streichen wir noch welche?)


Wir reden über eine Summe von etwa 500 Millionen
Euro. Es ist auch eine Tatsache, dass diese Unterfinan-
zierung eine Erblast aus elf Jahren SPD-Führung im Ver-
kehrsministerium ist.


(Johannes Kahrs [SPD]: Und deswegen streichen Sie jetzt noch weiter?)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702914100

Frau Kollegin Winterstein, bedenken Sie die Zeit!


Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Rede ID: ID1702914200

Ja. – Exminister Tiefensee hat internationale Zusagen

gegeben, ohne die Ausfinanzierung zu überdenken.


(Johannes Kahrs [SPD]: Tiefensee war ein guter Mann!)


Die neue Regierung muss jetzt mit dieser Situation zu-
rechtkommen. Forderungen nach mehr Steuergeldern
verbieten sich. Insofern gehen wir davon aus, dass die
DB Netz AG, die für die Nutzung ihrer Trassen von an-
deren Unternehmen Gebühren erhebt und diese Gelder
bisher an den Mutterkonzern abgeführt hat – –


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702914300

Frau Winterstein, bitte!


Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Rede ID: ID1702914400

Ja, ich komme gleich zum Schluss.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702914500

Nein, nicht gleich – sofort bitte!


(Beifall des Abg. Florian Pronold [SPD] – Johannes Kahrs [SPD]: Dem können wir nur zustimmen!)


Sie sind beinahe zwei Minuten drüber.


Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Rede ID: ID1702914600

Ich weiß.


(Heiterkeit – Florian Pronold [SPD]: Sparen Sie, Frau Winterstein! Redezeit sparen!)

Ich hätte ganz gern eine weitere Minute gesprochen;
aber der Präsident ist sehr streng.


(Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man muss eher sagen: Er ist großzügig gewesen!)


Vielleicht hätte mir Herr Döring sonst noch die eine oder
andere Minute geschenkt, wie es sonst Usus ist. Ich wün-
sche uns allen, dass wir hier zu guten Lösungen kom-
men. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich daran kon-
struktiv beteiligen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702914700

Das Wort hat der Kollege Stephan Kühn von Bünd-

nis 90/Die Grünen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702914800

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Eine Bemerkung vorab: Wer sich das An-
tragsvolumen beim CO2-Gebäudesanierungsprogramm
im ersten Quartal anschaut und rechnen kann, weiß ge-
nau, dass wir mit den Mitteln, die im Haushalt einge-
stellt sind, bis zum viertel Quartal nicht hinkommen
werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Herr Minister Ramsauer, ich habe am Wochenende in
der taz ein interessantes Interview gelesen. Sie wurden
zitiert mit den Worten:

Auch die Grünen werden mich nicht davon abhal-
ten, die Attraktivität der Schiene zu erhöhen.

Ich glaube, ich bin im falschen Film. Sie stehen sich
doch selber im Weg, haben kein Konzept, es bleibt bei
Ankündigungen.

Damit kommen wir zu dem Thema, um das es gerade
schon ging: kombinierter Verkehr. Im Ausschuss ha-
ben Sie gesagt, Sie seien überzeugter Verfechter des
kombinierten Verkehrs. Keine zwei Stunden hat es ge-
dauert, da wurden – der Kollege Kahrs hat es angespro-
chen – über 50 Prozent der Mittel zusammengestrichen.
Jetzt wird argumentiert, die Gelder seien 2009 nicht ab-
gerufen worden. Warum das 2009 so war, kann sich an-
gesichts der konjunkturellen Situation jeder denken.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das habe ich doch vorhin erklärt!)


Aber ausgerechnet jetzt, wo wir eine konjunkturelle Er-
holung haben, wo es ein Potenzial für neue Arbeitsplätze
und neue Investitionen gibt, den Ausbau des kombinier-
ten Verkehrs auszubremsen, das ist verkehrspolitisch
und wirtschaftspolitisch der falsche Weg.





Stephan Kühn


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Patrick Döring [FDP]: Das ist doch gar nicht umsetzbar!)


Stattdessen stecken Sie Geld in den Weiterbetrieb des
Transrapids – in der naiven Annahme, dieses Jahr wür-
den die Brasilianer kaufen. Ich denke, es wird eher so
sein, dass den Zug die Chinesen bauen und sie ihn den
Brasilianern verkaufen.

Dazu experimentieren Sie mit den sogenannten Long-
linern herum. Herr Minister, sieht so Ihre Strategie aus,
mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verla-
gern? Ich glaube, Sie sind uns die Antwort schuldig ge-
blieben.

Wir brauchen mehr Investitionen in den kombinierten
Verkehr, auf dem Niveau, wie es im Haushaltsentwurf
ursprünglich stand. Wir brauchen mehr Geld für die Re-
aktivierung von Gleisanschlüssen für den Güterverkehr,
mehr Investitionen in die Schiene insgesamt, insbeson-
dere für nichtbundeseigene Bahnen. Im Moment ist es
so, dass notwendige Investitionen in Schienenwege ent-
weder verschoben zu werden drohen oder ihre Realisie-
rung ganz offen ist.

Wir Grünen haben zum Abarbeitungsstand der Kon-
junkturprogramme eine Kleine Anfrage gestellt. In der
Antwort ist noch einmal deutlich geworden, dass die
Gelder, wenn sie nicht verfallen sollen, bis Ende 2010
abgerufen sein müssen. Schaut man sich die Liste der
Projekte an, muss man feststellen: Die Straßenprojekte
sind alle schön im Bau, während von den Schienenpro-
jekten viele noch in Planung sind, noch kein Baurecht
haben. Ich möchte eine Strecke nennen, die für den Gü-
terverkehr wichtig ist: die Verbindung Horka–Hoyers-
werda–Polen. Wichtige Investitionen im Güterverkehr
stehen also auf der Kippe. Ein anderes Beispiel ist die
Elektrifizierung der Stecke von Reichenbach nach Hof.

Wir haben eine Liste der Deutschen Bahn, die Sie alle
in der Zeitung sicherlich schon nachvollziehen konnten,
in der 47 Projekte benannt sind, die bei Fortschreibung
des derzeitigen Ausbau- und Neubauetats von 1,2 Milliar-
den Euro – ohne die Konjunkturpaketmittel – bis 2025
nicht realisiert werden können, wenn wir nicht 500 bis
600 Millionen Euro pro Jahr mehr investieren. 2025:
Das sind zehn Jahre, nachdem das gemäß dem Bundesver-
kehrswegeplan eigentlich hätte realisiert werden sollen.
Herr Minister, Sie sind uns in den Haushaltsberatungen
bisher völlig schuldig geblieben, wo diese 600 Millionen
Euro, die mehr gebraucht werden, nach Ablauf der Kon-
junkturpakete herkommen sollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Während die Straßenbauinvestitionen sozusagen in
trockenen Tüchern sind, bestens ausgestattet sind, ist das
bei der Schiene nicht der Fall. Hier ist Deutschland euro-
paweit Schlusslicht. Wir geben 47 Euro pro Kopf für die
Schiene aus. In Italien sind es 60 Euro, in Frankreich
sind es 80 Euro, in Großbritannien, das lange Zeit kein
Eisenbahnland gewesen ist, sind es 136 Euro, und in der
Schweiz – sicherlich das Vorbild – sind es 284 Euro pro
Einwohner. Deutschland ist europaweit Schlusslicht.
Angesichts dessen, dass 32 Prozent der CO2-Emissio-
nen in Europa im Transportbereich verursacht werden
– mit wachsender Tendenz –, frage ich mich, wie Sie die
Klimaschutzziele, die die Bundesregierung insbesondere
für den Bereich Verkehr ausgeschrieben hat, erfüllen
wollen, wenn Sie nicht mehr in die Schiene investieren
und die Mittel entsprechend effektiv einsetzen. Kein
Konzept!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Notwendig wäre, dass wir auf Prestigeprojekte ver-
zichten, dass wir Höchstbetragsvereinbarungen für Pro-
jekte abschließen und dass wir vor allen Dingen einen
integrierten Planungsansatz wählen, ein Gesamtkonzept
für Fahrplan und Infrastruktur, das, was wir Deutsch-
landtakt nennen. Wir müssen nahtlose Reiseketten,
Zughäufigkeiten und Qualität definieren und dann
bauen. Jetzt wird erst gebaut, und danach werden Linien
und Fahrpläne festgelegt. Dann wundern wir uns auch
noch, dass es mit den Anschlüssen und den Zielsetzun-
gen in Bezug auf die Qualität hinten und vorne nicht
funktioniert!

Herr Minister, bei Ihnen hat die Straße weiterhin Prio-
rität. Sie haben gesagt: Wir bauen keine Straßen mehr,
wenn das volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Verhält-
nis nicht mindestens vier beträgt. Das haben Sie gegenü-
ber der Financial Times Deutschland geäußert. Bei
40 Prozent aller Maßnahmen gemäß dem Bundesver-
kehrswegeplan erreichen Sie diese Zielstellung nicht.
Wir bauen weiterhin Autobahnanbindungen in Regio-
nen, in denen sich die Einwohnerzahl in den nächsten
30 Jahren halbieren wird, und wir bauen Bundesstraßen
in Regionen, wo sich sozusagen heute schon Hase und
Igel Gute Nacht sagen. Das ist die Realität


(Ute Kumpf [SPD]: Aber im Osten, Kollege!)


in vielen Teilen, beispielsweise im Osten der Republik.

In Bezug auf die Verkehrsinfrastrukturfinanzie-
rungsgesellschaft ist schon einiges gesagt worden. Un-
abhängig davon, dass Sie aus haushalterischer Sicht
Schattenhaushalte produzieren: Sie sichern damit die In-
vestitionslinie für die Straße, und die Schiene und alle
anderen Verkehrsträger werden je nach Haushaltslage
bedient. Angesichts dessen, was wir im Bereich der
Schuldenbremse tun müssen, wird das kein Vergnügen
werden.

Ein anderes Thema ist ÖPP. Alle Präsidenten der
Landesrechnungshöfe sagen: Hier werden die Finanzie-
rungslasten in die Zukunft verschoben. Wenn die Inves-
titionslast in Bezug auf die Instandhaltung nach 30 Jah-
ren besonders groß ist, laufen diese ÖPP-Verträge aus.
Dann ist es wieder die Aufgabe der öffentlichen Hand,
für die Instandhaltung zu sorgen.

Herr Minister, Sie haben zwar eine Unterabteilung
Klima- und Umweltschutzpolitik im Ministerium einbe-
rufen, aber leider haben Sie vergessen, ein Konzept für
mehr Klimaschutz im Verkehrsbereich aufzulegen. Sie
bleiben weiterhin ein Ankündigungsminister, wenn es
darum geht, mehr in die Schiene zu investieren.





Stephan Kühn


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702914900

Herr Kollege Kühn, ich gratuliere Ihnen im Namen

des ganzen Hauses zu Ihrer ersten Rede im Deutschen
Bundestag.


(Beifall)


Jetzt hat der Bundesminister Dr. Peter Ramsauer das
Wort.

Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich leide aufgrund der kurzen Redezeit unter
demselben Zeitmangel, unter dem alle Bundesminister
während der Etatberatung leiden. Ich weise darauf hin
– vielen Dank für das Nicken, lieber Herr Kahrs –, damit
hinterher nicht die Vorhaltungen kommen: Dazu haben
Sie nichts gesagt, zu diesem haben Sie nichts gesagt und
zu jenem auch nichts. Wir als Minister können nicht
mehr tun, als diese neun, zehn oder elf Minuten so gut es
geht zu nutzen.

Lieber Herr Kollege Kahrs, Ihnen kann man im
Grunde genommen ganz gut zuhören. Wenn man mit Ih-
nen unter vier Augen spricht, sind viele Dinge wirklich
klar, und man freut sich. Wenn Sie dann aber hier reden,
sieht die Welt ganz anders aus.


(Lachen bei der SPD – Johannes Kahrs [SPD]: Aber genauso klar! – Gustav Herzog [SPD]: Reden Sie von sich?)


Dann sind Sie wie ausgetauscht. Ihre eben gehaltene
Rede kam mir vor, als würden Sie ein Grußwort bei
Verdi in Cuxhaven halten.


(Johannes Kahrs [SPD]: Ich?)


– Ja. Genau so kam mir das eben vor.

Ich danke Ihnen auch dafür, dass Sie die deutsche
Wissensgesellschaft heute Nachmittag mit einem gran-
diosen Satz bereichert haben, der da lautete: Der jetzt
vorliegende Haushalt ist ein anderer als derjenige, der
bei der ersten Lesung vorlag. Das ist ein großartiger
Satz. Ich kann nur sagen: Klar ist das ein anderer. Gott
sei Dank ist das ein anderer. In der ersten Lesung hatten
wir nämlich aus Zeitgründen in etwa den Entwurf vorge-
legt, den wir von der Vorgängerregierung, der Großen
Koalition, übernommen hatten,


(Johannes Kahrs [SPD]: Der war gut!)


und zwar von einem SPD-Finanzminister, im Falle des
Einzelplans 12 von einem SPD-Bundesverkehrs- und
-bauminister. Wir waren es uns als christlich-liberale
Koalition aber schuldig,


(Johannes Kahrs [SPD]: Schlechter zu werden!)


diesen Entwurf zum Besseren zu verändern. Genau das
haben wir auch getan.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Johannes Kahrs [SPD]: Und dann kürzen Sie beim kombinierten Verkehr!)


Lieber Herr Kollege Kühn, dass Sie mir vorhalten, ich
würde mich dem Thema Bahn zu wenig zuwenden, ist
kurios. Wie ist es denn dann zu verstehen, dass Ihre Kol-
legin Künast mir vor wenigen Monaten vorgehalten hat,
ich würde mich über die Möglichkeiten und Perspekti-
ven der Eisenbahnen in Deutschland besoffen reden?
Lieber Herr Kühn, das passt beides nicht zusammen.
Von Ihnen lasse ich mir eine solche Vorhaltung gewiss
nicht gefallen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei der SPD und der LINKEN)


Sie haben Stuttgart 21 angesprochen und gesagt,
dass wir uns bei solch großen Projekten auf einen festen
Zuschuss beschränken sollten. Genau das haben wir bei
Stuttgart 21 aber praktiziert. Dass Sie auch einmal dar-
auf kommen, finde ich großartig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Was Ihre Vorhaltungen anbelangt, wir würden – ich
formuliere es mit meinen Worten – Bundesfernstraßen
ins Nirwana bauen: Lieber Herr Kühn, Autobahnen und
Bundesfernstraßen haben nicht nur die Funktion, Metro-
polen und Städte miteinander zu verbinden, sondern
ganz klar auch die Funktion der Erschließung. Diese
Erschließungsfunktion gilt für jene Räume, bei denen
Sie beklagen, die Bevölkerung würde abwandern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Unsereins hat einen anderen Bezug zu ländlichen Räu-
men. Wir brauchen die Metropolregionen. Wir müssen
sie verbinden und an die Netze anbinden. Wir müssen
aber auch die Erschließungsfunktion der Bundesfernstra-
ßen für die strukturschwächeren Räume nutzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir legen mit diesem Haushalt ein klares Bekenntnis
zur Stärkung der Wachstumskräfte in unserem Land ab
und tragen damit zur Sicherung und Schaffung von Ar-
beitsplätzen bei. Deshalb ist Verkehrs- und Baupolitik
auch ganz klar angewandte und praktizierte Wirtschafts-
politik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich bin stolz darauf, dass wir in diesem Jahr auf einem
Rekordniveau investieren.


(Zuruf von der SPD: Was? – Johannes Kahrs [SPD]: Da lacht selbst die CSU!)


Ich bin auch stolz darauf – das sollten wir Verkehrs- und
Baupolitiker alle miteinander sein, die Fachpolitiker ge-
nauso wie die Haushaltspolitiker in diesem Bereich –,
dass wir mit diesem Einzelplan 12 den größten Investiv-
etat aller Ressorts haben. 52 Prozent der gesamten In-
vestitionen in diesem Bundeshaushalt entfallen auf die-
sen Einzelplan.

Von den 26,3 Milliarden Euro, die dieser Etat birgt,
fließen 14,7 Milliarden Euro und damit rund 56 Prozent





Bundesminister Dr. Peter Ramsauer


(A) (C)



(D)(B)

in Investitionen. Ich habe in meiner allerersten Rede als
Bundesminister an dieser Stelle gesagt, dass ich kein
Verwaltungsminister, sondern ein Investitionsminister
sein will. Das gelingt mit diesem Haushalt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Von diesem Haushalt geht eine kraftvolle Lokomotiv-
wirkung aus. Ich war in den Vieraugengesprächen auch
mit den Politikern der Opposition einig, dass dies so ist
und dass umgekehrt auch gilt, dass bei Einsparungen an
der falschen Stelle keine Lokomotivwirkung entfaltet
wird, sondern das krasse Gegenteil, nämlich Bremswir-
kungen.


(Martin Burkert [SPD]: Wie beim kombinierten Verkehr!)


Dessen müssen wir uns in der künftigen Planung dieses
Haushalts bewusst sein.

Der Kollege Schäuble hat heute in seiner Rede klarge-
macht, dass trotz allen Konsolidierungsdrucks das zarte
Pflänzlein konjunktureller Entfaltung, wie er es formu-
liert hat – der Kollege Brüderle hat es wiederholt, nicht
durch falsches Sparen kaputtgetreten werden darf


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


und dass die Haushaltspolitik in unserem Bereich eine
schwierige Gratwanderung ist. Insofern ein ausdrückli-
ches Dankeschön an den Haushaltsausschuss, dass man
sich dieser Einsicht nicht verschlossen hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der LINKEN: Was war denn da?)


Ich folge dem Grundsatz, dass Mobilität bestmöglich
zu organisieren ist, weil sie eine unverzichtbare Voraus-
setzung für die persönliche Freiheit unserer Bürgerinnen
und Bürger und die Entwicklung unserer Volkswirtschaft
ist. Das heißt, eine bestmöglich ausgebaute verkehrliche
Infrastruktur ist das Fundament wirtschaftlichen Erfolgs.

Wenn wir alle Möglichkeiten in der Binnenwirtschaft
und alle Möglichkeiten, die wir als exportorientierte Na-
tion in der Weltwirtschaft haben können, entfalten wol-
len, dann müssen wir schlicht und einfach die dazu er-
forderlichen Verkehrsinfrastrukturinvestitionen tätigen.


(Zuruf von der SPD: Dann tun Sie es doch!)

Erhalten, Ertüchtigen und Ausbauen: Das sind die

drei Elemente, die wir brauchen, um den prognostizier-
ten Anstieg aller Verkehrsarten verkraften zu können.
Lieber Herr Kollege Claus, Sie wissen aus langjähriger
guter Zusammenarbeit in vielerlei Funktionen, dass wir
im Vieraugengespräch immer gut zusammenkommen.
Sie wissen auch, dass man Verkehre, beispielsweise
Frachtverkehre, nicht beliebig manipulieren kann. Das
ist nicht möglich, wenn man nicht dem umgekehrten
Grundsatz wie dem meinen folgt, Mobilität zu ermögli-
chen. Es mag ein Stück Ihrer Ideologie sein, Mobilität zu
beschränken oder zu verhindern. Aber das kann nicht der
Ansatz einer freiheitlichen Wirtschafts- und Verkehrs-
politik sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir werden also alles daransetzen, dem Anstieg der

Transportleistung Rechnung zu tragen. Wenn argumen-
tiert wird, dass sich angeblich nur ein Teil des ansteigen-
den Güterverkehrs für die Schiene eignet, dann darf uns
das nicht resignieren lassen; das darf uns nicht ruhen las-
sen. Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, den
Zuwachs beim Güterverkehr schienentauglich zu gestal-
ten und Verkehrssysteme auch für die Schiene zu entwi-
ckeln, damit wir den größtmöglichen Zuwachs auf die
Schiene bekommen – ich bleibe dabei und lasse mich
nicht beirren –, wenn wir keine Verkehrsinfarkte auf der
Straße erleben wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Johannes Kahrs [SPD]: Aber ohne kombinierten Verkehr geht das nicht!)


Dazu gehört natürlich auch das Erschließen neuer Fi-
nanzierungsinstrumente. Ich sage klipp und klar: Mit
den herkömmlichen Finanzierungsmöglichkeiten unseres
Budgets werden wir das alles miteinander nicht schaffen.
Ich bedanke mich beim Kollegen Bartholomäus Kalb da-
für, dass er auf diese Dinge und auf einige sehr zentrale
Begriffe hingewiesen hat. Dazu gehört der Begriff der öf-
fentlich-privaten Partnerschaft. Dazu gehört natürlich
auch das Gängigmachen – so habe ich das verstanden –
der VIFG, der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesell-
schaft. Ich schlage vor, dass wir uns bereits im Zusam-
menhang mit der Beratung des Bundeshaushalts 2011
daranmachen – im Dienste einer innovativeren Verkehrs-
infrastrukturfinanzierung.

Das Thema Transrapid ist von der Kollegin Winter-
stein und vom Kollegen Kalb angesprochen worden. Ich
bedanke mich beim Haushaltsausschuss noch einmal
ausdrücklich dafür, dass die Möglichkeit geschaffen
worden ist, die Versuchsstrecke bis zum Jahresende wei-
terzubetreiben.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702915000

Herr Minister, darf ich unterbrechen?

Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:

Ich weiß um die Knappheit des Gutes Zeit.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702915100

Darum geht es jetzt nicht. Ich will Sie darauf auf-

merksam machen, dass die Kollegin Hagedorn Ihnen
gern eine Zwischenfrage stellen würde. Ich frage Sie
jetzt, ob Sie eine solche Frage zulassen.

Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:

Ja, gern.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702915200

Bitte schön.


Bettina Hagedorn (SPD):
Rede ID: ID1702915300

Ich habe Ihren Hilferuf, dass Sie mit der kurzen Rede-

zeit so unzufrieden sind, wahrgenommen, und darum
komme ich Ihnen an dieser Stelle zu Hilfe.






(A) (C)



(D)(B)

Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:

Auf Sie ist Verlass, Frau Kollegin Hagedorn.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)



Bettina Hagedorn (SPD):
Rede ID: ID1702915400

Herr Minister, Sie haben gerade die ÖPP-Projekte

als ein Hilfsmittel im Hinblick auf die dramatisch unter-
finanzierten Vorhaben im Verkehrsbereich erwähnt. Ich
möchte Sie auf ein Verkehrsprojekt ansprechen, das auch
auf der Streichliste der Bahn steht, von der Sie immer
gesagt haben, dass es sie gar nicht gäbe. Dabei handelt es
sich um das Projekt der festen Fehmarnbelt-Querung.
Das ist zwar in meinem Wahlkreis, aber ich bin keine
Freundin dieses Projekts und habe ihm auch nicht zuge-
stimmt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702915500

Ich bitte Sie aber, kein Koreferat zu halten, sondern

eine Frage zu stellen.


Bettina Hagedorn (SPD):
Rede ID: ID1702915600

Ich werde schon zu meiner Frage kommen, Herr Prä-

sident; machen Sie sich keine Sorgen.

Es geht um ein Projekt, das nicht finanziert ist, min-
destens 1 Milliarde Euro kosten wird – der Bundesrech-
nungshof spricht von 1,7 Milliarden Euro – und das ur-
sprünglich, nämlich im Koalitionsvertrag der vorherigen
Koalition, als PPP-Projekt vorgesehen war. Es ist des-
halb nicht als PPP-Projekt umgesetzt worden, weil es
keine Investoren gab, die bereit waren, ihr Geld in dieses
Projekt hineinzustecken. Das könnte dem Vernehmen
nach auch bei anderen Projekten so kommen.

Welche weiteren Vorstellungen haben Sie also im Hin-
blick auf die Streichliste und die Projekte, die finanziert
werden müssen, weil ein Staatsvertrag vorhanden ist?
Wie wollen Sie all das finanzieren – angesichts der Schul-
denbremse und angesichts dessen, was Herr Minister
Schäuble Ihnen in den nächsten Haushaltsjahren weniger
wird zur Verfügung stellen können?

Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:

Sehr geehrte liebe Frau Kollegin Hagedorn, nicht nur
die gleiche, sondern genau dieselbe Frage haben Sie mir
bei den Beratungen der Ausschüsse in den letzten Wo-
chen zweimal gestellt. Ich habe sie ausführlich beant-
wortet. Ich bitte Sie insofern, die Ausschussprotokolle
nachzulesen. Aber ich komme gern Ihrer Bitte nach und
antworte noch einmal darauf, um Ihre Befürchtung auf-
zunehmen, ich könnte mit meiner Redezeit nicht zu-
rechtkommen.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Sie können sich aber gern setzen, Frau Hagedorn.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702915700

Die Redezeit ist ja jetzt angehalten, Herr Minister.
Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:

Zu diesem Zweck muss Frau Kollegin Hagedorn al-
lerdings stehen bleiben. Wenn sie sich setzt, läuft die
Uhr weiter.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702915800

Solange Sie antworten, halte ich die Uhr an. Das ist

meine Sache.

Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:

Spaß beiseite! – Die feste Fehmarnbelt-Querung ist
ein Projekt, zu dem wir erst am 14. Januar, also ziemlich
genau vor zwei Monaten, den Staatsvertrag in Kraft ge-
setzt haben. Als verantwortlicher Fachminister – im Üb-
rigen auch als Parlamentarier und als vertragstreuer
Mensch – halte ich nichts davon, wenn man einen sol-
chen Staatsvertrag zwischen den beteiligten Staaten hier
im Parlament zwei Monate später infrage stellt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Anstatt herumzunörgeln, würde ich mich lieber darauf
verlegen, nach Möglichkeiten zu suchen, wie das Ziel zu
erreichen ist, bis 2018 dieses Infrastrukturprojekt ein-
schließlich der Hinterlandanbindungen bis Puttgarden
fertigzustellen. Da Sie die PPP und den Zeitpunkt ange-
sprochen haben: Wir werden alles tun, dass sich anlage-
suchende Kapitalgeber, die in den letzten Jahren schlechte
Erfahrungen gemacht haben, guten Investitionsoptionen
in Deutschland zuwenden. Ich halte Investitionen in deut-
sche Verkehrsinfrastrukturprojekte, in die Straße oder die
Bahn, noch immer für rentabler und kaufmännisch solider
als irgendwelche spekulative Anlagen in Übersee, die
sich in der Vergangenheit als massive, verlustreiche Fehl-
investitionen erwiesen haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702915900

Jetzt bitte ich, allmählich zum Schluss zu kommen.

Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:

Bevor Frau Hagedorn ihre Zwischenfrage gestellt hat,
habe ich über das Emsland und den Transrapid gespro-
chen. Wir dürfen einem weiteren Export von technologi-
schem Basiswissen aus Deutschland keinen Vorschub
leisten. Die Transrapid-, die Magnetschwebebahntech-
nologie, ist eine deutsche Basistechnologie. Wir dürfen
sie nicht billig exportieren. Das muss uns allen hier im
Hause klar sein. Ich glaube, das ist es auch.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich halte mit aller Unbeirrbarkeit und Entschlossen-
heit daran fest, allen Wünschen, die Sie an mich richten
– egal von welcher Fraktion –, im Bereich der Verkehrs-
infrastruktur auf bestmögliche Weise nachzukommen.
Deswegen bitte ich das Parlament, genauso unbeirrbar
meinem Etat dafür die notwendigen Mittel zur Verfü-
gung zu stellen.





Bundesminister Dr. Peter Ramsauer


(A) (C)



(D)(B)

Vielen herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702916000

Das Wort hat jetzt der Kollege Sören Bartol von der

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Sören Bartol (SPD):
Rede ID: ID1702916100

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Ramsauer, ein
kleiner Tipp vorweg: Wenn Sie mir jetzt zuhören, sind
Sie das nächste Mal nicht wieder bei Harald Schmidt zu
sehen. – Das hat offenbar niemand verstanden. Es ist
wichtig, die Sendung von Harald Schmidt zu schauen.

Herr Ramsauer, Sie können sehr froh sein, dass Sie mit
der nationalen Stadtentwicklungspolitik, den Program-
men der Städtebauförderung, dem Investitionspakt und
dem Programm zur energetischen Gebäudesanierung ein
wirkungsvolles Instrumentarium für die Gestaltung der
Zukunftsaufgaben in unseren Städten und Gemeinden
von Ihrem Vorgänger übernehmen konnten. Ich hoffe
noch immer, dass Sie dies zu schätzen wissen. Immerhin
haben Sie den Haushaltsentwurf von Wolfgang Tiefensee
bei der Städtebauförderung fast – leider nur fast – unver-
ändert übernommen. Es fehlt Ihrem Haushalt aber an
neuen Impulsen und – das sage ich hier ganz deutlich –
Ihnen als Minister an Durchsetzungskraft in den Haus-
haltsberatungen.

Ein Programm für die ländlichen Räume ist gut und
die folgerichtige Fortführung dessen, was wir mit den
Modellvorhaben und Forschungsprojekten zum demo-
grafischen Wandel im Rahmen von MORO, der Modell-
vorhaben der Raumordnung, begonnen haben. Schade
nur, dass Ihnen die erhoffte Aufstockung der Städte-
bauförderungsmittel um 20 Millionen bis 30 Millionen
Euro nicht gelungen ist, um dieses Programm zu finan-
zieren! Auch die Aufstockung der Mittel für das Pro-
gramm „Soziale Stadt“, die Ihr Staatssekretär Mücke im
Ausschuss noch im Januar zugesagt hatte und die auch
so im Haushaltsentwurf stand, haben Sie wieder kassiert.
Sie haben sich eine globale Minderausgabe in Höhe von
100 Millionen Euro zur Finanzierung der gestiegenen
Wohngeldkosten in Ihren Haushalt schreiben lassen,
statt, wie es richtig gewesen wäre, durchzusetzen, dass
diese Folgekosten der Wirtschaftskrise voll vom Ge-
samthaushalt getragen werden.

Liebe Frau Winterstein und Kollege Kalb, die pau-
schale Kürzung aller Verpflichtungsermächtigungen
für die kommenden Jahre um 10 Prozent trifft sowohl
die Städtebauförderung als auch die energetische Gebäu-
desanierung. Deswegen kann ich es auch nicht mehr hö-
ren, wenn hier so getan wird, als ob die CO2-Gebäudesa-
nierungsprogramme auf gleichem Niveau fortgeführt
würden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich hoffe, dass Sie bei der Aufstellung des Haushalts
2011 stärkeren Einsatz für die Bau-, Wohnungs- und
Stadtentwicklungspolitik zeigen; denn wir alle wissen:
Dann geht es wirklich ans Eingemachte. Investitionspakt
und Konjunkturprogramme laufen aus, die Kommunen
bekommen die volle Wucht der Wirtschaftskrise und vor
allen Dingen Ihrer Steuerpolitik zu spüren, der abseh-
bare drastische Einbruch bei den öffentlichen Investitio-
nen schwebt als Damoklesschwert über der Branche.
Statt an einer verlässlichen finanziellen Basis für die
Kommunen zu arbeiten, bekommt die Gewerbesteuer
mit Ihrer Gemeindefinanzkommission ein Begräbnis ers-
ter Klasse. Sie und Ihre Regierung sind gefordert: Helfen
Sie den Kommunen schnell mit einem Rettungsschirm,
der die jährlichen Einnahmeausfälle von 1,6 Milliarden
Euro aufgrund des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes
kompensiert! Stellen Sie die Kommunalfinanzen auf
eine verlässliche Grundlage stabiler Gewerbesteuerein-
nahmen und einer reformierten Grundsteuer! Bringen
Sie eine Neuauflage des dieses Jahr auslaufenden Inves-
titionspaktes zwischen Bund, Ländern und Kommunen
zur energetischen Sanierung von Kitas, Schulen und
Sportstätten auf den Weg!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Geben Sie den Kommunen auch bei der Städtebauförde-
rung Sicherheit, dass sie 2011 und danach mindestens
auf gleichem Niveau fortgeführt wird!


(Beifall bei der SPD)


Das Prinzip der Drittelfinanzierung – Bund, Län-
der, Kommunen – in der Städtebauförderung hat sich
prinzipiell bewährt. Dennoch muss mit der Verwaltungs-
vereinbarung besser als bisher sichergestellt werden,
dass finanzschwache Kommunen nicht aus der Städte-
bauförderung herausfallen, weil sie ihren Eigenanteil
nicht aufbringen können; denn gerade dies sind die
Städte und Gemeinden mit geringer Wirtschaftskraft,
meist auch mit hoher Arbeitslosigkeit und vor allen Din-
gen hohem Investitionsbedarf. Auch die verbleibenden
10 Prozent Eigenanteil sind für manche Kommune in
Haushaltsnotlage zu viel. Eine gestaffelte Regelung, je
nach Leistungsfähigkeit der Kommune, kann uns die
Kommunen auch in strukturschwachen Gebieten als
Partner in der Städtebauförderung erhalten. Dazu gehört
die stärkere Einbeziehung nicht nur privaten Kapitals,
sondern vor allen Dingen auch der Potenziale zivilge-
sellschaftlicher Organisationen.

Ich freue mich, dass es insbesondere beim Stadtum-
bau großen Konsens darüber gibt, dieses Programm bis
2016 fortzuführen. Trotz der Erfolge der kombinierten
Strategie aus Rückbau und Aufwertung ist der Bedarf
nicht kleiner, sondern aufgrund der demografischen Ent-
wicklung noch größer geworden. Heute haben wir
1 Million leer stehende Wohnungen, die im Schnitt mit
einer Restschuld aus DDR-Zeiten von je 4 000 Euro be-
lastet sind. Bis 2020 werden weitere 430 000 Wohnun-
gen leer stehen. Wichtige Erfolgsbedingung für den
Stadtumbau Ost war die ergänzende Altschuldenrege-
lung. Nur wenn Sie, Herr Minister Ramsauer, hier zügig
eine Anschlussregelung vorlegen, werden sich die Woh-





Sören Bartol


(A) (C)



(D)(B)

nungsunternehmen auch weiterhin am Stadtumbaupro-
gramm beteiligen können. Sie haben angekündigt, sich
in Zukunft auch bei Ihren Kabinettskollegen für Ver-
kehrsinfrastruktur einzusetzen. Herr Minister, tun Sie
das bitte auch für die Zukunft der Städte und Gemein-
den. Es geht hier nicht nur um Investitionen in Gebäude,
sondern auch um Investitionen in den gesellschaftlichen
Zusammenhalt. Nur in einem lebenswerten Umfeld ge-
lingt Integration, entstehen Kreativität und damit am
Ende auch Wirtschaftskraft. Herr Minister, ich bitte Sie,
das auch in Zukunft zu beachten.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702916200

Das Wort hat jetzt der Kollege Patrick Döring von der

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Patrick Döring (FDP):
Rede ID: ID1702916300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

fand es im Anschluss an die Debatte über den Etat des
Kollegen Brüderle schon bemerkenswert, wie wenig ins-
besondere in der ersten Runde der Zusammenhang zwi-
schen dem, was wirtschaftspolitisch erforderlich ist, und
dem, was verkehrs- und baupolitisch erforderlich ist,
hervorgehoben wurde. Sehr geschätzter Herr Kollege
Claus – den hat es schon zerrissen –, wo immer Sie jetzt
sind: Wer glaubt, die Arbeitsmarktprobleme und die
wirtschaftspolitischen Herausforderungen in den neuen
Ländern durch Verkehrsvermeidung lösen zu können,
gehört nun wirklich nicht mehr in diese Welt. So werden
wir es nicht schaffen, nicht in den neuen Ländern und
nicht in den alten Ländern, wenn wir Exportnation blei-
ben wollen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Irrsinn! Das gibt es nicht! – Zuruf von der LINKEN)


– Er hat Verkehrsvermeidung angesprochen, unabhängig
vom Verkehrsträger. Sie, geschätzte Kolleginnen und
Kollegen von der Opposition, versuchen schon die ganze
Debatte, uns das Etikett der Schienenfeindlichkeit anzu-
hängen. Als ob diese Koalition schienenfeindlich sei!
Das Gegenteil ist der Fall.


(Beifall bei der FDP – Johannes Kahrs [SPD]: Na ja!)


Wenn Sie hier zu Recht die sogenannte Streichliste
ansprechen, dann halte ich für die Koalition fest: Es ist
Herrn Grube und dem Bundesministerium für Verkehr
zu danken, dass aufgeschrieben wurde, welche Ver-
pflichtungen die konzeptionslose Planungsmittelverspre-
chungspolitik der Vorgängerregierungen ausgelöst hat.
Das ist der Dank, den wir denjenigen, die diese Liste
aufgestellt haben, schulden. Ihr Minister Tiefensee hat
doch Planungsmittel versprochen, ohne auch nur einen
Hauch von Anschlussfinanzierung sicherzustellen. Ihr
Minister Tiefensee ist zehnmal irgendwo in Europa Ver-
pflichtungen eingegangen, die nicht finanzierbar sind.
Uns jetzt vorzuhalten, dass wir das wenigstens auf-
schreiben und darüber diskutieren, ist doch wohl wirk-
lich abenteuerlich.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Lassen Sie uns über die 500 Millionen Euro, die feh-
len, reden – gar kein Problem! Das einfache Vorgehen,
über Steuermittel zu steuern, Herr Kühn, ist nicht ausrei-
chend; das steht übrigens im Koalitionsvertrag. Wir sa-
gen ganz offensiv: Wenn die DB Netz AG in diesem
Jahr zum wiederholten Male mehr als 600 Millionen
Euro Ertrag für den Konzern erwirtschaftet, dann ist es
die Aufgabe des Eigentümers Bundesrepublik Deutsch-
land, das Unternehmen DB AG dazu zu verpflichten, die
Erträge der DB Netz AG in das Netz zu reinvestieren.
Dann haben wir in den nächsten zehn Jahren die fehlen-
den Investitionsmittel für diese Projekte. Das ist der
Weg, den wir gehen wollen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702916400

Herr Kollege Döring, erlauben Sie eine Zwischen-

frage des Kollegen Kahrs?


Patrick Döring (FDP):
Rede ID: ID1702916500

Unbedingt.


Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1702916600

Herr Kollege Döring, Sie haben eben gesagt, dass die

Bahn dringend mehr Geld braucht. Sie gehören der FDP
an. Die Kollegin Winterstein hat bei der ersten Lesung
hier gesagt, sie möchte gerne, dass Straße Straße finan-
ziert, dass die Lkw-Maut-Mittel für die Straße ausgege-
ben werden. Wenn Sie so großartige Befürworter von
mehr Geld für die Schiene sind, dann verraten Sie uns
doch, wo die für die Schiene fehlenden Mittel herkom-
men sollen?

Gleichzeitig haben Sie eben gesagt, dass der Eigentü-
mer damit entsprechend umgehen soll. Das ist richtig.
Aber die Frage ist: Woher kommen die Gewinne der
Bahn? Natürlich müssen sie in die Schiene reinvestiert
werden. Aber das löst doch die Probleme nicht. Das
heißt, das, was Sie hier machen, ist: Sie kürzen beim
kombinierten Verkehr, erzählen uns, was Sie vielleicht
irgendwann einmal machen, aber Sie tun es nicht; dafür
regieren Sie. Gleichzeitig haben Sie sich hierhin gestellt
und klar gesagt, dass die Mautmittel nicht mehr für die
Schiene ausgegeben werden sollen. Das ist doch unlo-
gisch.


Patrick Döring (FDP):
Rede ID: ID1702916700

Geschätzter Herr Kollege Kahrs, ich bin extrem dank-

bar, dass ich Ihnen das außerhalb meiner Redezeit erklä-
ren kann, zum wiederholten Male in diesem Hause.

Erstens. Selbst wenn man dazu kommt, dass die Lkw-
Maut-Einnahmen vollumfänglich der Verkehrsinfra-
strukturfinanzierungsgesellschaft zur Finanzierung von
Straßen zur Verfügung gestellt werden, dann bedeutet
das im Umkehrschluss, dass die steuerfinanzierten Mit-





Patrick Döring


(A) (C)



(D)(B)

tel für die Straße in dem Umfang, in dem zusätzliche
Mautmittel für die Straße zur Verfügung gestellt werden,
sinken und für die Eisenbahn zur Verfügung stehen.
Nichts anderes will diese Koalition.


(Johannes Kahrs [SPD]: Warum sagt das keiner?)


– Ich sage es Ihnen ja. Ich habe es in der ersten Lesung
gesagt. Ich habe es bei der Beratung des Antrags zur In-
frastrukturfinanzierung gesagt, und ich sage es jetzt hier
noch einmal. Sie können es dann nachlesen.

Zweitens. Die Erträge aus dem Netz basieren, wie
Sie und Ihre Kollegen wissen, auf Einnahmen aus Tras-
senentgelten, die alle, die das Schienennetz nutzen, ent-
richten. Bei der Schiene gibt es längst einen geschlosse-
nen Finanzierungskreislauf, wie wir ihn bei der Straße
einführen. Wir, diese Koalition, nicht die Vorgängerko-
alition, wollen als Eigentümer Bundesrepublik Deutsch-
land die Infrastrukturgesellschaft verpflichten, diese
Mittel zusätzlich für diese Infrastrukturinvestitionen zur
Verfügung zu stellen. Das steht im Koalitionsvertrag:
Aufhebung der Gewinnabführungsverträge.


(Johannes Kahrs [SPD]: Wo ist der Gesetzentwurf?)


– Wir brauchen keinen Gesetzentwurf. Das entscheidet
nämlich der Aufsichtsrat, geschätzter Kollege. Das steht
im Aktiengesetz. Das brauchen wir dafür noch nicht ein-
mal zu ändern.

Drittens. Dazu, dass hier bei einer 35-Millionen-
Euro-Abforderung der Mittel für den kombinierten Ver-
kehr die Streichung eines Haushaltstitels, der ohnehin zu
hoch war, auf 54 Millionen Euro zu dem zentralen ver-
kehrspolitischen Argument der SPD geworden ist, kann
ich nur sagen: Herr im Himmel, da hätten Sie sich etwas
Besseres aussuchen müssen. Nicht einmal die 54 Millio-
nen Euro werden abfließen; wir bedauern das. Wir wer-
den am Ende sicherstellen: Wenn 1 Euro mehr als
54 Millionen Euro beantragt wird, dann wird auch diese
Anlage zum kombinierten Verkehr gebaut. Glauben
Sie mir: Wir müssen hier kein verkehrspolitisches Pro-
blem lösen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das war eine Lehrstunde!)


Überhaupt ist bemerkenswert, dass in dieser Haus-
haltsdebatte über diese kleinen Beträge diskutiert wird,
während am Ende deutlich wird, dass Sie der ganz kla-
ren, ordnenden Strategie dieser Koalition dieses Hauses
sehr wenig entgegenzusetzen haben.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD)


Der Kollege Bartol hat bisher als einziger Oppositions-
redner dankenswerterweise eine sachliche Rede gehalten
und hat das Thema „Soziale Stadt“ angesprochen. Da
haben wir doch die gleiche Situation: Die Mittel aus dem
vergangenen Jahr sind nicht in dem Umfang abgeflos-
sen, wie sie etatisiert waren. Jetzt kann man immer sa-
gen: Daran ist die Wirtschaftskrise schuld. Meine Beob-
achtung, die Beobachtung meiner Kolleginnen und
Kollegen in den Wahlkreisen ist, dass viele Kommunen
jetzt mit dem Programm durch sind. Das Programm gibt
es seit vielen Jahren. Es war ein gutes Programm. Es gibt
aber nicht mehr den Bedarf, der hier gelegentlich an die
Wand gemalt wird.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Sehr wahr! – Zurufe von der SPD)


Ich sage Ihnen auch – ich habe es schon im Ausschuss
gesagt, ich sage es hier noch einmal –: Wir wollen uns
darauf konzentrieren, mit dem Programm „Soziale
Stadt“ Investitionsmaßnahmen zu finanzieren. Die Zeit
der nichtinvestiven Maßnahmen, zum Beispiel zur Er-
richtung von Bibliotheken für Mädchen mit Migrations-
hintergrund, ist vorbei, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das gab es zu Zeiten einer anderen Koalition.


(Sören Bartol [SPD]: Das ist aber eine klare Aussage!)


Wir wollen Investitionen mit dem Stadtumbaupro-
gramm anschieben. Wir wollen, dass es leistungsfähige
Infrastruktur in den Städten gibt, und wir wollen weniger
Projekte fördern, die eigentlich andere aus ihren Haus-
halten bezahlen sollten bzw. müssten. Diese gehören
nicht in den Investitionshaushalt des Einzelplans 12.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie gut, dass es Stenografen gibt!)


Interessanterweise hat der Kollege Kahrs als enga-
gierter Wahlkreisabgeordneter zwei wichtige Dinge aus
seinem Bereich angesprochen, nämlich zum einen das
Projekt der Vertiefung der Unterelbe, zu dem diese Koa-
lition steht und das durchgeführt wird, und zum anderen
hat er einen Satz zu den Wasser- und Schifffahrtsdi-
rektionen gesagt. Nun habe ich das sehr genau und auf-
merksam verfolgt. Es ist ja schon bemerkenswert, dass
Sie als einen der wenigen konkreten Haushaltsanträge
den Antrag stellen, in diesem Bereich wie auch in ande-
ren Bereichen erhebliche Stellenhebungen vorzuneh-
men. Man kann das verstehen, wenn man annimmt, dass
Sie Ihr notdürftig zusammengehaltene Wählerklientel
bei Laune halten wollen.

Wir bleiben dabei: Die Wasser- und Schifffahrtsver-
waltung in Deutschland ist gut, aber sie ist gemessen an
dem Verkehrsaufkommen, das bei diesem Verkehrsträ-
ger festzustellen ist, zu groß.


(Beifall des Abg. Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Sie kann effizienter werden. Eine Aufgabe dieser Bun-
desregierung wird es auch sein, diese Effizienzreserven
zu heben, damit wir mehr Mittel für die notwendigen In-
vestitionen in die Wasserstraßen erhalten. Das ist die
Aufgabe für 2011.

Über 2011 ist damit noch nichts gesagt. Die Haushäl-
ter, die Verkehrspolitiker, die Baupolitiker und das Haus
sind in guten Verhandlungen. Sie werden sehen, dass wir
etwas Gutes hinbekommen. Wenn Sie uns dabei unter-
stützen, werden Sie auch einsehen, dass wir, indem wir





Patrick Döring


(A) (C)



(D)(B)

vieles, was Ihre Hausleitung in der Vergangenheit falsch
in die Wege geleitet hat, korrigieren, mehr für die Bürger
erreichen, als wenn wir dem Alternativkonzept folgen
würden, das Sie hier in Ihren Reden vorgestellt haben.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702916800

Das Wort hat die Kollegin Heidrun Bluhm von der

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Heidrun Bluhm (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702916900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Döring, Sie haben nicht automatisch recht, nur weil
Sie so laut in den Wald hineinrufen. An verschiedenen
Stellen gehe ich nachher noch einmal darauf ein.

Aber eines ist hier ganz deutlich geworden – da will
ich gleich am Anfang ansetzen –: Jetzt haben Sie das
wahre Gesicht der FDP in dieser Frage gezeigt.


(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Patrick Döring [FDP]: Ich habe gar nichts anderes gesagt als in den letzten vier Jahren!)


Ich bin Ihnen sehr sehr dankbar dafür – jetzt werde auch
ich einmal laut –, dass Sie einfach einmal auf den Punkt
gebracht haben, was Sie vorhaben, wenn die NRW-Wahl
vorbei ist. Herzlichen Dank.

Schon mein Kollege Roland Claus machte hier soe-
ben deutlich, dass diesem Einzelplan 12 das große
Potenzial innewohnt, wirklich gerechte, innovative, öko-
logische und damit zukunftsgerichtete Investitionspolitik
zu betreiben. Herr Minister, nüchtern analysiert ist das,
was Sie hier vorlegen, ein Weiter-so der Großen Koali-
tion, nichts Neues, nur ein Verschiebebahnhof innerhalb
der einzelnen Haushaltsstellen.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Seien Sie nicht so hart!)


Das, was hier vorliegt, ist alles andere als eine kraftvolle
Lokomotive, wie Sie es bezeichnet haben. So verpassen
wir eine wirkliche Wende bei den Verkehrsträgern
Straße und Schiene und vor allem hin zur Einführung
neuer Technologien und damit zur Bewältigung der Her-
ausforderungen des Klimawandels.

Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktio-
nen, Sie haben kein Konzept. Es gibt keinen ganzheitli-
chen politischen Handlungsansatz. Es gibt keine Idee,
wie man mit dem Wohnungswesen und dem Städtebau
Zukunft für und mit den Menschen gestalten will. Es
gibt nicht einmal eine umfassende Bestandsanalyse der
dringend zu behebenden Mängel und Schäden auf der
Großbaustelle Wohnungswesen und Städtebau. Hierzu
exemplarisch zwei Denkrichtungen:

Erstens. Im Einzelplan 12 heißt es zwar „Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung“, dieser logische Zusammen-
hang wird aber offensichtlich nicht hergestellt. Rund
80 Prozent der Menschen leben in Städten oder in deren
Randgebieten. Ihr kulturelles Leben und ihre Arbeit fin-
den sie aber oft an Orten weit außerhalb ihres Wohn-
umfeldes. Städtisches Wohnen in seiner heutigen Form
erzwingt daher Mobilität, leider auch allzu oft Auto-
mobilität mit all ihren wirtschaftlichen, gesundheitlichen
und umweltschädigenden Wirkungen.

Auch die Förderung von Maßnahmen zur energeti-
schen Gebäudesanierung, Stichwort CO2-Gebäudesanie-
rungsprogramm, ist ein viel zu kurz geratener Schritt,
wenn auch in die richtige Richtung. Ich will also gar
nicht fragen, ob der jetzt aufgestockte Titel aus Einsicht
in die Notwendigkeit oder auf Druck von Hauseigentü-
mern oder der Bauwirtschaft zustande gekommen ist.
Was Sie, meine Damen und Herren der Regierung, nicht
sehen: Die Anstrengungen der energetischen Sanierung
werden relativiert und zum Teil durch das Fehlen von In-
vestitionen zur Schaffung einer individualverkehrver-
mindernden Wohninfrastruktur konterkariert.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Im Gegenteil: Schulen werden geschlossen, die Schul-
wege für die Kinder werden immer länger, Kitas in
Wohngebieten werden weggeklagt und Supermärkte auf
der grünen Wiese vor den Städten gebaut.

Bau und Stadtentwicklung beschränkt sich nach unse-
rem Verständnis nicht auf die Bereinigung des Woh-
nungsmarktes oder auf die finanzielle Begünstigung
privater Interessen. Wirkliche Stadtentwicklungspolitik
muss ihren eigenen Anspruch deutlich höher ansetzen,
als Sie es tun. Sie muss, ausgehend von den objektiven
ökologischen und demografischen Tendenzen und wis-
senschaftlich fundierten Prognosen, langfristige städte-
bauliche Entwicklungserfordernisse definieren, Zielset-
zungen qualifizieren und in haushälterisch verbindliche
Zahlen gießen. Das tut dieser Einzelplan an keiner einzi-
gen Stelle.

Zweitens. Bau- und Stadtentwicklungspolitik ist für
die Linke zugleich auch immer Sozialpolitik. Nahezu
allen hier aufgeführten Titeln sind in ihrer Umsetzung
soziale Komponenten immanent. Damit kann man aller-
dings unterschiedlich umgehen. Meines Erachtens muss
man zum Beispiel bei der Förderung durch das CO2-Ge-
bäudesanierungsprogramm die Kausalität von Sanie-
rungsinvestitionen, die daraus folgenden Mietpreisent-
wicklungen, mögliche Veränderungen der Mieterstruktur
und damit die grundlegende Veränderung des Charakters
eines Quartiers, eines ganzen Wohnviertels bedenken.
Das wäre vorausschauend und politisch verantwortungs-
voll. Das können die Menschen von einer Regierung
verlangen. Sie aber begnügen sich mit dem kurzfristig
angelegten Reagieren auf die gröbsten städtebaulichen
Missstände, blenden die sozialen Zusammenhänge fast
immer aus. Die Folgen eines solchen Handelns werden
oftmals in andere Haushaltsressorts verschoben.

Zum Schluss möchte ich noch – meine Redezeit geht
zu Ende – auf das Thema „Soziale Stadt“ zu sprechen
kommen. Herr Döring, Sie haben vorhin den Versuch
unternommen, uns zu erklären, warum Mittel, die nicht





Heidrun Bluhm


(A) (C)



(D)(B)

abgerufen werden, einfach gestrichen werden. Aber auch
Herr Mücke hat im Ausschuss kein Wort dazu gesagt,
warum diese Mittel nicht abgerufen werden. Mit dem
Wachstumsbeschleunigungsgesetz haben Sie den Kom-
munen die Möglichkeit genommen, die Kofinanzierung
überhaupt erst auf den Weg zu bringen. Insofern finde
ich es arrogant und unverantwortlich, dass Sie gerade bei
den wenigen sozialen Teilen, die im Haushalt noch zu
finden sind, 20 Millionen Euro wegnehmen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, Verkehr, Bau und Stadt-
entwicklung ist eine äußerst komplexe Langfristaufgabe,
die man nicht kurzfristig mit kleinen Baustellen erledi-
gen kann. So kann man Zukunft nicht bauen, so verbaut
man sie sich. Der Einzelplan 12 ist, um mit Franz
Müntefering zu sprechen, großer Mist.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN – Georg Schirmbeck [CDU/ CSU]: Das war ein schlechter Abgang!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702917000

Das Wort hat die Kollegin Daniela Wagner vom

Bündnis 90/Die Grünen.


Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702917100

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Zwei Dinge fallen beim Einzelplan 12 ins Auge. Zum ei-
nen klaffen Anspruch und Wirklichkeit erkennbar aus-
einander. Zum anderen bietet kaum ein anderer Einzel-
plan des Bundeshaushaltes ein solches Volumen mit der
Möglichkeit zum Umschichten und zur Kurskorrektur.
Das KfW-Förderprogramm zur energetischen Ge-
bäudesanierung ist zum Beispiel ein solches Thema.
Man hätte sich vorstellen können, dass sehr viel mehr
aus anderen Bereichen dorthin hätte umgeschichtet wer-
den können.

Wir haben schon öfter darüber gesprochen, dass der
Gebäudebestand für etwa 40 Prozent der CO2-Produk-
tion und -Emission verantwortlich ist und damit neben
dem Verkehr eine der Schlüsselrollen bei der CO2-Re-
duktion spielt. Die energetische Modernisierung des Ge-
bäude- und Wohnungsbestandes ist daher unumgänglich,
und sie generiert Arbeitsplätze. Auch Sie, Herr Minister,
wissen das.

Mit dem Tempo, das wir zurzeit vorlegen, und der ak-
tuellen Etatentwicklung werden wir – das habe ich neu-
lich schon einmal gesagt – etwa 180 Jahre brauchen, um
den Gebäudebestand zu sanieren. Deswegen haben wir
Grüne in einem Antrag gefordert, die Mittel für das
KfW-Förderprogramm für energetische Sanierung auf
mindestens 2,2 Milliarden Euro zu erhöhen, und zwar
nicht im Vorgriff auf künftige Haushaltsjahre, sondern
durch tatsächliche Etatisierung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Gleiches gilt für die Zuschüsse der KfW-Förderbank
zu Investitionen in die energetische Gebäudesanierung.
Die FDP erklärt: Die Mittel wurden gar nicht abgerufen.
Dazu muss ich sagen: Wenn Mittel nicht abgerufen wer-
den, ist das in aller Regel ein Zeichen dafür, dass ein
Programm nicht gut angelegt ist, dass irgendetwas nicht
stimmt; entweder haben die Kommunen nicht mehr das
Geld für die Kofinanzierung oder die Anreizwirkung bei
den privaten Hauseigentümern und Wohnungsbaugesell-
schaften ist einfach zu gering. Wir sind der Auffassung,
dass die Haushaltsmittel für die Zuschüsse deutlich, auf
180 Millionen Euro, erhöht werden müssen,


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


statt sie – das geschieht jetzt – von 170 auf
150 Millionen Euro zu senken. Diese Förderung wirkt
natürlich auch nebenkostendämpfend; das ist gerade für
Mieterinnen und Mieter mit schmalem Geldbeutel ganz
wichtig.

Die Förderung des ökologischen Bauens und Sanie-
rens sowie der Nutzung nachwachsender Baustoffe muss
dringend in die KfW-Förderprogrammatik integriert
werden. Man kann das subventionieren, indem man um-
weltschädliche Subventionen schlicht und ergreifend aus
dem Bundeshaushalt herausstreicht.

Beim Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“
– ich sagte es schon mehrfach – bedarf es zusätzlicher fi-
nanzieller Anstrengungen und vor allem mehr Einfalls-
reichtums. Wir müssen zivilgesellschaftliches Engage-
ment einbinden. Auf keinen Fall dürfen wir damit
aufhören, mit diesem Programm auch personelle Maß-
nahmen zu fördern. Wir müssen die Menschen dort, wo
sie sind, mitnehmen, gerade in den Wohngegenden, in
denen Menschen an der Armutsgrenze bzw. einkom-
mensschwache Haushalte leben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das ist bei diesem Programm das Entscheidende.

Sie haben umgeschichtet: 20 Millionen Euro werden
jetzt in die Förderung von aktiven Stadt- und Orts-
teilzentren investiert. Ich würde überhaupt nicht sagen,
dass es falsch ist, das zu fördern; aber Sie unterlassen im
Gegenzug an anderer Stelle das viel Wichtigere. Das ist
ein Fehler.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Die Stadteile mit besonderem Entwicklungsbedarf haben
die Förderung wesentlich nötiger.

Lassen Sie mich zum Schluss ein Wort zum sozialen
Wohnungsbau sagen. Wir müssen bis spätestens 2013,
wenn die Finanzierungsansätze aus dem Bundeshaushalt
nach dem Entflechtungsgesetz auslaufen, dringend eine
neue Strategie für den sozialen Wohnungsbau entwickelt
haben;


(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Das ist Aufgabe der Länder! Der Bund gibt den Ländern 540 Millionen Euro! Das ist doch nicht mehr unser Job!)






Daniela Wagner


(A) (C)



(D)(B)

denn ohne sozialen Wohnungsbau werden wir dem Weg-
fall von Sozialbindungen nicht entgegensteuern können.
Dann käme es zu der Situation, dass die Bevölkerungs-
gruppe, die sich nicht mehr aus eigener Kraft auf dem
Wohnungsmarkt versorgen kann, immer größer wird.
Deswegen brauchen wir dringend neue Strategien für
den sozialen Wohnungsbau.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702917200

Das Wort hat jetzt der Kollege Reinhold Sendker von

der CDU/CSU-Fraktion.


Reinhold Sendker (CDU):
Rede ID: ID1702917300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit

dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in Deutsch-
land stärken wir unseren Wirtschaftsstandort; genau das
tun wir mit dem vorliegenden Haushalt. Es ist uns gelun-
gen, den Verkehrsetat 2010 auf dem gleichen Niveau wie
im Vorjahr zu halten. Das ist ohne jeden Zweifel ein Er-
folg.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Insgesamt betrachtet, rechnen sich die Investitionen
auf den Rekordansatz von 12,6 Milliarden Euro. Das ist
ein starker Beitrag zur Generierung von Wachstum: Je-
der im Bereich von Bau und Verkehr investierte Euro ist
ein Impuls für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt; im
Ergebnis bedeutet dies – das sei hier gesagt – erfolgrei-
che Krisenbewältigung.

Im Schienenbereich wollen wir weiter ins Netz
investieren. Dafür stehen 4,3 Milliarden Euro zur Verfü-
gung, zuzüglich 700 Millionen Euro aus den Konjunk-
turpaketen. Die Maßnahmen reichen von der Bahn-
stromversorgung bis hin zu wichtigen Hafenhinter-
landanbindungen. Wir wollen die häufig nicht mehr trag-
baren Zustände an verschiedenen Bahnhöfen durch ein
umfangreiches Bahnhofssanierungsprogramm nachhal-
tig verbessern. Das heißt im Ergebnis: grünes Licht für
laufende Bedarfsplanvorhaben. Das heißt: keine Kür-
zung, sondern Stärkung des Schienennetzes in Deutsch-
land.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Was den Sektor Straße angeht, blicken wir auf eine
Reihe baureifer Bedarfsplanungen, Erhaltungsmaßnah-
men und auf den Ausbau von Parkflächen an Bundes-
autobahnen, die wir gemeinsam mit den zuständigen
Kommunen nach vorne bringen wollen.

Die christlich-liberale Koalition fördert die dringend
notwendige Mobilität. Bei dieser Zielsetzung geht es
nicht um den Vorrang eines Verkehrsträgers, also nicht
um Schiene contra Straße. Vielmehr muss jeder Bereich
im Rahmen integrierter Verkehrspolitik das leisten,
was geht – so unser Minister. Auch in diesem Zusam-
menhang hat er völlig recht, und auch dabei unterstützen
wir ihn gerne.
Vor dem Hintergrund der exponierten Lage Deutsch-
lands in der Mitte Europas und aufgrund der Perspektive
wachsender Verkehrsströme muss es unser Ziel sein, Be-
darfsplanungen früher zu beginnen und schneller auszu-
führen. Genau das ist im Sinne einer zukunftsfähigen In-
frastrukturpolitik für unser Land zielführend.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Auch für den Bereich Wasserwege steht im Haushalt
insgesamt über eine 1 Milliarde Euro für Investitionen
zur Verfügung. Weitere Entlastungen, auch für das Gü-
terkraftverkehrsgewerbe, sind vorgesehen. Für das
Haushaltsjahr 2010 haben wir die laufenden Programme
zur Förderung von Umwelt und Sicherheit und zum Aus-
bau und zur Weiterbildung verlängert. Wir werden sie
noch einmal um 200 Millionen Euro aufstocken.

Es ist ebenso erfreulich, dass 2009 die Zahl der Ver-
kehrstoten auf Deutschlands Straßen um rund 7 Prozent
gesunken ist. Dennoch: Jede im Straßenverkehr verletzte
oder getötete Person ist eine zu viel. Es ist uns daher ein
wichtiges Anliegen, die Sicherheit auf unseren Ver-
kehrswegen mit einem neuen nationalen Programm wei-
ter zu erhöhen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ferner hat die Förderung der Elektromobilität für die
christlich-liberale Koalition eine große Bedeutung. Es
geht vor allem um innovative Batterietechnologie. Bat-
terien – platzsparend, gewichtsarm und letztlich mit ak-
zeptablem Preis – schaffen Akzeptanz. Im Ergebnis kön-
nen wir so den CO2-Ausstoß unserer Fahrzeugflotte
deutlich reduzieren. Mobilitätsforschung ist Zukunfts-
forschung. Dazu sagen wir ausdrücklich Ja.

Mit Blick auf zukünftige Haushaltsjahre verweise ich
nochmals auf den Haushaltsbegleitantrag der Koalitions-
fraktionen. Gerade was die eben angesprochene
Schuldenbremse und das Auslaufen der Konjunktur-
programme angeht, ist es unser Ziel, die Verkehrsinfra-
strukturinvestitionen über dieses Jahr hinaus mittelfristig
auf hohem Niveau zu verstetigen, beispielsweise durch
die Hinwendung zu den schon diskutierten ÖPP-Projek-
ten.

Im Zusammenhang mit der Verkehrsinfrastruktur-
finanzierungsgesellschaft betone ich nochmals unsere
Forderung nach Herstellung eines Finanzierungskreis-
laufes Straße. Das bedeutet – wie Herr Kollege Döring
eben sehr deutlich ausgeführt hat – keine Kürzung des
Schienennetzes, und es hat auch nichts mit Schatten-
haushalt zu tun. Vielmehr geht es darum, bisherige
Schwächen abzustellen, sprich: die kontinuierliche Un-
terfinanzierung, die schwankenden Haushaltslinien und
die Transparenzdefizite abzubauen. Im Übrigen – lassen
Sie mich das deutlich sagen –: Die VIFG erfreut sich
nicht nur bei vielen Verkehrsexperten großer Zustim-
mung. Auch wir wollen sie in der heutigen Debatte aus-
drücklich gestärkt wissen.

Der vorliegende Entschließungsantrag der sozial-
demokratischen Fraktion zur Pkw-Maut ist in der
Methode nicht neu. In der Koalition gibt es keine ent-
sprechenden Pläne. Weder Bundesregierung noch Koali-





Reinhold Sendker


(A) (C)



(D)(B)

tionsfraktionen haben Derartiges vorgeschlagen. Damit
erübrigt sich Ihr Antrag. Zu dem, was Sie hier inszenie-
ren, kann ich nur sagen: Das ist Populismus pur.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


Ich habe auch kein Interesse daran, solche Luftbuchun-
gen zu diskutieren.

Mein Wahlkreis liegt im Münsterland. Bei uns sagt
man: Das ist ein starkes Stück Westfalen. Es freut mich,
dass wir jetzt einen Minister haben, der – wie er eben
ausgeführt hat – das ganze Land sieht. Dazu gehören
auch die ländlich geprägten Regionen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die Verkehrswege sind nun einmal die Lebensadern ei-
ner jeden Region. Politik muss daher alle Räume för-
dern, sowohl die Metropolregionen als auch die ländli-
chen Regionen. Das macht unser Land insgesamt
zukunftsfähig und stark. Dafür steht dieser Minister. Wir
unterstützen ihn dabei. Wir unterstützen auch den Ver-
kehrsetat, der ausgewogen und nicht zuletzt zukunftsfä-
hig aufgestellt ist.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702917400

Das Wort hat jetzt der Kollege Uwe Beckmeyer von

der SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD – Johannes Kahrs [SPD]: Bravo! Guter Mann!)



Uwe Beckmeyer (SPD):
Rede ID: ID1702917500

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Herr Minister, Sie sprachen vom Zeitmangel eines
Ministers. Ich glaube, es ist eher ein Schutz für Sie, dass
Sie wenig Zeit haben und hier nur kurz reden können.


(Heiterkeit bei der SPD)


Denn wer nichts zu sagen hat, spricht eher über Allge-
meinplätze, als Konkretes anzukündigen.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das war aber verdammt schwach! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Geht alles auf Ihre Zeit!)


Sie sagten, der Entwurf sei zum Besseren verändert
worden. Das ist mein zweites Stichwort. Ich frage mich,
wo. Beim KV-Terminal? Über den kombinierten Ver-
kehr ist vorhin gesprochen worden. Ich muss ganz ehr-
lich sagen: Die Argumente, die von Ihnen, liebe Frau
Winterstein, und dem lieben Kollegen Kalb hier vorge-
bracht worden sind, stimmen nicht.


(Zuruf von der CDU/CSU: Zu welchem Thema reden Sie?)


Sie sagen, dass beim KV-Terminal nicht ordentlich Geld
abgeflossen ist und dass Sie deshalb kürzen. – Ich will
Ihnen Folgendes sagen: Erkundigen Sie sich, bevor Sie
solche unglaubwürdigen Behauptungen hier im Bundes-
tag aufstellen. Wenn Sie beim EBA nachfragen oder
wenn Sie bei der Wasserschifffahrtsdirektion West nach-
fragen, wird man Ihnen sagen, dass hinsichtlich der
Investitionen ein Nachfragestau in Höhe von 450 Milli-
onen Euro vorliegt, und wir bieten diesen Nachfragern
nichts an.

Das ist der entscheidende Unterschied zwischen Ih-
nen und uns: Wir wissen um diese Belange. Es gibt in-
zwischen Firmen, die beim EBA und bei der Wasser-
schifffahrtsdirektion West Investitionen in dieser
Größenordnung angemeldet bzw. nachgefragt haben. Sie
antworten darauf mit Kürzungen im Haushalt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der
CDU/CSU, merken Sie eigentlich gar nicht, dass Sie von
der FDP am Nasenring durch die Arena gezogen wer-
den?


(Beifall bei der SPD – Martin Burkert [SPD]: So ist es!)


Hier wird von Wachstumsimpulsen und ordnendem
Handeln gesprochen. Ich denke, dass das, was hier pas-
siert, etwas ganz anderes ist: Es ist der Versuch, Ihnen
eine FDP-ideologisierte Verkehrspolitik aufzuoktroyie-
ren. Davor kann ich Sie nur warnen. Passen Sie auf,
meine sehr geehrten Damen und Herren von der christ-
demokratischen Union!


(Beifall bei der SPD – Patrick Döring [FDP]: Ich bin ja noch nie als ideologisch bezeichnet worden!)


Herr Döring hat sich in seinem Redebeitrag bei der
Frage nach der Einschätzung des Programms „Soziale
Stadt“ demaskiert. Das, was dort zum Ausdruck gekom-
men ist, ist nämlich etwas ganz anderes als das, was von
der Koalition bisher zu hören war.


(Sören Bartol [SPD]: Ja! So ist es!)


Herr Döring, ich kann nur sagen: Weiter so! Wir werden
aufmerksam beobachten, was Sie dazu zu erklären ha-
ben.

Besonders interessant fand ich Ihre Einlassungen zur
Wasserschifffahrtsverwaltung. „Zu groß“, haben Sie
gesagt. Wo wollen Sie denn sparen? In Würzburg?


(Martin Burkert [SPD]: Auf jeder Betriebsversammlung werden wir das vorlesen! – Gegenruf der Abg. Dr. Claudia Winterstein [FDP]: Machen Sie das mal!)


In Hannover? In Münster? Wir werden darauf zurück-
kommen. Nein, „zu groß“ ist Ihrer Meinung nach nicht
das Problem. Das wahre Ziel, das Sie haben, ist die Pri-
vatisierung. Das ist das Ziel.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Was ist eigentlich seit der ersten Lesung passiert? Die
Koalition hat unsere Anträge zur Förderung zusätzlicher
Verkehre im kombinierten Bereich abgelehnt. Wir haben
eine Anpassung der Finanzierungslinie beim CO2-Ge-
bäudesanierungsprogramm an den Bedarf vorgeschla-
gen. Sie haben das abgelehnt. Wie hat sich das Haus-





Uwe Beckmeyer


(A) (C)



(D)(B)

haltsvolumen entwickelt? Es ist nicht besser geworden.
Herr Minister, Sie ruhen sich auf dem aus, was Ihr Vor-
gänger Ihnen hinterlassen hat. Aber es kommen keine
neuen Impulse.


(Beifall bei der SPD)


Wie hat sich die Personalausstattung dieses Hauses ver-
ändert? Unsere Anträge hierzu sind ebenfalls abgelehnt
worden. Wir hingegen haben den nachdrücklichen Ein-
druck, dass es aus sicherheitstechnischen Gründen wich-
tig ist, beim EBA etwas zuzulegen, dass wir bei der
Stellenbewertung der Mitarbeiter des Deutschen Wetter-
dienstes Handlungsbedarf haben usw.


(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Wie verträgt sich das mit Ihrer Kritik, Herr Beckmeyer?)


Meine sehr geehrten Damen und Herren von der
christdemokratischen Union, was ist eigentlich aus Ih-
rem eigenen Haushaltsbeschluss geworden? Sie haben
zum Beispiel gefordert, dass ein zukunftsweisendes und
nachhaltiges Gesamtkonzept vorgelegt wird. Haben Sie
das eigentlich bekommen? Ich suche noch immer da-
nach. Den Beschluss habe ich aber wohlweislich auf
meinem Schreibtisch liegen lassen. Ich habe gedacht: Ir-
gendwann kommen Sie damit.

Sie haben keine Transparenz. Sie haben keine Klar-
heit bei der mittelfristigen Finanzplanung. So etwas gibt
es nicht.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das musste einmal gesagt werden!)


Das Problem ist: Ich sehe auch keine weiteren Erfolge
beim Minister. Fehlanzeige!

Eines will ich Ihnen sagen: Das, was beim kombinier-
ten Verkehr geschieht, ist zwar nur eine Kleinigkeit,
macht aber eine Tendenz deutlich. Wir haben 170 Kom-
biverkehrsanlagen in Deutschland; aber ein Großteil da-
von ist veraltet. Es werden keine neuen Impulse gege-
ben, Frau Winterstein. Es gibt keine Impulse für neue
Verkehrsanlagen und für neue Logistikkonzepte. Das al-
les fehlt. Sie streichen das Geld zusammen, obwohl von
privaten Unternehmen Investitionen in Höhe von
450 Millionen Euro angefordert werden. Das ist schwie-
rig.


(Beifall bei der SPD – Patrick Döring [FDP]: Wir haben 185 Millionen Euro angeboten!)


In der Wirtschaftskrise, in der 25 Prozent des KV-Ver-
kehrs wegbrechen, weil weniger transportiert wird, legen
Sie gleichzeitig ein Gigaliner-Programm auf, das den
Schienenverkehr erneut belastet.


(Beifall bei der SPD)


Dazu kommt, dass Sie Mittel kürzen. Das nennen Sie die
entsprechende Förderung von Schienenverkehr. Sie ma-
chen genau das Gegenteil. Sie demontieren den Güter-
verkehr auf der Schiene. Das ist leider die entspre-
chende Konsequenz.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Patrick Döring [FDP]: Überhaupt nicht!)

Wenn Sie dann auch noch sagen, wir hätten noch eine
Chance beim Transrapid, frage ich mich, was Sie bauen
wollen. Wollen Sie den Starnberger See umrunden mit
einer Gedächtnisbahn für Edmund Stoiber mit Halt in
Wolfratshausen, oder was soll daraus werden?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Schön wäre es!)


Es ist merkwürdig, dass Sie Geld für diese Verlängerung
haben.

Ich hätte das gern auf Bayrisch gesagt; das wäre ein
bisschen fröhlicher gewesen. Ich hätte gern auch noch
etwas zur DB AG, deren Aufsichtsrat und der Personal-
findung dort, gesagt; aber das ist angesichts meiner fort-
geschrittenen Redezeit nicht mehr möglich.

Unter dem Strich muss ich sagen: Dieser Haushalt ist
im Volumen geprägt durch den Vorgänger


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: So viel Anerkennung für Tiefensee haben Sie früher nie aufgebracht!)


und hat durch Sie eine Verschlechterung und keine Ver-
besserung erfahren. Sie haben wichtige Impulse nicht
gesetzt. Aus diesem Grunde kann ich Ihnen nur sagen:
Wir werden diesen Haushaltsentwurf, den Sie vorgelegt
und verschlechtert haben, ablehnen. Ich hoffe, dass Sie
bei der Frage der Pkw-Maut konsequent sind. Wir haben
einen entsprechenden Entschließungsantrag vorbereitet,
dem Sie zustimmen können. Wir hoffen auf Ihre Unter-
stützung.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702917600

Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat

jetzt das Wort der Kollege Patrick Schnieder von der
CDU/CSU-Fraktion.


Patrick Schnieder (CDU):
Rede ID: ID1702917700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Bun-
deshaushalt 2010 legt die Koalition ein Zahlenwerk vor,
das einerseits ihren Konsolidierungswillen bezeugt und
andererseits deutlich macht, dass wir weiterhin den
Wachstumspfad beschreiten. Die Folgen der Finanz- und
Wirtschaftskrise sind noch nicht überwunden. Deshalb
ist es wichtig, die Investitionen auf hohem Niveau zu
halten. Damit werden wir Wachstumsimpulse setzen
sowie Arbeitsplätze schaffen und sichern.

Deshalb kommt dem Einzelplan 12, der den größten
Investitionsetat des Bundes darstellt, besondere Bedeu-
tung in konjunktur- und wachstumspolitischer Hinsicht
zu. Wir setzen das Signal auf Vorfahrt für Investitionen.
Wir machen mit diesem Haushalt deutlich: Es werden
wichtige und richtige verkehrs- und baupolitische Ak-





Patrick Schnieder


(A) (C)



(D)(B)

zente gesetzt. Ich sage das deshalb in dieser Deutlich-
keit, sehr geehrter Herr Kollege Beckmeyer,


(Zuruf von der SPD: Guter Mann!)


verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, weil
das, was Sie hier bisher präsentiert haben, ein Dreiklang
ist, der äußerst dissonant klingt. Sie lehnen alle Einspar-
vorschläge ab. Sie fordern Haushaltssanierung ein, aber
Sie wollen die Ausgaben ausweiten. Ich frage mich, wie
das zusammenpasst. Das hat mit der Realität nichts mehr
zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Johannes Kahrs [SPD]: Ihre Rede auch nicht!)


Sie können auch beim CO2-Gebäudesanierungspro-
gramm diese Kluft in der Argumentation nicht überwin-
den. Wir setzen diese Erfolgsgeschichte fort. Deshalb ist
es richtig, dass wir das Volumen des Programms um
400 Millionen Euro auf 1,5 Milliarden Euro ausweiten.
Es ist in der Tat bemerkenswert, dass Sie von der SPD
diese Ausweitung des Programms im Haushaltsaus-
schuss abgelehnt haben.


(Johannes Kahrs [SPD]: Das ist keine Ausweitung!)


– Das ist eine Ausweitung. 400 Millionen Euro plus ist
eine Ausweitung und keine Einsparung.


(Johannes Kahrs [SPD]: Das ist kein Plus! – Roland Claus [DIE LINKE]: Organisierter Selbstbetrug!)


Wir brauchen eine Verstetigung dieser Mittel. Wir ha-
ben im Jahre 2009 einen Abfluss von über 2 Milliarden
Euro gehabt. Es gibt weiterhin großen Bedarf. Deshalb
werden wir für das Jahr 2010 1,5 Milliarden Euro vorse-
hen.


(Johannes Kahrs [SPD]: Keine Ahnung vom Haushalt! – Florian Pronold [SPD]: Und für 2011?)


Wenn Sie das Ziel verfolgen würden, den Haushalt zu
sanieren und gleichzeitig Investitionsanreize zu schaf-
fen, dann wären Sie, als es um diese Frage ging, mit da-
bei gewesen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Johannes Kahrs [SPD]: Lesen Sie mal unsere Anträge!)


Denn dieses Programm hat sowohl klima- bzw. energie-
politisch als auch ökonomisch herausragende Bedeu-
tung. In diesem Bereich können wir, jedenfalls nach Ein-
schätzung der dena, bis zum Jahr 2020, verglichen mit
dem Jahr 2005, Energieeinsparungen in Höhe von etwa
19 Prozent generieren. Hier gibt es also erhebliche Kli-
maschutzpotenziale. Wenn der Bedarf im Moment groß
ist, dann müssen wir dem nachgehen.

Zum Zweiten werden mit diesen 1,5 Milliarden Euro
Investitionen in Höhe mehrerer Milliarden Euro angesto-
ßen. Das trägt zur Stabilisierung der Konjunktur bei. Das
erhält und schafft Arbeitsplätze im Handwerk und im
Mittelstand.

Nicht zu vernachlässigen ist die Tatsache – auch das
sei Ihnen ins Stammbuch geschrieben –, dass geringere
Energiekosten natürlich auch die Kaufkraft und Wirt-
schaftsleistung der Eigentümer und Nutzer erhöhen. In-
sofern hat dieses Programm durchaus auch eine soziale
Note.

Ich persönlich freue mich sehr darüber, dass wir mit
dem Städtebauförderprogramm für kleinere Städte
und Gemeinden den ländlichen Raum in den Mittel-
punkt rücken. Als Abgeordneter eines sehr ländlich
strukturierten Wahlkreises weiß ich zu schätzen, dass wir
damit Defizite im ländlichen Raum ausgleichen und
Antworten auf den demografischen Wandel, die Alte-
rung der Gesellschaft, den Bevölkerungsrückgang und
die Wanderungsbewegungen geben können.

Wir müssen uns vor Augen halten, dass gerade in
dünn besiedelten Räumen kleinere Städte Ankerpunkte
sind, in wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Hin-
sicht. Wir stellen für dieses neue Programm zusätzliche
Mittel zur Verfügung, um diese Ankerpunkte in Zukunft
zu stärken.

Auch im Hinblick auf das Förderprogramm zur Stär-
kung der Innenentwicklung in den Städten und Ge-
meinden gibt es eine große Nachfrage. Dieses Programm
ist heute deutlich überzeichnet. Deshalb ist die Aufsto-
ckung um 20 Millionen Euro mehr als geboten. Es ist
auch der ausdrückliche Wunsch der Bundesländer und
der kommunalen Spitzenverbände, dass hier zusätzliche
Mittel eingestellt werden. Im Übrigen setzen wir damit
sehr zügig eine Festlegung des Koalitionsvertrages zur
Stärkung der Innenentwicklung unserer Kommunen um.

Dieser Haushalt setzt unter dem Strich wichtige Ak-
zente, sowohl im Verkehrs- als auch im Baubereich. Er
fördert Investitionen. Er stimuliert Wachstum. Er sichert
Arbeitsplätze.


(Johannes Kahrs [SPD]: Und Weihnachten fällt auf Ostern!)


Damit verfolgen wir wichtige Ziele in der Verkehrspoli-
tik, sowohl was die Anbindung der Metropolregionen
angeht als auch – hier mit einem ganz neuen Akzent –
was die Anbindung der ländlichen Räume angeht. Wir
verfolgen wichtige Ziele im Bereich des Klimaschutzes.


(Florian Pronold [SPD]: Verfolgen heißt nicht erreichen!)


Mit den Programmen im Bereich der Stadtentwicklung
werden wir dem demografischen Wandel erfolgreich be-
gegnen.

Insofern sage ich Ihnen, lieber Herr Pronold von der
SPD: Die Koalition verfolgt weiter entschlossen ihre
Ziele in der Verkehrs- und der Baupolitik,


(Johannes Kahrs [SPD]: Wenn sie sich denn mal einig wird!)


wir verfolgen unsere Ziele beim Klimaschutz





Patrick Schnieder


(A) (C)



(D)(B)


(Johannes Kahrs [SPD]: Welche Ziele verfolgen Sie denn? – Florian Pronold [SPD]: Sie müssen sie erreichen, nicht nur verfolgen!)


und bei der Bewältigung des demografischen Wandels.
Dabei setzen wir auf lebendige Städte und Gemeinden.


(Johannes Kahrs [SPD]: Welche Ziele meinen Sie denn?)


– Wenn Sie richtig zugehört hätten, Herr Kahrs, dann
hätten Sie das im Laufe dieser Debatte mitbekommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702917800

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 12, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt-
entwicklung, in der Ausschussfassung.

Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die
Linke vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt
für den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf
Drucksache 17/1012? Ich bitte um das Handzeichen. –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Ände-
rungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koaliti-
onsfraktionen bei Zustimmung der Fraktion Die Linke
und Enthaltung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen.

Wer stimmt für den Einzelplan 12 in der Ausschuss-
fassung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Einzel-
plan 12 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen an-
genommen.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt I.8 auf:

Einzelplan 16
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit

– Drucksachen 17/615, 17/623 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Bernhard Schulte-Drüggelte
Sören Bartol
Heinz-Peter Haustein
Michael Leutert
Sven-Christian Kindler

Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion
Die Linke und ein Änderungsantrag der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen vor. Außerdem liegt ein Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor,
über den wir am Freitag nach der Schlussabstimmung
abstimmen werden.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. Gibt es
anderweitige Meinungen, Widerspruch? – Nein. Dann
ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner dem Kollegen Sören Bartol von der SPD-Fraktion
das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Schon wieder? Hat der sonst nichts zu tun?)



Sören Bartol (SPD):
Rede ID: ID1702917900

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! In der ersten Lesung des Bundeshaushalts
2010, kurz nach der Klimakonferenz von Kopenhagen,

Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1702918000
Jetzt erst recht
machen wir Klimaschutz.

Heute, am 16. März, acht Wochen und die Beratung
des Haushaltsplans später, müssen wir feststellen: Im
Haushaltsplan für das Jahr 2010 gibt es keine Anhalts-
punkte dafür, dass die Ankündigungen des Herrn Minis-
ters mehr sind als leere Worte. Wo sind die 420 Millio-
nen Euro, die Deutschland für den internationalen
Klimaschutz zur Verfügung stellen wollte? Was ist aus
der Zusage der Kanzlerin gegenüber der Welt geworden?
Nichts, was unserem eigenen Anspruch an nachhaltigen
Klimaschutz entspricht.

Am Tag der Bereinigungssitzung kam die Koalition
mit ihrem Vorschlag, wie sie die Zusagen, die in Kopen-
hagen gegeben worden sind, umsetzen will: für Klima-
schutzmaßnahmen in Entwicklungsländern 35 Millionen
Euro im Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaft-
liche Zusammenarbeit und Entwicklung und 35 Millio-
nen Euro im Haushalt des Umweltministeriums. Da kann
man rechnen, so viel man will: Das ergibt nur 70 Millio-
nen Euro, nicht aber 420 Millionen Euro. Das ist also ge-
rade einmal ein Sechstel der zugesagten Summe.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Selbst dieses Geld haben Sie an anderer Stelle klamm-
heimlich wieder kassieren wollen, und zwar ausgerechnet
dort, wo es um unsere weltweite Verantwortung für den
Klimaschutz geht: 35 Millionen Euro wollten Sie beim
weltweiten Umweltschutz im Entwicklungshaushalt kür-
zen, und 35 Millionen Euro wollten Sie bei den Investi-
tionen in Klimaschutz und Schutz der Biodiversität im
Ausland kürzen. Das ist die Methode: Mit der einen Hand
geben, mit der anderen Hand nehmen.


(Ulrich Kelber [SPD]: Das ist der echte Röttgen!)


Für wie dumm halten Sie die Menschen? Meinen Sie,
die würden das nicht merken?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Immerhin ist es dank unseres Einschreitens nicht so weit
gekommen.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


– Die Sondersitzungen und Unterbrechungen sind mir
noch bewusst. Aber ich bin ja froh, dass die Koalition in
den Beratungen schließlich doch unserem Vorschlag ge-
folgt ist, wenigstens 70 Millionen Euro zur Verfügung zu
stellen. Diese 70 Millionen Euro bleiben aber ein Skan-





Sören Bartol


(A) (C)



(D)(B)

dal; denn sie sind weit weniger als die angekündigten
420 Millionen Euro, die zusätzlich für den Klimaschutz
versprochen worden sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Nun aber zu einem weiteren Punkt: Förderung der
erneuerbaren Energien. Hier ist das, was Sie vorgeführt
haben, zwar bühnenreif, aber leider keine reife Leistung.
Zunächst war im Haushaltsentwurf für 130 Millionen
Euro zur Förderung erneuerbarer Energien eine Sperre
vorgesehen. Nach heftiger Diskussion im Haushaltsaus-
schuss wurde diese Sperre mit Zustimmung aller Frak-
tionen aufgehoben. Es folgte eine erneute Beratung, in
der der Ansatz von der Koalition um 15 Millionen Euro
auf 452 Millionen Euro reduziert wurde. Davon haben
Sie in einem letzten Hauruckverfahren noch einmal
115 Millionen Euro mit einem Sperrvermerk versehen.
Das ergibt am Ende der Beratungen faktisch 130 Millio-
nen Euro weniger als im Vorjahr – trotz all Ihrer Bekun-
dungen im Vorfeld, trotz der Erklärungen der Koalition in
der ersten Lesung des Haushalts.

Der geschätzte Kollege Schulte-Drüggelte aus Ihren
Reihen hat das in der Sitzung am 21. Januar 2010 scharf
kritisiert. Er sagte – ich zitiere ihn –:

Wenn man das so wie jetzt geplant machte, würde
darunter das Marktanreizprogramm besonders lei-
den.


(Zuruf von der SPD: Da hat er recht!)


Das führte wieder zu einer Stop-and-go-Förderung.
Das wäre für dieses Programm nicht gut.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Sperre führt dazu, dass in diesem Jahr praktisch
keine neuen Anträge auf Solarkollektoren, effizientere
Wärmepumpen oder Pelletkessel angenommen werden
können. Damit wird es einen deutlichen Einbruch bei
den erneuerbaren Energien geben, und dieser Einbruch
wirkt nach. Dadurch wird das Vertrauen in die Verläss-
lichkeit der Förderung untergraben. Hausbesitzer, Unter-
nehmer und Kommunen werden künftig wieder ohne er-
neuerbare Energien planen, weil sie keine Hilfe bei der
Überwindung der Kostenklippe sehen. Sie, meine Da-
men und Herren der Koalition, verspielen mit einer sol-
chen Entscheidung die Chance, die auch von Ihnen ge-
tragenen Klimaschutzziele zu erreichen.

Die Erlöse aus den Emissionszertifikaten sind aus
dem Umwelthaushalt in den Einzelplan 60 – Allgemeine
Finanzverwaltung – verlagert worden. Diese Entschei-
dung ist sachlich durchaus begründet, stellen diese Ein-
nahmen doch einen Teil der generellen Einnahmen des
Bundes dar.

Damit war jedoch die Hoffnung verbunden, dass die
direkte Kopplung der Förderung erneuerbarer Energien
an die Erlöse aus dem Emissionshandel aufgehoben oder
gelockert wird. Leider haben sich Union und FDP zu
diesem sinnvollen Schritt aber nicht entschließen kön-
nen. Die Kopplung an die Emissionshandelserlöse
bleibt uns erhalten, mit der fatalen Folge, dass mit sin-
kenden Erwartungen an die Erlöse auch die Investitionen
in die erneuerbaren Energien sinken. Statt ursprünglich
915 Millionen Euro erwartet die Regierung nur noch
Einnahmen in Höhe von 815 Millionen Euro. Wahr-
scheinlich werden es noch weniger. Damit steht auch
weniger für die Förderung erneuerbarer Energien zur
Verfügung. Eine aktive, vorausschauende Klimaschutz-
politik ist mit diesen Fußfesseln nicht möglich.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren der Koalition, dass Sie
nicht vorhaben, erneuerbare Energien zu fördern, wissen
wir ja spätestens seit Ihren Überlegungen zu den Lauf-
zeiten von Atomkraftwerken.


(Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Das ist doch völliger Unfug!)


Herr Röttgen, Sie versuchen immerhin, den gröbsten
Auswüchsen zu begegnen und ganz langsam moderate
Laufzeitverlängerungen ins Gespräch zu bringen. An
den Reaktionen der Koalition zeigt sich, dass Sie mit
diesem Standpunkt in Ihren Reihen alleine dastehen.

Doch auch Ihre Haltung zur Atomenergie, Herr Rött-
gen, ist unverantwortlich; denn selbst für den bisher ent-
standenen Atommüll gibt es keine technisch ausgereifte
oder finanzierbare Endlagerung. Die Frage, wer die un-
weigerlich auf uns zukommenden Kosten für die Endla-
gerung tragen wird, ist nicht beantwortet. Sehenden Au-
ges in die Katastrophe!


(Michael Kauch [FDP]: Was haben Sie in Ihrer Regierungszeit gemacht?)


Jeder Tag längere Laufzeit bedeutet jeden Tag neuen
strahlenden Müll für unsere Kinder.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Minister Röttgen, wie soll es denn jetzt eigentlich mit
der Asse weitergehen? Experten empfehlen das Zurück-
holen des gesamten dort gelagerten Atommülls. In Ihrem
Haushalt zeigen Sie darauf aber keine Reaktion. Sie,
Herr Minister Röttgen, haben den Ansatz für die Asse
noch einmal um 20 Prozent auf 75 Millionen gekürzt –
wider besseres Wissen; denn im Grünbuch geben Sie ja
selber an, dass hierfür jährlich 98 Millionen Euro not-
wendig wären. Es drängt sich der Verdacht auf, dass Sie
auch in dieser Frage, wie bei so vielen anderen, auf Zeit
spielen. Machen Sie sich bitte klar, dass die Zeit an die-
ser Stelle definitiv gegen Sie arbeitet und dass die Men-
schen und vor allen Dingen die Umwelt nicht beliebig
auf eine Lösung warten können.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Jetzt wollen Sie Gorleben wieder beleben und den
Atommüll ins Wendland kippen. Sie setzen auf ein totes
Pferd. In diesem Salzstock mit seiner unrühmlichen Ge-
schichte sind bereits 1,5 Milliarden Euro verbaut wor-





Sören Bartol


(A) (C)



(D)(B)

den. Für die von Ihnen geplante Erkundung – das sagen
Sie ja selbst – wird mindestens derselbe Betrag erforder-
lich sein. Das Problem der Endlagerung wird aber auch
dadurch nicht gelöst. Für dieses Problem gibt es einfach
keine Lösung. Allein schon deshalb können wir die
Atomkraft nicht weiter verantworten.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Das, was Sie hier machen, ist verantwortungslos! – Gegenruf des Abg. Ulrich Kelber [SPD]: Sie sind die Kürzungskönige bei den erneuerbaren Energien!)


– So ist es.

Zum Abschluss noch eine Bemerkung zu einem
scheinbar kleinen Detail des Haushalts. 106 neue Perso-
nalstellen werden gefordert. Das ist eine Steigerung der
Zahl der Stellen um fast 4 Prozent innerhalb eines Jahres.
Darunter befinden sich sieben neue Stellen für den Lei-
tungsbereich. Ob diese Aufstockung angesichts der Haus-
haltslage wirklich nötig ist, sei einmal dahingestellt.

Zusätzlich wollen Sie Ihren Leitungsbereich um-
bauen. Das kostet – so ist es jetzt beschlossen worden –
die Kleinigkeit von 2 Millionen Euro. Das Geld dafür
kommt – jetzt frage ich einmal, wen das überrascht – aus
einer Kürzung der Mittel für die Förderung von Einzel-
maßnahmen zur Nutzung der erneuerbaren Energien.


(Ulrich Kelber [SPD]: Unglaubliche Selbstbedienung!)


Das ist von der Größenordnung her vielleicht nicht die
bedeutsamste Position, doch sie ist bezeichnend für die
Umwelt- und Haushaltspolitik dieser Regierung und die-
ser Koalition: nicht in die gute Sache investieren, son-
dern in die eigenen Interessen.

Diese Haltung machen wir nicht mit. Deshalb werden
wir dem Haushalt 2010 und vor allen Dingen dem Ein-
zelplan 16 unsere Zustimmung verweigern.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702918100

Der Kollege Bernhard Schulte-Drüggelte spricht nun

für die Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Unser bester Mann!)



Bernhard Schulte-Drüggelte (CDU):
Rede ID: ID1702918200

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

legen! Ich möchte mich zu Beginn bei allen bedanken,
die intensiv an den Beratungen teilgenommen haben,
auch bei Ihnen, Kollege Bartol. Bei den Beratungen ha-
ben Sie auch vernünftige Dinge gesagt; ich möchte das
nicht abstreiten. Man konnte das eben aber nicht so ge-
nau erkennen; deshalb will ich das einmal sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sören Bartol [SPD]: Aber ich habe doch ordentlich zitiert, oder?)


– Ja.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Sören Bartol [SPD]: Na also!)


Ich möchte ganz deutlich sagen, dass die Koalition
trotz der Wirtschaftskrise an ihren ambitionierten Zielen
festhält. Das bedeutet, dass die Treibhausemissionen bis
2020 gegenüber 1990 um 40 Prozent gesenkt werden
sollen. Dabei bleibt es bei aller Anstrengung um die
Konsolidierung des Bundeshaushalts.

Dass bei den Haushaltsberatungen eine Senkung der
Neuverschuldung um über 5 Milliarden Euro erreicht
wurde, ist schon eine bemerkenswerte Leistung. Es ist
schön, zu sehen – als Mitglied des Haushaltsausschusses
und als jemand, der an den Beratungen teilnimmt, muss
ich das sagen –, dass dabei auch einmal etwas Vernünfti-
ges herauskommt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es wurde bei allen Ressorts gespart. Trotzdem – ich
will das nicht so negativ sehen, wie Sie es gerade vorge-
tragen haben – erfährt der Haushalt des Umweltministers
einen leichten Aufwuchs, und zwar um 7,9 Millionen
Euro auf insgesamt rund 1,6 Milliarden Euro,


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Hört! Hört! Trotz Sparbemühungen!)


und dies ganz besonders für den Klimaschutz. 1,6 Milli-
arden Euro hören sich vielleicht nicht nach einer beson-
ders großen Summe an. Alle, die sich mit dem Thema
befasst haben, wissen aber, dass Umweltschutz eine
Querschnittsaufgabe ist und andere Ministerien beteiligt
sind. Wir haben gerade erst intensiv über die Mittel für
das Gebäudesanierungsprogramm diskutiert, die eine
ähnliche Größenordnung haben.

Herr Bartol, Sie haben gerade den Titel „Klima-
schutzmaßnahmen in Entwicklungsländern“ angespro-
chen. Im Haushaltsausschuss wurde darüber wirklich
sehr intensiv diskutiert. Dieser Titel wurde neu geschaf-
fen. Im Umweltministerium wurden 35 Millionen Euro
zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig wurden im Ministe-
rium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung noch einmal 35 Millionen Euro zur Verfügung ge-
stellt.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da wurde aber mehr versprochen! Das ist es doch!)


– Das sage ich doch gerade. Insgesamt war ein Betrag
von 420 Millionen Euro angesetzt. 350 Millionen Euro
können aus bestehenden Haushaltstiteln finanziert wer-
den.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zusätzliches Geld war versprochen!)


70 Millionen Euro kommen dazu. Das ist ein erfreuli-
ches Ergebnis dieser Haushaltsberatungen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)






Bernhard Schulte-Drüggelte


(A) (C)



(D)(B)

Das bedeutet, dass diese Koalition, was internationale
Verpflichtungen angeht, eindeutig zu ihren Aussagen
steht. Das muss man einmal ganz deutlich sagen.


(Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch eine Lüge!)


– Wieso ist das eine Lüge? Ich habe doch gerade erklärt,
wie das zusammenhängt.


(Zurufe von der CDU/CSU)


– Er sollte das mal nachlesen.

Gelungen ist eine systematische Veränderung. Das
betrifft die Einnahmen aus dem Verkauf von CO2-
Emissionszertifikaten, die bisher im Einzelplan des
Umweltministeriums angesetzt wurden und jetzt zur All-
gemeinen Finanzverwaltung gehören. Das war eine sehr
richtige Entscheidung. Dadurch wurde unter anderem
die Forderung aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt,
nach der alle Einnahmen dem Gesamthaushalt zur Verfü-
gung stehen müssen.

Ich möchte eines ganz deutlich sagen: Die Haushalts-
titel, die klimaschützende Maßnahmen betreffen, dürfen
nicht vom Auf und Ab der Börsen beeinflusst werden.
Der Handel mit Emissionszertifikaten darf die Investitio-
nen in den Klimaschutz nicht beeinträchtigen. Das muss
man trennen. Das ist unsere klare Zielsetzung.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich zitiere dazu Kanzlerin Merkel:

Niemals dürfen wir zulassen, dass die weltweite
Finanz- und Wirtschaftskrise eine billige Ausrede
für mangelnden Schutz unserer Umwelt wird. Das
wäre einer der größten Fehler, die wir machen
könnten.

Das steht in der Regierungserklärung der Bundeskanzle-
rin vom November 2009.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit der Haushaltssperre?)


Es ist eine klare Ansage, die die Notwendigkeit unter-
streicht, dass wir die Investitionen in den Klimaschutz
von den Schwankungen der Börse trennen müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Im Einzelplan des Umweltministeriums wurden des-
halb die Forschungsausgaben im Bereich der erneuer-
baren Energien gesteigert. Es sind je 5 Millionen Euro
mehr für Forschung und Entwicklung sowie für Investi-
tionszuschüsse vorgesehen. Dieser deutliche Anstieg der
Forschungsförderung im Bereich der erneuerbaren Ener-
gien ist richtig und wichtig für den Schutz des Klimas,
aber auch für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt.

Ich möchte dem Umweltminister ausdrücklich zu-
stimmen, wenn er sagt:

Wir brauchen die Innovationen und die Modernisie-
rung … Es ist ein Prozess der ökologischen Verän-
derung, der Veränderung der Lebensweise und der
Art, zu wirtschaften. Am allermeisten ist es aber
auch ein Prozess der wirtschaftlichen Modernisie-
rung unseres Landes.

Die Erzeugung erneuerbarer Energien muss konti-
nuierlich weiterentwickelt werden. Nur so können Kos-
ten gesenkt und Marktreife und Wettbewerbsfähigkeit
möglichst schnell hergestellt werden. Ein Schlüsselwort
in diesem Zusammenhang ist Nachhaltigkeit. Nachhal-
tigkeit ist in unserem ureigenen Interesse, auch in unse-
rem ureigenen ökonomischen Interesse, um das ganz
deutlich zu sagen.

Wie aber auch angesprochen wurde, gibt es im Ein-
zelplan 16 auch Einsparungen. Im Verwaltungshaushalt
haben alle Ministerien ihren Beitrag geleistet. Betroffen
war aber auch der Programmhaushalt des Umweltminis-
teriums; das ist klar. Die Streichungen sind jedoch nicht
nach der Rasenmähermethode erfolgt.

Ich möchte einen Bereich besonders herausgreifen,
und zwar den Titel „Zuschüsse zum Kauf von Partikel-
filtern“. Im vergangenen Jahr gab es hier einen Ausgabe-
rest von 43 Millionen Euro, der 2010 genutzt werden
kann. Aufgrund dieser hohen Haushaltsreste konnte der
Ansatz 2010 gesenkt werden, ohne dass es dabei zu Be-
einträchtigungen kommt.

Ich möchte aber auf das Problem hinweisen, dass
viele zu Beginn des Jahres, als der Haushalt noch nicht
verabschiedet war, im Vertrauen auf eine Förderung ihr
Fahrzeug mit einem Partikelfilter nachgerüstet haben.
Ich meine, dass alle diejenigen, die das getan haben,
nicht außen vor bleiben dürfen. Ich hoffe, dass zwischen
dem Umweltministerium und dem Finanzministerium
eine faire Regelung im Interesse derjenigen gefunden
wird, die Vertrauen in die Koalition gehabt haben.


(Ulrich Kelber [SPD]: Vor allem eine schnelle Regelung, Herr Minister!)


– Welcher Minister?


(Ulrich Kelber [SPD]: Der da!)


– Ich habe mich gerade gefragt, ob Sie den Finanzminis-
ter oder den Umweltminister meinen.

Einsparungen wurden auch beim Marktanreizpro-
gramm und beim Endlager Morsleben vorgenommen.
Aber besonders die neue Veranschlagung der Einnahmen
aus dem Verkauf der Emissionszertifikate ist eine gute
Vorbedingung für nachhaltigen Klimaschutz, unabhän-
gig von kurzfristigen Preisschwankungen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, mit dem
Bundeshaushalt 2010 ist deutlich geworden, dass die
christlich-liberale Koalition langfristig agiert und ver-
lässliche Rahmenbedingungen im Bereich Umwelt und
Klimaschutz gesetzt hat. Ich setze mich mit meinen Kol-
legen dafür ein, dass das 2011 so weitergeht.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702918300

Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin Eva

Bulling-Schröter das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)







(A) (C)



(D)(B)


Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702918400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das Fraunhofer-Institut ist gerade in einem Gutachten zu
einem interessanten Ergebnis gekommen, nämlich dass
in der Bundesrepublik, will man die internationale
Marktfähigkeit der Fotovoltaikunternehmen hierzulande
erhalten, genau das Gegenteil von dem getan werden
muss, was die Bundesregierung vorhat. Schwarz-Gelb
will die Einspeisevergütung für Solarstrom über die
planmäßige Degression hinaus einmalig um 16 Prozent
kappen. Das aber wäre der GAU für viele heimische So-
larunternehmen, gerade in Ostdeutschland, wo diese Be-
triebe vielfach über die EEG-Umlage hinaus zu Beginn
auch öffentliche Fördergelder der Länder erhalten haben,
aber auch in Westdeutschland, zum Beispiel in Bayern,
meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Was für
ein wirtschafts- und finanzpolitischer Unsinn; das muss
ich Ihnen einmal sagen! Denn am Ende gehen durch
diese Politik nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch Steu-
ereinnahmen verloren.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir sind für eine Absenkung; denn es stimmt, dass
die Produktionskosten deutlich stärker gesunken sind,
als das bei der garantierten Vergütung vorgesehen war.
Aber das Ausmaß der Minderung muss stimmen; es darf
eben nicht die Firmen killen. Das sollte auch die FDP
begreifen, die sich ja gern als Hüterin des Mittelstands
ausgibt. Laut Fraunhofer-Institut wären einmalig maxi-
mal 6 bis 10 Prozent an zusätzlicher Absenkung gerecht-
fertigt und nicht 16 Prozent. Wir unterstützen dies.


(Beifall bei der LINKEN)


In diesem Zusammenhang wäre es im Übrigen sinn-
voll, nicht jährlich, sondern quartalsweise abzusenken.
Gegen Jahresende drängeln sich die Aufträge für die
Handwerker enorm, nach Silvester ist dann erst einmal
monatelang Schicht im Schacht, und das macht keinen
Sinn.

Laut Fraunhofer-Institut sollte auch die deutsche For-
schungs- und Entwicklungsförderung bei erneuerba-
ren Energien deutlich ausgebaut werden. Die deutschen
Hersteller, so heißt es, seien gegenüber den asiatischen
nur dann konkurrenzfähig, wenn sie die technologische
Führung innehätten. Der Bundeshaushalt sieht hier aber
keinerlei Aufstockung vor. Das wundert mich ein wenig;
denn Bundesumweltminister Röttgen verkündete ja ge-
rade überall, was nach dem Scheitern von Kopenhagen
besonders wichtig sei, nämlich Umweltpolitik von un-
ten. Vielleicht meint er nicht gerade, dass eine Blockade
vor einem Kohlekraftwerk organisiert werden sollte;
aber wenigstens sollten auf nationaler Ebene erneuerbare
Energien und Energieeffizienz vorangebracht werden,
egal was auf UN-Ebene herauskommt – er nickt –; denn
– so seine durchaus nachvollziehbare Logik –: Wenn wir
das Geschäft nicht machen, dann machen es die Chine-
sen.

Dann frage ich mich aber, warum die Mittel für For-
schungs- und Entwicklungsvorhaben bei erneuerbaren
Energien nicht angehoben werden, sondern bei 65 Milli-
onen Euro verharren. Die Linke fordert hier eine Ver-
dreifachung. Dies nutzt langfristig Klimaschutz und Be-
schäftigung gleichermaßen.

Wenn wir schon bei den verschiedenen Umlagen und
Zuschüssen zur Förderung erneuerbarer Energien sind,
möchte ich eines sagen: Die Linke steht auch bei der
Branche der erneuerbaren Energien für gute Arbeit und
Mitbestimmung. Es kann nicht sein, dass hier manche
Firmen seit Jahren den Belegschaften Betriebsräte ver-
weigern und Tarifflüchter sind. Ich sage an dieser Stelle
ganz deutlich: Wer bei den finanziellen Rahmenbedin-
gungen keine FDP-Verhältnisse will, sollte sie auch sei-
nen Beschäftigten nicht zumuten.


(Beifall bei der LINKEN)


Das größte umwelt- und entwicklungspolitische De-
saster dieses Haushalts findet sich in der Finanzierung
des internationalen Klimaschutzes. Bundeskanzlerin
Merkel hatte in Kopenhagen für die Schnellstartphase
2010 bis 2012 immerhin 420 Millionen Euro jährlich zu-
gesagt. Das wäre unserer Ansicht nach zu wenig, aber
für den Anfang schon eine Hausnummer. Mit den Gel-
dern sollen globale Klimaschutzprojekte im Süden fi-
nanziert werden. Das ist ein Teil des Deals, damit der
Norden mit seinen vielfach höheren Emissionen nicht
gleich seine Volkswirtschaften abwürgen muss, um das
2-Grad-Ziel einzuhalten. Darüber hinaus sollten damit
Maßnahmen zur Anpassung an den hauptsächlich von
uns verursachten Klimawandel bezahlt werden, der Bau
von Dämmen gegenüber Überschwemmungen etwa oder
die Entwicklung salzresistenter Getreidesorten.

Was ist nun dabei herausgekommen in der Nacht der
langen Messer? Gerade einmal 70 Millionen von den
420 Millionen Euro sind frisches Geld. Der Rest sind
nichts weiter als Mittel, die längst schon für andere Ver-
sprechen verplant waren,


(Zuruf von der LINKEN: Peinlich, peinlich!)


beispielsweise für den internationalen Biodiversitäts-
schutz und für Regenwaldprojekte. Hier hat die Kanzle-
rin bei der CBD 2008 in Bonn ebenfalls großspurig Zu-
sagen gemacht. Das alles wird miteinander verrechnet.
Ich meine, dies ist nicht Zahlenakrobatik, sondern Vor-
spiegelung falscher Tatsachen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Kürzen Sie lieber bei solch überflüssigen Posten wie der
CDM/JI-Initiative des BMU. Mit Emissionsgutschriften
aus vermeintlichen Klimaschutzprojekten in Entwick-
lungsländern wird schon genug Geld verdient, und das,
obwohl viele dieser Projekte für keinen zusätzlichen Kli-
maschutz sorgen und überdies nicht nachhaltig sind.

Mir liegt eine aus Indien stammende Broschüre mit
dem Titel „Money for nothing“ zum CDM vor, die in der
nächsten Woche bei Misereor vorgestellt wird. Wir alle
sollten diese Broschüre genau lesen und die Konsequen-
zen daraus ziehen; denn wenn Geld für Klimaschutz ein-
gesetzt wird, dann sollte es erfolgreich sein und nicht für
CDM ohne irgendwelche Wirkungen verprasst werden.

Danke.





Eva Bulling-Schröter


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702918500

Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Heinz-Pe-

ter Haustein das Wort.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Heinz-Peter Haustein (FDP):
Rede ID: ID1702918600

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Da-

men und Herren! Zuerst möchte ich mich bei Herrn Mi-
nister Röttgen und seinem kompetenten Team im Minis-
terium sowie bei meinen Kollegen für die Aufstellung
des Haushaltes bedanken. Wir haben hier eine ordentli-
che Arbeit geleistet. Ich bin froh und dankbar, dass ich in
einem Land leben darf, in dem Umweltschutz, Natur-
schutz und die Achtung vor der Schöpfung einen hohen
Stellenwert genießen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich kenne das auch anders. In der ehemaligen DDR
hat man sich um den Umweltschutz überhaupt nicht ge-
schert. Das letzte Mal habe ich Ihnen davon berichtet,
dass man Plaste und Teerpappe verfeuert hat. Das Ganze
wurde angereichert, und Dampf entstand. Heute möchte
ich über etwas anderes berichten. Mein damaliger Gal-
vanikbetrieb, in dem Metalle veredelt wurden, hat Säu-
ren und Spülstoffe einfach in einen Bach geleitet. Die
Folge war: Im Umkreis von 50 Kilometern gab es keinen
einzigen Fisch. Nur so viel, da sich die Linken immer so
über den Umweltschutz echauffieren.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wir machen Umweltschutz mit Herz. Die christlich-libe-
rale Koalition hat den Umweltschutz zur Herzenssache
erklärt.

Ich möchte Ihnen ein paar Zahlen nennen, da wir in
den Haushaltsberatungen sind. Der Haushalt des BMU
hat ein Volumen von insgesamt 1,59 Milliarden Euro.
Davon entfallen 1,222 Milliarden Euro auf den Stamm-
haushalt. Für den Endlagerbereich sind 367 Millionen
Euro veranschlagt. Der Stammhaushalt gliedert sich in
den Verwaltungshaushalt mit einem Volumen von
261,9 Millionen Euro und den Programmhaushalt mit ei-
nem Volumen von 947,3 Millionen Euro. Hinzu kom-
men Querschnittsaufgaben in anderen Ministerien. Ich
möchte Ihnen wenigstens einige aufzählen. Für das Aus-
wärtige Amt sind 88 Millionen Euro veranschlagt, für
das Finanzministerium 299 Millionen Euro – das betrifft
vor allem die Sanierung der Braunkohlenbergwerke –,
im Forschungstitel des Wirtschaftsministeriums 455 Mil-
lionen Euro für die Entwicklung eines Elektroautos, für
das Landwirtschaftsministerium 330 Millionen Euro, für
das Verkehrs- und Bauministerium 1,055 Milliarden
Euro – 460 Millionen Euro entfallen dabei auf die Ge-
bäudesanierung – sowie für das BMZ, das Ministerium
unseres verehrten Herrn Niebel, 1,224 Milliarden Euro
für den Klima- und Umweltschutz. Da soll noch jemand
sagen, wir machten nichts.

(Ulrich Kelber [SPD]: Sie machen weniger als vorgegeben!)


– Wir machen viel mehr, als vorgegeben war.

Wir kämpfen um eine Umweltpolitik mit Herz. Wir
müssen von der grünen Ideologie wegkommen. Ideolo-
gie bringt uns nicht vorwärts. Es bedarf vielmehr Ver-
nunft und Weitsicht. Dann kann man den Menschen um-
weltpolitische Maßnahmen viel besser vermitteln.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Es gibt auch noch den Naturschutz. Er ist immer dann
problematisch, wenn man übertreibt. Wenn man an der
A 17 südlich von Dresden eine Brücke für Fledermäuse,
die eigentlich fliegen können, baut – das ist passiert –,
dann ist der Naturschutz überzogen. Deshalb braucht
man auch dort Augenmaß und die Abwägung zwischen
wirtschaftlichem Erfordernis und Naturschutz.

Ich möchte in der Kürze der Zeit noch auf einige
Punkte eingehen. Für die Rußpartikelfilter gibt es, wie
mein verehrter Kollege Schulte-Drüggelte sagte, einen
Haushaltsrest von 43 Millionen Euro, 26 Millionen Euro
für dieses Jahr. Insgesamt haben wir 69 Millionen Euro
zur Verfügung. Wir werden auch Lkws bis 3,5 Tonnen
fördern, voraussichtlich mit 600 Euro. Das ist eine gute
Sache; das hilft dem Mittelstand und den Handwerkern.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Das Marktanreizprogramm haben wir angepasst.


(Ulrich Kelber [SPD]: Auch gekürzt!)


Wir haben es mit einer Sperre versehen. Das beruht auf
unserem Weitblick. Für den Fall, dass wir genug Einnah-
men haben, werden wir die Sperre auflösen. Aber von
vornherein Geld ausgeben, das wir nicht haben, geht
nicht. Das ist nicht die Politik der christlich-liberalen
Koalition.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Wir wollen nur das Geld ausgeben, das wir haben,
Freunde.


(Ulrich Kelber [SPD]: Bei 80 Milliarden Schulden ist das ein interessanter Ansatz!)


Anders geht es nicht. Immer nur Geld heraushauen, aber
nicht fragen, woher es kommt, damit habt ihr Erfahrung.
Ihr von der SPD habt uns 300 Milliarden Euro Schulden
hinterlassen. An eurer Stelle wäre ich ganz ruhig.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Umweltschutz und Naturschutz, das ist die Herzenssa-
che unserer christlich-liberalen Koalition.

Ich danke mit einem herzlichen Glückauf aus dem
Erzgebirge.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)







(A) (C)



(D)(B)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702918700

Das Wort hat der Kollege Sven-Christian Kindler für

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Klima-
schutz ist in aller Munde, und Klimaschutz ist – das wis-
sen wir – ein Zukunftsthema. Wir wissen auch, dass das
nicht nur die größte ökologische Herausforderung unse-
rer Zeit ist, sondern vor allen Dingen auch die größte so-
ziale und ökonomische Herausforderung des 21. Jahr-
hunderts.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das gilt insbesondere nach den enttäuschenden Ver-
handlungen von Kopenhagen. Dass dort kein internatio-
nales Klimaschutzabkommen ausgehandelt wurde, darf
allerdings kein Grund für uns sein, den nationalen und
internationalen Klimaschutz zu vernachlässigen. Im Ge-
genteil: Gerade jetzt muss die Bundesrepublik Vorreite-
rin sein und mit einer ambitionierten Klimapolitik die
Chancen des sozialökologischen Umbaus von Wirtschaft
und Gesellschaft vorantreiben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Wir tun es und reden nicht nur darüber!)


– Sie tun es eben nicht.

Dieser Tatsache wird die schwarz-gelbe Koalition mit
ihrem Gesetzentwurf zum Bundeshaushalt 2010 über-
haupt nicht gerecht. Gerade wenn man sich den Haushalt
in Bezug auf den Klimaschutz anschaut, dann sieht man,
wie weit die Ankündigungen einerseits und das Handeln
andererseits auseinanderklaffen. Minister Röttgen hat in
seiner Regierungserklärung am 11. November 2009 an-
gekündigt, dass es für ihn drei wichtige Themen in der
Umweltpolitik gibt: erstens Klimaschutz, zweitens Ener-
giepolitik und drittens Schutz der biologischen Vielfalt.
Wenn man sich die drei Felder konkret anschaut, dann
sieht man, dass auf keinem der drei Felder Erfolge er-
zielt wurden. Auch im Haushalt spiegelt sich diese Prio-
risierung überhaupt nicht wider.


(Zuruf von der CDU/CSU: Da müssen Sie mal den Haushalt angucken!)


– Ich komme konkret dazu. – Selbst die bescheidenen
Zusagen von Kopenhagen, die Kanzlerin Merkel und
Minister Röttgen gemacht haben, werden nicht eingehal-
ten, obwohl gerade Deutschland als Industrieland sich
seiner Verantwortung stellen müsste und den armen Län-
dern, die besonders vom Klimawandel betroffen sind
und die schwersten Folgen zu tragen haben, aber am we-
nigsten dafür können, bei der Anpassung an den Klima-
wandel und beim Klimaschutz helfen müsste. Das ist
keine Frage von Wohltätigkeit, sondern das ist eine
Frage von Verantwortung und globaler Gerechtigkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Versprochen hat die Regierung 420 Millionen Euro,
doch ursprünglich wollte sie gar kein zusätzliches Geld
in den Haushalt einstellen; Kollege Bartol hat das ausge-
führt. Nur auf massiven Druck der Opposition in der Be-
reinigungssitzung hat sie 70 Millionen Euro eingestellt.
Aber auch das ist viel zu wenig, auch das ist ein klarer
Bruch der Kopenhagener Versprechen, und das ist eine
Bankrotterklärung für die deutsche Klimapolitik.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Vor allen Dingen ist das international eine totale Bla-
mage, gerade für Angela Merkel. Das zeigt ganz deut-
lich: Angela Merkel ist die Antiklimakanzlerin, und sie
verspielt mit ihren billigen Taschenspielertricks das An-
sehen und die Glaubwürdigkeit Deutschlands auf dem
internationalen Klimaparkett.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Auch bei der Energiepolitik versagt die Regierung.
Minister Röttgen drückt sich bisher, wahrscheinlich bis
zur NRW-Wahl, um eine eindeutige Stellungnahme pro
Atomkraft herum. Allerdings dürfen wir nicht vergessen,
dass sich Minister Röttgen schon für eine Verlängerung
der Laufzeiten der Atomkraftwerke von acht Jahren aus-
gesprochen hat.

Dieser Pro-Atom-Kurs kommt natürlich auch beim
Thema erneuerbare Energien zum Ausdruck. Röttgen in-
szeniert sich selbst gern als Einstiegsminister in die er-
neuerbaren Energien; doch in der Realität blockiert er
den Ausbau erneuerbarer Energien und tritt für Laufzeit-
verlängerungen ein. Das alles passt nicht zusammen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Schauen wir uns das Ganze einmal konkret an: An-
statt das erfolgreiche Programm zur Förderung von er-
neuerbaren Energien fortzusetzen, auszubauen und da-
mit Arbeitsplätze bei kleinen und mittelständischen
Unternehmen und die Arbeitsplätze im Handwerk zu si-
chern, kürzen Sie dieses Programm um fast 20 Millionen
Euro. Gut ein Viertel dieser Mittel, 115 Millionen Euro,
sind gesperrt, obwohl der Haushaltsausschuss diese
Sperre eigentlich schon aufgehoben hat. Auch die FDP
und die CDU/CSU haben damals für die Aufhebung der
Sperre gestimmt.

Ihre Prioritäten, Herr Röttgen, erkennt man, wenn
man sich anschaut, wofür Mittel, zum Beispiel solche
zur Förderung von Einzelmaßnahmen für erneuerbare
Energien, gekürzt worden sind: unter anderem für den
Neubau des Ministeriums und damit für Ihr neues schi-
ckes Ministerbüro. Nur weil sich der Minister eine teure
Kommunikationsabteilung leistet, wird jetzt bei einer er-
folgreichen Klimaschutzinitiative und dem Marktanreiz-
programm gekürzt. Das finde ich extrem dreist. Das
zeigt endgültig, Minister Röttgen: Sie sind kein Ein-
stiegsminister in die erneuerbaren Energien; Sie sind ein
Minister für die Verlängerung von Laufzeiten von Atom-





Sven-Christian Kindler


(A) (C)



(D)(B)

kraftwerken, und Sie sind ein Ausstiegsminister aus den
erneuerbaren Energien.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Ingbert Liebing [CDU/ CSU]: So ein Blödsinn!)


Kommen wir einmal zur biologischen Vielfalt. Was
passiert beim Schutz der biologischen Vielfalt? Man hält
schöne Reden – das muss man Ihnen lassen –; aber kon-
kret passiert nichts. Seit 2008 hat Deutschland den Vor-
sitz der CBD, also der UN-Konvention zur Biodiversität.
Noch am 11. Januar 2010 hat Frau Merkel anlässlich der
Eröffnung des Internationalen Jahres der biologischen
Vielfalt gesagt:

Die Frage der Erhaltung der biologischen Vielfalt
hat dieselbe Dimension und Bedeutung wie die
Frage des Klimaschutzes.

Doch was ist bisher passiert? Gar nichts, also noch weni-
ger als beim Klimaschutz. Im Koalitionsvertrag wurde
ein Bundesprogramm für biologische Vielfalt angekün-
digt. Nichts ist passiert. Die nötigen Mittel wurden nicht
in den Haushalt eingestellt. Auch hier konnte sich Herr
Röttgen in den Haushaltsverhandlungen nicht durchset-
zen. Täglich verschwinden weiterhin bis zu 30 Arten
von der Erde. Damit muss endlich Schluss sein, Herr
Röttgen. Reden Sie nicht nur, handeln Sie endlich auch!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Zeit drängt. Wir müssen jetzt handeln, und wir
müssen jetzt in die Zukunft investieren. Wir müssen
auch klimaschädliche Subventionen und Steuervergüns-
tigungen abbauen.

Kommen wir zur Gegenfinanzierung: Wir können in
unseren Anträgen auf Erhöhung von Mitteln im Bereich
Energieeffizienz, im Bereich Klimaschutz eine Gegen-
finanzierung präsentieren, indem wir für den Abbau kli-
maschädlicher Subventionen eintreten. Das tun Sie nicht.
Sie bauen keine Subventionen ab. Sie legen einen Haus-
halt vor, durch den der Klimawandel nicht verlangsamt,
sondern beschleunigt wird. Immer noch werden Milliar-
densummen für schwere Dienstwagen mit hohem CO2-
Ausstoß ausgegeben, für Kohlesubventionen oder für die
Steuerbefreiung von Kerosin im Flugverkehr. Damit
muss Schluss sein. Der Klimawandel darf nicht weiter
mit Milliardensummen gefördert werden. Wir müssen
jetzt endlich in den ökologisch-sozialen Umbau von Ge-
sellschaft und Wirtschaft investieren.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702918800

Das Wort hat der Bundesminister Dr. Norbert Rött-

gen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit:

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen
und Kollegen! Der Haushalt, den wir in dieser Woche in
zweiter und dritter Lesung debattieren, ist geprägt durch
die Finanzmarktkrise – es wird nicht der letzte Haushalt
sein, der dadurch geprägt ist –; er ist geprägt durch die
Rettungsmaßnahmen, veranlasst durch die Finanzmarkt-
krise. Er ist darum, nebenbei gesagt, in seiner Dimen-
sion, natürlich nicht in jeder Einzelheit, geprägt und ver-
ursacht durch die Entscheidungen, die in der Großen
Koalition von CDU/CSU und SPD ganz maßgeblich ge-
troffen worden sind. Darum kann man sich als Opposi-
tion den fiskalischen Konsequenzen der getroffenen Ent-
scheidungen zur Abwendung der Krise jetzt nicht
entziehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es gibt eine sehr wichtige Erkenntnis, die auf dem
Höhepunkt der Krise hier von diesem Pult immer wieder
auch von der Bundeskanzlerin vorgetragen worden ist
und die immer noch maßgeblich ist, nämlich dass wir
mit Entschlossenheit das Ziel verfolgen wollen, aus die-
ser Krise, so schlimm und so fundamental sie auch ist,
gestärkt herauszukommen.


(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Christlich-liberal!)


Das heißt, dass wir diese Krise in ihren Konsequenzen
– wir befinden uns ja in den Haushaltsberatungen – nicht
nur fiskalisch erleiden dürfen, sondern dass wir sie auch
politisch zu gestalten haben. Das ist die Aufgabe, vor der
wir stehen.

Die ordnende Antwort – ich betone das besonders in
der Debatte um den Umweltetat; es ist aber genauso in
den Debatten über die anderen Haushalte angemessen –
auf den Exzess der Kurzfristigkeit, welcher die Finanz-
marktkrise ja kennzeichnet, ist eine Politik der Nach-
haltigkeit. Das ist die ordnende Antwort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Diese ordnende Antwort, auf die Erfahrungen mit dem
Exzess der Kurzfristigkeit mit Nachhaltigkeit zu reagie-
ren, hat ganz konkrete Konsequenzen für unsere politi-
sche Strategie.

Der Kollege Schulte-Drüggelte hat zu Recht ausge-
führt: Es geht darum, dass wir begreifen, dass durch Kli-
maschutz, dass durch Ressourceneffizienz, dass durch
eine nachhaltige Nutzung unserer natürlichen Lebens-
grundlagen gerade unsere wirtschaftliche Modernisie-
rung betrieben wird.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie kürzen die Gelder dafür! – Weiterer Zuruf des Abg. Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Es geht gar nicht mehr darum, Ökonomie und Ökologie
zu versöhnen, es geht schon gar nicht mehr um den
scheinbaren Gegensatz von beidem, vielmehr ist das
eine die Bedingung des anderen. Das müssen wir verste-





Bundesminister Dr. Norbert Röttgen


(A) (C)



(D)(B)

hen, meine Damen und Herren, und daraus politische
Konsequenzen ableiten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Immer die gleiche Rede, und Sie handeln anders!)


– Ich komme gleich zu den konkreten Punkten.

Der übergreifende Gesichtspunkt lautet von daher:
Nachhaltigkeit ist Zukunftsverantwortung. Ich möchte
anhand von drei Feldern, über die schon debattiert wor-
den ist, zeigen, wie diese Bundesregierung in ihren ers-
ten Monaten auf dem Gebiet der Umweltpolitik, der Kli-
mapolitik und der Nachhaltigkeitspolitik konkret ihre
Verantwortung wahrnimmt. Ich nehme die Punkte ato-
mares Endlager, erneuerbare Energien und Klimaschutz.

Ich fange mit dem ersten Punkt an, weil es ja hierzu
eine jüngst von mir verkündete Entscheidung gibt, und
möchte aufzeigen, wie wir aus dem Gesichtspunkt der
Verantwortung mit der Frage der atomaren Endlage-
rung umgehen. Ich versuche es einmal ganz ruhig und
Schritt für Schritt vorzutragen. Ich weiß zwar, dass es
zwischen uns durchaus Unterschiede in der grundsätzli-
chen und auch aktuellen Einschätzung der Kernenergie
gibt – diese darf es geben; das ist völlig legitim –, aber
zugleich gibt es auch bestimmte Verantwortungsfolgen,
denen wir uns vernünftigerweise nicht entziehen sollten.
Deshalb sollten wir uns auch die Frage stellen, inwiefern
wir trotz Aufrechterhaltung unserer kontroversen Posi-
tionen gemeinsam Verantwortung übernehmen können,
weil das im Interesse dieses Landes und insbesondere
ein Gebot der Verantwortung gegenüber den nächsten
Generationen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Warum verweigern Sie dann die Bürgerbeteiligung? – Weiterer Zuruf des Abg. Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Damit komme ich zu der ersten Feststellung, für die
ich hoffe, Konsens zu finden, nämlich dass es unabhän-
gig von der Frage, wie man inhaltlich zur Kernenergie
steht, eine Verantwortung für atomare Endlagerung gibt,
der wir nicht entfliehen können. Bärbel Krauß hat in der
Stuttgarter Zeitung zu Recht gesagt: Angesichts der Pro-
bleme eine „Vogel-Strauß-Politik“ zu betreiben bzw. den
Kopf in den Sand zu stecken, ist verantwortungslos.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aber Sie schaffen immer mehr Atommüll!)


Deshalb müssen wir alles tun, um unserer Verantwor-
tung gerecht zu werden.

Wir müssen damit aufhören – ich sage bewusst: wir –,
die Frage der Endlagerung als taktisches Spiel zwischen
den Parteien zu betreiben. Das hat nämlich nur zu dem
Ergebnis geführt, dass wir das Thema ungelöst der
nächsten Generation vor die Schuhe kippen, meine Da-
men und Herren. Damit muss Schluss sein. Das wider-
spricht unserer Auffassung von Verantwortung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702918900

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischen-

frage der Kollegin Höhn?

Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit:

Ja, bitte.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702919000

Bitte.


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702919100

Herr Bundesminister, Sie haben eben ja – –


(Das Mikrofon schaltet sich nicht ein)


Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit:

Die Technik ist nicht auf Ihrer Seite; aber das wird
sich noch finden.


(Das Mikrofon schaltet sich ein)



Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702919200

Sie sind ja jetzt für die Energie zuständig; insofern:

Danke schön.

Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit:

Schon funktioniert es, Frau Kollegin.


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702919300

Ja, genau. Aber Sie sehen, manchmal hakt es bei Ih-

nen auch mit der Energie.

Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit:

Ja, aber etwas mehr bei den Grünen.


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702919400

Momentan wollen wir vielleicht erst einmal bei den

Fakten bleiben.

Herr Bundesminister, Sie haben eben von der Verant-
wortung gesprochen. Da haben Sie absolut recht. Wir
Grüne waren immer gegen Atomkraftwerke. Trotzdem
sind wir bereit, die Verantwortung für den Atommüll zu
übernehmen.

Ich möchte Sie fragen, ob es mit Ihrer Verantwortung
und Ihrer Überzeugung von Nachhaltigkeit zusammen-
passt, wenn diese Bundesregierung, der Sie als Bundes-
minister angehören, dafür plädiert, Atomkraftwerke
länger laufen zu lassen. Denn dadurch wird erheblich
mehr Atommüll produziert, der den nachfolgenden Ge-
nerationen – um Ihre vorherigen Worte zu benutzen –
vor die Füße gekippt wird. Was hat das mit Nachhaltig-
keit und Verantwortung zu tun?





Bärbel Höhn


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit:

Frau Kollegin Höhn, ich möchte folgende Feststellun-
gen dazu machen. Als die Grünen und die rot-grüne Re-
gierung im Jahr 2002 den Atomausstieg beschlossen ha-
ben, waren sie der Meinung, man könne nicht sofort aus
der Kernenergie aussteigen, sondern man brauche eine
Übergangszeit von 20 Jahren. Sie selber haben damit
eine Laufzeitverlängerung von 20 Jahren beschlossen.


(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! – Ulrich Kelber [SPD]: Was für ein Unsinn!)


– Natürlich! Es mag Ihnen nicht gefallen, wenn ich sage:
Sie sind nicht ausgestiegen, sondern Sie haben damals
gesagt: Wir können bei der Energieversorgung im Mo-
ment auf Kernenergie nicht verzichten.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)


– Natürlich haben Sie das gesagt, ansonsten wären Sie
doch ausgestiegen. – Das ist ja auch völlig richtig.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Es ist doch gar nicht zu bestreiten, dass es im Jahre
2002 ohne die Kernkraftwerke zu einer Lücke bei der
Stromversorgung gekommen wäre. Das Gegenteil wol-
len Sie doch im Ernst nicht behaupten. Sie haben daher
gesagt: Wir brauchen die Kernenergie, um unsere ener-
giepolitischen Ziele zu erreichen. – Meine Kritik an die-
sem Beschluss ist, dass Sie das Datum 2020 nicht seriös
berechnet haben.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie wollen eine Verlängerung!)


Es war vielmehr eine willkürliche Terminsetzung, die
Ihnen politisch gepasst hat. Das ist doch der Punkt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Reinhard Grindel [CDU/CSU]: So ist es! – Abg. Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] nimmt wieder Platz)


– Frau Präsidentin, ich möchte die Frage noch zu Ende
beantworten.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702919500

Wenn sich die Kollegin hinsetzt, dann können Sie mit

Ihrer Rede fortfahren. Bis jetzt habe ich die Uhr angehal-
ten.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber er beantwortet meine Frage nicht!)


– Ich mache darauf aufmerksam, dass der Bundesminis-
ter im Moment das Wort zur Beantwortung der Zwi-
schenfrage hat. Wenn Sie, Frau Kollegin Höhn, der Auf-
fassung sind, die Frage sei beantwortet, dann können Sie
sich hinsetzen. Andernfalls bleiben Sie bitte stehen und
lassen den Bundesminister Ihre Frage zu Ende beantwor-
ten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit:

Ich will die Antwort abkürzen. Erstens. Die Frage der
Verantwortung für die Laufzeitverlängerung stellt sich
heute unabhängig davon, ob man jemals für oder gegen
Kernenergie war. Zweitens. Als Sie an der Regierung
waren, haben Sie deswegen nicht „Schluss mit Kern-
energie“ gesagt, weil die Kernenergie für unsere Ener-
gieversorgung noch gebraucht wird. Sie haben daher ge-
sagt: noch 20 Jahre Laufzeit.

Was wir jetzt vertreten, basiert auf dem gleichen Me-
chanismus: Wir brauchen die Kernenergie als Brücken-
technologie. Wir haben eine klare Vorstellung von dem
Ziel, das wir erreichen wollen. Das Ziel ist die Versor-
gung mit erneuerbaren Energien. Dahin wollen wir. Die
Kernenergie ist die Brücke dorthin. Die Verantwortung,
die sich aus der Benutzung dieser Brücke für Sie wie für
uns stellt, besteht darin, ein Endlager zu organisieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Sören Bartol [SPD]: Gehören auch Uraltbrücken dazu? – Weiterer Zuruf des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Bemühen um
Konsens will ich jetzt keine Schärfe in die Debatte brin-
gen. Aber ich glaube, die Feststellung darf erlaubt sein,
dass das zehnjährige Moratorium, das Rot-Grün gegenü-
ber Gorleben verhängt hat, nicht Ausdruck von Ent-
schlossenheit war, diese Verantwortung wahrzunehmen.
Ich möchte es einmal so zurückhaltend formulieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702919600

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine weitere Zwi-

schenfrage, diesmal von der Kollegin Kotting-Uhl?

Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit:

Bitte sehr.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wir wollen das hier aber nicht zum Interview werden lassen! – Gegenruf des Abg. Ulrich Kelber [SPD]: Macht der Minister doch gerne, im Gegensatz zur Politik!)



Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702919700

Machen Sie sich mal keine Sorge um die Antwortfä-

higkeit Ihres Ministers. – Herr Minister, zum Morato-
rium komme ich später noch. Ich möchte Sie jetzt fra-
gen, ob Sie damals, als Rot-Grün die Verhandlungen mit
den Energiekonzernen geführt hat, tatsächlich nicht auf-
gepasst haben oder ob es einen anderen Grund gibt, dass
Sie einen Beweggrund für das damalige Handeln von
Rot-Grün angeben, der de facto nicht existiert hat. Ent-





Sylvia Kotting-Uhl


(A) (C)



(D)(B)

spricht es nicht auch Ihrer Erinnerung, dass die Begrün-
dung für die lange Ausstiegszeit nicht die Überzeugung
war, man brauche die Kernenergie als Brückentechnolo-
gie, um Ihre Formulierung zu benutzen, sondern dass da-
hinter das übliche Erpressungspotenzial der Energiekon-
zerne stand?

Die damaligen Verhandlungen hat Ihr heutiger Abtei-
lungsleiter Reaktorsicherheit, Herr Hennenhöfer, für die
Energiekonzerne geführt. Er hat damals ausgehandelt,
dass es eine Übergangszeit von 20 Jahren geben muss, es
sei denn, die Bundesregierung würde hohe Entschädi-
gungsleistungen zahlen, die sie aber aus Nachhaltig-
keitsgründen nicht verantworten konnte. Stimmen Sie
mit mir in dieser Einschätzung überein?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit:

Ich hatte die freundlichere Variante versucht. Sie ge-
ben gerade zu, dass Sie erpresst worden sind. Ich sage
Ihnen: In der demokratischen Politik gibt es keine Er-
pressung durch Dritte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ulrich Kelber [SPD]: Sie waren auf der Seite der Erpresser!)


Damit Erpressung funktioniert, muss man sich erpressen
lassen; dazu hat hier keiner das Recht. Sie sagen hier mit
einer Leichtfertigkeit, dass Sie erpresst worden sind; das
möchte ich, auch zu Ihren Gunsten, nicht akzeptieren.


(Ulrich Kelber [SPD]: Sie haben den Erpresser zum Abteilungsleiter gemacht!)


Ich habe unterstellt, dass Sie so realistisch sind, ein-
zusehen, dass es zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich
war und zum heutigen Zeitpunkt, zehn Jahre später,
nicht möglich ist, sofort aus der Kernenergie auszustei-
gen, und zwar nicht nur aus rechtlichen Gründen, son-
dern vor allen Dingen, weil es aus energiewirtschaftli-
cher Sicht nicht zu verantworten ist. Ich glaube, darüber
braucht man seriöserweise gar nicht zu streiten; das wäre
ein falscher Streit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich komme zu meinem Punkt. Es ist vielleicht
schwierig; aber dennoch besteht eine Verantwortung für
die Endlagerung. Diese Verantwortung wird nicht durch
Moratorien und Blockaden wahrgenommen. Darum ist
es richtig, diese zu beenden und die Suche nach dem
Endlager, die Erkundung, zu gestalten.

Eine weitere Feststellung, die uns hoffentlich gemein-
sam ist – jedenfalls ist es meine Feststellung –: Wenn es
in Gorleben zu einem atomaren Endlager kommen
sollte, dann geschieht dies nur und ausschließlich auf der
Grundlage eines atomrechtlichen Zulassungsverfah-
rens, mit allen Instrumenten, die dort vorgesehen sind,
von der Bürgerbeteiligung über die Umweltverträglich-
keitsprüfung bis zum gerichtlichen Rechtsschutz. Selbst-
verständlich wird dies nicht ohne ein atomrechtliches
Zulassungsverfahren geschehen. Bevor es dazu kommen
kann, sind Erkenntnisse und weitere Erkundungen not-
wendig, sozusagen zur Vorbereitung eines solchen Ver-
fahrens.

Ich sichere hier noch einmal zu – damit wende ich
mich an die Betroffenen vor Ort, deren Emotionen ich
vielleicht nachvollziehen kann; jedenfalls glaube ich,
mich in ihre Lage hineinversetzen zu können – –


(Dr. Matthias Miersch [SPD]: „Vielleicht“?)


– Wenn man selbst nicht betroffen ist, fällt es immer
leicht, zu sagen: Ich kann mich hineinversetzen. Es geht
aber auch um deren Heimat. – Ich sichere zu, in jedem
Stadium des Verfahrens auch über das rechtlich Gebo-
tene hinaus volle Transparenz, Bürgerbeteiligung und
Information zu gewährleisten. Ich bitte, diese ausge-
streckte Hand anzunehmen. Das heißt nicht, dass wir ei-
ner Meinung sind; aber das Angebot der Transparenz
steht, und zwar in jeder Phase, voll und uneingeschränkt.


(Ulrich Kelber [SPD]: Dann wenden Sie doch direkt das richtige Recht an, das transparente Recht!)


– Wir disponieren nicht: Wir sind in einem Rechtsstaat,
in dem die Regierung nicht über die Rechtslage dispo-
niert. Vielmehr beschließt das Parlament die Rechtslage,
die die Verwaltung anzuwenden hat.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Bundestag kann das ja beschließen! – Ulrich Kelber [SPD]: Nächste Sitzungswoche! Einverstanden!)


So ist es bei jeder Regierung.

Es handelt sich um ein offenes Verfahren mit einem
offenen Ausgang. Es gibt keine Präjudizierung, sondern
Offenheit. Ich glaube, dass das eine faire Basis ist; es ist
eine verantwortungsvolle Grundlage, der sich keiner ent-
ziehen sollte. Ich appelliere, die gemeinsame Verantwor-
tung zu erkennen und zu versuchen, ihr gerecht zu wer-
den.

Ich möchte jetzt den zweiten Punkt ansprechen, die
erneuerbaren Energien. Die Entsorgungsfrage, die End-
lagerfrage ist mit der Nutzung der Kernenergie untrenn-
bar verbunden. Die Kernenergie ist nach dem energiepo-
litischen Konzept, das wir in diesem Jahr erarbeiten
werden, eine Brückentechnologie. Sie ist eindeutig da-
von geprägt, dass sie die Brücke in das Zeitalter der
erneuerbaren Energien ist.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Brücke in den Abgrund ist das!)


Wir können aus Klimaschutzgründen nicht dauerhaft auf
die fossile Energieversorgung setzen. Darum sind die er-
neuerbaren Energien unser Ziel.

Sie sind schon heute unser Weg. Vorhin habe ich von
der Krisensituation gesprochen. Erneuerbare Energien
leisten in der Krise einen stabilisierenden Beitrag; denn





Bundesminister Dr. Norbert Röttgen


(A) (C)



(D)(B)

sie bergen ein positives Innovations- und Wachstums-
potenzial. Darum ist schon in der Krise merklich fühlbar,
dass erneuerbare Energien auch in wirtschaftlicher Hin-
sicht einen vernünftigen Weg darstellen, der zudem die
natürlichen Lebensgrundlagen bewahrt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Gerade weil das so ist, weil wir auf erneuerbare Ener-
gien setzen, muss es darum gehen, erneuerbare Techno-
logien in den Markt einzuführen.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen kürzen Sie auch das Marktanreizprogramm!)


Die Vorstellung, dass erneuerbare Technologien als
Dauersubventionstatbestand zu verstehen sind, ist zum
Scheitern verurteilt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Spanien ist ein Beispiel dafür, dass gut gemeint nicht im-
mer gut gemacht ist: Wir mussten dort erleben, dass die
nicht limitierte Förderung, die nicht der Markteinfüh-
rung diente, zu einem Kollaps geführt hat. Markteinfüh-
rung ist also das Instrument, das die erneuerbaren Ener-
gien für den Markt fit macht; denn dort müssen sie ihre
Bringschuld einlösen.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tun sie längst!)


Darum ist es kein guter Dienst an erneuerbaren Ener-
gien, wenn man sie mehr fördert, als der Markt zulässt
und verlangt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Mein dritter Punkt ist der Klimaschutz. Dieser Etat
– das ist doch gar nicht zu bestreiten, jeder Regierung
ginge es so – findet in dem fiskalischen Umfeld von
80 Milliarden Euro neuen Schulden statt. Man kann die
eine oder andere Stelle für falsch halten, aber die Grö-
ßenordnung ist rezessions- bzw. finanzmarktkrisenbe-
dingt. Das ist gar keine Frage. Dass es im Umfeld eines
solchen Haushalts durch den Einsatz der Haushälter – in
diesem Punkt sind durchaus Gemeinsamkeit vorhanden –
gelungen ist, eine Etatsteigerung von knapp 8 Prozent zu
realisieren, ist ein Erfolg.


(Zuruf des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Ja, auch das gehört dazu, wobei die Endlager von den
Verursachern zu fast 100 Prozent finanziert werden. Das
ist ausnahmsweise keine Aufgabe des Bundeshaushaltes.
Ich hätte mir auch für andere Positionen gewünscht,
mehr Mittel zu bekommen. Das ist keine Frage; auch das
verbindet uns.

Bei all dem Streit darüber – das ist völlig in Ordnung,
das ist die Aufgabe der Opposition – steht fest: Der Kli-
maschutz wird entschlossen vorangetrieben. Wir sind ein
führendes Land in Sachen Klimaschutz.

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist leider vorbei!)


Wir haben übrigens viel mehr Einfluss, als es unserer
geopolitischen Lage entspricht. Diesen Einfluss nehmen
wir wahr, auch durch internationale Kooperation. Wir
werden uns an der französisch-norwegischen Waldschutz-
initiative beteiligen.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Versprechen brechen – das ist Ihre Politik!)


Wir laden eine repräsentative Gruppe von Experten auf
den Petersberg nach Bonn ein, um den Weg zur Errei-
chung unserer Ziele zu ebnen. Die Ziele behalten wir im
Blick. Wir geben sie nicht auf, aber wir stehen vor der
Notwendigkeit, nicht nur abstrakt über Ziele zu diskutie-
ren; wir müssen vielmehr konkrete Handlungspläne für
den Klimaschutz entwickeln. Das wird ein neuer Ansatz
sein, zu dem auch Deutschland einen besonderen Beitrag
leisten wird. Wir tun das aus ethischer Verantwortung
und der Überzeugung der ökonomischen Richtigkeit,


(Beifall bei der CDU/CSU – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hohle Worte!)


weil wir im Wettbewerb der globalen Modernisierung
weiter vorne liegen wollen.

Dafür brauchen wir Haushaltsmittel. Unser Haushalt
ist mit 1,59 Milliarden Euro einer der kleineren. Das ist
nicht das Entscheidende in der Umweltpolitik, aber ohne
Mittel geht es nicht. Darum möchte ich mich für die
Kooperation im Berichterstattergespräch und im Aus-
schuss, für die Unterstützung der wichtigen Ziele und
auch für eine gute Debatte sowie für die Unterstützung,
die die Umweltpolitik und auch ich persönlich in diesen
Beratungen bekommen haben, sehr herzlich bedanken.
Ich freue mich auf eine gute und erfolgreiche Koopera-
tion.

Danke sehr.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702919800

Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege

Dr. Matthias Miersch.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Matthias Miersch (SPD):
Rede ID: ID1702919900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Bundesminister Röttgen, das war, glaube ich, die
dritte Rede von Ihnen, die ich gehört habe. Ich finde,
man muss jemandem immer eine Chance geben, man
sollte allerdings prüfen, ob Worte und Taten zusammen-
passen. Ich muss feststellen: Ihre Worte passen nicht zu
den Taten, die wir in diesem Haushalt feststellen können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie haben vieles, was verhandelt werden sollte, we-
gen der Finanzmarktkrise zurückgefahren. Ich sage Ih-
nen: Niemand hat Sie, meine sehr verehrten Damen und
Herren von CDU/CSU und FDP gezwungen, den Staat





Dr. Matthias Miersch


(A) (C)



(D)(B)

in dieser schwierigen Phase weiter zu schwächen, indem
Sie Steuergeschenke an Hoteliers und Besserverdie-
nende verteilen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh!)


Niemand hat Sie gezwungen, dass Sie Steuererleichte-
rungen machen sollten, was die Folge hat, dass Sie ele-
mentare Versprechungen, die Sie auf internationaler
Ebene gemacht haben, nicht einhalten können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Lieber Herr Bundesminister, Sie haben den Begriff
„nachhaltige Entwicklung“ mehrfach benutzt. Ich habe
vier Jahre als Sprecher meiner Fraktion im Deutschen
Bundestag gearbeitet. Ich kann Ihnen nur sagen: Nach-
haltigkeit ist etwas anderes als das, was Sie im vorlie-
genden Haushalt präsentieren. Nachhaltigkeit bedeutet,
sich darüber Gedanken zu machen, welche Folgen unter-
lassene Klimaschutzmaßnahmen in den nächsten Jahr-
zehnten haben werden, Folgen, die weitaus bedeutender
sein werden als all das, worüber wir hier in dieser Haus-
haltsdebatte sprechen. Das wäre nachhaltige Politik.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Niemand zwingt Sie dazu. Es hat nichts mit der Finanz-
krise zu tun, dass Sie den Cheflobbyisten der Atom-
industrie zu Ihrem Abteilungsleiter machen,


(Bettina Hagedorn [SPD]: Genau!)


von dem ich nicht hoffe – Sie haben eben von Erpres-
sung gesprochen –, dass er den Atomkonsens mit erpres-
serischen Mitteln ausgehandelt hat. Das ist ein völlig fal-
sches Signal. Auch hier passen Worte und Taten nicht
zusammen. Das ist ein wichtiges Signal; denn Sie zeigen
schon durch Ihre Personalpolitik, dass Sie es nicht ernst
meinen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Niemand zwingt Sie, bei der Suche nach einem End-
lager nicht schon jetzt das Atomrecht zugrunde zu legen,
den Menschen nicht schon jetzt verbriefte Klage- und
Eingriffsrechte zu geben. Niemand zwingt Sie dazu, das
Atomrecht beiseitezuschieben und dann so zu tun, als ob
es wirkliche Bürgerbeteiligung gäbe. Ich rufe Sie dazu
auf: Wenden Sie das Atomrecht schon jetzt an. Dann fin-
det eine tatsächliche Öffentlichkeitsbeteiligung statt.

Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang: Nie-
mand zwingt Sie, schon jetzt anzufangen und das Ergeb-
nis des Untersuchungsausschusses nicht abzuwarten.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das ist doch Tüttelkram!)


Es gibt doch Hinweise, dass die Entscheidung für Gorle-
ben manipuliert worden ist, dass wissenschaftliche Er-
kenntnisse übersehen bzw. beiseitegeschoben wurden.


(Patrick Döring [FDP]: Nichts ist erwiesen!)

Keiner zwingt Sie dazu, sich schon jetzt einseitig auf
Gorleben festzulegen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Niemand zwingt Sie dazu, in dieser Zeit, in der wir
wissen, dass andere Gesteinsformationen – Granit und
Ton – infrage kommen, einseitig auf Salzstöcke zu set-
zen und eine Vorfestlegung zu treffen, von der Sie viel-
leicht in einigen Jahren sagen werden: Das war falsch!
Das wäre dann unverantwortlich, eine Haltung, die Sie
uns jetzt unterstellen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702920000

Kollege Miersch, gestatten Sie eine Zwischenfrage

des Kollegen Grindel?


Dr. Matthias Miersch (SPD):
Rede ID: ID1702920100

Gerne.


Reinhard Grindel (CDU):
Rede ID: ID1702920200

Herr Kollege, weil Sie wie der jetzige SPD-Vorsit-

zende im Bundestagswahlkampf behaupten, es sei Ein-
fluss genommen worden auf die fachliche Aussage eines
Gutachtens aus dem Jahre 1983, als es um die Frage der
untertägigen Erkundung in Gorleben ging, frage ich:
Können Sie mir bitte erklären, warum sich in der
Anlage 4 des Ausstiegsvertrages der rot-grünen Bundes-
regierung die Erklärung findet, dass man keine Zweifel
an der Eignungshöffigkeit von Gorleben hat?


(Ulrich Kelber [SPD]: Das ist doch Unsinn!)


Wenn Sie das alles, was Sie jetzt hier vortragen, schon
damals in den Akten hatten, wie kann es dann sein, dass
Rot-Grün damals die Eignungshöffigkeit von Gorleben
erklärt hat?


Dr. Matthias Miersch (SPD):
Rede ID: ID1702920300

Lieber Herr Kollege Grindel, wir beide sind Juristen.

Sie haben sicherlich auch irgendwann einmal die Arbeit
des Rechtsanwalts gelernt. Dann weiß man, wie man an-
greifen muss. Ich kann Ihnen nur sagen: Schauen Sie
sich die Entwicklung ganz genau an. Wir haben diese
Hinweise später erhalten. Sie haben uns jetzt dazu veran-
lasst, den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungs-
ausschusses zu stellen.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Es geht doch um die Eignungshöffigkeit!)


– Jetzt lassen Sie mich ruhig antworten. Das müssen Sie
aushalten. – Ich finde, Sie müssen dieses Urrecht der
Opposition bzw. des Parlaments jetzt ernst nehmen. Ein
Minister, der, ohne abzuwarten, was bei der Untersu-
chung von solchen Vorwürfen, die im Raum stehen, he-
rauskommt, schon jetzt auf das vermeintliche Projekt
Gorleben setzt, handelt fahrlässig und alles andere als
verantwortlich.


(Beifall bei der SPD)






Dr. Matthias Miersch


(A) (C)



(D)(B)

Nun zum Haushalt. Sie haben über den internationa-
len Klimaschutz gesprochen. Lieber Herr Kollege Rött-
gen, wie wollen Sie in Bonn in diesem Jahr eigentlich
glaubwürdig an die internationale Staatengemeinschaft
herantreten? 420 Millionen Euro haben Sie zugesagt. Sie
haben das nicht eingehalten. Damit haben Sie sehr viel
Glaubwürdigkeit in der Welt verspielt. Aus meiner Sicht
ist das eine wirkliche Katastrophe für den internationa-
len Prozess, weil Deutschland diesen Prozess bis jetzt,
jedenfalls in den letzten Jahren, progressiv und kon-
struktiv begleitet hat. Dieser Wortbruch wird uns – das
glaube ich jedenfalls – im internationalen Prozess noch
teuer zu stehen kommen. Das ist ein wirklicher Skandal
der Politik der Regierung Merkel.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Sören Bartol [SPD]: Mit keinem Wort hat er es erwähnt!)


Ich war in den vergangenen Tagen in Washington. Ich
habe mit progressiven Politikern aus den Reihen der De-
mokraten und der Republikaner gesprochen. Sie alle ha-
ben gesagt: Bitte, tut uns den Gefallen und löst das, was
ihr in Kopenhagen zugesagt habt, ein. Wir warten auf
euch, damit wir die ewigen Verhinderer hier nach vorne
schieben und ihnen sagen können: Schaut euch die Euro-
päer an. Schaut euch die Deutschen an. – Die Chance,
Vorbild im internationalen Prozess zu sein, verspielen
Sie mit diesem Haushalt, weil Sie Wortbruch begehen.
Das ist ein Skandal.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wenn Sie Klimaschutz und Energiepolitik erwäh-
nen, dann erinnere ich Sie an Ihre letzte Haushaltsrede
vor wenigen Wochen, in der Sie gesagt haben:

Die Stellschrauben sind klar: Sie heißen Energie-
effizienz, und sie heißen erneuerbare Energien.

Lieber Herr Kollege Röttgen, was machen Sie? Genau
an diesen Stellschrauben drehen Sie nicht nach vorne,
sondern zurück, indem Sie eine Sperre haben und sogar
noch Kürzungen vornehmen. Das kann doch keine
glaubwürdige Politik sein. Das muss man, finde ich, als
Opposition hier benennen. Ich hätte mir gewünscht, dass
die Koalitionsfraktionen die Kraft gehabt hätten, hier
deutliche Veränderungen vorzunehmen. Dies ist jeden-
falls ein Drehen in genau die andere Richtung; das ist
rückwärtsgewandt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Welche Maßnahmen treffen Sie? Wo ist die Sperre
hergestellt worden? Herr Schulte-Drüggelte, Sie haben
das Fallen der Sperre bei Applaus von Abgeordneten
von CDU/CSU und FDP vor einigen Wochen ange-
mahnt. Sie haben gemeint, dass es um die Mini-KWK-
Anlagen geht, um kommunale Klimaschutzmaßnahmen,
bei denen es wichtig ist, Sensibilität vor Ort zu schaffen.
Sie als Umweltpolitiker haben das gesehen, und Sie ha-
ben den Applaus Ihrer Fraktionen bekommen.
Ich habe einmal das Struck’sche Gesetz gelernt: Wenn
etwas schiefläuft in der Regierung, dann kann das Parla-
ment gegensteuern. – Was haben Sie in den letzten Wo-
chen geleistet? Das Mindeste wäre, dass man hier klipp
und klar sagt: Wir haben diesen Prozess verloren. Wir
wollten mehr, aber haben es nicht bekommen, weil an-
dere diese Notwendigkeit nicht gesehen haben. – Sie
kürzen an den zentralen Punkten. Auch dies ist ein
Schritt zurück in der deutschen Energie- und Klimapoli-
tik.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Bei den Positionen, über die Sie augenblicklich disku-
tieren – Stichwort: Emissionshandel –, werden die Haus-
haltspositionen mittlerweile vermischt. Die Einnahmen
und die Ausgaben sind nicht mehr dem Haushalt des
Bundesumweltministeriums zugeordnet, sodass aus mei-
ner Sicht letztlich eine Trennung zwischen den Einnah-
men aus dem Emissionshandel und den Maßnahmen
beim Klimaschutz droht. Auch dies, liebe Kolleginnen
und Kollegen von CDU/CSU und FDP, sollten Sie sich
sehr genau überlegen. Ich vermute, dass eine organi-
sierte Unverantwortlichkeit dahintersteckt, die wir uns in
der Klima- und Energiepolitik nicht leisten können.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir sehen an diesen Haushaltspositionen, Herr Minis-
ter, dass Worte und Taten weit auseinanderliegen. Ich
finde, um glaubwürdig zu sein – das ist wichtig in die-
sem Prozess –, müssen Sie tatsächlich Butter bei die
Fische geben, müssen Sie den Menschen in diesem Land
zeigen, dass diese Regierung es ernst meint. Was in einer
Regierungserklärung gesagt wird, Herr Schulte-Drüg-
gelte, spielt keine Rolle. Die Menschen verlangen Taten.
Damit kann Politik Glaubwürdigkeit zurückgewinnen.
Mit diesem Haushalt kann sie es nicht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich bin mir sicher: Unsere Reden der Opposition hier
werden Sie nicht mehr überzeugen. Das Kind ist zumin-
dest für diesen Haushalt im Brunnen. Aber Sie haben
eine Chance, das, was die Regierung augenblicklich
macht, an entscheidender Stelle zu korrigieren. Wir ha-
ben eine Diskussion über das Erneuerbare-Energien-
Gesetz. Wir werden am 21. April dieses Jahres eine An-
hörung durchführen, wenn Sie sich bei der Kürzung der
Förderung für Solaranlagen nicht anders besinnen. Ich
will Sie auf einen Antrag des Bundeslandes Bayern hin-
weisen – vielleicht überzeugt Sie das mehr als eine
Stimme aus der Opposition –, der im Bundesrat vorliegt
und in dem es heißt – ich darf zitieren –:

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die kurzfris-
tige Umsetzung dieser Pläne

– Ihrer Pläne –





Dr. Matthias Miersch


(A) (C)



(D)(B)

die Anpassungsfähigkeit der deutschen Solarwirt-
schaft an das veränderte Umfeld überfordern
könnte.

Eine zu abrupte und drastische Kürzung birgt die Gefahr
schwerer Marktverwerfungen und bedeutet den Verlust
wertvoller Arbeitsplätze in einer hochmodernen Bran-
che.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie sich diese
Sätze noch einmal auf der Zunge zergehen und ändern
Sie, was die Regierung vorhat. – In dem Antrag heißt es
weiter:

Dies wiederum würde den europäischen Produk-
tionsstandort schwächen und zu einer Stärkung der
ostasiatischen Mitbewerber führen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies macht deutlich
– hier gebe ich Ihnen, Herr Bundesumweltminister, voll-
kommen recht –: Die Frage, um die es hier geht, ist nicht
nur eine ökologische, sie ist eine ursoziale und eine ur-
ökonomische. Wenn wir das nicht verstehen, diesen
Haushalt weiterhin so strapazieren, wie wir ihn strapa-
ziert haben, und die Chancen der Klimapolitik nicht se-
hen, dann, so glaube ich, gehen wir in die falsche Rich-
tung, auch in ökonomischer und sozialer Hinsicht.

Heute werden wir nichts mehr verändern können.
Aber ich fordere Sie auf: Lassen Sie den Begriff Nach-
haltigkeit bei den nächsten Haushaltsplanberatungen
Realität werden. Der Haushaltsentwurf, der uns vorliegt,
ist alles andere als nachhaltig.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702920400

Das Wort hat der Kollege Michael Kauch für die

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Sie sind doch auch unzufrieden mit dem Haushalt, Herr Kauch!)



Michael Kauch (FDP):
Rede ID: ID1702920500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Op-

position sitzt heute wieder auf einem ganz hohen Ross.
Herr Miersch hat die Koalition kritisiert, weil sie Geld
ausgegeben hat, um die Wettbewerbsfähigkeit deutscher
Hotels zu stärken. Er sagte, es sei kein Geld da, und wir
würden die ostasiatischen Wettbewerber stärken.


(Dr. Matthias Miersch [SPD]: Das ist ein bayerischer Antrag!)


Diese Kritik wurde von dem Vertreter einer Partei ge-
äußert, die für 5 Milliarden Euro die Abwrackprämie auf
den Weg gebracht hat, durch die insbesondere die Markt-
anteile ostasiatischer Konkurrenten hochgetrieben wor-
den sind und bei der ökologische Fragen keine Rolle ge-
spielt haben. Hätten wir das zu verantworten, würden Sie
uns wahrscheinlich vorwerfen, wir hätten wegen Spen-
den so entschieden. Wir werfen Ihnen nicht vor, dass Sie
in den Jahren 2005 bis 2009 einen Betrag von 1,8 Milli-
onen Euro von der Automobilindustrie bekommen ha-
ben. Das ist nicht unser Stil.


(Sören Bartol [SPD]: Das ist ja lächerlich!)


Ich denke, Sie sollten endlich damit aufhören, permanent
solche Anschuldigungen in Richtung dieser Koalition zu
äußern.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Zurück zu dem hohen Ross, auf dem Sie sitzen. Herr
Kindler, der Kollege von den Grünen, hat uns vorgewor-
fen, wir würden beim Naturschutz nicht genug tun. Da
gerade die Artenschutzkonferenz in Doha stattfindet,
sollten wir uns einmal anschauen, welche Ziele sich
Deutschland in diesem Bereich gesetzt hat. In der Natio-
nalen Nachhaltigkeitsstrategie aus dem Jahre 2002
wurde das Ziel festgelegt: Stopp des Verlustes der Arten-
vielfalt bis 2010. Ich kann nur feststellen: Die SPD war
elf Jahre an der Regierung, die Grünen waren sieben
Jahre an der Regierung, aber passiert ist nichts. Wir ha-
ben den Verlust der Artenvielfalt nicht gestoppt. Sagen
Sie also nicht: Wir Grüne sind die, die für den Natur-
schutz stehen; ihr Christlich-Liberalen seid die, die
nichts tun.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist aber so!)


Wir haben dieses Ziel gemeinsam nicht erreicht. Deshalb
müssen wir den Naturschutz jetzt gemeinsam voranbrin-
gen. Kommen Sie endlich runter von diesem hohen
Ross! Das steht Ihnen nämlich nicht zu.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gucken Sie mal in Ihren Koalitionsvertrag! Da steht das doch drin!)


Mit diesem Haushalt entwickeln wir das Grüne Band
weiter. Diese Koalition hat entschieden, ein Bundespro-
gramm „Biologische Vielfalt“ auf den Weg zu bringen.
Wir gehen allerdings klug vor. Wir schmeißen das Geld
nicht erst aus dem Fenster und überlegen uns dann, wo-
für wir es verwenden wollen. Wir haben im Koalitions-
vertrag festgelegt: Wir werden dieses Programm zusam-
men mit den Naturschutzverbänden und zusammen mit
den Nutzern von Natur entwickeln. Wenn wir geeignete
Kriterien und eine Konzeption erarbeitet haben, dann
werden wir auch die Haushaltsmittel bereitstellen.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fangen Sie doch mal an! Sie regieren schon seit einer Weile!)


– Es mag ja sein, dass Sie die Probleme der Welt in
100 Tagen lösen. Wir machen seriöse Politik.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie und seriöse Politik? Aha! – Michael Kauch Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von wegen! Sie machen gar keine Politik!)





(A) (C)


(D)(B)


Wir schießen nicht aus der Hüfte. Wir haben in
100 Tagen eine ganze Menge getan.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hotels entlastet!)


Wir haben die rückwirkenden Eingriffe der SPD in die
Investitionsbedingungen bei den erneuerbaren Energien
zurückgenommen, um nur ein Beispiel zu nennen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Oh! Sie machen das alles ganz alleine? Sie retten noch die ganze Welt!)


Unsere Bilanz ist ganz gut und kann sich sehen lassen.


(Ulrich Kelber [SPD]: Sie haben gegen das Bundesverfassungsgerichtsurteil verstoßen!)


Meine Damen und Herren, wir müssen uns fragen:
Was ist mit Blick auf den Haushalt 2011 zu tun? Es ist
richtig, dass wir, wenn es beispielsweise um den interna-
tionalen Waldschutz geht, die Zusammenhänge zwi-
schen Klimaschutz und biologischer Vielfalt deutlicher
hervorheben müssen. Wir müssen deutlich machen, wel-
che Mittel sowohl für den Klimaschutz als auch für den
Schutz der biologischen Vielfalt etwas bringen. Wir
müssen Transparenz schaffen bei den Mitteln, die wir
den Entwicklungsländern zusagen. Deutschland ist im
internationalen Vergleich ganz vorne, wenn es darum
geht, den Klimaschutz und die biologische Vielfalt in
den Entwicklungsländern zu fördern. Wir sollten unsere
gemeinsamen Leistungen nicht permanent schlechtre-
den.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn es um den Artenschutz geht, können wir gerade
von Rot und Grün keinen Nachhilfeunterricht gebrau-
chen. Heute hat es eine Obleutebesprechung im Europa-
ausschuss gegeben; es ging um das weitere Verfahren im
Hinblick auf den EU-Beitritt Islands. Island will eine
Ausnahme: Man will weiterhin Wale fangen dürfen. Ich
sage ganz klar: Diese Koalition wird es nicht hinneh-
men, dass von einem EU-Mitgliedstaat Walfang betrie-
ben wird. Ihre Obleute haben heute versucht, uns die
Möglichkeit zu nehmen, im Umweltausschuss über diese
wichtige Tierschutzfrage zu beraten. Sie wollten den
Beitritt Islands durch den Bundestag prügeln, ohne dass
die Fachausschüsse diese Frage hätten klären können.
Das haben wir zu Recht nicht mitgemacht.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir sind also diejenigen, die in diesem Haus für das
Walfangverbot streiten.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind die Tierschützer, ist klar! – Ulrich Kelber [SPD]: Die FDP hat Island gestoppt!)

Meine Damen und Herren, diese Koalition steht für
Verantwortung. Deshalb ist in diesem Haushalt ein Stel-
lenaufwuchs vorgesehen. Dieser Stellenaufwuchs ist
vorhin kritisiert worden. Ich sage nur: Es handelt sich
beispielsweise um Stellen, die wir brauchen, um unab-
hängig von einer Laufzeitverlängerung sicherzustellen,
dass das Bundesamt für Strahlenschutz auch in Zukunft
die Atomaufsicht seriös ausüben kann. Dann dürfen wir
aber nicht sehenden Auges Leute in Pension gehen las-
sen, ohne dass wir Nachwuchs haben. Es muss auch in
Ihrem Interesse sein, dass die Reaktorsicherheit in
Deutschland auf Augenhöhe ist mit den Unternehmen,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von Atomlobbyisten geleitet!)


die die Reaktoren betreiben. Deshalb ist es wichtig, dass
hier Stellen geschaffen werden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und dafür Atomlobbyisten einstellen?)


Verantwortung zeigt sich auch daran, wie man mit der
Frage der Endlagerung umgeht. Die Politik von Rot
und Grün war organisierte Verantwortungslosigkeit. Sie
haben zehn Jahre lang die Hände in den Schoß gelegt.
Herr Miersch kommt jetzt damit an, da seien noch an-
dere Gesteinsformationen, die man beobachten und er-
forschen müsse. Ich kann nur sagen: Das hätte Herr Gab-
riel in den letzten Jahren tun können. Er hat immer nur
geredet, aber nichts getan. Wir handeln, meine Damen
und Herren.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


In diesem Sinne wird die Koalition ihre Umweltpolitik
in diesem Jahr voranbringen – im Interesse der Umwelt
und der Verantwortung für kommende Generationen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702920600

Das Wort hat die Kollegin Dorothée Menzner für die

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dorothee Menzner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702920700

Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen

und Kollegen! Man gibt ja die Hoffnung nicht auf. Folg-
lich habe ich mir das Werk die letzten Nächte relativ um-
fänglich angeschaut. Man erwartet auch, vielleicht ein-
mal positiv überrascht zu werden. Mein Fazit lautet
schlussendlich: Das ist eine Geschichte aus einem fernen
Land vor unserer Zeit, als das Wünschen offensichtlich
noch geholfen hat.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich möchte das an drei Beispielen festmachen. Ers-
tens. Wenn man auf Seite 161 nachschlägt, findet man
zur Stilllegung kerntechnischer Anlagen den Satz





Dorothée Menzner


(A) (C)



(D)(B)

– ich finde ihn sehr schön –: Ab 2010 werden sich
33 kerntechnische Anlagen im Stilllegungsverfahren be-
finden, 19 Leistungs- und Prototypreaktoren, 10 For-
schungsreaktoren usw. Jetzt könnte man meinen, Sie hät-
ten dazugelernt, und es würde mir gefallen, wenn Sie
denn wirklich damit anfangen würden, Atomkraftwerke
stillzulegen. Allein, mir fehlt der Glaube. In den letzten
Wochen haben wir Schwarz-Gelb permanent über Lauf-
zeitverlängerungen debattieren hören gegen den Wider-
stand von Bürgern und von Initiativen, aber auch von re-
gionalen Stromerzeugern wie den Stadtwerken, wie wir
es gestern vernehmen konnten. Ich habe den Eindruck:
Entweder Sie haben schlicht und ergreifend aus dem
letzten Haushalt abgeschrieben, oder Sie wollen die
Katze vor der NRW-Wahl nicht aus dem Sack lassen.

Zweitens, zur Asse. Wenn ich weiter hinten nachlese,
kann ich feststellen: Der Haushaltsansatz ist ungefähr in
der Höhe wie in den letzten Jahren, und das, obwohl wir
seit Monaten hören – auch im Untersuchungsausschuss
in Niedersachsen; die Öffentlichkeit nimmt das ebenso
wahr –, dass das Desaster der Asse deutlich größer ist,
als wir noch vor Wochen befürchteten, und relativ unab-
sehbar ist. Als Grund für dieses Desaster stellt sich im-
mer Verantwortungslosigkeit und Profitgier heraus. Die
Kosten, die daraus folgen, wird der Steuerzahler eines
Tages zu tragen haben, egal welche Option gewählt
wird. Es ist also nichts mit dem billigen Atomstrom!

Wir haben den Optionenvergleich vorliegen und in
den letzten Wochen immer wieder darüber diskutiert.
Vorgeschlagen ist eine Rückholung der Abfälle. Wir alle
wissen, dass die Zeit drängt und dass das sehr viel Geld
kosten wird. Der Ansatz beträgt im Moment rund
3 Milliarden Euro. Nach übereinstimmenden Aussagen
von Fachleuten bleiben uns rund zehn Jahre. Wenn die
Bundesregierung sagt, dass sie das optimal Sichere für
die Bevölkerung vor Ort tun und Vertrauen wiederge-
winnen will, dann frage ich mich, wieso ich im Haushalt
keinerlei Mittelansatz finde, um diese Rückholung anlei-
ern zu können. 3 Milliarden Euro geteilt durch zehn
wäre doch schon eine erkleckliche Summe. Die müsste
sich ja irgendwo finden lassen.

Last, but not least zu Gorleben. Sie haben eben ange-
sprochen, dass wir eine Verantwortung für die Endlage-
rung haben. Das ist so weit in Ordnung. Aber wieso bitte
schön beenden Sie vorzeitig das Moratorium und setzen
Sie wieder nur auf einen Salzstock, von dem bekannt ist,
dass es Probleme gibt und dass er höchstwahrscheinlich
ungeeignet ist?


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Stimmt doch gar nicht! Was ist denn da bekannt und soll Probleme machen?)


Wenn das alles so dringend ist: Wieso kommen Sie nicht
zu dem Schluss, dass eine vergleichende Untersuchung
notwendig wäre, und eröffnen Sie nicht dieses Verfah-
ren? Vor allem frage ich: Wieso geschieht das nach der
alten Rahmenbetriebsordnung, nach dem alten Berg-
recht, wodurch die Bürgerbeteiligung eingeschränkt ist?

Wenn Sie denn schon weiter erkunden wollen, dann
frage ich mich, wieso die Hinweise, die hier im Textteil
zu finden sind, nicht auch im Haushaltsansatz vorhanden
sind. Im Textteil heißt es, 4 Millionen Euro würde die
Wiederaufnahme der Erkundungsarbeiten kosten. Das
wären sozusagen die Anlaufkosten. Die Erkundung
würde jährlich 25 Millionen Euro kosten. Das findet sich
auch nicht in Ihrem Haushaltsansatz.

Von daher kann ich nur sagen: Offensichtlich ist hier
noch eine ganze Menge im Argen. Manches will man
vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen vielleicht
nicht benennen. Das macht einen hinsichtlich dessen,
was uns hier noch erwartet, wirklich bösgläubig.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702920800

Das Wort hat die Kollegin Sylvia Kotting-Uhl für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702920900

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Herr Minister Röttgen, der Umwelthaushalt weist
tatsächlich einen kleinen Aufwuchs aus. Schaut man ge-
nauer hin, stellt man auf den zweiten Blick aber fest,
dass sich dieser kleine Aufwuchs ausschließlich bei dem
Ansatz für die sich jetzt langsam darstellenden Kosten
der Endlagerung abzeichnet. Die Kosten für die Endla-
gerung machen inzwischen fast ein Viertel des gesamten
Umwelthaushaltes aus. Ich denke, dadurch zeigt sich
mehr als deutlich, dass die angeblich so billige Atomen-
ergie, der billige Atomstrom, zumindest am Ende eine
ziemlich teure Angelegenheit ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Bis auf 75 Millionen Euro sind die Kosten für die Asse
dabei überhaupt noch nicht in diesen Haushalt einge-
stellt.

Im Koalitionsvertrag haben Sie, FDP und Union, fest-
geschrieben, dass Sie die Energieversorger an den Kos-
ten für die Sanierung der Asse beteiligen wollen. Wir
wissen bisher nicht, wie; aber ich glaube, es ist nicht
allzu weit hergeholt, wenn ich vermute, dass das mit der
gewünschten Verlängerung der Laufzeiten „verdealt“
werden soll. Ich möchte Sie noch einmal daran erinnern:
86 Prozent des radioaktiven Potenzials der Asse stam-
men aus Atomkraftwerken, zum größten Teil über den
Umweg über die Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe.
Die ursprüngliche Betreibergesellschaft der Wiederauf-
arbeitungsanlage Karlsruhe war eine Tochter der Ener-
gieversorger. Die Energieversorger haben damals mit
ihrer eigenen Tochter einen Vertrag zulasten des nicht
anwesenden Dritten, des Steuerzahlers, geschlossen.
Dieser Vertrag sah vor, dass die spätere Last, nämlich
der wertlose Müll, neben den Wertstoffen, die an die
Energieversorger zurückgingen, im Besitz der Wieder-
aufarbeitungsanlage und damit in der öffentlichen Hand
bleibt. So kam dieser Müll in die Asse. 1976 wurden
dann auf Betreiben diverser AKW-Betreiber die Einlie-
ferungs- und Einlagerungsbedingungen in die Asse ent-
schärft. Die Standards wurden abgesenkt. Heute stellen





Sylvia Kotting-Uhl


(A) (C)



(D)(B)

sich diese Energieversorger hin und haben nichts, aber
auch gar nichts mit der katastrophalen Situation in der
Asse zu tun. Das kann doch wohl nicht wahr sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Herr Minister Röttgen, ich sage Ihnen, was Ihre Aufgabe
in diesem Fall ist: Holen Sie den Müll aus der Asse
zurück, und beteiligen Sie die Energieversorger in ange-
messenem Umfang entsprechend dem Verursacherprin-
zip an den Kosten, und zwar ohne weitere Gegenleis-
tung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Lassen Sie mich zu einem aktuellen Thema kommen,
den weiteren Erkundungen in Gorleben. Sie nennen es
verantwortlich, Gorleben weiter zu erkunden, und zwar
ergebnisoffen, transparent, unideologisch und verant-
wortungsvoll. Im Gegensatz dazu nennen Sie diejenigen,
die das Moratorium verhängt haben, feige und verant-
wortungslos. Dieses Moratorium war aber zum damali-
gen Zeitpunkt bitter notwendig und hat seinen Zweck er-
füllt. Niemand hat während dieser zehn Jahre die Hände
in den Schoß gelegt. Es wurde der AK End eingesetzt,
der Kriterien für eine ergebnisoffene und echte Endla-
gersuche erarbeitet hat, die die Bevölkerung auf ihrer
Seite hat und sie nicht gegen sich aufbringt. Später wur-
den Sicherheitskriterien für die Endlagerung erarbeitet.
Das ist in dieser Zeit passiert. Als Ergebnis des Morato-
riums haben Sie jetzt das Rüstzeug für eine echte Endla-
gersuche, mit der ein Standort gefunden werden könnte,
der von der Bevölkerung akzeptiert wird, weil er nach-
weislich der am besten geeignete ist und nicht aus politi-
schen Gründen gewählt wurde. Sie haben es in der Hand,
diese Entscheidung zu treffen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Sie treffen sie aber nicht, sondern sagen: Wir gehen
zurück. Wir tun so, als habe es diese zehn Jahre nie ge-
geben. Wir gehen zurück auf null. Wir schließen da an,
wo die Kohl-Regierung aufgehört hat. – Das ist verant-
wortungslos, Herr Minister Röttgen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Ich möchte Ihnen auch sagen, was feige ist: Feige ist es,
den Konflikt mit den Energieversorgern zu scheuen und
ihnen nicht das Geld für eine echte Endlagersuche abzu-
trotzen. Das ist feige und verantwortungslos.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte noch einen Satz zum Rahmenbetriebs-
plan sagen. Den Rahmenbetriebsplan müssen Sie bis
zum Jahre 2017, also die nächsten sieben Jahre, anwen-
den. Sie wollen ihn nach altem Bergrecht, welches seit
20 Jahren außer Kraft ist, verlängern. Selbst das neue
Bergrecht schreibt eine Öffentlichkeitsbeteiligung vor.

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702921000

Kollegin Kotting-Uhl, ich bin ein geduldiger Mensch.

Ein Satz war angekündigt. Dieser ist aber nicht endlos
hinauszuzögern.


Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702921100

Ich bin beim letzten Gedanken und versuche, ihn in

einem Satz zu beenden. – Wenn Sie es mit der Transpa-
renz und der Einbindung der Bevölkerung ernst meinen,
dann bieten Sie ihr nicht eine Beteiligungsgruppe, eine
Begleitgruppe an, und definieren Sie oder Herr Hennen-
höfer dann nicht, wie sie informiert wird. Beteiligen Sie
die Öffentlichkeit; wenn schon nicht nach Atomrecht,
dann wenigstens nach neuem Bergrecht. Das ist das
Mindeste, was Transparenz und ehrlich gemeinte Öffent-
lichkeitsarbeit verlangen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702921200

Das Wort hat der Kollege Dr. Georg Nüßlein für die

Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1702921300

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren!

Liebe Frau Kotting-Uhl, ich schätze Sie persönlich sehr;
aber das, was Sie heute in dieser Debatte abgeliefert ha-
ben, ist unglaublich.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich gut!)


Die Legendenbildung, die Sie in Bezug auf das Morato-
rium in Gorleben an den Tag legen, ist bemerkenswert.
Es wäre ehrlich gewesen, wenn Sie zugegeben hätten,
dass Sie um die Eignungshöffigkeit Gorlebens gewusst
haben und dass Sie deshalb alles getan haben, um zu ver-
meiden, dass man irgendwann feststellt, dass Gorleben
geeignet ist. Darum ging es doch letztendlich. Denn Sie
brauchen die Legende – die Legende des Fliegers ohne
Landebahn –, dass Kernenergie deshalb unverantwort-
lich ist, weil es diese Endlagerung letztlich nicht gibt.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eh nur eine Legende!)


Sie geben mir wahrscheinlich an der Stelle wieder recht.
Ich frage mich aber – das mache ich ein bisschen weni-
ger vornehm als der Bundesumweltminister vorhin –,
wie Sie damals dazu gekommen sind, vor der Wahl
durch die Lande zu ziehen und den sofortigen Ausstieg
aus der Kernenergie zu fordern mit der Begründung,
dass sie unverantwortlich ist, dass Kinder an Krebs ster-
ben etc. pp., um dann nach der Wahl zu beschließen, die
Laufzeit der aus Ihrer Sicht unverantwortlichen Techno-
logie um 20 Jahre zu verlängern.


(Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine infame Unterstellung! Sie wissen doch, wie es gelaufen ist!)






Dr. Georg Nüßlein


(A) (C)



(D)(B)

Ich sage Ihnen offen: Das ist scheinheilig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wenn Sie heute sagen, Sie seien erpresst worden,
dann frage ich Sie, welches empfindliche Übel Ihnen da-
mals angedroht worden ist. War es die Nichtbeteiligung
an der Bundesregierung, der drohende Verzicht auf einen
Dienstwagen, oder worum ging es den Grünen? Wenn
man wie Sie der Auffassung ist, dass diese Technologie
nicht zu verantworten ist, dann gilt das aber grundsätz-
lich und nicht erst nach 20 Jahren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sie können diese Frage doch nicht danach entscheiden,
ob Sie in der Opposition sitzen oder ob Sie zufällig an
der Regierung beteiligt sind, wie wir es von Ihnen ken-
nen. Das verstehe ich beim allerbesten Willen nicht.

Uns vorzuhalten – das haben Sie vorhin wortwörtlich
gemacht –, wir würden den Konflikt mit den Energiever-
sorgern scheuen, aber selber vorher zu erklären, man
habe im Konflikt mit den Energieversorgern klein beige-
geben


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben ihn nicht gescheut!)


und als Grüne die Kleinigkeit einer 20 Jahre längeren
Laufzeit einfach hingenommen, ist für mich beim aller-
besten Willen nicht als Politik zu verstehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich würde mich schämen,


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tun Sie das!)


oder ich würde meine Auffassung revidieren und zuge-
ben, dass das, was Sie immer über die Kernenergie und
ihre Risiken behaupten, offenkundig falsch ist und dass
Sie es selber nicht glauben. Das können Sie auch gerne
tun.

Wenn wir über die Energiepolitik diskutieren, wäre es
eigentlich schön, gemeinsam festzuhalten, dass es einen
Konsens darüber gibt, dass wir die erneuerbaren Ener-
gien nach Kräften ausbauen wollen.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie kürzen ja gerade!)


Jetzt kommt aber sofort reflexartig die Frage nach der
Fotovoltaik.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht nicht um die Fotovoltaik, sondern um das Marktanreizprogramm! Das Marktanreizprogramm wird gekürzt!)


Ich sage Ihnen offen: Das Thema Fotovoltaik gefährdet
das Erneuerbare-Energien-Gesetz, wenn wir nicht ver-
antwortungsvoll mit dieser Thematik umgehen.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Sehr wahr!)


5 Prozent des Aufkommens an erneuerbarem Strom und
45 Prozent der Differenzkosten hält dieses Gesetz nicht
aus. Es wird zerrissen, wenn wir nicht gemeinsam in ei-
nem Miteinander der Branche und der Politik einen Weg
finden, relativ schnell zur Netzparität zu kommen, indem
die Bürgerinnen und Bürger für die Fotovoltaik eine Ein-
speisevergütung in der Höhe bekommen, wie sie selber
für den Strom aus der Steckdose bezahlen. Das ist ein
entscheidender Weg.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir doch schon bald! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist in ein paar Jahren so!)


Darum ringen wir innerhalb der Koalition ernsthaft und
auch durchaus kontrovers. Das ist nicht so einfach. Wir
brauchen einerseits Vertrauensschutz, ohne auf der ande-
ren Seite einen Anreiz zu bieten, noch schnell mitzuma-
chen.

Wir wollen weg von der Ackerlandthematik. Auch
das ist übrigens ein Bereich, in dem Sie sich seinerzeit
um die Verantwortung gedrückt haben, als Sie das auf
bestem Ackerland machen wollten, um nicht mit dem
Naturschutz in Konflikt zu geraten. Für dieses Wegneh-
men des Ackerlands brauchen wir einen adäquaten Er-
satz, damit es bei uns noch genügend Freiflächen gibt.
Dabei geht es uns auch um den Export.

Wir werden selbstverständlich auch über die Frage
diskutieren müssen, wie es insgesamt weitergeht.


(Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dr. Nüßleins Märchenstunde!)


Vorhin war wieder einmal von der Förderung asiatischer
Module etc. die Rede. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz
ist kein Subventionsgesetz, sondern es ist sehr marktnah.
Wir steuern nur in einem wichtigen Punkt, nämlich dass
mittelständische, dezentrale Anbieter eine Chance ha-
ben, in dieses Geschäft hineinzukommen, weil sie einen
Anspruch auf Einspeisung und staatliche Vergütung ha-
ben. Das ist völlig unumstritten. Es wäre schön, wenn
Sie auch erwähnen würden, dass wir da auf einem guten
Weg sind.


(Ulrich Kelber [SPD]: Ihr Ministerpräsident sieht das anders, und der ist von Ihrer Partei! So viel zum Thema „unumstritten“! Märchenstunde!)


– Ich habe vorhin gesagt, Herr Kelber, dass wir ernsthaft
um die Frage ringen, wie mit dieser ganzen Thematik
umzugehen ist.

Ich habe vorhin auch die Kritik zum Marktanreiz-
programm vernommen. Das ist kein Wunschhaushalt,
wie die Verschuldung zeigt. Es ist aber auch kein Wün-
schehaushalt – das sage ich ganz offen –, in dem man
dieses und jenes noch machen könnte; überhaupt nicht.
Dieser Haushalt ist der Krise geschuldet. Insbesondere
die SPD weiß das; denn die Grundlagen für diese Situa-
tion – nicht für die Krise, sondern für die Bewältigung
der Krise – haben wir gemeinsam gelegt.

Wer – wie die Grünen – kritisiert, dass jetzt auch das
Marktanreizprogramm von der Haushaltssperre be-
troffen ist,





Dr. Georg Nüßlein


(A) (C)



(D)(B)


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn noch eine Sperre im Haushalt?)


der soll bitte einmal in die eigene Regierungszeit
schauen. Wer das nämlich tut, wird feststellen, dass das
Marktanreizprogramm im Jahr 2001, in der rot-grünen
Zeit, den Maximalwert von 136 Millionen Euro hatte.
Wenn wir heute bei einer Größenordnung von 300 bis
400 Millionen Euro sind, ist das also erheblich mehr.
Deshalb wäre ich an Ihrer Stelle ganz ruhig und würde
die Umweltpolitik dieser Regierung mit großem Beifall
bedenken.

Vielen herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben mit Klimaschutz und Erneuerbaren angefangen!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702921400

Das Wort hat der Kollege Ulrich Petzold für die

Unionsfraktion.


Ulrich Petzold (CDU):
Rede ID: ID1702921500

Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr ge-

ehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kol-
legen! Bundesminister Röttgen hat seine Haushaltsein-
führungsrede unter das Motto „Jetzt erst recht!“ gestellt
und sich dabei auf das enttäuschende Ergebnis von Ko-
penhagen bezogen. Dieses „Jetzt erst recht!“ kann, ja,
muss man auch auf die gegenwärtige Weltwirtschaftssi-
tuation beziehen; denn die Sorge vieler ist: Wenn die
Weltwirtschaft und die Sozialsysteme wanken, muss der
Umweltschutz darunter leiden. – Wir sagen also: Jetzt
erst recht!

Auch nach einem Haushaltsaufwuchs um 56,3 Pro-
zent im letzten Jahr verweilt unser Haushalt im Jahr
2010 nicht im Stillstand, sondern legt erneut um gut
100 Millionen Euro und damit 7,9 Prozent zu. Der letzte
von Herrn Trittin vorgelegte Haushalt des BMU, näm-
lich für das Jahr 2005, umfasste – Herr Kindler, Sie wa-
ren da vielleicht noch ein bisschen jung –


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach!)


gerade einmal 769 Millionen Euro und damit nicht ein-
mal die Hälfte der 1,58 Milliarden Euro des vorliegen-
den Haushalts. Herr Kindler, im Jahr 2005 hatte Herr
Trittin den Haushalt des Umweltministeriums um
2,6 Prozent zurückgefahren. Wir haben einen Aufwuchs
um gut 7 Prozent.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Doch die 1,58 Milliarden Euro – das ist hier auch
schon angeklungen – sind beileibe nicht die gesamten
Umweltausgaben dieser Bundesregierung. Zählt man die
Ausgaben aller Ressorts für diesen Bereich zusammen,
kommt man auf 6,3 Milliarden Euro. Wenn nun aus der
Opposition die Kritik kommt, dass von dieser Summe
viel zu viel in die Kernenergie fließt, erlaube ich mir, da-
ran zu erinnern, dass wir in diesem Haushalt, 20 Jahre
nach Herstellung der deutschen Einheit, immer noch
300 Millionen Euro für die Altlastensanierung der
DDR ausgeben müssen – allein in unserem Haushalt
300 Millionen Euro!


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)


Ich würde Ihnen empfehlen, doch einmal nach Ronne-
burg zu fahren und sich das anzusehen, was wir dort in
den letzten Jahren gemeinsam geleistet haben. Darauf
können wir vom Umweltausschuss stolz sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Genau solch ungeordnete Hinterlassenschaft wollen
wir zukünftigen Generationen nicht aufbürden. Deswe-
gen ist es nur richtig, dass sich der Aufwuchs mit
127,4 Millionen Euro auf die Herrüstung des Schachtes
Konrad als Endlager für schwach radioaktive Abfälle
konzentriert. Das sind Mittel, die von den Betreibern von
Kernenergieanlagen auch noch refinanziert werden. Es
ist also nicht so, dass das endgültig aus unserer Tasche
geht.

Lassen Sie mich bitte noch darauf hinweisen, dass der
Stand des Umweltschutzes eines Staates nicht allein
nach den Umweltschutzinvestitionen des Staates selbst,
sondern in erster Linie nach den Investitionen der Ver-
ursacher zu bewerten ist. Hier muss Deutschland in-
folge des hohen Umweltschutzbewusstseins seiner Bür-
ger, aber auch seiner Unternehmer mit an führender
Stelle genannt werden. Deswegen gilt mein Dank heute
im Rahmen der Haushaltsberatung auch allen Bürgern
und Unternehmen, die sich in ihrem täglichen Handeln
dem Umweltschutzgedanken verpflichtet fühlen. Es gilt,
gerade dies zu stützen und zu fördern.

Deswegen ist ein Schwerpunkt im Umweltschutzhaus-
halt, die Anreizförderung, zum Beispiel betreffend den
Einbau von Partikelfiltern, weiterzuführen. Es wurde ge-
sagt, dass wir dort eine Kürzung vornähmen. Dazu muss
ich ausführen, dass wir durch den Überhang in Höhe von
140 Millionen Euro, die wir aus dem letzten Jahr mitneh-
men, in diesem Jahr mehr Mittel für diesen Titel einstel-
len als im letzten Jahr.

Ein, wenn nicht der Renner im Rahmen der Anreiz-
förderung ist das Marktanreizprogramm mit einem
Volumen von 468 Millionen Euro für die Förderung von
Einzelmaßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien.
Allerdings liegt auf diesem Titel – das ist hier schon an-
geklungen – ein Sperrvermerk in Höhe von 130 Millio-
nen Euro. Dieser Sperrvermerk ist den nicht sicher ab-
schätzbaren Einnahmen aus dem Emissionshandel ge-
schuldet. Dass dieses Einnahmerisiko allein auf dem
BMU-Haushalt und hier wiederum nur auf der Anreiz-
förderung lastet, entspricht eigentlich nicht der Haus-
haltsgepflogenheit der allgemeinen Deckung. Deswe-
gen finde ich es außerordentlich gut, dass sich unser
Kollege Schulte-Drüggelte mit aller Kraft dafür einge-
setzt hat, dass es auch in diesem Titel eine allgemeine
Deckung gibt. Herzlichen Dank, Bernhard!





Ulrich Petzold


(A) (C)



(D)(B)



(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Durch deinen Einsatz werden wir in Zukunft das Markt-
anreizprogramm auf einem hohen Niveau fortführen
können.

In den letzten Jahren hatte ich immer wieder Pro-
bleme beim Personalhaushalt angesprochen. Deswegen


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702921600

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 16, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit, in der Ausschussfassung. Hierzu
freut es mich, dass doch eine ganze Zahl von befristeten
Stellen in diesem Haushalt zu Dauerstellen umgewandelt
wird. So kann endlich der Wissensverlust bei vielen Um-
besetzungen beendet werden. Ich bin trotzdem etwas ir-
ritiert, dass im refinanzierten Bereich immer wieder
neue Probleme bei der Stellengenehmigung auftreten.
Ob beim Pflanzenschutzgesetz, Biozidgesetz, Batterie-
gesetz oder bei der Einbindung des Luftverkehrs in den
Emissionshandel, es kommt darauf an, dass Unterneh-
men für ihre Gebühren schnelle, kompetente Auskünfte
bekommen. Dienstleister müssen ausreichend mit Perso-
nal ausgestattet sein. Kameralistik und Beamtendenken
haben dort nichts zu suchen.

Sicherheit in der Informations- und Kommunika-
tionstechnik ist ein Feld, das zu Recht unsere ganze
Aufmerksamkeit einfordert. Es ist richtig, dass wir im
Ministerium und in den zugeordneten Behörden dafür
neue Stellen geschaffen haben. Welche kriminelle Ener-
gie auch im Datenbereich „Umwelt“ vorhanden ist,
wurde uns spätestens durch das unbefugte Eindringen in
das Emissionshandelsnetz bewusst. Wir sollten jedoch
für die Zukunft über eine stärkere Bündelung der Kräfte
im Ministerium und in den Behörden auf diesem Gebiet
nachdenken.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und
Kollegen, ich habe immer wieder darauf aufmerksam ge-
macht, dass es im BMU-Haushalt Wirtschaftlichkeits-
reserven gibt. Es gibt den Vorschlag, eine erweiterte Ka-
meralistik einzuführen bzw. die Vor- und Nachteile einer
Doppik zu prüfen. Wenn das UBA die Mittel für einen Er-
weiterungsbau in Dessau aus dem eigenen Haushalt er-
wirtschaftet hat, ist das nicht wegen, sondern trotz der Ka-
meralistik geschehen. Man hätte sich allerdings die vielen
unproduktiven Verhandlungsstunden beim BMF sparen
können. Ich glaube daher, dass wir in den Beratungen
über den Haushalt 2011 noch das eine oder andere Ver-
nünftige aus diesem Haushalt herausholen können.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich wün-
sche Ihnen allen noch einen schönen Abend.
liegen drei Änderungsanträge vor, über die wir zuerst ab-
stimmen.

Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 17/1013? – Wer stimmt dage-
gen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist mit
den Stimmen der Unionsfraktion, der FDP-Fraktion und
der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Antragsteller
bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ab-
gelehnt.

Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 17/1014? – Wer stimmt dage-
gen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist mit
den Stimmen der Unionsfraktion, der FDP-Fraktion und
der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die
Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
nen abgelehnt.

Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/1021? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Änderungs-
antrag ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und der
FDP-Fraktion gegen die Stimmen der antragstellenden
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die
Linke bei Enthaltung der SPD-Fraktion abgelehnt.

Wir stimmen nun über den Einzelplan 16 in der Aus-
schussfassung ab. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt da-
gegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 16 ist mit
den Stimmen der Unionsfraktion und der FDP-Fraktion
gegen die Stimmen der SPD-Fraktion, der Fraktion Die
Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ange-
nommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Mittwoch, den 17. März 2010,
9 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.

Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.