Protokoll:
1080

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 1

  • date_rangeSitzungsnummer: 80

  • date_rangeDatum: 27. Juli 1950

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:13 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 22:47 Uhr

Gesamtes Protokol
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108000000
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 80. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Vor Eintritt in die Tagesordnung bitte ich den Herrn Schriftführer, die Liste der abwesenden Mitglieder zu verlesen.

Peter Nellen (SPD):
Rede ID: ID0108000100
Es fehlen wegen Erkrankung die Abgeordneten Dr. Povel, Morgenthaler, Frau Dr. Brökelschen, Welke, Kalbitzer, Meitmann, Frau Albrecht, Mißmahl, Dr. Gülich, Dr. Gerstenmaier, Hellwege, Dr. Bertram. Es fehlen entschuldigt die Abgeordneten Dr. Kopf, Dr. Holzapfel, Gockeln, Ehren, Dr. Suhr, Brandt, Henßler, Dr. Nölting, Klabunde, Dr. Mühlenfeld, Wallner, Menzel. Außerdem fehlen die Abgeordneten Reimann, Renner, Rische, Vesper, Müller (Offenbach).

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108000200
Ich danke dem Herrn Schriftführer.
Ich habe Ihnen, meine Damen und Herren, folgende amtlichen Mitteilungen zu machen.
Die konstituierende Sitzung des Untersuchungsausschusses über das Grubenunglück auf Zeche Dahlbusch wird heute um 17 Uhr in Zimmer 10 des Südflügels stattfinden.
Die Tagesordnung wird. erweitert werden müssen durch die erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten — Milch- und Fettgesetz —, Nr. 1232 der Drucksachen. Es stand gestern auf der Tagesordnung, konnte aber gestern nicht behandelt werden, weil die Regierungsvorlage nicht rechtzeitig hier eingekommen ist. Ich schlage Ihnen vor, meine Damen und Herren, diese Vorlage zwischen die Punkte 7 und 8 einzuschieben; es ist eine einigermaßen vergleichbare Materie. Ich nehme an, daß wir dann etwa so um Mitternacht dazu kommen werden, dieses wertvolle Gesetz zu beraten.

(Heiterkeit.)

Die Vorlage wird in den nächsten Stunden verteilt werden.
Außerdem habe ich Ihnen auf Bitte des Vorsitzenden des Immunitätsausschusses mitzuteilen, daß zu Drucksache Nr. 993 demnächst eine Beilage verteilt werden wird.
Vor Eintritt in die Tagesordnung hat das Wort zur Geschäftsordnung der Abgeordnete Euler.

August-Martin Euler (DP):
Rede ID: ID0108000300
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens meiner politischen Freunde habe ich zu Punkt 1 der Tagesordnung folgendes bekanntzugeben.
Die sozialdemokratische Fraktion hatte im Ältestenrat ihren Entwurf zum Mitbestimmungsrecht angekündigt. Dieser Entwurf sollte noch auf die Tagesordnung genommen werden. Die Fraktion der CDU hat dem widersprochen. Dadurch ist nun die Lage entstanden, daß wir dieselbe Diskussion heute führen müßten, wenn Punkt 1 der Tagesordnung, der Entwurf der CDU, bleibt, während wir dann nach den Ferien den entsprechenden Entwurf der SPD zu diskutieren hätten. Es droht dann die dritte Diskussion über dieselbe Materie aus Anlaß der Einbringung des Regierungsentwurfs. Da aber, wenn heute der CDU-Entwurf durch die erste Lesung ginge, eine weitere gesetzgeberische Behandlung des Entwurfs während der Ferien ohnehin nicht


(Euler)

in Betracht käme, so ist es unseres Erachtens geboten, dem Gesetz der Rationalität unserer Arbeit Rechnung zu tragen und Punkt 1 von der Tagesordnung abzusetzen. Dies beantrage ich hiermit.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108000400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Brentano zur Geschäftsordnung.

Dr. Heinrich von Brentano (CDU):
Rede ID: ID0108000500
Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag der Fraktion der FDP zurückzuweisen. Er widerspricht auch den Vereinbarungen, die wir im Ältestenrat getroffen haben. Es handelt sich heute nicht darum, auf eine sogenannte „Rationalität" Rücksicht zu nehmen. Es handelt sich darum, daß der Entwurf eines Gesetzes, den die größte Fraktion des Hauses eingebracht hat und der mit Zustimmung des gesamten Ältestenrats heute zur Behandlung steht, auch behandelt wird. Ich wiederhole meine Bitte, diesen Antrag zurückzuweisen.

(Beifall bei der CDU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108000600
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Mellies.

Wilhelm Mellies (SPD):
Rede ID: ID0108000700
Meine Damen und Herren! Auch die sozialdemokratische Fraktion ist der Ansicht, daß der Punkt 1 nicht von der heutigen Tagesordnung abgesetzt werden sollte.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Wir bitten aber das Hohe Haus, doch noch einmal zu überlegen, ob nicht unser Antrag gleich in der ersten Lesung mit erledigt werden kann; denn dann würden wir ja über die Schwierigkeiten, die Herr Euler vorgetragen hat, leicht hinwegkommen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108000800
Herr Abgeordneter Euler und Herr Abgeordneter von Brentano, außer Ihren Fraktionen hat noch die Deutsche Reichspartei gegen die Behandlung des SPD-Entwurfs protestiert. Vielleicht können Sie diesen Widerspruch zurücknehmen. Soviel mir bekannt ist, ist der Entwurf der SPD weitgehend identisch mit dem Entwurf der Gewerkschaften, der ja seit Wochen und Monaten bekannt ist.

(Zuruf von der CDU.)

— Sie ziehen den Widerspruch zurück. — Herr Kollege Frommhold, können Sie nicht auch Ihren Widerspruch zurückziehen? Ich glaube, Sie würden die Arbeit dieses Hauses wesentlich erleichtern; Sie würden uns bestimmt einen Sitzungstag ersparen.

(Zuruf von der DRP.)

— Sie ziehen den Einspruch auch zurück.
Dann erhebt das Haus keinen Widerspruch, wenn zu Punkt 1 der Tagesordnung auch der Antrag der SPD mitbehandelt wird.

(Zuruf von der CDU: Wo ist er?)

Ich muß zuerst über den Antrag des Herrn Abgeordneten Euler abstimmen lassen. Wer für die Absetzung — —

(Abg. Euler: Ich ziehe meinen Antrag zurück! — Heiterkeit.)

— Sie ziehen Ihren Antrag zurück.
Dann rufe ich auf Punkt 1 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb (Nr. 970 der Drucksachen).
Wer will den Antrag begründen?

(Zuruf.)

— Herr Abgeordneter Schröder!
Der Ältestenrat hat dem Hause vorgeschlagen, freie Redezeit zu gewähren. Es darf sich also jeder zum Wort melden; es darf jeder eine Stunde sprechen.

(Heiterkeit.)

Dr. Schrader (Düsseldorf) (CDU), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das kleine Vorspiel, das wir soeben erlebt haben, unterstreicht noch einmal, wie wesentlich schon der Kampf in der Vorgeschichte dieses Entwurfs gewesen ist, und ich freue mich, daß wir heute wenigstens einmal unter diese Vorgeschichte einen Schlußpunkt setzen können.
Wenn wir heute über den Entwurf der CDU, den ich die Ehre habe einzubringen, sprechen, so erwarten Sie und so erwartet gewiß auch die Öffentlichkeit die Beantwortung von drei Fragen, nämlich der Fragen, warum überhaupt dieser Entwurf von uns eingebracht wird, warum er gerade jetzt eingebracht wird und warum wir einen Entwurf mit diesem Inhalt einbringen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ausgangspunkt unseres Entwurfs ist die Regierungserklärung vom 20. September, in der unter zahlreichen anderen Programmpunkten ein für unsere Auffassung sehr wesentlicher Satz gestanden hat, nämlich der, daß die Rechtsbeziehungen zwi- schen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zeitgemäß neu geordnet werden müßten. Und da wir die Auffassung vertreten, daß dies ein wesentliches Anliegen des Bundestags, und zwar nicht erst gegen Ende seiner Tätigkeit, sondern möglichst frühzeitig zu Beginn seiner Tätigkeit ist, haben wir es für richtig gehalten, diesen Satz der Regierungserklärung durch einen besonderen Antrag von uns noch einmal herauszustreichen. Sie werden sich entsinnen, daß wir in diesem Hause einmütig, allerdings ohne die Stimmen der kommunistischen Fraktion, am 4. November 1949 folgenden Beschluß gefaßt haben:
Die Bundesregierung wird ersucht, in Ausführung des Programms der Regierungserklärung
vom 20. September 1949 dem Bundestag den
Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der
Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern vorzulegen. Dieser Entwurf soll das
bisherige Betriebsrätegesetz des Kontrollrats
und entsprechende Gesetze der Länder ersetzen
und gleichzeitig - einer zeitgemäßen neuen
Ordnung entsprechend — das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer festlegen.
Seitdem wir diesen Beschluß — wie gesagt am 4. November 1949 — gefaßt haben, können wir in der weiteren Entwicklung des Problems der Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb drei Phasen unterscheiden. Die erste Phase möchte ich einmal als die Phase der Hattenheimer Gespräche bezeichnen. Die zweite ist ein Zwischenspiel, bei dem es bereits um den heute zur Behandlung kommenden Entwurf ging. Die dritte Phase schließlich sind die Verhandlungen des Bundesarbeitsministers mit den Organisationen der Sozialpartner.
Um mit den Hattenheimer Gesprächen zu beginnen: Das erste Gespräch hat, glaube ich, am 9. und 10. Januar stattgefunden. Im Gegensatz — und das wird für die weitere Erörterung sehr wichtig sein, vor allen Dingen, wenn wir noch Gelegenheit haben werden, den SPD-Entwurf nachher zu behandeln — im Gegensatz zu dem Bundestagsbeschluß ist hier


(Dr. Schröder Die Lage für uns war nun Anfang April diese: erstens: der Bundestagsbeschluß lag bereits seit November vor; zweitens: die Regierung hatte bis dahin nichts veranlaßt; drittens: die Hattenheimer Gespräche hatten zu keinem Ergebnis geführt; viertens: der amerikanische Hohe Kommissar Mr. McCloy hatte die Suspension der Bestimmungen über die wirtschaftliche Mitbestimmung, die in den Gesetzen von Hessen und Württemberg-Baden enthalten war, mit der Begründung aufgehoben, daß die erwartete, außerdem zugesagte bundesgesetzliche Regelung immer noch nicht erfolgt sei. In dieser Situation lag für uns selbstverständlich nichts näher, als uns an die Verpflichtung zu erinnern und diese Verpflichtung zu praktizieren, die wir in unserem Programm und zuletzt noch einmal wieder zusammenfassend in den Düsseldorfer Leitsätzen vom Juli 1949 niedergelegt hatten. Es ist dort gesagt worden, daß wir eine grundlegende Neuordnung des Verhältnisses von Unternehmern und Arbeitnehmern fordern, daß es gelte, die bestehenden Gegensätze zu überwinden und neue Formen der Zusammenarbeit im Sinne echter Partnerschaft, leistungsgemeinschaftlicher Verbundenheit und beiderseitiger Verantwortung für das gemeinsame Werk zu entwickeln. Die Verwirklichung des Rechts der Arbeitnehmer auf Mitberatung, Mitwirkung und Mitbestimmung soll dabei in betriebsgerechter Form unter Wahrung der echten Unternehmerverantwortung gesichert werden. Das ist, meine Damen und Herren, die Lage gewesen, wir wir sie Anfang April vorfanden und wie sie dann dazu geführt hat, daß wir einen eigenen Entwurf aufgestellt haben. Dieser Entwurf ist, wenn Sie mir erlauben, einige weitere Daten aus seiner Vorgeschichte hier noch einmal in Erinnerung zu rufen, mit dem Herrn Bundesarbeitsminister und dem Herrn Bundeswirtschaftsminister am 20. und 21. April erörtert bzw. ihnen übergeben und später anschließend weiter erörtert worden. Der Bundeskanzler ist unterrichtet worden. Schließlich hat unsere Fraktion den Entwurf am 10. Mai dieses Jahres verabschiedet, und seit dem 17. Mai befindet er sich bei den bisher noch nicht erledigten Eingängen des Herrn Bundestagspräsidenten. Nach dieser Phase, die ich eben geschildert habe, setzt die Phase der Verhandlungen des Herrn Bundesarbeitsministers ein. Am 12. Mai, d. h. also zwei Tage nachdem wir diesen Entwurf verabschiedet hatten, erfolgte ein Beschluß des Kabinetts, in dem festgelegt wird, daß der Herr Bundesarbeitsminister binnen zweier Wochen — das würde also der 26. Mai gewesen sein — einen Entwurf über das Mitbestimmungsrecht vorlegen soll. Inzwischen war von dem Gemeinschaftsausschuß der deutschen gewerblichen Wirtschaft am 13. Mai eine umfassende Denkschrift über das Problem des Mitbestimmungsrechts veröffentlicht worden, und außerdem hatten wir die Veröffentlichung eines Gesetzentwurfes des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der vom 22. Mai datiert. Wenn ich mich nicht irre — ich habe die Drucksache eben erst in die Hand bekommen und sie nur überfliegen können — stimmt der Entwurf des Gewerkschaftsbundes vom 22. Mai in sehr wesentlichen Punkten mit dem überein, was uns jetzt als Antrag der SPD-Fraktion noch vorgetragen werden wird. Mit diesem Material sind die Sozialpartner unter dem Vorsitz des Herrn Bundesarbeitsministers am 24. Mai im Bundesarbeitsministerium zusammengekommen. Die Zusammenkunft ist damals eingeleitet worden durch den Herrn Bundeskanzler selbst, der damit die Bedeutung dieses Problems besonders unterstrichen hat. Über diese Zusammenkunft hat es eine Presseverlautbarung gegeben. In dieser Presseverlautbarung wurde gesagt, daß sich die Auffassungen einander angenähert hätten, ohne zu sagen, worüber sich die Auffassungen angenähert hätten. Es wurde dabei eine Bitte an die gesetzgebenden Körperschaften ausgesprochen, nichts zu unternehmen, und es wurde festgelegt, daß die Öffentlichkeit nur durch gemeinsame Erklärungen unterrichtet werden sollte. Es folgt eine zweite Verhandlung der Sozialpartner am 2. Juni. Auch darüber gab es eine, diesmal schon etwas kürzere Presseerklärung, in der von weiteren Fortschritten berichtet wurde mit dem Hinweis, daß die Öffentlichkeit gemeinsam durch die Partner unterrichtet werden sollte. Eine noch kürzere Presseverlautbarung gab es schließlich über die Verhandlung vom 9. Juni, bei der festgelegt wurde, daß volle Übereinstimmung über die behandelten Fragen bestanden habe. Es wurde allerdings nicht gesagt, welche Fragen behandelt worden sind, und es wurde wiederum gesagt, daß die Öffentlichkeit erst 'bei Vorliegen des Gesamtergebnisses endgültig unterrichtet werden sollte. Eine weitere Verhandlung war die vom 22. Juni. Diesmal kam es freilich zu keiner Presseerklärung, was sich aber vielleicht daraus erklären mag, daß man das Gesamtergebnis abwarten wollte. Und nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, kamen die Besprechungen in Maria Laach, sehr geheimnisvoll vorher angekündigt, die Besprechungen, die für den 5., 6. und 7. Juli angesetzt waren und die bereits am 6. Juli für die deutsche Öffentlichkeit etwas überraschend mit einer Presseerklärung, und zwar diesmal einer umfangreichen Presseerklärung, zu Ende gingen, in der gesagt wurde, daß grundsätzliche Übereinstimmung über das überbetriebliche Mitbestimmungsrecht bestehe, bezüglich dessen die Partner gleichberechtigt zusammenarbeiten sollten, und zwar wurden als Institutionen ausdrücklich der Bundeswirtschaftsrat und die Wirtschaftskammern genannt. Bezüglich des betrieblichen Mitbestimmungsrechts — so wurde erklärt — habe man sich über Wirtschaftsausschüsse in Betrieben von bestimmter Größe geeinigt; die Einzelheiten bedürften der weiteren Beratung; zum personellen und zum sozialen Mitbestimmungsrecht schließlich seien einzelne Vorschläge gemacht worden, die zunächst intern beraten werden sollten Zwölf Tage später folgte der Beschluß des Bundesvorstandes und des Bundesausschusses der Gewerkschaften. In diesem Beschluß vom 18. Juli wird gesagt, daß grundsätzlich Übereinstimmung über die überbetriebliche Mitbestimmung vorliege, daß aber in den entscheidenden Fragen des betrieblichen Mitbestimmungsrechts keinerlei Einigung erfolgt sei, daß die Durchsetzung der Forderungen des DGB mit gewerkschaftlichen Mitteln vorgenommen werden solle und die Verbände angewiesen seien, die entsprechenden Vorbereitungen zu treffen. Die Antwort der Unternehmer darauf erfolgte zwei Tage später, am 20. Juli. In dieser Antwort wird darauf hingewiesen, daß dies eine überraschende Wendung vom Geiste der sozialen Gemeinschaft zur offenen Drohung mit Kampfmaßnahmen sei, und es wird eine Aufklärung der Öffentlichkeit angekündigt, die — wenn ich mich nicht irre — gestern in einer Pressekonferenz in diesem Hause erfolgt ist. Meine Damen und Herren! Nach dieser kurzen Schilderung der bisherigen Vorgänge glaube ich, daß nunmehr der Augenblick gekommen ist, in der Mitbestimmungsfrage ein erstes Wort vom Parlament aus zu sagen. Dabei möchte ich in den Vordergrund stellen, daß wir selbstverständlich grundsätzlich durchaus mit solchen Gesprächen der Partner einverstanden sind, weil, wenn die Dinge günstig verlaufen, dadurch ein günstiger Boden, ein günstiges Klima für die Durchführung eines Gesetzes geschaffen werden kann, das sich ja schließlich weithin im Bereich der großen Sozialorganisationen abspielt. Aber — und das haben auch diese Verhandlungen nach meiner Meinung deutlich gezeigt — es besteht dabei die sehr große Gefahr, daß ,,Konzessionen" gemacht werden, die das Gesamtinteresse unter Umständen in einer Weise berühren, mit der wir nicht ohne weiteres einverstanden sein können. So viel ist für uns ganz sicher, daß die Mitbestimmung kein Handelsobjekt sein kann. Sie kann auch nicht so angesehen werden, als ob zwischen den betrieblichen und überbetrieblichen Dingen etwa eine Art Verbindung hergestellt werden könnte, indem man auf dem einen Gebiet mehr gibt und auf dem anderen Gebiet dafür mehr nehmen kann. Die Betriebsebene als solche unterliegt nach unserer Auffassung jedenfalls in einem gewissen Umfange und im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen der Disposition der Partner. Die anderen Ebenen dagegen — ich komme darauf gleich noch genauer zu sprechen — unterliegen nicht ohne weiteres einer Disposition der Partner, sondern sind Angelegenheiten von eminent öffentlichem Interesse, d. h. eben immer von einem eminenten Gesamtinteresse. Die Organisationen haben dafür zunächst auch, wie mir scheint, ein sehr richtiges Empfinden gehabt; denn man hat in Hattenheim von Gesprächen geredet und sie als Zusammenkunft bezeichnet. Später wurde allerdings die Bezeichnung „Verhandlungen" gewählt. Aber als roter Faden —und das zeigt das Studium der Protokolle, die jetzt mehr und mehr zugänglich werden — zog sich durch diese Verhandlungen hindurch, daß das Ausmaß der auf überbetrieblicher Ebene eingeräumten Mitbestimmungsrechte von erheblicher Bedeutung für das Maß der Forderungen auf Mitbestimmungsrechte auf der betrieblichen Ebene sein solle. Hier liegt, wie ich schon andeutete, eine große Gefahr vor. Wenn nämlich solche Verhandlungen geführt werden und wenn sie, wie das im späteren Stadium der Fall war, unter dem Vorsitz des Herrn Bundesarbeitsministers geführt werden, so werden sie schwerlich zu einem befriedigenden Ergebnis führen können, falls man ihnen nicht eine feste Konzeption zugrunde legt. Wenn man die Bestimmung der Politik auf diesem Gebiet der Einigung der Parteien, hier der Partner, überlassen will, dann wird man schwerlich ein Ergebnis erzielen können, das allseitig befriedigt. Um so bedenklicher wird das aber dann, wenn es sich dabei nicht um Dinge innerhalb der Disposition der Partner handelt, sondern um Dinge wie den Bundeswirtschaftsrat, Landwirtschaftsrat, Wirtschaftskammern usw. . Dabei geht es um ganz andere Strukturfragen als etwa bei innerbetrieblichen Beziehungen. Wenn also das Schwergewicht bei solchen Verhandlungen auf die Partner übergeht, muß das zwangsläufig dazu führen — wir sehen das ja in einem ganz überraschenden Maße bestätigt —, daß die Regierung die Initiative verliert und schon rein zeitlich überhaupt nicht mehr in der Lage ist, die vordringliche Gesetzgebung auf diesem Gebiet zu einem bestimmten Zeitpunkt durchzuführen. Es besteht die Gefahr, daß das Parlament zu einem Prägestempel außerparlamentarischer Beschlüsse wird, eine Gefahr, der wir uns nicht rechtzeitig genug und nicht entschlossen genug entgegenstellen können, wenn wir der Verpflichtung gerecht werden wollen, die wir als Vertreter der Gesamtheit und nicht als Vertreter von Gruppeninteressen usw. haben. Diese jüngste Entwicklung bildet, wie ich glaube, ein warnendes Beispiel. Lassen Sie mich das durch ein ganz kleines Zitat aus dem Protokoll von Hattenheim vom 30. und 31. März belegen! Es heißt dort: Der Vertreter des Bundesarbeitsministers wirft die Frage auf, ob die beiden Parteien ihm für seinen Bericht an den Bundesarbeitsminister bestimmte Wünsche oder Richtlinien mitzugeben wünschten. Der Minister habe sich bisher mit Erfolg bemüht, allem politischen Drängen zum Trotz die Arbeit des Ministeriums an einem Gesetzentwurf hinauszuzögern, bis über die Verhandlungen zwischen den beiden Parteien Klarheit geschaffen sei. Er müsse nunmehr die Frage stellen, ob die beiden Parteien wünschten, daß diese Bemühungen seines Ministers fortgesetzt werden sollten. Die Partner haben dann gesagt, und zwar wohl mit Recht — das war bereits Ende März —, daß sie nicht den Mut oder auch keine Veranlassung hätten, eine weitere Stopempfehlung an den Herrn Bundesarbeitsminister zu geben. Sie haben damals sehr einsichtig, in voller Erkenntnis einer Situation gehandelt, die ja weit über diese Kreise hinaus die deutsche Öffentlichkeit kannte, daß der amerikanische Hohe Kommissar nämlich angekündigt hatte, nun die Bestimmungen über wirtschaftliche Mitbestimmung in den beiden Gesetzen, die ich schon nannte, in Kraft zu setzen, da ihm von höchster Stelle ein entsprechender Bundesgesetzentwurf zum 1. April zugesagt, aber nicht eingegangen sei. Um so bemerkenswerter ist allerdings, daß dieselben Partner, die Ende März in Hattenheim keine Stopempfehlung geben wollten, sich in den Besprechungen vom 24. Mai unter dem Vorsitz des Herrn Bundesarbeitsministers dazu entschlossen haben, doch eine Stopempfehlung an die gesetzgebenden Körperschaften zu geben. Diese Stop empfehlung konnte allerdings nichts anderes mehr bedeuten, als den eine Woche vorher eingereichten Antrag der CDU-Fraktion einstweilen auf Eis zu legen. Dieser CDU-Entwurf lag vor, weil der überfällige Kabinettsentwurf ausgeblieben war. Auf diesen damals überfälligen Entwurf warten wir auch heute noch. Meine Damen und Herren! Ich möchte mich nun mit einigen kurzen Bemerkungen der Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Verhandlungen der Partner zuwenden. Die Verhandlungen der Partner waren weitgehend vertraulich. Die Unterrichtung der Öffentlichkeit war dementsprechend spärlich. Die Öffentlichkeit hat aber trotzdem ein völlig falsches Bild von diesen Besprechungen bekommen, da sie aus der Gesamttendenz der Presseverlautbarungen seit Mai eine zunehmende Annäherung der Partner vermuten mußte. Schließlich hat die Ankündigung eines dreitägigen Konklaves an einem geheimen Ort, bei dem dann die endgültige Einigung erwartet wurde — weil sie vorausgesagt war —, die Öffentlichkeit überaus gespannt gemacht. — Der Name von Maria Laach hat dabei vielleicht noch dazu geführt, das besonders zu unterstreichen. Dabei muß ich allerdings der Korrektheit wegen zugeben, daß die Öffentlichkeit davon, daß die Besprechungen in Maria Laach stattfanden, erst am zweiten Tag der Besprechungen, also nicht vorher erfahren hat. Als dann nach Maria Laach ein Kommuniqué veröffentlicht wurde, in dem etwas von grundsätzlicher Übereinstimmung stand — was natürlich den Weg in die Schlagzeilen fand —, waren die Überraschung und die Befriedigung ganz allgemein. Eigentlich ließen die Formulierungen nur für den Kenner der Problematik die Zweifel offen, wieweit denn nun auf dem entscheidenden Gebiet der innerbetrieblichen Mitbestimmung die Einigung tatsächlich gediehen sei. Die nachfolgenden Erklärungen der Partner haben überdeutlich gemacht, daß es auf diesem Gebiet zu keinerlei Verständigung gekommen ist, daß hier vielmehr alles offengeblieben ist. Aber noch deutlicher und geradezu dramatisch wurde der komplette Mißerfolg und der Fehlschlag dieser Verhandlungen durch den schon erwähnten Beschluß der Gewerkschaften unterstrichen, den Einsatz gewerkschaftlicher Kampfmittel vorzubereiten. Wenn wir einen zusammenfassenden Blick auf die geschilderte Phase werfen. können wir daraus wohl nur folgenden Schluß ziehen: Verhandlungen der Partner ohne klare Führung der Regierung und ohne ein klares Regierungskonzept müssen angesichts der umfassenden Problematik des Themas zwangsläufig scheitern, weil nämlich die sich gegenüberstehenden Konzeptionen im Grunde unvereinbar sind. Darum — und das ist der entscheidende Grund — war es erforderlich, daß sich die größte Fraktion in diesem Hause entschlossen hat, eine Grundlinie aufzuzeichnen, auf die redlicherweise nach unserer Auffassung beide Partner werden treten können. In der parlamentarischen Demokratie gibt es für den Aus-. glei ch der umfassenden Interessengegensätze kein anderes Mittel als die öffentliche Verhandlung im Parlament und die Entscheidung vor dem Ausschuß des Parlaments. Zu diesen öffentlichen Ausschußsitzungen sollten wir gerade bei der Behandlung dieses Themas die Partner einladen. Wir sollten es hier ähnlich handhaben, wie es in Amerika geschieht, um auf diese Weise ein Thema, dessen Bedeutung über den Kreis der Partner weit hinausreicht, wirklich im Angesicht der Öffentlichkeit zu verhandeln. Denn die Gesamtbeteiligung des Volkes ist bei einer so entscheidenden Frage nur möglich, wenn die Frage nicht hinter verschlossener Tür verhandelt wird, sondern im Angesicht der Öffentlichkeit zur Erörterung kommt. Wir stellen uns also vor, daß gerade in dieser Frage ein solches Verfahren zum erstenmal nachdrücklich praktiziert wird. Wenn wir uns nun fragen, wo der Schwerpunkt in der Verhandlung der Mitbestimmungsfrage liegen soll, so ist darauf nach unserer Auffassung folgende Antwort zu geben: Die gleichzeitige Behandlung des überbetrieblichen Mitbestimmungsrechts ist auf die Initiative der Gewerkschaften zurückgegangen, die das Problem als ein totales, unteilbares und nur ganz und gar anzunehmendes oder zu verwerfendes behandelt haben, während sowohl die Regierungserklärung als auch der Beschluß des Bundestags nur den betrieblichen Teil ins Auge gefaßt haben und sich auch der CDU-Entwurf im Rahmen der Regierungserklärung an das damals formulierte Programm gehalten hat. Zunächst sind wir also der Meinung, daß die Notwendigkeit für eine Bundesgesetzgebung auf dem innerbetrieblichen Gebiet gegeben ist. Die Notwendigkeit ergibt sich daraus. daß wir hier das Kontrollratsgesetz Nr. 22 und auch die entsprechende Ländergesetzgebung abzulösen haben, die sich an dieses Kontrollratsgesetz angeschlossen hat. Entsprechende Gesetze gibt es bereits in Rheinland-Pfalz seit Mai 1947, in Hessen seit Mai 1948, in WürttembergBaden, Südbaden, Bremen, Württemberg-Hohenzollern, seit dem Mai dieses Jahres auch in SchleswigHolstein. Außerdem steht ein Betriebsrätegesetz in Bayern kurz vor der Verabschiedung, ein Gesetz, von dem ich mich freue feststellen zu können, daß es mit den in unserem Entwurf entwickelten Gedanken in ganz wesentlichen Teilen übereinstimmt. Wenn wir uns also die deutsche Landkarte ansehen, um festzustellen, wo dieses Problem noch nicht geregelt ist, sind es auffälligerweise eigentlich nur Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hamburg, die noch kein Betriebsrätegesetz haben, während in allen anderen Ländern Regelungen getroffen sind. Die Erwähnung gerade von Nordrhein-Westfalen als dem größten deutschen Industrieland zeigt wohl deutlicher als alles andere den unmittelbaren Zwang, aus der bisherigen Länderzersplitterung heraus zu einem Bundesgesetz zu kommen, weil wir sonst Gefahr laufen, in ein wirtschaftliches und soziales Gefälle zu geraten, das wir uns keineswegs leisten können. Für Bremen liegt aus der letzten Zeit noch ein ganz besonders wesentlicher Hinweis vor, der die Eilbedürftigkeit eines Bundesgesetzes über jeden Zweifel erhaben macht. Auf eine Anfrage von Bremen hat der amerikanische Hohe Kommissar an den Bremer Senatspräsidenten folgendes geschrieben: Nachdem nunmehr seit der Bildung der Bundesregierung eine beträchtliche Zeitspanne verstrichen ist, glaube ich, daß die bremische gesetzgebende Körperschaft die Freiheit haben sollte, ihre gesetzgeberischen Vollmachten auf dem Gebiete der wirtschaftlichen Mitbestimmung in Übereinstimmung mit dem Besatzungsstatut, dem Grundgesetz und der bremischen Landesverfassung auszunutzen. Dies als Bemerkung an alle diejenigen Kritiker, die der Auffassung sind, daß die Eilbedürftigkeit dieses Themas keineswegs sehr groß sei und daß man damit sozusagen noch beliebige Zeit verbringen könne. Aber nun scheint mir doch erforderlich zu sein und ich sage das im Hinblick darauf, daß von den Gewerkschaften die umfassendere Konzeption entwickelt worden ist —, einige Worte über die Frage betriebliches und überbetriebliches Mitbestimmungsrecht zu sagen. Die Verquickung dieser beiden Themen berücksichtigt nach unserer Meinung nicht die grundsätzliche Wesensverschiedenheit der beiden Gegenstände. Das betriebliche Mitbestimmungsrecht betrifft das Verhältnis zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer im Betrieb. Das überbetriebliche Mitbestimmungsrecht wenn das überhaupt ein richtiger Name sein sollte für das, was dort gemeint ist — betrifft das Verhältnis von den Organisationen der Arbeitgeber und Unternehmer und der Organisationen der Arbeitnehmer zum Staat und in ihrem Einbau in die Wirtschaft. Tatsächlich wird dann auch bei dem sogenannten überbetrieblichen Mitbestimmungsrecht keine Mitbestimmung gefordert, da die Entscheidung der gesetzgebenden Körperschaften unberührt bleibt. Also ist der große Unterschied der, daß das betriebliche Mitbestimmungsrecht sich in einer darf ich einmal sagen — mehr oder weniger privaten Sphäre entwickelt, während das überbetriebliche Mitbestimmungsrecht eben den öffentlichen Raum erfaßt, in das öffentliche Leben hineinreicht und damit die staatliche Organisation, im letzten die Verfassung berührt. Für die Neugestaltung und Ausgestaltung dieses Verhältnisses vom Staat zur Wirtschaft und zu ihren Organen und Organisationen müssen wir uns darüber klar sein, daß es sich hier urn die Schaffung eines neuen Stücks Verfassungsrechts handelt, eines Stücks Verfassungsrechts, das der Parlamentarische Rat bewußt nicht geschaffen hatte und das nunmehr, da wir das Grundgesetz haben, selbstverständlich nur in die vom Grundgesetz aus entwickelte Struktur eingepaßt werden kann. Dieses neue Kapitel müßte also sehr sorgfältig mit dem Grundgesetz abgestimmt werden. Es müßte weiter abgestimmt werden mit den Länderverfassungen. Dafür, glaube ich, sollte man folgende Grundsätze berücksichtigen: 1)


(Hört! Hört! bei der CDU)


(Hört! Hört! bei der CDU.)


(Zurufe: Hört! Hört!) Der Herr Bundesarbeitsminister — im Einvernehmen mit dem Kabinett, wie ich annehme — hat es für zweckmäßig gehalten, daß, bevor er einen solchen Entwurf vorlegte, eine Verständigung zwischen den Sozialpartnern zustande kommen sollte. Diese Sozialpartner sind damals wieder, d. h. zum erstenmal von ,dem Bundesarbeitsminister zusammengerufen worden. Es lag nun, als sie zusammentraten, folgendes Material vor.


(Dr. Schrader [Düsseldorf]))


(Dr. Schröder [Düsseldorf])


(Zuruf: Maria Laach!)


(Sehr gut! in der Mitte.)


(Dr. Schröder [Düsseldorf])

2). Die Entwicklung unserer im Grundgesetz geschaffenen Organe, vor allem des Bundestags, die noch in den ersten Anfängen steckt, darf nicht dadurch kompliziert werden, daß neue Zuständigkeiten und Instanzen zur Mitwirkung bei der Gesetzgebung geschaffen werden.
3). Solange eine gesamtdeutsche Verfassung noch nicht möglich ist, darf das gegenwärtige Verfassungs-, Staats- und Verwaltungsgebäude der Bundesrepublik Deutschland nicht zum Gegenstand weiterer Experimente gemacht werden.
4). Das im Grundgesetz ausgewogene Zusammenspiel der politischen Kräfte im Bund und in den Ländern darf nicht durch die Hinzufügung neuer Faktoren von anderer Struktur beeinträchtigt werden.
Im Bewußtsein dieser vielschichtigen Problematik hat sich der Entwurf der CDU von vornherein auf die betrieblichen Verhältnisse beschränkt und hat dabei unsern Grundstandpunkt unterstrichen, daß es sich bei der Regelung dieses Problems für uns zunächst um eine Frage des
Menschen und erst in zweiter oder gar dritter
Linie um eine Frage der Organisationen handelt.
Wenn wir uns nun den Zielen des Entwurfs zuwenden wollen,

(Abg. Dr. Wellhausen: Endlich!)

den die CDU vorgelegt hat, so glaube ich - und das ist vielleicht für Ihre ungeduldige Bemerkung ein ganz geeigneter Hinweis —, daß man das tun sollte mit einem Zitat aus Friedrich Naumanns „Neuer deutscher Wirtschaftspolitik" von 1907. Dort heißt es nämlich:
Im allgemeinen findet sich namentlich in Industriegroßbetrieben der gemeinsame Zug, daß mehr Gewicht gelegt wird auf Gehorsamsforderung als auf bewußte Mitarbeit. Das Problem der Verfassung, das auch dem Betriebe selbst zugute kommt, heißt darum: Wie werden aus diesen Untertanen, den Arbeitern, am Gedeihen des Unternehmens mitinteressierto Industriebürger?
Das ist das Thema und das ist das Problem, das es bei der gesetzlichen Regelung des Mitbestimmungsrechts im Betrieb zu lösen gilt. Wir sind uns ganz klar darüber, daß unsere Aufgabe dabei ist, ein Höchstmaß an ökonomischer Produktivität mit einem Höchstmaß an sozialer Gerechtigkeit zu vereinigen, und daß wir uns bei dem Versuch, diesem Ziele nahezukommen, diese Aufgabe zu lösen, auf zwei Pfeiler werden stützen müssen. Das eine ist die Anerkennung der Notwendigkeit, den Arbeitnehmer zu einem bewußten und verantwortlichen Mitarbeiter zu machen, dadurch die Produktivität zu steigern und so seine Existenz zu sichern und zu verbessern. Das zweite ist die Erhaltung und Sicherung der Unternehmerinitiative mit der Forderung, daß in der Leitung des Betriebs kein Dualismus entstehen darf, daß wir keine zweipolige Betriebsleitung wünschen.
In diesem Rahmen sind wir uns durchaus darüber klar, daß eine befriedigende Regelung des Mitbestimmungsrechtes selbstverständlich nur eine Sache ist, die im Betrieb selbst zu erfolgen hat und letztlich nur dort möglich ist. Die Wege dazu können und werden im einzelnen sehr verschieden sein. Wir stellen uns auch selber nicht mehr vor, als daß das Gesetz den Rahmen dafür zu geben hat, innerhalb dessen sich die Zusammenarbeit im Betrieb entwickeln soll. Eine Patentlösung für alle Fälle ist nicht möglich und wird auch nicht versucht. Aber für die Ausfüllung dieses Rahmens und für die Gestaltung der Verhältnisse im Betrieb wird gerade eine dauernde und ständige gute Zusammenarbeit auch der Organisationen der Arbeitnehmer auf der einen Seite und der Arbeitgeber und Unternehmer auf der anderen Seite notwendig sein. Um das zu unterstreichen, räumt der Entwurf ausdrücklich insbesondere allen Tarifverträgen, Mustervereinbarungen, Musterbetriebsvereinbarungen und Betriebsvereinbarungen den Vorrang ein. Im Rahmen dieser Bestimmungen ist die Gestaltung also ganz den Partnern überlassen, soweit nicht zwingende Bestimmungen des Gesetzes aus übergeordnetem Interesse heraus Platz greifen müssen.
Meine Damen und Herren, es wäre nun völlig falsch, ein Gesetz wie das von uns vorgeschlagene als eine geradezu revolutionäre Umwälzung anzusehen. Es handelt sich keineswegs darum, sondern es geht - und das sollten doch alle die noch einmal sehr sorgfältig überprüfen, die sich in diesen Dingen gegnerisch eingestellt haben - weithin nur um die Kodifizierung des vorhandenen wirt-


(Dr. Schröder [Düsseldorf])

schaftlichen und sozialen Tatbestandes, eines Tatbestandes, welcher von fortschrittlichen Unternehmern zum Teil wesentlich überboten wird.
Um die gesteckten Ziele zu erreichen, geht der Entwurf so vor, daß er sowohl eine Regelung des Kapitels Betriebsräte als auch eine Regelung des Kapitels Mitbestimmung im Betrieb gibt. Soweit es sich darum handelt, ein neues Betriebsrätegesetz zu schaffen — ich habe bereits gesagt, aus welchem Grunde das sehr wesentlich ist, um der Rechtszersplitterung in Deutschland auf diesem Gebiete ein Ende zu bereiten —, befinden wir uns weithin auf einem guten Grund und auf einem, ich möchte beinahe sagen, befriedeten Gelände. Wir verfügen hier über die Erfahrungen des Gesetzes von 1920 und der Zwischenzeit und wir haben in diesem Rahmen nur die Notwendigkeit gesehen, in zwei Kapiteln Änderungen vorzuschlagen, nämlich einmal die, daß wir weitgehend an die Stelle der Listenwahl eine Persönlichkeitswahl gesetzt zu sehen wünschen und uns damit auch in Übereinstimmung mit unseren grundsätzlichen Forderungen zum Wahlrecht halten, daß wir diese Persönlichkeitswahl als eine Wahl in Abteilungen und Gruppen sehen möchten und daß wir uns darüber hinaus gerade angesichts der gesteigerten Bedeutung, die den Betriebsräten in Zukunft zukommen wird, dafür einsetzen, daß sie für eine längere Amtsdauer berufen werden. Wir haben uns hier für eine Amtsdauer von 2 Jahren entschieden.
Das Problem der Mitbestimmung selber im engeren Sinne wird schließlich in vier Kapiteln behandelt, in denen die Regelung der arbeitsvertraglichen Verhältnisse, die Regelung der sozialen Verhältnisse, die Bildung von Wirtschaftsausschüssen und die Entscheidung über Betriebsänderungen vorgesehen ist. Ich möchte dazu nur wenige Worte sagen, da es sich hier ja überhaupt nur um einen ersten Überblick über das gesamte Gesetz handeln kann. Eines scheint mir doch wesentlich zu sein, daß wir die bisher übliche Einteilung in personelle, soziale und wirtschaftliche Angelegenheiten nicht für richtig halten. Wir sind der Meinung, daß bisher unter dem Kapitel soziale Angelegenheiten eine ganze Menge von Punkten behandelt worden ist, die richtigerweise eigentlich zur Regelung der arbeitsvertraglichen Bedingungen gehören. Auf diesem arbeitsvertraglichen Gebiet und auf dem Gebiet der sozialen Angelegenheiten sind wir der Meinung, daß grundsätzlich eine Gleichberechtigung der Partner vorliegen soll, also grundsätzlich ein volles Mitbestimmungsrecht in diesen Fragen gegeben werden soll. Eine Ausnahme halten wir dagegen für richtig bei den außertariflichen Angestellten, um hier die unternehmerische Verantwortung bei der Auswahl der engeren Mitarbeiter nicht zu beeinträchtigen, und wir halten es für richtig, daß man in solchen Fällen nur, sagen wir einmal, ein gemindertes Einspruchsrecht gibt.
Aber ganz allgemein möchte ich zur Frage des Mitbestimmungsrechtes in diesen arbeitsvertraglichen, personellen Dingen sagen, daß wir selbstverständlich nicht darum herumkommen werden, an dieser Stelle nicht etwa einen uferlosen Katalog zuzulassen, sondern daß wir das personelle Mitbestimmungsrecht im engeren Sinne auf das beschränken müssen, was auch wirklich die personelle Qualität ist. Ich glaube also nicht, daß man hier etwa so weit gehen könnte, daß die fachliche Qualifikation und alle diese anderen Dinge im einzelnen Gegenstand des Mitbestimmungsrechts sein sollten. Ich glaube nicht, daß dafür ein wirkliches sachliches Interesse vorliegt.
Die Regelung derjenigen Instanz, welche bei einem wirklichen Mitbestimmungsrecht nun entscheiden soll, also die Frage Schiedsmann —Schiedsausschuß, ist ein ganz 'besonders umkämpftes Kapitel. Die Entscheidung über Meinungsverschiedenheiten, die sich eben letztlich nicht mehr im Betrieb auf dem bezeichneten Gebiet lösen lassen, muß dann durch eine außenstehende Stelle erfolgen, und nun ist hierbei die Frage: Soll dag ein Schiedsmann sein? Soll es ein Schiedsausschuß sein? Ich möchte mich zu dieser Frage nicht abschließend äußern, sondern nur darauf hinweisen, daß auch die Unternehmervertreter bereits bei dem ersten Hattenheimer Gespräch grundsätzlich zugestanden haben, daß auf dem personellen und sozialen Gebiet Mitbestimmungsrechte eingeräumt werden sollen, die die Entscheidung einer Schiedsinstanz notwendig machen. An einer solchen Schiedsinstanz ist auch in Maria Laach jedenfalls in der Grundlinie festgehalten worden. Ich glaube, daß man sie auch unbedingt braucht. Die Hauptbedenken gegen eine solche außerbetriebliche Schiedsinstanz liegen natürlich darin, wie sie nun ihrerseits personell besetzt werden soll. Hier spielt der Gedanke der Diskretion gegenüber der Konkurrenz eine Rolle. Ich bin aber der Meinung, daß sich hier eine befriedigende Lösung sehr wohl finden läßt, wobei ich ganz grundsätzlich sagen möchte, daß wir in dieser Frage sehr aufgeschlossen sein werden und durchaus die Möglichkeit sehen, andere brauchbare Vorschläge zur Regelung dieser Schiedsfälle zu erwägen.
Ich komme nun zu dem schwierigsten und deswegen auch heikelsten Kapitel, nämlich dem Kapitel der wirtschaftlichen Angelegenheiten im Betrieb. Wir haben die Regelung dieser wirtschaftlichen Angelegenheiten in zwei Gruppen aufgeteilt, einmal in den Bereich der Wirtschaftsausschüsse und dann — dies sind Fragen, die die Existenz der Belegschaft angehen — in die Entscheidung über grundsätzliche und schwerwiegende Betriebsänderungen.
Was die Wirtschaftsausschüsse angeht, so hat die öffentliche Behandlung dieses Themas eine sehr interessante Wandlung durchgemacht. Die Wirtschaftsausschüsse sind keineswegs eine deutsche Erfindung, sondern man kennt sie -
mindestens in ihren Ansätzen — auch außerhalb Deutschlands. Sie sind in Maria Laach — und ich glaube, das ist ein Ergebnis dieses vorzeitig abgebrochenen Konklaves, das wir dankbar festhalten sollten — von den Sozialpartnern vereinbart worden, allerdings ohne daß man sich im einzelnen über ihre Aufgaben abschließend klar geworden wäre. Die Partner haben sich dort auf den Standpunkt gestellt, daß Wirtschaftsausschüsse bei einer Unternehmensgröße von 100 Arbeitnehmern eingesetzt werden sollten, während unsere ursprüngliche Vorstellung dahin ging, daß man von einer kleineren Betriebsgröße ausgehen sollte. Aber, meine Damen und Herren, das möchte ich hier nachdrücklich aussprechen: Ob eine Institution bei einer Größe von 100 oder 150 oder gar von 200 oder mehr Arbeitnehmern an Platz greifen soll, ist, wie mir scheint, eine Frage der reinen Praktikabilität. Das Studium einer Betriebsgrößenstatistik zeigt, ganz grob genommen, etwa folgendes: Ich darf vielleicht einmal die Verhältnisse von Nordrhein-Westfalen,


(Dr. Schröder [Düsseldorf])

so, wie ich sie im Gedächtnis habe, wiedergeben. Dort sind in etwa 80 % aller Betriebe der gewerblichen Wirtschaft nur etwa 20 % der Arbeitnehmer beschäftigt. Sie sehen also, daß, wenn man nur die restlichen 20 % aller Betriebe erfaßt, man bereits 80% aller Arbeitnehmer erfaßt. Dieses Verhältnis wird in den anderen deutschen Ländern nicht sehr verschieden davon sein.

(Zuruf.)

- Sie meinen, es werde eher anders sein. Um so leichter wird es also fallen, sich in diesen Dingen dahin zu verständigen, diejenige Betriebsgröße zu greifen, die erstens einmal für die Institution als solche geeignet ist und die zweitens einen möglichst großen Kreis der Arbeitnehmer erfaßt. Daran besteht ja wohl ein gemeinsames Interesse, dabei einen möglichst großen Kreis von Arbeitnehmern zu erfassen.
Die Wirtschaftsausschüsse sind nun aber nach unserer Auffassung nicht etwa Instrumente einer doppelpoligen, einer dualistischen Betriebsführung, sondern sie sind Instrumente im Sinne der Labor und im Sinne der Human Relations, wie sie in den USA bereits seit langem praktiziert werden. Es handelt sich nicht darum, daß hier die laufende Geschäftsführung in irgendeiner Weise beeinträchtigt wird; aber die Belegschaft muß den Kurs des Unternehmens kennen und soll dabei durch Rat und Tat intern unterstützend mitwirken. Eine solche gute Zusammenarbeit zwischen Unternehmensführung und Belegschaft wird nach unserer Meinung dazu führen, daß sowohl die Produktion erhöht wie die Lebensverhältnisse der Belegschaft verbessert werden. Es liegt hier nur an den Partnern selbst, ob sie wollen, daß solche Ausschüsse zu einfachen Palaverklubs werden oder ob sie eine wertvolle Zusammenarbeit gerade nach dem Vorbild der USA ermöglichen.
Die am meisten umkämpfte Bestimmung ist die, die sich mit der Behandlung der Betriebsänderungen befaßt. Bei den Fällen, an die wir hier denken, handelt es sich darum, daß es eine begrenzte Anzahl von Veränderungen im Betrieb gibt, die eine unmittelbare existentielle Auswirkung auf die Belegschaft haben. Wir sind der Meinung, daß die Belegschaft gerade hierbei in einer gesteigerten Form zur Mitwirkung berufen ist. Wir haben die Möglichkeit geschaffen, einen Interessenausgleich unter Umständen auch durch das Wirtschaftsministerium herbeizuführen. Was die Frage der Einschaltung des Wirtschaftsministeriums bei einem solchen Interessenausgleich angeht, so möchte ich darauf hinweisen, daß der jetzt vorliegende und dicht vor der Verabschiedung stehende bayerische Entwurf auch diese Institution einführen möchte. Im übrigen entspricht das vermittelnde Anrufen der Ministerien durchaus einer tatsächlichen Übung. Uns geht es dabei darum, den Arbeitnehmern eine Sicherung gegen einseitige, willkürliche Entscheidungen, die ihre Existenz betreffen, zu geben. Das Verfahren mag man dabei verschieden ausgestalten können. Uns kam es zunächst nur einmal darauf an, das Prinzip als solches mit aller Deutlichkeit herauszubringen.
Mit Rücksicht darauf, daß eine weitgehende Übereinstimmung der Partner in den Fragen des noch zu schaffenden Kündigungsschutzgesetzes besteht, glaube ich, daß auch hier die Vorschriften dahin gehen sollten, daß die Mitbestimmung der
Betriebsräte von einer bestimmten Unternehmensgröße abhängig gemacht wird. Über diese Unternehmensgröße wird man sich, wie ich hoffe, unschwer einigen, wenn man das im Auge behält, was ich vorhin nach der Betriebsgrößenstatistik über die Situation gesagt habe. Die Fragen bedürfen im einzelnen noch mancher Überlegung in der Abgrenzung. Uns kam es nur einmal darauf an, das Prinzip als solches zu verankern.
Das letzte und — mindestens nach der Auffassung der Gewerkschaften — entscheidende Kapitel war schließlich die Frage der Besetzung der Aufsichtsräte. Bei der Mitwirkung von Arbeitnehmern im Aufsichtsrat handelt es sich ja keineswegs um eine ganz neu zu schaffende Institution, sondern auch hier können wir auf den guten und vorbereiteten Boden des Betriebsrätegesetzes von 1920 und der danach folgenden gesetzlichen Bestimmungen von 1922 zurückgreifen. Wir haben hier vorgeschlagen, mindestens ein Drittel Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat zu entsenden, während — das ist ja bekannt — die Forderung der Gewerkschaften auf eine paritätische Besetzung abzielt. Nun hat sich in den Erörterungen von Maria Laach herausgestellt — mindestens haben das die Unternehmer- und Arbeitgeberverbände inzwischen in ihren Presseverlautbarungen herausgebracht —, daß die Gewerkschaften ihrerseits hier durchaus die Möglichkeit eines Kompromisses sehen, nämlich eines Kompromisses dahin, daß man bei Unternehmen mit einer Betriebsgröße von 500 bis 1000 Arbeitnehmern ein Drittel, der Aufsichtsratsmandate mit Arbeitnehmern besetzt und daß die Forderung der Parität auf die Besetzung der Aufsichtsratsmandate bei Unternehmen mit über 1000 Arbeitnehmern beschränkt wird.
Wenn man sich nun einmal überlegt, was denn in dieser Forderung praktisch drinsteckt und auf welche Betriebe sie sich bezieht, dann wird man feststellen, daß die Zahl der Betriebe über 1000 Arbeitnehmer natürlich relativ klein ist. In Nordrhein-Westfalen sind es, allerdings mit Ausnahme des Kohlenbergbaues und der dem Kohlenbergbau angeschlossenen Unternehmungen, 133 Betriebe. Ich hatte leider keine Betriebsgrößenstatistik für das ganze Bundesgebiet auf diesem Gebiet zur Verfügung. Aber wenn Sie eine solche Zahl — ich sagte schon, daß Kohle ausgenommen ist — einmal mit 4 multiplizieren, dann sind Sie wahrscheinlich schon weit über die Höchstgrenze solcher Betriebe hinaus; und ich glaube, wenn man einmal im Rahmen solcher facts die Forderungen durchleuchtet und bespricht, dann bestehen auch hier noch Möglichkeiten, weitgehend zusammenzukommen. Ich möchte jedenfalls diese Hoffnung aussprechen.
Mit Blick auf die Grundstoffindustrien, die in dieses Kapitel ganz wesentlich fallen werden, ist zu sagen, daß wir im weiteren Verlauf der Entwicklung Gelegenheit haben werden, uns darüber noch sehr intensiv zu unterhalten; und es würde durchaus möglich sein, eine spezielle Regelung dieses Kapitels in Verbindung mit der Neuordnung der Grundstoffindustrien überhaupt vorzunehmen. Ich glaube also, daß wir Möglichkeiten der Verständigung für ein Gesamtgesetz finden werden können; denn dies ist ja nicht ein Gesetz, das spezielle Zweige der Wirtschaft erfassen soll, sondern ein Gesetz, das die ganze Wirtschaft erfassen soll.


(Dr. Schröder [Düsseldorf])

Aber nun ist eins sehr interessant. Uns wird immer wieder gesagt: Wie steht es mit der Kreditfähigkeit, wie steht es mit der Bereitschaft des Auslands, etwa Kredite an Unternehmungen zu geben, in deren Aufsichtsrat nun ein wesentlicher Einfluß bei Arbeitnehmervertretern ist? Und es gibt in Deutschland gewisse Organe, die von Zeit zu Zeit anonyme Schreiben von angeblich amerikanischen Geschäftsfreunden mit der Tendenz veröffentlichen, abschreckend zu wirken. Ich bin nun in der glücklichen Lage, einmal eine Stimme wirklich mit Namen und Ort und Inhalt zitieren zu können. Es handelt sich um niemand anders als um den Stellvertreter des amerikanischen Hohen Kommissars, nämlich um Herrn Buttenwieser, der, selbst ein früherer Bankier, im Mai auf der Jahresversammlung der Investment Bankers Association of America hierzu folgendes ausgeführt hat:
Gesetze über Mitbestimmung liegen zur Beratung vor und sind in einigen Ländern schon in Kraft getreten. Darin ist vorgesehen, daß der Aufsichtsrat im Gegensatz zum Vorstand aus Vertretern der Arbeiterschaft und der Unternehmer bestehen soll. Die bloße Zugehörigkeit von Arbeitervertretern zum Aufsichtsrat würde mir nicht bedenklich erscheinen; vielmehr könnte ich mir vorstellen, daß diese Lösung in vieler Hinsicht einen konstruktiven Fortschritt im Verhältnis Arbeitgeber - Arbeitnehmer darstellen würde.
Wie gesagt ist das ein Vortrag, der vor einer Bankiersvereinigung gehalten worden ist, die sich damit beschäftigt, in Deutschland Investitionen vorzunehmen. Ich gebe solchen Stimmen weitaus den Vorzug gegenüber anonymen Briefen mit wohlmeinenden Ratschlägen.

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Über Kreditfähigkeit hat er damit nichts ausgesagt!)

— Herr Kollege von Rechenberg, dies ist ein Zitat, das ich vervollständigen könnte.

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Es sagt nichts in Ihrem Sinn!)

— Das sagt nichts in meinem Sinn? Die Beurteilung überlasse ich dann allen Urteilsfähigen!

(Beifall bei der SPD und in der Mitte. — Zuruf des Abg. Dr. Freiherrn von Rechenberg.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108000900
Ich glaube nicht,
Herr von Rechenberg, daß das eine Anspielung sein sollte.
Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU), Antragsteller: Ich glaube, es ist wesentlich besser, wirklich stimmecht zu zitieren und nicht anonyme Briefe von wohlmeinender Seite! Ich bin weit davon entfernt anzunehmen, daß Sie Liebhaber anonymer Briefe seien. Aber die deutsche Öffentlichkeit wird nun leider mit anonymen Briefen gerade von angeblicher Kreditgeberseite stark behelligt, und deswegen scheint es mir sehr zweckmäßig, einmal eine sachkundige, autorisierte und an entsprechender Stelle befindliche Persönlichkeit zu zitieren. Ich glaube, daß das gerade bezüglich der häufigen skeptischen Erwägung hinsichtlich der amerikanischen Kreditfreudigkeit uns gegenüber doch vielleicht des Nachdenkens wert ist.
Aber nun bleibt eine andere sehr wesentliche Frage, nämlich die, wer die Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat entsenden soll. Das ist eine Frage, an der sich die Gemüter selbstverständlich sehr heftig entzündet haben. Sie wissen, wenn Sie unsern Entwurf gelesen haben, daß wir auf dem Standpunkt stehen, darüber die Arbeitnehmer selbst — in voller Souveränität, möchte ich beinahe sagen — entscheiden zu lassen. Uns scheint es richtig, daß ebenso wie der Aktionär frei darin ist, seine Vertrauensleute, seine Vertreter in den Aufsichtsrat zu delegieren, auch die Arbeitnehmerschaft frei darin sein soll, ihre Vertreter zu dem Anteil, der ihr durch das Gesetz eingeräumt worden ist, in die Körperschaften, in die Aufsichtsräte zu entsenden. Das Vorschlagsrecht soll aber außer dem Betriebsrat auch die zuständige Gewerkschaft haben. Ich sage noch einmal, das Vorschlagsrecht, die Wahl selbst soll durch die Arbeitnehmer erfolgen.
Das Ganze wird ja unter dem Gesichtspunkt erörtert, wie weit betriebsfremde Personen im Aufsichtsrat einen Platz haben. Daß die Aktionärvertreter zum großen Teil betriebsfremde Personen sind, versteht sich sowieso schon von selbst, und ich sagte schon, daß wir der Meinung sind, daß hier ein grundsätzlicher Unterschied nicht angezeigt erscheint. Daß wir uns dabei nicht ganz auf dem falschen Weg befinden, scheint mir aus dem Versuch einer Einigungsformel hervorzugehen, wie man sie auch in den Besprechungen der Sozialpartner behandelt hatte, daß nämlich ganz entsprechend, wie es bei uns heißt, neben dem Betriebsrat auch die Gewerkschaften die Wahlvorschläge machen können. Und darin prägt sich doch wohl aus, daß auch die Arbeitgeber — —

(Abg. Dr. Wellhausen: Nur wenn die Gewerkschaften nicht einverstanden sind!)

Meine Damen und Herren, der Entwurf, wie Sie ihn jetzt vorliegen haben, erfährt schon seit Wochen sehr viel positive und sehr viel negative Kritik aus allen Lagern. Wir verfügen allmählich über Denkschriften aller in Betracht kommenden Stellen und Verbände, wir haben also ganz hervorragendes Material, das wir in die Ausschußberatungen werden mitbringen können. Ich sehe das als durchaus glücklichen Umstand an, daß die Anteilnahme der Öffentlichkeit — mindestens der interessierten Öffentlichkeit — an diesen Dingen doch sehr stark gewesen ist, und ich sage, daß wir die Absicht haben, gerade zu diesen Ausschußberatungen zur Klärung all der Zweifels-


(Dr. Schröder [Düsseldorf])

fragen, die dabei noch bleiben werden, die Beteiligten öffentlich zuzuziehen.
Das wichtigste Ziel dieses Entwurfes ist, die Dinge wirklich voranzutreiben. Sie treiben aber diese Dinge nicht voran, solange sie im Stadium der Deklamation bleiben, solange Sie sich mit der Proklamation und dem Grundsatz beschäftigen, sondern Sie treiben die Dinge nur dann voran, wenn Sie eine detaillierte Linie geben, und zwar mit dem Ziel einer positiv abschließenden Regelung. Wir haben es bei diesem ganzen Problem ja nicht mit einem Versuch zu tun, der uns etwa erst seit 1945 beschäftigte. Bereits das Frankfurter Parlament - wenn das für Sie auch eine Reminiszenz an eine etwas weit zurückliegende Zeit sein mag - hat sich seit 1849 Gedanken über die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Verwaltung der Betriebe gemacht. Wir hatten das Betriebsrätegesetz von 1920. Wir haben dann eine Unterbrechung im Jahr 1934 gehabt. Im Jahre 1947 haben wir bereits gemeinsame Beschlüsse zu diesem Thema von CDU und FDP im Düsseldorfer Landtag gefaßt. Wir haben ferner in dieser ganzen Diskussion etwas sehr Wesentliches, nämlich dies, daß die beiden großen christlichen Kirchen ihre Verpflichtung, zu einer neuen sozialen Ordnung beizutragen, besonders intensiv empfunden haben. Ich will, weil das zu weit führen würde, hier darüber nicht im einzelnen sprechen; ich darf nur an den Bochumer Katholikentag von 1949 unter dem Motto „Gerechtigkeit schafft Frieden" und an den Evangelischen Kirchentag erinnern, der jetzt unter dem Motto stattfinden wird: „Rettet den Menschen", um zu betonen, daß bei all diesen Erörterungen ein wesentliches Kapitel dies ist, dafür zu sorgen, daß eine neue und befriedigende Einordnung des arbeitenden Menschen in Betrieb, Staat und Wirtschaft gefunden wird, und daß das eines der kardinalen Anliegen der Zeit ist.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108001000
Ich bitte, zum Schluß zu kommen.
Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Ich bin mir völlig klar darüber, daß wir in dieser Frage 1945, 1946 vielleicht eine größere Aufgeschlossenheit gezeigt hätten.

(Sehr richtig! in der Mitte und links.)

Ich kann mir jedenfalls denken, daß es hier viele unter uns gibt, für die es 1945, 1946 unter dem Eindruck des damaligen Schocks - der Schock hat ja das Ergebnis, plötzlich Erkenntnisse aufzuzeigen, die jahrelang verschüttet waren - sehr viel leichter gewesen wäre, auf diesem Gebiet zu einer Lösung zu kommen, die wir jetzt so schwer erkämpfen müssen. Inzwischen haben sich die Kräfte der trägen Beharrung, des Gestrigen längst wieder gefunden,

(lebhafte Zustimmung in der Mitte und links) etwa unter dem Motto: „Wir sind noch einmal davon gekommen!", in der Absicht, möglichst wenig zu tun und nicht etwa den Blick darauf gerichtet zu halten, daß nur in einer Überwindung der Verhältnisse, wie wir sie gehabt haben, eine Aussicht auf die Zukunft gegeben ist. Wir sind zutiefst davon überzeugt, daß nur die totale Regenerierung und der Mut zu grundsätzlich neuen Entscheidungen Katastrophen verhindern kann. Die sozialen Grundprobleme können nicht nur dilatorisch behandelt werden. Sie können nicht nur bei Konferenzen und Klausuren zerredet werden, sondern sie sind hier in diesem Hause

und in diesem Jahr - es mag sein, auch in der anschließenden Zeit - Sofortaufgaben, die sofort zu behandeln sind. Damit haben wir den Anfang gemacht. Mehr haben wir gar nicht gewollt.
Ich bin sicher, daß wir nun eine Fülle brillanter Kritik in technischer und juristischer Beziehung hören werden: wir werden den einen zu viel geben, und wir werden den anderen zu wenig geben. Aber wir werden den Wert jeder Kritik — dessen können Sie sicher sein - daran ermessen, was sie wirklich tun will.

(Lebhafter Beifall bei der CDU.)

Wir werden die Kritik nicht danach beurteilen, was sie an Brillanz zur Formulierung beiträgt, sondern uns interessieren auf diesem Gebiete nichts anderes als Taten. Ich bin mir darüber klar, daß diese Entscheidung für viele unbequem ist und daß man ihr durch den Hinweis auf angeblich wesentlicher e Tagesaufgaben auszuweichen sucht. Aber, meine Damen und Herren, wir sollten uns in einem solchen Augenblick bewußt sein, daß dies eine Auseinandersetzung ist, die sich — wenn ich so sagen darf - auf der einen Seite im Zeichen Koreas abspielt und auf der anderen Seite im Zeichen Europas. Es hat aber keinen Zweck, davon zu sprechen, daß man den Bolschewismus bekämpfen muß — der Bolschewismus kann nicht bekämpft, er kann nur überwunden werden

(lebhafter Beifall in der Mitte und bei der SPD)

durch eine höhere soziale Freiheit; seine Infiltration kann nur dadurch abgeschirmt und immunisiert werden, daß wir hier eine Ordnung aufrichten, die in den Augen unserer Bevölkerung, die in den Augen Europas eine wesentlich bessere Ordnung ist. Wir geben uns dabei keiner Illusion über das Mitbestimmungsrecht als einer Zauberformel hin. So naiv sind wir nicht. Wir sind aber der Meinung, daß das Gesetz, das in diesem Punkte geschaffen wird, eine Dokumentation unserer sozialen Marschrichtung sein muß; und so sehen wir es nur an als einen Markstein in unser aller Kampf um Arbeit und Frieden unseres Volkes.

(Lebhafter Beifall in der Mitte und bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108001100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Freitag.

Walter Freitag (SPD):
Rede ID: ID0108001200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage des Mitbestimmungsrechts ist die Frage, die heute in aller Munde ist und die wohl am wenigsten verstanden wird. Mir scheint's, daß man für einen guten Zweck ein schlechtes Wort gewählt hat. Wir hätten als Deutsche nicht von einem Mitbestimmungsrecht reden sollen, sondern wir hätten von einer Demokratisierung der Wirtschaft reden sollen. Wir wären dann wahrscheinlich zu anderen Schlußfolgerungen gekommen. Demokratie ist doch der Grundsatz, den wir seit dem Jahre 1945 gelehrt bekamen und den wir auch befolgen wollen. Ich glaube, alle politischen Parteien führen doch den Begriff Demokratie nicht nur in ihrem Namen, sondern sie sind auch gewillt, nach den demokratischen Grundsätzen zu handeln und zu leben.
Wenn ich das zugrunde lege, dann glaube ich, daß man auch über die Frage, welche Stellung der arbeitende Mensch für die Zukunft einnehmen soll, zu anderen Schlußfolgerungen kommen muß.


(Freitag)

Meine Damen und Herren! Es wird von Mitbestimmungsrecht geredet. Derjenige, der mitbestimmen muß und mitbestimmen soll, muß zunächst einmal die Möglichkeit haben, daß er über sich selbst entscheidet. Da werfe ich einmal die Frage auf, ob dieses Recht, über sich selbst zu entscheiden, dem deutschen Arbeiter heute gegeben ist. Sie werden mir wahrscheinlich sagen, ich übertreibe; und trotzdem sage ich, daß der Arbeiter in seinem Willen heute noch sehr stark eingeschränkt ist. Wir haben seit dem Jahre 1918 Bestimmungen, daß sich der Arbeiter gewerkschaftlich organisieren kann und daß diese gewerkschaftlichen Organisationen als die berufenen Vertreter der Arbeiterschaft anerkannt werden. So ist's niedergelegt. Ob's so gehandhabt wird, das ist eine andere Frage.
Wenn ich zu dem Ergebnis komme, daß der arbeitende Mensch nicht einmal über seine eigenen Einnahmen und die Verwendung der Einnahmen selbst verfügen kann, daß ihm darüber hinaus noch Vorschriften gemacht werden, dann will ich damit nur zeigen, wie wenig Verständnis man für das Wohl und das Tun der Arbeiterschaft hat. Wir haben etwas Ähnliches in der Sozialversicherung; in der Krankenversicherung werden die Beiträge zu zwei Dritteln von den Arbeitern aufgebracht und nur zu einem Teil von den Unternehmern. Trotzdem ist man der Auffassung, daß der Arbeiter noch nicht reif dafür ist, die eigenen Angelegenheiten selbst zu verwalten, sondern daß man dort auch den Unternehmer einschalten muß, daß der sich des Arbeiters annimmt, um die Dinge zu verwalten. — Es mag nicht hierhin gehören, und es mag einmal bei anderer Gelegenheit der Zeitpunkt gekommen sein, in dem über diese Frage zu sprechen ist. Ich führe es nur an, um damit zu beweisen, wie der Arbeiter auch heute noch eingeschätzt wird und wie man auch heute noch glaubt den Arbeiter behandeln zu müssen.
Die Frage des Mitbestimmungsrechts, um bei dem Wort zu bleiben, ist in der letzten Zeit bei uns in Deutschland sehr stark in den Vordergrund gerückt worden, auch dank der Tätigkeit der beiden Kirchen. Ich weiß nicht, ob die Gläubigen, die im vergangenen Sommer in Bochum versammelt waren, sich das Mitbestimmungsrecht so vorgestellt haben, wie es von Herrn Dr. Schröder hier vorgetragen wurde. Ich kann mir vorstellen, daß mancher einen anderen Begriff und ein anderes Wollen in sich trug. Meine Damen und Herren, worum dreht es sich denn? Es handelt sich um die eine Frage, ob der Arbeiter für die Zukunft als gleichberechtigter Mensch unter uns leben kann.

(Sehr richtig! in der Mitte und bei der SPD.)

Wir haben politische Gleichheit, wir haben keine wirtschaftliche Gleichheit. Im wirtschaftlichen Leben hat man es bisher verstanden, dem Arbeiter zu sagen: Wirtschaft ist ein Gebiet, das so heilig ist, daß daran nicht gerührt werden darf; über Wirtschaftsfragen könnt ihr als Arbeiter nicht mitreden.
Wirtschaft war das ausgesuchte Gebiet für eine Reihe von Bevorzugten. Aus dem Grunde glaubte man, so Wirtschaft führen und treiben zu können und den Arbeiter von der Wirtschaft ausschließen zu können. Es werden ja heute eine ganze Reihe von Formulierungen gewählt, die sich gegen das Mitbestimmungsrecht wenden. In welche Darlegungen man da kommt, zeigt folgender Vorfall.
Es wird in einer Schrift, die den Arbeitern in den
einzelnen Betrieben in die Hände gedrückt wird,
auseinandergesetzt, daß dieses Verhältnis, wie
es bisher war — daß der Unternehmer in der
Wirtschaft bestimmt —, für die Zukunft bestehen
bleiben muß. Es wird auseinandergesetzt: Der
Unternehmer trägt ja auch das Risiko. — Man
will nicht verstehen, daß es im Wirtschaftsleben
zwei Gleichberechtigte gibt, auf der einen Seite
das Kapital und auf der anderen Seite die Arbeit.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Wenn beide gleichberechtigt die Wirtschaft leiten und führen könnten, dann, glaube ich, würde man zu vernünftigen Ergebnissen kommen. — Aber nein, jetzt setzt man 'dazwischen das Risiko. Das hat der Unternehmer zu tragen, und aus dem Grunde muß er der Beherrscher der Wirtschaft sein!
Bei dieser Frage kommen den Arbeitern eine ganze Reihe von Gedanken über das Tragen des Risikos, und zwar vor allen Dingen in einer Zeit, da wir in der Bundesrepublik so rund 2 Millionen, im Augenblick etwas mehr als 112 Millionen Arbeitslose haben. Da steigt die Frage auf, wer das Risiko trägt:

(Beifall bei der SPD)

der Arbeiter, der Angestellte, der seine Arbeitsstelle verlassen muß in dem Augenblick, da die nötige Nachfrage nach Arbeit nicht mehr vorhanden ist! Aus idem Grunde zieht der Grund von dem Risikotragen nicht mehr.
Und dann, meine Herren, von den großen Wirtschaftskenntnissen — —(Zuruf rechts: Ist absoluter Unsinn!) - Was war das?

(Abg. Dr. Schumacher: Das war das Gelalle eines Unmündigen! — Zuruf von der KPD: Ein Unkenruf!)

— Meine Damen und Herren, von Unsinn habe ich in der Wirtschaft manches erlebt. Ich will Ihnen etwas sagen: man sagt den Arbeitern: Von Wirtschaft versteht ihr nichts! — Soviel verstehen die Arbeiter von der Wirtschaft, daß sie sich nicht zu sogenannten Wirtschaftsführern gebrauchen lassen, auch nicht zu Wehrwirtschaftsführern, um derartige Dinge heraufzubeschwören, wie sie leider im nationalsozialistischen Deutschland heraufbeschworen worden sind.

(Sehr richtig! und Beifall bei der SPD.)

Die Herren, die da bestreiten wollen, daß auch im Arbeiterlager wirtschaftliches Denken vorhanden ist, die sollten sich einmal an die Brust schlagen und überlegen, wie damals bei ihnen das wirtschaftliche Denken war. Der Arbeiter erhebt heute Anspruch darauf, daß er auch in der Wirtschaft mitentscheiden, daß er in der Wirtschaft mitreden kann, und zwar aus dem Grunde, weil er weiß, daß durch die Wirtschaft und ihre Führung sein Schicksal und das Schicksal seiner Familie bestimmt wird. Seine Existenz hängt davon ab, ob die Wirtschaft gut oder ob sie minder gut geleitet wird.

(Sehr richtig! rechts.)

Er ist der Leidtragende dabei. Seine Frau und seine Kinder bezahlen für alle Fehler, die in der Wirtschaft gemacht werden. Man kann eine Wirtschaft als freie Wirtschaft bezeichnen, man kann sie mit allen möglichen Namen nennen: der Arbeiter steht heute den Dingen kritisch gegenüber. Wenn man ihn in wirtschaftlichen Fragen


(Freitag)

nicht mitreden lassen will, dann ergibt sich daraus, daß er zunächst mißtrauisch wird, — und Mißtrauen ist eines der schlechtesten Kapitel, die wir im Staat und im Leben gebrauchen können.
Was man dagegen machen soll? Wir sind der Auffassung, daß man den Leuten sagt, was auf wirtschaftlichem Gebiet vor sich geht, daß man sich nicht abschließt, sondern daß man gemeinsam mit der Arbeiterschaft all die Fragen beredet und behandelt,

(Sehr gut! und: Sehr einverstanden! bei der FDP)

die mit wirtschaftlichen Dingen etwas zu tun haben.

(Zuruf von der FDP: Aber nicht mit den Gewerkschaften!)

- Wenn Sie sagen: „Aber nicht mit den Gewerkschaften", dann gehört das zu der interessantesten Auseinandersetzung, zu der wir heute wahrscheinlich noch kommen.
Meine Damen und Herren! Nicht die Gewerkschaften! - Ich habe Ihnen vorhin einleitend gesagt, daß der Mann, der ein Mitbestimmungsrecht haben soll, zunächst einmal über sich selbst entscheiden darf, was er tut, was er will und wie er seine Gedanken ausführen will. Der deutsche Arbeiter ist nuneinmal der Auffassung, daß es in seinem Interesse liegt und daß es für ihn notwendig ist, sich mit seinen Arbeitskameraden in einer gewerkschaftlichen Organisation zusammenzuschließen und daß diese gewerkschaftliche Organisation für ihn entscheiden soll.

(Zuruf von der FDP: Na, na!)

Deshalb sind das sehr oberflächliche Darlegungen, wenn Sie sagen: der Arbeiter wohl, — aber nicht die Gewerkschaften! Meine Herren, der Strich, den Sie da zwischen Arbeiterschaft und Gewerkschaft ziehen wollen, ist nicht vorhanden.

(Widerspruch rechts.)

Ich will Ihnen folgendes sagen.

(Abg. Dr. Oellers: Darum haben Sie auch nur einen Bruchteil der Arbeiter als Mitglieder!)

— Sie wissen ja gar nicht, was ein Bruchteil der Arbeiter ist. Das Gros der Arbeiter steht hinter der deutschen Gewerkschaftsbewegung.

(Starker Beifall bei der SPD.)

Noch etwas anderes dazu. Die Herren, die so in diesen Tönen über die Gewerkschaftsbewegung reden, mögen einmal fünf Jahre zurückdenken.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Es gab eine Zeit, da waren sie froh, daß es eine deutsche Gewerkschaftsbewegung gab;

(anhaltender starker Beifall bei der SPD) wahrscheinlich waren es gerade die Herren, die diese abfälligen Bemerkungen über die Gewerkschaftsbewegung heute machen. Meine Damen und Herren! Es wird Ihnen nicht gelingen, eine Trennung zwischen den deutschen Arbeitern, der Angestelltenschaft und der Gewerkschaftsbewegung herbeizuführen.


(Beifall bei der SPD.)

Die deutschen Arbeiter haben erkannt, daß es eine Einheit gibt, daß diese Einheit aufrechterhalten wird und daß darum gekämpft wird, weil sie in schwerer Stunde geboren wurde. Aus dem Grunde gibt es keine Zersplitterung mehr, weder nach konfessionellen noch nach politischen Gesichtspunkten. Es gilt das einheitliche Bestreben, gemeinsam zu handeln und gemeinsam zu Entschließungen zu kommen. In dem Sinne wird die Arbeiterschaft tätig sein, und, meine Herren, damit müssen Sie sich abfinden, daß für die Zukunft bei allen Forderungen, wenn es um die Interessenvertretung ider Arbeiter und Angestellten geht, der Name Gewerkschaft genannt wird und nichts anderes!

(Sehr gut! bei der SPD.)

Aus dem Grunde brauchen Sie sich nicht zur Wehr zu setzen und zu sagen: der Arbeiter wohl — nicht die Gewerkschaften. Ich will Ihnen etwas sagen: das ist der Standpunkt, der im Jahre 1914, im damaligen kaiserlichen Deutschland galt. Ich weiß, wie es damals war. Wenn in irgendeinem Betrieb Differenzen 'bestanden, dann war der Unternehmer so freundlich, auch den Gewerkschaftsangestellten zu holen und ihn zu ersuchen, doch zu vermitteln und Sorge zu tragen, daß diese Differenzen beigelegt wurden. Kam es zu einer Verständigung, und der Gewerkschaftsangestellte wollte das schwarz auf weiß zusammenfassen und ein Vertragsverhältnis abschließen, dann wurde ihm gesagt: Nein, mit meinen Arbeitern vereinbare ich alles, aber mit der Gewerkschaft vereinbare ich gar nichts.

(Zuruf von der SPD: Herr-im-HauseStandpunkt!)

Dieser Standpunkt wird heute noch vertreten. (Zuruf von der FDP: Nein!)

Meine Damen und Herren, wenn nun gefragt wird und wenn Herr Dr. Schröder vorhin orakelte, wieso die Verhandlungen in Hattenheim später hier und zuletzt in Maria Laach gescheitert sind, dann will ich Ihnen den Grund dafür ganz offen sagen. Sie sind nicht gescheitert, weil uns in der einen oder anderen Frage nicht genug Entgegenkommen gezeigt wurde, sondern sie sind gescheitert an der einen Frage, daß man die deutschen Gewerkschaften als die berufenen Vertreter von Arbeitern und Angestellten nicht anerkennen will.

(Hört! Hört! bei der SPD. — Zuruf von der FDP: Das stimmt nicht!)

— Das stimmt nicht? Ich will Ihnen etwas sagen:
Ich habe an den Verhandlungen teilgenommen.

(Abg. Euler: Weil man den Machtanspruch der Gewerkschaften in den Betrieben ablehnt! Zuruf von der FDP: Wenn man sie nicht anerkannt hätte, hätte man ja mit ihnen nicht verhandeln können!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108001300
Meine Herren! Ihre Redner werden nachher Ihren Standpunkt auseinandersetzen.

Walter Freitag (SPD):
Rede ID: ID0108001400
Wir haben uns mit den Unternehmern über Machtanspruch und ähnliche Dinge unterhalten. Die Herren waren auch bereit, das eine oder andere zuzugestehen, und sie waren wahrscheinlich bereit, noch mehr zuzugestehen, wenn nur der Name Gewerkschaft nicht genannt wurde, wenn es hieß „unsere Arbeiter, unsere Belegschaft, mit ihnen sind wir zu verhandeln bereit, aber nicht mit der Gewerkschaft!" — Deshalb sind wir auseinandergekommen,

(Zuruf von der FDP: Das ist ein Irrtum!)

und deshalb haben letzten Endes die ganzen Besprechungen ein Ende gefunden, weil wir der Auffassung sind, auf dieser Grundlage hat es keinen Zweck mehr, mit den Unternehmern zu verhan-


(Freitag)

dein. Dabei will ich konzedieren: die Herren, die in der Verhandlungskommission waren, haben sich ernstlich und redlich bemüht, zu einer Verständigung zu kommen.

(Zuruf von der FDP: Na also!)

Ich kenne aber eine ganze Reihe von Kräften im Lande, die sich gegen all dasjenige zur Wehr setzen, was von den Herren da gewünscht wird und was da erzielt werden soll. Beliebt's darüber schriftliches Material vorzulegen? Gefällt's Ihnen, sich darüber zu unterhalten? Was versucht wurde, ist müßig. Wir kennen die Kreise. Die Damen und Herren sind ja hier im Hause anwesend,

(Sehr richtig! bei der SPD)

und wir wissen, was alles getan wird, um die Verhändler von der Unternehmerseite einzukreisen und ihnen Schwierigkeiten zu machen, um dadurch die Verhandlungen zu keinem Ergebnis kommen zu lassen.

(Zuruf von der FDP.)

Meine Herren! Setzen Sie an die Spitze aller Dinge den einen Grundsatz, daß die Gewerkschaften berufen sind, die Interessen der Arbeiter und Angestellten zu vertreten, und über alle Dinge wird nach meiner Auffassung in verhältnismäßig kurzer Zeit eine Verständigung herbeigeführt werden.

(Beifall bei der SPD.)

Es war also nicht der Machtanspruch der Gewerkschaften, sondern es war das Bestreben von der Unternehmerseite, Gewerkschaften nicht zu kennen und Gewerkschaften auch für die Zukunft nicht gelten zu lassen.

(Zuruf von der SPD: Die brauchen eine Gefolgschaft!)

Das sind nicht Erfahrungen, die etwa heute erst gemacht werden. Das sind Erfahrungen, die die Gewerkschaften, die früher konfessionell und politisch in drei Richtungen aufgespalten waren, vor 1933 gemacht haben, nein, die wir bereits vor dem ersten Weltkrieg gemacht haben. Es heißt da: Nichts vergessen und nichts dazu gelernt. Die Haltung, die man früher einmal der deutschen Arbeiterbewegung gegenüber eingenommen hat, versucht man heute fortzusetzen. Der Erfolg: Das deutsche Volk wird die Dinge einmal bitter zu tragen haben.
Meine Herren! Wir haben dann versucht, zu
einer Verständigung über die Dinge zu kommen.

(Zuruf von der FDP.)

— Meine Herren! Die Sachen kommen durch. Nur keine Sorge! Es handelt sich nur darum, wie lange es sich bei uns in Deutschland um all diese Fragen dreht, wie lange es dauert, daß Deutschland zu der Einsicht kommt, daß es anders geschehen muß. Eine Reihe Ihrer Herren reden über diese Frage —ich erinnere mich da einer Unterhaltung, die mit dem Hohen amerikanischen Kommissar in der letzten Zeit geführt wurde —, und man redet da über die Frage des Mitbestimmungsrechts in einem Ton, als wenn es sich darum handelte, das Dreiklassenwahlrecht seligen Angedenkens zu verewigen.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Nur kein Mitbestimmungsrecht kommen lassen! Wenn das Mitbestimmungsrecht kommt, kommen diese und jene Gefahren. Ähnlich hat es damals geheißen: Es darf das Dreiklassenwahlrecht nicht beseitigt werden, weil die und die Gefahren für das Bürgertum, für die Gesamtheit des Volkes entstehen. Man ist in der Frage nicht klüger geworden. Es hat bei uns etwas länger gedauert.
Weltkriege mußten kommen und fürchterliche Zusammenbrüche, und dann — aus der Not geboren
- erkannte man, daß es auch einen Bruder Arbeiter gab, und dann war man auch bereit, diesem Arbeiter Zugeständnisse zu machen.
Wir können nichts anderes tun, als mit Vernunftgründen an Ihren Verstand zu appellieren und zu versuchen, die Dinge zu regeln. Geschieht's nicht, dann hat das Volk einmal später selbst die Nachteile davon zu tragen.
Mitbestimmungsrecht! Das Mitbestimmungsrecht wird nicht nur auf der betrieblichen Ebene ausgetragen. Ein Betriebsrätegestz haben wir seit dem Jahre 1920 gehabt. Es hatte nichts 7u tun, wie es heute dem Volke gepredigt wird, mit dem Mitbestimmungsrecht. Wir hatten damals, nach dem ersten Weltkrieg, ein Betriebsrätegesetz; wir hatten damals auch einen vorläufigen Reichswirtschaftsrat. Dazwischen bestand eine große Kluft, die nicht überwunden werden konnte. Alle damaligen Versuche der deutschen Gewerkschaften, diese Dinge zu überbrücken, zu einer Regelung für die Gesamtwirtschaft zu kommen, sind fehlgeschlagen. Und, meine Herren, Sie sollten wissen, daß die Frage des wirtschaftlichen Mitbestimmungsrechts damals nicht nur bei den freien Gewerkschaften erörtert wurde, sondern daß auch andere Kreise die Notwendigkeit eines solchen Mitbestimmungsrechts einsahen. Ist Ihnen nicht bekannt, daß der damalige Arbeitsminister kurz vor Toresschluß 1933 derartige Pläne erwog, daß Stegerwald selbst der Auffassung war, hier müßten Änderungen eintreten? Es scheint alles vergessen zu sein.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Die Frage des Mitbestimmungsrechts ist nicht einmal auf Deutschland beschränkt. Meine Herren, versuchen Sie einmal, in die skandinavischen Länder, vor allen Dingen nach Schweden zu gehen, um dort festzustellen, wie in allen wirtschaftlichen Fragen die Arbeiter in diesen Ländern mitentscheiden und mitbestimmen können. In den westlichen Staaten ist es nicht anders. Ist nicht auch in England der Weg eingeschlagen worden? Sind nicht in den letzten Tagen noch in Belgien Beratungen über diese Frage durchgeführt worden? Und, meine Herren, erkundigen Sie sich doch einmal selbst, wie es in Amerika ist, welches Maß von Einfluß man dort den arbeitenden Menschen gegeben hat, wieweit dort die Arbeiter auch in wirtschaftlichen Fragen entscheiden können. Für Sie scheint das alles nicht da zu sein.

(Zuruf von der FDP: Was reden Sie jetzt über Amerika!)

- Ich rede über Amerika, nachdem Sie gezeigt haben, wieviel Verständnis Sie für die Verhältnisse in Amerika haben.

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Solche Gewerkschaften wie in Amerika wünschen wir uns hier! — Lachen bei der SPD. — Zuruf des Abg. Euler.)

— Herr von Rechenberg, ich wünschte auch in Deutschland Männer, die Vernunft und Einsicht haben und sich nicht an den Hohen Kommissar in der Form wenden, wie es vor einigen Tagen hier bei uns der Fall gewesen ist.

(Lebhafter Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Das glauben Sie doch wohl nicht! Ich habe etwas ganz anderes gesagt!)





(Freitag)

— Ich kann mich ja nur darauf stützen — — (Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Das ist dann falsche Berichterstattung!)

- Ja, dann kommt es auf die „falsche Berichterstattung" an!

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Ich kann Ihnen genau sagen, was ich sagte!)

— Herr von Rechenberg, das ist genau dasselbe, was ich bereits vorhin dargelegt habe: Sie wollen versuchen, das Rad der Zeit zurückzudrehen,

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Ich denke nicht daran!)

um wieder zu den Zuständen von einst zurückzukommen.

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Kommen Sie in meine Fabrik und erkundigen Sie sich da! Kommen Sie hin, Sie werden sich wundern! Zuruf links: Sie alter Krakeeler!)

- Herr von Rechenberg, wenn Sie so aufgeschlossen sind, dann seien Sie doch so freundlich, nicht gegen das sogenannte Mitbestimmungsrecht zu polemisieren, sondern dann setzen Sie sich dafür ein! Dann brauchen wir uns nicht so zu erregen, und dann können wir uns über die ganzen Dinge viel freundlicher unterhalten.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Mitbestimmungsrecht! Der Arbeiter, der vom frühen Morgen bis zum späten Mittag nur auf das Signal seiner Fabrikpfeife hören muß, der keine andere Möglichkeit hat, als sich mit den Bindungen zu beschäftigen, die ihm der Betrieb auferlegt, fragt sich: warum geht's mir so schlecht? Den interessiert die Festlegung der Preise für alle Bedarfsgegenstände, und der möchte in dieser Frage mitwirken und mitentscheiden. Aus diesem Grunde wird der Gedanke des Mitbestimmungsrechtes nicht nur auf betrieblicher Ebene, sondern auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene getragen.
Auf dieser Grundlage war auch die Vorlage der Gewerkschaften entstanden. Sie wünschten zunächst einmal, daß ein Wirtschaftsrat gebildet wird der paritätisch aus Unternehmern und Arbeitern zusammengesetzt sein soll und in dem alle Fragen der Wirtschaft erörtert und vorberaten werden können. Uber diese Frage bestand mit den Unternehmern so gut wie Einverständnis. Die zweite Frage war die, ob die Industrie- und Handelskammern in ihrer bisherigen Form bestehen bleiben müssen. Auch darüber lagen Zusagen vor, daß diese Industrie- und Handelskammern für die Zukunft paritätisch zusammengesetzt sein sollen, daß also die Arbeiterschaft zu 50 % daran beteiligt wird. Nun gibt es gewiß bei uns im Lager böse Zungen die behaupten: das ist nicht ehrlich gemeint; die Unternehmer werden versuchen, alle die Aufgaben, die bisher die Industrie- und Handelskammern gelöst haben, in der Zukunft in wirtschaftlichen Vereinigungen zu lösen. Ich lasse die Frage offen und nehme das Wort, das uns gegeben wird, als ehrlich hin. Ich rechne damit, daß es so durchgeführt wird.
Dann aber kam die Frage der Bildung von Ausschüssen, zunächst von Wirtschaftsausschüssen im Betrieb, und darüber gab es die ersten Differenzen. Bei der Frage der Aufsichtsräte konnten wir überhaupt zu keiner Verständigung kommen, weil die Herren dort der Auffassung waren, in diesen Aufsichtsräten hätten Gewerkschaftsvertreter nichts zu suchen. Erst nach langen, fürchterlichen Mühen gelang es dann, so ein Stück Kompromiß zu schließen: zunächst einmal hat der Betriebsrat das Vorschlagsrecht, zunächst muß der Betriebsrat Vorschläge aus dem Betrieb machen, und erst wenn dieseVorschläge von den Gewerkschaften nicht akzeptiert werden, kann der Gewerkschaftsbund eigene Vorschläge machen. Die Formulierung war sehr unglücklich gewählt. Sie wurde so unglücklich gewählt, um damit erneut zu dokumentieren, daß man nicht mit den Gewerkschaften, sondern nur mit dem einzelnen Arbeiter im Betrieb verhandeln wolle.

(Abg. Dr. Wellhausen: Sie waren doch einverstanden!)

— Darüber ist es zu keiner Verständigung gekommen, und daraufhin sind die Verhandlungen abgebrochen worden.
Der Entwurf, der von den Gewerkschaften eingereicht wurde, ist zum großen Teil von meiner Partei jetzt wieder als Gesetzentwurf eingereicht worden. Ich bin der Auffassung, daß man mit einem derartigen Entwurf besser fährt als nur mit der Frage der Regelung des Mitbestimmungsrechts auf der betrieblichen Ebene. Ich will Ihnen ganz offen sagen, aus welchem Grunde: Ein gebranntes Kind scheut das Feuer! Wir haben in dem Deutschland nach 1918 damals ein Betriebsrätegesetz bekommen und wir haben den Vorläufigen Reichswirtschaftsrat bekommen. Die Zwischengliederung ist ausgeblieben. Und wenn man jetzt nach dem Vorschlag der CDU verfahren würde, würde es so aussehen, daß wir ein Betriebsrätegesetz bekommen werden, das wir in den verschiedensten Schattierungen im übrigen heute schon in den einzelnen Ländern haben, und daß alle anderen Regelungen des Mitbestimmungsrechts auf einer anderen Ebene für die Zukunft unerledigt bleiben. Ich weiß nicht, ob das das große Versprechen ist, das im vergangenen Jahr in Bochum gegeben worden ist, ob das die groben Hoffnungen sind, die man dort den Arbeitern gab.
Aus diesem Grunde sind wir — und zwar sind wir das gemeinsam mit den Unternehmern - der Auffassung, daß die Frage des Mitbestimmungsrechts auf allen Ebenen ein unteilbares Ganzes ist, daß die Frage gelöst werden muß, angefangen vom Betrieb über die einzelnen Stellen bis zu dem Bundeswirtschaftsrat; demgemäß auch die Vorlage unseres Entwurfs, den wir Ihnen heute unterbreitet haben. Wir sind der Auffassung, wenn man dem Versprechen gerecht werden will, dann hat man sich unseren Ansichten anzuschließen, und wenn man zu einer vernünftigen Lösung kommen will, kann es nicht anders geschehen, als daß man da das berechtigte Verlangen der Arbeiterschaft nach Mitwirkung und Mitbestimmung in allen Fragen der Wirtschaft für die Zukunft gelten läßt. Sie mögen sich über diese Dinge im Augenblick noch lustig machen und Sie mögen erklaren, es hat keine Eue. Meine Herren, ich will Ihnen etwas sagen: fiber die Frage des Mitbestimmungsrechts und über die Frage des Verlangens der Gewerkschaften war eine ganze Reihe von recht unfreundlichen Bemerkungen im Lande draußen laut geworden. Selbst die Herren der Regierung hatten nicht allzu verständnisvoll zu den Dingen gesprochen. Aus dem Grunde waren wir voll Erwartung, was werden würde, als wir nun vom Herrn Arbeitsminister und von der hohen Regierung eingeladen wurden, gemeinsam mit ihr die Frage zu besprechen und zu einem Abschluß zu kommen. Und von all den Dingen, die man bis dahin von Regierungsseite gegenuber den Gewerkschaften zum Ausdruck gebracht hat, hörten wir nichts mehr. Der Herr Bundeskanzler war so freundlich, vor allen Dingen den Unternehmern zu sagen, daß es an ihnen läge, weitere Zu-


(Freitag)

geständnisse zu machen, weil die Gefahr im Lande groß sei, weil wir in Westdeutschland an einem Punkt angelangt seien, wo es letzten Endes für unser Volk um Sein oder Nichtsein ginge, und daß wir in der Zeit keine sozialen Spannungen, keine Auseinandersetzungen brauchen könnten. In dem Sinne sind wir auch an die Arbeit herangegangen und haben versucht, eine Lösung herbeizuführen.
eine Herren! Sie mögen glauben, die Dinge seien nicht so ernst und brauchten nicht so gelöst zu werden, man könne an diesen Dingen noch vorbeigehen. Dann aber werden die Fragen eines Tages anders gelöst. Sind Sie sich klar darüber, daß es dann zu wirtschaftlichen Explosionen, zu Auseinandersetzungen von einem Ernst kommen wird, wie wir es hier in Deutschland bisher kaum gekannt haben.

(Widerspruch bei der FDP.)

Die Arbeiterschaft ist nicht gewillt, das Recht, das ihr eingeräumt und versprochen wurde, wieder preiszugeben.

(Zuruf von der FDP: Wollen wir ja gar nicht! — Weiterer Zuruf: Sie drohen!)

– Drohen? Ich denke nicht daran, zu drohen. Meine Herren, ich will Ihnen etwas sagen, was drohen ist: Drohen ist, wenn man zum Hohen Kommissar der Amerikaner geht und ihn bittet, nur ja nichts zu tun auf dem Gebiet des Mitbestimmungsrechts, weil die Gefahr aus dem Osten zu groß ist.

(Abg. Dr. Schumacher: Hört! Hört!)

Damit beweisen Sie, daß Sie von politischem Geschehen herzlich wenig verstehen. Die Gefahr aus dem Osten wird nur gebannt, wenn wir zu sozial erträglichen und demokratisch geordneten Verhältnissen auch im Wirtschaftsleben in Deutschland kommen.

(Beifall bei der SPD.)

Es liegt bei Ihnen, diesen Weg mitzugehen oder abseits zu stehen und die Gefahr kommen zu lassen.
Meine Herren! Wer sich auf den Kommunismus berufen will, dem sage ich: es gibt nur ein Mittel gegen den Kommunismus, und das ist das, daß man sozial erträgliche und demokratisch vernünftige Verhältnisse im Lande schafft.

(Sehr richtig! rechts.) Bolschewismus wird nicht bekämpft dadurch, daß man hingeht und den schwarzen Mann an die Wand malt und versucht, das eine und das andere Recht der arbeitenden Bevölkerung zu nehmen. Bolschewismus wird verhindert, wenn man Freiheit gelten läßt, wenn man Lebensmöglichkeiten schafft und wenn man zu geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen kommt.


(Sehr richtig! bei der FDP.)

Darum ringen wir und darum bemühen wir uns.

(Zuruf von der FDP: Wir auch!)

Und wir wünschen, daß wir dafür das Verständnis des Hohen Hauses bekommen. Wir erwarten von Ihnen, daß Sie für die Fragen, die von meiner Partei in den Beratungen im Ausschuß angeschnitten worden sind, mehr Verständnis aufbringen als es bisher heute morgen hier zum Durchbruch gekommen ist. Die Zeiten sind ernst, die Gefahren sind wahrscheinlich groß und können nur durch eine vernünftige Arbeit behoben werden. Zeigen Sie, daß Sie dazu bereit sind.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108001500
Meine Damen und Herren! Ehe ich das Wort weiter erteile, möchte ich Ihnen einen Vorschlag machen. Die Wortmeldungen sind sehr durcheinander eingekommen, so daß ich nicht glaube, daß es richtig wäre, das Wort in der Reihenfolge der Meldungen zu erteilen. Ich schlage Ihnen vor, daß zunächst jede Partei einen Redner sprechen läßt und daß dann, nachdem der letzte dieser ersten Sprechgarnitur — wenn ich mir dieses Wort erlauben darf — gesprochen hat, die übrigen Redner nach dem Eingang ihrer Meldung zu Worte kommen. Sind Sie einverstanden?

(Zustimmung.)

Dann erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Hammer.

Dr. Richard Hammer (FDP):
Rede ID: ID0108001600
Meine Damen und Herren! Wer die leidenschaftlichen Auseinandersetzungen über das Thema Mitbestimmungsrecht in den letzten Monaten in Deutschland verfolgt hat und wer auch die Klänge richtig zu deuten weiß, die heute durch diesen Saal schallten, der kommt vielleicht auf die ketzerische Idee, daß dieses ganze Thema den Aufwand wert ist, der hier gemacht wird.

(Zurufe von der SPD: Hört! Hört!)

Meine Damen und Herren! Ich bin der Ansicht, daß die Frage des Mitbestimmungsrechts diesen Aufwand wert ist,

(Zurufe: Sehr richtig!)

obwohl man, wenn man die konkreten Forderungen — zugespitzt in dem Entwurf der Sozialdemokratie — betrachtet, vielleicht doch auf die Idee kommen könnte, daß die Liebe eine Bejahung, abgesehen vom Wert, ist.
Meine Damen und Herren! Man sollte den Versuch machen, bei der Verhandlung dieser Dinge hier im Hause so zu tun, als könne man völlig vernünftig sein. Heinrich von Kleist hat seinem Odysseus einmal ein Wort in den Mund gelegt, als das Volk der Achäer von dem rasend verliebten Achilles bedroht wurde. Dieses Wort hieß: „Laßt uns vereint, ihr Griechenkönige, noch einmal Vernunft keilförmig mit Gelassenheit auf seine rasende Entschließung setzen!"
Meine Damen und Herren! Ich bin der Ansicht, daß die Entschließung der SPD eine rasende Entschließung ist. Ich respektiere ihre Leidenschaft, ich halte sie aber für absolut unzweckmäßig und für gefährlich für die Zukunft der Arbeiterschaft und der ganzen deutschen Nation.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, versuchen wir doch, nach dem Motto der Vernunft zu verfahren. Wenn Sie etwa damit beginnen würden, daß Sie die Erkenntnisse, die Resultate unserer arbeitspsychologischen Institute zu Rate zögen, dann könnten Sie zu Ausgangspunkten für unsere Diskussion kommen, die gar nicht uninteressant sind. Dort hat man aus Millionen von Fragebogen immer zwei merkwürdige Antworten bekommen. Wenn man den Arbeiter frug: „Was behagt dir denn am allerwenigstens in deiner Arbeitsstelle oder in deinem Betrieb?", dann bekam man in der Regel die beiden Antworten: Der Meister und die Stoppuhr! — Es lohnt sich, diese Dinge einmal zu verfolgen.
Beginnen Sie mit der Stoppuhr. Einem Teil von uns ist das schwer zu vergegenwärtigen. Mit dem Wecker hat sie nichts zu tun; denn den kann man abstellen. Vielleicht kann man sich, was Stoppuhr ist, am ehesten vergegenwärtigen, wenn man an das Wecken beim Kommiß denkt. Mit der Stoppuhr geht man nicht an eine Arbeit, die einen ruft und zu der man eine innere Beziehung hat, sondern mit der Stoppuhr wird man zur Arbeit befohlen.


(Dr. Hammer)

Meine Damen und Herren! Warum ist denn die Bindung des modernen Industriearbeiters — auf dessen Verhältnisse wollen wir uns im Augenblick beschränken — eine derartige Bindung in den meisten Fällen geworden? Die moderne Rationalisierung der Arbeit in den letzten hundert Jahren, die uns zur Hochindustrialisierung geführt hat, hat das Werk, mit dem sich der alte Geselle beschäftigt hat, seiner Hand entzogen und sinnlos gemacht. Mit der Produktion über das laufende Band, mit der Herstellung des Massenartikels hat diese Beziehung des Menschen zu seinem Werk aufgehört — denken Sie an das, was die Psychologen über die Verwandtschaft von Arbeitstrieb und von Spieltrieb sagen —, hat die Arbeit weitgehend ihren Sinn verloren oder ist jedenfalls doch dieser Sinn sehr schwer zu finden.
Die Werkstatt ist nicht mehr die alte Werkstatt, wie sie einmal war. Was sie war, das sehen Sie an dem deutschen Sprachgebrauch, nach dem man für das Atelier des Künstlers noch den ehrenvollen Ausdruck „Werkstatt" verwendet. Das ist in einer großen Anzahl unserer Betriebe in dem hochindustrialisierten Mitteleuropa und in Amerika völlig vorbei. Da wird also zu einer Arbeit, die an sich nicht ruft, befohlen, und zwar in der Form unserer technischen Alarmsignale. Es gibt nicht mehr den Gesellen, der in der Meisterfamilie frühstückt, und er geht nicht mehr an die Arbeit, die ihn lockt.
Wenn hier das Wort Geselle gefallen ist, so bin ich nahe bei der anderen Antwort, die uns die arbeitspsychologischen Institute geliefert haben, bei der Antwort: Meister. Warum ist denn dieser Meister der Mann, bei dem dauernd die Konfliktsituationen entstehen? Offenbar liegt das kaum an unseren Verhältnissen in Deutschland. Der Unternehmer, der an einem vorzüglichen Produktionsvorgang orientiert ist, gibt sich die größte Mühe, einen Meister zu bekommen, der nicht nur ein Könner in bezug auf seine technischen Aufgaben ist, sondern der auch kontaktfähig ist, der es fertigbringt, seine Arbeiterschaft an den Betriebszweck heranzuführen. Wenn Sie die Beschäftigung der amerikanischen Gewerkschaften und der amerikanischen Unternehmer betrachten, so sehen Sie, daß dort außerordentlich viel Zeit und Arbeit darauf verwandt wird, diesen kontaktfähigen und leistungsfähigen Meister zu schaffen. Das wird auch bei uns versucht. Aber es hat nicht dazu geführt, daß in diese Fragebögen eine andere Antwort hineinkäme als die: der Meister.
Meine Damen und Herren! Nun bitte ich Sie, sich doch einmal folgendes zu überlegen. Die Stellung des Meisters war in der alten Ordnung der vorkapitalistischen Zeit eine soziale Stufe, die dem normalen Handarbeiten durchaus erreichbar, ja, in der Regel zugänglich gewesen ist. Die Fabrikation am laufenden Bande, die rationalisierte Massenproduktion hat uns Arbeitsverhältnisse gebracht, in denen dieser Meister eine verhältnismäßig seltene Figur geworden ist. Es gibt eine Reihe von hochindustrialisierten Betrieben, in denen vielleicht auf 100 Arbeitnehmer ein Meister kommt. Dieser Meister ist der Beförderungsgrad, der den Arbeitern nicht mehr zugänglich ist. Der soziale Aufstieg innerhalb des Betriebes ist in diesem System des Hochkapitalismus weitgehend durch die technische Rationalisierung unmöglich gemacht worden.
Ich bitte Sie, sich einmal zu überlegen, was das Abstoppen des sozialen Aufstiegs bedeutet. Ein ganz einfaches Beispiel! Wenn Sie an die Revolution von 1918 denken, so wird Ihnen einfallen, daß diese Revolution in Deutschland nicht von den
Landsern gemacht worden ist, sondern von den Deckoffizieren und von den Korporälen, also gerade von jener Schicht in diesem militärbürokratischen Apparat, der nach den Gesetzen des kaiserlichen Deutschlands der soziale Aufstieg verwehrt gewesen ist. Überall da, wo die Chance zum Aufstieg aufgehört hat, besteht die Gefahr von Konflikten. Ich bezweifle, daß die Erhebungen unserer arbeitspsychologischen Untersuchungsinstitute uns in vollem Umfange den Weg zum Verständnis des Verlangens nach Mitbestimmung ebnen können. Man könnte sagen: das, was hier zweifellos an Arbeitsleid verlangt wird, müßte ja nach alten Theorien durch eine volle Lohntüte ausgeglichen werden. Man könnte sich darüber unterhalten, ob die moderne Wirtschaftsform das Arbeitsleid verringert hat. Zweifellos ist das zum Teil der Fall. Wenn in den letzten 100 Jahren oder von 1820 bis 1920 in Großbritannien die Arbeitszeit von 72 Stunden auf 48 Stunden heruntergegangen ist, so ist das eine Verringerung des Arbeitsleides. Wenn statt der schwieligen, schwierigen Handarbeit des Schmiedes oder des Schuhmachers die Maschinenarbeit gekommen ist, so bedeutet das zweifellos eine Verminderung des Arbeitsleides, eine Verminderung von Muskelkater. Aber, meine Damen und Herren, Sie haben gesehen, daß alle diese technischen Verschiebungen im Vorgang — —

(Zuruf von der SPD: Fehldiagnose!)

— Nein! Sie kommen nachher daran und können mich korrigieren. —
Meine Damen und Herren! Sie werden doch die Feststellung machen können, daß diese scheinbare Verringerung des Arbeitsleides offenbar nicht so bewertet worden ist. Die Rebellion, die in der Mitte unseres Jahrhunderts gegen die moderne wirtschaftliche Entwicklung entstanden ist und die um die Jahrhundertwende ihren Höhepunkt erreichte, hat jedenfalls darauf keine Rücksicht genommen und ist trotz dieser Verminderung der Arbeitszeit, trotz besserer Arbeitsbedingungen, trotz reichlicherer Füllung der Lohntüte zustande gekommen. Hier enden die Resultate, die man auf den Hochschulen zusammengetragen hat. Hier ist in dieses Verhältnis des sogenannten arbeitenden Menschen, wie man heute zu sagen pflegt, genau genommen in das Verhältnis der Lohnarbeiterschaft ein merkwürdiger Einbruch erfolgt. Hier hat auf einmal das Verständnis für den Sinn dieser Wirtschaftsordnung aufgehört, und hier hat in der gleichen Stunde, in der das alte Gehäuse der gottgewollten Ordnung aufhörte, den Arbeiter zu bergen, eine verhängnisvolle Irrlehre begonnen, die Dinge zu verzerrt zu beleuchten. Wer so in der Welt steht wie der, der ohne soziale Aufstiegsmöglichkeit ist, der ohne das Gefühl ist, daß seine Arbeit einen Sinn in dieser Welt habe, der ist nun einmal sehr leicht zu verführen, wenn man ihm sagt: diese ganze Weltordnung ist des Teufels, und ich weiß eine bessere! — Das sind die menschlichen Situationen, in denen man seinem notleidenden Mitbürger sagen kann: wir prophezeien dir eine bessere Zeit, wir prophezeien dir die Zeit, die Schiller einmal mit den Worten bezeichnete:
Vorbei nach langem, verderblichem Streit
Ist die kaiserlose, die schreckliche Zeit. Ein Richter ist wieder auf Erden.
Das ist die Situation, die 1933 Adolf Hitler ausnützte. Wer unser Wirtschaftssystem als eines der an Galeeren geschmiedeten Sklaven schildert und dazu versichert, daß er allein den Schlüssel besitze, um diese Ketten aufzuschließen, der steht ganz


(Dr. Hammer)

nahe bei jenem Verhalten, das 1933 Adolf Hitler an den Tag gelegt hat.

(Zuruf von der SPD.)

— Ich weiß nicht, wer Sie sind; aber gescheit sind Sie nicht!
Als dieser Einbruch einer neuen Erlösungslehre in der Mitte des vorigen Jahrhunderts in Deutschland und in der Welt erfolgte, erlebten wir die Entwicklung einer Klasse der deutschen Arbeiterschaft, der wir heute noch den allergrößten Respekt entgegenbringen. Ich erinnere mich aus den jungen Jahren meiner ärztlichen Tätigkeit noch an den engsten Verkehr, den ich mit jenen ersten organisierten Gewerkschaftlern und alten Bebelleuten gehabt habe, mit jenen Männern mit dem Knebelbart, mit jenen Männern, die einen eigenen Stil hatten, und mit jenen Männern, auf deren Bücherbord das „Kapital" und Haeckels „Welträtsel" gestanden haben. Ich habe auch damals ihren Lehren äußerst kritisch gegenübergestanden. Ich habe ihnen menschlich mit außerordentlicher Sympathie gegenübergestanden, weil das Maß ihres Idealismus in Deutschland nicht zu überbieten war. Sie wußten aus ihrer eigenen Lehre, an die sie glaubten, ganz genau, daß sie selber das schöne, gelobte Land nicht mehr betreten würden. Sie wußten, daß die „Expropriation der Expropriateure" wesentlich länger dauern würde als ihr eigenes Erdendasein. Sie haben mit einem Glauben, der bewunderungswürdig ist — ausgerechnet sie, Helden des Glaubens —, eine materialistische Lehre vertreten.
Wer sich jemals in Deutschland ernsthaft mit den Sorgen und dem Lebensschicksal des deutschen Arbeiters befaßt hat, der möge doch auf einen ganz schlechten Brauch verzichten. Der möge darauf verzichten, daß man in Deutschland die Worte „Prolet" und „Bourgeois" als Schimpfworte benutzt. Der möge sich doch mindestens daran erinnern, daß zwei sozial verschiedene Gruppen in Deutschland die nächsten leiblichen Verwandten sind. Es sind kaum drei Generationen her, seit unsere Urgroßväter dieselben gewesen sind. Man möge sich doch, wenn man von Klassenkampf, von Proletariat und von Besitzbourgeoisie redet, immer daran erinnern, daß das eigentlich zu ganz unmöglichen Differenzen innerhalb einer eigenen Nation führen kann.

(Zuruf von der SPD: Wie schnell Sie das merken!)

- Das habe ich schon gewußt, als ich ein so großer Bub war; Sie haben es vielleicht jetzt erst von mir zum ersten Mal gehört.

(Zuruf von der SPD: Dann haben Sie aber Glück gehabt!)

Jene Lehren, die das große Wunder einer besseren Weltordnung prophezeit haben, sind doch nur möglich gewesen, weil man den Sinn der ganzen modernen Marktwirtschaft und wirtschaftlichen Entwicklung verkannt hat. Jeder, der heute noch vor die Bevölkerung tritt und ihr erzählt, daß der Unternehmer ein Mann sei, der produzieren könne, was er wolle, und der das nur nach seinen Gewinnchancen bestimme, redet etwas Falsches. Das Charakteristikum der Marktwirtschaft ist nicht ein Unternehmer, der auf Gewinn produzieren kann, und das Charakteristikum einer geplanten Wirtschaft ist nicht eine Unternehmung, die nach dem Bedarf produziert, sondern das Charakteristikum der modernen Marktwirtschaft ist, daß sie die Voraussetzungen für die Arbeitsteilung, das Geheimnis unseres technischen Fortschritts, bis zum letzten erfüllt hat. Die Arbeitsteilung verlangt einen
Preisvergleich, die Arbeitsteilung verlangt die Respektierung des Standortes und einen Austausch
auf dem Markt. Die Arbeitsteilung ermöglicht es
dem Konsumenten, die Aufträge an die Wirtschaft
zu geben. Es ist nach unseren Auffassungen eine
völlig törichte Vorstellung, daß etwa der Unternehmer oder seine Belegschaft in Deutschland die
Möglichkeit haben, die Produktion zu bestimmen.
Wir können deshalb auch diesem Mitbestimmungsrecht von vornherein entgegenhalten: Derjenige, der
nach unserer Ansicht zu planen und Auftrag zu
geben hat, ist der Konsument; seine Vertreter sind
wir, dieses Parlament; aber seine Vertreter sind
nicht die gewählten und konstituierten Verbandsführer von irgendwelchen Interessenorganisationen.

(Sehr richtig! rechts.)

Es ist kennzeichnend, daß über dem Entwurf der SPD das Wort „Neuordnung der deutschen Wirtschaft" steht. Dort wird im wesentlichen nicht das Problem der Mitwirkung, das Schicksal des deutschen Arbeiters, erfaßt, sondern es wird versucht, einen völlig neuen Plan der Produktion und der Gesellschaft zu verwirklichen.

(Sehr richtig! bei der FDP.)

Man hat die Entwicklung der letzten hundert Jahre schlechtgemacht. Immerhin ist zu ihrem Vorteil doch zu sagen — ich habe das vorhin über die Entwicklung der Arbeitszeit gesagt —, daß die Reallöhne sich in diesen hundert Jahren in England vervierfacht haben. Immerhin ist für die letzten hundert Jahre zu sagen, daß die durch den Wettbewerb ermöglichte Produktion die Bevölkerung Europas von 90 auf 230 Millionen hat ansteigen lassen und sie leidlich ernährt hat.

(Zuruf von der SPD: Aber auch wirklich leidlich!)

— Ich drücke mich absichtlich sehr vorsichtig aus. Denn ich weiß, daß hier noch eine Reihe von Wünschen zu erfüllen sind. Aber, meine Damen und Herren, das Wesentliche oder vielleicht das Allerbedeutendste dieser Wirtschaftsordnung ist doch folgendes. Sie ist nur möglich mit freien Staatsbürgern, mit Freizügigkeit, mit frei abschließbaren und mit frei zu beendenden Arbeitsverträgen. Ich weiß — und ich werde darauf zurückkommen —, daß dieses Geheimnis, diese Garantie der Freiheit, die darin liegt, eine Hypothek auf das Lebensschicksal des deutschen Arbeiters bedeutet. Aber sie garantiert unter allen Umständen das, was wir die Freiheitsrechte des Bürgers nennen.

(Zuruf links: Jeden Bürgers?)

Hören Sie damit auf und befehlen Sie einen Arbeitseinsatz, planen Sie, dann haben diese Freiheitsrechte aufgehört zu existieren.
Aber es ist das Wesentliche dieser Arbeitsteilung, dieser Marktwirtschaft, daß sie den jederzeit kündbaren Arbeiter braucht. Die Anpassung an den Marktauftrag, an den Wunsch des Konsumenten zwingt zur augenblicklichen Produktionsumstellung und zwingt damit dem Arbeiter jenes Schicksal auf, das in dem Wort Prolet am besten umschrieben ist. Nicht der, der ohne Besitz ist, ist heute der Prolet. — Sie wissen, das es bei mir kein Schimpfwort ist. — Der ist Prolet, der ohne jede Sicherung seiner Existenz ist, der unter dem arbeitsrechtlich kürzesten Kündigungstermin steht. Wir bezweifeln nicht, daß der Lohnarbeiter zusammen mit dem Unternehmer, der nur durch seinen Geldsack etwas weicher gepolstert ist, auf das Rad dieser Marktordnung geflochten ist. Wir behaupten aber, daß nicht der Unternehmer das Rad dreht, sondern daß der Konsument es dreht.


(Dr. Hammer)

Das enthebt uns nicht der Verantwortung für das Lebensschicksal des deutschen Arbeiters. Es gibt dazu eine Reihe von Wegen, und es sind eine Reihe von Wegen bereits beschritten worden. Krisenfest sollte man die Wirtschaft nicht machen. Man kann es nicht. Ich werde darüber heute nicht reden. Aber man kann durch Versicherung, durch Kündigungsschutz, durch arbeitsrechtliche Regelungen, etwa auch durch die Überführung der Stammangestellten ins Angestelltenverhältnis durchaus einen großen Teil der Arbeiterschaft krisenfest machen. Man kann die Produktionssteigerung der Wirtschaft hoffnungsvoll beurteilen und kann darüber hinaus noch einiges tun, um die Reallöhne zu steigern. Ja, meine Damen und Herren, wir sind gar nicht abgeneigt, bei der Beratung eines Mitbestimmungsrechtes uns zu überlegen, wieweit man aus der Rendite eines Unternehmens weitere Beträge durch irgendwelche Leistungslohnverträge herausnehmen und sie zu Löhnen machen kann. Wir denken nicht daran, derartige Dinge ohne weiteres außer Acht zu lassen. Nach unserer Ansicht sind ja die großen Gefahren, die dieser Entwicklung der modernen Marktwirtschaft drohen, auf politischem Gebiet zu bekämpfen. Nicht die kleine Krise im Wettbewerb einer blühenden Volkswirtschaft bedroht die Arbeiterschaft. Bedroht wird die Arbeiterschaft in ausgedehntem Maße durch die großen sogenannten Investitionskrisen, die dem Gefälle zwischen hockindustrialisierten und frühkapitalistischen Ländern dieser Welt entsprechen. Es wird die Entwicklung, die mit Paneuropa angedeutet ist, auch die Entwicklung sein, die zur Krisenverminderung und zur Krisenfestigung der Weltwirtschaft führen wird.
Das alte Betriebsrätegesetz ist ja doch mit unseren politischen und geistigen Ahnen, zusammen mit Ihnen, meine Herren von der SPD, und mit Ihrem Vizekanzler Bauer gemacht worden. Es hat einmal eine Zeit gegeben, in der man sich verstanden hat. Friedrich Naumann ist ja der Mann gewesen, von dem das Wort stammt, daß unser Bekenntnis zur Nation und unser Bekenntnis zur Menschwerdung der Masse zwei Seiten einer und derselben Sache seien. Auf dem Wege aber, den Sie jetzt beschritten haben, den Sie im historischen Augenblick der letzten Jahre betreten haben, können wir Sie nicht weiter begleiten. Hattenheim war der Anfang der Verhandlungen zwischen den Unternehmern und den Gewerkschaften. Nun mögen Sie ja sagen: Du bist weder das eine noch das andere, Du hast es leicht, zu einem objektiven Urteil zu kommen. Mir graut es schon, wenn ich die beiden Verbände an einem Tisch sitzen sehe. Denn ich denke ja doch immer an meinen Lehrer Max Weber, der vor vielen Jahren gesagt hat: Gott soll das deutsche Volk davor schützen, daß es eine Solidarität zwischen Unternehmern und Gewerkschaften gäbe. Der Mann ist zweifellos ein alter Demokrat gewesen. Er wußte, daß das, was man später Korporationenstaat nannte, in der Luft liegt. Und er wußte etwas ganz genau. Er wußte, daß aus all derartigen Versuchen die Herrschaft einer Bürokratie herauskommt, die sich heute kein Arbeiter und kein Unternehmer in Deutschland vorstellen kann.
Und er wußte noch etwas. Er wußte, daß, wenn die Herrschaft der Korporationen in Deutschland angefangen hat, die Herrschaft des Parlaments aufgehört hat.

(Sehr gut! bei der FDP.)

Ich habe ganz bewußt „gleich" betont und von gleichgewichtigen Gewerkschaften und Unternehmern gesprochen. Vor dem Urteil des Staatsbürgers sind sie gleich gefährlich und in ihren Funktionen gleich bedeutend. Wenn uns aber unterstellt wird, wir gedächten grundsätzlich etwas gegen die Entwicklung der Verbände und der Gewerkschaften als notwendiger Tarifpartner zu sagen, so möchte ich wissen, wo Sie, meine Damen und Herren, aus meinen Ausführungen in dieser Beziehung das Geringste herauslesen können.
Meine Damen und Herren, es dreht sich hier um den Versuch einer Wirtschaftsplanung. Wer die Beteiligung der Gewerkschaften in dem Umfange verlangt, in dem Sie, meine Herren von der Sozialdemokratie, sie fordern, der hat die Absicht, zu planen, und damit steht er vor der Notwendigkeit, einen Machtapparat aufzubauen. Düsseldorf soll die Stadt der Gewerkschaften werden, und wenn diese Entwicklung weiterläuft, dann wird sie die Hauptstadt Deutschlands werden. Gott soll das verhüten!

(Lachen und Zurufe bei der SPD.)

Die Stadt der Gewerkschaften kann sie ruhig bleiben; aber wir verbitten uns als deutsche Staatsbürger, daß irgend jemand anders als dieses Parlament in Deutschland entscheidet.

(Bravo! bei der FDP. — Zurufe von der SPD.)

Es gibt einprägsame Erlebnisse, die der Mensch gehabt hat. Der eine nimmt sie mit den Augen, der andere mit den Ohren auf.

(Zuruf von der SPD: Mit dem Magen! — Heiterkeit.)

— Das auch. — Mich hat eigentlich nichts mehr beeindruckt als die Betrachtung Sowjetrußlands. Sehen Sie, als ich nach zwanzig Jahren zum ersten Male dort wieder hinkam, waren die vergoldeten Kuppeln der orthodoxen Kirchen verschwunden, die Kulturlandschaft sah völlig anders aus, und staunend stellte ich fest, daß in dieser sozialistischen Kulturlandschaft ein neues Bauwerk entstanden war. Die Landser wußten erst nicht, was das war. Sie dachten, das wäre ein trigonometrischer Punkt in den Kolchosen, bis sie dann feststellten, daß dieser Balkenturm ein Kommandoturm war. Wenn Sie heute durch Rußland gehen, dann sehen Sie überall am Horizont diese Kommandotürme.

(Zuruf von der KPD: Furchtbare Märchen erzählen Sie, Sie armer Sünder!)

— Haben Sie nichts gesehen?

(Zuruf von der KPD: Ich habe da 41/2 Jahre gelebt!)

— Dann haben Sie wohl von einem Truppenarzt eine schlechte Brille verpaßt bekommen.

(Heiterkeit. — Zurufe von der KPD.)

Meine Damen und Herren, nichts ist für die Entwicklung von 20 Jahren Planwirtschaft kennzeichnender, als daß dort ein Kommandoturm notwendig ist, um die Arbeit jener Einrichtung in Gang zu halten,

(erneute Zurufe von der KPD)

die einmal mit der Idee der Betriebsgemeinschaft und des gemeinsamen Rates, des Rätesystems begonnen hat.

(Sehr gut! bei der FDP.)

Wer anfängt, gegen unser Wirtschaftssystem grundsätzlich zu rebellieren,

(wiederholte Zurufe von der KPD)

der muß sich der Gefahr bewußt sein, daß am Ende die Sklaverei steht.

(Bravo! bei der FDP. — Lachen und Zurufe bei der SPD und KPD.)



(Dr. Hammer)

Man braucht ja nicht dagegen zu rebellieren. Man hat ja die verantwortliche Tätigkeit des Politikers, man hat die Möglichkeit einer ausgezeichneten und weitreichenden Sozialversicherung, und man hat tausend andere Möglichkeiten, die nicht in den Rahmen eines solchen Gesetzes hineingehören. Alle diese soll man mit voller Verantwortung ausschöpfen, aber nicht vergessen, daß man die Existenz der abendländischen Gesellschaft mit Experimenten bedroht.

(Bravo! bei der FDP. — Zuruf von der KPD: Die Existenz der Millionäre!)

Meine Damen und Herren, nach dem, was ich eben gesagt habe, werden Sie wissen, wo meine Kritik am Gesetzentwurf der CDU einsetzt. Erfreulich ist, daß das Wort Mitwirkung darin steht, daß also das Problem klar ist, daß eine sinnvolle Werktätigkeit, eine Beziehung des Arbeiters zur Arbeit wieder geschaffen werden muß. Völlig indiskutabel ist für uns die Vorstellung einer Schiedsstelle. Nach meinen Ausführungen von vorhin werden Sie wissen, daß nach unserer Ansicht über die Produktion nicht Unternehmer und Betriebsrat gemeinsam zu entscheiden haben, sondern die Befehle des Marktes auszuführen sind. Ich bitte Sie, sich doch einmal die Funktion einer Schiedsstelle vorzustellen. Da sitzt einer, der Richter oder Volkswirtschaftler oder ein irgendwie leidlich allgemein gebildeter Mann guten Willens ist. Dem legen Sie nun die Frage vor, ob das Unternehmen Fahrräder oder Schreibmaschinen produzieren soll.

(Abg. Dr. von Brentano: Ach nein! — Abg. Dr. Schröder: Keine Rede davon!)

Wer entscheidet denn derartige Dinge? Derartige Dinge entscheidet immer eine letzte Instanz, eine Instanz, die über Ihren Instanzen steht, nämlich der Mann, der bereit ist, den Plunder zu kaufen.

(Abg. Heiland: Hoffentlich nicht Sie; dann ist die deutsche Volkswirtschaft längst pleite!)

— Meine Damen und Herren, es ist gar keine schlechte Bemerkung gewesen, als jemand folgendes gesagt hat: Wenn dieses Mitbestimmungsrecht, bezogen auf grundlegende Änderungen des Betriebszweckes, in England vor 150 Jahren bestanden hätte, dann wäre wohl die Spinnmaschine in England heute noch nicht eingeführt.

(Sehr richtig! bei der FDP. — Widerspruch und Lachen in der Mitte, bei der SPD und KPD.)

Meine Damen und Herren, Sie wissen ja doch ganz genau, daß hinter dieser Mitbestimmung der Gewerkschaften die letzte politische Leidenschaft und keinerlei Respekt vor den Aufgaben des Augenblicks steht.

(Lebhafter Widerspruch bei der SPD.)

Verstehen Sie denn nicht, meine Damen und Herren: Wer heute noch von Klassenkampf redet, wer mit Streiks gegen den Staat, gegen die Gesetzgebung droht, ist der ein Mann der Vernunft oder ist er ein Mann, der angreift,

(erneuter Widerspruch bei der SPD)

Macht haben will und um Macht kämpft?

(Lebhafter Beifall bei der FDP.)

Das wußte Herr Vizekanzler Bauer im Jahre 1919;
aber Sie haben die Wahrheiten vergessen. (Abg. Euler: Sehr richtig! — Abg. Mellies: Nur gut, daß Sie erhalten geblieben sind, sonst wäre die Welt schon untergegangen!)

Meine Damen und Herren, nun ein letztes Wort zum Entwurf der CDU. Da, wo die Schiedsstelle außerhalb arbeitsrechtlicher Beziehungen erwähnt
wird, kann sie von uns nicht respektiert werden. Ich muß aber zu dem Entwurf noch eines sagen. Da, wo es sich um soziale Mitbestimmung dreht, wären wir durchaus bereit anzuerkennen, daß nicht eine Mitbestimmung des Unternehmers mit den Arbeitnehmern Platz greifen oder die Funktionen gegenseitig geregelt werden sollten, sondern daß man ruhig an eine völlige Selbstverwaltung der Sozialfonds durch die Arbeiterschaft denken könnte.
Unsere Stellungnahme zum Entwurf der CDU wird sich nachher ergeben. Wir werden ja heute noch lange darüber reden, und es wird ja noch mancher sein Scherflein dazu beitragen. Mir ist bei der Beurteilung des Entwurfs der CDU eine kleine Geschichte von Hasek eingefallen, der den „Braven Soldaten Svejk" geschrieben hat. Von diesem gibt es eine Kurznovelle von einer böhmischen Magnatin. Diese erhielt den Besuch ihres Beichtvaters, und der schilderte ihr die große Not, in die ihr Schweinehirt geraten war; der war krank und nagte mit seinen sieben Kindern an dem obligaten Hungertuch. Da stürzte, zu Tränen gerührt, diese Dame an die Anrichte ihres Speisezimmers und drückte dem geistlichen Herrn eine Ananas in seine Soutane. Meine Herren, eine ergreifende Handlung, aber völlig unzweckmäßig!

(Beifall bei der FDP. — Abg. Neumann: Wie rührselig! — Widerspruch und Gelächter in der Mitte. — Zurufe und Gegenrufe zwischen FDP, CDU und SPD.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108001700
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lehr.

Dr. Robert Lehr (CDU):
Rede ID: ID0108001800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von dem Mitbestimmungsrecht und den verschiedenen Entwürfen, die heute vorgelegt werden, gilt das Wort, das Schiller seiner Wallenstein-Trilogie zugrunde gelegt hat:
Von der Parteien Haß und Gunst entstellt,
schwankt ihr Charakterbild in der Geschichte. Ich glaube nicht, daß die Schärfe mancher Auseinandersetzungen, die ich persönlich sehr bedauert habe, im Anfang der Besprechungen dazu beigetragen hat, die Entwürfe unserem Herzen menschlich näherzubringen. Ich möchte mich bemühen, in rein sachlicher Darstellung zu Ihnen von den Grundgedanken zu sprechen, die uns beseelt haben, als wir dieses Rahmengesetz schufen.
Meine verehrten Damen und Herren, wir können bei dieser Frage des Mitbestimmungsrechts wirklich nicht nur von verstandesmäßigen Überlegungen ausgehen, wenn es sich darum handelt, eine neue Gemeinschaftsordnung zu schaffen, eine neue Wirtschaftsverfassung zu entwerfen, die unserem Wirtschaften für die Zukunft eine neue Blickrichtung geben soll. Das ist nicht nur eine Sache des Verstandes, das ist auch eine Sache des Herzens.

(Abg. Dr. von Brentano: Bravo! — Abg. Dr. Wellhausen: Gott sei Dank!)

Als der Entwurf noch nicht einmal eingebracht war, erhoben sich schon Stimmen der Kritik bereits an den Fragen der Zuständigkeit. Es sind selbst von den hohen Regierungssitzen aus Zweifel erhoben worden, ob wir, nachdem die Regierung mit dieser Materie schon einmal befaßt war, eigentlich noch sachlich legitimiert seien, die Initiative zu ergreifen. Meine Damen und Herren, der Verzicht auf das Initiativrecht ist selbst dann für eine Partei un-


(Dr. Dr. h. c. Lehr)

möglich, wenn sie ein Königsmacher ist und wenn sie selber ihre Minister abordnet.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Vielleicht ist noch irgendein Ressentiment bei unserer Regierung zurückgeblieben; denn die nicht gerade vollzählige Besetzung der Ministerbank deutet immerhin auf ein Überbleibsel eines solchen Ressentiments hin.

(Abg. Mellies: Das ist doch keine Seltenheit, sondern tägliche Übung!)

Uns aber von der CDU/CSU ist jede Initiative der Regierung durchaus erwünscht gewesen. Wir haben die fortgesetzten Bemühungen unseres Arbeitsministers Storch mit den besten Wünschen von uns aus begleitet und ihm vollen Erfolg gewünscht und wünschen ihm den Erfolg auch heute noch.
Aber wir haben heute morgen einen Einblick bekommen, warum trotz der in diesen Verhandlungen und Gesprächen zutage getretenen guten Haltung auf allen Seiten ein Erfolg ausblieb; denn ganz offensichtlich haben hinter diesen Verhandlungen machtpolitische Erwägungen gestanden, die die Einigung erschwert und die Verständigung am Schluß vereitelt haben. Beide Sozialpartner sind dazu übergegangen, ohne Rücksicht auf diese Gespräche in Denkschriften und in Gesetzesvorschlägen ihre Meinungen festzulegen. Damit war bestätigt, daß das Mitbestimmungsrecht seit langem nicht nur im Brennpunkt des politischen Interesses steht, sondern daß es auch gleichzeitig die umstrittenste aller Fragen geworden ist, die wir auf wirtschaftlichem Gebiet heute zu lösen haben. Und damit waren der Grund und die Notwendigkeit gegeben, auf der politischen Ebene die Initiative zu ergreifen und vor diesem Forum die Fragen zu entwickeln, deren Lösung offenbar den Partnern nicht möglich gewesen ist.
In einem Zeitpunkt außenpolitischer Bedrohung, die unser ganzes innerpolitisches Leben überschattet, müssen eben alle Anstrengungen darauf gerichtet werden, den Wirtschaftsfrieden zu sichern, und es müssen von allen im Betrieb heute wirk. samen Kräften die höchsten Leistungen verlangt werden. Dann dürfen aber auch auf der anderen Seite keine Schritte unterlassen werden, welche klar zutage getretene Spannungen beseitigen können.
Nach dem Zusammenbruch des Jahres 1945 war uns allen klar, daß die Völker zu einer umfassenden Neuordnung der Beziehungen untereinander und auch innerhalb ihres eigenen Staatenbaues aufgerufen wurden, und das gilt vor allem für uns in Deutschland. Insbesondere galt es, von neuem eine sozial verpflichtete Wirtschaft aufzubauen und sich dabei von Rückerinnerungen an vergangene Machtkämpfe, an frühere Vorurteile und an etwaige Klassengegensätze freizuhalten. Aus dieser Erkenntnis hat die CDU/CSU das Ahlener Programm und die Düsseldorfer Leitsätze entwickelt. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, dem deutschen Volk durch eine Gemeinschaftsordnung eine Wirtschafts- und Sozialverfassung zu geben, die dem Recht und der Würde des Menschen entspricht, dem geistigen und materiellen Aufbau unseres Volkes dient und den inneren und äußeren Frieden sichert.

(Sehr gut! bei der CDU.)

Das ist auch die Tendenz unseres Rahmengesetzes. Entsprechend dem Programm und in Übereinstimmung mit unseren sozialpolitischen Leitsätzen geht dieser Entwurf von der Würde des arbeitenden Menschen aus. Die Stellung, die er dem Menschen
im Betrieb gibt, soll ihm nicht nur seine Existenz, sondern gleichzeitig auch eine neue Wertung seiner Arbeitskraft als einer sittlichen Leistung und als Grundlage der körperlichen und seelischen Entfaltung des Menschen im Betrieb sichern.

(Sehr richtig! bei der CDU.)

Aus manchem gegnerischen, aber selbst auch aus befreundetem Lager haben manche geglaubt, daß solche Grundgedanken, wie ich sie eben vor Ihnen entwickelte, wohl in der Theorie leicht auszusprechen seien, aber schwer in der Praxis zu verwirklichen seien, nach dem Gedanken, daß leicht beieinander die Gedanken wohnen, aber hart im Raume sich die Sachen stoßen. Und es hat mancher geglaubt, daß eine so große Weltanschauungspartei in ihrer vielfältigen Zusammensetzung wie die unsere bei dem Bemühen, solche Pläne und konstruktive Gedanken in die Tat umzusetzen, Schiffbruch erleiden, vielleicht sogar vor einer Zerreißprobe stehen würde. Die Fraktion der CDU/CSU ist sich dieser Schwierigkeiten durchaus bewußt gewesen, aber sie hat trotzdem ihre Aufgabe entschlossen angefaßt. Selbstverständlich sind auch in unseren Reihen zu verschiedenen Punkten Bedenken erhoben worden, und sie bestehen in mancher Hinsicht an dieser oder jener Stelle auch heute noch. Aber entscheidend ist für uns gewesen, daß das hohe Ethos unserer christlichen Auffassung über solche einzelnen Meinungsverschiedenheiten hinweg zu dem großen Ziel trägt, das wir uns gemeinsam gesetzt haben.

(Zustimmung bei der CDU.)

Entscheidend war und blieb, daß unsere christlichen Grundsätze nach wie vor das einigende Band sein müssen und es geblieben sind, um den Blick auszurichten auf das große programmatische Ziel eben neuer Formen der Zusammenarbeit im Sinne echter Partnerschaft und leistungsgemeinschaftlicher Verbundenheit bei beiderseitiger Verantwortung für das gemeinsame Werk.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Deshalb konnte der von unserer Fraktion eingereichte Entwurf mit vollem Recht die Unterschrift tragen: von Brentano und Fraktion. Es hat sich keiner ausgeschlossen.

(Sehr richtig! bei der CDU.)

Daß an diesem Entwurf noch gefeilt werden muß und daß in kommenden Ausschußverhandlungen an gewissen Punkten noch Kritik geübt wird und Abänderungsvorschläge gemacht werden, ist uns klar. Aber wir haben dem Hohen Hause auch ein Rahmengesetz vorgelegt, das Ziele und Wege zwar klar aufzeigt, aber keinesfalls bis in die letzten Einzelheiten in die Betriebe hineinregieren will und das Verhältnis zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer im einzelnen paragraphenmäßig ordnen will. Wir waren uns der Vielfalt der deutschen Wirtschaft ebenso bewußt, wie wir wissen, daß über Gesetzesparagraphen hinweg das Einvernehmen zwischen den beiden Partnern und die aus ihm entspringende gemeinsame echte Betriebsvereinbarung wichtiger ist. Wir wissen, daß über der Theorie die aus praktischer Erfahrung erwachsenen Kenntnisse stehen und wollen die notwendige Bewegungsfreiheit in den einzelnen Betrieben in keiner Weise einengen. Wir wollen aber auch auf der anderen Seite durch ein Rahmengesetz aufzeigen, daß diese Betriebsvereinbarungen in einem Rahmen bleiben müssen, der die Existenzgrundlage der Beteiligten sichert und der Arbeitsleistung den neuen Sinn unterlegt, den wir ihr geben wollen.


(Dr. Dr. h. c. Lehr)

Wir haben bewußt den Weg des Rahmengesetzes gewählt, weil es uns daran lag, nunmehr aus dem Stadium der Erwägungen heraus zum zielbewußten Handeln zu kommen, und weil Beschlüsse und Denkschriften in ihrer Wirksamkeit vor einem in großen Zügen entworfenen Gesetzesvorschlag zurücktreten. Weil wir in lauterer Absicht diesen Entwurf auf der politischen Ebene vorlegen, erheben wir auch den Anspruch auf eine sachliche Würdigung des Ihnen Vorgelegten. Wir bedauern es, daß trotz der guten Haltung in den Hattenheimer Gesprächen und in Maria Laach in der letzten Zeit Schärfen aufgetreten sind, die der erstrebenswerten Einigung zuliebe besser unterblieben wären.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Wir sollten diesseits des Eisernen Vorhangs, meine Damen und Herren, bei der Neuordnung unserer sozialen Verhältnisse das Ziel der Einigung durch Verständigung und nicht durch Machtmittel suchen, nicht einmal durch Androhung von Machtmitteln, die eventuell eingesetzt werden könnten.

(Abg. Dr. Oellers: Ausgezeichnet! — Beifall in der Mitte.)

Aus dem gleichen Gedankengang heraus und auf das Ziel der Einigung ausgerichtet, sollen wir uns auch vor allzu extremen Forderungen hüten. Ich muß in dieser Beziehung sagen, daß der Entwurf der Gewerkschaften dieser Forderung nicht entspricht. Er sagt in seinem Vorwort selbst:
Mit diesem Gesetz werden Probleme aufgeworfen, wie sie in der Wirtschaftsgeschichte kaum jemals als Aufgabe einer organisatorischen oder soziologischen Neuordnung gestellt worden sind.
Meine Damen und Herren, ich will nicht auf Einzelheiten des Entwurfs und auch nicht auf den Entwurf der SPD eingehen, der uns heute morgen vorgelegt wird und der mir nach einem ersten Überblick zeigt, daß er wohl dem Entwurf der Gewerkschaften vollinhaltlich entspricht. Ich möchte zusammenfassend den Eindruck wiedergeben, den ich aus dem Gesamten gewonnen habe, daß nämlich Wesen und Ziel dieses Entwurfes einheitlich klar auf die Forderung nach politischer Macht in der Wirtschaft ausgerichtet sind. Das Ziel des Entwurfes ist die mittelbare oder unmittelbare Beherrschung der Wirtschaft durch die Gewerkschaften selbst, die hier ein Führungsmonopol erstreben, wie wir es bisher in der Wirtschaft noch nicht gehabt haben. Wir, die wir den Grundsatz des machtverteilenden Prinzips vertreten, lehnen jede mit dem Gemeinwohl unverträgliche Beherrschung der Wirtschaft oder wesentlicher Teile der Wirtschaft durch Staat, Privatpersonen oder Organisationen innerhalb oder außerhalb des Staates oder durch Gruppen irgendwelcher Art in gleicher Weise ab.
Man möge hier nicht sagen, daß ein solches Urteil aus irgendwelchen Ressentiments heraus gefällt wird. Auch im Ausland hat man diese machtpolitische Tendenz des Gewerkschaftsentwurfs klar erkannt. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich aus dem „Economist" vom 10. Juli ein kurzes Zitat vortragen, das so lautet:
Die letzte Entwicklung im Kampf des Deutschen Gewerkschaftsbundes um einen Anteil an der Kontrolle der Industrie läßt annehmen, daß er den gesunden Sinn, den er in Lohnforderungen bewies, verloren hat. Seine nun formulierten Forderungen gehen so weit über die Grenzen der Vernunft oder der demokratischen Praxis hinaus, daß der Deutsche Gewerkschaftsbund sich selbst der Beschuldigung aussetzt, es sei ihm mehr an einer konzentrierten Macht über die Industrie in den Händen seiner zentralen Körperschaft als an der Sicherung von Vorteilen für die einzelnen Mitglieder der Gewerkschaften gelegen. Der Gewerkschaftsbund schlägt nicht weniger als eine Revolution zu seinen ausschließlichen Gunsten vor, ohne einen Auftrag von der Wählerschaft hierfür zu haben.
Soweit der „Economist", diese führende englische Wirtschaftszeitung.
Unsere Auseinandersetzungen innen- und sozialpolitischer Art müssen sich von machtpolitischen Erwägungen freihalten. Wir sollen uns auch nicht in den Kampf um Ideologien und um Schlagworte verwickeln. Wir wollen hier nicht dem rein Doktrinären verhaftet bleiben, sondern aus den Erfahrungen der Praxis heraus neu schaffen und neu formen und das Problem lösen. Wenn wir uns wieder in grundsätzlich einander gegenüberstehende Lager teilen, gefährden wir diese große, entscheidende Reform. Mit Recht sagt der „Katholische Beobachter" im April dieses Jahres:
Dann sind wir wieder so weit, daß am gegenseitigen Nicht-Verstehen und Nicht-Entgegenkommenwollen eine große Aufgabe gescheitert ist, die als eine echte und gute soziale Evolution ob ihrer fruchtbaren Wirkung auf die Gemeinschaft nicht nur zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern wichtiger wäre als eine einseitig erfolgte Machtprobe.

(Sehr gut! bei der CDU.)

Gerade aus diesem Gesichtspunkt ist der Einsatz des Bundesparlaments am Platz, nachdem ersichtlich die Verständigungsbemühungen unter den Partnern nicht zum Erfolg geführt haben.
Der Entwurf beschränkt sich auf das innerbetriebliche Mitbestimmungsrecht. Die Frage der Mitbestimmung auf überbetrieblicher Ebene soll aber von uns ebenso entschieden wie die auf innerbetrieblicher Ebene angefaßt werden. Aber wir glauben, daß dies besser durch eine besondere Gesetzgebung geschieht, die das staatsrechtliche Problem des Verhältnisses von Staat und Wirtschaft in besonderem Gesetz von der Grundlage der Verfassung ausgehend neu regelt.
Unser Entwurf geht vom Schutz der Betriebsfamilie aus. Er will ein Damm sein gegen ihre Überfremdung. Er baut sich von unten nach oben auf, und dabei berücksichtigen wir, daß im allgemeinen doch in der deutschen Wirtschaft ein durchaus gutes Verhältnis zwischen Betriebsführungen und Belegschaften in unserer Gesamtwirtschaft besteht. Sonst wären ja die die übrige Welt in Erstaunen setzenden hervorragenden Leistungen in unserer Wirtschaft — ungeachtet dabei der amerikanischen Unterstützung — gar nicht möglich gewesen. Wenn man von diesem guten Verhältnis ausgeht, dann ist mit dem Grundgedanken der Betriebsfamilie gleichzeitig auch eine Abgrenzung gegeben. Das Wort Betriebsfamilie bedeutet im Grundsatz, daß betriebsfremde Einflüsse auf die Gestaltung des Betriebs nach Möglichkeit ausgeschaltet werden sollen und daß es ureigene Sache der Betriebsangehörigen selbst ist, wie sie ihr Mitbestimmungsrecht ausüben wollen und durch wen.

(Sehr richtig! bei der CDU.)

Es muß vermieden werden, daß die Betriebe Kampfplätze für Kräfte werden, die außerhalb des Betriebes stehen.

(Sehr gut! — Sehr richtig! in der Mitte und rechts.)



(Dr. Dr. h. c. Lehr)

Diese Einstellung entspricht folgerichtig dem Bekenntnis der CDU/CSU vom Wert der Einzelpersönlichkeit, vom Wert des schaffenden Menschen und seiner Würde und ist recht zu verstehen vom Blickpunkt einer Absage aus an den Begriff des Kollektivs.

(Sehr gut! bei der CDU.)

In dem Kollektiv sehen wir von unserem Blickpunkt aus den schlimmsten Feind der Menschheit und den schlimmsten Feind jeglicher Kultur.

(Sehr gut! und Beifall in der Mitte und rechts.)

Meine Damen und Herren! Zu diesem Thema hat vor kurzem Papst Pius XII. in seiner Ansprache an den Kongreß des Instituts für Sozialwissenschaften an der Universität Freiburg beim Internationalen Sozialkongreß in Rom gesprochen. Er hat auf die fundamentale Bedeutung des Privateigentums hingewiesen und auf dessen Einfluß auf die unternehmerische Initiative. Über diese Worte ist viel orakelt worden, und es sind mancherlei Kommentare gegeben. Aber eines habe ich daraus gehört: die ernsthafte dringende Mahnung von dieser hohen Warte aus an die Menschheit, wirtschaftliche Verantwortungen nicht im Sinne anonymer Kollektivität ordnen zu wollen.

(Sehr gut! bei der CDU.)

Soweit es sich innerhalb der Betriebsfamilie um die Regelung menschlicher und vertraglicher Arbeitsangelegenheiten handelt, kurz: um das ganze soziale Problem, bedurfte es ja eigentlich keiner Neufassung. Die Praxis hat hier das Mitbestimmungsrecht voll anerkannt, genau so wie es unser Entwurf betont. Der Mensch ist so wenig Handelsware nach diesem Entwurf wie die von ihm geleistete Arbeit; und die ihm zukommende Bedeutung soll ihm ebenso gesichert werden wie die Existenz und sein Arbeitsplatz. Hier handelt es sich überhaupt nicht mehr um grundsätzliche Meinungsverschie denheiten. Bei personalen Angelegenheiten sind wir uns ebenso im grundsätzlichen einig, aber wir verkennen auf der anderen Seite nicht, daß auf der personellen Ebene Entscheidungen unter Umständen von höchster wirtschaftlicher Bedeutung sein können. Das wird sich namentlich auf die Besetzung leitender Stellen beziehen. Der Entwurf hat sich bemüht, hier einen Ausgleich zu schaffen, einen Ausgleich zwischen den berechtigten Ansprüchen auf Arbeitnehmerseite einerseits und der Unternehmerverantwortung andererseits. Der Ausgleich ist, wie Sie wissen, umstritten; aber die Schwierigkeiten liegen nach meinem Empfinden mehr in der Gestaltung und in der Abgrenzung als in grundsätzlichen Erwägungen, so daß ich glaube, daß wir hier sehr wohl zur Einigung kommen können.
Der Schwerpunkt liegt in Formulierungen über das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht; und hier allerdings sind die Meinungsverschiedenheiten grundsätzlicher Art. Wir haben uns mit heißem Herzen bemüht, eine Synthese zu finden zwischen dem berechtigten Verlangen des Arbeitnehmers nach Sicherung und Erhaltung seiner Existenz und seines Arbeitsplatzes einerseits und der Anerkennung der Unternehmensleistung als der Trägerin der Verantwortung für Bestand und Fortentwicklung des Unternehmens andererseits. Wir haben hier ebenso ernsthaft die Frage der Vertretung in den Aufsichtsräten geprüft, und mir scheint es so, als ginge der Kampf jetzt mehr um die Zahl als um den Grundsatz, daß der Betrieb frei sein soll, wen er in seine Aufsichtsräte delegiert. Das hat er bisher schon bei den Aufsichtsräten der Kapitalgesellschaften getan. Es ist nicht einzusehen, warum er dieselbe Freiheit der Wahl nicht auch unter neuen Verhältnissen haben soll.

(Sehr gut! bei der CDU.)

Der Entwurf geht von dem Blickpunkt aus, daß die Forderung auf Mitwirkung der Arbeitnehmer in wirtschaftlichen Angelegenheiten des Betriebes verständlich und vertretbar ist. Andererseits haben wir bei unseren Formulierungen nicht verkannt, daß gerade im wohlverstandenen Interesse der Arbeitnehmer die unternehmerische Initiative und unternehmerische Verantwortung nicht eingeschränkt oder gar unmöglich gemacht werden darf. Ich finde es sehr beachtlich, daß wir neben Kapital und Arbeit die unternehmerische Leistung voll als ein Drittes anerkennen, was dem Betrieb und seinem Erfolg erst die Blickrichtung und sein Wirksamwerden gibt. Ich finde, daß wir hier eine weitgehende Angleichung an die Richtlinien zur Sozialpolitik der Sozialausschüsse der CDU/CSU haben, in denen am 5. Februar in Oberhausen unter anderem gesagt wurde:
Das Mitbestimmungsrecht in wirtschaftlichen Fragen muß den Notwendigkeiten einer rationellen Betriebsgestaltung entsprechen. Die laufenden Geschäfte, die unverzügliche Entscheidung und verantwortliche Initiative verlangen, daß das wirtschaftliche Anordnungs-
und Durchführungsrecht in den Betrieben und Unternehmen und auch auf die Letztentscheidung in bestimmten Fragen der Betriebsführung, den Unternehmern bzw. der Betriebsleitung verbleiben. Es muß klargelegt werden, in welchen Fällen das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats voll zur Anwendung kommen soll.
— Also in laufenden Geschäften ebenso wie bei der Letztentscheidung in bestimmten Fragen sind wir uns hier mit den Sozialausschüssen voll einig. Es sollte möglich sein, über diese Brücke hinweg auch das schwierige Kapitel der wirtschaftlichen Mitbestimmung im Betrieb befriedigend zu regeln. Es ist die Aufgabe unserer Ausschüsse, an Hand der konkreten Vorschläge, die wir Ihnen in Form eines Rahmengesetzes vorlegen, nunmehr den politischen Gesamtwillen dieses Hauses oder seiner Mehrheit zu formen.
Meine Damen und Herren! Ich bin damit am Schlusse meiner Ausführungen und möchte hoffen, daß wir angesichts der schweren Wolken, die am außenpolitischen Himmel aufgestiegen sind, aus dem Ernst der Situation heraus das verstärkte Bestreben empfinden, zueinanderzukommen und uns nicht auseinanderzureden. Dieses Bemühen, ausgleichend zu wirken, hat mich bei meinen Ausfürungen beseelt. Möge es uns vergönnt sein, in kurzer Zeit hier eine Form zu finden, die uns hinüberführt zu einer Zukunft, in der eine Wirtschaftsform herrscht, die dem Wohle der Gesamtheit in einer neuen Wirtschafts- und sozialen Entwicklung dient.

(Bravo! und Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108001900
Das Wort hat Herr Abgeordneter Walter.

Albert Walter (DP):
Rede ID: ID0108002000
Meine Damen, meine Herren! Um keinen Zweifel an der Einstellung meiner Fraktion zu dem ernsten und wichtigen Problem der Mitbestimmung der Arbeiter in den Betrieben aufkommen zu lassen, erkläre ich, daß wir bereit und


(Walter)

entschlossen sind, dabei mitzuhelfen, um in den Betrieben unserer Bundesrepublik zu einer sozialen Neuordnung zu kommen, die für jeden Arbeiter, für jeden Betriebsführer und

(Zuruf von der KPD: Betriebsführer?)

für jeden Unternehmer annehmbar ist und die vor
allen Dingen den Gesamtinteressen unseres Volkes
zu dienen geeignet ist. Diese neue Sozialordnung
muß frei sein von allem Zwang zu Streiks, sie muß
frei sein von dem Zwang zu unsinnigen Demonstrationen, die zu nichts anderem führen als dazu,
unser Wirtschaftsleben zu stören, und sie muß frei
sein von der Drohung mit Gewalt, um politische und
wirtschaftliche Machtpositionen erringen zu wollen.

(Lachen und Zurufe links.)

Es ist notwendig, meine Damen und Herren, daß dies mit aller Klarheit betont wird.
Nun haben wir den Entwurf des Gesetzes der CDU über die Mitbestimmung hier zu beraten. Die Ausführungen des sehr verehrten Herrn Kollegen Dr. Lehr,

(Zuruf von der SPD: Na, na!)

die sich eingehend mit der Zielsetzung dieses Entwurfs beschäftigten, konnten einem, wenn man sie hörte, vorkommen, als seien sie ganz leidlich. Herr Dr. Lehr betonte vor allem, in dem Entwurf sei vorgesehen, daß Einflüsse von außen auf unsere Betriebsführung nach Möglichkeit ausgeschaltet werden sollten. Sehr gut, und doch scheint es ein wenig schief darum zu stehen, wenn man den Entwurf der CDU genauer betrachtet und die Paragraphen richtig würdigt. Da ist zum Beispiel der § 46, der diese Klarheit vermissen läßt. Der § 46 des Entwurfs läßt nicht nur zu, sondern er begünstigt sogar den Einfluß von Kräften außerhalb der Betriebe
auf die Wirtschaftsführung. Aber auch einige andere Abschnitte des Entwurfs geben zu allerlei Bedenken Anlaß, und es wird notwendig sein, sehr ernst darüber zu diskutieren, um das, was wir wollen und was alle wollen müssen, nämlich den Wirtschaftsfrieden in unseren Betrieben zu erhalten, mit aller Klarheit sicherzustellen. Wenn wir ein Mitbestimmungsrecht schaffen wollten, das geeignet wäre, den Wirtschaftsfrieden in unseren Betrieben zu stör en, dann glaube ich, sind einige Paragraphen des Entwurfs dafür geeignet. Auch der § 45, der in seinen Forderungen weitergeht als der Entwurf der Gewerkschaften und der Sozialdemokratie, ist nicht annehmbar, und, wie gesagt, in den Ausschüssen wird darüber ernst zu sprechen sein.
Nun zu dem, was hier grundsätzlich über die soziale Neuordnung in unserer Wirtschaft gesagt worden ist. Da sind in der Diskussion schon ernste Worte gefallen, Worte der Drohung, Worte der Beschwichtigung und Worte, die darauf schließen lassen, daß wir es noch mit ernsten Auseinandersetzungen zu tun haben werden, ehe wir erreichen, daß die soziale Neuordnung unserer Wirtschaft sowohl wie die der Interessen unseres gesamten Volkes gewährleistet ist.
Einige Bemerkungen zu dem, was der Herr Kollege Freitag anführte. Er betonte, wenn unsere Wirtschaft nicht harmonisch gelenkt werde und wenn unsere Arbeiter in den Betrieben nichts zu sagen hätten — damit meinte er natürlich die Gewerkschaften, die Gewerkschaftsführung —, kann der Arbeitsfrieden nicht garantiert werden. Ich möchte hier einflechten, daß wir nichts gegen die Gewerkschaften haben, im Gegenteil, wenn sie noch nicht da wären, müßten sie geschaffen werden. Aber das eine: Die Gewerkschaften müssen begreifen, daß
seit ihrer Gründung und seit der Schaffung der deutschen Arbeitervereine immerhin viele Jahrzehnte vergangen sind. Die Gewerkschaften können heute unmöglich mit den Parolen des abgewirtschafteten Klassenkampfgedankens operieren und dabei behaupten, daß sie so die Interessen der Arbeiter wahrnehmen. Die Gewerkschaften sollten begreifen, daß heute im Zeitalter der Atombombe ihre Aufgaben ganz andere sind als vor 80 oder 90 Jahren.

(Zuruf von der SPD.)

Es ist in diesem Zusammenhang gesagt worden, daß die deutschen Gewerkschaften in Verbindung mit ihren internationalen Kollegen bereit wären, dafür zu sorgen, daß die deutsche Wirtschaft sich entwickle und daß damit der Arbeitsplatz der Arbeiter gesichert sei. Zu dieser Sicherheit wäre einiges zu sagen. Wenn in den Betrieben Leistungen zustande kämen, wie sie von den Gewerkschaften gefordert werden, dann würde es wahrscheinlich um die Rentabilität der Betriebe schlecht stehen. Dann würde das, was wir wollen, nämlich die Arbeiter vor der Not bewahren, in weitestem Maße illusorisch werden. Es ist notwendig, auf die Gefahr hinzuweisen, die entstehen muß, wenn Kräfte außerhalb des Betriebes in den Betrieben mitbestimmen wollen über Sachen, die einzig und allein die Betriebsleitung und die Belegschaft des Betriebes angehen.

(Zuruf von der SPD.)

Herr Kollege Freitag hat hier verschiedene Länder angeführt, an denen wir uns ein Beispiel nehmen sollten. Er hat Schweden angeführt; er hat England angeführt, er hat die Vereinigten Staaten angeführt. Ich möchte Ihnen einiges darüber mitteilen, wie man in diesen Ländern über die wichtige Angelegenheit der Mitbestimmung denkt. Daß die englische Planwirtschaft, die Labourregierung sich weder von den Betriebsräten noch von irgend jemand in ihrer Planung beeinflussen oder mitreden läßt, dürfte Ihnen bekannt sein.

(Abg. Wehner: Sagen Sie das in der Nazibroschüre, die Sie im Krieg geschrieben haben?)

— Die brauche ich nicht heranzuholen. Aber auch
Sie können aus dieser Broschüre noch etwas lernen.
Wichtig erscheint mir, was die amerikanischen Gewerkschaftsführer zu dem Problem der Mitbestimmung zu sagen haben. Ihnen wird ja Mr. William Green, der Präsident der AFL, bekannt sein; er behandelt die Frage des Mitbestimmungsrechts in folgenden Sätzen:
Die Trennungslinie zwischen der Ausübung der Rechte der Arbeiter und der Leitung muß genau eingehalten werden. Die vereinzelt vertretene Anschauung, die Arbeiterschaft solle sammen mit der Leitung das Eigentum verwalten, kann nicht angenommen werden. Die Freiheit der Arbeiter hängt ihrerseits ab von der Handlungsfreiheit der Unternehmensleitung.
Das sind Sätze, die sich die deutschen Gewerkschaftsführer merken sollten.
Hören Sie auch den Präsidenten der radikalen Gewerkschaft der CIO, des Congress of Industrial Organisation, Mr. Murphy. Er sagt:
Den Leiter oder die Leitung in der Verantwortung für den Unternehmenserfolg zu entlasten, wäre so etwa das letzte, das irgendeine Gruppe von Arbeitern, ob organisiert oder nicht, als richtig oder gar erwünscht ansehen würde. Die


(Walter)

Gewerkschaften haben oft genug zum Ausdruck gebracht, daß letztlich der Betriebsleitung die Führung des Unternehmens obliegt, wenn die Firma finanziell und sonst erfolgreich sein soll.
Und schließlich noch ein paar Worte von Mr. John Louis, dem Führer der Bergarbeiter:
Die Bergarbeiter wünschen, daß die Verantwortlichkeit der Betriebsleitung dort liegt, wo sie immer gelegen hat. Der Bergbau ist ein schwieriger Zweig, eine technische Industrie, die unter hohem Wettbewerb und unter großen Risiken arbeitet und in der es unklug wäre, die Verantwortung der Betriebsleitung aufzuteilen.
Das sind Ausführungen amerikanischer Gewerkschaftsführer, die, glaube ich, wohl zu beachten sind.

(Zuruf von der SPD: Das sind keine Zeugen für Sie!)

Wenn nun aber von unseren Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion sowohl wie in den Artikeln der Gewerkschaftszeitungen immer wieder betont wird, die Gewerkschaften seien es gewesen, die dafür gesorgt hätten, daß der Bolschewismus bei uns keinen Eingang und keinen Einfluß finden könne, und wir hätten es allein den Gewerkschaften zu danken, daß die Kommunisten in einer so verschwindenden Minderheit geblieben sind, dann möchte ich in aller Bescheidenheit darauf hinweisen. daß es weniger das Verdienst der Gewerkschaften war und ist,

(Zuruf von der SPD: Sondern?)

— sondern — überlegen Sie mal ein klein wenig —
Herr Stalin selbst ist es gewesen, der daffir gesorgt
hat. daß der Kommunismus und die Kommunisten
hier bei uns nicht hochkommen konnten. weil er unseren Vertriebenen aus dem Osten sowohl wie unseren Kriegsgefangenen. aber auch unseren Arbeitern drüben in der Ostzone täglich vordemonstriert. welche Bewandtnis es mit seinem sozialistischen Staate und seiner demokratischen Staatsführung hat.

(Abg. Fisch: Das haben Sie wohl alles in der Nazizeit gelernt?!)

Ich darf Sie versiehern, Herr Fisch, daß ich das an der Quelle des Übels gelernt habe und ich werde Ihnen bei Gelegenheit noch andere Wahrheiten sagen.

(Abg. Fisch: Das glaubt Ihnen kein Mensch!)

Der Kampf gegen den Bolschewismus — und ich glaube, es ist im Zusammenhang mit den Entwürfen zu dem Gesetz über das Mitbestimmungsrecht wohl wert, daß man darüber ernstlich spricht — kann nicht geführt werden durch die Hereinnahme außerhalb der Betriebe Stehender in die Aufsichtsräte. Ich glaube, daß eine solche Maßnahme leicht ins Gegenteil umschlagen kann. Denn vergessen Sie nicht, daß die Gewerkschaften auch heute noch von Kräften durchsetzen sind, die jede Stunde bereit sind, dem Befehl des Kremls zu folgen und die Gewerkschaftsbewegung für ihre dunklen Ziele zu benutzen. Hier ist äußerste Wachsamkeit geboten Sie mögen mir entgegenhalten, daß Sie schon aufpassen werden. Darauf kann ich nur erwidern, daß
wir uns an die Beispiele der Geschichte, der Vergangenheit sowohl wie der Gegenwart, halten und daraus lernen sollten.

(Abg. Fisch: Über die Geschichte sind Sie falsch orientiert!)

Was im übrigen diese Beispiele angeht, meine Herren: Sehen wir mal rüber nach England und
betrachten wir uns die Schwierigkeiten, die die Labour-Regierung durch ihre Gewerkschaften mit denjenigen hat, die vorgeben, für die Interessen der Arbeitnehmer einzutreten. Betrachten wir die Vorgänge nicht nur in England, sondern auch in Amerika, in Frankreich und in der ganzen Welt, dann erkennen wir, wie die Heloten des Kremls zu jeder Stunde bereit sind, die geordnete Wirtschaft zu stören und lahmzulegen — nicht um den Arbeitern zu helfen, sondern ihrem Auftraggeber, den Machthabern im Kreml zu gehorchen.

(Zurufe von der KPD.)

Das ist es, was diese Herren auch bei uns zu tun bereit sind und jederzeit tun werden, wenn nicht äußerste Wachsamkeit geübt wird.
Der Kampf gegen den Bolschewismus sollte nicht leicht genommen werden, von keinem von uns. Wenn die Herren von der Sozialdemokratie immer betonen, daß sie es sind, die diesen Kampf entschlossen zu führen bereit sind, dann möchte ich ihnen entgegenhalten, daß sie dort, wo sie von jenen Kräften getrieben werden, nur zu bereit sind, ihnen nachzugeben. Dieses Nachgeben wird und muß unsere Wirtschaft und unser Volk dahin bringen, wo sie jenseits der Elbe heute leider sind. Diese Gefahr zu sehen und zu erkennen bedeutet, daß wir ihr energisch und entschieden entgegenzutreten haben, auch bei der Behandlung des Gesetzes über die Mitbestimmung.
Wir brauchen darüber nicht große Worte zu verlieren, wie diese Einstellung zu erfolgen hat. Es wäre uns lieber gewesen, wenn der Entwurf heute nicht behandelt worden wäre, sondern wenn man gewartet hätte, bis der Entwurf des Arbeitsministeriums vorliegt. Aber die Herren Kollegen aus der CDU haben es für richtig gehalten, jetzt schon mit ihrem Entwurf zu kommen. Und hier möchte ich eine etwas peinliche Sache anführen.

(Zuruf von der CDU: Sie haben schon einmal zugestimmt! — Abg. Eichler: Die sind auch Bolschewisten geworden!)

Ich glaube, Sie haben sich zu sehr von Kräften treiben lassen, die anderen zuvorkommen wollten.

(Abg. Dr. von Brentano: Nein!)

— Mein lieber Herr Kollege Dr. von Brentano, ich bin nicht nur des Glaubens, sondern ich weiß, daß eine solche Einstellung vorhanden war.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Aber es ist nie gut, sich stoßen zu lassen von denjenigen, die da glauben, es noch besser zu können. Das sollten auch die Herren aus den Kreisen der Sozialdemokratie sich merken. Sich vorwärts treiben lassen, ist immer mit Gefahren verknüpft.
Wir werden noch Gelegenheit haben. bei dem Entwurf, den uns das Ministerium für Arbeit unterbreiten wird, eingehend über alles zu sprechen. Heute dürfen wir nur das eine sagen — und das sollte von allen beherzigt werden, die es mit dem Interesse für unsere arbeitenden Menschen. mit dem Interesse für unser gesamtes Volk und für unsere Wirtschaft ernst meinen —, daß wir uns einmütig dazu bekennen. eine neue soziale Ordnung in unserer Wirtschaft zu schaffen.
Ich möchte noch auf eines hinweisen: wir sollen uns davor hüten. daß wir die Eigengesetze der Wirtschaft einfach durch starre Polizeiverordnungen lenken wollen. und wir sollen uns vor allen Dingen davor hüten, unseren schaffenden Menschen etwas aufzwingen zu wollen, was sie gar nicht haben wollen.

(Abg. Kohl [Stuttgart]: Alter Witzbold! — Große Heiterkeit.)



(Walter)

Unsere Gesetzgebung und unsere Arbeit in diesem Parlament darf nur dem Wohl des gesamten Volkes dienen. Das ist die Auffassung meiner Fraktion, und mit dieser Auffassung werden wir über den Wert oder Unwert jeder Vorlage über ein Mitbestimmungsgesetz entscheiden.

(Beifall bei der DP. — Zuruf von der KPD: Zieh Dir mal Deine braune Unterhose aus!)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108002100
Das Wort hat Frau Abgeordnete Wessel.

Helene Wessel (SPD):
Rede ID: ID0108002200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eine alte Weisheit, daß ein richtiger Grundsatz durch eine falsche Anwendung immer eine andere als die beabsichtigte Wirkung hat. Man kann einen Grundsatz auch falsch interpretieren und ihn dadurch in Mißkredit bringen. In beiden Fällen liegt aber die Ursache der Verwirrung nicht bei dem Grundsatz, sondern bei dem ihn Verwirklichenden bzw. Interpretierenden. Wenn man die bisherige Debatte in diesem Hohen Hause verfolgt, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß über die Frage des Mitbestimmungsrechts von ganz verschiedenen Gesichtspunkten aus debattiert wird, je nachdem, ob man Gegner oder Anhänger dieses Mitbestimmungsrechts ist.
Die reinliche Scheidung also zwischen dem Grundsatz als solchem und seiner Verwirklichung bzw. Interpretierung setzt als solche die persönliche Einsicht und auch die persönliche Ehrlichkeit voraus. Wenn Gewerkschaft und Unternehmerverbände weder in Hattenheim noch in Maria Laach zu einer Verständigung auf dem Boden der Vernunft kamen, wenn es im Augenblick so aussieht, als wenn es auch in diesem Hohen Hause nicht zu einer Überbrückung der Meinungsverschiedenheiten kommen würde, so spricht das keineswegs gegen den Gedanken der Mitbestimmung als solchen, sondern gegen die Einsicht und den guten Willen wenn nicht aller, so doch zumindest eines Teils der dort und hier versammelten Vertreter der beiden Sozialpartner.
Aus der Personenwürde des arbeitenden Menschen ergibt sich das Verlangen nach Mitbestimmung der Arbeiterschaft in Fragen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens. Das ist schon von Herrn Kollegen Dr. Lehr dargelegt worden. Und wenn wir heute so häufig eine Reminiszenz an die wirtschaftliche Organisation des vergangenen Jahrhunderts gehört haben, meine Damen und Herren, so ist dazu zu sagen: das 19. Jahrhundert stand zumindest im Zeichen einer künstlichen Überbewertung der Kapitalinteressen. Die werktätige Arbeit war nur Objekt, nicht aber mitbestimmendes Subjekt des Betriebes.

(Sehr richtig! bei der CDU.)

Den anders gewordenen wirtschaftsethischen Auffassungen der Menschen unserer Zeit muß auch eine andere rechtliche und wirtschaftliche Stellung der Arbeitnehmer zum und im Betrieb entsprechen. Das gesetzte Recht und die Entwicklung des Wirtschaftszweiges sind hinter der Entwicklung des Rechtsgefühls unserer Tage zurückgeblieben. Die Grundsätze de§ überkommenen bürgerlichen, wirtschaftlichen und Arbeitsrechtes spiegeln nicht mehr die Forderungen des sozialen Gewissens der Gegenwart wider, von denen wir heute in diesem Hohen Hause soviel gehört haben.
Aufgabe der Gegenwart muß es doch sein, durch eine Neuordnung der betrieblichen Führungsverhältnisse den klassenkämpferischen, naturwidrigen Gegensatz von Arbeit und Kapital in der betrieblichen Sphäre zu überwinden, ohne die Grundlagen der europäischen Wirtschaft: Privateigentum und Freiheit zu zerschlagen. Sinn und Ziel der Mitbestimmung der Belegschaft im Betrieb ist die Herstellung eines auf Gerechtigkeit und gegenseitigem Vertrauen begründeten Arbeitsfriedens. Ich meine, keiner in diesem Hohen Hause hätte nicht den Wunsch, daß es zu einem solchen Arbeitsfrieden kommen muß. Es gibt doch keine betriebliche Frage, die nicht bei gegenseitigem guten Willen, bei beiderseitiger rücksichtsloser Offenheit so entschieden werden kann, wie es dem Nutzen des Betriebes und dem Nutzen der Belegschaft entspricht.
Meine Damen und Herren! Die dem Wesen der betrieblichen Zusammenarbeit eigene Über- und Unterordnung berührt nicht die Personenwürde des arbeitenden Menschen. Jeder gesunde Betrieb spiegelt eine von Autorität, Gehorsamspflicht und Verantwortung getragene Ordnung, deren Grundlagen Freiheit und Eigentum sind. Durch die Mitbestimmung der Belegschaft soll diese Ordnung der abendländischen Wirtschaft erfüllt und nicht zerschlagen werden. Aber nur menschliche Qualität begründet und sichert die Autorität der Betriebsführung; nur Einsicht und Bewußtsein der Mitverantwortung bei der Belegschaft rechtfertigen die Mitbestimmung durch die Belegschaft.
Wenn zum Beispiel der „Industriekurier" die Zwangsläufigkeit einer Entwicklung von der Mitbestimmung zum Bolschewismus behauptet und er deswegen das Mitbestimmungsrecht ablehnt, dann gestatten Sie mir die Vermutung, daß dieser Behauptung weder Einsicht noch politisches Fingerspitzengefühl zugrunde liegt.

(Sehr gut! in der Mitte und links.)

Wie man von einem Punkt aus in 360 verschiedenen Richtungen marschieren kann, so sagt der Ausgangspunkt Mitbestimmung noch nichts über das Ziel der damit begonnenen neuen Entwicklung. Motiv, Gestalt und Zweck der Mitbestimmung erst legen die Richtung fest, je nachdem zum Guten oder auch zum Bösen. Daß die bolschewistische Konzeption Lenins und Stalins das Mitbestimmungsrecht mißbraucht hat, daß für eine wie auch immer geartete Mitbestimmung in Rußland weder 1920 noch 1950 Platz ist, spricht in keiner Weise gegen die Gewährung eines richtig motivierten und richtig gestalteten Mitbestimmungsrechts an die deutsche Arbeiterschaft.
Glaubt der Herr Kollege Hammer oder auch der Herr Kollege Walter von der Deutschen Partei,

(Zuruf von der FDP: Der glaubt überhaupt nichts!)

auch nur einen Arbeiter durch ihre Beweisführung für die Sache der Unternehmerschaft und der freien Wirtschaft zu gewinnen? Den Bolschewismus fürchtet das Gros der deutschen Arbeiter gerade so, wie ihn die deutschen Unternehmer fürchten. Nachdem wir aber aus der in dieser Frage dargelegten Meinung der Vertreter der deutschen Unternehmer, die in der FDP und DP ihre Vertretung sehen, ein sehr bedingtes Nein zu den Forderungen der Arbeiterschaft auf Mitbestimmung heraushören müssen, werden sich die Gesamtvertreter der deutschen Unternehmerschaft nicht wundern dürfen, wenn die Arbeiterschaft sich noch geschlossener hinter die Vorschläge des DGB stellt, der ja beides verspricht: Schutz vor dem Bolschewismus und Wahrnehmung ihrer Rechte.
Meine Damen und Herren! Ich betrachte es als die besondere Pflicht meiner Fraktion, darüber zu wachen, daß bei der Diskussion über das Mitbe-


(Frau Wessel)

stimmungsrecht das Eigentumsrecht gewahrt und die Unternehmerinitiative erhalten bleibt.

(Zurufe von der CDU: Sehr gut!)

Das Mitbestimmungsrecht darf nicht zu einem Mittel klassenkämpferischer Demagogie ausarten, sondern muß den Eckstein einer echten Wirtschaftsdemokratie abgeben.
Ich spreche also für das Mitbestimmungsrecht, weil ich weiß, daß das Mitbestimmungsrecht und die Mitverantwortungspflicht, die man aus dem CDU-Entwurf hier besonders hervorzuheben glaubte, zwei Seiten ein und derselben Sache sind. Und auch das möchte ich mit aller Deutlichkeit herausstellen. In den überschaubaren Klein- und Mittelbetrieben, wo einer den andern kennt, wo die menschliche Nähe von Meister und Geselle, Unternehmer und Belegschaft eine tägliche Aussprache und Mitbestimmung darstellt, in all den Fällen also, in denen das Ich- und Du-Verhältnis in Ordnung ist, bedarf es nach der Überzeugung meiner Fraktion keiner organisatorischen Form der Mitbestimmung.

(Zuruf von der CDU: Sehr richtig!) Dasselbe gilt insbesondere auch für die Landwirtschaft. In allen diesen Betrieben ist es nach wie vor eine Frage der menschlichen Qualifikation des Betriebsführers, mit seinen Arbeitnehmern in ein solches Verhältnis zu kommen, daß diese aus Trägern fremdbestimmter Arbeitskraft zu verantwortungs- und damit zu persönlichkeitsbewußten Mitarbeitern werden. Nur dort, meine Damen und Herren, wo das Ich-Du-Verhältnis nicht funktioniert, sei es, daß der Betrieb zu groß, sei es, daß er zu unübersichtlich ist, als daß eine persönliche An-und Aussprache stattfinden könnte, bedarf das Mitbestimmungsrecht einer organisatorischen Form. In den Großbetrieben, vor allem bei den Kapitalgesellschaften ist ohne eine Organisation der Mitbestimmung heute nicht mehr auszukommen.

Die Zentrumsfraktion wird also für die gesetzliche Anerkennung des Anspruchs der Arbeiterschaft auf Mitbestimmung in den Großbetrieben, insbesondere bei den Kapitalgesellschaften eintreten. Aber auch das möchte ich mit aller Deutlichkeit herausstellen: welche Form der Betriebsdemokratie der einzelne Großbetrieb wählt, muß den Beteiligten, d. h. der Betriebsführung und der Belegschaft überlassen bleiben. Wenn das Hohe Haus über ein Gesetz der Mitbestimmung beschließt, dann sollte es sich vor Augen halten, daß das Gesetz keine Schablone der Mitbestimmung geben darf, daß es vielmehr den betriebsindividuellen Verhältnissen Gestaltungsfreiheit lassen muß. Es kommt immer auf das Ergebnis, auf das tatsächliche Mitbestimmungsrecht der Belegschaft an. Nicht aber kann es die Aufgabe dieses Hohen Hauses sein, eine gesetzliche Gebrauchsanweisung der Mitbestimmung zu entwickeln, die auf alle Betriebe ohne Rücksicht auf ihre Größe, Art und soziologische Zusammensetzung ihrer Belegschaft paßt.
W i e das Mitbestimmungsrecht gestaltet wird, muß Sache des Betriebsrats und des einzelnen Unternehmens sowie der Betriebsführung bleiben. Das ist allerdings auch meine Meinung, daß in den Großbetrieben der Betriebsrat der natürliche Gesprächspartner des Unternehmens bzw. des Vorstandes ist. Ihn gilt es so in die Betriebsführung einzubauen, daß er aus einem Instrument der Opposition zu einem Träger wirklicher Mitbestimmung und damit zu einem mitverantwortlichen Teil der Betriebsführung wird. Das Mitbestimmungsrecht soll so dem sozialen Frieden dienen.
Voraussetzung für einen derartigen Erfolg, für das Zusammenwachsen von Unternehmer und Belegschaft zu einer Leistungsgemeinschaft ist die Entpolitisierung des Betriebes und die Ausschaltung jeden Fremdeinflusses aus der betrieblichen Sphäre. Der Betrieb darf nicht zur Plattform außerbetrieblicher Meinungskämpfe werden.

(Sehr richtig! beim Zentrum und bei der CDU.)

Im betrieblichen Zusammenwirken von Arbeit und Eigentum darf es nur einen Maßstab geben: das Interesse des Betriebes im Rahmen des gemeinsamen Nutzens.
Meine Damen und Herren! Unter diesen Gesichtspunkten habe ich die Vorschläge des DGB zur Neuordnung der deutschen Wirtschaft vom 14. 4. 1950 studiert. Ich habe ferner die Stellungnahme der Arbeitgeberverbände zu dem Problem des Mitbestimmungsrechts vom Mai 1950 durchgearbeitet. Ich brauche dem Hohen Hause nicht den Inhalt dieser Stellungnahmen der Vertretungen der Sozialpartner darzulegen. Das dürften schon meine Vorredner getan haben. Aber ich meine doch, daß weder der eine noch der andere Vorschlag die Grundlage für ein Bundesgesetz abgeben kann.
Mit beiden Stellungnahmen verglichen ist der CDU-Entwurf zweifellos, was man im einzelnen an ihm auch aussetzen mag, ein Fortschritt und geeignet, eine Diskussionsgrundlage abzugeben. Die CDU beschränkt sich in ihrem Gesetzentwurf auf die innerbetriebliche Mitbestimmung und erfaßt damit den Kern der Sache. Über die Mitbestimmung im überbetrieblichen Bereich, über den Auf- und Ausbau einer wirtschaftlichen Selbstverwaltung wird sich eine Einigung unschwer erzielen lassen. Auch über die grundsätzliche Anerkennung des Mitbestimmungsanspruches der Arbeiterschaft brauche ich keine Worte zu verlieren. Die Meinungsverschiedenheiten kulminieren in der Frage nach dem Umfang und dem Inhalt der Mitbestimmung, vor allem aber in der Frage: Mitbestimmung durch wen?
Ich betonte schon, daß meines Erachtens der Betriebsrat und nur der Betriebsrat das für den innerbetrieblichen Bereich geeignete Organ der Mitbestimmung ist. Es ist gut und richtig, daß die CDU einer betrieblichen Monroe-Doktrin das Wort redet. Auch ich bin der Meinung, daß an der Gestaltung der betrieblichen Verhältnisse nur die im Betrieb wirkenden Kräfte teilhaben sollen. Eigentümer und Belegschaft sind die beiden Faktoren, die den Betrieb tragen. Ihrer von außen unbeeinflußten Übereinkunft muß das Wie der Zusammenarbeit überlassen bleiben. Daraus folgt, daß die Wahl des Betriebsrats von außen unbeeinflußt bleiben muß. Es mag die eine oder andere Bestimmung des ersten Teil: des CDU-Entwurfs noch einer Überarbeitung bedürfen. Insbesondere müßte meines Erachtens noch stärker zum Ausdruck gebracht werden, daß der Betriebsrat eine menschliche und fachliche Elite der Belegschaft darstellt und auf Grund der Wahlmodalität auch darstellen kann. Ich würde es für außerordentlich wichtig halten, wenn zum mindesten dieser erste Teil des Gesetzentwurfs der CDU nach erfolgter Überarbeitung baldmöglichst Gesetzeskraft erlangte.
Der Betriebsrat wird und muß Träger des Willens der Belegschaft sein. Nur wenn die gesetzliche Grundlage, auf Grund deren sich der Betriebsrat konstituiert und arbeitet, seine Unabhängigkeit garantiert, nur dann kann der weitere Schritt zur wirklichen Mitbetimmung getan werden. Diese Voraussetzung aber erfüllt zum mindesten im
2954 Deutscher- Bundestag — 80. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Juli 1950

(Frau Wessel)

Grundsätzlichen der erste Teil des CDU-Entwurfs. Dies festzustellen, gereicht der Zentrumsfraktion zur besonderen Befriedigung.
Meine Damen und Herren! Was die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Gestaltung des Betriebes angeht, so habe ich bereits herausgestellt, daß die Form der Mitbestimmung Angelegenheit der Beteiligten ist. Der Gesetzgeber sollte sich in einer Art Rahmengesetz darauf beschränken, den Anspruch der Arbeiterschaft auf Mitbestimmung herauszustellen und ferner die gesetzlichen Hindernisse zu beseitigen, die einer Neuordnung des Zusammenwirkens von Arbeit und Eigentum auf Grund der Bestimmungen des Handelsgesetzbuches und des Aktienrechts entgegenstehen. Soweit das Hohe Haus auch Vorschriften über die Form der Mitbestimmung zu machen beabsichtigt, dürften diese meines Erachtens nichts anderes als beispielhafte Vorschläge sein. Es wäre aber nicht nur unter diesem Gesichtspunkt verfehlt, in allen Betrieben die Bildung von Wirtschaftsausschüssen im Sinne der §§ 41 ff. des CDU-Entwurfs anzuordnen. Vielmehr scheint es mir notwendig zu sein, zum Ausdruck zu bringen, daß dem Betriebsrat nicht nur die Regelung der sozialen und personellen Verhältnisse obliegt, sondern daß er auch das Organ ist, durch das die Belegschaft ihr Informationsrecht und ihr Recht auf Mitwirkung in wirtschaftlichen Angelegenheiten des Betriebs wahrnimmt. Es muß dem Betriebsrat und dem einzelnen Unternehmer überlassen bleiben, ob sie sich zur Wahrnehmung dieses Rechtes eines besonderen Wirtschaftsausschusses bedienen. Auf keinen Fall aber darf gesetzlich angeordnet werden, daß ein Wirtschaftsausschuß in dem von der CDU vorgeschlagenen Sinne begründet werden m u ß , der neben dem Betriebsrat besteht und einen Teil der an sich diesem zustehenden Rechte und Aufgaben wahrnimmt.
Die CDU schlägt dann weiter vor, in den Aufsichtsrat der Kapitalgesellschaften ein Drittel der Aufsichtsratsplätze Vertretern der Betriebsbelegschaft zu geben. Der DGB fordert demgegenüber, daß der Aufsichtsrat zur Hälfte aus Vertretern des Betriebsrats und der Gewerkschaften bestehen sollen. Auch meine Fraktion ist der Meinung, daß eine Beteiligung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsorganen der Kapitalgesellschaften notwendig ist. Während aber nach dem CDU-Vorschlag die Gefahr einer jederzeitigen Majorisierung der Belegschaftsvertreter durch die Eigentumsvertreter besteht, dürfte eine wie von dem DGB vorgeschlagene hälftige Besetzung des Aufsichtsrates mit Kapital- und Arbeitsvertretern dessen Arbeitsfähigkeit in Frage stellen. Es gilt also, in Abänderung des CDU-Antrages für die Zusammensetzung des Aufsichtsrates einen Vorschlag zu machen, der einerseits dessen Arbeits- und Entschlußfähigkeit garantiert und andererseits eine Majorisierung der Belegschaft ausschließt. Den § 46 des CDUEntwurfs wird man einer um so eingehenderen Prüfung unterziehen müssen, als der Tendenz unserer Zeit entsprechend dem Aufsichtsrat in Zukunft größere Bedeutung zukommen wird und zukommen muß, als es in der Vergangenheit der Fall war. In ihm verzahnt sich das öffentliche Interesse am Betrieb mit den im Betrieb wirksamen Kräften. Er muß als betriebsnächste Stufe der wirtschaftlichen Selbstverwaltung schon Elemente enthalten, die einem dem gemeinen Nutzen abträglichen Betriebsegoismus Zügel anlegen.
In dem CDU-Entwurf vermißt meine Fraktion insbesondere eine Herausstellung der gewandelten Aufgaben des Vorstandes der großen Kapitalgesellschaften. In der Vergangenheit wurde der Aufsichtsrat ausschließlich von der Aktionärversammlung gewählt. Dieser wiederum ernannte den Vorstand. Der Vorstand ist also nach den Grundsätzen des HGB und des Aktienrechts für sein Tun und Unterlassen nur den Eigentumsinteressen verantwortlich. Demgegenüber muß mit aller Deutlichkeit herausgestellt werden, daß der Vorstand Treuhänder aller im Betrieb wirksamen Kräfte sein sollte. Er hat sowohl die Interessen des Eigentums wie die Interessen der Belegschaft zu vertreten, und zwar beide im Rahmen des gemeinen Nutzens. Eine solche gesetzliche Herausstellung der Treuhandaufgaben des Vorstandes entspricht dem gewandelten Wirtschaftsethos unserer Zeit und ist eine der Voraussetzungen dafür, daß der Vorstand als Verkörperer der Unternehmerinitiative nicht zum sozialen Gegenspieler des Betriebsrates werden kann.
So sehr im Mittelpunkt der Diskussion auch die innerbetriebliche Mitbestimmung steht, so wenig darf in diesen Tagen verkannt werden, daß die innerbetriebliche Mitbestimmung nur ein Teil unserer Bemühungen um eine Demokratisierung der Wirtschaft im betrieblichen und überbetrieblichen Raum sein darf. Die Bestimmungen des CDUEntwurfs, die sich mit dem Schiedsverfahren und den Schiedsstellen befassen, werden mit dem Aus- und Aufbau einer wirtschaftlichen Selbstverwaltung notwendigerweise ein anderes Gesicht bekommen müssen. Diesem Übergangscharakter der Bestimmungen über das Schiedsverfahren müßte schon jetzt entsprechender Ausdruck gegeben werden. Es kann gar nicht genug betont werden, daß das Interesse des Eigentums an der Vermögenserhaltung und das Interesse der Arbeitnehmerschaft an einer Sicherung ihrer Existenz sich in einem Punkt berühren. nämlich in dem Interesse beider an der Gesunderhaltung und Leistungsfähigkeit des Betriebes. Dieses natürliche Gleichgerichtetheit der Interessen gilt es vor allem zu unterstreichen. Man kann dem sozialen Frieden nicht besser dienen, als daß man den Sozialnartnern Gelegenheiten eröffnet, dieses beiderseitige Interesse an einer engen und nützlichen Zusammenarbeit zum Wohle des Betriebes und der Allgemeinheit nutzbar zu machen.
Nun noch ein Letztes. Wenn die bisherige Debatte in diesem Hohen Hause — und ich nehme an. daß die Fortführung derselben kein anderes Bild ergeben wird — die große Schwierigkeit der Überbrückung der Meinungsverschiedenheiten zeigt, in der Richtung, daß dem einen das Mitbestimmungsrecht in den vorgelegten Gesetzesentwürfen zu weit. dem anderen zu wenig gewährt erscheint, sollten wir als Gesetzgeber daran denken. daß das Mitbestimmungsrecht, das wir hier schaffen wollen. die Möglichkeit von Ergänzungen durchaus nicht ausschließt, je mehr Erfahrung wir bei der praktischen Durchführung des Mitbestimmungsrechtes erlangt haben werden.

(Sehr richtig! bei der CDU.)

Aber eines sollte Ziel und Maßstab aller Überlegungen sein: über Gerechtigkeit zum Vertrauen und über Vertrauen zum Arbeitsfrieden und damit zur wirtschaftlichen und sozialen Gerechtigkeit im deutschen Volke zu kommen.

(Beifall beim Zentrum und bei der CDU.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108002300
Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, darf ich darauf hinweisen, daß der Herr Vorsitzende des Haushalts-

ausschusses die Mitglieder des Haushaltsausschusses auf 15 Uhr zu einer Sitzung im Zimmer 02, Südflügel, bittet.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Seelos.

Dr. Gebhard Seelos (BP):
Rede ID: ID0108002400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem gesunden Menschenverstand wird man in einer Schule die wichtigsten Aufgaben etwa zwei bis drei Wochen vor den Ferien behandeln. Hier im Bundestag hat man diese wichtige Diskussion ausgerechnet auf den vorletzten Tag der Plenarsitzungen gelegt. Die Verhandlungen gehen deshalb auch in einem Zustand der Erschöpfung der wenigen hier anwesenden Abgeordneten vor sich, wenn auch unter reichlicher Beteiligung der Öffentlichkeit und der Presse.

(Zuruf bei der CDU: Wir sind nicht erschöpft, es kommt auf den Redner an!)

Es ist bedauerlich, daß die CDU diesen Antrag
monatelang in der Kiste gehalten hat und es für
richtig hält, ihn ausgerechnet jetzt herauszuziehen.

(Lachen bei der CDU.)

Worum handelt es sich dein bei diesem drängenden Problem unserer Zeit? Wir müssen dafür sorgen, daß die Unzufriedenheit der Massen nicht weiter um sich greift. Gerade angesichts eines drohenden Kommunismus müssen wir sehen, daß wir mit positiven Maßnahmen die Gefahr der Unzufriedenheit, des Kommunismus überwinden.

(Zuruf bei der CDU: Das wollen wir ja!) Das geschieht aber nun grundsätzlich nicht durch ein ständiges Predigen von Rechten, besonders

nicht, wenn man jetzt geradezu in propagandistischer Weise als ein Allheilmittel für den sozialen Frieden und für die Befriedung der Masse ein Mitbestimmungsrecht propagiert in einer Form, die die Arbeiter vielleicht gar nicht wünschen.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

Ich hätte es lieber gehört, wenn man nicht so sehr von dem Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer, sondern von der Heranziehungspflicht der Arbeitgeber gesprochen hätte. Die Arbeitgeber sollen die Verpflichtung haben, ihre Arbeiter stärker heranzuziehen.

(Zuruf in der Mitte: Das wollen wir ja gerade!)

Ich möchte einen völlig verschiedenen Ausgangspunkt dieser ganzen Debatte gerade auch im Interesse der Befriedung, des sozialen Friedens.

(Abg. Wehner: Sie möchten einen ständischen Staat!)

Wenn wir die Arbeiter fragen, dann ergibt sich, daß viele von diesem Mitbestimmungsrecht nicht sehr viel verstehen. Was sie aber wollen, das ist zum Beispiel einmal die Beseitigung der Arbeitslosigkeit, die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen. Was sie wollen, ist die Sicherung einer betrieblichen Altersversorgung auf gesetzlicher Basis. Die Unterstützungskassen sollen steuerbegünstigter sein. Oder was wollen sie noch? Familienausgleichskassen auf ständischer Basis. Und wenn ein Berufsstand eventuell nicht genug Geld hat, dann soll er durch den Staat unterstützt werden. Das sind praktische Maßnahmen, die der Arbeiter will, aber nicht so sehr ein Mitbestimmungsrecht, das ihm als Allheilmittel für seine sozialen Nöte gepriesen wird.
Wenn ich aus einer bayerischen Perspektive das Problem angehen soll, so ist zu sagen, daß das für uns ja gar nicht so schwierig wie hier im Bundestag oder im Norden ist. Bei uns herrscht eben nicht der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit. Bei uns ist eine andere Struktur der Wirtschaft, die es uns erleichtert, irgendwelche Gegensätze zwischen Kapital und Arbeiterschaft zu überwinden.

(Zuruf: Kennen Sie das bayerische Betriebsrätegesetz ?)

Ich habe gerade, als ich hierher fuhr, mit einem bayerischen Unternehmer gesprochen. Der hat diesen eben echt süddeutschen, bayerischen Standpunkt kundgetan und gesagt: Ich will ja lieber einige tausend Mark weniger verdienen, wenn nur meine Arbeiter zufrieden sind und ich meine Ruhe habe.

(Hört! Hört! und Lachen links.)

Das ist das Prinzip, das wir in Süddeutschland und Bayern verfolgen, wo eine größere soziale Ausgeglichenheit herrscht. Deshalb ist es in Bayern schon zu einer sehr weitgehenden Verständigung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gekommen, die im Landtag fast einstimmig einen Betriebsrätegesetzentwurf vorgelegt habe.

(Abg. Dr. Schröder: Wir wollen hier nur dasselbe!)

Wenn Sie hier also etwas mehr auf das landsmannschaftliche Gefälle, auf die anderen Verhältnisse in den anderen Ländern, wo man solche Vorschriften gar nicht braucht, Rücksicht nehmen würden, dann könnte man sehr viel für die soziale Befriedung tun.
Wir von der Bayernpartei haben zu diesem Problem wiederholt Stellung genommen, zuletzt in einer Entschließung vom Januar 1950, die für uns die Richtlinie für unsere Mitarbeit an den verschiedenen Gesetzesvorschlägen sein wird. Ich denke nicht daran — es sind noch 12 Redner vorgemerkt —, lange zu sprechen und die verschiedenen Detailfragen des Problems zu behandeln. Das gehört mehr in den Ausschuß. Sonst sind wir hier noch vier bis fünf Stunden versammelt. Ich werde mich also damit begnügen, Ihnen diese Entschließung in einer Minute vorzulesen. Dann hat der nächste Redner das Wort. Unsere Stellungnahme ist die folgende:
Die Bayernpartei bejaht die Notwendigkeit einer vernünftigen sozial-ständischen Fortentwicklung auf christlicher Grundlage. Sie lehnt die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der von sozialistischen Kräften geforderten Form ab. Denn diese hätte unweigerlich die Gefahr fortgesetzter produktionslähmender Streitigkeiten, die Gefahr der Einmischung betriebsfremder Einflüsse sowie der Entstehung einer eignen gesetzlichen Funktionärbürokratie und der parteimäßigen Politisierung der Betriebe zur Folge.

(Sehr richtig! rechts.)

Diese Form würde die Grundlage einer gesunden Wirtschaft, die allein die Erfüllung der berechtigten sozialen Forderungen und die Herbeiführung einer wirklichen Wohlfahrt des Landes und des Volkes gewährleistet, zerrütten und zerstören. Die Bayernpartei tritt vorbehaltlos ein für das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer auf der Basis der freien Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in allen sozialen und personellen Fragen unter Berücksichtigung der Verschiedenartigkeit der Verhältnisse in den Betrieben und Wirtschaftszweigen.

(Lebhafter Beifall bei der Bayernpartei.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108002500
Das Wort hat der Herr Abgeordneter Agatz.


Willi Agatz (KPD):
Rede ID: ID0108002600
Meine Damen und Herren! Es ist die CDU, die wichtigste Partei der Adenauer-Regierung, die uns einen Entwurf zur Regelung des Mitbestimmungsrechts vorgelegt hat. Sie erstrebt damit, wie es in der Begründung heißt, die Sicherung des Arbeitsfriedens und die Zusammenarbeit der Sozialpartner. Ich möchte hier schon unterstreichen, daß es solche Bestrebungen in der Vergangenheit schon sehr viele gegeben hat. Immer aber hatten die Arbeiter und Angestellten den Schaden davon. Diese Feststellung scheint mir für die Beurteilung dessen, was hier vor sich geht, wichtig zu sein.
Weiter möchte ich sagen, daß man bei der Behandlung der Mitbestimmung nicht an der augenblicklichen politischen und wirtschaftlichen Situation in Westdeutschland vorbeisehen sollte. Dann hat man meiner Meinung nach auch die richtige Erklärung für die wahren Gründe, die die CDU veranlaßten, diesen Entwurf vorzulegen. Wie ist denn die Lage? Die westdeutsche Wirtschaft unterliegt dem Besatzungsstatut, dem Ruhrstatut, damit den Befehlen der Hohen Kommissare. Gestern konnten wir im Radio hören, und heute lesen wir es auch in der Zeitung, daß die westdeutsche Wirtschaft in die Kriegsproduktion, die der amerikanische Imperialismus wünscht, einbezogen werden soll.

(Zuruf in der Mitte: Und Stalin?)

Damit wird automatisch der Befehl erteilt werden, daß aus der westdeutschen Wirtschaft eine Kriegswirtschaft zu machen ist, womit die westdeutsch€ Wirtschaft zu einer Kommandowirtschaft wird, womit jedes echte Mitbestimmungsrecht, das die Arbeiter und Angestellten zur Sicherung ihrer Existenz und zur Sicherung des Friedens erstreben, von vorherein unmöglich wird.
Es gibt eine Reihe von Ländergesetzen, die fortschrittliche Bestimmungen zum Mitbestimmungsrecht enthalten, das Betriebsrätegesetz in Württemberg-Baden, in Hessen und in Bremen, und auch wir im Lande Nordrhein-Westfalen haben solche Gesetze. Diese sollen nun aufgehoben werden, weil sie fortschrittliche Bestimmungen enthalten. Man spricht von der Rechtsgleichheit, aber den Arbeitern und Angestellten sollen die Fesseln angelegt werden, die der vorliegende Entwurf vorsieht. Ich bin überzeugt, daß all das, was heute darüber gesagt worden ist, daß man den Arbeitern vor allen Dingen helfen möchte, ein wirklich menschenwürdiger Faktor in der Wirtschaft zu werden, hinfällig ist, sobald der Befehl der Hohen Kommissare erteilt werden wird, in Westdeutschland Kriegsmaterial zu produzieren und dafür die notwendigen politischen Sicherungen zu schaffen. Dann wird man jedem widerstrebenden Arbeiter von vornherein zeigen, was die Stunde geschlagen hat. Ich bin davon überzeugt, daß heute schon die deutschen Monopolherren, die sich als Bundesgenossen der amerikanischen Monopolherren fühlen, ausrechnen werden, wieviel sie an dieser Kriegsproduktion verdienen können.

(Sehr wahr! bei der KPD.)

Echte Mitbestimmung und Kriegsproduktion sind unvereinbare Gegensätze; denn gerade in dem Streben nach Mitbestimmung drückt sich doch am stärksten die Sehnsucht nach Frieden und sozialer Sicherheit aus. Wie aber kann man soziale Sicherheit gewährleisten, wenn man nicht für den Frieden sorgt?

(Abg. Strauß: Und die Waffen in der Ostzone? — Weiterer Zuruf: Und die Volkspolizei?)

— Dort sollten Sie hingehen und sich überzeugen!

(Zustimmung bei der KPD. — Gelächter in der Mitte und rechts. — Abg. Strauß: Die schießen mit Kartoffelsalat! — Heiterkeit und weitere Zurufe.)

Die westdeutschen Werktätigen wollen Sicherheit, und ich bin davon überzeugt, daß sie auch trotz aller Maßnahmen, die hier durchgeführt werden, den Weg zur Erringung ihrer Sicherheit finden werden. Die westdeutschen Werktätigen sehen die Frage ihrer sozialen Sicherheit in Verbindung mit der Politik der Adenauer-Regierung. Sie sehen sie in Verbindung mit der Politik der Brotpreiserhöhung. Sie sehen sie in Verbindung mit der Steuerpolitik und der Lohn- und Preispolitik, und sie wissen daher, daß man, wenn man um Mitbestimmung kämpft, gegen die Adenauer-Regierung kämpfen muß. Sie wissen daher auch, was sie von dem Entwurf zu halten haben, den die CDU, die Partei der Adenauer-Regierung, vorgelegt hat. Die westdeutschen Werktätigen sind, wie die Menschheit überhaupt, durch zwei Weltkriege gegangen. Sie kennen also die schrecklichen Folgen solcher Kriege, und sie kennen auch deren Urheber. Es ist heute morgen schon gesagt worden, daß es die kapitalistischen Kräfte sind, die solche Kriege auslösen, immer wieder auslösen müssen, gegen die man sich also stemmen muß, die man daran hindern muß, weitere Katastrophen heraufzuführen.

(Sehr wahr! bei der KPD.)

Darum fordern die Werktätigen die Mitbestimmung. Sie fordern sie, um gegen eine neue Katastrophe sicherzugehen. Darum fordern sie, daß ihr Wille in der Wirtschaft Gesetz werden soll, wie ihr Streben nach Frieden, nach einem auskömmlichen Lohn, nach bezahlbaren Preisen, nach einer erträglichen Steuerpolitik, nach einem gerechten Lastenausgleich und nach sozialer Gerechtigkeit, die den Vorstellungen gerecht denkender Menschen entspricht.
Der Herr Antragsteller hat heute morgen schon darauf hingewiesen, daß sich die Situation seit 1945 verändert habe. Das trifft in der Tat zu. 1945 stellten die westdeutschen Werktätigen die Frage der Sozialisierung der Grundstoffindustrien. Sie stellten sie vor allem aus dem Bestreben heraus, Sicherheiten gegenüber einer neuen Kriegsentwicklung zu schaffen.

(Sehr wahr! bei der KPD. — Zuruf in der Mitte: Das liegt bei den Siegern!)

- Ja, es liegt bei den Siegern; dazu spreche ich nachher noch. Aber wer nach 1945 mitgearbeitet hat, weiß auch, wie durch die Arbeit der westlichen Besatzungsmächte der Wille der Arbeiter und Angestellten nach Sozialisierung und Mitbestimmung zurückgedrängt worden ist. Dafür gibt es doch Beweise über Beweise aus unserer gewerkschaftlichen Tätigkeit heraus. Die westlichen Besatzungsmächte waren halt der Schutzengel für unsere Monopolherren, die heute wieder auftreten können und höhnisch, zynisch, scheinheilig oder freundlich — je nachdem — die Forderungen der Arbeiter und Angestellten nach Mitbestimmung zurückweisen können.
Wir sagen darum: als Erstes und Wichtigstes ist die Aufgabe der Mitbestimmung mit der Aufgabe der Sicherung des Friedens zu verbinden; und wenn die Werktätigen den Kampf um die Mitbestimmung führen, müssen sie ihn mit dem Ziel führen, unter allen Umständen eine neue kriegerische Entwicklung zu verhindern.

(Sehr wahr! bei der KPD.)



(Agatz)

Man stelle sich doch das vor: hier werden Flugplätze angelegt, strategische Straßen werden gebaut, Sprengungen werden vorbereitet, die ganze Besatzungspolitik ist bereits darauf abgestellt, aus Westdeutschland eine strategische Basis des Krieges gegen den Osten zu machen.

(Zuruf von der Mitte: Und in der Ostzone werden nur Kindergarten gebaut?) Man muß sich vorstellen, wie groß damit die Gefahr ist, daß Westdeutschland Kriegsschauplatz wird. Kann es denn nur einen Menschen in dieser Welt und in unserem Land geben, der diese Gefahr übersehen könnte! Kann es nur einen geben, der jetzt nicht mit flammendem Protest gegen diese Gefahr angeht und alles Menschenmögliche tut, um diese Gefahr zu bannen? Wir sagen: gerade in Verbindung mit dem Kampf um das Mitbestimmungsrecht muß von den Arbeitern und Angestellten als der ausschlaggegebenden Kraft in der ganzen menschlichen Gesellschaft diese Gefahr zuerst gebannt werden.


(Sehr gut! bei der KPD.)

Ich sage darum: Mitbestimmungsrecht muß vor allem in der Frage der Verhinderung der Produktion von Kriegsmaterial durchgesetzt werden.

(Abg. Strauß: In der Ostzone!)

— Auch in der Ostzone!

(Ironische Bravorufe in der Mitte. — Abg. Spies: Das ist das Richtige!)

Die Deutsche Demokratische Republik produziert kein Kriegsmaterial.

(Lachen und Zurufe in der Mitte.)

Die Deutsche Demokratische Republik betreibt eine Politik des friedlichen Aufbaus.

(Erneutes Lachen und Zurufe in der Mitte.)

- Sie dürfen hingehen und sich davon überzeugen!

(Abg. Strauß: Da sind die Schutzengel mit Maschinengewehren ausgerüstet! Glocke des Präsidenten.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108002700
Herr Kollege Strauß, dieses Haus hat schon manchen Spaß ertragen; es wird noch mehr ertragen.

(Heiterkeit. — Abg. Agatz: Danke schön!) - Bitte sehr!


Willi Agatz (KPD):
Rede ID: ID0108002800
Ich habe mit großem Bedauern - und dem möchte ich hier Ausdruck geben — in der Zeitung gelesen, daß die Internationale Transportarbeiterföderation, die dieser Tage in Stuttgart tagte, beschloß, sich für die Verladung und fur den Transport von Kriegsmaterial einzusetzen.

(Hört! Hört! bei der KPD.)

Ich kann einen solchen Beschluß nur zutiefst bedauern, weil ich darin eine Preisgabe gewerkschaftlicher Prinzipien, gewerkschaftlicher Grundsätze sehe.

(Zurufe von der Mitte.)

Ich bin der Meinung, daß der gewerkschaftliche Kampt vor allem ein Kampf um den Frieden ist, auch immer war und immer bleiben muß. Ich verweise auch darauf, daß selbst im Kontrollratsgesetz Nr. 22, das noch von den Besatzungsmächten beschlossen ist, der deutschen Arbeiterschaft die Verpflichtung aulerlegt wurde, die Produktion von Kriegsmaterial zu verhindern. Wir kennen das doch, wir wissen doch, wie es in Deutschland zur Hitlerzeit gemacht worden ist. Wir wissen doch, wie man die Menschen mit den höheren Löhne eingefangen hat, die man für den Bau des Westwalls und für die Produktion von Granaten zahlte. Wir wissen doch, wie damals jene deutschen Monopolisten, die die ganze Verantwortung für das Verbrechen des zweiten Weltkrieges tragen, die deutsche Arbeiterschaft dazu verlockt haben, daß sie ihre Hände zur Mithilfe an der Vorbereitung dieses Verbrechens hergaben. Wir wissen doch, daß der Appetit mit dem Essen kommt. Auch wissen wir, daß die kapitalistischen Kräfte unter allen Umständen versucht sein werden, an der Kriegsproduktion immer mehr zu verdienen.
Wir sagen also erstens: Kampf um Mitbestimmung muß Kampf um Frieden sein; zweitens: Kampf um Mitbestimmung, um echte Mitbestimmung, muß auch Kampf um die Einheit Deutschlands sein.

(Lachen rechts und in der Mitte.)

— Sie mögen Ihre Bemerkungen machen. Ich glaube, daß, wenn Sie nur ein wenig nachdenken, Sie es auch mindestens als eine Tragik empfinden werden, daß unser Vaterland gespalten ist, daß wir in zwei Teile zerrissen wurden und sich nunmehr eine Entwicklung anbahnt, die sogar dazu führen könnte, daß diese beiden Teile Deutschlands für sehr, sehr lange Zeit auseinandergerissen bleiben, daß unter Umständen noch Schlimmeres damit passieren könnte.

(Zuruf des Abg. Spies.)

Ich glaube, daß das mindestens eine tragische Angelegenheit ist. Ich bin der Ansicht, daß es keinen Deutschen geben könnte, der das guthieße. Unser aller Bestreben müßte darauf gerichtet bleiben, die Einheit Deutschlands wiederherzustellen.

(Sehr gut! bei der KPD. — Zurufe von der Mitte.)

Wir richten unsere Bestrebungen auf diesen Punkt und bekampten darum die Politik der AdenauerRegierung, die eine Politik der Spaltung Deutschlands, eine Politik der willenlosen Ausführung der Befehle der Hohen Kommissare,

(Zuruf von der Mitte: Das glauben Sie ja selber nicht!)

eine Politik der Unterwerfung unter das Kommando der Hohen Kommissare betreibt. Wir wünschen, daß alle Besatzungsmächte Deutschland verlassen. Wir wünschen, daß die Einheit Deutschlands auf demokratischer Grundlage hergestellt wird

(Zuruf von der SPD: Volksdemokratischer?) und daß hier eine Regierung sitzt, die auch eine Politik der Vereinigung der Deutschen zwischen Ost und West betreibt und sich eben der Politik widersetzt, die den Interessen des amerikanischen Kapitalismus dient, der Politik der Beeinträchtigung unserer Produktion, unseres Handels, der Politik des Verbotes des Handels mit dem deutschen Osten.

Dafür sollten die Werktätigen eintreten, wenn sie den Kampf um die Mitbestimmung führen. bie sollten erkennen, daß die Arbeitslosigkeit eine Folge der Spaltung ist, daß sie eine Folge der auf Geheiß der Amerikaner vom Herrn Professor Erhard eingerichteten freien Unternehmerwirtschaft ist.

(Zuruf des Abg. Spies: Eine Folge der Vertreibung von Menschen aus dem Osten!)

So stehen die Dinge, und deswegen sollten auch die Arbeiter diesen Kampf um das Mitbestimmungsrecht mit dem Kampf um die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands verbinden. Denn die Spaltung
dient den in- und ausländischen Monopolisten; sie steht den Zielen der Mitbestimmung entgegen. Die


(Agatz)

Mitbestimmung soll doch soziale Sicherheit gewährleisten, soll doch den Frieden sichern und Wohlstand nicht für einige wenige, sondern für die Gesamtheit des Volkes heraufführen.

(Zuruf von der Mitte: Sagen Sie das in der Ostzone; die hungert seit 1945!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108002900
Meine Herren, stören Sie doch bitte den Redner nicht!

Willi Agatz (KPD):
Rede ID: ID0108003000
Die fortschrittlichen Gesetze -
ich führte es schon aus - sind in der Vergangenheit in den Ländern unterdrückt worden. Die Betriebsrätegesetze in Hessen und in WürttembergBaden enthielten wirklich fortschrittliche Bestimmungen. Sie wurden durch die Besatzungsmächte unterdrückt. Das war die Hilfe, die die Besatzungsmächte jenen Kräften geleistet haben, die heute mit diesem Entwurf kommen und uns einzureden versuchen, daß das eine wunderbare, eine herrliche und den Arbeitern und Angestellten sehr bekömmliche Sache sei. Könnte sich hier jemand vorstellen, daß wir heute hier in Westdeutschland noch die Herren Bank- und Industriemagnaten, zum Beispiel die Herren Pferdmenges, von Schroeder oder Reusch oder Krupp oder Thyssen oder Röhl oder Vorwerk hätten, wenn nicht die westlichen Besatzungsmächte die westdeutsche Arbeiterschaft daran gehindert hätten, diesen Herren die Quittung für die Politik zu geben, die sie in der Vergangenheit unter Hitler und mit Hitler gegen das deutsche Volk gemacht haben?

(Sehr gut! bei der KPD.)

Das sind die entschiedenen Gegner der Mitbestimmung, sie stehen im Hintergrund. Sie hintertreiben die Bemühungen der Gewerkschaften und der Arbeiter und Angestellten. Sie wollen keine Mitbestimmung, sie wollen Herr im Hause bleiben. Sie wollen in ihren Plänen nicht gestört werden, sie wollen die Freiheit der Ausbeutung, die Freiheit der Profitjägerei weiterhin für sich beanspruchen.
Ich muß mich dem CDU-Entwurf zuwenden.

(Abg. Strauß: Es ist besser!)

Ich sagte schon, daß dieser Entwurf nicht das zum Ausdruck bringt, was die Werktätigen in Wahrheit anstreben. Ich darf mich da mit einigen Formulierungen auseinandersetzen, die ich in der Begründung dieses Entwurfs vor allen Dingen gefunden habe. Es heißt hier:
Die entscheidende Forderung der Arbeitnehmer geht auf Sicherung ihrer Existenz und Anerkennung ihrer Gleichberechtigung in ihren menschlichen und arbeitsvertraglichen Beziehungen zum Arbeitgeber.
Gleichberechtigung — was ist das doch für ein schönes Wort! Gleichberechtigung zwischen arm und reich, zwischen den Eigentümern der Betriebe, die die Herren der Betriebe sind, und den Arbeitern und Angestellten. Die Gleichberechtigung geht bei Ihnen wunderbar weit, und ich bewundere das Gerechtigkeitsgefühl der CDU. Zum Beispiel heißt es im § 50, der Arbeitgeber oder das Mitglied des Betriebsrats, die gegen Bestimmungen dieses Gesetzes verstoßen, werden mit 5000 DM oder im zweiten Absatz sogar mit 10 000 DM bestraft. Der Unternehmer soll genau so 5000 bzw. 10 000 DM zahlen wie der einfache Arbeiter im Betriebsrat. Der Unternehmer faßt in den Dispositionsfonds, den er todsicher zur Verfügung hat, und was tut der Arbeiter? — Meine Herren, ich muß sagen, Sie haben eine wunderbare Vorstellung von Gleichberechtigung und von Gerechtigkeit!
Überhaupt, wie ist es denn mit den Arbeitgebern? Bestand nicht die Frage der Sozialisierung auch für wesentliche Teile Ihrer Partei? Hat nicht Herr Ministerpräsident Arnold im Landtag von Nordrhein-Westfalen ausgeführt, daß sich der Kapitalismus an seinen eigenen Gesetzen totgelaufen habe und daß nun nach neuen Wirtschaftsformen gesucht werden müsse? Das ist alles vergessen.

(Zuruf von der KPD: Lang, lang ist's her! — Zuruf von der Mitte: In der Ostzone denkt man daran!)

Hier unten heißt es, daß die Verantwortung und die Initiative des Unternehmers im Vordergrund zu stehen haben. Ja, die Verantwortung und dio Initiative der Unternehmer! Wir kennen doch die Herren aus der Vergangenheit, aus der Hitlerzeit, als sie Wehrwirtschaftsführer waren, als sie Hitler halfen, den Krieg zu führen, der ihnen Millionen, der aber den Massen Tod und Verderben brachte. Daher kennen wir sie doch, das war doch ihre Verantwortung. Und denen soll nun die Verantwortung und die Initiative aufs neue ausgeliefert werden, und mit ihnen soll man eine Partnerschaft zwischen den Herren Unternehmern und den Arbeitern und Angestellten herbeiführen. Eine nette Partnerschaft! Eine Partnerschaft, wie sie zwischen Roß und Reiter vorhanden ist, dem einen die Lasten und dem andern das Vergnügen, reiten zu können. So ungefähr haben Sie sich das wohl vorgestellt!

(Sehr gut! bei der KPD.)

Sie mögen darüber lachen,

(Abg. Strauß: Entschuldigen Sie, über so viel Dummheit muß man lachen!)

es kann doch nicht bestritten werden, daß von allen Ihren schönen Reden abgesehen die Realität so ist, wie ich sie darstelle. Kennen Sie die Lage in den Betrieben?

(Abg. Strauß: Besser als Ihre Funktionäre!)

- Gar nichts kennen Sie! Wissen Sie, wie man
heute dabei ist, den Arbeitern die Löhne zu kürzen, die Akkorde zu verschlechtern und die Arbeitsbedingungen zu verschärfen? Ist Ihnen das
bekannt? Zu wessen Nutzen geschieht es? Haben
Sie schon gehört, daß es auch den Unternehmern
schlecht geht in Westdeutschland? Können Sie
das beweisen? Wir beweisen Ihnen das Gegenteil!

(Abg. Strauß: Schlechter als den Bonzen in der Ostzone!)

Hier heißt es unter der Überschrift „Der Betriebsrat", daß eine Fortentwicklung des Betriebsräterechtes mit diesem Entwurf angestrebt würde. Fortentwicklung nach rückwärts, das kann man wohl sagen, wenn man die Dinge von 1945 bis heute überblickt. Dann heißt es:
Hierzu gehört die Ausschaltung jeder Politisierung und jedes unzulässigen Fremdeinflusses bei der Wahl und Arbeit der Betriebsräte.
Versteckt sich darin nicht der Standpunkt der Unternehmer, der die Konferenzen, die Beratungen mit den Gewerkschaften zum Scheitern brachte? Ist damit nicht auch der Fremdeinfluß der Gewerkschaften gemeint? Nun, das soll untersucht werden. Aber hier ist wichtig: Ausschaltung


(Agatz)

jeder Politisierung. Frau Wessel hat sich dieser Forderung vorhin angeschlossen. Also man verlangt von den Betriebsräten, daß sie sich einer politischen Stellungnahme enthalten sollen. Sind aber die Arbeiter und Angestellten, die die Betriebsräte vertreten müssen, nicht auch der Politik unterworfen? Zum Beispiel jetzt der Politik der Adenauer-Regierung?

(Sehr gut! bei der KPD.)

Der Steuerpolitik, der Lohnpolitik, der Preispolitik, der Subventionspolitik, der Investitionspolitik? All jenen Maßnahmen, die zur Fundamentierung der sogenannten freien Unternehmerwirtschaft durchgeführt wurden? Da sollen sich nun die von Arbeitern und Angestellten gewählten Vertreter enthalten, sie sollen entpolitisiert werden.

(Sehr gut! bei der KPD.)

Wir meinen, daß das ein Verlangen ist, über das die Betriebsräte selbst laut lachen werden.

(Sehr gut! bei der KPD.)

Hier unten wird wiederum davon geredet, daß eine Gemeinschaft zur Erfüllung des Betriebszweckes im Rahmen der Gesamtwirtschaft zu bilden sei. Das haben wir doch schon gehört. Das ist doch irgendwie bekannt, daß eine Betriebsgemeinschaft zwischen Arbeitern, Angestellten und Unternehmern zu bilden ist. Ich meine, das sind vertraute Klänge aus der DAF-Zeit, aus der Zeit der Deutschen Arbeitsfront Hitlers, in der man auch die Betriebsgemeinschaft als das hehre Ziel des Nationalsozialismus proklamierte. Wir fragen, und das werden auch die Arbeiter tun: Zu wessen Nutzen soll denn eine solche Betriebsgemeinschaft gebildet werden? Wer soll davon den Vorteil haben? Welches Ergebnis kann eine solche Betriebsgemeinschaft nur herbeiführen? Das ist allen Arbeitern bekannt. Von der Meinung werden Sie sie gar nicht abbringen können, daß man ihnen mit solchen Formulierungen nur das Fell über die Ohren ziehen will.

(Sehr gut! bei der KPD.)

Aber sie werden sich das Fell nicht über die Ohren ziehen lassen, sie werden sich vom Kampf um ihre Forderungen nicht abbringen lassen.
Darum können wir zu dem Entwurf, der hier vorliegt, nur nein sagen. Wir können den Arbeitern und Angestellten nur empfehlen, in den Betrieben den Kampf um die echte Mitbestimmung in den Fragen, die alle Arbeiter und Angestellten gleicherweise berühren, aufzunehmen. Wenn die Arbeiter und Angestellten in den Betrieben zu diesem Kampf entschlossen sind, dann sprechen sie eine Sprache, die auch der stocktaubste Unternehmer noch verstehen wird.
Sehen wir uns die Entwicklung noch mal an. Wir hatten den Streik der Vorwerk-Belegschaf t wegen der Maßregelung des Betriebsratsvorsitzenden. Herr Vorwerk wurde zurückgedrängt, er mußte den Betriebsratsvorsitzenden wieder einstellen. Inzwischen sind wir nun rund eineinhalb Jahre, glaube ich, älter geworden. Jetzt haben wir die Entlassungen von weiteren Betriebsratsvorsitzenden. Das ist die tatsächliche Entwicklung, daß die Männer, die sich zu wirklichen Interessenvertretern ihrer Belegschaft machen, auf die Straße gesetzt werden. Da ist zum Beispiel die Entlassung unseres Kollegen Harig, der Betriebsratsvorsitzender in Hagen-Haspe war; weiter die Entlassung des Betriebsratsvorsitzenden der Howald-Werft, der Kalkstein-Werke Gruiten; da sind die Entlassungen weiterer Betriebsräte. Das
ist ein alarmierendes Zeichen dafür, wieweit die Kraft der Unternehmer heute schon wieder reicht und daß es höchste Zeit ist, sich dieser Entwicklung entgegenzustellen; daß es höchste Zeit ist, die Arbeiter darüber aufzuklären, daß alle Arbeitsgemeinschaftspolitik nur zum großen Schaden für sie ausschlagen kann.
Wir denken an Weimar zurück, an die Zeit von 1918 bis zu Hitler. Wie war es denn damals? Heute kann man es doch ohne weiteres erkennen, daß das Kapital den Stimmzettel besiegt hat. Wem haben damals Reichswirtschaftsrat, Reichskohlenrat und alle jene Institutionen geholfen, wem haben sie genutzt? Haben sie der wirklichen Entwicklung denn vorgebeugt? O nein, die deutschen Monopolherren holten sich den Hitler, machten ihn stark, organisierten mit Hitler jene Massenbewegung, die ihren imperialistischen Zielen dienen sollte, und dann ging es in den Krieg hinein. Weil wir diese Erfahrung haben, darum können wir uns solchen neuen Versuchen, in Arbeitsgemeinschaftspolitik und Betriebsgemeinschaftspolitik zu machen, nur auf das allerentschiedenste widersetzen.
Ich darf hier nebenbei zur Parität Stellung nehmen, wie sie der DGB-Entwurf vorsieht. Das ist auch so eine eigene Sache mit der Parität. In der Sprache des Volkes gibt es ein herrliches Beispiel: Jemand ißt ein Menü, das ist halb und halb zusammengesetzt, halb Huhn und halb Pferd. So ungefähr sieht das hier mit der Parität aus. Wir sind uns doch darüber klar: haben die Unternehmer auch nur die Hälfte der Vertreter, so haben sie in Wahrheit mindestens 90 % der Macht, denn sie sind die Herren, sie sind die Eigentümer. Wir kennen das doch und wissen das doch ganz genau. Das sollte klar gesagt werden.
Ich möchte hier sagen: Unser Weg, den wir den westdeutschen Arbeitern und Angestellten und dem ganzen westdeutschen Volk vorschlagen, das ist der Weg der Deutschen Demokratischen Republik.

(Sehr wahr! bei der KPD. — Abg. Arndgen: Der Diktatur!)

— Ich weiß, daß ich Sie nicht davon überzeugen kann, und ich will das auch gar nicht. Aber ich darf Ihnen sagen: Will das deutsche Volk in seiner Gesamtheit eine Zukunft haben, wird es nicht daran vorbeikommen, diesen Weg zu gehen.

(Zuruf von der FDP: Waren Sie schon drüben? Zuruf von der SPD: Legen Sie eine neue Platte auf!)

Wir haben in der Deutschen Demokratischen Republik eine Verfassung, die jedem Menschen das Recht auf Arbeit sichert. Wir haben das Gesetz der Arbeit in der Deutschen Demokratischen Republik,

(Zurufe)

in dem das Mitbestimmungsrecht der Gewerkschaften Wirklichkeit ist.

(Zuruf rechts: Auf dem Papier steht!)

Das sagen Sie! — Gibt es irgendwo in Deutschland leitende Arbeiter, also Arbeiter, die in leitenden Stellungen der Wirtschaft tätig sind? — Ich glaube, darin äußerst sich wohl am besten der fortschrittliche Charakter der dortigen gesellschaftlichen Ordnung, daß Sie in allen Stellungen der Wirtschaft und des gesamten gesellschaftlichen Lebens Arbeiter, einfache Arbeiter finden.

(Zuruf von der FDP: Nein, SED-Bonzen!)



(Agatz)

Das beantwortet auch die Frage nach der Fähigkeit dieser Arbeiter, die so gern angezweifelt wird. Es ist nicht so, daß die Arbeiter keine Wirtschaft führen könnten. In der Deutschen Demokratischen Republik wird bewiesen, daß sie es sehr gut können.

(Sehr gut! bei der KPD.)

Und Sie werden sehr bald hellhörig werden über die Erfolge der Wirtschaft in der Deutschen Demokratischen Republik durch die Initiative, durch die Fähigkeit der Arbeiter.

(Zuruf von der KPD: Ohne Unternehmerinitiative! — Zuruf rechts: Hennecke! — Abg. Strauß: Uns gehen die Augen heute schon über!)

— Daß Ihnen heute die Augen schon übergehen, kann ich mir denken. Es wird allmählich gefährlich, nicht wahr?

(Zuruf von der FDP: Uns gehen nicht die Augen über! — Abg. Paul: Warum schreien Sie denn so? Haben Sie Angst?)

Ich möchte also sagen: es muß ein wirklicher Kampf um das Mitbestimmungsrecht geführt werden, aber nicht hier — hier sind keine Voraussetzungen für einen Erfolg in diesem Kampf gegeben —,

(Sehr gut! bei der KPD. Zuruf von der CDU: Warum reden Sie überhaupt?)


(Lachen rechts.)

Dann werden Sie wahrscheinlich noch viel kleiner sein, als Sie es 1945 und in den anschließenden Monaten waren.

(Zuruf von der CDU: Und werden Euch zum Teufel jagen!)

— Sie werden es erleben, wir sprechen uns mal wieder.

(Abg. Dr. Oellers: Außer einem großen Maul habt ihr den Arbeitern nichts mehr zu bieten! Weitere Zwischenrufe.)

Ich lade Sie mal in die Deutsche Demokratische Republik ein!

(Zuruf rechts: Nein, schönen Dank, da habe ich die Nase voll!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0108003100
Herr Kollege Dr. Oellers, dieser Ausdruck war nicht ganz parlamentarisch!

(Abg. Dr. Oellers: Ich habe nicht den Redner gemeint, sondern seine Partei! — Abg. Strauß: Wir warten auf die Berichte von Müller!)


Willi Agatz (KPD):
Rede ID: ID0108003200
Wir fordern die Arbeiter und Angestellten auf, in den Betrieben die Aktionseinheit herzustellen für den Kampf um ihre Forderungen, für den Kampf um die Löhne, für den Kampf um solche Arbeitsbedingungen, die ihrer Menschenwürde in Wahrheit entsprechen, für den Kampf auch um eine Arbeitszeit, die ihre Arbeitskraft nicht auffrißt,

(Zurufe rechts: Hennecke! — Heiterkeit)

für den Kampf um all jene Forderungen, die die Arbeiter meinen, wenn sie vom Mitbestimmungsrecht reden. Da liegt die Entscheidung in diesem Kampf. Sie mögen hier in der Frage des Mitbestimmungsrechts beschließen, was Sie wollen,

(Abg. Strauß: Tun wir auch!)

die Realität wird eine andere sein. Wir werden dafür Sorge tragen, daß die Realität zugunsten der Arbeiter und Angestellten sein wird. Wir werden dafür sorgen, daß auch in Westdeutschland ein echtes Mitbestimmungsrecht der Arbeiter und Angestellten und damit eine echte fortschrittliche Entwicklung garantiert wird.

(Zuruf rechts: Wie in Korea!)

Wir werden dafür sorgen, daß die Arbeiter und Angestellten vor allem den Kampf um den Frieden und für die Einheit Deutschlands führen, weil das die wesentlichsten Forderungen aller Menschen sind, die an eine Zukunft glauben.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108003300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Miessner.

Dr. Herwart Miessner (FDP):
Rede ID: ID0108003400
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Deutsche Reichspartei betrachtet die Frage des Mitbestimmungsrechtes weder mit Unternehmer- noch mit Arbeiteraugen. Es gibt ja auch noch andere Teile unseres Volkes — und wie ich glaube, dürfte das sogar der größte Teil sein —, die weder dem Arbeiterstande noch dem Unternehmerstande unmittelbar angehören Ihnen allen liegt wie auch uns einzig und allein eine Lösung am Herzen, die den Arbeitsfrieden innerhalb des Betriebes gewährleistet und die damit zugleich auch zur innenpolitischen Entspannung beiträgt. Das allein ist der Ausgangspunkt, von dem aus die. Deutsche Reichspartei dieses so wichtige Problem betrachtet. Der Kollege Dr. Hammer von der FDP wies heute morgen bereits mit Recht auf die verhängnisvollen Idealisten zu Ausgang des vorigen Jahrhunderts hin, die mit ihrem Idealismus und ihrem heißen Herzen eine doch so materialistische Lehre verkündeten. Die Worte „Prolet" und „Bourgeois" stehen heute trennend zwischen unserem Volk wie zwei Königskinder, die nicht zueinander kommen können.
Es ist nicht meine Aufgabe, hier als letzter Sprecher der Parteien die Argumente für oder gegen das Mitbestimmungsrecht, wie sie von den Vertretern der großen Parteien heute genügend erörtert sind, jetzt noch einmal sämtlich im einzelnen zu wiederholen. Meine politischen Freunde mußten jedoch mit Bedauern feststellen, daß sich die Fronten immer mehr verhärteten und daß sich die Gegensätze, wie sie sich auch in der heutigen Debatte gezeigt haben, immer weiter vertieft haben. Bei ganz realer Betrachtung glauben wir daher, leider um die Feststellung nicht herumgekommen, daß auf der gegenwärtigen Basis eine befriedigende Lösung für beide Seiten kaum noch möglich ist; denn einerseits sieht der Arbeiter nach den ihm vorgetragenen Lehren den Unternehmer als seinen größten Feind an, und andererseits dürfte bei einer solchen vergifteten Atmosphäre eine so starke Einwirkungsmöglichkeit, wie es das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht ja naturgemäß verlangt, kaum zum Nutzen des Betriebes möglich sein. Wir sind daher der Auffassung, daß, wie auch sonst im Leben in Fällen, wo man sich zu gemeinsamer Arbeit zusammenfinden will, zunächst einmal die Atmosphäre entgiftet werden muß, um damit die Voraussetzung für ein sachliche Zusammenarbeit zu schaffen.
Wir glauben nicht, daß es bei dieser nun einmal eingetretenen Verhärtung der Fronten nur noch mit dem beiderseitigen guten Willen oder mit dem Herzen, wie sich der Abgeordnete Lehr


(Dr. Miessner)

heute morgen ausdrückte, zu schaffen ist. Es müssen vielmehr Wege gefunden werden, die den Arbeiter und Unternehmer in ganz realer wirtschaftlicher Weise einander näherbringen. Wir denken dabei an den Versuch eines größeren west deutschen Werks, das durch ein System des sogenannten gerechten Lohns das Arbeiter-Unternehmer-Problem von der Lohnseite her praktisch lösen will. Ich meine die Duisburger Kupferhütte, die es in den beiden letzten Jahren 1948 und 1949 fertiggebracht hat, jedem Arbeiter und Angestellten am Schluß des Jahres einen sogenannten Ergebnislohn von dem Ein- bis Eineinhalbfachen des Monatslohns zusätzlich zu zahlen.

(Abg. Paul [Düsseldorf]: Diesen amerikanischen Trick kennen wir.)

— Jawohl, in Amerika ist das gar nicht so ungewöhnlich, die sind fortschrittlicher, als Sie denken -. Die Tatsache dieser Ausschüttung allein — man kann es eine Art Gewinnbeteiligung nennen, obwohl Dr. Kuss von der Kupferhütte es nicht so genannt haben möchte hat nicht nur zu einer Leistungssteigerung im Betrieb, zu geringerem Materialverbrauch, zu größerer Arbeitswilligkeit, zu größerer Arbeitsfreude und überhaupt zu allgemein vorteilhaften unmittelbaren Auswirkungen für den Gesamtbetrieb geführt, sondern hat vor allem innerhalb dieses Betriebs den Arbeitsfrieden wirklich gewährleistet.

(Abg. Paul [Düsseldorf]: Waren Sie einmal in einer Belegschaftsversammlung?)

— Ich war zweimal in der Kupferhütte. — (Abg. Paul [Düsseldorf]: Dann waren Sie wohl
da, als der Direktor da war.)
Natürlich war auch dieser da. Auf dieser Grundlage macht das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht der Belegschaft dort keinerlei Schwierigkeit. Es wird dort in der Praxis seit langem mit bestem Erfolg durchgeführt.
Es ist heute hier nicht die Zeit, auf die Einzelheiten dieses Systems an sich einzugehen, da ja nicht die Frage der Gewinnbeteiligung, sondern die Mitbestimmung zur Debatte steht. Wie ich eingangs aber darlegte, dürfte die Frage des Mitbestimmungsrechtes jedoch nicht zu lösen sein, so lange man nicht innerhalb des Betriebs durch rein praktische Dinge dafür sorgt, daß beide Seiten, Arbeiter und Unternehmer, in gleicher Weise sich auch selbst an dem Gedeihen des Betriebs interessiert fühlen und auch sind. Gewiß wird das Unternehmertum noch eine Zeitlang seinen „Herrim-Hause-Standpunkt" erfolgreich verteidigen können. Es wird dann jedoch eines Tages eine Explosion erleben, die ihm weit mehr Schaden zufügen wird, als wenn es rechtzeitig auch von sich aus das Seinige zur Bereinigung der Atmosphäre beiträgt. Denken Sie an das Beispiel eines Dampfkessels, dem man wohl eine Weile sämtliche Ventile verstopfen kann, um den Austritt des Dampfes zu verhindern, dann aber knallt dieser Kessel seinem Maschinenmeister mit um so größerer Vehemenz um die Ohren!
Da war es mir sehr erfreulich, heute morgen aus dem Munde des FDP-Abgeordneten Dr. Hammer zu hören, daß er sagte: „Wir sind nicht abgeneigt, aus der Rendite eines Betriebs gewisse Teile als zusätzlichen Leistungslohn oder dergleichen abzuzweigen." Hierin sehe ich in der Tat einen erfreulichen Ansatzpunkt als Grundlage eines neuen Gesprächs und als Grundlage zur Bereinigung der Atmosphäre. Denn man muß die Dinge
sich einmal nüchtern überlegen. Es ist ja wirklich nicht sehr erheiternd, als kleiner Lohn- oder Gehaltsempfänger jahraus, jahrein so etwa an der Grenze des Existenzminimums dahinzuleben, ohne im wesentlichen überhaupt eine Chance zu haben, etwa an konjunkturellen oder strukturellen Wirtschaftsveränderungen auch nur den geringsten Anteil mitzuhaben.
Ich will mich auch hier nicht auf ein bestimmtes System festlegen. Es gibt deren viele. Das, was ich eben streifte, ist in Amerika unter dem Namen „Profit-Sharing-System" bekannt, das von W. H. Wheeler, dem Präsidenten der Pitney-Bowes, eines Prägemaschinenkonzerns, vertreten wird. Es besagt, daß die Belegschaften an den Betriebsgewinnen teilhaben sollen, die durch die allgemeine Prosperität hervorgerufen werden.
Wir kommen unseres Erachtens nun einmal in der Zeit, in der wir leben, im 20. Jahrhundert, nicht mehr darum herum, Kapital und Arbeit als gleichwertige Faktoren, die sich gegenseitig ergänzen, anzusehen. So wie Kapital und Arbeit zur Erzielung eines wirtschaftlichen Ergebnisses zusammenwirken und zusammenwirken müssen, so müssen auch beide Teile an dem Gemeinschaftsergebnis ihrer Leistung finanziell beteiligt sein. Der Gehalt- und Lohnempfänger wird damit in gewissem Sinne zu einer Art kleinem Mitunternehmer, dessen Interessen mit seinem großen Bruder, dem Inhaber des Betriebs, dann durchaus in gleicher Richtung laufen. Wie das Beispiel der Duisburger Kupferhütte zeigt, ist dort nicht nur der innere Arbeitsfrieden gewährleistet, sondern es hat sich nebenher bei dieser engen Zusammenarbeit und bei den gleichlaufenden Interessen das im Grunde gar nicht so sehr Erstaunliche gezeigt, daß die Belegschaft dieses Werkes selbst außerbetriebliche Einflüsse ablehnt. Das ist an sich ja auch ganz natürlich, denn genau so, wie es sich der Unternehmer verbitten würde, sich von seinen Arbeitgeberverbänden hineinreden zu lassen, so verbitten es sich auch die Arbeiter und Angestellten eines Werkes aus der Interessenlage des kleinen Mitunternehmers heraus, sich ihrerseits von ihren Organisationen in ihr betriebliches Wohlergehen hineinreden zu lassen. Es hat sich dort die Hauptsorge des Unternehmers, daß nämlich fremde Einflüsse in seinem Betrieb die Oberhand gewinnen könnten, auf sehr natürliche und, ich glaube, organische und harmonische Weise von selbst gelöst!
Die Mitbestimmung im Betrieb darf allerdings nicht Selbstzweck, sondern soll vielmehr Grundlage zur Herstellung des gegenseitigen Vertrauens sein. Sie soll dem Arbeiter die Gewißheit bringen, daß der Betrieb nach dem Grundsätzen wirtschaftlicher Gerechtigkeit geführt wird. Dieser Zielsetzung entspricht es, daß einerseits alle Versuche abgelehnt werden müssen, die Mitbestimmung der Arbeiterschaft zum Hebelarm ideologischer Partei- oder Meinungskämpfe zu machen. Alle gesetzgeberischen Maßnahmen erhalten für uns ihren Wert nur insoweit als sie die Interessen von Kapital und Arbeit in Einklang bringen, d. h. dem Arbeitsfrieden dienen. Andererseits müssen aber auch Versuche abgelehnt werden, die zu Halbheiten führen und damit das Vertrauen stören, das nur vorhanden sein kann, wenn keine Vorbehalte bei der Mitbestimmung gemacht werden.
Auf der Grundlage dieser Gedankengänge, die den Arbeitsfrieden als Ausgangspunkt und als Voraussetzung eines uneingeschränkten wirtschaft-


(Dr. Miessner)

lichen Mitbestimmungsrechts ansehen, hat die Deutsche Reichspartei ihre Stellung zur Frage des Mitbestimmungsrechts wie folgt formuliert:
Geleitet von dem Ziel, den unseligen Geist des Klassenkampfes zu überwinden. fordert die DRP gemäß Ziffer 5 ihrer Kasseler Leitsätze die Beteiligung des Arbeitnehmers am Betriebsgewinn und sieht hierin allein die Voraussetzung für ein gedeihliches Funktionieren des wirtschaftlichen Mitbestimmungsrechts. Nur durch Schaffung dieser beiden Voraussetzungen kann auf die Dauer ein wirklicher Arbeitsfrieden erreicht werden. Die DRP wendet sich jedoch auf das schärfste dagegen, auf dem Wege über ein Mitbestimmungsrecht heute betriebsfremden Interessen — wie etwa parteilich gelenkten Gewerkschaften — Einfluß zu verschaffen.

(Beifall bei der DRP.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108003500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Freudenberg.

Richard Freudenberg (FDP):
Rede ID: ID0108003600
Wenn ich mich zum Mitbestimmungsrecht und zu dem von der sozialdemokratischen Fraktion vorgelegten Gesetzentwurf zur Neuordnung der Wirtschaft zum Wort gemeldet habe, so glaube ich mich besonders dafür legitimiert, weil ich ohne Bindung irgendwelcher Art, obwohl ich der geschäftsführende Mitinhaber des größten Unternehmens meines Wahlkreises bin, mit über 70% aller Stimmen meines unmittelbaren Heimatbezirks gewählt worden bin, also auch durch das Vertrauen eines großen Teils der Beschäftigten meines Betriebs und der anderen Betriebe.

(Zuruf links: Was man mit Geld alles erreichen kann! Lachen rechts. — Zuruf rechts: Sehr geschmacklos! Zuruf links: Der Kaiser von China hat das gleiche auch gemacht!)

- Ich glaube, daß das mit Geld nichts zu tun hat.

(Sehr richtig! rechts. Zuruf von der KPD: Wieviel hat die Stimme gekostet? — Gegenruf des Abg. Dr. Oellers.)

Ich will mir nicht nachsagen lassen, daß ich zu dieser Frage schweige, und ich halte es für einen notwendigen Beitrag zur Diskussion, daß neben den politischen, neben den taktischen Gesichtspunkten auch die Gesichtspunkte zur Sprache kommen, die aus einer langen, praktischen Betriebserfahrung resultieren. Ich weiß, daß es keinen Sinn hat, alten Zeiten nachzutrauern und das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Ich weiß, daß in der Vergangenheit nicht immer alles Gold war, was geglänzt hat, und daß sicher Fälle vorgekommen sind, in denen die Macht des Besitzes mißbraucht und die alte Weisheit übersehen worden ist, daß man dem Ochsen, der da drischt, das Maul nicht verbinden soll. Ich weiß aber auch, daß die Beispiele höchster vorbildlicher Leistung des Unternehmertums die negativen Fälle an Zahl weit übertreffen.

(Beifall rechts und in der Mitte.)

Meine Damen und Herren! Ich bin mir selbstverständlich bewußt, daß es schwarze Schafe in allen Reihen gibt, und ich betrachte es als eine der ersten Pflichten eines verantwortlichen Unternehmertums, daß wir über den Weg von Ehrengerichten gegen die in unseren Reihen Stellung nehmen, die sich sozialer oder allgemeiner Verpflichtung entziehen.

(Bravo! Sehr gut! rechts.)

Ich fürchte aber, daß wir wieder einmal in Deutschland unserem alten Erbübel unterliegen, 150%ige Lösungen anzustreben, zum Teil noch leider Gottes immer wieder aus der Verkrampfung heraus, die — das ist aus den Worten des kommunistischen Redners wieder so klar geworden — aus vom praktischen Leben Gott sei Dank längst überholten Ismen resultiert, Lösungen, die auf Gedanken — ja, ich will es noch einmal sagen —, auf einzelnen Tatsachen basieren, die aus praktisch längst überholten Zeiten stammen.
Wenn es dem Unternehmertum nur um das Geldverdienen oder die Ausbeutung ginge, nur um die mit Geld verbundene Macht, dann wären wir schon lange mit unserer Herrlichkeit am Ende.

(Sehr richtig! rechts.)

Meine Damen und Herren, diese Impulse sind vorbei, mindestens sehr stark eingeschränkt, weil die öffentliche Hand, von der Ertragsseite aus gesehen, zum Höchstbeteiligten geworden ist.

(Sehr richtig! rechts.)

Das gilt in allererster Linie für die Betriebe, auf die Sie ja am meisten abzielen. Wir stehen aber Gott sei Dank vor der Tatsache; daß die Arbeit in weitem Umfang um der Arbeit willen, aus innerer Leidenschaft getan wird. Nur so ist es überhaupt vorstellbar, daß wir allen Schwierigkeiten der letzten Jahrzehnte zum Trotz heute überhaupt noch so dastehen, wenn auch das Haus, in dem wir leben — darüber müssen wir uns doch immer wieder klar sein —, weiß Gott nach auf sehr unsicherem Grund gebaut ist. Die Leistungen, die vollbracht worden sind, und all die Schwierigkeiten, die es in den letzten Jahrzehnten zu überwinden galt und deren Lösungen mit Wendigkeit und mit Raschheit des Entschlusses gefunden werden mußten,

(Zuruf von der SPD: Sehr richtig! Sehr wendig!)

haben uns in Erstaunen versetzt. Aber sie haben auch das Erstaunen der Umwelt ausgelöst; darauf hat Kollege Lehr ja auch schon hingewiesen.
Gott sei Dank ist diese verantwortungsbewußte Einstellung aber nicht nur die Eigenschaft des Unternehmertums, des guten Unternehmertums — vor ein anderes Unternehmertum würde ich mich nicht stellen —, sondern in weitem Umfange auch die Einstellung unserer Mitarbeiter. Ich finde, je älter ich werde, die Lehre bestätigt, die mir mein politischer Lehrmeister Ludwig Haas in jungen Jahren mitgegeben hat, nämlich die Lehre, daß Verantwortungsbewußtsein nichts mit Stellung, nichts mit Besitz, ja nicht einmal mit Alter etwas zu tun hat, sondern im Grunde nur mit der uns von unserem Herrgott gegebenen Veranlagung.

(Lebhafter Beifall in der Mitte und rechts.) Unter hundert Fabrikanten ist der Prozentsatz der Veranwortungsbewußten nicht größer, als er bei hundert Werkmeistern, bei hundert Arbeitern, ja sogar bei hundert Gewerkschaftssekretären ist.


(Zurufe links.)

Dabei möchte ich das Verantwortungsbewußtsein nicht nur als Leistungskoeffizienten, sondern, viel weiter gespannt, als die innere Gesamthaltung ansprechen.
Nun werden Sie mich fragen, warum ich, wenn ich die Menschen so beurteile, dann so starke Bedenken gegen diese Gesetzesvorlagen habe; denn daß ich Bedenken habe, darüber kann ich keinen Zweifel lassen. Ich habe diese Bedenken, weil ich


(Freudenberg)

nach dem Unterton der Entwürfe fürchte — wenn das auch durch die Ausführungen, die wir heute früh als erste bei Einbringung des CDU-Entwurfs gehört haben, etwas aufgelockert ist —, daß den verantwortungsbewußten Menschen, auf die es letztendlich allein ankommt, das Leben immer noch weiter erschwert wird. Das gilt nicht nur für die Unternehmer, sondern das gilt auch für die verantwortungsbewußten Mitarbeiter, wo immer sie stehen.

(Sehr gut! bei der FDP.)

Wir müssen endlich den Mut haben, klar darüber zu entscheiden, daß nur in der Entfaltung des Individuums und nicht in irgendeiner kollektivistischen Konstruktion der Weg ins Freie gefunden werden kann.

(Bravorufe bei der FDP.)

Wir dürfen nicht übersehen, gerade im Hinblick auf Amerika, wie schwer es im Vergleich zu dort die Tatkräftigen und Aktiven unseres Volkes haben; denn das sind eben die Verantwortungsbewußten. In der Weite des amerikanischen Kontinents hemmen Neid, Eifersucht und Mißgunst deren Entfaltung nicht oder weit weniger als bei uns in der Enge unseres Raumes. Wir sind durch Veranlagung nicht eifersüchtiger, nicht mißgünstiger, nicht neidischer als die Menschen der übrigen Völker, aber neidischer, eifersüchtiger und mißgünstiger in der Auswirkung durch die äußeren, nun leider einmal gegebenen Umstände.

(Zuruf von der SPD: Eine schöne Vorlesung!)

Deswegen müssen wir uns ganz besonders bedachtsam einstellen, wenn wir in das soziale Grundgefüge
unserer wirtschaftlichen Ordnung eingreifen wollen.
Noch einmal: Bei der Neuordnung der Wirtschaft geht es darum, daß der aktive Unternehmer, der aktive Arbeiter und der aktive Angestellte in ihrer Einsatzkraft nicht noch mehr gelähmt werden. Vielmehr gilt es, einen Weg zu finden, der gerade diese Kräfte fördert,

(Sehr gut! bei der FDP)

sonst geht unsere volkswirtschaftliche Leistung zurück.
In diesem Zusammenhang möchte ich eines einmal ganz klar aussprechen: Wir reden immer von den Letztverantwortlichen in den Betrieben. Wir reden von denen, die im Prokuristenrang oder sonstwie in hoher Verantwortung nach außen treten. Meine Damen und Herren, ich glaube, wir werden sehr sorgsam darüber wachen müssen, daß hinter diesen Rängen nicht die übersehen werden, die im Kleinkampf des Tages die wirklich verantwortliche Arbeit am Schnittpunkt sehr häufig mitleisten müssen: das sind unsere Werkmeister,

(Bravorufe rechts.)

Wir dürfen — um es kurz zusammenzufassen — den Kompaß nicht auf die Mittelmäßigkeit einstellen.

(Sehr gut! bei der FDP.)

Das aber müßte die Folge sein, wenn wir uns eine
Wirtschaftsordnung geben. die entschlossenes Handeln erschwert oder gar die Aktiven dem Neid —
sagen wir es ganz deutlich — der kollektivistischen
oder der Zunft- und Klasseneinstellung ausliefert.

(Abg. Euler: Sehr gut!)

Noch ein Wort: Nicht Reden und Diskutieren bringt uns zu steigender Produktion, sondern Handeln und Zugreifen, selbst wenn es einmal auch falsch geht. Parlamentarismus in allen Ehren in der
politischen Ebene, aber übertragen auf das wirtschaftliche Leben, übertragen auf die Wirtschaft eine Unmöglichkeit!

(Sehr wahr! bei der FDP.)

Schon heute wird ja viel zu viel auch in den Betrieben geredet und verdiskutiert. Ich kann Sie deshalt nur ernstlich bitten, sich zu überlegen, ob die von Ihnen gemachten Vorschläge unsere Arbeitsleistung wirklich steigern können und werden; und darauf kommt es doch letztlich allein an.

(Zuruf links: Bei uns wird gearbeitet!)

Ich fürchte, daß durch Ihren Vorschlag die Verantwortlichkeit in den Betrieben irgendwie zersetzt werden könnte. Ohne Ordnung und klare Entscheidungsbefugnis geht es nicht. Man kann darüber streiten, ob sie in unserer jetzigen gesellschaftlichen Ordnung in besseren Händen liegt oder durch Umsturz unserer jetzigen Ordnung in den Händen derer besser liegen würde, die sich heute einordnen, nicht unterordnen. Eine Zielsetzung muß darin liegen, daß es ohne williges Einordnen nicht geht. Darüber müssen wir uns klar sein. Das haben wir in den turbulenten Zeiten, die hinter uns liegen, gelernt, und in dieser Erkenntnis sind wir heute — und deswegen bin ich im Grunde optimistisch — ja viel weiter, als wir in den zwanziger Jahren waren.
Meine Damen und Herren! Wer die Zeiten in den zwanziger Jahren in verantwortlicher Leitung eines Unternehmens miterlebt hat und sie heute miterlebt, der kennt den ungeheuren Unterschied. Unsere Jugend und unsere Arbeiterschaft hat mit uns erkannt, daß es darum geht, im Betrieb zusammenzustehen und sich nicht auseinanderdirigieren zu lassen.

(Sehr gut! bei der FDP. — Abg. Fisch: Sieg Heil!)

Meine Damen und Herren! Eine halbe Lösung, eine Bastardlösung wäre aber die schlimmste Lösung, die wir uns verschreiben könnten. Von diesem Gesichtspunkt aus ist der CDU-Vorschlag in manchen Punkten beinahe noch bedenklicher als der der SPD,

(Widerspruch bei der CDU)


(Zuruf von der CDU: Sie müssen neue Wege gehen!)

auch der SPD-Vorschlag die Eierschalen des so verpönten Bourgeoisie-Spießers nicht voll verlassen hat.
Meine Herren der Linken, wenn Sie schon den Mut haben, zum Umbruch aufzurufen, dann haben Sie bitte auch den Mut, Ihren Weg ganz konsequent und ganz zu gehen, dann nehmen Sie bitte keine Rücksicht auf uns.
Und Ihnen, meine Herren der CDU, muß ich erklären: Schaffen Sie keinen Unfrieden, kein Mißtrauen, keine Disharmonie in den Betrieben dadurch, daß Sie in einem Paragraphen geben, was im anderen bedingt wieder genommen wird.
Wie ein gutes Orchester braucht ein gut geleitetes Unternehmen einen verantwortungsbewußten Dirigenten. Bei ihm muß die letzte Entscheidung, auf sachlichem und auch auf dem gleich wichtigen personellen Gebiet liegen. Er muß entscheiden können, auch wenn er einmal zunächst nicht verstanden wird. Aber er müßte ein seltener Tor sein und könnte sich heute nicht mehr halten — vielleicht geht es noch in der Musik, aber sicher nicht in den Betrieben —, wenn er sich nicht beraten ließe, be-
2964 Deutscher Bundestag - O. Sitzung. Borin, Donnerstag, den 27. Juli 1950

(Freudenberg)

raten ließe vor allem von denen, die ihm in der Arbeit verbunden sind. Eine klare organisatorische Voraussetzung hier zu schaffen, ist unserer Gedankenarbeit wert, und wir werden uns in dieser Arbeit /nit einsetzen und uns ihr nicht entziehen.
Wir müssen als Ziel unserer Arbeit zugrundelegen, die gemeinsame Betriebsverbundenheit noch zu steigern; die Betriebsverbundenheit müssen wir ausbauen und sie bewahren vor dem Hereindirigieren von noch so wohlwollenden Verbänden, ob es die der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer sind. Die Verbände sind notwendig in der Ordnung der überbetrieblichen Sphäre und auch in der Vertretung gemeinsamer Zielsetzungen und Interessen. Aber die Verbände sind, wenn sie ihre Aufgabe richtig verstehen, Dienende und dürfen niemals die Herrschenden der Wirtschaft werden.

(Sehr gut! bei der FDP.)

Ich habe das Vertrauen zum gesunden Sinn der Arbeiter und Beamten — vielleicht sogar mehr als Sie Vertrauen zu ihnen haben, Herr Kollege Freitag —, daß sie sich ihrer Verantwortung bewußt sind und daß sie es ablehnen, das Versuchskaninchen machtpolitischer Träume zu werden. Ich habe das Vertrauen zu unseren Mitarbeitern, daß sie — und das muß ich Ihnen sagen, meine Herren der CDU — ihre ganze Abneigung bekunden werden, daß die letzten betrieblichen Entscheidungen von außenstehenden, sachunkundigen Schiedsrichtern getroffen werden könnten. Sicherlich aber werden sie ein Hereinreden der Regierungsbürokratie in unsere Betriebe ablehnen. Das haben sich übrigens die Sozialdemokraten in ihrem Vorschlag klüger überlegt. Sie verlagern die letzte Verantwortung in die Aufsichtsorgane.
Die Betriebsräte laufend zu unterrichten, ist heute schon eine so große Selbstverständlichkeit, daß man eigentlich gar nicht mehr darüber zu reden braucht, wenigstens in den Betrieben der Größenordnung, um die es Ihnen im letzten Ende ja wirklich geht.
Noch ein ganz kurzes Wort zu Ihren Vorschlägen über die Aufsichtsräte. Erstens bin ich der Meinung, daß man die Wirksamkeit der Aufsichtsräte in wirklich verantwortlich geführten Unternehmungen weit überschätzt; zweitens bin ich der Meinung, daß sie zu einer Gefahr einer klaren Betriebsleitung werden könnten, wenn man sie nun zu politischen oder halbpolitischen Organen machen würde. Darüber müssen wir uns bei den Ausschußberatungen sicherlich unsere ernsten Gedanken machen. Ich bin ein Gegner jeder Geheimnistuerei und scheue mich schon seit langen Jahren nicht — ich kann schon beinahe sagen, seit Jahrzehnten —, unsere Lage offen mit unseren Mitarbeitern zu besprechen. Das tun mit mir sehr viele andere Unternehmer auch.
Es gibt allerdings Augenblicke, in denen eine falsche Offenheit zur Gefahr werden kann. Auch ich habe in meinem Leben einen solchen Augenblick durchlebt, wo, wenn ich die ganze Sorge nicht allein getragen hätte, unsere Arbeitsstätte vielleicht bedroht gewesen wäre, und wo wir nie und nimmer die Entschlüsse hätten fassen können, die zum Segen unseres Unternehmens und der darin Beschäftigten gefaßt worden sind, wenn wir sie in ihrer ganzen Auswirkung sogar den Bankherren gesagt hätten.

(Beifall bei der FDP.)

Es gibt eben nicht nur Sonnentage, sondern auch Tage großen Sturms.
Meine Damen und Herren, in den letzten Jahrzehnten habe ich von Jahr zu Jahr die Dinge

(Zuruf von der KPD: Lyrik!)

in ihrer starken Fortentwicklung miterlebt. Seien wir sehr bedacht, diese organische Fortentwicklung nicht zu stören. Zwängen Sie den guten Willen von beiden Seiten nicht in eine enge Gesetzesmaschine, in eine Gesetzesmaschinerie, die Sie, meine Herren der Linken, als erste zerreißen müßten, wenn Ihre Machtträume in Erfüllung gehen würden und Sie die Dinge an unserer Stelle zu machen hätten.

(Beifall bei der FDP.)

Das sehen wir doch am ganz großen Beispiel Rußland. Meine Damen und Herren, lassen Sie uns alle den ehrlichen Versuch machen, ohne Hintergedanken, in aller Offenheit die Grundlage einer Wirtschaftsordnung zu schaffen, die als oberste Richtlinie die Sicherung einer steten, gesteigerten Arbeitsmöglichkeit zum Ziele hat, aber hüten wir uns vor Kompromissen, die sehr wohl mehr zerschlagen als heilen könnten.
Noch ein kurzes Wort über die überbetriebliche Ebene. Ich habe ein sehr starkes Verständnis dafür, daß der Staat es sich sehr wohl überlegen muß, ob er neben den politischen Institutionen starke wirtschaftliche Zentralinstitutionen schaffen soll. Meine Damen und Herren, in jedem Fall darf er diese Institution nur schaffen, wenn ihr keine letzten politischen Entscheidungen übertragen werden; denn es wäre eine Anmaßung sondergleichen, zu glauben, daß nur die in der Wirtschaft Tätigen oder die an der Wirtschaft Interessierten ein Recht hätten, die gesamten Dinge in Deutschland zu gestalten.

(Sehr richtig! rechts.)

Ich stelle mich aber auch nicht gegen die Schaffung solcher Einrichtungen — allerdings mit der eben gemachten Einschränkung —, weil es in der überbetrieblichen Sphäre, wo schon der politische Gestaltungswille einsetzt, vielleicht durchaus berechtigt ist, daß in voller Gleichberechtigung die Unternehmer wie die Beschäftigten zum Zuge kommen. Ich verspreche mir, wenn das in voller Offenheit geschieht, davon sogar, daß wir zu einer starken inneren Befruchtung kommen können.
Meine Damen und Herren! Wir müssen uns, glaube ich, darüber klar sein — und deswegen werden diese gemeinsamen Institutionen vielleicht bewußt oder unbewußt von vielen in der Wirtschaft erhofft und erstrebt —: es gilt, eine gemeinsame Abwehrfront zu bilden gegen das Übergreifen der staatlichen oder, was gleich schlecht ist, der Zunftoder Verbändebürokratie.
Schließlich bin ich davon durchdrungen - ich wiederhole es noch einmal —, daß die Weisheit der Verantwortung weder von der einen noch von der anderen Seite allein gepachtet ist. Nur wer die Sorge des andern kennt, wird den Grad der Bescheidenheit erringen, der wahre menschliche Leistung adelt. Ich schließe mit dem schon vom Kollegen Schröder zitierten Ruf: Rettet den Menschen! Aber ich weite ihn allerdings mit vollem Bewußtsein dahin aus: Rettet den Menschen durch Schutz seiner Individualität!

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108003700
Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen bekanntzugeben, daß der Haushaltsausschuß um 15 Uhr in Zimmer 02 des


(Vizepräsident Dr. Schmid)

Südflügels zusammentritt und der Ausschuß für Geld und Kredit um 15 Uhr 30.

(Abg. Schoettle: Herr Präsident, ich bitte, den Ausschuß für Beamtenrecht gleichzeitig auf 15 Uhr zum Haushaltsausschuß zu laden!)

Der Ausschuß für Beamtenrecht wird gebeten, um 15 Uhr der Sitzung des Haushaltsausschusses beizuwohnen.
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Raestrup.

Bernhard Raestrup (CDU):
Rede ID: ID0108003800
Meine Damen und Herren! Angesichts der vielen Reden, die wir schon gehört haben, und der Fülle der noch vorliegenden Wortmeldungen ist es nicht meine Absicht, ausführliche Darlegungen zu machen, sondern ich will mich so kurz wie möglich fassen. Der Herr Abgeordnete Dr. Lehr hat ausführlich die einmütigen Auffassungen unserer Fraktion dargelegt, und ich will nicht das, was er gesagt hat, wiederholen. Nur ein Bedenken habe ich, das ich unbedingt vortragen muß. In dem Entwurf der CDU ist übersehen worden, einen Unterschied in der Behandlung der großen und der kleinen Unternehmungen zu machen. Ich erhalte als kleiner Unternehmer von meinen Freunden eine Unmenge von Zuschriften, in denen die Sorge zum Ausdruck kommt, daß die Mitbestimmung für ihre Unternehmungen eine Gefahr bedeutet. Man kann die kleinen Unternehmungen nicht so behandeln wie die großen Betriebe, die mit einem großen Aktienkapital und mit tausenden von Arbeitern und dem Generaldirektor im wirtschaftlichen Leben ganz anders dastehen als ein kleiner Unternehmer, der mit seinem ganzen Vermögen für den Betrieb haftet und dessen Betriebsverhältnisse viel durchsichtiger sind. Ich habe deshalb — und ich glaube, das von dieser Stelle aus sagen zu dürfen — diesen meinen Freunden versprochen, daß wir in der Ausschußberatung soweit wie möglich auf ihre Wünsche Rücksicht nehmen wollen.

(Zustimmung bei der CDU.)

Im übrigen glaube ich, daß die Unternehmer im Mitbestimmungsrecht Gefahren sehen, die in Wirklichkeit nicht vorhanden sind.

(Erneute Zustimmung bei der CDU.)

Es ist vorhin gesagt worden, wir sollten nicht von der Vergangenheit reden. Damit bin ich einverstanden. Aber wir sollen aus der Vergangenheit lernen.

(Sehr richtig! bei der CDU und rechts.)

Seit über 45 Jahren stehe ich als kleiner Unternehmer — und ich habe doch aus meinem Betrieb etwas gemacht — in engster Berührung mit allen sozialen Fragen. Wenn ich einen Rückblick auf diese 45 Jahre werfe, erinnere ich mich, daß wir damals ähnliche Ängste gehabt haben wie heute, als die Frage an uns herantrat, ob wir mit den Gewerkschaften Tarifverträge abschließen sollten oder nicht. Heute glaube ich wohl sagen zu können, daß gerade der kleine Unternehmer den Abschluß von Tarifverträgen nicht zu bereuen gehabt hat.

(Zustimmung bei der CDU.)

Das sage ich ganz offen und ehrlich.
Wenn einige Bedenken, die die kleinen Unternehmer bezüglich der Bestimmungen über das Mitbestimmungsrecht haben, berücksichtigt werden, so erhalten sie in den heutigen turbulenten Zeiten und bei den Schwierigkeiten, die noch vor uns liegen, gegen Willkürakte ihrer eigenen Belegschaft einen wirksamen Schutz. An sich sind für den kleinen
Unternehmer die vielen Bestimmungen nicht erforderlich. Er braucht vor allen Dingen nicht die vielen Schlichtungsausschüsse, Schiedsgerichte usw. Er wird selbst in der Lage sein, in seinem Betrieb Ordnung zu halten. Kann er das nicht, muß dauernd das Schiedsgericht angerufen werden, dann taugt entweder er nichts oder es taugen die Arbeitnehmer oder alle beide zusammen nichts.

(Sehr gut! bei der CDU.)

Meine Damen und Herren! Nachdem ich so einen kurzen Rückblick auf die hinter mir liegende Zeit getan habe, gestatten Sie mir, noch eine persönliche Bemerkung darüber anzufügen, wie ich zum Mitbestimmungsrecht stehe. Auf Grund meiner Weltanschauung bin ich früher in der Zentrumspartei für die sozialen Belange eingetreten. Heute tue ich es in der CDU. Nach 1918 habe ich persönlich darunter gelitten, daß die damaligen Hoffnungen, die auf die sogenannte Arbeitsgemeinschaft gesetzt worden waren, nachher so kläglich gescheitert sind. Ich habe aber die feste Überzeugung und die Hoffnung, daß diesmal unsere Bestrebungen nicht scheitern werden. Ich hoffe, daß wir nunmehr die sittliche Kraft aufbringen, das Mitbestimmungsrecht in der erforderlichen Form auszugestalten und die friedliche Gesinnung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu fördern. Ich weiß, wie die Stellungnahme der Unternehmer gegenüber den Gewerkschaften und umgekehrt der Standpunkt der Gewerkschaften gegenüber den Unternehmern war. Heute sind ganz andere Verhältnisse gegeben. Ich gebe nicht viel auf Paragraphen; denn die Paragraphen sind tote Buchstaben ohne Leben. Aber wenn ein richtiger Geist hineingelegt wird, dann nehmen diese Paragraphen Gestalt und Inhalt an, und dann sind sie ein geeignetes Instrument, um den wirtschaftlichen Frieden, den wir so dringend brauchen, zu garantieren.
Gestatten Sie einem alten Manne, der nur noch wenige Jahre zu schaffen haben wird, seiner freudigen Genugtuung über die neue Regelung des Mitbestimmungsrechts Ausdruck zu geben. Ich sehe darin einen Schritt zu einer neuen sozialen Gestaltung Deutschlands. Ich sehe darin nicht ein Instrument des Unfriedens, sondern ein Instrument des Friedens, das dazu führen wird, daß Arbeitnehmer und Unternehmer geschlossen an der Neugestaltung unseres Vaterlandes mitarbeiten, um auf diese Weise die wirtschaftlichen Höchstleistungen zu erzielen, die Deutschland wieder geachtet machen werden und die es ihm ermöglichen, nach einem wirtschaftlichen Gesundungsprozeß gleichberechtigt in die Europäische Union einzutreten.

(Lebhafter Beifall bei der CDU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108003900
Meine Damen und Herren! Der Herr Vorsitzende des Ausschusses für Geld und Kredit hat mich gebeten, Ihnen mitzuteilen, daß an der Sitzung des Ausschusses, die 13 Uhr 30 beginnen soll, auch die Damen und Herren des Sozialpolitischen Ausschusses teilnehmen möchten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Arndgen.

Josef Arndgen (CDU):
Rede ID: ID0108004000
Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den Auseinandersetzungen über das Mitbestimmungsrecht ist in den letzten Monaten und auch heute morgen in diesem Hause teils mit juristischen, teils mit wirtschaftlichen, teils mit sozialen und teils, besonders von der ganz linken Seite, mit politischen Argumenten gefochten worden. Ich gestehe, daß kaum ein Problem zur Regelung unserer Zusammenarbeit so viel Widerspruch


(Arndgen)

und so viel Zustimmung ausgelöst hat wie die Frage der Mitbestimmung. Dabei ist diese Forderung nicht neu. Blättert man einmal in den heute schon vergilbten Zeitschriften der zwanziger Jahre, so findet man in diesen Zeitschriften Darlegungen über das Mitbestimmungsrecht, die noch heute aktuell sind. Es muß dabei hervorgehoben werden, daß es in erster Linie Forderungen der christlichsozialen Bewegung gewesen sind.
Um was geht es in den Fragen des Mitbestimmungsrechts? Es geht nicht um eine rechnerisch genau abgegrenzte Besetzung der Aufsichtsräte, es geht nicht um den Machtanspruch der Arbeitnehmer in der Wirtschaft, es handelt sich auch nicht um ein nur arbeitsrechtliches oder wirtschaftliches, sondern es handelt sich um ein gesellschaftliches Problem, um einen Teil der Sozial- und Wirtschaftsordnung, und zwar um den wichtigsten Teil. Es handelt sich um den Menschen. Nicht von ungefähr haben sich der Bochumer Katholikentag und die Evangelische Kirche mit diesem Problem eingehend beschäftigt; denn eine der wichtigsten Forderungen des Christentums ist die nach einer Wirtschaftsordnung, die der Würde der menschlichen Person, und zwar aller Personen, gerecht wird. Dazu gehört nach unserer Auffassung, daß alle Arbeitenden .sich in ihrer Berufsausübung zu freien Menschen entwickeln können. Diese Freiheit, die eine innere und eine äußere sein muß, kann der Mensch aber nur gewinnen, wenn er sein Schicksal eigenverantwortlich mit gestalten kann.
Die Wirtschaft hat in den letzten hundert und mehr Jahren eine Entwicklung genommen, die es rund 60 % der Erwerbstätigen unmöglich macht, im Wirtschaftlichen ihren Willen eigenverantwortlich einzusetzen. Nach der jetzigen Wirtschaftsstruktur ist die Wirtschaft nur funktionsfähig, wenn der weitaus größte Teil der Erwerbstätigen abhängig, nach Entschlüssen und Weisungen anderer tätig ist. Aus dieser Proletarierstellung muß der arbeitende Mensch herausgehoben werden. Aus dem Nur-Lohnarbeiter muß ein gleichberechtigter Mitarbeiter werden, und der Arbeitsplatz muß zur sicheren, menschenwürdigen Existenz werden. Der Betrieb ist die Stelle, in der sich ein wesentlicher Teil des Lebens des Arbeiters abspielt. Vom Betrieb hängt die Existenz des Arbeitnehmers und die Existenz seiner Familie mehr oder weniger ab. Darum muß dem Arbeitnehmer im Betrieb in erster Linie die Möglichkeit gegeben werden, mit zu gestalten. Natürlich kann das nicht jeder Arbeitnehmer unmittelbar tun. Aber wenn der Arbeitnehmer durch seine Mitwirkung bei der Bildung der Betriebsvertretung und in den Betriebsversammlungen an dem Geschehen im Betrieb beteiligt und über die Wirtschaftsvorgänge unterrichtet wird, ist in der Partnerschaft, die nun einmal zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer bestehen soll, viel erreicht.
Nun wird bei den Einwendungen gegen das Mitbestimmungsrecht vielfach auf die Eigentumsordnung, auf die Unternehmerinitiative, auf das Unternehmerrisiko und auf die Verantwortung verwiesen. Meine Freunde und ich bejahen das Privateigentum, und unsere Politik ist darauf gerichtet, möglichst vielen Menschen zu Eigentum zu verhelfen. Wir sind der Auffassung, daß es eine der wichtigsten Aufgaben des Staates ist, das Eigentum zu schützen. Doch ein entscheidender Punkt trennt uns von der rein liberalistischen Auffassung: ein absolutes und uneingeschränktes Eigentum erkennen wir nicht an. Denn jedes Eigentum und jeder Besitz ist unter dem Schutz der Gemeinschaft erworben worden. Daher ist das Eigentum und ist der Besitz der Gemeinschaft verpflichtet. Für den einzelnen ist Privateigentum gewissermaßen ein Lehen, das er in sozialer Verantwortlichkeit zu verwalten hat. Wenn die Mitbestimmung das Eigentumsrecht auf der einen und den gerechten Lohn auf der anderen Seite zu respektieren hat, bekommt das Eigentumsrecht und bekommen auch die Aufgaben des Unternehmers — nach der dargelegten Sicht zum Eigentum - in der sich neu anbahnenden Wirtschaftsordnung einen ganz neuen, besonderen Sinn.
Soweit die Unternehmerinitiative in Zusammenhang mit der Mitbestimmung angesprochen wird, sind wir nach wie vor der Meinung, daß es in der Leitung und Führung der Wirtschaft und des Betriebes ein Oben und Unten geben muß. Dieser Gedanke hat die Arbeitsdisziplin gefördert und dadurch Gewaltiges für den Fortschritt geleistet. Doch heißt die Eingliederung nicht, der Entfaltung der besten menschlichen Kräfte Hemmnisse entgegenzusetzen. Wir sind vielmehr der Meinung, daß ein Mitgestaltungsrecht das Höchste und Beste im Menschen zur Entfaltung bringen kann und bringen wird.
Endlich die Frage des Risikos. Gewiß gibt es ein Unternehmerrisiko, das Beachtung verdient und anerkannt werden muß. Doch gibt es auch auf der Arbeitnehmerseite ein Risiko. Dieses besteht darin, daß auch der Arbeitnehmer und seine Familie in ihrer Existenz von dem Betrieb und seinem Gedeihen abhängen.
Ein letztes Wort zur Frage der Verantwortung in der Wirtschaft und im Betrieb. In diesem Zusammenhang wäre eine Statistik über die Anzahl der Betriebe interessant, die nach dem Zusammenbruch lediglich durch das Verantwortungsbewußtsein und die Initiative der Arbeitnehmer wieder lebens- und existenzfähig geworden sind und für unsere Versorgung wieder funktionsfähig gemacht werden konnten. Ich bin der Auffassung, daß gerade in den hinter uns liegenden Jahren, besonders nach dem Zusammenbruch, die Arbeitnehmerschaft bewiesen hat, daß sie auch Verantwortung zu tragen weiß und Initiative entwickeln kann.
Wir wollen mit der Mitbestimmung in erster Linie eine neue Ära der Beziehungen zwischen Arbeit und Kapital, zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer herbeiführen. Dabei vertrete ich die Auffassung, daß der Gesetzgeber nur den Rahmen ziehen kann und daß es letzten Endes auf die Menschen, sowohl den Menschen im Unternehmer als auch auf den Menschen im Arbeitnehmer, ankommt, wie im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen das Gemeinsame in der betrieblichen Zusammenarbeit gefunden und von dort aus das Verhältnis zueinander geregelt wird. Finden wir bei den Beratungen über den von meiner Fraktion vorgelegten Gesetzentwurf gemeinsam den Weg, den dieser Entwurf vorzeichnet, dann verwirklichen wir eine Forderung, die eine neue soziale Ordnung zum Ziel hat.

(Beifall bei der CDU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108004100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Böhm.

Hans Böhm (SPD):
Rede ID: ID0108004200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war vorauszusehen, daß der von der CDU/CSU eingereichte Antrag zur Schaffung eines Betriebsrätegesetzes zu grundsätzlichen Diskussionen und Auseinandersetzungen führen würde. Es war auch vorauszusehen, daß bei dieser Diskussion


(Böhm)

sich zwei Welten gegenüberstehen würden, und zwar einmal die Welt des sozialen Fortschritts und zum anderen die soziale Rückschrittsbewegung bzw. die reaktionäre Rückschrittsbewegung.
Heute morgen ist hier wiederholt von den einzelnen Diskussionsrednern der Versuch gemacht worden, die Stellung der gewerkschaftlichen Organisationen dahin zu interpretieren, als seien die gewerkschaftlichen Organisationen nicht gewillt und bereit, Gegenwartsaufgaben zu erfüllen, sondern lediglich bestrebt, einem Dogma anzuhängen. Es ist der Versuch gemacht worden, nachzuweisen, daß die Forderung der Gewerkschaftsbewegung und auch die Forderung der Sozialdemokratischen Partei in ihrem eingereichten Antrag nichts anderes bedeuten würden, als unsere Wirtschaft in Unordnung zu bringen. Auf Grund der Verhältnisse ist dann vor Experimenten gewarnt worden. Meine Damen und Herren, begreifen wir eins! Neben den politischen Parteien ist die deutsche Gewerkschaftsbewegung mit zum Träger einer neuen sozialen Ordnung geworden. Es ist hier von allen Diskussionsrednern mehr oder weniger auf die Notwendigkeit hingewiesen worden, Sozialpolitik zu betreiben bzw. die soziale Sicherstellung des schaffenden Menschen zu garantieren. Wenn die deutsche Gewerkschaftsbewegung mit zum Träger einer neuen sozialen Ordnung geworden ist, dann hat sie sich nicht zu dieser Aufgabe gedrängt, sondern diese Aufgabe ist ihr geschichtlich geworden und zugewachsen. Wenn wir sagen, die Gewerkschaften sind zum Träger einer neuen sozialen Ordnung geworden und tragen mit die Verantwortung, dann haben wir als Gewerkschaften aber auch gleichzeitig die Pflicht, im Aufbau dieser sozialen Ordnung — die Notwendigkeit des Neuaufbaues wird übrigens von niemandem bestritten — die Maßnahmen vorzuschlagen, die notwendig sind, um nicht nur den sozialen Frieden in den Betrieben zu garantieren, sondern darüber hinaus im Aufbau der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, daß wir in der Folgezeit von Katastrophen verschont bleiben, wie wir sie leider in einer Generation durch zwei Kriege erlebt haben.
Die sozialdemokratische Fraktion hat zur Diskussion einen Antrag eingereicht, der sich mit dem wirtschaftlichen Mitbestimmungsrecht beschäftigt. Wer sich einmal die Mühe macht, die einzelnen Bestimmungen des Entwurfs eines Gesetzes über das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht zu überprüfen, der wird zu der Auffassung kommen müssen, daß in diesem Antrag weitestgehend das gefordert wird, was bereits in den Verhandlungen mit den Unternehmern sowohl in Hattenheim wie auch zuletzt in Maria-Laach Gegenstand der Verständigung gewesen ist. Wenn wir diesen Antrag eingereicht haben, so aus dem einfachen Grunde, weil der Antrag der CDU unserer Auffassung nach nicht weitgehend genug ist. Es ist meiner Ansicht nach nicht damit getan, daß man nun versucht, durch die Herausstellung von einigen Bestimmungen im Betriebsrätegesetz die Mitwirkung der Arbeitnehmer in sozialpolitischer und arbeitsrechtlicher Beziehung im Betrieb sicherzustellen, sondern es ist meiner Meinung nach notwendig, daß die Fortentwicklung dieses Rechts aus dem Betrieb logischerweise auch zu einer Regelung des Mitbestimmungsrechts auf der wirtschaftlichen Ebene führen muß. Die Regelung, die durch den Antrag der SPD angestrebt wird, bedeutet weder eine Einengung der Initiative des Unternehmers noch eine Beschränkung der gesetzlichen Befugnisse der Parlamente, sondern sie bedeutet lediglich den Versuch, auf dem Gebiete der
wirtschaftlichen Neuordnung im Wege der Gesetzgebung die notwendige Grundlage zu schaffen.
Die Diskussionen, die wir heute hier erleben, sind ja nicht neu, und es hat sich auch heute in der Debatte bestätigt, daß der weise Ben Akiba recht hatte, als er sagte: Es ist alles schon einmal dagewesen. Es ist jetzt 30 Jahre her, daß in Berlin durch den damaligen Reichstag mitten in den Geburtswehen des neuen Staates der Weimarer Verfassung das Betriebsrätegesetz geschaffen wurde, und wenn wir einmal daran gehen, die Verhandlungen des Deutschen Reichstags nachzulesen, dann werden wir feststellen, daß damals von Unternehmerseite die gleichen Argumente gegen das Betriebsrätegesetz vorgebracht wurden, wie sie heute gegen das Mitbestimmungsrecht geltend gemacht werden.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Wir haben zur damaligen Zeit die gleichen Begründungen gehört: die deutsche Wirtschaft werde auf dem Weltmarkt nicht mehr konkurrenzfähig sein, und die Betriebsräte würden versuchen, in die Betriebsleitung mit hineinzureden und darin herumzudoktern. All das hat sich im Laufe der Entwicklung von selber als unrichtig herausgestellt, und wer einmal die Statistischen Jahrbücher nachsieht, der wird feststellen können, daß trotz der Betriebsräte und des Betriebsrätegesetzes, trotz Inflation und Mitbestimmung in diesem bescheidenen Rahmen im Jahre 1928 in der deutschen Wirtschaft rund 60 Milliarden Mark neu investiert waren. Es wird auch kein Mensch behaupten wollen, daß durch diese Arbeit der Betriebsräte die Produktion gelitten hat. Im Gegenteil. die Produktion hat gerade in dieser Zeit bis zum Jahre 1928 in Deutschland einen Umfang angenommen, der auch in der Weltwirtschaft beispielhaft gewesen ist. Darum stehen wir auf dem Standpunkt, daß die Begründungen. die heute von der Seite der FDP. der Deutschen Partei usw. gegeben werden. kein Grund sein können, um das Mitbestimmungsrecht der Gewerkschaften und der Arbeitnehmer in irgendeiner Form abzulehnen.
Im übrigen habe ich mich über eins gewundert. Die Wirtschaftskonzeption der FDP muß einen sehr kranken Kern haben, wenn man ausgerechnet einen Mediziner vorschickt, um die Unmöglichkeit des Mitbestimmungsrechts zu begründen.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD. —Abg. Dr. Oellers: Ist das geistreich!)

— Ich weiß, es ist nicht sehr geistreich. Ebenso war auch die Begründung nicht sehr geistreich, sonst hätte ich nicht darauf_ hingewiesen.

(Abg. Dr. Oellers: Gut, daß Sie den mangelnden Geist bei sich bemerkt haben!)

Im Laufe der Diskussion ist immer wieder darauf hingewiesen worden, daß, wenn man das Mitbestimmungsrecht nach dem Willen der Gewerkschaften oder nach dem Willen des Antrages der SPD gesetzlich verankern würde, dann an und für sich im Betrieb niemand mehr da sei, der das letzte Wort zu sprechen hätte, und man hat darauf hingewiesen, daß unsere Wirtschaft dann im allgemeinen Schaden leiden und sich nicht so entwickeln könne, wie es notwendig wäre. Es ist auch draußen in der Diskussion über das Mitbestimmungsrecht wiederholt die Frage aufgeworfen worden, woher denn die Gewerkschaften das Recht nehmen, um für sich ein solches Mitbestimmungsrecht zu verlangen.
Meine Damen und Herren, es wird vielleicht notwendig sein, noch einmal auf die Verhältnisse hinzuweisen, die 1945 in unserem westlichen Gebiet und


(Böhm)

darüber hinaus in ganz Deutschland bestanden. Ich glaube, wenn irgendwann die deutsche Arbeitnehmerschaft, angefangen von dem Arbeiter bis zu dem höchsten Beamten hinauf, dem Staat und der Wirtschaft gegenüber das getan hat, was notwendig war, dann war es in der Zeit von 1945 bis heute.

(Zuruf von der FDP: Zugegeben!)

— Zugegeben! Wenn man das zugibt, muß man zum mindesten auch zugeben, daß die Gewerkschaftsbewegung an dieser Arbeitsleistung in dieser Zeit ein gerüttelt Maß von Beteiligung trägt.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Es war die Gewerkschaftsbewegung, die 1945 den Versuch gemacht hat, die zusammengebrochene und zusammengehauene Wirtschaft in etwa wieder auf die Beine zu stellen. Es gibt sehr viele, die sich heute gegen das Mitbestimmungsrecht wenden, die gerade auf Grund der Arbeit der gewerkschaftlichen Organisationen und der Betriebsräte erst wieder die Möglichkeit bekommen haben, in einem Betrieb tätig zu sein.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Die Gewerkschaften haben vom Jahre 1945 bis zur Währungsreform bewußt auf jede Lohnerhöhung und Lohnbewegung verzichtet. Es wären zur damaligen Zeit, wenn die Gewerkschaftsbewegung nur, aber auch nur ihren eigenen Interessen dienen und nur von ihrer eigenen Machtvollkommenheit leben wollte, der Möglichkeiten viele gewesen, Unruhe in die Wirtschaft hineinzutragen.

(Zustimmung bei der SPD. — Zuruf rechts: Das wollen Sie doch nicht!)

Meine Herren, vielleicht rufen Sie sich noch einmal die Zeit ins Gedächtnis zurück, in der die Vertreter der Arbeiterschaft, besonders im Ruhrgebiet, von einer Großstadt zur andern gewandert sind, um in den Betriebsrätekonferenzen, in den Belegschaftsversammlungen darauf hinzuweisen, daß mit Arbeitsniederlegung und Generalstreik weder ein Stück Brot noch ein Zentner Kartoffeln geschaffen werden kann.

(Zuruf von der FDP.)

Wir haben gerade zur damaligen Zeit unseren Kollegen von den Gewerkschaften die Neuordnung der Wirtschaft als das zu erstrebende Ziel hingestellt. Die Arbeiterschaft hat begriffen, daß jede Lohnerhöhung und Lohnbewegung automatisch die Preisschraube in Bewegung setzen mußte, und die Arbeiterschaft hat, gestützt auf die Versprechungen zur Neuordnung, ihre Pflicht und Schuldigkeit draußen in der Wirtschaft in einem Maße getan, wie es auch in der Geschichte ohne Beispiel dasteht.

(Beifall bei der SPD.)

Wir konnten als Gewerkschaften auf diese Neuordnung der Wirtschaft als etwas Selbstverständliches um so eher und mit innerer Berechtigung hinweisen, als zur damaligen Zeit die vernünftigen Politiker, die Wirtschaftsexperten, die Betriebswirtschaftler, die Staatswirtschaftler mit uns der Meinung waren, daß die verflossene Wirtschaftsordnung die ihr von der Geschichte gestellte Aufgabe nicht erfüllt hat.
Die Regierungserklärung von Herrn Ministerpräsident Arnold ist nicht das Ergebnis irgendeiner Konzession zur Regierungsbildung, sondern ist nichts anderes als die Erkenntnis, daß eine Neuordnung der Wirtschaft in Deutschland die erste Voraussetzung für eine wirkliche Freiheit des schaffenden deutschen Menschen sein kann.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Glauben Sie — und das möchte ich dem Abgeordneten Walter sagen —, daß der Ministerpräsident Arnold mit seiner Regierungserklärung etwa die Tribüne des Klassenkampfes oder gar die Barrikade einer revolutionären Erhebung betreten wollte? Glauben Sie, daß die Erklärung des Katholikentags in Bochum, die eben von dem Kollegen Arndgen angeschnitten wurde, nur der schönen Augen wegen erfolgt ist? Wenn die Forderung der Gewerkschaftsbewegung und die Forderung der Sozialdemokratischen Partei nur Klassenkampf sein soll, dann war die Versammlung in Bochum kein Katholikentag, sondern eine Massenkundgebung der Klassenkämpfer.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Und wenn die päpstlichen Enzykliken,

(Zuruf rechts: Haben Sie die mal gelesen?)

die noch mehr fordern als wir, nichts anderes sein
sollen als Klassenkampf, dann war der Papst nicht
der geachtete Vertreter und der Kirchenfürst der
Römisch-Katholischen Kirche, sondern dann war er
ein Rebell gegen die von Gott gewollte Ordnung.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Ich stelle das heraus, um damit darzutun, daß die Gewerkschaften mit ihren Forderungen nichts anderes wollen, als was vor der Gewerkschaftsbewegung schon andere als notwendige Voraussetzung jeder Ordnung und jeder Freiheit in Deutschland herausgestellt haben.
Wir betrachten den Antrag der CDU als nicht weitgehend genug. Der Kollege Dr. Schröder hat in seinen Ausführungen darauf hingewiesen, daß der Gesetzentwurf sicher kein Dokument revolutionärer Erhebung sei und daß von einer großen Revolution hierbei keine Rede sein könne. Ich bestätige Herrn Dr. Schröder gerne, daß das mit dem Antrag weder beabsichtigt ist noch daß er diese Wirkung auslösen kann, weil meiner Meinung nach, wenn nicht gleichzeitig zu diesem eingereichten Gesetzesantrag das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht hinzukommt, der 'Betriebsrat nichts anderes als nur ein Ordnungselement im Betrieb sein kann, um die sozialen und arbeitsrechtlichen Belange der Belegschaft zu vertreten. In dieser Hinsicht also glauben wir, daß die von uns gestellten Anträge zum wirtschaftlichen Mitbestimmungsrecht ebenfalls mit zur Debatte gestellt werden müssen, weil darin das Mitbestimmungsrecht — das betriebliche, das soziale und persönliche innerhalb des wirtschaftlichen Mitbestimmungsrechts — als ein Ganzes behandelt wird, und als Ganzes muß unserer Auffassung nach die Materie des Mitbestimmungsrechts auch in einem. Gesetz — wenn möglich in zwei oder drei Gesetzen —, behandelt werden.
Meine Damen und Herren! Wenn wir heute z diesen Fragen Stellung nehmen, dann ist meine Meinung nach dabei noch eine andere sehr be deutungsvolle Frage zu behandeln. Es ist hier in allen Diskussionen immer wieder die Frage aufgetaucht, wie das Mitbestimmungsrecht durchgeführt werden soll. Es ist auch hier die Frage angeschnitten worden, wie dieses Mitbestimmungsrecht sich einmal auswirken wird. Ich glaube, es ist notwendig, auf folgendes hinzuweisen. Der Wunsch nach einer Neuordnung in der Wirtschaft, der Wunsch nach sozialer Sicherung, nach persönlicher und sozialer Freiheit ist nicht ein Wunsch, der erst seit 1945 akut gewesen ist, sondern das ist ein Wunsch, der die Arbeiterbewegung und die sozialdemokratischen Parteien schon seit Jahrzehnten bewegt.


(Böhm)

Meine Herren, ich glaube, es ist notwendig, sich noch einmal das Jahr 1932 vor Augen zu führen, als damals Strasser die Behauptung aufstellte, daß 90% des deutschen Volkes antikapitalistisch eingestellt seien. Damit wollte Strasser dann eine Entwicklung in Deutschland aufzeigen, die auch heute noch ihre Gültigkeit besitzt. Daß dann darüber hinaus die nationalsozialistische Bewegung diese antikapitalistische Einstellung der 90 % mißbrauchte und eine Ordnung schuf, die alles andere als eine Ordnung nach sozialen und demokratischen Grundsätzen war, sollte Ihnen, meine Herren und Damen, eigentlich den Beweis dafür geben, daß Sie es selbst in der Hand haben, diese antikapitalistische Einstellung auf eine Ordnung zu bringen, die allen Brot, Freiheit und Frieden garantiert.
Dabei werden Sie sich entschließen müssen, eine Reihe von Gesetzen zu ändern. Der Entwurf der CDU beruft sich in seinem ganzen Mitbestimmungsrecht und in seinen einzelnen Paragraphen auf alte Gesetze, sowohl auf Betriebsrätegesetze als auch auf das Aktiengesetz, Wirtschaftsverfassungsgesetz und eine Reihe von anderen Dingen mehr. Also wenn wir schon — da drin sind wir uns ja, glaube ich, einig — eine neue soziale Ordnung bauen wollen, dann müssen wir die Gesetze ändern, auf denen die alte unsoziale Ordnung beruhte. Dabei, glaube ich, haben wir eine Verpflichtung gegenüber unserer Jugend zu erfüllen. Es war die sogenannte antikapitalistische Einstellung der 90%, die es Hitler ermöglichte, der deutschen Jugend eine Fata Morgana über eine Wirtschaftsordnung vorzugaukeln, die Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit versprach. Diese Illusion ist 1945 bei der Jugend zusammengebrochen. Wir haben die Aufgabe, dieser Jugend; bei der 1945 nicht nur ein politisches Ideal, sondern auch der Glaube an ihre Zukunft verlorenging, wieder ein Ideal zu geben, diese Jugend an Wirtschaft und Staat heranzubringen, dieser Jugend eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu geben, die auch für sie das Leben wieder lebenswert macht, die auch bei ihr die Hoffnung aufkommen läßt, daß es sich lohnt, einem derartigen Staate Dienste zu leisten und für eine derartige Ordnung zu arbeiten.
Das sind Fragen, meine Damen und Herren, die mit der Frage des ganzen Mitbestimmungsrechts zusammenhängen. Ich kann es mir ersparen, in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen der einzelnen Diskussionsredner noch besonders einzugehen. Ich glaube, es bleibt ein Verdienst der Diskussion, diese Frage vom Grundsatz her, wenn auch bei aller sachlichen Schärfe und Gegensätzlichkeit, doch immerhin menschlich und sachlich behandelt zu haben. Es ist ganz selbstverständlich, daß, wenn die Sozialdemokratische Partei oder wenn die Gewerkschaften an die Regelung dieser Dinge herangehen, dann ihre Konzeption eine andere sein wird und auch sein muß, als sie etwa von den Besitzern der Produktionsmittel, von den Trägern der alten Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung zum Vortrag gebracht wird.
Damit, meine Damen und Herren, möchte ich meine Ausführungen schließen. Ich möchte Sie noch einmal auf die Dringlichkeit hinweisen, das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht in Verbindung mit dem betrieblichen Mitbestimmungsrecht zu regeln. Es ist heute morgen wiederholt — auch meinem Kollegen Freitag — von der rechten Seite des Hauses der Zuruf gemacht worden: Sie wollen drohen! — Meine Damen und Herren,
es liegt mir gänzlich fern, etwa mit gewerkschaftlichen Kampfmitteln zu drohen, aber man kann einem Arbeitnehmerstand wie dem deutschen, der willig, fleißig und intelligent ist, der Organisationstalent besitzt und fünf Jahre lang in treuer Pflichterfüllung Wirtschaft und Staat gedient hat, nicht einfach mit dem Motto kommen: Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, er kann gehen. Sie selbst haben es in der Hand, das Säuseln des sozialen Windes nicht zum Sturm werden zu lassen; bei Ihnen liegt es. Gehen Sie über Ihren eigenen Schatten hinweg; versuchen Sie, auch einmal das Gedankengut des persönlich schaffenden Menschen draußen, des Hand- und Kopfarbeiters zu berücksichtigen, dann werden Sie wirklich zu der Überzeugung kommen: was die sozialdemokratische Fraktion und auch was die Gewerkschaften fordern, ist nichts Unmögliches, sondern die erste Voraussetzung für soziale und auch für persönliche Freiheit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108004300
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.

Anton Storch (CDU):
Rede ID: ID0108004400
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Aussprache über das Mitbestimmungsrecht zeigt mit aller Klarheit und Deutlichkeit, daß sich heute auf der politischen Ebene ebenso wie auf dem Gebiet der Wirtschaft die Gedanken auf dieses Thema konzentrieren, vielleicht weil wir alle die Überzeugung haben, daß das deutsche Volk die Aufgabe hat, der Welt eine neue soziale Ordnung zu zeigen.
Die Verhältnisse, die wir heute in Deutschland vorfinden, sind in manchen Dingen eine Wiederholung dessen, was wir nach 1918 vor uns hatten. Wenn wir bedenken, daß es damals möglich gewesen ist, das deutsche Volk aus einer revolutionären Entwicklung herauszuführen, weil die führenden und verantwortungsbewußten Leute der Arbeitgeber und der Gewerkschaften sich zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammenfanden, um eben dem deutschen Volk eine innere Sicherheit zu geben, und wenn wir bedenken, wie in jener Zeit der Rätegedanke auch sehr weit zu uns vorgedrungen war und durch die mannhafte Tat von verantwortungsbewußten Menschen doch aufgehalten und zurückgedrängt wurde, dann sollte man sich auch in der heutigen Zeit darüber klar sein, daß eine Neuordnung wirtschaftlicher Art vor allem von dem eigenen Willen der in der Wirtschaft tätigen Menschen getragen werden muß.
Weil auch wir in der Bundesregierung diese Dinge so gesehen haben, haben wir bereits im November vergangenen Jahres mit den Gewerkschaften und auch mit den Arbeitgeberverbänden Verbindung aufgenommen und haben die beiden Sozialpartner darauf aufmerksam gemacht, daß es mit an erster Stelle ihre Aufgabe ist, dem deutschen Parlament, dem deutschen Volk Wege zu zeigen, wie man zu einer neuen Sozialordnung kommen kann. Im Januar dieses Jahres haben die Hattenheimer Verhandlungen begonnen; sie sind dann im März fortgeführt worden. Man hat gesagt: sie sind gescheitert. Ist das überhaupt wahr? Ich sage: nein. Man ist über gewisse Schwierigkeiten nicht hinweggekommen und hat sich dann einmal getrennt.


(Bundesarbeitsminister Storch)

Wir alle wissen, daß es in Deutschland bei der konkurrierenden Gesetzgebung zwischen dem Bund und den Ländern möglich ist, daß man in den einzelnen Ländern glaubt, auf der kleineren Basis schneller zur Regelung derartiger Fragen zu kommen. Man hat deshalb das größte Gewicht darauf gelegt, alle Fragen der Neuordnung der Wirtschaft und der Mitbestimmung der arbeitenden Menschen so schnell wie möglich politisch zu regeln. Ich habe im Kabinett und auch dem Kanzler gegenüber die Meinung vertreten, daß man das Zusammenwirken und das Verhandeln der Sozialpartner nich t unterbrechen darf, sondern daß es viel wichtiger ist, den beiden Sozialpartnern weitere Unterstützung auch vom Staate her zu geben, um schnellstmöglich zu neuen Grundordnungen, die von beiden Seiten anerkannt werden, zu kommen. Herr Abgeordneter Raestrup hat vorhin einige sehr wahre Worte gesagt. Auf diesem Gebiet sind Gesetze ohne eine geistige Wandlung der Beteiligten und Anerkennung von beiden Seiten wertlos. Wenn wir auf diesem Gebiet politische Gesetze schaffen, die nicht von den Sozialpartnern anerkannt werden, werden sie ebenso wenig wirksam werden wie die Gesetze, die wir vor der Währungsreform wirtschaftspolitisch im damaligen Vereinigten Wirtschaftsgebiet erlassen haben. Wir sollen uns auch nicht täuschen; es hat mir heute morgen innerlich wehgetan, als der Kollege Freitag in sehr scharfen Worten sich gegenüber den Arbeitgebern aussprach.
Die Verhandlungen, die über das Mitbestimmungsrecht in meinem Ministerium und in Maria Laach geführt worden sind, waren von einem eminent sittlichen Ernst der beiden Parteien getragen.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Es ist meine Aufgabe, das hier einmal in aller Klarheit und Deutlichkeit zu sagen.

(Abg. Neumann: Und der Effekt?)

— Der Effekt war der, daß man sich auf weiten Gebieten einig geworden ist.

(Abg. Dr. Wellhausen: Sehr richtig!)

Wir werden dem Parlament für diese Fragen Gesetzentwürfe von der Regierung vorlegen, in denen das, worüber sich die Sozialpartner einig geworden sind, auch seine Fundamentierung findet.

(Zuruf von der SPD: Wir werden Sie zu erinnern wissen!)

— Jawohl, das werde ich auch gern von Ihnen annehmen. Ich lasse mich gern an etwas erinnern, was ich gesagt habe.
Meine Damen und Herren! Wir wollen uns doch nicht täuschen; wir machen ja meistens den einen großen Fehler, daß wir den in der Wirtschaft gegebenen Zustand als etwas ansehen, was aus dem bösen Willen der einen oder anderen Seite erwachsen ist. Das trifft doch gar nicht zu. Die Situation, die wir heute haben, ist die Auswirkung einer industriellen Wirtschaft, die eben immer mehr zum Mittel- und zum Großbetrieb drängt, wo die Maschine in der Konkurrenz zur menschlichen Arbeitskraft steht. Heute ist die Tatsache zu verzeichnen, die Freund Arndgen vorhin anzeigte, als er sagte: 60 % der arbeitsfähigen Menschen in Deutschland sind heute eigentumsmäßig von den Produktionsmitteln getrennt, und sie haben deshalb nicht mehr die
Möglichkeit, in freier Entscheidung ihre wirtschaftlichen Dinge in eine gesunde Ordnung zu bringen. — Das ist doch der Zustand, der sich aus einer Entwicklung ergeben hat. Ich habe mich gefreut, daß die Leute von der Arbeitgeberseite, als ich im Dezember mit ihnen darüber sprach und sie auf die Struktur unserer Wirtschaft in Deutschland aufmerksam machte, aufgehorcht haben. Sie sind sich vielleicht im Trubel der Geschäfte über diese wirtschaftliche Zusammensetzung unseres Volkes gar nicht mehr klar gewesen. Wir wollen uns doch alle nicht darüber täuschen, daß das politische Kollektiv, das uns der Nationalsozialismus gebracht hat, vielleicht seine tiefsten Ursachen darin gehabt hat, daß durch diese wirtschaftspolitische Entwicklung die Menschen ihre persönliche Freiheit auf wirtschaftlichem Gebiet ja längst verloren hatten und es deshalb gar nicht so empfanden, als man ihnen die politische Selbstbestimmung auch genommen hat. Den Geist neu werden zu lassen, ist unsere Aufgabe; und ich bin der felsenfesten Überzeugung, daß, wenn die Schüsse von der politischen Bühne gegen die Verhandlungen zwischen den Arbeitgebern und Arbeitnehmern nicht abgegeben worden wären, ein besseres Ergebnis vor uns läge.

(Anhaltende Zurufe von der SPD.)

— Bitte?

(Zuruf des Abg. Richter! [Frankfurt])

— Aber, mein lieber Freund; an dem Tage, an dem Ihr in Düsseldorf vorn DGB die Entscheidung über das Ergebnis von Maria Laach zu fällen hattet, hat doch am Morgen der „Industrie-Kurier", der anscheinend ein Interesse daran hatte, die Verhandlungen zu keinem guten Ergebnis kommen zu lassen, den Schuß abgegeben, der meines Erachtens seine Reaktion in der Form der Düsseldorfer Erklärungen gehabt hat. Sehen Sie, meine Damen und Herren — —

(Zurufe links: Unternehmerzeitung!)

— Sicher stand es in einer Unternehmerzeitung, das weiß ich.

(Zuruf links: Sogar unabhängige Unternehmerzeitung!)

Wir wollen uns doch einmal darüber klar sein, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß die Menschen, die im Wirtschaftsleben die Verantwortung mitzutragen haben, doch letzten Endes von den Verhältnissen ausgehen müssen, die sie in den Betrieben und in der Wirtschaft vor sich sehen, und sie dürfen nicht von den Leuten gedrängt und getrieben werden, die in irgendwelchen Redaktionsstuben Dinge zusammenbrauen, die sie in ihrer Wirklichkeit und ihrem Ernst gar nicht kennen.

(Sehr richtig! bei der CDU.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin der persönlichen Überzeugung, daß, wenn dieser Weg zu einer neuen Arbeitsgemeinschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern nicht gefunden wird, wir erneut in den Zustand des Klassenkampfes von rechts und von links kommen, und das Ende einer derartigen Entwicklung dürfte eine Katastrophe für unsere deutschen Arbeitnehmer sein!

(Lebhafter Beifall bei der CDU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0108004500
Das Wort hat Herr Abgeordneter Degener.


Johannes Degener (CDU):
Rede ID: ID0108004600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Freitag hat heute in der Diskussion zu dem Problem das Wort Wirtschaftsdemokratie gebraucht. Neben diesem Wort Wirtschaftsdemokratie steht das andere sehr nahe: Betriebsparlamentarismus. Ich will nicht zu dem Gesamtproblem Stellung nehmen, sondern nur einiges kennzeichnen, was mir in der Debatte heute besonders aufgefallen ist und was mir die Grundlage der Gegensätze im besonderen zu sein scheint. Die Anwendung dieses Begriffes Wirtschaftsdemokratie halte ich nicht für vorteilhaft, weil eben auf der Gegenseite sofort der Eindruck entsteht, daß hier etwas wachsen soll, wie auf dem parallel gelegenen politischen Grund, ein Betriebsparlamentarismus mit seiner ganzen Schwerfälligkeit.
Nun bin ich der Auffassung, daß wir, wenn wir im Zusammenhang mit der Erörterung des Problems der Mitbestimmung eine Aufgabe haben, es die ist, zu verhindern, daß ein solcher Betriebsparlamentarismus auftritt.

(Sehr gut! in der Mitte und rechts.)

Das ist die eine Seite. Ich möchte deshalb an die Stelle dieses Begriffes den Begriff der wirtschaftlichen Selbstverwaltung stellen.
Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang etwas zu der Kritik zu sagen, die auch mein Fraktionskollege Dr. Schröder heute an den Verhandlungen im Ministerium für Arbeit geübt hat. Ich bin mit dieser Kritik in keiner Weise einverstanden. Ich möchte eben im Anschluß an das von mir gebrauchte Wort über die wirtschaftliche Selbstverwaltung zum Ausdruck bringen, daß es das Bestreben sein müßte, dieses Problem zwischen den Sozialpartnern auszuhandeln, und ich sage ganz ehrlich, daß es bei der Bedeutung dieses Problems im höchsten Maße bedauerlich ist, daß es zu keiner Verständigung gekommen ist. Daß die Verständigung nicht erzielt wurde, hat aber nicht der Herr Bundesminister für Arbeit zu verantworten, sondern andere Kreise. Grundsätzlich bin ich auch heute noch der Auffassung, daß es besser gewesen wäre, wenn der Gesetzgeber lediglich die Aufgabe gehabt hätte, die letzte Hand anzulegen, um verbliebene Unebenheiten auszufeilen. Ich halte es nicht für gut, daß wir nun auf der Basis zweier vorliegender Initiativgesetzentwürfe, die in Form und Inhalt stark voneinander abweichen, und auf der Basis eines noch hinzukommenden Regierungsentwurfs unter dem Druck der vorhandenen Spannungen in die praktischen Beratungen im Ausschuß eintreten müssen.
Meine Damen und Herren! Es ist aber von Herrn Kollegen Freitag noch etwas anderes sehr deutlich gesagt worden, und das ist der zweite Gesichtspunkt aus der Debatte, den ich herausstellen möchte. Diese wichtigen Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern sind danach offenbar daran gescheitert, daß die Arbeitgeberseite betriebsfremde Einflüsse auf dem Gebiete der Mitbestimmung ausschalten wollte und die Frage der betrieblichen Mitbestimmung ausschließlich als eine Domäne der Betriebsangehörigen - Arbeitgeber und Arbeitnehmer — ansah. Ich weiß nicht, ob die Herren Vertreter des DGB gutgetan haben, an dieser Frage die Verhandlungen scheitern zu lassen. Ich glaube nicht, daß sie dabei der Sache der Mitbestimmung einen guten Dienst erwiesen haben. Zweifellos aber hat sich die Ansicht der Gegenseite stärker entfaltet und entwickelt, daß hier auf einem Umwege versucht wird, eine Monopolstellung der Gewerkschaften herbeizuführen, ja, daß darüber hinaus die Gefahr besteht, daß man auf diesem Umwege einer dogmatischen Wirtschaftslehre zum Einsatz verhelfen wolle. Diese Gegensätze sind nun vorhanden,

(Zuruf von der CDU: Leider!)

und unter diesen Eindrücken soll das Parlament die Aufgabe lösen. Wie gesagt, das sind die Schwierigkeiten, die ich sehe.
Meine Damen und Herren! Ich glaube aber nicht, daß der Herr Kollege Freudenberg recht hat, wenn er vor Kompromissen warnt. Wir von der CDU-Fraktion glauben, daß unser Entwurf, der zunächst einmal das Gebiet der innerbetrieblichen Mitbestimmung fundamentieren soll, eine Plattform für einen Kompromiß darstellt. Wer den Entwurf gründlich studiert, wird finden, daß er weder den Weg des Betriebsparlamentarismus noch den anderen Weg der Monopolstellung einer betriebsfremden Organisation öffnet. Die Einzelheiten unseres Entwurfs bedürfen der Beratung. Wir stehen nicht auf dem Standpunkt, daß jeder geschriebene Satz seine Gültigkeit haben soll. Was ich mit meinen Ausführungen erreichen möchte, ist, daß das auf beiden Seiten vorhandene Mißtrauen mit gutem Willen abgebaut wird, daß man an die sachliche Arbeit herangeht.
Wenn wir in unserer deutschen Geschichte häufiger kompromißbereit gewesen wären, dann wären wir heute nicht in der Not, in der wir uns befinden. Ich bin ein Freund tragbarer Kompromisse, und ich hoffe, daß man im Ausschuß zu einer Kompromißlösung gelangt. Daß ich selbst mit dem Inhalt des CDU-Entwurfs nicht in allen Einzelheiten zufrieden bin, will ich Ihnen jetzt an einer Forderung klarmachen, die ich aus meiner Entwicklung heraus zu stellen habe.
Ich stamme aus der deutschen Angestelltenbewegung, und ich habe bei meiner parlamentarischen Arbeit in der kurzen Zeit hier in Bohn festgestellt, daß wir auf dem Gebiete der Sozialpolitik und des Arbeitsrechts vornehmlich mit dem Sammelbegriff „Arbeitnehmer" operieren. Dieser Sammelbegriff kennzeichnet nur ein abhängiges Dienstverhältnis; er sagt nichts über Beruf, Berufsinteresse, Stellung in der Wirtschaft, Tätigkeitsgebiet usw. Wir haben in Deutschland in der Vergangenheit eine Angestelltenbewegung mit mehr als einer Million organisierten Angestellten gehabt, die auf dem Gebiete der Sozialpolitik, der Sozialversicherung, des Arbeitsrechts usw. erfolgreich, sehr erfolgreich gearbeitet hat. Ich glaube, heute die Tendenz feststellen zu müssen, daß man — das geht ja auch aus der neuen Organisationsform zum Teil hervor, die man entwickelt hat - dabei der Angestelltenschaft nicht mehr die Sonderstellung einzuräumen bereit ist, die sie gehabt hat. Dazu liegt keinerlei Grund vor. Die Angestelltenschaft ist eine Einheit, und sie hat ein Recht darauf, als solche gewertet zu werden; sie hat ein Recht darauf, die Berufsinteressen ihres Standes aus eigenen Organisationen heraus zu entwickeln und zu fördern.
Ich verlange daher und werde für entsprechende Anträge im Ausschuß sorgen, daß nach dem Mitbestimmungsrecht, so wie das früher im Betriebsrätegesetz von 1920 war, die Wahl eines Angestelltenrats durch die Angestellten, eines Arbeiterrats durch die Arbeiter erfolgt und daß beide Gruppenräte zusammen dann den Betriebsrat bilden, um die gemeinsamen Aufgaben zu leisten, die sich für sie ergeben. Es kann der Angestelltenschaft nicht zugemutet werden, in Fragen, die nur sie selbst und sie allein angehen, im Betriebe


(Degener)

majorisiert zu werden. Ebensowenig könnte man das im umgekehrten Falle der Arbeiterschaft zumuten.
Ich bin also der Meinung, daß auf diesem Gebiete noch das eine oder andere zu regeln ist. Ich hoffe, daß das Mitbestimmungsproblem im Ausschuß in sachlicher Beratung im Sinne des Herrn Bundesarbeitsministers gelöst wird, also so gelöst wird, daß nicht ein Werk entsteht blutlos und leer, sondern ein Werk, vom Geiste der Beteiligten getragen, das für die wirtschaftliche Entwicklung von Segen ist.

(Beifall bei der CDU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0108004700
Das Wort hat Herr Abgeordneter Keuning.

Dietrich Keuning (SPD):
Rede ID: ID0108004800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Dr. Schröder hat heute morgen bei der Begründung des Gesetzentwurfs im wesentlichen zwei große Kreise gezogen. In den einen Kreis setzte er die betrieblichen Belange und in den anderen Kreis die überbetrieblichen Belange. Ich glaube, Herr Dr. Schröder, daß diese scharfe Scheidung mit der Wirklichkeit, in der wir stehen, nicht das geringste zu tun hat. Sie führten selbst aus, daß in 20 % der Betriebe 80 % der Arbeitnehmer beschäftigt sind. Diese 80 % in unserem Bundesgebiet sind rund 10 Millionen Menschen, die, oh sie in Arbeit stehen oder nicht in Arbeit stehen, das gesamtwirtschaftliche Leben doch sehr entscheidend beeinflussen.
Wir sind vor einigen Tagen in WatenstedtSalzgitter gewesen — Sie sind mit dort gewesen —, und wir haben gesehen, daß die ganzen Schwierigkeiten dieses Gebiets letzten Endes daher kommen, daß das dort liegende große Werk nicht mehr in Betrieb ist. Ich glaube, daß hier ein Musterbeispiel dafür vorhanden ist, wie sehr die Gemeinden davon abhängen, in ihrem Raum lebensfähige Betriebe zu haben, die auch funktionieren. Das Gedeihen oder Nichtgedeihen eines Betriebes kann Tod oder Leben für die Gemeinde bedeuten. Insofern ist jedes Betriebsinteresse von bedeutendem Gesamtinteresse.
Ich glaube aber, schon zwischen Ihren Ausführungen und der Begründung des Entwurfs einen gewissen Widerspruch zu finden. Sie schreiben in der Begründung auf Seite 18 unter § 1 über die Aufgaben der beiden Partner im Betrieb und sagen da am Ende des ersten Absatzes:
Bei der Erfüllung dieser Aufgabe dürfen sie aber nicht nur ihre beiderseitigen Belange im Auge haben, sondern müssen sich in den Rahmen der Gesamtwirtschaft fügen, von der ihr Betrieb nur ein Glied ist.
Damit stellen Sie doch selbst klar heraus, daß hier nicht davon die Rede sein kann, das Geschehen im Betrieb sei reines Privatinteresse. Das Geschehen im Betrieb beeinflußt sehr stark das gesamtwirtschaftliche Geschehen. Ich habe aber Ihren Ausführungen als Wesentliches entnommen, daß es darauf ankommt, eine klare Trennung zwischen der Arbeitnehmerschaft im Betrieb und den Gewerkschaften zu vollziehen. In derselben Begründung sagen Sie auf Seite 19 dann weiter, daß die Betriebsräte nicht an Aufträge und Weisungen gebunden sein sollen, und setzen in Klammern hinzu „Marschrouten". Damit bringen Sie also zum Ausdruck, daß die Arbeitnehmer nicht aus freiem Entschluß irgendwelche Entscheidungen treffen würden, sondern von gewerkschaftlichen Instanzen in ihrer Entschlußfreiheit gehemmt oder in eine bestimmte Richtung gedrängt würden. Das ist das, was ich Ihrer Begründung als Wesentlichstes entnommen habe.
Der Ausschuß für Arbeit hat sich bei den verschiedensten Besichtigungen in verschiedenen Werken bemüht, einen Eindruck von dem zu gewinnen, was an wirklich echtem Mitbestimmungsrecht in den Betrieben vorhanden ist; ich denke jetzt besonders an die Besichtigung der Gute-Hoffnungs-Hütte in Oberhausen. Hier handelt es sich um ein entflochtenes Werk, und anwesend war der Vater dieser ganzen Idee, Herr Dr. Dinkelbach. Er hat dann in Ausführungen klar erkennen lassen, und auch in der Diskussion wurde das erhärtet, daß in den entflochtenen Werken bei den Aufsichtsräten nun ein wesentlich größeres Interesse für die wirtschaftlichen Belange festzustellen sei, als das bis zum Zusammenbruch der Fall war. Ich glaube, Herr Dr. Dinkelbach ist zu einer solchen Äußerung befugt. denn meines Wissens war er bis zum Zusammenbruch in mehr als 30 Aufsichtsräten tätig — ich glaube, es waren sogar fast 40, jedenfalls aber 30 —, so daß er sich also wohl ein sehr gutes Urteil bilden kann. Das Eigenartige ist mir nun, daß, wie ich weiß, der Urheber dieses Gesetzentwurfs, Herr Dr. Schröder, doch engster Mitarbeiter des Herrn Dr. Dinkelbach ist.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Wenn nun Herr Dr. Dinkelbach selbst diese Einrichtung als etwas Nachahmenswertes hinstellt, dann ist es mir eigentlich unerklärlich, daß sein enger und vertrauter Mitarbeiter diesen Weg nicht weiter beschreitet.

(Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Sie sehen Widersprüche, die nicht da sind, Herr Keuning!)

— Dann würde es mich freuen, nachher eventuell belehrt zu werden. Ich sehe aber einen Widerspruch darin, Herr Dr. Schröder, daß Sie, wie § 46 der Vorlage erkennen läßt — und das ist das Wesentliche in Ihrem Entwurf —, keine Einschaltung der Gewerkschaften in den Aufsichtsrat wollen.

(Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf] : Das steht auch nicht drin!)

- Sie sprechen von einem Vorschlagsrecht der Gewerkschaften, und zwar bezieht sich das, wenn ich es recht verstanden habe, auf Mitglieder des Betriebes, die von Gewerkschaften vorgeschlagen werden.

(Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Nein, keineswegs!)

— Dann habe ich das nicht recht verstanden. Sie sprechen aber im ersten Teil des § 46 davon, daß nur Arbeitnehmer Mitglieder sein können. Dann finde ich das zumindest sehr unklar ausgedrückt. denn im ersten Satz steht ganz eindeutig, daß der Aufsichtsrat zu einem Drittel aus Vertretern der Arbeitnehmer gebildet wird.

(Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Aus Vertretern der Arbeitnehmer!)

Wenn nun verlangt wird, daß nur Mitglieder der Betriebe in den Aufsichtsräten sein sollen, dann müßten wir uns fragen, mit welchem Recht die andere Seite nun alle möglichen fachlich geeigneten oder richtig erscheinenden Personen in die Aufsichtsräte hineinholt. Wenn heute morgen davon gesprochen wurde, daß die Aufsichtsräte und der Vorstand nach dem Aktiengesetz eine gewisse


(Keuning)

Verantwortung tragen, so möchte ich doch gern hören, wie oft es vorgekommen ist, daß Vorstandsmitglieder vor Gericht gezogen wurden, weil sie unfähig waren oder weil das ihnen anvertraute Werk nachher nicht mehr lebensfähig war. Die Unfähigkeit dieser Personen hat sich, wie wir das in den meisten dieser Fälle erlebt haben, so ausgedrückt, daß Konkurs angemeldet wurde. Dann war aber meist nicht der Betroffene, der Unfähige aus dem Vorstand der Leidtragende, sondern die Leidtragenden waren dann die in dem Betrieb beschäftigten Arbeiter. Sie wurden arbeitslos, und bei größerer Erwerbslosigkeit wurde es dann zu einem erheblichen Teil auch doch erforderlich, aus Steuergeldern Mittel zu Unterstützungen zur Verfügung zu stellen. Dabei hat die Riesenarbeitslosigkeit vor 1933 doch klar aufgezeigt, daß dann im wirtschaftlichen Gefüge irgendeine große Unordnung oder irgendeine Unfähigkeit vorhanden sein mußte, sonst hätte es dazu nicht kommen können.
Die Arbeiterschaft hat aus diesen Ereignissen die Lehre gezogen, daß es nötig sei, die Demokratie auch in die Wirtschaft einzubauen, nicht, wie eben vom Abgeordneten Degener gesagt wurde, den Betriebsparlamentarismus einzuführen, sondern die Arbeiterschaft hat erkannt, daß die Demokratie der Weimarer Republik nicht die Lebenssicherheit gab. Es war eine politische Demokratie. In dieser politischen Demokratie haben sich die Kräfte des Kapitalismus sehr blühend entwickelt. Es kam zu Riesengebilden, bis zu 300 000 Menschen in einem Gebilde in der Hand von wenigen Wirtschaftsmachthabern. Diese Gebilde haben das gesamte Wirtschaftsleben entscheidend beeinflußt. Wenn hier heute morgen von einer Nebenregierung gesprochen wurde, von einer Nebenregierung der Gewerkschaften, ja, meine Damen und Herren, ich möchte doch einmal fragen: Hat nicht so etwas wie eine Nebenregierung der Großindustrie bestanden, sind nicht hier und dort noch die großen Verwaltungspaläste zu finden? Und wann sind sie gebaut worden? Die Jahreszahlen, die an den Stirnseiten angebracht sind, zeigen ja, daß sie in Zeiten größter Not erbaut wurden. Aus diesen Palästen heraus wurde entscheidend von der Nebenregierung her das gesamte Leben in der deutschen Republik beeinflußt. Die Konzernherren haben entscheidend dazu beigetragen, daß es möglich wurde, über diese Nebenregierung eine Regierung zu ermöglichen, die das Unglück, in dem wir heute sitzen, letzten Endes allein verschuldet hat. Sie wissen genau, worauf ich dabei anspiele, auf die großen Spenden der Großindustrie an die NSDAP; Sie wissen auch wohl, daß im Thyssen-Prozeß von Thyssen selbst zum Ausdruck gebracht wurde, daß ihm die Brüningsche Wirtschaftspolitik nicht zusagte und aus diesem Grunde die Arbeitslosigkeit von ihm ver- schärft wurde. Bitte, das können Sie nachlesen, meine Damen und Herren! So ist das doch zu sehen! Man muß sich das einmal vorstellen: ein Mensch mit solch einer Auffassung vom Gesamtwohl steht an der Spitze von Gebilden mit 300 000 beschäftigten Menschen; welch ungeheuer verderblicher Einfluß auf das gesamte Leben!
Ich will nicht zu sehr in der Vergangenheit herumkramen. Es ist auch jetzt noch interessant, meine Damen und Herren! Im vorigen Jahr war im Industriegebiet im August/September eine ziemlich starke Kurzarbeitswelle wirksam. Es ist dabei interessant zu sehen, daß der Auftragsbestand für die eisenschaffende Industrie — zu Anfang des vorigen Jahres gleich 100 gesetzt - im Laufe des
Jahres bis August auf 70 absank. Die Produktion im vorigen Jahr — Anfang des Jahres ebenfalls gleich 100 gesetzt — stieg aber bis August auf 130, so daß dann Mitte August Auftragsbestand und Produktion um 60 auseinanderklafften. Und dann erfolgten die Wahlen und praktisch fast mit dem Wahltag setzte die große Kurzarbeitswelle hier ein.
Ich will nicht bestimmte Schlüsse ziehen, ich überlasse es jedem selbst, die ungeheueren Möglichkeiten zu beurteilen, die hier vorhanden waren. Wenn ich als Betriebsratsvorsitzender eines großen Betriebes mit immerhin 71/2 Tausend Menschen Belegschaft in die betrieblichen Unterlagen hineinschaue wie auch die anderen verantwortlichen Leiter des Werkes, dann habe ich dabei immer empfunden, wie eng, wie unbeweglich ich in meiner Tätigkeit als Betriebsratsvorsitzender praktisch bin, wenn die außerbetrieblichen Einflüsse so stark sind, daß ich mich im Betrieb selbst gar nicht dagegen wehren kann. Bei bester Einsicht im Betrieb, bei bestem Wollen, mit der Leitung zusammen einen Betrieb aufzubauen, eine Leistung zu vollbringen, den Arbeitern den Arbeitsplatz zu sichern, war es einfach nicht möglich, auf Grund der allgemeinen Lage hier vom Betrieb aus irgendwie einen Einfluß zu nehmen.
Wenn dann damals gleich in der Arbeiterschaft, in der Arbeitnehmerschaft — ich darf doch das Wort gebrauchen, das der Kollege Degener nicht so sehr wünschte — das große Bangen, die Angst auftauchte, nun erwerbslos zu werden, so ist die letzte Ursache dafür doch in dem Streben nach Sicherheit zu finden, die ja auch mit diesem Gesetzentwurf in etwa angesprochen wird. Es ist doch die Angst des arbeitenden Menschen, morgens draußen zu stehen, nicht mehr seine Familie ernähren zu können, die Angst, die ihn dazu treibt, neue Wege zu suchen, dieses doch schon so oft erlebte Hoch und Tief nicht wieder zu erleben. Wenn man dann heute morgen von Herrn Dr. Hammer hörte, wie er in seinen Ausführungen von der Stoppuhr und von dem Meister sprach, daß er sagte, das letzten Endes doch die Betriebsgemeinschaft das Tragende ist, dann möchte ich dem Herrn Dr. Hammer sagen: Sein Fraktionskollege, unser stellvertretender Bundeskanzler Herr Blücher war es, der im vorigen Herbst erklärte, man solle nicht soviel Gerede um das Mitbestimmungsrecht machen, man solle dem Arbeiter einen vernünftigen Akkord geben, und alle Fragen wären geklärt. Ich glaube, wer die Frage so sieht, geht sehr an dem Leben vorbei.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Wenn Herr Seebohm, der Verkehrsminister, ebenfalls erklärte, daß dieses große Streben nach Sicherheit doch in Sklaverei führen müsse, meine Damen und Herren, dann glaube ich, daß Herr Seebohm niemals in Unsicherheit gelebt hat.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Ich glaube nicht, daß er gebangt hat: Bin ich bei denen, die den blauen Brief bekommen und damit wer weiß für wie lange Zeit die Hoffnung begraben muß, irgendwelche Anschaffungen zu machen?
Sie irren mächtig, meine Damen und Herren, die Sie hier heute gegen die Grundsätze des eingebrachten Gesetzentwurfes sprachen, wenn Sie glauben, daß es dem Arbeiter darauf ankäme, momentan irgendwelche Pfennige sich zu sichern. Es geht ihm darum, die Ernte des langen, mühevollen Ar-" beitslebens zu sichern. Das ist sein Bestreben. Wenn hier immer wieder versucht wurde, eine Trennung zwischen Gewerkschaften und den Männern in den


(Keuning)

Betrieben zu vollziehen, so glaube ich, daß man auch hier die Lage sehr verkennt.
Von meinen Fraktionsfreunden ist hier auf die Bedeutung der Gewerkschaften in der Vergangenheit hingewiesen worden. Ich glaube auch, daß die Einsichtigen hier erkannt haben, welche Rolle sie gespielt haben. Wir im Betrieb haben es genügend oft erlebt. In den schwierigsten Situationen haben uns die Gewerkschaftssekretäre zur Verfügung gestanden, und es wäre manchmal böse ausgelaufen, wenn nicht das gesamtvolkswirtschaftliche Interesse von den berufenen Gewerkschaftsvertretern im Betrieb den Arbeitnehmern klargemacht worden wäre.
Wir erleben auch, daß die ganze Schulung der Gewerkschaften doch letzten Endes geleitet ist von gesamtvolkswirtschaftlichen Interessen. Meine Damen und Herren, ich glaube, daß es auch einem Teil dieses Hauses bekannt ist, daß ein Streik nicht von heute auf morgen vom Zaune gebrochen werden kann; da muß die Zusage des Gewerkschaftsbundes vorliegen; auch hier spielen gesamtvolkswirtschaftliche Interessen eine große Rolle. Ich möchte das denen sagen, die heute meinten, daß die Gewerkschaften hier nur Machtansprüche stellten.. Ich glaube, daß diejenigen, die nun dauernd die Gewerkschaft ausschalten möchten, nicht im geringsten die Rolle erkannt haben, die die Gewerkschaft in der Vergangenheit gespielt hat. Sie war es doch, die sich mit eingesetzt hat, daß das ganze Wirtschaftsleben wieder in Gang kam. Denken Sie an die Parolen „Der Bergmann zuerst!", die überall zu lesen waren, und daran, welcher Einfluß der Gewerkschaft dahintersteckte, die Bergarbeiter mit an die Arbeit zu bringen.
Ich glaube, daß man hieraus erkennen kann, wie sehr der schaffende Mensch Mittelpunkt der ganzen Gesellschaft ist. Diese ganze Gesellschaftsordnung wird nicht eher ein sicheres Gefüge haben, als bis dieser schaffende Mensch wieder in den Mittelpunkt der Gesellschaft gerückt ist und bis der Arbeiter als Mensch in dieser Gesellschaft geachtet wird. Dafür kämpft die Arbeiterschaft mit den Gewerschaften. Ich möchte das allen denen sagen, die glauben, eine Trennung vollziehen zu können zwischen den arbeitenden Menschen in den Betrieben und der Gewerkschaft.
In diesem Sinne werden wir bei der Beratung des Gesetzes im Ausschuß unsere Anträge einbringen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108004900
Das Wort hat der Abgeordnete Harig.

Paul Harig (KPD):
Rede ID: ID0108005000
Meine Damen und Herren! Die Frage des Mitbestimmungsrechts ist nicht nur eine Frage dieses Hauses, die Frage des Mitbestimmungsrecht ist eine Kampffrage, ist eine Frage der Belegschaften in den Betrieben, die das Mitbestimmungsrecht haben wollen. Wir haben das doch erlebt: nach 1945, 1946 war es möglich, ohne daß das Parlament dazu Stellung nahm, die Frage der Mitbestimmung in einer ganzen Reihe von Betrieben zu klären und Vereinbarungen darüber zu treffen. Das war die Zeit, in der der Unternehmer, derjenige, der Angst hatte vor der Entwicklung der Dinge, der Mann, der während der Zeit des Tausendjährigen Reiches auch Politik gemacht hatte, sich im Kellerloch oder Mauseloch verkrochen hat. Aber nachdem die Macht der Unternehmer sich wieder festigen konnte, haben sie sich einen Dreck darum gekümmert, ob in den Betrieben Vereinbarungen abgeschlossen waren oder nicht. Gehen Sie zu den i Arbeitsgerichten, und Sie werden sehen, daß dort Arbeit in Hülle und Fülle nur aus dem Grunde vorhanden ist, weil die Unternehmer ihre eigenen Abmachungen mit den Arbeitern oder ihren Vertretern nicht einhalten. Bei uns in Hagen war es seit Monaten notwendig, eine zweite Kammer einzurichten, weil die Arbeitsgerichte bei dieser Art und Weise des Vorgehens der Unternehmer, das dann zu arbeitsgerichtlichen Klagen führte, die Fälle nicht mehr bewältigen konnten. Dort, wo die Belegschaften Widerstand leisteten und sich hinter Betriebsräte in der Frage des Mitbestimmungsrechts stellten, haben wir zum Teil erlebt, daß die Arbeitnehmer ihr Mitbestimmungsrecht hielten. Zum Teil haben wir aber auch erlebt, daß gewissenlose Unternehmer dazu übergingen, den Betrieb stillzulegen, alle Arbeiter zu entlassen und zu erklären: Ich habe keine Aufträge mehr; ein Beweis dafür, wie groß die wirtschaftliche Macht in der Hand weniger bedeutet, wie sie auf die Belange des Volkes keine Rücksicht nehmen und von ihrer wirtschaftlichen Macht Gebrauch machen. — Ich sehe vor mir Menschen sitzen, die ein jetzt ungläubiges Gesicht machen. Ich werde nur einen Betrieb nennen, bei dem es so gehandhabt wurde: bei der Firma Kalthoff in Hagen.
Ich kann auch noch einen anderen Beweis antreten, und das ist ein Fall, den ich selbst erlebte. Ich war ja selbst bis vor kurzem Betriebsratsvorsitzender eines großen Werkes und habe eine betriebliche Vereinbarung abgeschlossen, nach der Betriebsräte nicht gekündigt werden können, es sei denn, die Zustimmung der Gewerkschaften, die Zustimmung des Betriebsrates ist vorhanden. Einen Fetzen Papier ist es wert zu einer Zeit, in der sie glauben, wieder mit der Macht spielen zu können. So liegen doch die Dinge.
Aus dem Grunde stehe ich auf dem Standpunkt: Das Mitbestimmungsrecht ist nicht nur eine Frage des Parlaments, sondern ist eine Machtfrage, und man sollte nicht nur heute, sondern man sollte morgen, übermorgen und zu allen Zeiten die Gewerkschaft als die Interessenvertretung der arbeitenden Menschen im Betrieb, die das Mitbestimmungsrecht angeht, darauf hinweisen, daß sie den Kampf zu organisieren haben; denn wenn heute das Mitbestimmungsrecht vereinbart werden sollte, ist es morgen schon einen Fetzen Papier wert wie die Verträge der Vergangenheit.
Aber nun etwas Grundsätzliches zu der Frage des Mitbestimmungsrechts im ganzen! Die Stellungnahme meiner Fraktion unterscheidet sich von der Stellungnahme der Diskussionsredner, die heute hier aufgetreten sind, wenigstens zum größten Teil. Mehrere Diskussionsredner, hauptsächlich Mitglieder der Gewerkschaften, haben einige positive Dinge vorgetragen, sind aber in all diesen Fragen nicht konsequent genug gewesen. Die Frage des Mitbestimmungsrechts ist in der Öffentlichkeit nicht verstummt. Seit 1945 steht sie im Mittelpunkt der Diskussion, einmal heftiger, einmal weniger heftig. So haben nicht nur die Gewerkschaftskonferenzen, die Versammlungen der Gewerkschaftskollegen und die Kollegen in den Betriebsversammlungen zu dieser Frage Stellung genommen, sondern auch die verschiedensten Parteien, der Katholikentag und die Presse, alle auf Grund der Forderung entscheidender Teile des Volkes nach Verwirklichung des Mitbestimmungsrechts. Diese Forderung ist im Volke fest verwurzelt. An dieser Diskussion konnte auch derjenige nicht vorbeige-


(Harig)

hen, der das Mitbestimmungsrecht nicht will. Das in- und ausländische Kapital hat sich an der Diskussion um das Mitbestimmungsrecht rege beteiligt. Die Arbeitgeberverbände haben im Kampf gegen das Mitbestimmungsrecht eine starke Stellung bezogen.

(Zustimmung bei der KPD.)

Nicht nur die Unternehmer, die Monopolkapitalisten des Auslandes und die Arbeitgeberverbände, sondern auch hohe geistliche Würdenträger wie Bischöfe und der Papst haben sich in die Diskussion eingemischt. Sie haben eine Einheitsfront in der Abwehr dessen, was da kommen könnte, geschaffen. Manche sind dabei ziemlich stur zu Werke gegangen. Manche sind auf Grund der Lage, wie sie nun einmal zu verzeichnen ist, etwas konzessionslüstern gewesen. Aber in einem waren sich alle einig, indem sie sagten: Für uns Unternehmer, für uns Arbeitgeber, für uns Monopolkapitalisten ist die Frage des Mitbestimmungsrechts der Werktätigen ein Hindernis auf dem Wege zur Durchführung des Marshall-Planes, des Schuman-Planes und der kriegerischen Vorbereitungen.

(Sehr richtig! bei der KPD.)

Die ausländischen und deutschen Großkapitalisten haben nicht die Absicht, das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer zu dulden. Ihre politischen und wirtschaftlichen Ziele sind gegen die Demokratisierung der Wirtschaft gerichtet; sie sind gerichtet auf die unumschränkte Alleinherrschaft. Dieses Streben nach Alleinherrschaft in den Betrieben erleben wir überall. Einen Tag, nachdem ich entlassen war, hat in meiner Heimat mehr als ein halbes Dutzend von Unternehmern ihren Betriebsräten gesagt: „So, nun ist euer Führer am Ort zum Teufel, und nun werden wir euch zeigen, daß es auch noch Tariflöhne gibt;

(Hört! Hört! bei der KPD)

nun werden wir euch zeigen, daß es auch noch Arbeitslose gibt." Ich kann dafür den Beweis antreten. Die Unternehmer, hauptsächlich die Monopolkapitalisten, die dabei tonangebend waren, haben in der Vergangenheit niemals Gelüste verspürt, breite Schichten des Volkes nach demokratischen Methoden mitbestimmen zu lassen. Ich habe das in mehreren Besprechungen mit dem Vorsitzenden des Klöckner-Konzerns, Herrn Dr. Jarres, selbst erlebt. Ich kenne die Melodie, die gesungen wurde. Sie wollen nicht, daß die Menschen, die die Werte schaffen, über diese Werte, über die Produktion, die Art der Produktion und ihre Verteilung mitbestimmen. Das paßt nicht in ihren Kram. Sie verstehen sich vielmehr auf das Regieren, auf das Diktieren und auf das Befehlen, in der Hauptsache im Betrieb. Sie haben in der Vergangenheit schon des öfteren selbst aus den Schichten der Arbeitnehmer Menschen für ihre Ziele eingespannt, haben die wirtschaftliche Not dieser Menschen dazu benutzt, ihre reaktionäre Politik in den Betrieben durchzuführen. Sie haben brutal ausgebeutet. Den armen Menschen, der tagaus tagein, jahraus jahrein in Winter und Sommer, im Regen oder Schnee, mitten in der Nacht aufstehen mußte, unter unmenschlichen Bedingungen das Brot für seine Familie verdienen mußte, haben sie nie geachtet. Ich spreche aus Erfahrung; denn ich stehe seit 40 Jahren in den Betrieben, mitten in der Arbeiterschaft, habe also in dieser Beziehung mein Teil hinter mir. Sie haben schon zu einer Zeit, als der Drang nach Sozialismus in der Arbeiterschaft sehr groß war, ein großes Betrugsmanöver durchgeführt. Der Nationalsozialismus war das größte Meisterstück, daß sie
sich in dieser Beziehung geleistet haben. Die sozialistischen Gefühle der Arbeitnehmer haben sie ins Gegenteil verkehrt.
Einen ähnlichen Betrug haben sie heute mit dieser Vorlage auch wieder vor. Die Forderungen auf Mitbestimmungsrecht sind nicht totzuschweigen. Aber dieses Mitbestimmungsrecht soll zur Erhaltung der Macht der Bank- und Fabrikherren verfälscht werden. Darin liegt eine große Gefahr für die Arbeiterschaft.

(Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Sie müssen wohl auch eine Reinigungsrede halten!)

— Herr Dr. Schröder, wir sind ja keine Unbekannten. Sie, Herr Dr. Schröder, die rechte Hand von Herrn Dinkelbach, sind der Schöpfer oder der Vater dieses Entwurfs.

(Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Wer hat Ihnen das gesagt, Herr Harig?)

— Sie selber, klatschen Sie nur Bravo! Sie sind der Vater dieses Entwurfs, und Sie handeln im Auftrage Ihrer Fraktion und deren Hintermänner.

(Sehr gut! bei der KPD. — Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Ich habe leider keine Hintermänner!)

— Sie handeln im Auftrage der Hintermänner der Fraktion, der Freunde von Pferdmenges und der Freunde von Dinkelbach.

(Sehr richtig! bei der KPD. — Lachen in der Mitte. — Zuruf von der Mitte: Der weiß genau Bescheid!)

Die Ideologie und die Mentalität Ihrer Freunde und
und Ihrer Auftraggeber spricht aus dieser Vorlage.

(Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Die Vorlage ist nicht so schlecht, wie Sie glauben, Herr Harig!)

— Sie ist viel schlechter, als ich es im ersten Moment glaubte, weil sie geschaffen wurde, um die Begriffe zu verwirren.

(Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Das ist ja nicht wahr!)

Im ersten Paragraphen lese ich es schon, wo von der Betriebsgemeinschaft gesprochen wird.

(Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Sind Sie dagegen?)

Wollen Sie mir den Unterschied zwischen der Theorie, die in dieser Beziehung während der Nazizeit gepredigt wurde, und der Theorie der Betriebsgemeinschaft sagen?

(Sehr gut! bei der KPD. Abg. Frau Dr. Gröwel: Wir wissen mit den Nazis nicht so Bescheid! — Heiterkeit und Sehr gut! in der Mitte.)

— Tun Sie doch nicht so! Ich kenne doch alle Leute.
Und wenn ich eine Damenstimme höre, dann bin
ich etwas zurückhaltend, weil ich ein Mann bin.

(Heiterkeit.)

Der Name Dinkelbach, davon bin ich überzeugt, ist mit dem Inhalt dieses Entwurfs identisch. Der Name Dinkelbach besagt eben alles.

(Zuruf von der KPD: Das ist ein Programm!)

Es ist auch nicht so, als wenn ich Herrn Dinkelbach nicht kennen würde; ich habe ihn zur Genüge erlebt.

(Abg. Frau Dr. Gröwel: Es sind aber nicht alle Dinkelbacher!)

Auf dem Katholikentag wurde eine Arbeitsgemeinschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gebildet. In dieser Arbeitsgemeinschaft war


(Harig)

der maßgebliche Mann Dinkelbach. Er hatte die Aufgabe, für die er sozusagen geboren ist. Er hatte die Aufgabe, auszuknobeln, wie man aus schwarz weiß machen kann.

(Abg. Strauß: Vielleicht war er bezahlt? — Zuruf von der FDP: Denk mal an!)

Diese Aufgabe hat er.

(Abg. Strauß: Die Schwarzen bleiben schwarz!)

Er hat in dieser Frage schon einmal ein Meisterwerk geleistet, und zwar bei der Entflechtung.

(Sehr gut! bei der KPD.)

Als nämlich nach 1945 fast die gesamte Arbeiterschaft stürmisch die Enteignung der Monopolkapitalisten oder die sogenannte Sozialisierung verlangte, war es Dinkelbach, der damals die Begriffe verwirrte und unter dem Motto der Entflechtung den breiten Schichten des Volkes begreiflich machen wollte, daß die Entflechtung zu demselben Ziel führen würde. Ich habe in dieser Frage einige Erfahrungen, weil ich von Anfang an mit dabei war,

(Zuruf von der Mitte: Haben Sie auch entflochten?)

mehr dabei war als diejenigen, die hier so tun, als ob sie mehr von den Dingen verstehen. Und in seinen Bestrebungen, die Dinge zu verwirren,

(Abg. Strauß: Vor lauter Nähe sind Sie kurzsichtig geworden!)

wurde er von Dr. Potthoff unterstützt. Dr. Potthoff ist der Mann, der mit der Theorie vom Besitzmonopol und Leitungsmonopol nach meiner Meinung und nach der Meinung meiner Fraktion sehr viel Unheil angerichtet hat. Diese Theorie vom Besitz- oder Leitungsmonopol ist auch in die Gehirne einer ganzen Reihe von Gewerkschaftsführern eingedrungen.

(Zuruf von der FDP: Pfui! — Heiterkeit.) Der Name Dinkelbach ist ein Programm.


(Zurufe.)

— Meine Herren, ich will Ihnen etwas sagen; mein Kollege Böhn hat es Ihnen schon gesagt. Das Gebiet ist so wichtig, daß man zumindest versuchen sollte, sich über diese Frage in vernünftiger Weise auszusprechen und nicht dauernd lächerliche Zwischenrufe zu machen.

(Abg. Strauß: Was nennen Sie vernünftig?)

— Nach meiner Meinung haben Ihre Redner auch nichts Vernünftiges gesagt.

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: „Auch nichts!" — Große Heiterkeit. — Glocke des Präsidenten.)

— Wenn sich die Arbeiterschaft in Belegschaftsversammlungen so betragen würde wie Sie, dann wäre ich davon überzeugt, daß sie einen Pflock zurückstecken müßte. Aber Gott sei Dank beträgt sich die Arbeiterschaft anständiger, als Sie sich hier betragen.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108005100
Meine Damen und Herren, darf ich einmal eine Entflechtung des Zwiegesprächs zwischen dem Redner und den Zuhörern vornehmen.

(Heiterkeit.)

Ich möchte bitten, ihn nicht immer wieder zu unterbrechen, da es den Fortgang unserer Verhandlungen verzögert. Den Herrn Redner aber möchte ich bitten, wieder zu dem Thema der beiden Entwürfe zurückzukommen, die zur Debatte stehen.

Paul Harig (KPD):
Rede ID: ID0108005200
Ich bin immer beim Thema geblieben.
Jedenfalls bin ich mir darüber im klaren, daß eine ganze Reihe von Menschen am Werke sind, den Honig zu mixen,

(Heiterkeit)

der in dieser Frage der Arbeiterschaft wieder ums Maul geschmiert werden soll.
Ich möchte aber in dieser sehr wichtigen Frage noch einen der Ihren zitieren, und zwar zunächst einmal Herrn Ministerpräsidenten Arnold. Ministerpräsident Arnold erklärt:
Die gewerkschaftliche Großaufgabe der Zukunft liegt darin, die Menschen aus der Verengung des Klassenkampfes heraus in die freie Luft gemeinsamer christlich-europäischer Verantwortung zu führen. Das Privateigentum verliert seine manchesterlichen Funktionen und verliert damit auch die Antithese: hier Privateigentum, hier Nationalisierung.

(Bravo! rechts.)

Das sagt Arnold. Und hier behauptet der Papst in einer Botschaft an den Katholikentag, daß der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit nur scheinbar bestehe und in einer höheren Einheit, in einer organischen Zusammenarbeit, in der berufsständischen Gliederung von Kapital und Arbeit aufgehe.

(Bravo! in der Mitte.) — Da haben wir es ja.


(Große Heiterkeit.)

Eine höhere Einheit: Die Nationalisierung verliert ihre Bedeutung, und alles geht in eine höhere Einheit, in das Berufsständische über.

(Zuruf rechts: Ihr seid doch auch für die Einheit!)

Es ist also nichts mehr damit, was die Führer den Arbeitern sagen. Der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit ist gar nicht mehr vorhanden. Es ist nicht mehr wahr, daß das Kapital über die Produktionsmittel, über Reichtum und Macht verfügt, es ist nicht mehr wahr, daß ein Gegensatz besteht zwischen Palästen und Hütten, zwischen Satten und Hungrigen. Es ist nicht mehr wahr, daß es Ausbeuter und Ausgebeutete gibt. Das ist alles nicht mehr wahr. Deshalb predigt man heute wieder von Volksgemeinschaft, Werksgemeinschaft, Arbeitsgemeinschaft und Betriebsgemeinschaft. Das alles haben uns Hitler und Mussolini schon einmal gelehrt.

(Sehr war! bei der KPD.)

Das haben uns die damals auch gesagt. Diejenigen, die in Ahlen noch glaubten von der Sozialisierung sprechen zu können, wissen heute, daß das nicht mehr modern ist. Sie wissen, daß in einer friedlichen Arbeitsgemeinschaft und in einer schöpferischen Zusammenarbeit das Ziel liegt.
Nach 1918 haben wir doch ähnliches erlebt in der Frage der Arbeitsgemeinschaft. Nach 1918 benutzten die Unternehmer klug und geschickt die Arbeitsgemeinschaft, um Schlimmeres zu verhüten. Und diese Arbeitsgemeinschaft mußte auffliegen, als sie ihre Abwehrfunktion erfüllt hatte, und diese Arbeitsgemeinschaft, die heute gepredigt wird, das Wenige, was geboten wird, wird auch auffliegen, sobald es seine Abwehrfunktion erfüllt hat.
Die Gefahren sind sehr groß für die Arbeiterschaft, weil ein Teil der Gewerkschaftsfunktionäre glaubt, unter den Bedingungen des Marshallplans sei eine echte Mitbestimmung zu verwirklichen. Durch die Anerkennung des Marshallplans seitens der Gewerkschaften sind die Positionen zugunsten


(Harig)

der Dollarherrschaft gewachsen. Durch die Anerkennung der AFoL-Anweisungen aus Amerika haben wir das Resultat zu verzeichnen, das die Reaktion von 1945 bis heute sich festigen und stärken konnte. Sie kann heute der Arbeiterschaft diesen Entwurf präsentieren. Wer zum Marshallplan, zum Europarat, zum Atlantikpakt und zum Schuman-Plan ja sagt, muß wissen, daß nennenswerte Lohnerhöhungen ausgeschlossen sind, der muß wissen, daß eine wirkliche Demokratisierung der Wirtschaft ausgeschlossen ist.

(Sehr gut! bei der KPD.)

Wir dürfen nicht verzichten auf den Kampf uni Lohnerhöhungen. Wir dürfen uns nicht der These bedienen, es genüge, eine gut florierende kapitalistische Wirtschaft zu haben. Wir dürfen uns nicht dem Trugschluß hingeben, wir müßten beteiligt sein an einer kapitalistischen Rationalisierung auf Kosten der Arbeiter. Wir vermehren dadurch nur das Heer der Arbeitslosen. Und das wünschen sich doch gerade die Reaktionäre. Das ist die Meinung der Fächer, Arnold und der Tarnow. Das muß auch einmal ganz deutlich gesagt werden. Weil sie diese Meinung vertreten, haben wir den Abfall vom Weltgewerkschaftsbund zu verzeichnen.

(Abg. Strauß: Da haben wir es wieder!) Deshalb haben wir in den verschiedenen Fragen die Bejahung der Bonner Politik seitens der Gewerkschaften zu verzeichnen. Daher haben wir den Böckler-Brief zu dem Petersberger Abkommen in der Frage der Demontage zu verzeichnen.


(Abg. Strauß: Da haben wir es wieder!)

Heute morgen wurde von dem Herrn Kollegen Dr. Schröder sowohl wie von dem Kollegen Freitag die Gefahr aus dem Osten demonstriert. Es wurde gesagt, daß man dieser Gefahr nur durch die Schaffung besserer sozialer Verhältnisse begegnen könne.

(Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Haben Sie ein anderes Rezept?)

— Herr Abgeordneter Schröder, der Sie Mitglied des Aufsichtsrats meiner ehemaligen Firma sind: Wie steht es denn mit der Frage der Lohnerhöhung? Und waren Sie, Herr Dr. Schröder und Herr Kollege Freitag, nicht beteiligt an meinem Hinauswurf aus dem Aufsichtsrat, weil ich für Lohnerhöhungen und für bessere soziale Verhältnisse meiner Belegschaft eingetreten bin?

(Zuruf von der CDU.)

Sie haben das Recht verwirkt, in solchen Fragen so hier aufzutreten.

(Lebhafte Zurufe. — Abg. Strauß: Warum sind Sie herausgeworfen worden?)

— Ich bin entlassen worden, weil ich für die Verwirklichung des Mitbestimmungsrechts war.

(Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Nein!)

In meinen Händen lag eine Zeichnung, aus der einwandfrei hervorging, daß 9000 t Winkeleisen über Klöckner-Handel an eine Firma geliefert werden sollten,

(Zuruf rechts: Stimmt nicht!)


(Huhu-Rufe rechts. — Abg. Strauß: Damals schon?)

Weil ich nun bei der Firma vorstellig wurde und die Mitbestimmung der Kontrolle über die Eingänge und Ausgänge verlangte, deshalb wurde ich entlassen,

(Zuruf rechts: Mit Recht!)

und derjenige, der dafür seine Hand leiht, kann nicht für wahre Mitbestimmung sein.

(Abg. Strauß: Wie war es denn mit dem Streik?)

Ich sage noch einmal: Derjenige, der für den Marshallplan, für das Ruhrstatut, für den Europarat ist,

(lebhafte Zurufe: Gegen Streiks! — Abg. Hilbert: Für die Oder-Neiße-Linie! — Abg. Strauß: Für Kapitalkanzler Adenauer!)

derjenige, der für eine kriegerische Auseinandersetzung mit der Sowjetunion ist, kann nicht für das Mitbestimmungsrecht sein. Dem Betriebsrat wird hier die Aufgabe zuteil, Polizei im Betrieb zu sein und für die Sicherung des Arbeitsfriedens zu sorgen.

(Abg. Hilbert: In der Ostzone hat man ihn abgeschafft!)

Der Arbeitsfriede ist das A und O des Entwurfs.

(Zuruf in der Mitte: Sehr erfreulich!)

Nun können Sie noch einen Moment sehr heftig Zwischenrufe machen, wenn ich Ihnen mitteile, daß ich — dies habe ich hier schon einmal gesagt — mit zwei Kollegen, einem der CDU und einem der SPD, in die Deutsche Demokratische Republik gefahren bin, um dort gemeinsam mit ihnen zu studieren, inwieweit dort das Mitbestimmungsrecht der Gewerkschaften, der Arbeitnehmer verwirklicht wurde. Ich kann Ihnen von der Sozialdemokratie und den Gewerkschaftskollegen aller Fraktionen nur sagen: Dort spielt der Kampf, ob der Betriebsrat das Mitbestimmungsrecht im Betrieb haben soll oder die Gewerkschaften in ihrer Eigenschaft als Organisation im Betrieb etwas mitzubestimmen haben sollen, keine Rolle.

(Abg. Dr. Wellhausen: Das glaube ich!) Dort ist das Mitbestimmungsrecht verwirklicht!


(Lebhafter Widerspruch. — Abg. Hilbert: Abgeschafft! — Abg. Euler: Dort hat man keins mehr!)

Dort sind andere Eigentumsverhältnisse als hier.

(Abg. Hilbert: Staatskapitalismus!)

Dort hat man den Monopolkapitalismus entmachtet und hat volkseigene Betriebe geschaffen,

(Lachen in der Mitte und rechts)

und das Interesse des Volkes spielt bei der Planung im Betrieb mit Hilfe der Gewerkschaften die wesentlichste Rolle.

(Zuruf von der CDU: Welches Volk?)

— Fragen Sie Ihre Kollegen!

(Abg. Strauß: Tausend Bonzen und eine Million Sklaven!)

Dort sind die Gewerkschaften in den Leitungen der Betriebe mitbeteiligt. Dort sind die Arbeitnehmer in den Planungssitzungen bei der Aufstellung und Verwirklichung der Pläne anwesend und können mitbestimmen, und zwar wesentlich. Dort bestimmen sie über alle sozialen Dinge mit.

(Abg. Strauß: Glauben Sie das eigentlich selber?)

Die Einheit eines demokratischen Deutschlands würde auch hier die Frage des Mitbestimmungsrechtes in ein anderes Licht rücken.

(Zurufe in der Mitte.)

Wir würden hier auch Verhältnisse haben,

(erneute Zurufe in der Mitte)



(Harig)

die es erübrigen würden, uns mit Reaktionären im Bundestag lange herumschlagen zu müssen,

(Lachen in der Mitte und rechts)

bloß weil andere Menschen für ihre Arbeit ihr Recht fordern.

(Beifall bei der KPD. — Abg. Strauß: Ein Volk, ein Reich, ein Korea! — Heiterkeit.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108005300
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Veit.

Dr. Hermann Veit (SPD):
Rede ID: ID0108005400
Meine Damen und Herren! In der Kritik, die hier gegen das Mitbestimmungsrecht laut geworden ist, hat man vor allem gehört, daß unsere Volkswirtschaft Schaden leiden könne, wenn der Arbeiterschaft ein Mitbestimmungsrecht eingeräumt werden sollte. Es gibt ja Menschen, die ihre Argumentation verwenden, um ihre wirklichen Gründe zu verbergen; und diejenigen, die vorgeben, die Volkswirtschaft sei in Gefahr, wenn das Mitbestimmungsrecht durchgeführt werden würde, denken im wesentlichen an ihre eigene Person und an ihr eigenes Schicksal sehr viel mehr als an die Volkswirtschaft. Sie vertreten Machtpositionen und verheimlichen ihre wahren Gründe.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Mit ihnen sich auseinanderzusetzen, hat so wenig Zweck, wie wenn ich Zeit verschwenden würde, mich mit der Argumentation von ganz links auseinanderzusetzen. Wenn die Herren die Reden, die sie über das Mitbestimmungsrecht hier gehalten haben, in der Ostzone gehalten hätten, hätten sie vermutlich die letzte Rede ihres Lebens gehalten.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und der CDU. — Zurufe von der KPD.)

Aber, meine Damen und Herren, mit denen, denen es ernst ist um das Problem der Mitbestimmung — und ich habe mit Freude festgestellt, daß sehr viele Redner dieses Hohen Hauses diese Frage durchaus ernst nehmen und ernsthaft die Frage aufwerfen, ob die Durchführung des Mitbestimmungsrechts eine Gefahr für unsere wirtschaftliche Entwicklung bedeutet —, möchte ich mich auseinandersetzen und ihnen zunächst die Frage vorlegen: Ist denn unsere derzeitige Wirtschaftsstruktur und unsere Wirtschaftspolitik ideal zu nennen? Ist das System der sogenannten Unternehmerfreiheit, das mit allen Mitteln erhalten werden soll, wirklich ein System, das privatwirtschaftlich und volkswirtschaftlich gesehen fehlerfrei funktioniert und frei von Mängeln ist? Denken Sie doch an all die Fehlinvestitionen, die auf Grund der freien Initiative der Unternehmer vorgenommen worden sind, und bedenken Sie, daß diese dabei nicht etwa nur ihr eigenes Kapital fehlinvestiert haben, sondern sehr häufig eben auch noch das Kapital, das ihnen von Fremden zur Verfügung gestellt worden ist.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Oder denken Sie doch bitte daran, in welcher Weise Unternehmer gelegentlich ihre Freiheit, den Betrieb zu leiten, dahin ausgenutzt haben, in ihren Betrieben Investitionen, die volkswirtschaftlich notwendig gewesen wären, zu unterlassen und auf diese Weise aus den Betrieben Gewinne herausgeholt haben, Raubbau mit den Betrieben getrieben haben, ohne damit irgendwelche volkswirtschaftlichen Erfolge zu erzielen. Denken Sie gerade an die Entwicklung der vergangenen Jahre, als man auf dem Weg über die Preiserhöhungen Selbstfinanzierungen vorgenommen hat, die vom wirtschaftlichen Standpunkt aus und im Hinblick auf die Priorität einer ganzen Reihe von dringlichsten Aufgaben einfach zu bedauern waren, so daß wir heute in die Lage gekommen sind, eine ganze Menge von wichtigen Aufgaben wegen Kapitalmangels nicht lösen zu können, während andere Aufgaben, die man vielleicht einmal in anderer Zeit hätte durchführen können, die aber heute nicht dringlich sind, ihre Lösung gefunden haben.
Denken Sie bitte auch an den Mißbrauch der Unternehmerstellung. Oder wollen Sie es billigen — Herr Freudenberg sprach von den guten und tüchtigen Unternehmern und sagte, nur für diese wolle er sprechen —, wenn beispielsweise ein Unternehmer, der mit Recht bestraft worden ist, weil er Preisvorschriften gröblichst verletzt hat, in einem Gnadengesuch schreibt, wenn man ihm die Strafe nicht nachlasse, dann sehe er sich gezwungen, seinen Betrieb zu verkleinern und eine ganze Reihe von Leuten auf die Straße zu setzen?

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Oder sehen Sie es für richtig an, wenn beispielsweise Unternehmer, die den Staat um erhebliche Kapitalbeträge angehen, schreiben: Wir sind natürlich nach den Gepflogenheiten unseres Hauses nicht in der Lage, dafür eine dingliche Sicherheit zur Verfügung zu stellen; wir haben zwar die Grundstücke, lehnen es aber aus Prinzip ab, dingliche Sicherungen zu geben, und für den Fall, daß der Staat nicht bereit ist, trotzdem mit finanziellen Mitteln zu helfen, sehen wir uns gezwungen, den Betrieb stillzulegen oder die Produktion in einen unserer anderen Betriebe in Länder zu verlegen, in denen unsere Wünsche mit mehr Entgegenkommen erfüllt werden? Sehen Sie, das sind die Mißbräuche, auf die wir sehr häufig stoßen . Das sind die Fälle, in denen mit der Unternehmerfreiheit auf der einen Seite und der Tatsache, daß der Arbeiter dem Unternehmer rettungslos ausgeliefert ist, ein sehr bedauerlicher Mißbrauch getrieben wird.

(Zuruf rechts.)

Von dem politischen Mißbrauch brauche ich gar nicht zu reden. Sie werden sich ja daran erinnern, welcher politische Mißbrauch mit der Unternehmerstellung, mit der Machtstellung des Unternehmers in der Vergangenheit getrieben worden ist. Wenn wir das Mitbestimmungsrecht im Jahre 1932 schon gehabt hätten, dann wäre der Nationalsozialismus wahrscheinlich überhaupt nicht zur Macht gekommen,

(Sehr richtig! bei der SPD.)

und Hitler hätte den Offenbarungseid leisten müssen.
Meine Damen und Herren, wie weit geht es denn überhaupt noch mit der Unternehmerfreiheit, die immer dann verteidigt wird, wenn die Arbeiterschaft ihr Recht anmeldet, in den Betrieben etwas sagen zu dürfen? Die Unternehmerfreiheit ist doch heute schon auf vielen Gebieten stark eingeschränkt. Die Unternehmer haben sie zum Teil selbst eingeschränkt und finden gar nichts dabei. Sie haben sich diese Beschränkungen auferlegt, um im Schatten solcher Abmachungen um so sicherer existieren und verdienen zu können. Wo ist denn die Unternehmerfreiheit beispielsweise bei den Kartellabreden, von den Syndikaten ganz zu schweigen? Hier hat man sich doch im Interesse des Verdienstes geopfert und will uns heute weismachen, die Unternehmerfreiheit sei etwas, ohne das die Wirtschaft überhaupt nicht existieren könnte.
Ich will gar nicht über die Bindungen reden, die von den Unternehmungen gelegentlich gegenüber dem Finanzkapital eingegangen werden, wo von einer Freiheit überhaupt nicht mehr gesprochen


(Dr. Veit)

werden kann, ohne daß man sagen kann, daß die Wirtschaft deswegen nachdrücklichen Schaden erlitten hat.
Meine Damen und Herren, soll denn die Freiheit durch die Mitbestimmung verloren gehen? Ist es denn so, daß der Unternehmer seine Rechte verliert, wenn wir das Mitbestimmungsrecht durchführen? Es ist doch nicht geplant, daß dadurch die Rechte des Unternehmers irgendwie geschmälert werden, wenn wir für den Aufsichtsrat eine andere Zusammensetzung vorschlagen, als sie bisher war. Die Initiative des Unternehmens liegt ja nach wie vor bei der Leitung. Es dreht sich lediglich darum, daß in dem Aufsichts- und Kontrollorgan nunmehr entgegen der bisherigen Übung und den bisherigen Vorschriften auch die Arbeitnehmerschaft vertreten sein soll.
Wir haben ja nicht nur Arbeiterinteressen zu vertreten. Wir haben hinter uns eine ganze Reihe von Betrieben, gerade Betriebe der Konsumgenossenschaften, Betriebe der Gemeinden, gemeinwirtschaftliche Betriebe, so daß wir durchaus auch für die Unternehmerposition Verständnis haben. Wir denken gar nicht daran, hier einseitig die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten. Wie können Sie uns unterstellen, die deutsche Wirtschaft etwa schädigen zu wollen? Wir wollen sie beleben, wir wollen sie fördern, wir wollen die Produktion steigern. Jeder Fehltritt auf diesem Wege wäre ja gerade für unsere Bewegung und die Bewegung der Arbeiterschaft selbst der größte Schaden. Deswegen können Sie davon überzeugt sein: wir wollen keine Experimente machen, wir wollen nicht, daß unsere Volkswirtschaft nicht mehr oder schlechter funktioniert, sondern wir wollen einen Zustand erreichen, der das gesetzlich fundiert, was die Entwicklung schon längst vorweggenommen hat.
Meine Damen und Herren, in die Aufsichtsorgane sind bisher die Vertreter nach dem Eigentum delegiert worden. Aber auch das ist schon längst durchlöchert und durchbohrt; denn die Banken, die Depothalter waren, haben ja meistens die größte Anzahl der Stimmen in die Generalversammlungen delegiert und haben somit ein anonymes Kapital häufig in ganz anderem Sinne vertreten, als es die Eigentümer hätten verlangen können. Ist es da nun nicht richtiger und entspricht es der Situation, in der wir stehen, und entspricht es der Tatsache, daß unsere Betriebe nicht mehr Stätten des Gewinns für einzelne Unternehmer, sondern Organe der Volkswirtschaft sind, nicht besser, wenn in diesen Kontroll- und Aufsichtsorganen, die die Aufsichtsräte darstellen, nicht nur die Vertreter des Besitzes und der Banken, sondern auch die Menschen sitzen, die in dem Betrieb die Arbeit leisten und mit ihrer ganzen persönlichen Existenz und der ihrer Familie an das Schicksal des Betriebes gebunden sind?

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Es wird uns nun entgegengehalten: wir können aber unter keinen Umständen dulden, daß in diesen Kontrollorganen betriebsfremde Elemente erscheinen, wir können also nicht dulden, daß aus den Gewerkschaften Vertreter, die nicht dem Betrieb angehören, in die Aufsichtsorgane gewählt werden. Nun, meine Damen und Herren, diesen Gesichtspunkt hat man ja doch bisher bei der Zusammensetzung der Aufsichtsräte nicht gelten lassen,

(Sehr richtig! bei der SPD)

und der Aufsichtsrat bestand bisher eigentlich ausschließlich aus betriebsfremden Personen. Es ist
sogar schon vorgekommen, daß der Aufsichtsrat aus betriebsfeindlichen Personen bestanden hat;

(Sehr richtig! bei der SPD)

wenn man nämlich einmal ein Aktienpaket mit der Absicht aufgekauft hat, nicht den Betrieb am Leben zu erhalten, sondern aus Konkurrenz- und aus sonstigen Gründen den Betrieb zur Stillegung zu bringen. Ich habe nie gehört, daß in der Privatwirtschaft sich jemand dagegen erhoben hat, daß auf diese Weise betriebsfremde und manchmal sogar betriebsfeindliche Personen auf den Betrieb Einfluß nehmen. Man hat das hingenommen und will nun, wenn die Gewerkschaften den Anspruch anmelden, in den Aufsichtsorganen zu sitzen, das Postulat aufstellen, daß das eben einfach mit unserer Wirtschaft nicht zu vereinbaren sei.
Meine Damen und Herren! Wenn sich eine Organisation nach dem Krieg bewährt hat, dann waren es die Gewerkschaften;

(Sehr richtig! bei der SPD)

und ich glaube, sie verdienen heute noch den Dank des ganzen Volkes für ihre nationale Haltung, die sie seit 1945 an den Tag gelegt haben.

(Beifall bei der SPD und CDU.)

Und es waren ja häufig gerade die Unternehmer, die den Gewerkschaften den Dank dafür ausgesprochen haben, daß sie so viel volkswirtschaftliches Verständnis aufgebracht haben.
Woher kommt nun auf einmal die Feindschaft gegenüber den Gewerkschaften, und woher kommt der Wille, die Betriebsräte in den Vordergrund zu spielen? Meine Damen und Herren! Erinnern Sie sich nicht an die Erfahrungen, die mancher Betrieb mit den Betriebsräten gemacht hat? Erinnern Sie sich nicht, welche politische Richtung kraft ihrer größeren Aktivität in diesen Betriebsräten häufig den Ausschlag gegeben hat? Ich glaube, wenn wir dieses Gesetz verabschieden, dann werden Sie noch einmal dankbar dafür sein, wenn die Gewerkschaften ihren Einfluß auf die Auswahl der Menschen ausüben, die in den Aufsichtsräten sitzen.

(Zurufe von der KPD: Aha! So ist das gemeint!)

Meine Damen und Herren! Es wird davon gesprochen, daß die Gewerkschaften einen machtpolitischen Anspruch geltend machen, und das ist der Grund, so geben Sie an, weswegen Sie diese Forderung der Gewerkschaften ablehnen. Nun, meine Damen und Herren, die machtpolitische Situation ist ja bereits geschaffen! Es ist doch heute so - aus der Denkschrift der Gewerkschaften haben Sie die Zahl wohl selbst entnommen —, daß 896 Aktiengesellschaften fünf Sechstel des Kapitals von 30 Milliarden in Deutschland haben und beherrschen. Das ist eine Machtposition, wie sie in Deutschland überhaupt sonst niemand innehat. Und wenn die Gewerkschaften nun von der Arbeitnehmerseite eine Gegenposition entgegensetzen wollen, so bedeutet das lediglich den Ausgleich der Interessen. Aber es bedeutet nicht, daß die Gewerkschaften sich selbst eine Machtposition in der Wirtschaft erringen wollen.
Der Vorschlag der CDU, meine Damen und Herren, bleibt auf halbem Wege stehen. Der Vorschlag der CDU in der Besetzung des Aufsichtsrats gibt der Arbeiterschaft immer die Minderheit und damit eine Stellung, die ohne Bedeutung sein wird. Man kann bei diesen Dingen nicht mit Halbheiten operieren. Halbheiten sind gefährlicher, als wenn man überhaupt keinen Schritt tut, sondern entweder muß man ein Mitbestimmungsrecht gewähren, das der Arbeitnehmerschaft auch den Eindruck und die
2980 Deutscher- Bundestag — 80. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Juli 1950

(Dr. Veit)

Gewißheit gibt, daß ihre Stimme im Betrieb ein Gewicht hat, oder man soll die Finger ganz davon lassen.
Wenn ich zum Abschluß ein Beispiel anführen darf, dann möchte ich auf die Parallele, die zwischen dem europäischen Gedanken und dem Mitbestimmungsrecht besteht, hinweisen. Auch in Europa können sich die Staaten nicht entschließen, etwas von ihrer Souveränität im Interesse der Schaffung eines Gesamteuropas abzugeben und laufen die Gefahr, ihre Souveränität überhaupt einzubüßen. Und so sollten die Unternehmer erkennen, daß es nicht nur im Interesse der Arbeitnehmer, sondern in ihrem eigenen wohlverstandenen Interesse liegt, wenn sie einen Teil ihrer Souveränität an ihre Mitarbeiter abtreten. Denn sonst, meine Damen und Herren, laufen sie Gefahr, daß sie ihre Souveränität im Betrieb überhaupt verlieren;

(Sehr richtig! bei der SPD)

und es dreht sich eben nicht nur um die Mitbestimmung der Arbeitnehmer, es dreht sich überhaupt darum, ob sie selbst, die Herren Unternehmer, in Zukunft noch ein Bestimmungsrecht in ihren Betrieben haben.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108005500
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Becker (Hersfeld).

Dr. Max Becker (FDP):
Rede ID: ID0108005600
Meine Damen und Herren! Die Intervention geschäftsordnungsmäßiger Art meines Freundes Euler von heute früh hat wenigstens den Erfolg gehabt, daß nun die beiden Vorlagen hier zur Debatte stehen, so daß man auch beide und ihre Auswirkungen miteinander vergleichen kann. Der Antrag der CDU, wenn ich ihn recht verstanden habe, läuft darauf hinaus, daß hinsichtlich des personellen und des sozialen Mitbestimmungsrechts Betriebsvereinbarungen getroffen werden sollen, daß, wenn diese nicht getroffen werden, darauf geklagt werden kann und daß, wenn im Einzelfall dann auf Grund dieser Betriebsvereinbarung sich Differenzen ergeben, auch daraufhin vermutlich vor den Arbeitsgerichten wieder geklagt werden soll.
In wirtschaftlicher Beziehung hat man eine Zweiteilung vorgenommen, hat Wirtschaftsausschüsse geschaffen, die eigentlich nur eine Mitberatung herbeiführen, während in wesentlichen Dingen —Änderung des Betriebszwecks, Stillegung usw. — eine Art richtiger Mitbestimmung in dem Sinne geschaffen ist, daß, wenn eine Einigung der Beteiligten nicht erfolgt und auch eine besondere Schiedskommission nicht zum Ziele kommt, dann vor einem Schiedsausschuß und notfalls vor einem Oberschiedsausschuß verhandelt und entschieden werden soll.
Der Entwurf der SPD ist meiner Ansicht nach klarer und folgerichtiger. Er geht davon aus, daß er bei den Großbetrieben, über 300 Arbeitnehmer oder über ein gewisses Kapital hinausgehend, das Schwergewicht so in den Aufsichtsrat verlegt, daß 50 % des Aufsichtsrats Vertreter der Arbeitnehmer sein müssen, und von diesen 50 % muß die Hälfte aus der Spitzenorganisation der Gewerkschaften genommen oder von ihnen vorgeschlagen sein, während die andere Hälfte der Hälfte der Arbeitnehmervertreter aus den Belegschaftsmitgliedern genommen werden soll, aber nicht muß.
In den anderen Betrieben ist zunächst von einer wirtschaftlichen Mitberatung die Rede. dann aber von einer Entscheidung durch Schiedsstellen, die bei
den im gleichen Entwurf vorgeschlagenen neuen Organisationen der Wirtschaftsvertretungen errichtet werden, also bei den Wirtschaftskammern, bei den Landwirtschaftskammern, bei den Handwerkskammern. Das Schwergewicht liegt auch hier wieder darin, daß in diesen Kammern die Hälfte der Mitglieder aus den Arbeitnehmervertretern genommen werden muß, und zwar auch wieder auf Vorschlag der Spitzenorganisation der Gewerkschaften. Insbesondere gilt dieses bei der oberen Spitze dieses Wirtschaftskammersystems, nämlich bei der Bundeswirtschaftskammer, hinsichtlich deren bestimmt ist, daß hier die Hälfte einerseits von den Vertretungen und Vereinigungen der Arbeitgeberseite, die andere Hälfte anderseits von der Spitzenorganisation der Gewerkschaften benannt wird.
Wir sehen daraus also, daß nach dem Vorschlag der SPD die Spitzenorganisation der Gewerkschaften einen ganz gewaltigen Einfluß auf die Besetzung der in Frage kommenden wirtschaftspolitischen Machtpositionen haben soll und, wenn der Entwurf Gesetz wird, haben wird. Hinzu kommt — ich empfehle, einmal im einzelnen durchzulesen —, daß nach dem Vorschlag der SPD zum Beispiel dieser Bundeswirtschaftsrat für Bundesregierung und Bundesorgane gutachtlich tätig werden soll und daß keine andere Sachverständigenstelle hier für unser Parlament, hier für die Bundesregierung wirksam werden soll, wenn dieser Bundeswirtschaftsrat nicht vorher seine Zustimmung gegeben hat.

(Abg. Etzel Das heißt, auch wenn er die Zustimmung gibt, erfährt er in jedem Falle, wo dieses Parlament — denken Sie nur an die hearings in den Ausschüssen — oder wo die Bundesregierung irgendwo einmal ein Sachverständigengutachten einzieht. Ich wollte Ihnen das einmal skizzieren, weil die hier zur Debatte stehenden Dinge einmal unter dem Gesichtspunkt der eigentlichen Politik — also streng genommen und konkret gesprochen: der Machtpolitik — betrachtet werden müssen. Vorweg aber scheint es mir richtig zu sein, einmal die Begriffe zu klären; denn ich habe den Eindruck, daß die Begriffe „Mitwirkungsrecht" und „Mitbestimmungsrecht" verschieden gehandhabt und angewendet werden. Mitwirkungsrecht ist ein genereller Begriff, wenig konkret, farblos. Mitbestimmungsrecht kann und soll nur bedeuten: gleichgewichtige Zustimmung der Arbeitnehmer oder ihrer Vertretungen zum Arbeitgeber. Diese gleichgewichtige Zustimmung geht so weit, daß nach dem Vorschlag der SPD zum Beispiel eine offene Handelsgesellschaft oder ein einzelner Inhaber eines Betriebes einen Beirat wählen muß, der ähnlich wie der Aufsichtsrat einer G. m. b. H. oder einer Aktiengesellschaft gestaltet ist, die gleichen Rechte eines solchen haben soll, zu 50 % eben praktisch an der Willensbildung beteiligt ist — an der Willensbildung, aber nicht am Risiko. Auf wen wird nun dieses Mitbestimmungsrecht angewendet? Nach dem Entwurf der CDU auch auf Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes, auf Behörden. Im Entwurf der SPD, den ich, da er heute früh erst verteilt ist, nicht so gründlich habe durchsehen können, ist das, soweit ich festgestellt habe, nicht vorgesehen. Auch hier muß ich das Kompliment machen, daß er logischer ist. Denn, meine Damen und Herren, Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes unterstehen dem zuständigen Minister. Der Minister ist für die Frage ihrer Anstellung, Entlassung und Beförderung dem Parlament verantwortlich. Er kann diese Verantwor tung nicht tragen, wenn er sich damit entschuldigen muß: Bitte, ich war an das Mitbestimmungsrecht meines Betriebsrates und meiner Behörde gebunden, und infolgedessen könnt ihr mich nicht verantwortlich machen. Ich kann mir — insbesondere nach den speziellen Erörterungen, die wir in Hessen bei der Beratung des dortigen Betriebsrätegesetzes gehabt haben — auch nicht vorstellen, wie ein solches Mitbestimmungsrecht eigentlich funktionieren soll. Nehmen Sie den Fall, daß ein Justizinspektor vom Landgericht in Neuwied als Justizoberinspektor an das Landgericht, sagen wir, in Dortmund versetzt werden soll. Welcher Betriebsrat muß seinen Segen geben? Der in Neuwied oder der in Dortmund, seinem künftigen Sitz, oder der Betriebsrat im Ministerium? Die Frage ist in dem CDU-Entwurf im einzelnen offengelassen. Ich empfehle dringend, diese Bestimmung des Entwurfs überhaupt zu streichen; sie ist undemokratisch und verstößt gegen das Prinzip des parlamentarischen Systems. Anschließend die weitere Frage: Die Betriebe der Kommunen, des Staates: die Gaswerke, die Wasserwerke, die Elektrizitätswerke, die Straßenbahnen — gilt für die das Mitbestimmungsrecht auch? Und mit welchem Inhalt? Wer verwaltet, wer entscheidet? Entscheidet der Oberbürgermeister, der Landrat in Verbindung mit seinem zuständigen Gemeindeund Kommunalparlament? Dieses Gemeindeund Kommunalparlament wird ausgeschaltet, wenn ein Mitbestimmungsrecht der Arbeiter und Angestellten des Betriebes dazwischengeschaltet wird. Diese bekommen gewissermaßen deshalb, weil sie dort angestellt sind, eine Art doppeltes Stimmrecht gegenüber den anderen Staatsbürgern. Die anderen Staatsbürger haben aus anderen Gründen, z. B. weil sie Steuern zahlen, auch ein ganz erhebliches Interesse, dabei mitzusprechen. Ich halte ein derartiges Mitbestimmungsrecht für derartige Betriebe für unvereinbar mit dem Grundsatz der kommunalen und der demokratischen Selbstverwaltung. Nun die Frage: Wie steht es mit den sozialisierten Betrieben? Die Frage ist hier noch nicht erörtert worden. — In Hessen! — Fragen Sie doch nicht, Sie haben sie ja selber mit gemacht. (Zuruf von der FDP: Ach, hat er schon vergessen! — Zurufe links: Das ist neu! — Eine Phantasie haben Sie, die ist großartig!)


(Dr. Becker [Hersfeld])


(Abg. Etzel [Duisburg]: Keiner!)


(Zurufe in der Mitte: Nein! Nein!)


(Zuruf links: Wo gibt es die?)


(Zuruf links: Ach!)

Zu diesen sozialisierten Betrieben — oder sozialisierten Betrieben der Zukunft — darf ich eine Zwischenfrage stellen. Ich frage jetzt nicht die KPD, sondern ich frage zwei andere Parteien. Ich frage: Bleibt nach Schaffung dieses Mitbestimmungsrechtes der Wunsch bestehen, darüber hinaus auf dem Wege der Sozialisierung fortzuschreiten, so wie es hier und da in einzelnen Parteiprogrammen teils offen, teils verschleiert steht? — Wenn ja, dann ist die Frage aufzuwerfen: Soll in den sozialisierten Betrieben das Mitbestimmungsrecht bleiben, oder soll es versagt werden?
Und eine weitere Frage: Soll, wenn dieses Mitbestimmungsrecht geschaffen ist, der Gedanke der Kommando-Planwirtschaft weiter bleiben? — Ich frage aus folgendem Grund: Bei sozialisierten Betrieben wird doch wohl die Macht des Staates, der
Staatsgewalt oder, wenn es nach den Gedanken unseres früheren Wirtschaftsministers, unseres jetzigen Kollegen Koch geht, irgendein etwas phantasievoll, sagenhaft aufgebauter Begriff namens Gemeineigentum für die Kommandoführung maßgebend sein. Da kann ja doch gegenüber diesem Kommando logischerweise ein Mitbestimmungsrecht nicht mehr in Frage kommen.
Oder ich frage Sie: Wenn in wirtschaftlichen Dingen diese Kommando-Planwirtschaft kommt, kann dann überhaupt noch ein Mitbestimmungsrecht in wirtschaftlichen Dingen bestehen? — Nehmen wir den Fall: Die kommandierende Planwirtschaft verfügt, daß der Betriebszweck dieses Betriebes im Interesse der allgemeinen Planwirtschaft umgestellt wird. Kann dann der Inhaber dagegen aufstehen? — Nein! — Kann der Betriebsrat, können die Mitbestimmungsorgane dagegen auftreten? — Nein!
Und nun frage ich Sie: Warum soll dieses Glück, daß es in Ihren Augen doch darstellt, nämlich dieses Mitbestimmungsrecht, derartigen Betrieben versagt werden? — Ich will Ihnen die Antwort geben. Ein Mitbestimmungsrecht in wirtschaftlichen Dingen ist weder mit der kommandierenden Planwirtschaft noch mit den sozialisierten Betrieben noch mit der Privatwirtschaft irgendwie vereinbar.

(Sehr gut! bei der FDP.)

Das ist nicht meine Weisheit,

(Zuruf links: Das ist Ihre Phantasie!) sondern das ist die Weisheit des Sachverständigen, den wir in Hessen in der Kommission bei der Beratung des Betriebsrätegesetzes gehört hatten. Der Sachverständige war Mitglied der CDU, der frühere Kultusminister von Hessen, Herr Professor Dr. Franz Böhm.


(Hört! Hört! bei der FDP. — Zuruf von der SPD: Hat die CDU selbst abgelehnt!)

Die Frage, um die es sich handelt, ist nun: Was soll dieses Mitbestimmungsrecht umgreifen? Es ist schon vorhin im Laufe der Debatte mit Recht darauf verwiesen: Die Tatsache der Mitberatung besteht vernünftigerweise in allen Betrieben. Wenn hier insbesondere mein Vorredner zwei Fälle angeführt hat, in denen sich ein Unternehmer unverständig benommen hat, dann darf man aus einzelnen Ausnahmen nicht allgemeine Schlußfolgerungen ziehen und nun aus diesen Ausnahmen die Notwendigkeit besonderer Gesetze herleiten wollen. Wir haben schon heute morgen durch unseren Freund Hammer vortragen lassen, daß in sozialer Beziehung von uns aus auch sogar noch weiter gegangen werden kann und eine Mitverwaltung aller sozialen Einrichtungen gegeben werden könnte. Darüber ist, glaube ich, auch in diesem Hause in sozialer Beziehung kein Streit. In personeller Beziehung ist es selbstverständlich, daß im Wege der Beratung zwischen Betriebsrat und Leitung des Betriebes von jeher Verhandlungen stattgefunden haben. Wenn Sie aber aus dem. was in tatsächlicher Beziehung, nämlich in beratender Form, richtig ist, eine gesetzliche Bestimmung machen wollen, dann kommen Sie zum Beispiel zu folgendem Fall, der sich im Interesse der Arbeitnehmer und ihres Vorwärtskommens sehr ungünstig auswirken kann. Das ist folgender:
Ein Vorarbeiter möchte weiterkommen und Werkmeister werden. Er ist bei der Firma X angestellt und meldet sich bei der Firma Y, fragt an, ob er dort ankommen kann. — Wenn Sie ein Gesetz machen mit dem Zwang der Anhörung des Be-


(Dr. Becker [Hersfeld])

triebsrats, dann muß jetzt der Betriebsrat von Y gefragt werden, und der wird sich pflichtgemäß beim Betriebsrat des früheren Betriebes X erkundigen müssen. Der Erfolg würde sein, daß dort bekannt würde, daß der Mann seinen Arbeitsplatz wechseln will; und dann ist es schon aus. Er würde in der Zukunft mit Mißtrauen betrachtet, und sein Vorwärtskommen wäre gefährdet. Es lassen sich da viele ähnliche Fälle nennen, in denen das Mitbestimmungsrecht für den Arbeitnehmer ungünstig ist.
Aber eines habe ich in beiden Gesetzen vermißt; das ist nämlich die Frage des Kündigungsschutzes für den Fall der Entlassung. Der gehört, wenn es sich um ein Gesetz handelt, das im Interesse der Sicherung des Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers geschaffen werden soll, dann mit allen Sicherungen und Kautelen hier hinein. Es wird Aufgabe des Ausschusses sein, hier vielleicht noch die entsprechenden Ergänzungen vorzunehmen.

(Abg. Dr. von Brentano: Es kommt ein Kündigungsschutzgesetz!)

Über wirtschaftliche Mitbestimmung und deren Auswirkungen habe ich schon gesprochen. — Beratung ist eine Selbstverständlichkeit. Beratung ist richtig. Aber Mitbestimmung — d. h. in dem Sinne, daß nun, wenn sich die beiden Partner über eine Maßnahme nicht einig werden, irgendeine Stelle außerhalb des Betriebes den Stichentscheid geben soll — muß abgelehnt werden, weil sie nicht dem Arbeitsfrieden und nicht dem Fortschritt dient; denn die Erfahrung, die sowohl die Arbeitnehmerseite wie die Arbeitgeberseite im Betriebe hat, wird die dritte außerhalb des Betriebes stehende Seite nicht haben. Sie sehen an diesen Auswirkungen eines: Es gibt viele Dinge im Leben, die praktisch ohne Paragraphen ganz ausgezeichnet funktionieren und ablaufen.

(Sehr wahr! bei der FDP.)

Sobald man aber anfängt, diese Dinge in Paragraphen zu formulieren, schafft man Übertreibungen, schafft man Überspitzungen, und im Fall der Nichtübereinstimmung der Partner muß man dann Entscheidungsstellen schaffen, die dann vielleicht mehr Unheil anrichten als sie Gutes tun.
Ja, meine Damen und Herren, ich habe vorhin die Frage gestellt, und die Frage drängt sich bei der Lektüre dieser Gesetzesvorschläge auf: Wohin geht politisch gesehen nun eigentlich die Reise? Wohin? Daß der Vorschlag der CDU nach bestem Wissen und Wollen aufgestellt ist und einen Vermittlungsvorschlag enthält, erkennen wir ohne weiteres an. Der Vorschlag der SPD scheint uns dann, wenn weiterhin die kommandierende Planwirtschaft im Hintergrund als Programmpunkt steht, wenn weiterhin die Sozialisierung, sei es auch nur der Grundstoffindustrien, als Programmpunkt im Hintergrund bleibt, ein sehr gefährlicher Weg, gefährlich für die Volkswirtschaft im allgemeinen, gefährlich für die Freiheit und gefährlich für die Arbeitnehmer.
Wir müssen nun noch, da auch die juristische Seite zu beachten ist, auf folgendes hinweisen: Diese Mitbestimmung, die Gesetz werden soll, ist praktisch gesehen eine Teilenteignung. Ich bitte, diese Konsequenz einmal klar ins Auge zu fassen. Eigentum besteht aus dem Besitz, das heißt aus dem tatsächlichen Innehaben, besteht aus dem Recht der Fruchtziehung, der Nutzung, und besteht aus dem Recht der Verfügung über den Betrieb. Wenn dieses Verfügungsrecht durch ein Gesetz eingeschränkt wird, dann liegt darin eine Teilenteignung, eine Teilenteignung mit all ihren Konsequenzen nach den Bestimmungen auch unseres Grundgesetzes. Darüber wollen wir uns klar sein. Wir wollen uns weiter klar sein, daß, wenn hier ein Mitbestimmungsrecht, d. h. das Recht der Arbeitnehmer geschaffen wird, zu verfügen, in die einzelnen Vorkommnisse des Lebens eines Betriebes einzugreifen, der Arbeitnehmer gleichsam wie ein Unternehmer an der Seite des ursprünglichen Unternehmers gleichberechtigt mit ihm tritt, dann der Arbeitsvertrag in einen Gesellschaftsvertrag umgeändert wird.

(Seht wahr! rechts.)

Wenn vorhin ein Redner der KPD darauf anspielte, daß die Formulierung Arbeitsgemeinschaft oder so ähnlich in § 1 des Entwurfs der CDU eine Rückerinnerung an die vergangenen Zeiten des braunen Sozialismus sei, dann irrt er. Es handelt sich hier offensichtlich um die richtige Erkenntnis dessen, daß es sich praktisch um die Umwandlung eines Arbeitsvertrags in einen Gesellschaftsvertrag handelt. Wenn ich mich nicht täusche, hat gerade bei seinen letzten Erläuterungen zum Mitbestimmungsrecht Seine Heiligkeit der Papst auf den Unterschied zwischen diesen beiden Vertragsformen sehr deutlich hingewiesen.
Es ist auch von Wirtschaftsdemokratie gesprochen worden, von einem konstitutionellen Wirtschaftssystem, von einem Parlamentarismus im Betrieb. Die Vergleiche, die hier mit dem staatlichen Leben und mit den historischen Entwicklungen im staatlichen Leben gezogen wurden, sind falsch. Der Staat und Privateigentum sind zwei grundverschiedene Begriffe. Wenn man die Entwicklung des einen auch auf das andere anwenden will, dann ergäbe sich folgende Parallele, dann würde die Zeit des absoluten Staates mit dem uneingeschränkten Unternehmerbesitz zu vergleichen sein, dann würde dieses Mitbestimmungsrecht, das hier geschaffen werden soll, etwa mit einer Art Konstitutionalismus oder parlamentarischem System zu vergleichen sein. Nun sind wir auf dem Gebiete der staatlichen Entwicklung aber zur Republik gekommen. Welche Konsequenzen auf wirtschaftlichem Gebiet würden dieser Entwicklung auf staatlichem Gebiet entsprechen? Etwa die sozialisierten Betriebe im westdeutschen Jargon oder die volkseigenen Betriebe im Jargon der Ostzone? Um Antwort wird gebeten.

(Sehr gut! bei der FDP.)

Und nun weiter. Wird die Gewerkschaft, wenn sie diese Machtposition bekommt, die im Entwurf der SPD ihr zugedacht ist, noch die alte Gewerkschaft von früher sein, die Sachwalterin allein der Arbeiterinteressen, oder wie wird sie sich entwickeln? Stellen Sie sich doch vor, daß in allen Betrieben über 300 Arbeitnehmer 50% des Aufsichtsrats, mindestens aber 25% des Aufsichtsrats, von Personen besetzt werden, die von der Spitzenorganisation der Gewerkschaften benannt werden. Ja, dann wird eine kleine Gewerkschaft der Manager entstehen. Dann wird in vielen Betrieben immer der gleiche Vertreter der Gewerkschaften sitzen. Mein Vorredner hat darauf hingewiesen, daß in privaten Gesellschaften auch oft betriebsfremde Personen säßen. Das ist richtig, — aber sie sind in freier Wahl gewählt. Hier wird eine Wahl vorgeschrieben. Es müssen 50 % so gewählt werden, wie es hier im Gesetzentwurf vorgeschlagen wird. Wenn diesem Vorschlagsrecht entsprochen wird, dann ist von einer freien Wahl natürlich doch nicht mehr die Rede, dann wird auch keine Auswahl mehr danach möglich sein, ob nicht die vorgeschlagene Persönlichkeit in soundso vielen anderen und gerade auch


(Dr. Becker [Hersfeld])

in Konkurrenzbetrieben im Aufsichtsrat sitzt. Diese Prüfung wird nicht möglich sein, und es wird nun ganz der Loyalität der betreffenden Person anheimgegeben sein, die Interessen miteinander zu vereinigen oder in der einen Aufsichtratssitzung zu vergessen, was er in der anderen gehört hat.

(Zuruf links: Das ist eine öffentliche Angelegenheit!)

Die Gewerkschaftsvertreter — ich erkenne ihre Tätigkeit vollkommen an, ich sage kein tadelndes Wort, sondern ich spreche nur von den Entwicklungen, die nach dieser Gesetzesvorlage möglich sind — werden mit der Zeit kraft ihrer Tätigkeit in einem oder in mehreren Aufsichtsräten unternehmerisch denken lernen und in dem Augenblick nicht mehr die reinen Sachwalter der Arbeiterinteressen sein, die sie sind und sein sollten. Nach der Richtung hin habe ich sehr erhebliche Bedenken, denn die Entwicklung im Osten hat uns doch allerhand gelehrt.
Ich darf vielleicht mal aus den östlichen Stimmen, die zu diesem Problem vorliegen, eine, und zwar von Lenin aus dem Jahre 1920 vortragen, abgedruckt in der Zeitung „Industriekurier", die Sie kennen.

(Zurufe von der KPD: Au! Au!)

— Jawohl! Hören Sie nur zu; es ist die Stimme Ihres Meisters!

(Heiterkeit in der Mitte und rechts.)

Das Mitbestimmungsrecht führt bestenfalls zu einer enormen Kraftvergeudung und genügt in keiner Weise der Schnelligkeit und Präzision der Arbeit, die den Bedürfnissen einer zentralisierten Großindustrie entsprechend verlangt wird,
sagt Lenin.

(Zuruf von der KPD: Aus welchem Zusammenhang herausgerissen?)

Es steht in Band 25 Seite 18, Rede auf dem Nationalkongreß vom 27. Januar 1920. Bei einer anderen Gelegenheit sagt Lenin:
Nach der Eroberung der Staatsmacht ist das vornehmste Interesse des Proletariats der Wiederaufbau der Großindustrie; ohne ihn kein Sieg des Sozialismus. Ein solcher Erfolg aber setzt die Zusammenfassung der Macht in den Händen der Betriebsleitung voraus. Jede Einmischung der Gewerkschaften in die Leitung der Betriebe ist als unbedingt schädlich und unzulässig zu betrachten.
Das sagte Lenin.

(Zuruf rechts: Der muß ausgeschlossen werden!)

Aber er sagte es nicht von Anfang an, sondern er
sagte es erst im späteren Verlauf der Entwicklung
seines Staatssystems. Vorher hatte er gesagt —
vorher! —:
Die Gewerkschaften müssen dahin kommen,
faktisch die gesamte Verwaltung der Volkswirtschaft als eines einzigen wirtschaftlichen
Ganzen in ihren Händen zu konzentrieren.
Das bedeutet also zunächst die Auffassung, auf dem Weg über die Gewerkschaften Einfluß auf die Betriebe zu gewinnen, und wenn das gewonnen ist, dann geht die Entwicklung des Gewerkschaftsvertreters aus dem Vertreter der Arbeiterinteressen in die umgekehrte Richtung, in die Unternehmerinteressen hinein und diesmal in die staatlichen Unternehmerinteressen hinein, so daß er nunmehr
als staatlicher Betriebsleiter aus einem Sachwalter der Arbeiter zu ihrem Fronvogt geworden ist. (Sehr gut! rechts.)

Nun einige Stimmen aus dem Westen. Eine haben wir heute morgen aus dem Munde des Herrn Kollegen Schröder gehört, der Herrn Buttenwieser zitierte, der gesagt hatte:
Die bloße Zugehörigkeit einiger Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat ist kein Hindernis oder ist nicht schwer zu nehmen —
oder so ähnlich hieß es. Er sprach also von der „bloßen Zugehörigkeit". Die haben wir ja nun schon seit dem Gesetz von 1924 gehabt, und die hat in dem Zusammenhang, von dem Sie sprachen, nämlich der Frage der Kreditbeschaffung und der Kreditwürdigkeit, keinerlei Abbruch getan.

(Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf): Er hat es

aber in dem Zusammenhang vorgetragen!)
— Ja, es ist aber nur von der bloßen Zugehörigkeit die Rede. Er hat nicht von dem gesprochen, was hier im einzelnen vorliegt: nämlich vorn wirtschaftlichen Mitbestimmungsrecht.

(Zuruf rechts: Das hat er gedacht! — Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Er sprach aber von den Mitbestimmungsgesetzen!)

Nun ist von Interesse, daß die amerikanischen Gewerkschaften gerade anderer Auffassung sind. Die sind der Auffassung, daß die Gewerkschaften mit dem Mitbestimmungsrecht nichts zu tun haben sollten, damit sie eben in voller Freiheit, in voller Unabhängigkeit von Unternehmergedankengängen ihre Aufgabe als Sachwalter der Arbeitnehmerschaft durchführen können. Ich glaube, einer der Herren Vorredner hat das bekannte Zitat von den Bergarbeitern schon gebracht. Green sagt:
Die Trennungslinie zwischen der Ausübung der Rechte der Arbeiter und der Leitung muß genau eingehalten werden. Die vereinzelt vertretene Anschauung, die Arbeiterschaft solle zusammen mit der Leitung das Eigentum verwalten, kann nicht akzeptiert werden. Die Freiheit der Arbeiter hängt ihrerseits ab von der Handlungsfreiheit der Unternehmensleitung.
Also hier scharfe Trennung der beiderseitigen
Funktionen.
Um zusammenzufassen: In sozialer Beziehung — ja; Kündigungsschutz bei Entlassungen — ja; wirtschaftliche Mitberatung - selbstverständlich, von jeher geübt; wirtschaftliches Mitbestimmungsrecht in dem Sinne, wie er hier gebraucht wird — nein; Vertretung im Aufsichtsrat — unter gewissen Kautelen ja!
Wenn der Arbeitsfriede, den wir wünschen, und wenn die Prosperität der deutschen Volkswirtschaft das Endziel dieses Gesetzentwurfs sein soll — sie ist auch das Endziel dessen, was wir politisch vertreten —, dann kann es auf dem Weg kaum oder nicht erreicht werden. Wir werden mitarbeiten an der Gesetzgebung, aber wir sagen Ihnen eins: Herr Minister Storch hat vorhin mit Recht erklärt, es kommt auf die Wandlung des Geistes und nicht auf Paragraphen an, und er hat damit zum Ausdruck gebracht: Die Paragraphen allein schaffen es nicht, sondern nur die geistige Gesinnung, die ganze Einstellung, mit der von beiden Seiten an die Durchführung eines solchen Gesetzes herangegangen wird. Er hat weiter gesagt, ein solches Gesetz kann einem Gesetz gleichen, wie es als Verbotsgesetz auf dem wirtschaftlichen Gebiet in der Zeit der Zwangswirtschaft gemacht worden ist, d. h. ein Gesetz, von dem man von vornherein sah, daß es in


(Dr. Becker [Hersfeld])

vielen Dingen nicht eingehalten werden konnte. Das ist allerdings richtig, und unser Freund Freudenberg hat in seinen eindrucksvollen Ausführungen gerade gezeigt, was als geistige Voraussetzung bei solchen Dingen nötig ist. Ich sage aber nun, und das ist die Schlußfolgerung, die man aus den Worten des Herrn Ministers Storch ziehen muß: Dann sind die Paragraphen entweder nebensächlich, vielleicht sogar im einzelnen nur schädlich.
Zum Schluß noch eins: Herr Minister Storch sprach auch von Schüssen, Querschüssen, die gefallen seien. Es ist vom Zentralvorstand der Gewerkschaften, wenn ich über den Absender richtig unterrichtet bin, gedroht worden, daß alle Mittel des gewerkschaftlichen Kampfes zur Durchsetzung dieses Mitbestimmungsrechts eingesetzt würden. Ich darf erwidern, daß der Streik legal ist nur zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen, nicht zur Durchsetzung bestimmter Gesetze. Ich darf darauf hinweisen, daß mit Streikandrohungen einem Parlament nicht gekommen werden darf. Ich darf schließen mit den Worten: Freie Demokraten lassen sich nicht einschüchtern!

(Lebhafter Beifall rechts.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108005700
Das Wort hat der Abgeordnete Freidhof.

Rudolf Freidhof (SPD):
Rede ID: ID0108005800
Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Euler hat heute morgen den Antrag gestellt, diesen Beratungsgegenstand von der heutigen Tagesordnung abzusetzen, und er hat das damit begründet, daß es aus Gründen der Rationalität unserer Arbeitsweise notwendig sei, diesen Punkt erst später zu behandeln, wenn auch der sozialdemokratische Gesetzentwurf eingereicht sei. Ich glaube, es war nicht allein die Tatsache, daß er um die Rationalität der Arbeitsweise des Bundestages besorgt ist, die ihn zu diesem Antrag bewog, sondern ich nehme an, daß sein Antrag aus politischen Motiven geboren war. Ich darf daran erinnern, daß sein Fraktionsfreund Freiherr von Rechenberg vor einiger Zeit in einer Rede in Köln erklärt hat, wenn die CDU es wagen sollte, gemeinsam mit der Sozialdemokratie das Mitbestimmungsrecht durchzuführen, dann werde das zum Bruch der Koalition und zum Austritt der FDP aus der jetzigen Regierung führen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Das zunächst einmal als Vorbemerkung.
Nun haben wir aus allen Lagern eine Reihe von Eingaben erhalten, — — vielleicht, Herr Freiherr von Rechenberg, bleiben Sie da, ich will Sie nachher noch etwas zitieren! — Ich sagte, wir haben eine Reihe von Eingaben erhalten, von Arbeitgeberseite und von Arbeitnehmerseite, von einzelnen Korporationen, von Vereinigungen, von Betriebsräten, von den Gewerkschaften und von den Kirchen. Allein diese Tatsache, daß eine Flut von Gutachten und Eingaben an uns herangetragen worden ist, ferner die Tatsache, daß die Frage des Mitbestimmungsrechts draußen in der Öffentlichkeit eine breite Resonanz gefunden hat, und nicht zuletzt die Tatsache, daß wir heute einen ganzen Tag darauf verwenden, zu dieser Frage Stellung zu nehmen, sowie die hier gehaltenen Reden, die die Wichtigkeit des Problems unterstreichen, zeigen, wie notwendig es ist, in dieser Frage eine Klärung herbeizuführen.
Von Unternehmerseite sind Mittel angewandt worden, die nach meiner Auffassung zu schärfstem Protest herausfordern, weil sie sachlich unbegründet sind und zu einer Diffamierung des jetzt zur Beratung stehenden Gegenstandes führen. Ich will aber, bevor ich auf diesen Gegenstand eingehe, noch eine weitere Vorbemerkung machen: Der Landesausschuß der bayerischen Industrie hat vor einiger Zeit an seine Mitglieder ein Rundschreiben verschickt, und ich muß einige Stellen aus diesem Rundschreiben verlesen, um nachher zu dem, was ich gesagt habe, Stellung nehmen zu können. In diesem Rundschreiben heißt es:
Das Präsidium des Landesausschusses der bayerischen Industrie hat in seiner Sitzung am 4. April 1950 die Lage der Wirtschaft und des Unternehmertums erörtert und ist zu der Erkenntnis gekommen, daß keine Zeit mehr versäumt werden darf, um entscheidende Maßnahmen zum Schutze der privaten Wirtschaft und des Unternehmertums zu ergreifen.
Nun überspringe ich einige Dinge, die nicht von so großer Wichtigkeit sind, um zur Hauptsache zu kommen. Es heißt dann weiter:
Aus dieser Erkenntnis heraus hat das Präsidium beschlossen, die Mitglieder des Hauptausschusses zu bitten, bei den von ihnen vertretenen Industrien eine Umlage von 1 DM pro Kopf der Beschäftigten zu veranlassen. Diese
Beiträge sollen dazu dienen, einen Fonds zu bilden, mit dessen Mitteln die vorerwähnten Aufgaben erfüllt werden können.
Und welches sind die Aufgaben?
In der Frage des Mitbestimmungsrechtes alle verfügbaren Kräfte zur Erhaltung der Unabhängigkeit des Unternehmertums einzusetzen, Wahlgelder für die Durchsetzung wirtschafts- und unternehmerfreundlicher Auffassungen in den bürgerlichen Parteien bei den bevorstehenden Landtagswahlen sicherzustellen und Kandidaten auf aussichtsreichen Plätzen der bürgerlichen Wahllisten unterzubringen.
Verehrte Anwesende! Allein dieses Rundschreiben würde genügen, um die Forderung nach dem Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte in den Betrieben zu begründen. Denn das ist das Geld, das die Arbeitnehmer erarbeiten müssen und das nun die Unternehmer zu Zwecken ausgeben, die gegen die Arbeitnehmerschaft gerichtet sind.

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Der Unternehmer hat keinen Anteil, nein? Dem steht nichts zu?)

— Die Arbeiterschaft schafft doch diese Werte! (Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Freiherrn von
Rechenberg.)
Nun sehe ich in dem „Industrie-Kurier" vom 18. Juli eine letzte Warnung und dabei als Beilage dieses Pamphlet: „Im Anfang war die Mitbestimmung", das sich ganz auf Lenin bezieht. Ich bedaure, daß der sonst von mir hochgeschätzte Herr Kollege Dr. Becker dieses Pamphlet zur Grundlage seiner Begründung gemacht hat.

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Begründung? Warum?)

— Ich will Ihnen sagen, warum, und ich will es
ganz deutlich sagen: Meine Herren, daß Sie heute
hier sitzen können, ist nicht Ihr eigenes Verdienst,

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Das lehne ich völlig ab!)

sondern ist in erster Linie das Verdienst der Sozialdemokratie, das Verdienst des Abwehrkampfes, den
die Sozialdemokratie vom ersten Tage nach der Ka-


(Freidhof)

pitulation im Jahre 1945 an gegen den östlichen Totalitarismus geführt hat,

(lebhafter Beifall bei der SPD; — entrüstete Zurufe rechts; — Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Kein Wort davon wahr!)

zu einer Zeit, als viele Ihrer Herren es noch nicht gewagt haben, politisch in der Öffentlichkeit aufzutreten.

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Ich vielleicht auch? Sie haben mich ja koramiert! Ich auch?)

Meine Damen und Herren, damit will ich dieses Kapitel zunächst einmal abschließen.

(Lebhafte Rufe rechts: Aha!)

— Ich komme nachher noch zu Ihnen, Herr Kollege von Rechenberg.

(Zuruf rechts: Gar nicht notwendig! — Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Ich möchte es aber! Seien Sie so lieb und machen Sie es jetzt schon!)

— Das müssen Sie schon mir überlassen!
Bei der Frage des Mitbestimmungsrechts dreht es sich nicht allein darum, daß ein gesetzlicher Akt vollzogen werden soll, sondern darum, daß die Arbeitnehmer diejenige Würde erhalten, die ihnen kraft ihrer Funktion, die sie in der Volkswirtschaft ausüben, zusteht. Das hat selbst der Herr Bundeskanzler Adenauer erkannt, als er unlängst in einer Unterredung gesagt hat, daß von der Lohnseite her dem Arbeitnehmer allein nicht mehr beizukommen ist, sondern daß soziale Gerechtigkeit vollzogen werden muß.
Ich will einige Dinge jetzt überschlagen; ich will noch folgendes sagen, was heute morgen schon ein Redner gesagt hat, ich habe mir das ebenfalls vorgenommen. Wenn wir jetzt nicht 1950 schreiben würden, sondern erst 1945 oder 1946 schreiben würden, dann würde die gesetzliche Handhabung für das Mitbestimmungsrecht zweifelsohne leichter durchzuführen sein als zum heutigen Zeitpunkt.
Ich muß nun zu den Ausführungen, die der Herr Kollege Dr. Hammer — nein, ich will zuerst zum Herrn Abgeordneten von Rechenberg kommen.

(Heiterkeit.)

Daß in Deutschland jede Organisation die Möglichkeit hat, ihre Stellungnahme für oder gegen das Mitbestimmungsrecht klar und eindeutig auszusprechen, wird niemand übelnehmen. Wir sind zu einer sachlichen Auseinandersetzung jederzeit bereit. Aber ich habe in der „Frankfurter Rundschau" vom 19. Juli 1950 einen Artikel gelesen. Der Artikel beschäftigt sich mit dem Herrn Kollegen Freiherr von Rechenberg. Und da ich bis jetzt ein Dementi noch nicht gelesen habe,

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Habe auch nicht die Absicht! — Zuruf von der SPD: Na also!)

möchte ich Sie zwingen, von dieser Tribüne aus zu diesen Anschuldigungen oder zu dieser sachlichen Feststellung, so will ich sagen, selbst Stellung zu nehmen.

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Können Sie haben!)

In diesem Artikel wird festgestellt, daß bei dem Empfang des Studienausschusses für deutsch-französische Wirtschaftsbeziehungen zu Ehren des amerikanischen Hochkommissars McCloy eine Veranstaltung stattgefunden hat, bei der auch Freiherr von Rechenberg das Wort ergriffen hat. Die „Frankfurter Rundschau" schreibt, daß sie einen
vollständigen stenographischen Bericht von dieser Veranstaltung in ihren Händen habe.

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Wissen Sie, woher? Fragen Sie einmal das Büro von McCloy, wo sie ihn her hat!)

— Das ist egal, und wenn es gestohlen ist, (Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Nein, nicht gestohlen! — Heiterkeit)

auch wenn das Protokoll gestohlen ist, so ändert das nichts an der Tatsache, daß Sie, wenn es ein stenographisches Protokoll ist und der Wahrheit entspricht, zu diesen Fragen Stellung nehmen müssen.

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Das bezog sich nur auf die Bemerkung: „Ein glücklicher Zufall ließ uns das Blatt auf den Tisch flattern"! — Zuruf links: Es gibt keine Zufälle, Herr von Rechenberg!)

Der amerikanische Hohe Kommissar McCloy hat in dieser Veranstaltung mit Sorge festgestellt, daß kleine Klüngel in Deutschland sich anschicken, die deutsche Wirtschaft wieder zu beherrschen.

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Ganz so hat er es nicht gesagt!)

Nach diesem Bericht — ich zitiere die Zeitung — hat von Rechenberg erklärt —,

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: „Viele Deutsche fragen sich voll Sorge", hat es gelautet!)

— soll Herr von Rechenberg erklärt haben, daß diese Gefahr riesengroß ist,

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Jawohl, habe ich erklärt!)

und daß diese Gefahr, die riesengroß ist, in erster Linie vom Sozialismus herstammt. Sie sollen wörtlich erklärt haben: „Wir haben ihn kennengelernt, in der braunen Form, wie ihn Adolf Hitler vertrat, und wir haben ihn genügend kennengelernt in der roten marxistischen Form, wie es Stalins Schrekkensregiment darstellt."

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Richtig!)

Herr von Rechenberg, ich glaube, erstens einmal hat die Gewaltherrschaft des Dritten Reiches mit Sozialismus nichts zu tun gehabt;

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Da kann man verschiedener Ansicht sein!)

und wenn Sie von Sozialismus des Dritten Reiches reden, dann glaube ich, haben wir als Sozialdemokraten ihn näher kennengelernt als viele Leute, die auf Ihrer Seite sitzen.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Wir haben ihn so brutal kennengelernt, daß der größte Teil unserer Fraktion in Gefängnissen oder Zuchthäusern oder in Konzentrationslagern gewesen ist. Wir haben auch den Kampf gegen das Schreckensregiment im Osten geführt, weil wir auf dem Standpunkt stehen, daß Sozialismus ohne Menschlichkeit nicht möglich ist. Wo die Menschlichkeit fehlt, ist der Sozialismus am Ende.
Aber ich komme zu dem Wichtigsten, und deswegen möchte ich Sie fragen, ob Sie diese Ausführungen gemacht haben. Sie sollen nach dem Stenogramm gesagt haben:
Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Vertreter einer Nation, in der kommunistisches Denken geradezu als Schande gilt, etwa hiermit fortschrittlich sozialistisches Gedankengut meinen könnte. Wenn es gelingt, sozialistische Ideen in Deutschland zum Tragen und zur


(Freidhof)

Macht zu bringen, dann kann Amerika die Hoffnung auf ein zukünftiges Europa begraben. Das sage ich nicht als Drohung, ich sage es aus einer ehrlichen Herzensangst, daß es dazu kommen könnte. Und daß es dazu nicht kommt, das wird gerade Ihre Aufgabe als Vertreter dieser Nation sein, dafür zu sorgen, daß alle derartigen Bestrebungen in Deutschland nicht zur Macht gelangen.

(Hört! Hört! bei der SPD. — Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Richtig!)

Haben Sie das gesagt?

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Das habe ich wörtlich gesagt!)

— Dann muß ich schon sagen: Wenn sich Deutsche an die Besatzungsmacht wenden,

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Nein!)

um den Kampf der Arbeiterklasse um das Mitbestimmungsrecht zu verhindern,

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Drehen Sie es nicht herum!)

wenn sie sich an die Besatzungsmacht wenden
— jeder, der sich an die Besatzungsmacht wendet, das ist mein Standpunkt, um in die innerpolitischen Verhältnisse einzugreifen, handelt antinational, handelt gegen die Nation. Über das, was wir zu tun haben, setzen wir uns innenpolitisch auseinander ohne die Besatzungsmacht. Wer sich an die Besatzungsmacht in einer solchen Situation wendet, wird als das gekennzeichnet werden, was er ist.

(Zuruf von der SPD: Landesverräter! — Weitere Zurufe: Die hessischen Arbeitgeberverbände haben das auch getan! — Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Ich habe McCloy kritisiert, um ihn auf die Weise auf den richtigen Weg zu bringen! Ich habe dadurch erreicht, was ich wollte! — Zuruf von der SPD: Sie haben an McCloy geschrieben!)

Nun möchte ich mich — -

(Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Das ist eine Entstellung der Zeitung! — Zuruf von der SPD: Reden Sie von der Tribüne! — Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Da komme ich nicht mehr ran!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108005900
Es ist noch Platz für Sie auf der Rednerliste.

Rudolf Freidhof (SPD):
Rede ID: ID0108006000
Nun möchte ich mich noch mit dem Kollegen Dr. Hammer auseinandersetzen. Herr Kollege Dr. Hammer, Sie haben ja mit mir gemeinsam das Betriebsrätegesetz in Hessen geschaffen, Sie haben ja mitgearbeitet, und zwar bis zu dem Augenblick, in dem das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht beschlossen worden ist, in dem Sie dann mit Ihrem Kollegen Göbel gestreikt haben und in die Sitzungen nicht mehr gekommen sind. Ich muß anerkennen -- und das möchte ich Ihnen hier bestätigen —, daß Sie sehr fleißig während der Zeit der Beratungen mitgearbeitet haben.
Der Herr Kollege Hammer hat aber einen sehr interessanten Satz in seiner Rede gesagt. Er sagte wörtlich: „Wer gegen unsere Wirtschaft rebelliert, muß sich darüber klar sein, daß am Ende die Sklaverei steht." — Herr Kollege Hammer, wenn die Arbeiterschaft von Anfang an nicht rebelliert hätte, dann würde sie noch heute in dem Zustand sein, in dem sie im Anfang gewesen ist. Erinnern
Sie sich daran, daß noch im Jahre 1890 in den Stahlwerken von Stumm kein Werkangehöriger eine Ehe schließen konnte ohne die Zustimmung der Werkleitung, des Chefs. Erinnern Sie sich daran, daß noch im Jahre 1918 bestimmte Arbeitnehmergruppen, wenn sie ihren Arbeitsplatz verlassen hatten, durch die Polizei zwangsweise an ihre Arbeitsstellen zurückgebracht werden konnten. Das ist die Rebellion gewesen, die die Arbeitnehmerschaft zu ihrem Segen durchgeführt hat.
Nun will ich Ihnen aber noch etwas anderes sagen, Herr Kollege Hammer. Ich habe im „Deutschen Kurier" vom 14. Januar 1950 einen Artikel von Ihnen gelesen. Ich bedauere, daß Herr vnn Brentano, der auch dem Betriebsrätegesetz in Hessen mit zugestimmt hat, nicht anwesend ist. Ich will alles, was Sie heute morgen an philosophisch-. historischem Vortrag über die Arbeiterbewegung gehalten haben, das zum Teil in diesem Artikel enthalten ist, übergehen. Ich will nur eine Stelle vorlesen:
Das angekündigte Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird vielleicht mit Rücksicht auf Herrn von Brentano und auf das mißgestaltete Kind jener Mesalliance zwischen SPD und hessischer CDU verschämt das Wörtchen Mitbestimmung hier und da gebrauchen.
Verehrte Anwesende! Der Herr Kollege Arndgen hat seine Unterschrift unter das hessische Betriebsrätegesetz als damaliger Arbeitsminister geleistet. Es ist vorhin von dem Herrn Kollegen Becker gesagt worden, daß Professor Böhm, der frühere Kultusminister der hessischen Regierung, als Sachverständiger gehört worden ist. Wir haben ihn seinerzeit gebeten, seine Auffassung in unserem Ausschuß vorzutragen. Ich muß aber feststellen, daß sämtliche CDU-Abgeordnete des Hessischen Landtages in namentlicher Abstimmung mit Ja gestimmt haben. Ich wünsche nur, wenn wir jetzt das Mitbestimmungsrecht hier schaffen und es den Verhältnissen des hessischen Betriebsrätegesetzes entspricht, daß dann alle CDU-Abgeordneten, auch des Bundestages, den Mut aufbringen, den die hessischen CDU-Abgeordneten aufgebracht haben.
Nun hat der Kollege Becker noch gesagt, er frage sich, wohin politisch die Reise geht, wenn wir dieses Mitbestimmungsrecht durchführen. Ich verhehle gar nicht — das habe ich auch damals als Sprecher im Hessischen Landtag gesagt, als ich zum Betriebsrätegesetz Stellung genommen habe —, daß auch Gefahren für die Gewerkschaften darin bestehen, wenn der eine oder andere in den Aufsichtsrat delegiert wird. Diese Gefahren müssen die Gewerkschaften mit in Kauf nehmen; das ist selbstverständlich. Aber, wenn der Herr Kollege Dr. Becker fragt, wohin politisch die Reise gehen soll, dann wäre es besser gewesen, wenn diese Frage vor 1933 gestellt worden wäre; denn wenn vor 1933 das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht bereits vorhanden gewesen wäre, dann habe ich die feste Überzeugung, daß wir vielleicht über diese Katastrophe, die wir hinter uns haben, hinweggekommen wären.

(Abg. Strauß: Weil sie kein Geld hätten ausgeben können; das ist der Witz!)

— Jawohl.
Dann noch ein anderes, Herr Kollege Dr. Becker und Herr Kollege Dr. Hammer. Durch den Einspruch der Militärregierung waren bekanntlich die


(Freidhof)

Atikel 52 ff. zunächst suspendiert in der Meinung, daß eine spätere Nationalversammlung oder ein Bundesparlament, das jetzt geschaffen worden ist, das Mitbestimmungsrecht regelt, daß aber bis zu dem Zeitpunkt, wo durch den Bund dieses Gesetz geschaffen wird, diese Paragraphen suspendiert werden. Nachdem die Militärregierung selbst eingesehen hat, daß der Bund keine Anstalten macht, diese Dinge möglichst rasch zu regeln, ist man mittlerweile dazu übergegangen, in den Ländern, in denen das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht bereits im Gesetz verankert ist, die Paragraphen in Kraft zu setzen.
Ihr Herr Kollege Euler und auch Ihr Herr Kollege Dr. Ihlau haben in einer ganzen Reihe von Versammlungen erklärt: Nachdem das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht in Hessen in Kraft getreten ist, werden wahrscheinlich eine ganze Reihe von Betrieben aus dem Lande Hessen auswandern; andere Betriebe werden nicht mehr nach Hessen kommen, und Kredite vom Ausland werden wir nach Hessen nicht mehr bekommen. Wenn Sie es mit dem Lande Hessen gut meinen, dann rate ich Ihnen, jetzt das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht für den ganzen Bund zu schaffen; dann besteht keine Ausweichmöglichkeit für die Unternehmer in Hessen mehr, in ein anderes Land abzuwandern.

(Beifall bei der SPD.)

Noch eine Bemerkung zu dem Herrn Kollegen Freudenberg. Ich will nur zwei Sätze sagen. Der Herr Kollege Freudenberg hat gesagt, daß er als unabhängiger Kandidat in seinem Wahlkreis Weinheim gewählt worden ist. Ich kenne die Verhältnisse dort sehr gut. Er hat gesagt, seine Stimmen hätten nicht soviel gekostet wie die sozialdemokratischen Stimmen. Vielleicht ist der Herr Kollege Freudenberg einmal so freundlich und legt uns eine Abrechnung vor, wieviel die Wahlkosten zur Durchsetzung seiner Wahl in seinem Wahlkreis betragen haben.

(Unruhe und Zurufe.)

Dann hat Kollege Freudenberg gesagt, er sei jetzt älter und klüger geworden.

(Zuruf von der Mitte: Das ist erfreulich!)

und sei um so mehr überzeugt, daß die Entfaltung der Leistungen der einzelnen Individuen gewährleistet sein muß. Ich muß sagen, ich habe vor 30 Jahren mit dem Herrn Kollegen Freudenberg im Badischen Landtag gesessen und habe damals von ihm andere Reden als heute gehört. Wenn er älter geworden ist, dann ist er nach meiner Auffassung wenig klüger geworden, und wenn er sich gar auf Ludwig Haas berufen hat, dann möchte ich noch im Andenken an Ludwig Haas sagen, wenn Ludwig Haas diese Rede gehört hätte, dann hätte er wahrscheinlich heute von einem mißratenen Sohn gesprochen.

(Heiterkeit.)

Über das, was der Herr Abgeordnete Walter von der Deutschen Partei gesagt hat, will ich mich nicht unterhalten. Er hat erklärt: „Es muß verhindert werden, daß es zu Streiks und Demonstrationen kommt." Dazu kann ich nur bemerken, wahrscheinlich ist sein Bedarf vor 1933 so gründlich gedeckt worden, daß er es heute nicht mehr nötig hat.

(Heiterkeit.)

Zur KPD will ich kein Wort sagen, und zwar deshalb nicht, weil man nicht die Gewißheit hat,
ob ein kommunistischer Abgeordneter in vier Wochen noch kommunstischer Abgeordneter ist. (Zuruf von der KPD: Billig!)

Was wir verlangen, ist die Anerkennung der Gewerkschaften, die Gleichberechtigung der Arbeitnehmer und die Verankerung nicht der Mitwirkung, sondern der Mitbestimmung in diesem Gesetz. Sie haben ja selbst gesagt, daß Sie eine machtpolitische Auseinandersetzung nicht haben wollen. Gut, teilen Sie Ihre Macht mit der Arbeiterschaft! Dann ist eine machtpolitische Auseinandersetzung nicht notwendig.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108006100
Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Herr Abgeordnete Rademacher.

Willy Max Rademacher (FDP):
Rede ID: ID0108006200
Meine Damen und Herren! Während der Herr Abgeordnete Freidhof sich mit dem Herrn Abgeordneten von Rechenberg auseinandersetzte, ist auf der linken Seite des Hauses das Wort „Landesverräter" gefallen. Ich stelle fest, daß der Herr Präsident diesen Ausdruck nicht gerügt hat, und ich bitte den Herrn Präsidenten, zu fragen, wer diesen Ausspruch getan hat. Ich hoffe, daß der Betreffende Charakter genug besitzt, sich zu melden, und ich ersuche dann den Herrn Präsidenten, auf Grund der Geschäftsordnung die Maßnahmen zu ergreifen, die bei einer so schwerwiegenden Beleidigung erforderlich sind.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108006300
Ich habe das Wort „Landesverräter" nicht gehört. Ich frage das Haus: Ist dieses Wort gefallen? Wenn ja, wer bekennt sich dazu?

(Abg. Arnholz: Das Wort „Landesverrat" ist gebraucht worden! — Widerspruch bei der FDP.)

- Wir können an Hand des Stenogramms feststellen, was gesagt worden ist. Ich werde nachher auf Grund des Stenogramms entscheiden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Loritz.

(Unruhe.)


Alfred Loritz (WAV):
Rede ID: ID0108006400
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zwei Entwürfe liegen uns vor, ein Entwurf von der CDU/CSU und ein zweiter Entwurf von der SPD. Wir lehnen beide Entwürfe auf das entschiedenste ab.

(Andauernde Unruhe und Zurufe bei den Regierungsparteien und rechts.)

Beide Entwürfe sind - das will ich Ihnen jetzt beweisen - sehr wenig durchdacht.

(Lachen bei den Regierungsparteien.)

Denn sonst könnten sie nicht Formulierungen enthalten, über die draußen im Lande jeder einzelne, der sich die Sache einmal richtig durchgelesen hat, sich nur lustig machen kann.

(Erneutes Lachen und Zurufe bei den Regierungsparteien.)

Ich will Ihnen das jetzt gleich sagen, meine Herren Zwischenrufer von der CDU.

(Heiterkeit.)

Ich fange gleich mit Ihnen an.

(Erneute Heiterkeit.)

Sie haben in dem Entwurf der CDU in § 2 Absatz 3 die Bestimmung, daß Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes auch die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten sind. Der Entwurf enthält einen § 4, wonach der Betriebsrat schon für alle Betriebe und


(Loritz)

Geschäfte von fünf Arbeitnehmern angefangen gebildet wird. Sie wählen einen Betriebsrat, und für ihn gelten diese Bestimmungen, und zwar sämtliche Bestimmungen dieses Gesetzes.

(Widerspruch und Zurufe bei der CDU: Sie müssen richtig lesen!)

Wenn Sie von Betrieben mit über 20 Arbeitnehmern sprechen, so gelten die Bestimmungen natürlich nicht, das weiß ich auch.

(Erneute Zurufe von der CDU.)

Aber der Hauptstock der Bestimmungen gilt.

(Abg. Stücklen: Flunkern Sie nicht!)

— Sie werden gleich hören, was dabei herauskommt. — Ein einfacher Schuhmacher hat meinetwegen vier Lehrbuben und ein Laufmädchen oder einen sonstigen Angestellten. Für diesen Betrieb muß ein Betriebsrat gewählt werden.

(Widerspruch und Zurufe bei der CDU: Das ist nicht wahr!)

— Warum ist das nicht wahr, Herr von Brentano? (Abg. Dr. von Brentano: Weil es nicht da steht! — Heiterkeit.)

Sie meinen: sie sind nicht wahlberechtigt! Da täuschen Sie sich aber sehr. Wahlberechtigt sind alle Arbeitnehmer, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte sind. Warum sollen sie nicht wahlberechtigt sein? Sie sind wahlberechtigt. Aber Sie haben anscheinend Ihren eigenen Gesetzentwurf, den Sie uns heute vorlegen, überhaupt nicht durchgelesen, Herr von Brentano.

(Große Heiterkeit.)

Sie scheinen bereits so in europäischen Gedankengängen zu denken,

(erneute große Heiterkeit)

daß Sie sich um derart kleine Dinge wie das Betriebsrätegesetz — so möchte ich es fast nennen — nicht mehr kümmern. Dann sollten Sie aber auch Ihre Zwischenrufe sein lassen, Herr Dr. von Brentano.

(Wiederholte Heiterkeit und Zurufe.)

Ich stelle fest: Dieses Gesetz findet Anwendung auf kleine und kleinste Gewerbetreibende, auf Handwerksmeister, auf Schuhmacher mit ein paar Lehrlingen oder ein paar Gehilfen, auf kleine Kaufleute, und das ist ein Nonsens, meine Damen und Herren, weil die wirtschaftlichen Bedingungen, unter denen das Handwerk, der Kaufmannstand, die kleinen und mittleren Unternehmungen zu arbeiten haben, völlig andere als bei den ganz großen oder großen Betrieben sind. Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf das alles über einen Kamm zu scheren versucht. Es ist einer der größten Fehler des Gesetzesvorschlages der CDU/CSU, daß er nicht berücksichtigt, wie unendlich verschieden die Wirtschaftsbedingungen und damit auch die Arbeitsbedingungen beim Handwerk, beim Kleinhandel, beim kleinen Unternehmer einerseits und bei den großen Betrieben andererseits sind. Das kommt in Ihrem Entwurf viel zu wenig zum Ausdruck .

(Zuruf rechts: Da haben wir es! —. Heiterkeit.)

— Ja, da haben wir es.

(Erneute Heiterkeit.)

Der Schuhmacher wird über diesen Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, lachen, und wahrscheinlich werden seine Gesellen und seine Lehrlinge ebenfalls darüber lachen. Sie werden lachen über ein solches Zeug, das Sie ihnen vorgesetzt haben.

(Heiterkeit.)

Vier Fünftel der Unternehmer sind Inhaber kleiner und kleinerer Betriebe des Handwerks, der kleinen Wirtschaft. Sie alle fallen unter diesen Gesetzentwurf. Sie haben dieses Gesetz viel zu breit angelegt. Fragen Sie doch einmal die Gehilfen und die Gesellen der Handwerksmeister im ganzen Land!

(Sehr gut! bei der WAV.)

Die werden Ihnen die nötige Antwort auf diese
Bestimmungen geben, meine Herren von der CDU.

(Zurufe von der CDU.)

- Sie können ja jetzt Witzchen darüber machen, soviel Sie wollen, Herr Zwischenrufer, Sie werden mir das, was ich Ihnen gesagt habe, nicht wiederlegen können.

(Zurufe von der CDU: Das können wir leicht! Das kommt noch!)

Sie haben Kautschukparagraphen in diesem Gesetz, mit denen sich so gut wie gar nichts machen läßt, die Sie so und anders auslegen können.

(Erneute Zurufe von der CDU.)

— Jawohl, Kautschukparagraphen! Ich erinnere nur an einige, an § 27 oder an § 30.

(Zuruf von der Mitte: 51!)

Überall werden Sie mit diesen Pragraphen gar nichts erreichen können. Sie werden nur den Interessen der Arbeitnehmer genau so schaden wie den Interessen des ganzen Betriebes.
Wir lehnen also Ihren Entwurf, meine Herren von der CDU/CSU, mit aller Bestimmtheit ab. Er schadet der gesamten Wirtschaft, er schadet den Arbeitnehmern genau so wie den betreffenden Unternehmungen selbst.

(Zuruf rechts: Schade!)

Wir können auch dem Antrag der SPD unter keinen Umständen zustimmen. Der Antrag der SPD bringt eine Reihe von Dingen, die sich mindestens ebenso wirtschaftsschädlich auswirken werden wie das, was die CDU beantragt.

(Abg. Böhm: Das ist ja politischer Samba, was Sie da tanzen! — Große Heiterkeit.)

— Ich gehöre nicht zu den Abgeordneten der SPD, die im Carlton Samba tanzen. Ich bin deswegen nicht Fachmann auf diesem Gebiet.

(Erneute Heiterkeit.)

Nein, ich gehöre nicht zu den Abgeordneten der SPD, die bei Champagner im Carlton Samba tanzen. Lassen Sie mich nicht deutlicher werden! Aber mit so billigen Mätzchen können Sie gar nichts erreichen; das kann ich Ihnen sagen, meine Herren.
Ich habe in den letzten Wochen mit vielen Arbeitern gesprochen. Diese haben mir übereinstimmend gesagt: Was geschieht mit unserem Betrieb, wenn Leute in unseren Betrieb hineingesetzt werden, die diesem Betrieb gar nicht angehören? Das ist eine ganz große Gefahr Ihres Gesetzentwurfs. Sie werden — das hat heute ein Redner ganz richtig gesagt, ohne daß ich dessen sonstige Ausführungen unterstreichen möchte — hier gewerbsmäßige Vertreter schaffen, die gleichzeitig in einer ganzen Reihe von Betrieben drinstecken, in Betrieben, die oft untereinander in schärfster Konkurrenz stehen. Ich glaube, daß diese Vertreter es oft sehr hart haben werden, die Interessen der einzelnen Betriebe auseinanderzuhalten, und daß es hier Dinge geben wird, die man als Anwalt Prävarikation heißt, daß Interessen verschiedenster, nicht etwa miteinander zusammenhängender Betriebe durcheinandergeworfen und damit geschädigt werden. Es ist ein Unding, daß man betriebsfremde Leute in den Betrieb hineinsehen läßt. Sie werden


(Loritz)

mir vielleicht antworten: Im Aufsichtsrat sind ja auch betriebsfremde Leute drin, die können jetzt schon hineingewählt werden. Trotzdem besteht da ein ganz großer Unterschied. Die Tätigkeit des Aufsichtsrats — es sind ja genügend Juristen bei Ihrer Fraktion, ich brauche Ihnen das nicht zu schildern — ist keineswegs so geartet, daß die Leute hinter Betriebsgeheimnisse dieses Betriebes kommen können.

(Widerspruch.)

— Nein, das können sie nicht; das kann das Direktorium des betreffenden Werkes jederzeit verhindern. Das wird in den Aufsichtsratssitzungen im allgemeinen auch gar nicht angeschnitten.

(Abg. Heiland: Dann sind Ihrer Meinung nach die Gewerkschaften klüger, so daß sie hinter die Betriebsgeheimnisse kommen!)

— Klüger? Die stecken mitten drin, ganz anders als heute die Aufsichtsratsmitglieder, Herr Kollege. Die haben nach Ihrem Vorschlag jederzeit die Möglichkeit, hinter Betriebsgeheimnisse zu kommen. Diese Möglichkeit haben die Aufsichtsratsmitglieder nach den heutigen gesetzlichen Bestimmungen nicht. Jedenfalls ist das eine Bestimmung, die völlig unmöglich ist.
Die andere Grundidee, an der der sozialdemokratische Vorschlag scheitern wird, ist die, daß Sie nicht Leute mit Dingen befassen können, die sie selbst nicht kennen. Sie können und müssen Arbeiter mit den Angelegenheiten befassen — und ihnen ein maßgebliches Mitspracherecht darin zubilligen —, die die betreffenden Arbeiter selbst kennen, in denen sie Fachleute sind. Sie können aber nicht Arbeiter mit Angelegenheiten der kaufmännischen Führung oder der technischen Leitung oder
mit sonstigen Problemen befassen. Sie bringen hier Arbeiter in Haftungen hinein, die unübersehbar sind und die von den betreffenden Arbeitern, und zwar gerade von den richtig und vernünftig denkenden — und das ist die übergroße Anzahl -
bewußt abgelehnt werden.
Den Arbeitern ist es um etwas ganz anderes zu tun, als mit Dingen befaßt zu werden, die sie nicht kennen. Den Arbeitern ist es darum zu tun, einen möglichst anständigen Lohn zu erhalten, möglichst anständige und soziale Arbeitsbedingungen und eine Sicherung für ihr Alter zu haben. Das wollen die Arbeiter erreichen, und darin werden wir sie mit aller Kraft unterstützen.

(Zuruf von der SPD: Sie!?)

Die Arbeiter denken in ihrer übergroßen Mehrzahl gar nicht daran, vielleicht ein kaufmännisches oder technisches Risiko zu übernehmen. Daran denken bloß einige tausend Leute, die auf Posten in den betreffenden Unternehmen spekulieren. Die denken daran, andere nicht. Man hätte in der letzten- Zeit hier im Parlament über die Minderung des Reallohns durch die eingetretenen Preissteigerungen und über alle diese Dinge mehr sprechen sollen. Aber man soll nicht Utopien nachjagen. Man soll nicht Probleme, die nur durch einen Fachmann auf diesem Gebiet gelöst werden können, durch einen Nichtfachmann zu lösen versuchen, ebensowenig wie ein kaufmännischer Leiter des Unternehmens oder ein juristischer Abteilungsleiter des Werkes sich mit Arbeiterproblemen befassen soll.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir lehnen die beiden Entwürfe ab. Sie sind wirtschaftsschädigend, sie wirken sich für die Arbeitnehmer genau so wie für die Arbeitgeber schädlich aus.
Beide Entwürfe werden ja dem Ausschuß überwiesen werden. Wir haben heute gehört, ein Regierungsentwurf kommt auch noch dazu. Sehr schade, daß er nicht schon lange da ist. Vielleicht hätte die Debatte eine andere Wendung genommen. Jedenfalls wird der Ausschuß erst dann in die Lage kommen, hier wirklich Bestimmungen zu schaffen, die sich einigermaßen halten lassen. Was uns heute vorliegt, gehört noch nicht dazu. Wir werden im Ausschuß zu den einzelnen Bestimmungen allerhand zu sagen haben. Sollten die Dinge, die hier im Gesetz stehen, durchgehen, so sehen wir für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft schwarz; das kann ich Ihnen heute schon sagen. Wir werden erst auf Grund der Ausschußberatungen die Möglichkeit haben, zu den betreffenden Dingen im einzelnen Stellung zu nehmen. So wie Sie es wollen, meine Herren von der CDU ebenso wie von der SPD, geht es jedenfalls nicht. So ruinieren Sie die Wirtschaft, anstatt sie zu fördern.

(Beifall bei der WAV.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108006500
Ehe ich das Wort erteile, darf ich folgendes mitteilen. Ich habe soeben
auf Grund der Intervention des Herrn Kollegen Rademacher feststellen lassen, wie es sich mit dem gerügten Zwischenruf verhält. Sämtliche drei Stenographen haben aufgenommen, daß der Ausdruck
„Landesverräter" gefallen ist. Es wurde nicht festgestellt, von welchem Abgeordneten dieser Zwischenruf kam. Es wurde festgestellt, daß er aus der
Richtung der SPD-Fraktion kam. Ich frage: Welcher
der Herren bekennt sich zu diesem Zwischenruf?

(Abg. Arnholz: „Landesverrat" habe ich gerufen!)

— „Landesverräter" haben die Stenographen festgestellt,

(Zurufe: Man Mut!)

alle drei Stenographen! — Wollen Sie das Wort ergreifen? — Sie bekennen sich nicht zu dem Zwischenruf „Landesverräter"?

(Abg. Arnholz: Nein!)

— Dann kann ich keine Feststellung treffen.

(Zuruf rechts.)

— Wenn sich ein Abgeordneter nicht bekennt, kann der Präsident nichts anders tun, als das zur Kenntnis zu nehmen. Es ist dem Präsidenten unmöglich, in eine Beweisaufnahme einzutreten,

(Abg. Dr. von Brentano: Richtig!)

auch nicht auf Grund von stenographischen Protokollen.
Ich erteile nunmehr das Wort dem Herrn Abgeordneten Lenz.

Aloys Lenz (CDU):
Rede ID: ID0108006600
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der bisherige Verlauf der Debatte über ein so grundlegendes Anliegen, wie es die Frage der Mitbestimmung für weiteste Schichten in unserem Volk darstellt, kann uns nicht befriedigen und wird am allerwenigsten die Kreise befriedigen, die seit Jahren sehnsüchtig auf die Verwirklichung dieses Anspruches warten. Im Laufe des Tages sind in diesem Hause Ansichten geäußert worden, die nicht in das 20. Jahrhundert gehören, sondern in die Aera der vorbismarckschen Zeit. Wie ganz anders wäre das Echo zu dem Antrag der CDU und auch zur Vorlage der SPD gewesen, wenn sie in dieser maßvollen Form 1945 vorgelegt worden wären! Damals war es ausgemachte Sache, daß die zukünftige Wirtschaft nur gemeinsam und mit gleichen Rechten gestaltet und geleitet werden müßte.


(Lenz)

Eigentumssorgen beschwerten uns damals nicht, die einen nicht, weil sie nie Eigentum besessen hatten, und die anderen nicht, weil es ihnen genommen war. Gemeinsam wurde angefaßt, gehungert, gedarbt, gearbeitet und nochmals gearbeitet, um die Zeit der schlimmsten Not zu überwinden. Nicht zuletzt dank der von der Gewerkschaftsbewegung im Ausland erworbenen Vertrauensgrundlage, die unserem Volke damals Leben und Lebensmöglichkeit gesichert hat, ist es möglich gewesen, durch die schlimmsten Zeiten nach dem Zusammenbruch hindurchzukommen.
Worauf stützt sich der Marshallplan? Doch zuerst und zunächst — und das gehört in diesen Zusammenhang hinein— auf das Vertrauen zur unbesiegbaren Arbeitskraft und zum Leistungspotential des deutschen Volkes und damit zuvörderst zum Arbeitswillen und der Arbeitsfähigkeit der deutschen Arbeiterschaft, sicher auch des Unternehmertums, ganz unbestritten; aber nicht eines Unternehmertums, das seinen Blick rückwärts wendet, sondern eines Unternehmertums, das nach vorne schaut und instinktiv die ungeheuren Möglichkeiten erkennt, die sich aus einem neuen Anfang, aus dem Anfang einer neuen Ordnung der Beziehungen zwischen Unternehmern, Betriebsleitung und Belegschaft ergeben, Möglichkeiten der Befriedung und der Uberwindung sozialer Spannungen, des Ausgleichs, einer Volkwerdung im Sozialen. Glaubt jemand noch im Ernst, wir könnten der sogenannten Gefahr des asiatischen Kollektivismus begegnen, ohne zuvor diesen Gefahren bei uns im Wirtschaftlichen und Sozialen den Nährboden entzogen zu haben? Noch ist Bereitschaft vorhanden, viel guter Wille ist da. Verscherzen wir diesen Augenblick nicht!
Was steht denn der Ausgestaltung eines echten Mitbestimmungsrechts im Wege? Sie verweisen auf die Gewerkschaften und malen den Teufel an die Wand. Wenn die Gewerkschaftsbewegung teuflisch gewesen wäre, dann hätte sie 1945 etwas ganz anderes getan, als geschehen ist. Dann hätte sie nicht für Ruhe und Ordnung gesorgt, die Betriebe geschützt und manchmal auch Leute geschützt, die es ihr heute nicht zu danken wissen.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

All das wissen wir aus persönlicher Erfahrung zu genau.
Es wird erklärt, in der Verankerung der gewerkschaftlichen Mitwirkung im Gesetzeswerk vollende sich die Totalität des Managertunis. Nun, seien sie versichert, Burnhams Buch ist nicht nur für die Gewerkschaften geschrieben worden, sondern, ich glaube, in weit stärkerem Umfang noch für die andere Seite. Im übrigen ist diese Seite des Problems weit mehr eine Funktion soziologischer Verhältnisse als Gegenstand gesetzestechnischer Gestaltung.
Mit Bezug auf die Vorlage der CDU hat Herr Kollege Schröder in seiner ausgezeichneten Begründung heute vormittag bereits darauf verwiesen, daß sie in puncto Einschaltung der gewerkschaftlichen Vertretung ausgebaut werden kann, wie ich überhaupt in der Konzeption der Vorlage Nr. 970 und in den Vorschlägen des Deutschen Gewerkschaftsbundes durchaus die Möglichkeit einer Synthese erblicke. Nichts wäre verfehlter, als zu sehr mit absoluten Standpunkten zu operieren. Was wir beschreiten, ist Neuland, das zwar vermessen und aufgezeichnet ist, das aber innen noch erforscht und beschritten werden muß. Es muß das Anliegen des ganzen Hauses und hier wiederum seiner besten Kräfte sein, die Sehnsucht der Millionen Arbeitnehmer nach verantwortlicher Mitgestaltung im Wirtschaftsleben zu erfüllen.
Nach 1945, nach Bochum und Hattenheim gibt es kein Zurück mehr. Kirchen und Gewerkschaften, Parteien und Verbände haben sich des Anliegens der Arbeiterschaft angenommen, manchmal unter verschiedenartigen Aspekten, aber stets aus der Erkenntnis der absoluten Notwendigkeit heraus. Auf dem Katholikentag 1949 ist das Mitbestimmungsrecht der Arbeiterschaft programmatisch verkündet worden, und zwar nicht als eine neue Idee, die erst nach 1945 geboren worden wäre, sondern in konsequenter Durchbildung katholisch-sozialen Denkens, eines Denkens, das aus der Schule Kettelers kommt, das den päpstlichen Rundschreiben „Rerum novarum" und „Quadragesimo anno" entspricht. Vom Katholikentag zu Freiburg über Breslau, Dortmund und den Katholikentag in Essen führt ein gerader Weg zur Entschließung von Bochum. Die KAB, die katholischen Arbeitervereinsbewegung als aktivste Träger dieser Manifestation hat alle Mißdeutungen ihrer bekannten Erklärung, jede liberale Verwässerung, aber auch jede klassenkampfmäßige Ausnutzung und Mißdeutung zurückgewiesen. Der christlich-sozialen Bewegung kommt das große Verdienst zu, geistiger Wegbereiter für unser gemeinsames Anliegen gewesen zu sein. Von der geistigen Bereitschaft aber beider Teile der Wirtschaft ist Erfolg oder Mißerfolg dieser Arbeit abhängig. Wir sind daher allen dankbar, die den Boden haben bereiten helfen für die Verwirklichung dessen, was uns heute aufgegeben ist.
Ich bin angesichts der Fülle der Probleme, die mit einem wirksamen Mitbestimmungsrecht verbunden sind, keineswegs der Ansicht, daß die Arbeiten, die unter der Führung des Herrn Bundesarbeitsministers durchgeführt worden sind, nutzlos vertane Zeit sind. Im Gegenteil, sie haben die Lage geklärt und sind, wie ich aus meiner täglichen Erfahrung weiß, auch durchaus wertvoll für die weiteren Beratungen. Die Arbeit in den Ausschüssen wird gerade diese Feststellung in vollem Umfange bestätigen. Ich hoffe, daß diese Beratungen sorgfältig erfolgen werden und von dem Willen getragen sind, dem berechtigten Wunsch der Arbeiterschaft und ihrer gewerkschaftlichen Vertretung zu entsprechen.
Der Antrag der CDU soll unser Anliegen aus dem Bereich theoretischer Erörterungen in den Kreis der praktischen Gestaltung führen. Er läßt Raum für jeden guten Gedanken, der hinzukommt, sofern er geeignet ist, dem Ziele zu dienen, dem sich die überwältigende Mehrheit dieses Hauses, wie ich zuversichtlich hoffe, verpflichtet weiß, eben der Mitbestimmung der Arbeiterschaft in allen Zweigen der Wirtschaft. Der erste Schritt ist mit dem Antrage der Christlich-Demokratischen Union getan worden, und hier bin ich im Gegensatz zu der Auffassung meines Herrn Kollegen Böhm der Ansicht, daß es richtiger ist, zunächst einmal einen Schritt zu tun und dann den zweiten, als vielleicht zwei Schritte auf einmal zu versuchen und dabei zu Fall zu kommen.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108006700
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kleindinst.

Dr. Josef Ferdinand Kleindinst (CSU):
Rede ID: ID0108006800
Meine verehrten Damen und Herren! Ich bitte Verständnis dafür zu haben, wenn wir Wert darauf legen, daß auch aus meiner bayerischen Heimat eine sachliche und — wie ich glaube sagen zu dürfen - auf Erfahrungen beruhende Stellungnahme zu dieser wichtigen Ange-


(Dr. Kleindinst)

legenheit vorgetragen wird. Der Entwurf geht von den im Ruhrgebiet gemachten Erfahrungen aus und ist nach ihnen konzipiert. Wir haben selbstverständlich dafür volles Verständnis; wir bitten aber, bei der Durcharbeitung im Ausschuß die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe, die Kleinbetrieb-, insbesondere in der Fertigindustrie, und die Mittelbetriebe nicht zu übersehen. Wir wollen diese nicht dem Gesetz entziehen, doch müssen Fassungen gefunden werden, die Streitigkeiten, Zweifel und Unstimmigkeiten von vornherein verhüten.
Die Verwaltung muß — darauf ist schon hingewiesen worden — zweifellos aus diesem Bereich herausgenommen werden.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Bereits nach 1920 sind für die Verwaltung eigene Betriebsvertretungen geschaffen worden, und das muß auch hier geschehen, weil sonst Konflikte mit den Bestimmungen über die öffentliche Verwaltung entstehen.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Wichtig ist natürlich, und zwar deshalb, weil hier die Wirtschaftsausschüsse im Gegensatz zu der Regelung des Betriebsrätegesetzes vorgesehen worden sind, daß die Betriebe der Selbstverwaltung gesondert behandelt werden. In bezug auf die sozialen Verhältnisse ist das Mitbestimmungsrecht zweifellos auch hier notwendig. In bezug auf die wirtschaftliche Zielsetzung müssen bei der Selbstverwaltung, die unter der Kontrolle der Öffentlichkeit, der Aufsicht der Landesregierungen und unter Umständen letztlich auch der Bundesregierung steht, soweit eine Zuständigkeit gegeben ist, diese Zuständigkeiten voll gewahrt werden, wenn wir überhaupt noch von Selbstverwaltung sprechen wollen. Hier hat das Betriebsrätegesetz keine Schwierigkeiten geschaffen.
Auch hinsichtlich der organisatorischen Verhältnisse muß der Entwurf einer Durcharbeitung unterzogen werden, damit eine klare Abgrenzung der Zuständigkeiten der in Frage kommenden Stellen und Verwaltungen erfolgt. Weiterhin muß eine klare arbeitsrechtliche Durcharbeitung geschehen, wie sie beim Betriebsrätegesetz vorhanden war.
Weil ich gerade vom Betriebsrätegesetz spreche, darf ich Sie, meine Damen und Herren, daran erinnern, unter welchen schwierigen Umständen in Weimar und in Berlin dieses Gesetz in einer gesetzestechnisch so ausgezeichneten Weise zustande gekommen ist. Wir müssen wirklich heute noch den Männern im Reichsarbeitsministerium und in den Ausschüssen Anerkennung dafür zollen, daß sie dieses Werk unter so schweren Verhältnissen zustande gebracht haben. Wir haben in der Zeit zwischen 1933 und 1945 die erforderlichen gesetzestechnischen Fähigkeiten verloren oder jedenfalls noch nicht wieder gewonnen. Auch auf die gesetzestechnische Arbeit müssen wir im Ausschuß ganz besonderes Gewicht legen.
Der Entwurf der SPD geht insofern weit über den der CDU hinaus, als er großes Gewicht auf das überbetriebliche Mitbestimmungsrecht, also außerhalb des Betriebes legt. Hier ergibt sich ein ähnliches Problem wie bei der Selbstverwaltung bezüglich der verfassungsmäßigen Organe der Regierung, der Volksvertretung und des Bundeswirtschaftsrats, wenn ich ihn kurz so bezeichnen dar. Das wird deshalb so wichtig sein, weil wir neuerdings unter dem Druck stehen, rasche Entscheidungen zu treffen. Denken Sie nur an die Zeit der Pfundabwertung, in der schnelle Entscheidungen notwendig waren. Wenn dieses Organ als verfassungsmäßiges Organ geschaffen wird, muß es so geschaffen werden, daß ein raches und reibungsloses Zusammenarbeiten ermöglicht wird.
Was die Wirtschaftskammern betrifft, so darf ich, meine Damen und Herren, wohl kurz das eine sagen, daß ihre wirtschaftspolitische Bedeutung weit überschätzt wird. Ihre Aufgaben sind die der Wirtschaftsverwaltung, vielfach gutachtliche Stellungnahmen in einem beschränkten Verwaltungsgebiet. Jedes wichtige Wirtschaftsgesetz, das wir erlassen, hat dagegen eine viel größere wirtschaftspolitische Bedeutung als die Arbeit dieser Kammern überhaupt. Wichtiger erscheint mir die Zusammenfassung der Arbeit aller Kammern seitens der Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Hier taucht wieder das gleiche Problem auf wie das der Bezirkswirtschaftsräte. Es ist die Frage: wie soll das organisatorisch verwirklicht werden, wie sollen die Aufgaben festgelegt werden? Das sind Dinge, die wir ja in der Zeit zwischen 1920 und 1926 eingehend bearbeitet haben und die dann, insbesondere nach der Stabilisierung der Währung und nachdem die Wirtschaft etwas aufblühte, wieder zur Seite gelegt worden sind.
Meine Damen und Herren, es ist nun zwar mit Recht von dem Risiko gesprochen worden, das insbesondere der Arbeitnehmer im Falle einer verfehlten Wirtschaftsführung des Betriebes tragen muß. Ich bitte aber, auf eines hinweisen zu dürfen, und wundere mich nur, daß dieser Hinweis bei den bisherigen wirtschaftspolitischen Auseinandersetzungen noch nicht erfolgt ist: alle großen Krisen, durch die wir seit dem ersten Weltkrieg gegangen sind, waren Folgen weltpolitischer, nicht rein wirtschaftlicher Vorgänge; sie waren die Folgen der Zerstörung der Weltwirtschaft durch den ersten Weltkrieg und damit des Zusammenbruchs der Währungen. Auch die Rationalisierung und alle diese Ereignisse samt der großen Krise von 1930 bis 1934 waren letztlich die Folgen dieser Verhältnisse; sie war keineswegs nur eine deutsche Krise, sondern eine Krise, die die ganze Weltwirtschaft, sowohl die Siegermächte als auch die besiegten und die neutralen Mächte erfaßt hatte. Wir können heute auf die Einzelheiten nicht eingehen; aber ich möchte doch bitten, auch diese Zusammenhänge zu erkennen, da es der sachlichen Beurteilung unserer Aufgaben nur dienlich wäre.
Ich war überrascht, daß heute in der Frage der Gleichberechtigung und der Gleichachtung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer Töne angeschlagen worden sind wie etwa der vom Herr-im-Hause-Standpunkt und von der Drohung der Überwindung dieses Standpunktes, von denen wir geglaubt haben, daß sie seit Jahrzehnten überwunden wären. Ich bitte versichert zu sein, daß wir immer diese Gleichberechtigung und diese Gleichachtung nicht nur aus einem rechtlichen, sondern auch aus einem sozialethischen Bewußtsein betont haben, daß unsere Arbeit seit Jahrzehnten von der Überzeugung von einer solchen Notwendigkeit erfüllt gewesen ist und daß wir auch mit dieser Absicht jetzt an die Arbeit herangehen wollen. Wir wollen dabei keineswegs die technische und wirtschaftliche Zielsetzung des Unternehmers, den wirtschaftlichen Fortschritt irgendwie hemmen; und ich kann mit Genugtuung feststellen, daß diese Zusicherung ja auch von der Opposition gegeben worden ist. Wir glauben aber auch, daß im Verfolg der seinerzeitigen Betriebsausschüsse, später der Betriebsräte, die Entwicklung dieses organisatorsichen Gedankens und dieser Mitwirkung und Mitbestimmung eine notwendige Konsequenz der ganzen Entwicklung ist.


(Dr. Kleindinst)

Wenn wir in der Vergangenheit unserer Aufgabe gerecht werden wollten, so haben wir immer eine Überlegung angestellt, und ich bitte diese Überlegung auch für diese Aufgabe zu würdigen. Als seinerzeit die gemeindliche Selbstverwaltung errichtet wurde, hat man sie als die Schule des Bürgertums betrachtet, als die Vorstufe für den Übergang zu einer damals konstitutionellen Volksvertretung. Und in gewissem Sinne gilt diese Parallele heute in der Wirtschaft für die Arbeitnehmer. Wir dürfen nicht verkennen. daß die Unterrichtung in wirtschaftlichen Angelegenheiten im Betrieb und daß die wirtschaftliche Erfahrung auch eine Vorstufe zur richtigen Beurteilung der Wirtschaftsfragen im politischen Leben sind; und ich möchte wünschen, daß das gegenseitige Mißtrauen, das diese Arbeit und auch diese Debatte vergiftet und das durch Drohungen nicht beseitigt, sondern nur verschärft werden kann, hinter der sachlichen Arbeit verschwindet, hinter die wir uns stellen wollen. Wir stellen uns in den Dienst der Aufgabe als sachliche Mittler zwischen dem, was in einem technisch und wirtschaftlich leistungsfähigen Unternehmen festgehalten werden muß, und den berechtigten Belangen der Arbeitnehmerschaft in unserer Wirtschaft und im Staate.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108006900
Das Wort hat der Abgeordnete von Rechenberg. — Er scheint nicht anwesend zu sein. — Dann erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Mensing.

Friedrich Mensing (CDU):
Rede ID: ID0108007000
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ausführungen des Kollegen Loritz veranlassen mich, noch das Wort zu nehmen.

(Abg. Dr. Horlacher: Deswegen wäre es nicht nötig!)

Ich möchte nicht, daß in der deutschen Öffentlichkeit, beim deutschen Handwerk der Eindruck erweckt wird, als ob Herr Loritz hier der Gralshüter handwerklicher Belange sei.

(Sehr gut! bei der CDU.)

Das ist der Grund, weshalb ich mich veranlaßt fühle, eine kurze Erklärung abzugeben.
Wieweit Mitbestimmung der Arbeitnehmerschaft in Großbetrieben möglich ist, darüber will ich mich aus dem einfachen Grunde nicht äußern, weil ich den Eindruck habe, daß beide Gesetzentwürfe dem Handwerk doch ein gewisses Entgegenkommen zeigen. Ich hoffe, daß wir, die wir dem Handwerk angehören, in den Ausschußberatungen noch die Möglichkeit haben, dem Gesetz hinsichtlich des Hand- werks die Giftzähne auszuziehen.

(Abg. Dr. Horlacher: Das gleiche gilt für die Landwirtschaft!)

Abgelehnt werden muß das Mitbestimmungsrecht auf jeden Fall für die Klein- und Mittelbetriebe. Die handwerklichen Betriebe müssen daher bei der Frage der Mitbestimmung ausscheiden.
Im Handwerk haben von jeher Fragen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer kaum eine nennenswerte Rolle gespielt. Das soziale Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Handwerk wird am besten durch die Tatsache bewiesen, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den meisten Betrieben auch heute noch an einem Tisch ihre Mahlzeiten einnehmen, und durch die Tatsache, daß die Handwerksmeister in ihren Arbeitnehmern niemals die Arbeitnehmer in dem Sinne gesehen haben, wie es in der Industrie der Fall ist, wo der klassenkämpferische Gedanke in den letzten Jahrzehnten vorherrschend war; sondern der Handwerksmeister hat in seinem Gesellen seinen Mitarbeiter gesehen, der später einmal selbständig wird und sein Nachfolger werden soll. Auf Grund dieser Tatsache löst sich die Frage Arbeitgeber—Arbeitnehmer im Handwerk von selbst.
Der besonderen Stellung des Handwerks im Rahmen der gesamten Volkswirtschaft muß daher Rechnung getragen werden. Das Handwerk lehnt es ab, sich nach irgendeiner Seite festzulegen. Als Mittler zwischen Kapital und Arbeit will das Handwerk seine Funktionen ausüben. Der Arbeitnehmer im Handwerk hat daher niemals in seinem Brotgeber den Feind gesehen. Es ist daher nicht zu verwundern, daß gerade im Handwerk viele Fragen, die im Rahmen des Mitbestimmungsrechts jetzt zur Erörterung stehen, schon von jeher verwirklicht waren, ohne daß dazu erst eine Gesetzgebung notwendig ist. Im Handwerk entscheidet ausschließlich das Verhältnis von Mensch zu Mensch, das Gebot des Anstandes und des sozialen Gewissens. Das ist aber einzig und allein eine Sache des Charakters und nicht des Gesetzgebers.
Das Handwerk lehnt es ab, sich eine Einmischung irgendwelcher anonymer Kräfte in seinen Betrieben bieten zu lassen. Ein Außenstehender, wer es auch sei, hat in einem Handwerksbetrieb nicht mitzubestimmen. Eingriffe des Gesetzgebers, um den Handwerksbetrieben in der Frage der Mitbestimmung gesetzliche Vorschriften machen zu wollen, würden lediglich dazu beitragen, den sozialen Frieden in diesen Betrieben zu stören.
In einem Handwerksbetrieb kann im entscheidenden Augenblick nur die persönliche Initiative des Unternehmers in der Lage sein, Maßnahmen zum Besten seines Betriebes und damit der Gesamtwirtschaft zu treffen. Nur die Persönlichkeit des selbständigen Handwerksmeisters vermag in diesen Betrieben Situationen zu meistern, die klare, persönliche Verantwortung erfordern. Jedes Mitbestimmungsrecht Dritter würde im Handwerk die Initiative lähmen und den Betrieben und ihren Arbeitnehmern größten Schaden zufügen.

(Zuruf: Warum nur im Handwerk?)

In einem Handwerksbetrieb werden in den meisten Fällen Kredite nicht dem Betrieb, sondern der Persönlichkeit des Besitzers eines solchen Unternehmers gegeben. Das Handwerk vertritt die Auffassung, daß daher das Mitbestimmungsrecht für das Handwerk nicht in Frage kommen kann.
Weiter darf ich zum Ausdruck bringen, daß das Privateigentum für uns Handwerker heilig ist.-(Zuruf rechts: Sehr richtig! — Zuruf links: Aha!)

Auch verstehen wir die Persönilchkeit des Unternehmers so, daß die Initiative und die Kraft des Unternehmers, der auch in den meisten Fällen Erfinder ist, nicht durch Einmischung irgendwelcher anonymer Kräfte von außen her gelähmt werden darf.
Noch ein Wort zu dem Kammersystem. Wir haben von seiten des Handwerks diesem bereits weitestgehend dadurch Rechnung getragen, daß wir die Handwerkskammern mit einem Drittel Gesellenvertretern besetzt haben. Eine Parität lehnen wir deshalb ab, weil im Handwerk 40 Prozent Einmannbetriebe vorhanden sind. Es würde eine Vergewaltigung des Handwerks darstellen, wenn dort Parität verlangt würde.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108007100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Rechenberg.


Dr. Freiherr Hans Albrecht von Rechenberg (FDP):
Rede ID: ID0108007200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich hier im Rahmen dieser Mitbestimmungsdebatte das Wort ergreife, so war das an sich nicht meine Absicht. Aber ich bin ja noch ein parlamentarischer Neuling, ich muß mich also erst daran gewöhnen, daß man, wenn man über das Mitbestimmungsrecht spricht, hier Veranlassung nehmen muß, zu persönlichen Angriffen, die aus einem ganz anderen Anlaß heraus erhoben worden sind, Stellung zu nehmen. Ich finde es auch geradezu grotesk, daß ich, der ich sonst doch stets als ultrareaktionärer Nationalist abgestempelt werde, heute hier in diesem Hause den Ruf „Landesverräter" bekam. Ich nehme das dem Betreffenden nicht übel, er weiß es wohl nicht besser, und es ist mir auch gleichgültig, nachdem der Betreffende nicht den Mut gehabt hat, sich zu melden.
Zu der Sache selber. Also Herr Mc Cloy — es ist komisch: zum Mitbestimmungsrecht Dinge außenpolitischer Natur — Mc Cloy hat an einer Veranstaltung teilgenommen, die nicht zu seinen Ehren, sondern zu einer Aussprache stattfand. Sehen Sie, wir haben zwischen Gewerks .haften und den Vertretern fremder Besatzungsmächte sehr viele Aussprachen gehabt. Wir fanden es richtig, wenn nicht nur Gewerkschaftler, sondern auch einmal Unternehmer und derartige Deutsche Unterhaltungen mit den Vertretern der Besatzungsmächte hätten. Das war der Sinn dieser Aussprache. Da hielt Herr Mc Cloy einen Vortrag, in dem er den Satz sagte: „Viele Deutsche fragen sich" — also das müssen ihm doch wohl Deutsche gesagt haben! — „fragen sich voller Sorge, ob ihre Wirtschaft nicht wieder von einem kleinen Klüngel beherrscht wird, der dann seine konzentrierte Macht zur Kontrolle das gesamten politischen und sozialen Lebens in Deutschland mißbraucht." Daraufhin habe ich mir erlaubt, den Herrn Mc Cloy etwas zu ironisieren, und habe ihm gesagt: „Ja, Herr Mc Cioy, diese Gefahr sehe ich allerdings; ich glaube nur, Sie sehen sie etwas anders als ich, denn ich bin nun einmal der Meinung" — bitte nehmen Sie hier mir das nicht übel, beklagen Sie vielleicht meine Unwissenheit, aber ich meine es aus meiner praktischen Erfahrung heraus ehrlich, ich bin schließlich einer der wenigen Leute im Hause, die wirklich in der Wirtschaft groß geworden sind und über die Dinge aus eigenem Erleben mitreden können, also aus diesem Erleben heraus bin ich der Meinung, „daß der Tag, an dem der Gesetzentwurf der SPD zur Mitbestimmung bzw. die Ideen der Gewerkschaften" — die mir damals ja erst bekannt wurden — „Gesetz würden, tatsächlich der Tag einer neuen Machtübernahme wäre, der Tag, an dem es tatsächlich möglich wäre" — ich sage ausdrücklich: möglich wäre, noch nicht naturnotwendig eintreten müßte —, „daß eines Tages ein kleiner Klüngel die deutsche Wirtschaft beherrscht."
Das war der erste Teil. — Dann hat diese schöne Zeitung „Frankfurter Rundschau" — ich kenne sie nicht, ich möchte sie auch nicht weiter kennenlernen — sich erlaubt, die Sache einmal so ein bißchen zurechtzustellen, indem sie nicht in der richtigen Reihenfolge berichtete. Damit kann man ja auch alles mögliche erreichen.
Mc Cloy hatte in seiner Rede ferner gesagt, es käme darauf an, daß die fortschrittlichen Elemente — die progressive elements, sagte er — zum Zuge kämen; das wäre unsere Aufgabe. So ungefähr in dem Sinne. Da habe ich ihm gesagt: „Herr Mc Cloy, was verstehen Sie unter fortschrittlichen Elementen? Ich kann mir nicht helfen, ich glaube, Sie sehen unter fortschrittlichen Elementen nur eine ganz bestimmte
Richtung. Ich kann eigentlich nicht verstehen, daß der Vertreter einer Nation, in dessen Heimat es geradezu als Schande gilt, kommunistisch zu denken, sich in der Fremde dahin betätigt, daß er sozialistische Elemente als fortschrittliche Elemente ansieht."

(Hört! Hört! links.)

- Passen Sie auf! Ich habe dann weiter gesagt: „Wir kennen den braunen Sozialismus, wir kennen den roten Sozialismus." Und dann habe ich etwa gesagt — meine Herren von der SPD, seien Sie mir bitte wiederum nicht böse —

(Abg. Schoettle: Das können wir gar nicht, Ihnen böse sein!)

also dann habe ich gesagt: „Wir sind nun einmal der Meinung, daß der Versuch der SPD, Demokratie und Sozialismus dadurch zu verbinden, daß man den Sozialismus auf freiwilligem Wege, ohne die Gewalt, ohne den Terror von Hitler und Stalin durchführt, ein Fehlweg ist, der eines Tages zwangsläufig in einem neuen Totalitarismus münden und enden muß."
Das war meine Meinung, die dieses Blatt hier wohlweislich verschweigt; denn sie war mit einer absoluten Anerkennung des ehrlichen Wollens der SD verbunden. Dann habe ich zu Herrn Mc Cloy ferner etwa gesagt: Und wenn Sie sich darüber klar sind, daß das die Folge sein müßte und Sie trotzdem weiter eine Politik betreiben, die es möglich machen würde, daß hier der Sozialismus zum Tragen kommt — nicht in Ihrer Form, meine Herren von der SPD, das war ganz klar, welcher Sozialismus meiner Meinung zum Tragen kommen könnte —, dann wird Deutschland nicht den Weg nach Europa gehen, und dann wird Europa verloren sein.

(Zurufe von der KPD.)

Es sollte Ihre Aufgabe sein, Europa oder der Welt diesen Weg nicht unmöglich zu machen.
Daraus machte dieses famose Blatt: Vaterlandsverrat oder den Wunsch um Hilfe! — Nein, meine Damen und Herren, ein Mann wie ich denkt nicht daran, einen Mann wie Mc Cloy um Hilfe in unseren innerpolitischen Dingen zu bitten.

(Sehr gut! bei der FDP.)

Ich gedenke, diesen Kampf allein zu führen. Das habe ich bereits im Jahre 1945 getan. Nachdem hier immer mit dem Blick auf uns gesagt wurde, wir seien ins Mauseloch gekrochen — i c h habe mich nicht verkrochen, ich habe mich schon 1945 herausgestellt. Als der Ruf erschallte: „Deutschland wird sozialistisch sein, oder es wird nicht sein", da habe ich gesagt: Das wollen wir doch erst einmal sehen! - Und diesen Kampf werde ich weiterführen, allerdings unter uns und aus bestem und gläubigem Herzen. Das sage ich Ihnen nochmals, indem ich Ihnen in keiner Weise irgendwie unterstelle, daß Sie etwa böswillig oder nicht vaterländisch handelten!
Dann aber soll derjenige unter Ihnen, der nicht den Mut gehabt hat, sich zu melden, sich schämen, daß er einem Mann wie mir ein solches Wort zugerufen hat.

(Lebhafter Beifall bei der FDP.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108007300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Brentano.

Dr. Heinrich von Brentano (CDU):
Rede ID: ID0108007400
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, zum Schluß dieser Debatte für die antragstellende Fraktion noch einige Worte zu sagen. Es wäre


(Dr. von Brentano)

reizvoll und vielleicht auch wichtig, einmal das Ergebnis dieser Aussprache zu analysieren, zusammenzufassen und zu dem einzelnen, was gesagt wurde, Stellung zu nehmen. Das ist nicht meine Absicht.
Eines scheint mir aber die Aussprache doch bewiesen zu haben: daß die Vorlage der CDU/CSU in der Drucksache Nr. 970 nicht zur Unzeit gekommen ist, wie Herr Kollege Seelos zu Anfang der Diskussion befürchtet hatte, sondern daß die Fragen, zu denen wir in dieser Vorlage Stellung genommen haben, dieses Hohe Haus von links bis rechts in einer sehr lebendigen Weise beschäftigt haben.
Und ein zweites möchte ich sagen. Ich begrüße es, daß diese Aussprache doch ein Ergebnis hatte. Sie wurde, wenn ich von einzelnen sehr uninteressanten Exzessen absehe, in einem Geiste echten Verantwortungsgefühls geführt, und ich glaube, auch sagen zu können, allgemein mit dem Wunsch, dem anderen und der Auffassung des anderen Verständnis entgegenzubringen.
Es ist hier so einiges gesagt worden. Herr Kollege Loritz hat seine Bedenken geäußert und hat den Schuhmacher beklagt, der sich nun mit vier Lehrbuben, einem Laufmädchen und einem Betriebsrat zu quälen habe.
Meine Damen und Herren! Ich habe auch ehrliches Mitleid mit diesem Schuhmachermeister; aber wenn der Schuhmachermeister das Gesetz etwas sorgfältiger liest als Herr Loritz,

(Sehr gut! bei der CDU)

dann wird er diese Bedenken nicht mehr haben.

(Sehr richtig! bei der CDU.)

Vielleicht darf ich Herrn Kollegen Loritz mit geziemender Achtung darauf hinweisen, daß erst bei fünf Leuten ein Obmann eingesetzt wird, -

(Abg. Loritz: Es sind ja fünf Mann! — Heiterkeit. — Abg. Strauß: Meinen Sie Ihre Fraktion?)

— Herr Kollege Loritz, ich rede noch weiter, — daß außerdem Lehrmädchen unter 18 Jahren ja gar kein Wahlrecht haben,

(Abg. Loritz: Ganz richtig, weiß ich auch!)

daß Lehrlinge erst mit 24 Jahren das passive Wahlrecht haben. Und wenn wirklich ein Schuhmachermeister da ist, der fünf 24jährige Lehrbuben hat, dann kann er auch mit einem Obmann fertig werden.

(Beifall bei der CDU und Heiterkeit. Zurufe des Abg. Loritz.)

Meine Damen und Herren! Es ist dann in der Diskussion auch einzelnes sehr Ernstes gesagt worden.

(Abg. Loritz: Sie kennen das Gesetz nicht, es sind 18 Jahre und nicht 24 Jahre!)

Herr Kollege Dr. Becker hat darauf hingewiesen, daß nach der Ansicht des von mir hochverehrten und hochgeschätzten Professors Böhm, meines Parteifreundes, das Mitbestimmungsrecht insbesondere in wirtschaftlichen Fragen gefährlich sei und vielleicht einer Enteignung gleichkomme. — Herr Kollege Becker, ich halte es für ein gutes Zeichen, daß in demokratischen Parteien solche Meinungsverschiedenheiten bestehen können wie zwischen meinem Freunde Böhm und mir; und ich begrüße es, daß diese Polaritäten ja auch bei Ihnen bestehen. denn wenn ich recht unterrichtet bin, haben Ihre Freunde das Gesetz Nr. 726 in Württemberg-Baden beschlossen,

(Abg. Dr. Becker [Hersfeld]: Das sieht einigermaßen anders aus!)

das wohl in der Mitbestimmung das weitestgehende ist, das in Deutschland beschlossen worden ist.

(Abg. Dr. Becker [Hersfeld]: Na! Na!)

Es geht weit über das hessische Gesetz hinaus, gegen das Professor Böhm Verwahrung eingelegt hat. Das läßt sich wohl nicht bestreiten.

(Abg. Dr. Oellers: Doch!)

Meine Damen und Herren! Es ist dann — und das scheint mir wesentlich — auf der einen Seite einmal gesagt worden, die Mitbestimmung solle Kapital und Arbeit zusammenführen; auf der anderen Seite ist gesagt worden, die Mitbestimmung könne unter Umständen die individuelle Entwicklung und Entfaltung des Menschen und des Betriebes stören und könne auch den Nutzeffekt der größten Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. — Sehen Sie, meine Damen und Herren, unser Entwurf geht nicht davon aus, Kapital und Arbeit zusammenzuführen, wohl aber davon, die arbeitenden Menschen im Betrieb zusammenzuführen. Er geht auch nicht davon aus, daß etwa die Aufgabe eines solchen Gesetzes der höchste Nutzeffekt sei, sondern wir hoffen, daß eine selbstverständliche Konsequenz dieses Gesetzes die sein wird, daß die Leistung gesteigert wird, wenn an die Stelle des Mißtrauens das Vertrauen tritt.

(Sehr gut! bei der CDU. — Zuruf von der FDP: Optimist!)

— Ich glaube nicht, daß das Optimismus ist. Ich glaube aber — und darin bin ich nicht ganz der Meinung, die hier geäußert wurde —, daß gerade dieses verschiedene Denken mit geeignet war, die an sich begrüßenswerten Besprechungen zwischen den Sozialpartnern nun, sagen wir, erfolglos zu machen. Ich habe den Eindruck, daß dann, wenn so verschiedene Auffassungen unter der alleinigen Verantwortung dieser beiden Partner zusammengeführt werden sollen, die Polarität doch zu groß ist, um wirklich eine gemeinsame Linie zu finden.
Ich habe einen weiteren Einwand gegen diese Besprechungen, die ich in der Sache begrüße und denen ich Fortgang und Erfolg wünsche, den Einwand nämlich, daß es meiner Ansicht und der Ansicht meiner Freunde nach nicht Sache der Sozialpartner allein oder gar deren Beauftragten ist, eine Sozialordnung für Deutschland zu schaffen, sondern daß es unsere Aufgabe ist, in diesem Hause die Entscheidung politisch zu treffen und zu verantworten.

(Bravo! und Beifall bei der CDU.)

Daß wir uns die Ergebnisse solcher Aussprachen gern zu eigen machen, weil sie uns sicherlich Wegweiser für richtige Entscheidungen sein werden, das, meine Damen und Herren, versteht sich von selbst. Aber ich glaube nicht, daß es die Aufgabe eines Parlaments in der heutigen Zeit ist, etwa Vereinbarungen der Beteiligten zu ratifizieren. Dann würden wir auf die Aufgabe verzichten, die wir als Vertreter des gesamten deutschen Volkes zu erfüllen haben.

(Sehr richtig! bei der CDU. — Abg. Dr. Wellhausen: Das stand ja auch nie zur Diskussion!)

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, bitte ich, den Entwurf zu verstehen, den wir eingebracht haben und von dem wir auch nach dem Ergebnis dieser Besprechungen hoffen, daß er doch eine geeignete Diskussionsgrundlage ist. Wir sind weit davon entfernt, etwa anzunehmen, daß wir den Stein der Weisen gefunden hätten. Wir sind für jede Mitarbeit, auch für jede kritische Mitarbeit dankbar, denn wir wollen ja nicht nur ein Gesetz machen, sondern wir wollen die Grundlage für die Zusammenarbeit der Menschen in der neuen Ordnung, die


(Dr. von Brentano)

wir schaffen müssen, finden. Aber, meine Damen
und Herren, ich glaube, wir werden diese Lösung
nur finden, wenn wir alle entschlossen sind
— es ist hier auch schon gesagt worden —, eine solche Diskussion nicht dazu zu mißbrauchen. etwa machtpolitische Gegensätzlichkeiten auszutragen. Wenn wir uns bemühen, alles zu tun, um nicht den Betrieb zum Kampfplatz werden zu lassen, wenn wir uns insbesondere bemühen, den Menschen zum Menschen zu führen, das Vertrauen zu schaffen, auf dem die gemeinsame Arbeit beruhen muß, dann, meine Damen und Herren, haben wir — und das hat heute morgen auch mein Freund Lehr gesagt — unsere Aufgabe als christliche Demokraten empfunden; und ich hoffe, daß wir mit unserem Antrag und mit der heutigen Diskussion dazu beigetragen haben, daß diese Frage, von deren Lösung das Wohl und Wehe unseres Volkes abhängen wird, einer guten Lösung zugeführt wird.

(Lebhafter Beifall bei der CDU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108007500
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

(Abg. Loritz: Doch!)

— Herr Abgeordneter Loritz hat das Wort. (Zuruf von der CDU: Das war doch eben das Schlußwort!)

— De Aussprache ist frei; ich muß ihm das Wort erteilen.

(Abg. Dr. von Brentano: Ja!)

Herr Abgeordneter Loritz hat übrigens noch nicht eine Stunde gesprochen.

(Zuruf von der CDU: Das geht doch gar nicht! — Weitere Zurufe.)


Alfred Loritz (WAV):
Rede ID: ID0108007600
Ich möchte dem Herrn Dr. von Brentano, der so überheblich gegen mich gesprochen hat,

(Zurufe von der CDU: Nein, gerecht! — Unverschämtheit!)

nur eines antworten. Er glaubte, das Beispiel, das ich zitierte, ins Lächerliche ziehen zu können. Ich sprach von einem Schuhmachermeister, der vier Lehrlinge hat und einen Mann zum Ausgehen, der die Botengänge besorgt.

(Unruhe. — Zuruf von der CDU: Das gibt es nicht!)

Er sagte, die seien nicht wahlberechtigt. Ich bringe Ihnen das Beispiel noch einmal vor.

(Erneute Zurufe von der CDU.) Lehrlinge, die 18 Jahre alt sind, das gibt's nicht? Da täuschen Sie sich!


(Unruhe und anhaltende Zwischenrufe.) Ich kann Ihnen sogar Namen sagen.


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108007700
Lasse Sie doch Herrn Abgeordneten Loritz ungestört sprechen!

Alfred Loritz (WAV):
Rede ID: ID0108007800
Ich kann Ihnen Beispiele mit Namen bringen, wenn Sie das wollen. Es gibt genügend Lehrlinge, die 18 und 19 Jahre alt sind,

(Abg. Strauß: Ewige Lehrlinge!)

oder weibliche Gehilfen, weibliches Lehrpersonal in kaufmännischen Geschäften. Sie können meinetwegen auch das Beispiel nehmen: ein kleiner Kaufmann, der fünf Frauen als weibliches Lehrpersonal hat.

(Heiterkeit! - Anhaltende Zwischenrufe.)

— Ich weiß nicht, was da zu lachen ist! Sie können auch Gehilfinnen nehmen. Es ist ganz gleich. Ich will
Ihnen nur eines zum Bewußtsein bringen, daß es geradezu unmöglich ist, kleine und kleinste Mittelstandsbetriebe hier mit einem Betriebsrat zu beglücken, beglücken in Anführungszeichen.

(Abg. Strauß: Das will ja kein Mensch!) Wahlberechtigt sind die Leute nicht etwa erst mit 24 Jahren, Herr Dr. von Brentano, sondern mit 18 Jahren.


(Abg. Dr. von Brentano: Passiv!)

— Passiv. In diesem Fall kann der Betreffende, der Läufer, von dem ich sprach, der die Botengänge macht,

(Abg. Strauß: Der Springer!)

der Laufbursche, gewählt werden. Also das Beispiel
ist keineswegs so abwegig, daß Sie sich darüber
lustig machen könnten. Dieses Beispiel sollte Ihnen
zeigen, daß an die Hunderttausende von kleinen
und kleinsten Handwerksbetrieben, kaufmännischen
Betrieben und auch bäuerlichen Betrieben unter
dieses Gesetz fallen und einen Betriebsrat zu
wählen haben. Und das ist wirtschaftlich gesehen

(Anhaltende Zurufe von der CDU)

— jawohl, das ist, Herr Zwischenrufer, wirtschaftlich gesehen der falsche Weg. Das ist ein Unglück für die Arbeitnehmer,

(Zuruf von der CDU: Unsinn!)

genau so wie für die betreffenden Betriebe. Das wollte ich Ihnen zum Bewußtsein führen. Sie haben dieses Gesetz — ich wiederhole es — viel zu breit angelegt, von den anderen Dingen ganz abgesehen, die in dem Gesetz stehen und die einfach technisch nicht durchführbar sind.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108007900
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mayer (Stuttgart).

Ernst Mayer (FDP):
Rede ID: ID0108008000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich muß mit drei Sätzen Herrn Kollegen von Brentano berichtigen. Die Artikel über die wirtschaftliche Mitbestimmung im württembergisch-badischen Gesetz sind gegen die Stimmen meiner Freunde angenommen worden.

(Abg. Dr. von Brentano: Das ganze Gesetz?)

— Es ist angenommen worden.

(Abg. Dr. von Brentano: Mit Ihren Stimmen?)

— Jawohl. Es geht aber, Herr von Brentano, ob mit oder ohne unsere Stimme. nicht entfernt so weit wie das, was Sie uns hier vorschlagen.

(Abg. Hilbert: Der Ministerpräsident bestimmt doch die Politik der Regierung.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108008100
Das Wort hat der Abgeordnete von Brentano.

Dr. Heinrich von Brentano (CDU):
Rede ID: ID0108008200
Meine Damen und Herren! Ich will nur eins nachholen: Ich möchte für meine Fraktion den Antrag stellen, Drucksache Nr. 970 ebenso wie die Vorlage der SPD dem Arbeitspolitischen Ausschuß und gleichzeitig dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß zu überweisen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108008300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Günther.

Bernhard Günther (CDU):
Rede ID: ID0108008400
Meine Damen und Herren! In Anbetracht dessen, daß im Protokoll etwas über das Handwerk verzeichnet wird, nur zwei Sätze. Der Herr Abgeordnete Loritz ist über das Handwerk schlecht unterrichtet.

(Heiterkeit.)

Wenn ein Schuhmachermeister vier Lehrlinge hat,


(Günther)

dann ist es kein zünftiger Schuhmachermeister, wenn er keinen Gesellen dazu beschäftigt.

(Sehr gut!)

Das Handwerk wird sich nicht für die Firmen einsetzen, die Lehrlingszüchterei betreiben und vier Lehrlinge beschäftigen, aber keine Gesellen.

(Zuruf des Abg. Loritz.)

Ich wollte das nur zur Feststellung hier dargelegt haben, damit keine falsche Auffassung über das Handwerk entsteht.

(Abg. Strauß: Dann bleiben sie eben Schuhflicker!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108008500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lausen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0108008600
Ich möchte nur meinen verehrten Kollegen Mayer von Württemberg-Baden in etwa korrigieren. Im württembergbadischen Landtag wurde das Gesetz über das Mitbestimmungsrecht ohne Gegenstimmen,

(Abg. Schröter: Hört! Hört!)

lediglich bei Stimmenthaltung eines in Württemberg sogenannten DVP-Mannes und eines CDU-Mannes, angenommen.

(Hört! Hört! in der Mitte und rechts.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108008700
Keine weiteren Wortmeldungen. loh schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Meine Damen und Herren! Es ist zunächst wohl über den Antrag der SPD abzustimmen, der lautet:
Zur Beratung der Gesetzentwürfe über das Mitbestimmungsrecht wird ein Sonderausschuß des Bundestages aus 21 Mitgliedern eingesetzt.
Ich stelle diesen Antrag zur Abstimmung.

(Abg. Paul [Düsseldorf]: Ich bitte ums Wort.) Das Wort hat der Abgeordnete Paul. - Aber wir sind in der Abstimmung!


(Zurufe von der CDU: Wir sind in der Abstimmung!)

(Abg. Paul [Düsseldorf]: Jawohl, zur
Abstimmung!)
- Zur Technik der Abstimmung?

(Abg. Paul [Düsseldorf]: Jawohl! — Zurufe von der CDU: Nicht zur Sache!)


Hugo Paul (KPD):
Rede ID: ID0108008800
Meine Damen und Herren! Ich möchte den Antrag erweitern, und zwar dahin, die Zahl der Ausschußmitglieder auf 27 zu erhöhen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108008900
Sie haben keine Möglichkeit mehr, einen Antrag zu stellen. Wir sind in der Abstimmung.

(Abg. Paul [Düsseldorf]: Unerhört ist das! — Heiterkeit.)

In der Abstimmung kann kein Abänderungsantrag mehr gestellt werden.
Wer für den Antrag der SPD ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wer für den Antrag ist, die Drucksachen Nr. 970 und 1229 an die Ausschüsse für Arbeit und Wirtschaftspolitik zu verweisen, wobei der Ausschuß für Arbeit federführend ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Damit, meine Damen und Herren, ist Punkt 1 der heutigen Tagesordnung erledigt.

(Heiterkeit.)

Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der in den Bundestag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes (Nr. 1153 der Drucksachen).
Der Ältestenrat, meine Damen und Herren, schlägt Ihnen vor, diese Vorlage ohne förmliche Einbringung und Begründung entgegenzunehmen und ohne Aussprache an den Ausschuß für Beamtenrecht zu überweisen.

(Zuruf: Ausgezeichnet!)

Wer für diese Prozedur ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen; der Entwurf ist überwiesen.
Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Vermittlung der Annahme an Kindes Statt (Nr. 1173 der Drucksachen).
Hier, meine Damen und Herren, hat Ihnen der Ältestenrat den gleichen Vorschlag zu machen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen. Die Vorlage ist überwiesen.

(Zuruf: Welchem Ausschuß? — Abg. Strauß: Ich beantrage Ausschuß für Jugendfürsorge!)

Es ist eine Angelegenheit des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht.

(Abg. Strauß: Es ist eine Frage der Jugendfürsorge!)

— Nur Jugendfürsorge?

(Zuruf: Beide!)

Dann beide Ausschüsse, meine Damen und Herren! Also Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und Jugendfürsorge, federführend Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht.

(Zustimmung.)

— Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der Mutter (Mutterschutzgesetz) (Nr. 1182 der Drucksachen).
Hier, meine Damen und Herren, schlägt Ihnen der Ältestenrat für Einbringung und Begründung 15 Minuten und für die Aussprache insgesamt 60 Minuten Redezeit vor. Sind Sie damit einverstanden? — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich erteile das Wort der Abgeordneten Frau Kipp-Kaule.

Liesel Kipp-Kaule (SPD):
Rede ID: ID0108009000
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Am 20. Oktober vergangenen Jahres hatte ich bereits die Ehre, einen Antrag meiner Fraktion hier zu begründen und um seine Annahme zu bitten. Der Antrag sah vor, die Regierung zu beauftragen, schnellstens ein Gesetz zum Schutze der Mutter vorzulegen. In der damaligen Aussprache führte der Bundesarbeitsminister aus, dieses Gesetz werde in seinem Ministerium bereits bearbeitet, und gab der Hoffnung Ausdruck, daß es dem Bundestag so schnell wie möglich vorgelegt werde.
Inzwischen sind die Wochen und Monate ins Land gegangen, ohne daß dem Bundestag von der Regierung ein solches Gesetz vorgelegt wurde, und wieder




(Frau Kipp-Kaule)

ist es meine Fraktion gewesen, die es für ihre Aufgabe gehalten hat, den Entwurf eines Gesetzes zum Schutze der Mutter, wie er Ihnen jetzt in der Drucksache Nr. 1182 vorliegt, einzureichen. Welches waren die Beweggründe, die meine Fraktion veranlaßten, diese Arbeit selbst zu übernehmen?
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, daß ich Ihre Gedanken für einen Augenblick um einige Jahrzehnte zurückführe, und zwar in die Zeit, in der wir in Deutschland von einem ausreichenden Mutterschutz noch nicht sprechen konnten. Je mehr wir als verantwortliche Politiker uns heute mit den sozialen Problemen unserer Zeit beschäftigen, um so mehr entdecken wir an allen Ecken "und Enden unserer Bundesrepublik Elend, Not und Unglück. Eines dieser Probleme, die wir zu lösen haben, ist die Frauenfrage. Für den oberflächlichen Beobachter mag zum Beispiel die Erwerbsarbeit der Frau ein einfaches Rechenexempel sein. Doch die starke Zunahme der Erwerbsarbeit der Frau, wie sie heute aus verschiedenen Gründen zu verzeichnen ist, weist nicht nur den Sozialreformern wichtige Aufgaben zu — —

(Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108009100
Meine Damen und Herren, es ist ein solches Geräusch im Hause, daß ich bitten muß, die Türen zu schließen sowie Unterhaltungen und Gespräche außerhalb des Sitzungssaales zu führen. Außerdem bitte ich, die Gespräche auf den Tribünen zu unterlassen.
Ich bitte die Rednerin, fortzufahren.

Liesel Kipp-Kaule (SPD):
Rede ID: ID0108009200
Sie ist auch geeignet, die ganze Lage der Frauen und der Arbeiterschaft im allgemeinen außerordentlich zu erschweren. Das ist die eine Seite dieses Problems.
Die andere Seite, mit der wir uns heute hier zu beschäftigen haben, ist der schädigende Einfluß, den die Erwerbsarbeit der Frau auf die werdende Mutter und auf die physische Entwicklung der jungen Generation ausübt. Die Erwerbsarbeit gefährdet nicht nur die schwangere Frau, sondern auch die Mutter und den Säugling. Aus dieser Erkenntnis ist man in allen Ländern Europas dazu übergegangen, einen Arbeiterinnenschutz einzuführen. Ich setze voraus, daß die Damen und Herren dieses Hohen Hauses über die Entwicklung in den einzelnen europäischen Ländern im Bilde sind, und möchte mich darauf beschränken, einige Zahlen über die Entwicklung in Deutschland zu geben.
Bereits im Jahre 1828 wurde in Deutschland der erste Vorstoß auf diesem Gebiete gemacht. Der Grund hierfür war, daß die Kinderarbeit zum Beispiel in den Fabriken solchen Umfang angenommen hatte, daß namentlich die bürgerlichen Kreise fürchteten, durch das Aussterben der Arbeiterkinder werde keine Möglichkeit mehr bestehen, die notwendigen Soldaten zu stellen, was in der damaligen Zeit bei diesen Kreisen große Kopfschmerzen verursachte. Zu dieser selben Zeit, als die Sozialreformer aufstanden und gegen die Kinderarbeit protestierten, ist aus Arbeiterkreisen der Ruf erklungen, daß endlich eine Einschränkung der Kinderarbeit erfolgen, darüber hinaus aber ein Arbeiterinnenschutzgesetz geschaffen werden müsse. Das hat bis zum Jahre 1853 gedauert. Erst in diesem Jahre war es möglich, ein Gesetz zu bekommen, wonach Fabrikinspektoren dort eingeführt werden konnten, wo ein Bedürfnis vorlag.
Dann kam das Jahr der Reichsgründung, 1871. Die im Jahre 1869 vom Norddeutschen Bund geschaffene Novelle zur Gewerbeordnung wurde damals vom Reich übernommen. Um diese Zeit wurde auch der erste Fortschritt auf diesem Gebiet erzielt. Es konnten jetzt Schutzmaßnahmen ergriffen werden, um auch die Frau in der Arbeit, ganz besonders mit Rücksicht auf ihre Gesundheit und vor allen Dingen auch in sittlicher Hinsicht zu schützen. Nun, meine Damen und Herren, es wird nicht überheblich klingen — denn man muß der Wahrheit die Ehre geben, wenn man über geschichtliche Dinge spricht —: Der Anstoß zu dieser Novelle war ein Antrag, der von den damaligen 12 sozialdemokratischen Abgeordneten im Reichstag gestellt wurde, als diese Abgeordneten einen Wöchnerinnenschutz forderten.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, wir waren uns darüber klar, daß alles das, was bis zum Jahre 1927 und bis zum Jahre 1933 in dieser Frage möglich war, unzulänglich war, so daß wir uns immer wieder auf die Tribüne der Parlamente stellten und einen ausreichenden Mutterschutz forderten. Denn gerade die Höhe der Kindersterblichkeit in Deutschland war so groß, daß nicht nur wir, sondern auch andere Kreise sich ernsthafte Sorge machten.
Lassen Sie mich einige Zahlen nennen: Vom Jahre 1871 bis zum Jahre 1912 — in einem Zeitraum von 41 Jahren — sind in Deutschland 17 Millionen Kinder vor Ablauf des ersten Lebensjahres wieder ins Grab gesunken, 17 Millionen, von denen man die Hälfte, ja ich möchte sogar behaupten zwei Drittel hätte am Leben erhalten können, wenn man beizeiten einen ausgedehnten Säuglings- und Mutterschutz geschaffen hätte. Aber alle Anträge, die von den Vertretern der Sozialdemokratie im Reichstag nach dieser Richtung hin vor 1914 eingebracht wurden, wurden bekanntlich mit der Begründung abgelehnt, es sei kein Geld für die Durchführung dieser Forderungen vorhanden. So sehen wir, daß auch früher kein Geld für die Durchführung dieser Forderungen da war. Wenn alle die Milliarden Steuern, die nicht allein von den Besitzenden, sondern auch von den breiten Massen der arbeitenden Bevölkerung aufgebracht wurden, nur dazu bestimmt waren, Maschinen und Institute zu schaffen, die dem Zweck dienten, Menschen zu töten, so war natürlich kein Geld vorhanden, wenn es sich darum drehte, Institute zu schaffen, die dem Zweck dienen sollten, Menschen am Leben zu erhalten.
Die Zahl von 17 Millionen, die ich Ihnen nannte, geht aus den Statistiken hervor, die zwar nackte Zahlen sind, aber nichts darüber zum Ausdruck bringen, wieviel Mutterhoffnungen und wieviel Vaterstolz zu Grabe getragen wurden, als diese Kinder vor Ablauf des ersten Jahres der Erde übergeben werden mußten.
So legen wir Ihnen heute mit der Drucksache Nr. 1182 ein Gesetz zum Schutze der Mutter vor. Ich bedauere, daß der Arbeitsminister, obschon er es uns versprach, nicht rühriger gewesen ist. Trotzdem glaube ich, daß in Ausführung des § 1 Abs. 2 für dieses Ministerium der Bundesregierung noch außerordentlich viel zu tun übrig bleibt. Denn wir fordern in diesem zweiten Absatz, daß der Bundesarbeitsminister für die Ehefrauen der Arbeiter, Angestellten und Beamten, der Handwerker, Landwirte und sonstigen Gewerbetreibenden sowie der Angehörigen der freien Berufe und deren mithelfenden Familienangehörigen Vorschriften über einen entsprechenden Mutterschutz erläßt.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Und warum, meine Damen und Herren? Weil die heutige Familienhilfe, die in der RVO verankert ist


(Frau Kipp-Kaule)

nicht ausreicht, um eine • Wöchnerin ausreichend zu
versorgen, besonders dann nicht, wenn sich noch
Krankheit oder andere Komplikationen einstellen.
Im § 2 finden Sie die Beschäftigungsverbote. Es wird den weiteren Beratungen der Beteiligten noch überlassen bleiben zu prüfen, ob die von uns aufgeführten Verbote heute ausreichend sind oder ob wir vielleicht noch einen Schritt weiter tun müssen.
Ich will mich nun über all die anderen Paragraphen nicht weiter äußern. Es ist eine Selbstverständlichkeit, was in §§ 3, 4 und 5 gesagt wurde. Ich möchte mich aber im besonderen mit dem § 6 befassen, nämlich mit dem Kündigungsschutzparagraphen. Meine Damen und Herren, Sie werden vielleicht in der Diskussion auch auf diesen Paragraphen zu sprechen kommen und werden sagen, daß der Wirtschaftsrat bereits eine Regelung getroffen habe, daß allerdings dieses Gesetz nicht in Kraft sei. Für das, was sich inzwischen getan hat, obschon das Gesetz des Wirtschaftsrates nicht in Kraft ist, sind wir von unserer Fraktion in der Lage Beweise anzutreten, so daß jedes Mitglied dieses Hohen Hauses sich mit einer anderen Regelung als der, die wir vorgeschlagen haben, nicht mehr einverstanden erklären kann.
Im Gegenteil! Lassen Sie mich hier folgendes sagen: Wenn wir hier den Kündigungsschutz ganz besonders hervorheben, dann deswegen, weil uns bekanntgeworden ist, daß Unternehmer heute erklären, man könne es Ihnen nicht zumuten, den Arbeitsplatz für eine solche Frau zwölf Wochen freizuhalten. Meine Damen und Herren, ich will Ihnen etwas sagen: zu jeder Zeit waren die besitzenden Kreise unseres Volkes bereit, in sozialpolitischen Dingen etwas zu tun, wenn es sich darum drehte, ihre Interessen auf den Schlachtfeldern zu vertreten. Aber wenn diese Möglichkeit nicht vorhanden ist, wie in der gegenwärtigen Situation, dann sind sie nicht bereit, fortschrittlich im sozialpolitischen Den-den und Handeln zu sein, sondern sie sperren sich gegen alles, was auf diesem Gebiet an Fortschrittlichem getan werden soll.

(Abg. Dr. Hammer: Das ist doch Schwindel! — Hört! Hört! bei der SPD.)

— Die Beweise werden Sie vielleicht noch bekommen, Herr Dr. Hammer! Wir werden uns auf die Diskussion noch einzulassen haben.
§ 7 regelt dann das Wochen- und Stillgeld. Hier finden Sie an sich nichts Neues, sondern das, was bereits der Wirtschaftsrat beschlossen hat. Ich hoffe nicht, daß ein Mitglied dieses Hauses eine Verschlechterung dessen wünscht, was hier vorgeschlagen ist, sondern ich nehme an, daß es Ihre Zustimmung findet.
Die weiteren Paragraphen werden der Ausschußberatung überlassen bleiben. Ich bitte Sie im Sinne all derer, die darauf warten, daß sich der Bundestag endlich mit den Hunderttausenden der Frauen beschäftigt, die ihren Schutz haben müssen, und zwar einen ausreichenden Schutz, wenn sie sich Mutter fühlen, daß Sie diesem Gesetz Ihre Zustimmung erteilen. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108009300
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Rehling.

Dr. Luise Rehling (CDU):
Rede ID: ID0108009400
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Frau Antragstellerin hat vorhin, ich möchte sagen, ein Monopol für ihre Fraktion oder für sozialdemokratische Sozialpolitiker in
Anspruch genommen bezüglich der Festsetzung von Schutzbestimmungen für erwerbstätige Mütter. Ich möchte in aller Bescheidenheit doch darauf hinweisen, daß es um die Jahrhundertwende eine Reihe namhafter christlicher Sozialpolitiker gegeben hat, die dieser Frage größte Aufmerksamkeit zugewandt haben,

(Sehr richtig! in der Mitte)

und daß auch gerade die um die Jahrhundertwende gegründeten christlichen Frauenverbände es stets als ihre vornehmste Pflicht betrachteten, sich für den Schutz der erwerbstätigen Mutter einzusetzen.

(Abg. Neumann: Was ist beschlossen worden?)

Im Namen der Fraktion der CDU/CSU möchte ich erklären, daß wir uns selbstverständlich hinter gesetzgeberische Maßnahmen stellen, die den Schutz der erwerbstätigen Mutter zum Ziele haben. Als in der 12. Sitzung des Deutschen Bundestages der Antrag der SPD-Fraktion, Drucksache Nr. 79, debattiert wurde, hat die Sprecherin meiner Fraktion diesen Standpunkt deutlich herausstellt. Ich möchte auch heute ausdrücklich betonen, daß wir uns durchaus der Verpflichtung bewußt sind, der erwerbstätigen Mutter, die über ihre Arbeit hinaus noch eine zusätzliche Leistung für Volk und Staat vollbringt, besondere Fürsorge angedeihen zu lassen.
Die Ausführungen der Frau Antragstellerin konnten vorhin den Eindruck erwecken, als wenn es sich hier um einen absolut neuen Gesetzentwurf handele. Dabei müssen wir aber doch feststellen, daß der vorliegende Entwurf eine Reihe Paragraphen aus dem Mutterschutzgesetz von 1942 übernimmt, dem ja nicht abzusprechen ist, daß es sozial fortschrittlich und kein ausgesprochen nazistisches Gesetz war. Die Frau Antragstellerin hat auch schon auf die bemerkenswerte Abweichung von § 1 des vorliegenden Gesetzentwurfs gegenüber dem gleichen Paragraphen in dem Gesetz von 1942 hingewiesen. Dieses Gesetz beschränkte den Geltungsbereich auf Frauen, die in Betrieben und Verwaltungen jeder Art beschäftigt sind. Es gab dem Reichsarbeitsminister die Möglichkeit, diese Bestimmungen auszudehnen auf Hausgehilfinnen, Hausangestellte, Heimarbeiterinnen und andere Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen oder in sonstiger Stellung Arbeiten in erheblichem Umfange ausführen, die der Arbeitsleistung der in Betrieben und in der Verwaltung tätigen Frauen entsprechen.
Für die in der Landwirtschaft tätigen Ehefrauen der Bauern und die mithelfenden weiblichen Familienmitglieder konnte der Reichsarbeitsminister ebenfalls Vorschriften über einen entsprechenden Mutterschutz erlassen. Er hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß sich sehr große Schwierigkeiten bei einer solchen Ausweitung ergeben haben würden.
Der § 1 des vorliegenden Entwurfs bezieht nun unter anderem die Frauen, die in der Hauswirtschaft tätig sind, in die gesetzliche Regelung mit ein. An diesem Punkt möchte ich von vornherein Bedenken anmelden, die in den Ausschußberatungen noch genauer zu begründen sein werden. Es ist doch heute so, daß im allgemeinen nur dort noch Hausgehilfinnen eingestellt werden, wo die Hausfrau entweder berufstätig oder nicht voll leistungsfähig ist oder mehrere kleine Kinder hat. Wie sie zu ihrem Recht kommen soll, wenn sie eine Arbeitskraft beschäftigt, die unter die Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes fällt, ist mir nicht klar, auch nicht, wie die finanzielle Belastung getragen werden soll, die durch Einstellung einer Ersatzkraft in den Monaten


(Frau Dr. Rehling)

vor und nach der Entbindung entsteht, ganz abgesehen davon, daß es außerordentlich schwierig sein dürfte, eine Ersatzkraft zu bekommen.

(Sehr richtig! bei der CDU.)

Bei einem Vergleich der Arbeit in einem Haushalt und der in Betrieben und Verwaltungen muß doch wohl auch ein wesentlicher Unterschied festgestellt werden. Die Beschäftigungsverbote für werdende Mütter, die in § 2 aufgeführt sind, treffen doch, wenn überhaupt, nur in ganz geringem Umfange für Hausgehilfinnen und Hausangestellte zu.
Abs. 2 des § 1 sieht nun vor, daß der Bundesarbeitsminister für Ehefrauen der Arbeiter, Angestellten und Beamten — die Frau Antragstellerin erwähnte vorhin schon alle die Kategorien — Vorschriften über einen entsprechenden Mutterschutz erlassen kann. Auf dem Papier nimmt sich das gewiß sehr schön aus, und wenn ich an so manche abgehetzte und überarbeitete Frau der genannten Personenkreise denke, dann möchte ich ihr von Herzen wünschen, daß sie in den Genuß solcher Schutzbestimmungen käme. Aber wie das praktisch realisierbar und finanziell möglich sein soll, vermag Ich mir nicht vorzustellen, es sei denn, daß man an eine völlige Verstaatlichung des Mutterschutzes denkt. Dieser Absatz wird jedenfalls noch einer eingehenden Erörterung bedürfen. Ich hatte zunächst den Eindruck, daß er vielleicht für die erschrockenen Hausfrauen, die ihre großen Bedenken wegen des Abs. 1 haben müssen, ein Pflästerchen sein sollte.
Bezüglich der Stillzeit plädieren wir dafür, daß die Bestimmungen des § 5 des Gesetzes von 1942 beibehalten werden. Die jetzige Fassung bringt eine offenkundige Verschlechterung insofern, als die Stillzeit bei einer zusammenhängenden Arbeitszeit von acht Stunden auf 3/4 Stunden festgesetzt wird, während im bisherigen Gesetz 45 Minuten Stillzeit schon nach einer zusammenhängenden Arbeitszeit von 41/2 Stunden gewährt wurde und bei acht Stunden auf Verlangen zweimal eine Stillzeit von 45 Minuten bzw. eine zusammenhängende Stillzeit von 90 Minuten.
Beim § 6, Kündigungsverbot, hat man die Fassung von 1942 übernommen, und wenn ich recht unterrichtet bin, hat das Bundesarbeitsministerium auch den Landesarbeitsministerien mitgeteilt, daß die Fassung 1942 und nicht die vom Wirtschaftsrat abgeänderte Fassung in Kraft ist. Nach Art. 129 Abs. 1 des Grundgesetzes müßte allerdings die Befugnis, Ausnahmen zuzulassen, wenn ein wichtiger Grund die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses erfordert, auf die Landesarbeitsminister übergehen. Es wird ja auch zur Zeit so gehalten, daß der Bundesarbeitsminister Entscheidungen nur bei Bundesangestellten trifft.
Die in § 7 vorgenommene Verbesserung der Sätze des Wochengeldes von 2 auf 3 DM und des Stillgeldes. von 50 auf 75 Pf. entspricht dem Beschluß des Wirtschaftsrates, dem auch meine Fraktion zugestimmt hat.
Wichtig ist sicherlich auch die unter § 9 in Übereinstimmung mit dem Gesetz von 1942 erneut erhobene Forderung auf Kindertagesstätten, in denen nach Möglichkeit nicht nur vorschulpflichtige Kinder, sondern auch schulpflichtige Kinder betreut und bei ihren Aufgaben beaufsichtigt werden sollten.

(Sehr richtig! bei der CDU.)

Früher waren schon solche Einrichtungen in großen
Werken vorhanden; diese stellten eine eigene Kindergärtnerin ein. Per Entwurf will nun die Gemeinden mit der Einrichtung der Kindertagesstätten belasten und spricht dem Bundesarbeitsminister die Befugnis zu, die Einrichtung solcher Kindertagesstätten zu bestimmen. Es ist nicht einzusehen, warum nicht die Betriebe wie früher maßgeblich zu den Kosten herangezogen werden sollen. Außerdem käme wohl für den Erlaß solcher Bestimmungen nicht der Bundesarbeitsminister in Frage, sondern die Sozial- und Innenminister der Länder.
In diesem Zusammenhang sei noch bemerkt, daß der § 13 des vorliegenden Entwurfs einer sorgfältigen Überprüfung insofern bedarf, als er eine nach Art. 80 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht mögliche Ermächtigung für den Bundesarbeitsminister enthält.
Zum Schluß möchte ich noch einmal betonen, daß die CDU/CSU aufs stärkste an der Schaffung eines zeitgemäßen Mutterschutzgesetzes interessiert ist und daß ihre Vertreter im Ausschuß für Arbeit, dem ich den Gesetzentwurf zu überweisen bitte, tatkräftig daran mitarbeiten werden, damit er, nachdem er so überraschend schnell in den Geschäftsgang gekommen ist, sobald wie möglich fertiggestellt wird.

(Beifall bei der CDU.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108009500
Das Wort hat Frau Abgeordnete Arnold.

Thea Arnold (FU):
Rede ID: ID0108009600
Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf der SPD zum Schutz der Mutter beruht zum größten Teil auf dem alten Mutterschutzgesetz von 1927. Wir können diesem Gesetzentwurf im großen und ganzen zustimmen, zumal er nicht aus der Perspektive von 1942 aus zu sehen ist, sondern in der Hauptsache nach seiner sozialen Bedeutung gewertet wird. Der Schutz der werdenden Mutter und somit der Familie ist oberste Pflicht eines Volkes. Ich glaube auch nicht, daß eine Frau oder ein Mann in diesem Kreise nicht mitstimmen würde, wenn es sich darum handelt, ein vollkommenes Mutterschutzgesetz zu machen.
Eines möchte ich aber doch noch aus der Vorlage hervorheben, was auch uns nicht klar erscheint. Meine Vorrednerin hat eben schon darauf hingewiesen. Es handelt sich um § 1 Abs. 2 des vorliegenden Gesetzentwurfs, der doch sehr umstritten sein wird, soweit nämlich von dem Mutterschutz bei Gewerbetreibenden, bei Beamten oder sonstigen freien Berufen die Rede ist. Hier müßte man fragen, wie sich die SPD den Schutz dieser Kreise, abgesehen von ihrer Selbsthilfe, vermittels ihrer privaten Versicherung oder ihres selbstverständlichen Anspruchs auf Wochen- und Stillgeld, vorstellt. Kündigungsschutz kommt nicht in Frage, desgleichen nicht Arbeitsschutz, da hier kein Zwang besteht und auch nicht wirksam werden kann. Ich kann doch wohl von der SPD nicht annehmen, daß es sich hier wirklich nur um eine Beruhigungspille für die Frauen handeln sollte, ,die das draußen lesen. Ich würde es auch für unmoralisch halten, eine solche leere Fiktion in ein Gesetz aufzunehmen. Diese Frage wäre also noch eingehend in einem Ausschuß zu klären.
Im Hinblick auf § 2 Abs. 2 des Gesetzes, wonach schädliche Einwirkungen auf die Schwangeren in den Betrieben vermieden werden sollen, muß Sorge dafür getragen werden, daß die Gewerbeaufsichtsräte dieser Tatsache ihre besondere Sorgfalt widmen, denn zahlreiche Beschwerden wer-


(Frau Arnold)

den von Frauen gerade in dieser Hinsicht geführt. Es muß dafür gesorgt werden, daß die Gewerbeaufsichtsräte vor allem auch mit Ärztinnen zusammenarbeiten und daß im Gewerbeaufsichtsamt, besonders in größeren Orten, immer eine Frau mit der Wahrung des Mutterschutzes betraut wird.
Alles übrige hat meine Vorrednerin schon erwähnt, soweit es die anderen Paragraphen betrifft. Sie sind ja auch ziemlich selbstverständlich und nicht zu diskutieren.
Ich darf daher zusammenfassend betonen, daß die Zentrumsfraktion, abgesehen von den angezogenen Punkten, die noch der Klärung bedürfen, in den Ausschüssen den vorliegenden Gesetzentwurf der SPD bejahen wird.

(Beifall beim Zentrum.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0108009700
Das Wort hat Frau Abgeordnete Thiele.

Grete Thiele (KPD):
Rede ID: ID0108009800
Meine Herren und Damen! Ich bin sehr erstaunt, daß die Vertreterin der CDU-Fraktion so betont, daß ihre Fraktion an diesem Mutterschutzgesetz so außerordentlich interessiert ist, daß aber ihre Regierung monatelang den Auftrag des Bundestags nicht ausgeführt hat. Wir sind es gewohnt, daß solche Aufträge, die eben zu Lasten des Unternehmers gehen, von der Bundesregierung verschleppt und, ich möchte fast sagen, sabotiert werden. Man sollte meinen — wenn Sie jetzt den Vorgang so einfach darstellen, daß ein ziemlich vollständiger Entwurf immerhin schon vorgelegen habe —, daß es der Bundesregierung, wenn sie gewollt hätte, nicht schwergefallen wäre, einen solchen Gesetzentwurf hier vorzulegen, zumal Ihre Fraktion daran so außerordentlich interessiert sei.
Meine Fraktion begrüßt den Entwurf der SPD als eine Verhandlungsgrundlage, damit endlich der berufstätigen Frau wenigstens für die Zeit eine geringe Sicherheit gegeben wird, in der sie ein Kind erwartet, in der sie das Kind stillt bzw. in der das Kind allein auf die Mutter angewiesen ist. In der Regierungserklärung sagt Dr. Adenauer, „so sozial als möglich" soll dieser Staat sein; und gerade Sie, meine Herren und Damen von der Rechten, reden soviel vom Schutz der Familie, von der Würde der Frau und anderes mehr. Ich möchte noch einmal betonen, es wäre wirklich Aufgabe der Regierung gewesen, umgehend, so wie der Bundestag es beschlossen hat, ein solches Gesetz vorzulegen. Aber wenn es sich darum handelt, die Frau und die Mutter wirklich zu schützen und sicherzustellen, dann denkt die Adenauer-Regierung nicht daran, die Versprechungen, die sie bei den Wahlen macht, die Versprechungen, die sie in der Regierungserklärung gemacht hat, in der Praxis zu erfüllen. Wir wissen sehr wohl, daß in dieser Gesellschaft, nämlich in der Gesellschaft der Monopole, der Truste und der Unternehmerverbände, die werktätigen Frauen und die werktätigen Männer in den Betrieben und in den Büros selber um ihre Rechte und um ihre soziale Besserstellung kämpfen müssen, kämpfen müssen mit ihren Organisationen, den Gewerkschaften. Wer sehr aufmerksam die heutige Debatte um das Mitbestimmungsrecht verfolgt hat, findet diese Auffassung bestätigt. Die Mehrheit dieses Hauses wird den arbeitenden Menschen nichts schenken, sondern die arbeitenden Menschen werden dieser Regierung alles abtrotzen, von ihr alles erkämpfen :nässen.
Nun einiges zu dem Entwurf. Wir sind der Auffassung, daß der Entwurf in einigen Punkten erweitert werden muß. Wir werden entsprechende Anträge im Ausschuß vorlegen. Ganz besonders gilt das da, wo Kann-Vorschriften enthalten sind. Diese Kann-Vorschriften müssen gestrichen werden, weil sie der Unternehmer-Willkür Tür und Tor offenlassen. Wir sind weiter der Auffassung, daß die Ausdehnung der Bezugszeit für Wochen- und Stillgeld noch etwas schärfer formuliert werden muß und daß jetzt das Stillgeld und das Wochengeld erhöht werden muß. Seit der Zeit der Beratungen im Wirtschaftsrat haben sich die Lebensverhältnisse so verschlechtert, daß die Frau mit den Beträgen nicht mehr auskommt. Ebenso sollte den Frauen, die nicht. gesetzlich krankenversichert sind, ein fester Betrag als Mindestleistung zugesichert werden, weil der regelmäßige Arbeitsverdienst nicht in allen Fällen den Frauen und Müttern die Möglichkeit gibt, in dieser schwersten Zeit für ihr Kind und für sich selber aufzukommen. — Ich weiß nicht, warum Sie lachen, wenn ich Ihnen sage, daß die Verhältnisse sich verschlechtert haben. Warum haben wir die Diskussionen um die Preiserhöhungen und um all die Verhältnisse?

(Zuruf von der Mitte: Wir lachen doch gar nicht!)

— Von dieser Seite (nach rechts) wird darüber sehr heftig gelacht. - Darum bin ich der Auffassung, daß man die Beträge erhöhen sollte. Ebenfalls möchte ich hier die Forderung unterstützen, daß ein Großteil der in Frage kommenden Aufwendungen mit vom Bund getragen wird.
Wir sind ferner der Auffassung, daß in die Aufsichtsbehörde Vertreter der Gewerkschaften eingeschaltet werden, damit wir die Aufsicht über die Durchführung dieses Gesetzes nicht allein einer Exekutive, einer Regierung überlassen, die wir dafür nicht als maßgeblich betrachten,
Wir meinen dann, daß Kindertagesstätten, wie es von den Vorrednerinnen gesagt worden ist, auch auf schulpflichtige Kinder ausgedehnt werden sollten. Solche Kindertagesstätten würden gerade den Müttern, die keine Ehemänner mehr haben, die Möglichkeit bieten, ihre Kinder richtig unterzubringen.
Das ist unsere Auffassung. Wir werden diese Auffassung in dem Ausschuß noch durch geeignete Anträge zum Ausdruck bringen.

(Beifall bei der KPD.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108009900
Das Wort hat Frau Ageordnete Dr. Ilk.

Dr. Herta Ilk (FDP):
Rede ID: ID0108010000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir furchtbar leid, daß gerade in die Debatte über ein Gesetz wie das Mutterschutzgesetz wieder eimnal eine Parteipolemik hineingetragen wird. Jede von uns Frauen, die einmal das Glück hatte, einem Kind das Leben zu schenken, weiß, daß gerade in dieser Situation jede Frau schutzbedürftig ist, ob Fabrikantengattin oder Arbeiterfrau. Man sollte etwas Derartiges nicht zum Gegenstand einer Parteipolemik machen. Gerade weil jede Frau davon betroffen wird, ist es doch sicherlich so, daß es niemand hier im Hause gibt, der die Notwendigkeit der Mutterschutzbestimmungen verkennt.
Für meine Partei kann ich erklären, daß sie einem Mutterschutzgesetz durchaus zustimmt. Es


(Frau Dr. Jlk)

sollte aber keineswegs eine Partei für sich in Anspruch nehmen, daß sie diejenige ist, die diese Bestimmungen ausgearbeitet und zur Geltung gebracht hat. Denn dieses Gesetz — ich möchte das wiederholen, was Frau Dr. Rehling schon gesagt hat — ist im Grunde genommen bis auf ganz geringfügige Änderungen nichts anderes als das Gesetz von 1942. Wenn Sie heute meinen, daß die Regierung schon vorher eine Gesetzesvorlage hätte einbringen sollen, so möchte ich darauf hinweisen, daß in sehr vielen Ländern dieses Gesetz noch in Kraft ist und daß tim allgemeinen auch heute die Arbeitgeber so sozial sind, daß sie den Arbeitnehmerinnen in der Zeit der Schwangerschaft und der darauffolgenden Zeit zur Seite stehen.

(Widerspruch links.)

— Bitte, bringen Sie mir Gegenbeweise!
Was die einzelnen Paragraphen anlangt, so möchte ich noch einmal auf § 1 Abs. 2 hinweisen. Es ist natürlich sehr begrüßenswert, wenn wir, was praktisch dann der Fall sein würde, alle Frauen gesetzlich unter einen gewissen Mutterschutz stellen könnten. Aber die Gefahr, daß dieser Kreis und die Art der gesetzlichen Regelung soweit gefaßt wird, daß es einer Verstaatlichung gleichkommt, ist wirklich ungeheuer groß. Wir wollen auch nicht vergessen, daß es sich hier um eine Rahmengesetzgebung handelt und daß im einzelnen Ausführungsbestimmungen noch weitgehend Raum gegeben ist.
Sehr bedeutungsvoll erscheint uns allerdings noch der § 7. Da sehen wir in der vorliegenden Formulierung eine gewisse Ungerechtigkeit. Die Frauen, die der Krankenversicherung unterliegen, die also ein geringeres Arbeitsentgelt haben, sollen nur in der Höhe des Betrags entschädigt werden, den sie aus der Krankenversicherung bekommen. Andere Frauen dagegen, die der Krankenversicherungspflicht nicht unterliegen, sollen in voller Höhe ihr Arbeitsentgelt weiterbekommen. Auch da sollte im Ausschuß irgendwie ein Ausgleich gefunden werden. Keinesfalls ist es möglich, daß man die Kosten der Krankenversicherung überläßt. Denn schließlich handelt es sich bei einer Entbindung nicht um eine Krankheit im eigentlichen Sinne. Es muß also da irgendeine Lösung gefunden werden. Es war ja auch früher so, daß der Staat für diese Kosten eintritt.
Daß Kinderkrippen und ähnliches eingerichtet werden, ist sicher wünschenswert. Aber diese Kinderkrippen den Gemeinden zu überlassen, erscheint uns im Hinblick auf die vergangenen Jahre ein wenig gefährlich. Es könnte unter Umständen von Staats wegen stark in die private Sphäre, nämlich in die Erziehung der Kinder, eingegriffen werden. Das ist nicht wünschenswert.
Ich möchte Sie im Namen meiner Fraktion bitten, diesen Antrag an den Gesundheitsausschuß und den sozialpolitischen Ausschuß zu überweisen.

(Bravo! rechts und bei der CDU.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108010100
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.

Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0108010200
Meine sehr geehrten Herren und Damen! Ich brauche für meine Fraktion nicht zu erklären, daß sie ein Mutterschutzgesetz in einem Staate wie dem unsrigen für selbstverständlich hält. Ich weiß auch nicht — das haben meine Vorrednerinnen schon zum Ausdruck gebracht —, wen die verehrte Kollegin vom DGB mit jenen besitzenden Kreisen gemeint hat, die sich gegen solche Vorschriften stemmen. Ich habe in meiner langen sozialpolitischen beruflichen Tätigkeit wie auch jetzt als Abgeordnete unter den vielen Briefen, die sich mit der sozialen Not unseres Volkes beschäftigen, noch nie einen Brief bekommen, in dem gegen einen Unternehmer Protest erhoben wurde, weil er die Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes nicht beachtet hätte. Um der Gerechtigkeit und des guten Tons in diesem Hause willen sollten wir bei einem solchen Gesetz nicht mit solchen Argumenten arbeiten.
Auch wir sind der Auffassung, daß es nicht einer besonderen Initiative und keiner geistigen Anstrengung bedurfte, um das in nationalsozialistischer Zeit im Jahre 1942 geschaffene Mutterschutzgesetz abzuschreiben. Es ist so gründlich abgeschrieben worden, daß selbst die Überschriften nicht geändert worden sind. Man braucht die Paragraphen nur zu vergleichen.

(Heiterkeit.)

Was uns daran nur interessiert, ist, daß das Arbeitsministerium uns sagt, in welchen Ländern das Mutterschutzgesetz nicht mehr in Kraft ist, daß uns schnellstens vom Arbeitsministerium gesagt wird, welche Möglichkeit der Koordinierung besteht, das heißt, welche Möglichkeit der Vereinheitlichung und der Gleichstellung mit der Gesetzgebung in allen Ländern des Bundesgebietes.
Was mich darüber hinaus interessiert, ist der § 14, zu dem der Herr Kollege 011enhauer und die verehrte Fraktion der SPD auf Grund des § 48 a der Geschäftsordnung -- Deckungsvorschlag — gesagt hat: „Die erforderlichen Mittel sind im Haushaltsplan bereitzustellen." Das ist ein sehr kluges, philosophisches Wort. Viel besser wäre jetzt, wenn wir wüßten, welche Mittel notwendig sein werden, um eine Verbesserung der Bestimmungen der Reichsversicherungsordnung finanziell sicherzustellen, welche Mittel notwendig sein werden, um den Hausfrauen und den nicht Sozialversicherungspflichtigen die Segnungen des Mutterschutzes zuteil werden zu lassen, und wenn wir darüber hinaus wüßten, ob die auch nach unserer Auffassung notwendigen Veränderungen, soweit sie durch die Sozialversicherung getragen werden müssen, von der Sozialversicherung bezahlt werden sollen, d. h. von denjenigen, die Beiträge zu leisten haben, von den Arbeitnehmern und Arbeitgebern, oder ob diese Mittel etwa aus Steuermitteln aufgebracht werden sollen.
Ich bin überzeugt, daß unsere Freunde in der SPD, die ja von diesen Dingen genau so viel verstehen wie ich, im Ausschuß so liebenswürdig sein werden, das noch nachzuholen.
Im übrigen stimmt meine Fraktion dem Antrag auf Ausschußüberweisung selbstverständlich zu.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108010300
Da weitere Wortmeldungen nicht vorliegen, erteile ich der Frau Abgeordneten Döring das Schlußwort für die Antragsteller.

Clara Döhring (SPD):
Rede ID: ID0108010400
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Diskussion hat gezeigt, daß über die Schaffung eines Mutterschutzgesetzes eine einheitliche Meinung hier im Hause besteht. Gestatten Sie mir aber zunächst eine Vorbemerkung oder besser eine Richtigstellung! Gewiß haben auch christliche Kreise sich darum bemüht, einen Schutz für Mutter und Kind zu


(Frau Döhring)

schaffen. Aber ich muß Sie schon fragen: Wo sind die Ergebnisse dieser Bemühungen geblieben?

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Meine Fraktionskollegin hat in ihrer Begründung ganz richtig angegeben, daß die Sozialdemokratische Partei mit diesem Antrag erneut die Initiative zum Ausbau des Mutterschutzgesetzes ergriffen hat, so wie sie es bereits im Jahre 1925 durch die große Anfrage im preußischen Landtag getan hat, als es sich darum handelte, die Öffentlichkeit überhaupt erst auf die Lage der erwerbstätigen schwangeren Frauen aufmerksam zu machen.

(Abg. Frau Kalinke: Das stimmt ja gar nicht!) Das Mutterschutzgesetz von 1942 ist übrigens nicht das geistige Produkt derjenigen, die im Dritten Reich regiert oder vielmehr diktiert haben. Vielmehr basiert dieses Gesetz auf den Richtlinien des Washingtoner Abkommens vom 29. November 1919. Wie Sie ja wissen, meine Herren und Damen, wurden diese Richtlinien seinerzeit im Jahre 1927 vom Reichstag ratifiziert. Zu jener Zeit war Herr von Hindenburg Reichspräsident und Herr Dr. Brauns Reichsarbeitsminister.

Wenn davon gesprochen wurde, daß die Ausweitung des Mutterschutzes nach § 1 Abs. 2 Schwierigkeiten bereiten würde, so ist das wohl richtig. Aber wenn es 'darum geht, für alle Mütter einen Mutterschutz zu schaffen, dann ist es eben nowendig, diese Schwierigkeiten zu überwinden. Sie wissen alle, daß die Familienhilfe nicht ausreichend ist, die Geburt eines Kindes aber staatspolitisch immer gleich zu werten ist. Die Abgeordnete Frau Ilk, glaube ich, sprach hier von der Fabrikanten- und der Arbeiterfrau. Gestatten Sie mir, darauf einzugehen. Die Geburt eines Kindes, wiederhole ich, ist staatspolitisch gesehen immer gleich zu werten, und darum sollte das, was für die Frauen einer bestimmten Gesellschaftsschicht als selbstverständlich angesehen wird, auch für die ärmsten ,der Frauen unter uns ebenfalls zur Selbstverständlichkeit werden,

(Zuruf von der CDU: Hat sie ja gesagt!)

indem man auch ihnen durch einen fortschrittlichen Mutterschutz die Möglichkeit gibt, in Ruhe und in einigermaßen materieller Sicherheit ihre Mutterpflicht zu erfüllen.

(Zurufe von der CDU: Das hat sie ja gefordert! - Das hat sie ja gesagt!)

- Meine Herren und Damen, Sie haben Gelegenheit, in den Ausschüssen zu beweisen, daß Sie mir hier zustimmen.
Wenn wir jetzt in unserm Gesetz für die arbeitende Mutter eine kürzere Pause zum Stillen des Kindes vorgesehen haben, dann ist das doch darauf zurückzuführen, daß im Gesetz von 1942 die längeren Stillzeiten lediglich deshalb enthalten waren, weil seinerzeit 10, 12 und 14 Stunden gearbeitet wurde; denn bekanntlich hatte man im Dritten Reich Arbeitszeiten bis zu 74 Stunden in der Woche.
Gestatten Sie mir, meine Herren und Damen, noch eine andere Bemerkung über die Kündigungen schwangerer Frauen. Ich werde den Eindruck nicht los, als lägen die Probleme um das Mutterschutzgesetz viel tiefer, als wir es bis jetzt hier gehört haben; denn sonst könnte es nicht möglich sein, daß man sich das Überangebot der Frauen und die Arbeitslosigkeit zunutze macht, schwangeren Frauen zu kündigen, die doch Anspruch auf den Schutz des Mutterschutzgesetzes haben. Lassen Sie mich diese Dinge belegen. Allein
aus dem Bezirk Wuppertal-Barmen wurden in letzter Zeit fünf derartige Fälle gemeldet. Auch in München-Gladbach sind 3 solcher Kündigungen erfolgt, die dann teilweise durch Verhandlungen zwischen den Arbeitgebern und den Gewerkschaften, teils aber erst durch arbeitsgerichtliche Urteile wieder rückgängig gemacht werden konnten. So hatte in einem Falle eine Firma versucht, auf dem Wege der Abänderungskündigung das Gehalt einer Angestellten zu senken. Diese Angestellte stand unter dem Schutz des § 6. Eine mündliche Verhandlung mit der Firma hatte keinen Erfolg. Erst auf die Klage, die durch die Gewerkschaft beim Arbeitsgericht eingereicht wurde, sah sich die Firma gezwungen, die Abänderungskündigung zurückzuziehen.

(Zuruf von der CDU: Da müßte doch Ihr Minister eingreifen!)

Der Herr Bundesarbeitsminister hat ja jetzt Gelegenheit, den § 6 des Kündigungsschutzgesetzes so wiederherzustellen, wie er auf Grund des Gesetzes von 1942 bestanden hat, und nicht wieder in der verschlechterten Form, wie es im Wirtschaftsrat geschehen ist.

(Abg. Neumann: Sehr gut!)

Es ist untragbar, die erwerbstätigen Frauen. deren tägliches Leben sowieso schon durch unendlich viele Schwierigkeiten und große finanzielle Sorgen belastet ist, weiterhin diesem unsicheren Zustand auszusetzen. Es ist beschämend und unerträglich, daß einzelne Arbeitgeber immer wieder versuchen, den Kündigungsschutz für werdende Mütter zu umgehen. Die Frauen wehren sich hiergegen mit Recht, und so wurde kürzlich auch auf der Frauenarbeitstagung des Gewerkschaftsbundes in Württemberg-Baden, auf der die Delegierten 130 000 weibliche Mitglieder vertraten, die Neuordnung des Mutterschutzgesetzes erneut verlangt. Eben im Hinblick darauf, daß unser Antrag schon am 20. Oktober vorigen Jahres gestellt worden ist und die Regierung das Gesetz bis jetzt nicht fertiggebracht hat, hat man auch in jener Konferenz verlangt, das Mutterschutzgesetz neu und fortschrittlich zu regeln, damit allen Müttern der Kündigungsschutz und die wirtschaftliche Sicherstellung in vollem Umfange gewährleistet sind.
Meine Herren und Damen! Deutschland war einst das Land mit der fortschrittlichsten Sozialgesetzgebung. Selbst ein Lord Beveridge ist seinerzeit zu uns gekommen, um die Einrichtungen auf sozialpolitischem Gebiet in Deutschland zu studieren. Nun, das war einmal, leider — wie ich hinzusetzen muß. Damals waren wir auch gleichberechtigt im Internationalen Arbeitsamt vertreten. Wie jetzt bekannt wird, will die Regierung die Wiederaufnahme in das Internationale Arbeitsamt beantragen. Ich glaube, meine Herren und Damen, daß es, nachdem so viele andere Länder uns auf sozialpolitischem Gebiet weit überholt haben, eine gute Hypothek für den Eintritt in das, Internationale Arbeitsamt wäre, wenn die Bundesregierung inzwischen ein wirklich fortschrittliches Mutterschutzgesetz schaffen würde.
Doch abgesehen von all dem möchte auch ich das Hohe Haus namens meiner Fraktion bitten, unserem Entwurf zuzustimmen, um dem großen Kreis erwerbstätiger Frauen und Mütter die so dringend benötigte Hilfe zu gewährleisten. Jedermann weiß, daß die Preise für Milch, Kindernährmittel usw. gegenüber früher wesentlich gestiegen sind, und deshalb noch einmal meine dringende Bitte im Namen aller Mütter an das Hohe Haus,


(Frau Döhring)

so rasch wie möglich das Mutterschutzgesetz, wie es unsere Vorlage vorsieht, zu verabschieden.
Ich möchte Ihnen vorschlagen, das Gesetz dem Sozialpolitischen Ausschuß zu überweisen. Da der Ausschuß für Arbeit heute mit der außerordentlich umfangreichen Arbeit an den Gesetzentwürfen zum Mitbestimmungsrecht beauftragt wurde und das Mutterschutzgesetz doch weitgehend sozialpolitischen Charakter hat, dürfte die Überweisung an den Sozialpolitischen Ausschuß wohl das gegebene sein.

(Beifall bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0108010500
Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegen folgende Anträge vor: Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik, Überweisung an den Ausschuß für Arbeit und Überweisung an den Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens. Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen meinerseits folgenden Vorschlag machen. Da das Gesetz im wesentlichen sozialpolitische Fragen betrifft und sogar eine Ermächtigung für den Ausschuß für Sozialpolitik vorsieht, schlage ich Ihnen vor, daß in diesem Fall der Ausschuß für Sozialpolitik als federführender Ausschuß in Erscheinung tritt, daß aber mit Rücksicht darauf, daß in dem Gesetz auch arbeitsrechtliche Fragen eine Rolle spielen, außerdem Fragen des Gesundheitswesens behandelt werden, die Ausschüsse für Arbeit und für Fragen des Gesundheitswesens mit zugezogen werden. Ich bitte diejenigen, die meinem Vor-. schlag zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Ich rufe nun Punkt 5 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betreffend Mandatsniederlegung des Abgeordneten Müller (Hannover) (Nr. 993 der Drucksachen).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, für die Berichterstattung zehn Minuten und für die anschließende Aussprache vierzig Minuten vorzusehen. — Ich höre keinen Widerspruch; damit ist so beschlossen.
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Dr. Brill.

Dr. Hermann Louis Brill (SPD):
Rede ID: ID0108010600
Meine Damen und Herren! Der Niedersächsische Minister der Justiz hat durch ein von Herrn Staatsminister Dr. Hofmeister unterzeichnetes Schreiben vom 24. Juli 1950 die Bitte ausgesprochen, eine Entscheidung über die Aufhebung der Immunität des Herrn Bundestagsabgeordneten Max Reimann herbeizuführen.
Dem Schreiben des Niedersächsischen Ministers der Justiz ist ein Schriftsatz des Oberstaatsanwalts in Hannover vom 23. Juli 1950 und eine Blattsammlung der Kriminalpolizei Hannover beigefügt. Aus dem Schriftsatz des Oberstaatsanwalts ergibt sich, daß bei dieser Behörde ein Ermittlungsverfahren gegen Reimann wegen Stimmhinderung — § 106 —, Freiheitsberaubung — § 239 — und Nötigung - § 240 des Strafgesetzbuches — anhängig ist. Der Anlaß zu dem Ermittlungsverfahren ist eine Anzeige der Frau Heti Fischer beigefügt, die sich als Verlobte des Bundestagsabgeordneten Kurt Müller bezeichnet, die dem Bundestagsabgeordneten Max Reimann vorwirft, in Berlin die Verschleppung des Bundestagsabgeordneten Kurt Müller mit dem Büro des derzeitigen Generalsekretärs der SED Ulbrich t bzw. mit Ulbricht selber verabredet zu haben.

(Hört! Hört! in der Mitte und bei der SPD.)

In einem Brief der Frau Fischer an Reimann, datiert vom 19. Juli 1950 aus Hannover, ist diese Beschuldigung wie folgt wörtlich ausgedrückt worden:
Wenige Tage vor der Reise Kurt Müllers waren Sie selbst in Berlin, wo Sie mit Ulbricht und anderen Besprechungen hatten, die den Zweck verfolgten, den ahnungslosen Bundestagsabgeordneten Kurt Müller in die Ostzone zu locken, um ihn dort zu liquidieren.

(Hört! Hört! in der Mitte und bei der SPD.)

Das gaben Sie mir selbst in unserer Unterredung am 23. 5. 1950 in Frankfurt zu verstehen, wo Sie mir auch unumwunden erklärten, daß Sie persönlich maßgebenden Einfluß auf die Verhaftung Kurt Müllers genommen hätten.

(Hört! Hört!)

Somit fällt Ihnen die volle Verantwortung für das Schicksal Kurt Müllers zu.

(Sehr richtig!)

In einer Vernehmung, die am 21. Juli dieses Jahres vor der Kriminalpolizei in Hannover stattgefunden hat, erklärte Frau Fischer darüber hinaus folgendes:
1. Die Weisung an den Bundestagsabgeordneten Kurt Müller, sich am 22. März nach Berlin zu begeben, ist der Gepflogenheit entsprechend vom politischen Sekretariat des Parteivorstandes in Frankfurt am Main gegeben worden.
2. Der Abruf nach Berlin ist mit Max Reimann verabredet worden, der ihn dann nach Frankfurt mitgeteilt hat.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

3. Nach der Art der Verständigung Müllers konnte dieser nicht mit einer Verhaftung in Berlin rechnen; denn er hat weder etwas für die Versorgung seines Kindes sichergestellt noch irgendeine Vollmacht für die Abhebung seiner Rente hinterlassen, auch seiner Gewohnheit entgegen Frau Fischer nicht über seine Schritte informiert und ihr auch keine Mitteilung zukommen lassen.
4. Der Parteivorstand in Frankfurt am Main, insbesondere Max Reimann, haben ganz genau gewußt, zu welchem Zweck Kurt Müller rüberfuhr und wann er rüberfahren sollte.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

5. Fünf Tage vor der Verschleppung Müllers hat Reimann Kurt Müller und Frau Fischer in Hannover besucht und bei ihnen gewohnt.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

Er ist von da mit dem illegalen Kurierapparat nach Berlin gefahren und hat dort die Weisung bekommen, Müller nach Berlin zu schaffen.
6. Die Frau des Bundestagsabgeordneten Max Reimann hat. Frau Fischer bei ihrer Bitte, ihr behilflich zu sein, um die Rückkehr von


(Dr. Brill)

Kurt Müller zu ermöglichen, in einer ungewöhnlichen Weise unfreundlich abgewiesen.
7. Unter Benutzung von Decknamen hat Frau Fischer versucht, in Frankfurt am Main bei Fritz Sperling, Mitglied des Politbüros, Auskunft zu erlangen. Erst am 20. April ist sie angewiesen worden, den Kraftwagen von Müller, der in Hannover stand und der KPD gehört, mit dem Fahrer nach Frankfurt zu schicken.
8. Kurt Müller ist erst am 10. Mai nach einer Anklagerede von Reimann aus der Partei ausgeschlossen worden. Nach der Überzeugung von Frau Fischer soll Müller geopfert werden, um angesichts des Versagens der KPD in Westdeutschland Reimann zu retten; denn Kurt Müller sei der stärkere Mann im Politbüro gewesen. Es bestanden seit geraumer Zeit Differenzen, die Reimann für sich ausgenutzt hat.
9. Reimann hat sich Frau Fischer gegenüber geweigert, das Material, das er eingestandenerweise gegen Kurt Müller benutzte, Frau Fischer mitzuteilen.
10. Ein ehemaliger KZ-Kamerad aus Sachsenhausen, Bertram Dietz in Düsseldorf, hat einen offenen Brief an Reimann geschrieben, der mit der Frage beginnt: „Kain, wo ist Dein Bruder Abel?"

(Hört! Hört! in der Mitte.)

Frau Heti Fischer hat am Schluß ihrer Vernehmung wörtlich erklärt:
Ich mache in erster Linie vor allen Dingen den ersten Vorsitzenden der KPD Max Reimann verantwortlich.
Sie hat hinzugefügt, daß die weitere Verantwortung das Zentralsekretariat in Frankfurt am Main treffe. Schließlich hat sie erklärt, daß sie bereit sei, alle Aussagen vor einem Gericht unter Eid zu wiederholen.
Nach dem vom Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität aufgestellten und vom Bundestag wiederholt gebilligten Grundsätzen erscheint dem Ausschuß die Aufhebung der Immunität des Bundestagsabgeordneten Max Reimann dringend geboten. Der Ausschuß hat dabei die Vermutung strafbarer Handlungen noch auf § 234 des Strafgesetzbuches „Menschenraub" ausgedehnt.
Namens des Ausschusses, meine Damen und Herren, beantrage ich, der Bundestag wolle beschließen: Die Immunität des Abgeordneten Reimann wird aufgehoben.

(Bravo! und lebhafter Beifall bei allen Parteien mit Ausnahme der KPD.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108010700
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort hat Herr Abgeordneter Fisch.

(Zuruf von der Mitte: Der wird auch noch abgeholt! Heiterkeit.)


Walter Fisch (KPD):
Rede ID: ID0108010800
Meine Damen und Herren! Seitdem es eine Arbeiterbewegung gibt, hat es die herrschende Klasse immer verstanden, sich einzelne schwankende und schwache Elemente zu kaufen.

(Unruhe. Abg. Strauß: Hör doch auf! So ein Unsinn! Menschenräuber! Mörderbande!)

Seitdem es eine Arbeiterbewegung gibt, die auf Ehre und Sauberkeit Wert legt,

(Gelächter bei allen Parteien mit Ausnahme der KPD)

hat sie sich der korrupten und verräterischen Elemente entledigt.

(Zuruf von der Mitte: Auf welche Art!) Diejenigen, die sich in der Geschichte der Arbeiterbewegung auskennen, — —


(Große Unruhe. — Glocke des Präsidenten. — Abg. Strauß: Schauen Sie, daß Sie runterkommen! — Weitere Zurufe: Raus! Pfui! Raus!)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108010900
Meine Damen und Herren! Ich glaube, es dient nicht dem Fortgang der Verhandlung, wenn Sie lange Zwischenrufe machen und den Redner so häufig unterbrechen. Ich bitte, die Ausführungen des Redners anzuhören.

(Zurufe von der Mitte: Nein! — Unruhe.)


Walter Fisch (KPD):
Rede ID: ID0108011000
Es war die alte deutsche Sozialdemokratie, die in solchen Fällen, in denen es dem Gegner gelang, sich einzelne schwankende Elemente zu kaufen, eingegriffen hat und sich von derartigen Elementen klar getrennt hat.

(Erregte Zurufe von der Mitte und der SPD. — Abg. Strauß: Sind die auch liquidiert worden?)

Ich erinnere Sie daran, daß es in der Geschichte der Arbeiterbewegung einen Fall Mussolini gegeben hat, der einmal der italienischen Arbeiterbewegung als führender Kopf angehörte und schließlich zum Häuptling der Faschisten wurde. Ich brauche Sie wohl kaum daran zu erinnern, daß es einen Fall Pilsudski gegeben hat. Es ist ein Zeichen der Dekadenz der deutschen Sozialdemokratie, daß sie sich heute zum Wortführer von Elementen macht,

(Große Unruhe und Pultdeckelklappen bei der SPD. — Zurufe: Schluß!)

die solche käuflichen Elemente in Schutz nehmen.

(Fortdauernde Unruhe. — Abg. Schoettle: Sie sind doch ein armseliger Kerl! — Abg. Hilbert: Schämt ihr euch denn nicht?)

Bei dem ehemaligen Abgeordneten Müller handelt es sich um einen Mann, der nicht nur seine politischen Freunde, sondern auch die Interessen der deutschen Arbeiterbewegung und der ganzen deutschen Nation preisgegeben hat.

(Zurufe von der SPD: Oh! — Abg. Strauß: Das glauben Sie selber nicht!)

Wir unterscheiden uns darin von Ihnen, meine Herren, daß wir es nicht wie Sie als eine Ehre betrachten, mit den Spionageorganisationen der Besatzungsmächte zusammenzuarbeiten.

(Große Erregung. — Lebhafte Rufe in der Mitte, rechts und bei der SPD: Pfui! Unerhört! — Pultdeckelklappen. Glocke des Präsidenten. — Andauernde Rufe: Schluß! Raus! — Abg. Strauß: Mörderbande! Schweinebande! Anderes seid ihr nicht!)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108011100
Herr Abgeordneter Fisch! Sie haben durch Ihre Beschuldigungen — —

Walter Fisch (KPD):
Rede ID: ID0108011200
Ich werde diese Beschuldigungen beweisen!

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108011300
- soeben das ganze Haus der Spionage beschuldigt.

(Abg. Strauß: Wortführer einer Mörderbande!)



(Vizepräsident Dr. Schäfer)

Ich rufe Sie zur Ordnung!

(Abg. Strauß: Schmeißen Sie ihn raus! — Anhaltende Zurufe von allen Fraktionen mit Ausnahme der KPD: Raus! Schluß!)


Walter Fisch (KPD):
Rede ID: ID0108011400
Ich weise Sie darauf hin,

(Abg. Strauß: Du hast nicht darauf hinzuweisen!)

daß ein Mitglied dieses Hauses

(Zurufe rechts: Namen nennen!)

sich vor einigen Tagen damit gebrüstet hat, daß er in der Abwehr sogenannter kommunistischer Agenten aufs engste mit dem Spionagedienst einer ausländischen Macht zusammenarbeite.

(Unruhe und Zurufe von der Mitte: Was machen Sie denn? — Zurufe rechts: Wer? Wer?)

— Meine Damen und Herren, Sie kennen den Namen sehr genau, er weiß es selbst auch!

(Abg. Strauß: Aufgelegter Schwindel!)

Es handelt sich hier um eine Vortäuschung, um ein abgekartetes Spiel

(erregte Zurufe von der Mitte, rechts und von der SPD: Schluß! Runter!)

mit kriminellen Vorwänden, um einen politischen Prozeß zu führen.

(Dauernde Schlußrufe.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108011500
Herr Abgeordneter Fisch, Sie haben eben behauptet, hier würde ein abgekartetes Spiel mit kriminellen Elementen —Fisch (KPD): Mit kriminellen Vorwänden!

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108011600
— mit kriminellen Vorwänden getrieben. Die Beschuldigung ist genau dieselbe. Ich rufe Sie zum zweiten Male zur Ordnung und mache Sie auf die Folgen des dritten Ordnungsrufs aufmerksam!

(Lebhafter Beifall. — Abg. Strauß: Schmeißt ihn doch raus! Seit wann dürfen Mördervertreter hier sprechen?)


Walter Fisch (KPD):
Rede ID: ID0108011700
Meine Damen und Herren! Sie haben hier Beschuldigungen zusammengestellt, die nicht die Spur von Beweisen enthalten. Es handelt sich um lächerliche Angaben, um Wiedergaben einer mehr als dubiosen Person, Angaben, die in keiner einzigen Frage geprüft worden sind. Ich frage Sie, meine Damen und Herren, wenn Sie die Absicht gehabt hätten, ein ehrliches Untersuchungsverfahren zu führen, warum haben Sie den Vertreter meiner Fraktion — —

(Dauernde Unruhe. — Schlußrufe von allen Parteien mit Ausnahme der KPD.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108011800
Herr Abgeordneter Fisch! Sie haben dem Hause durch Ihren Bedingungsatz die Absicht unterstellt, eine unehrliche Untersuchung zu betreiben.

Walter Fisch (KPD):
Rede ID: ID0108011900
Jawohl!

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108012000
Ich rufe Sie zum
dritten Mal zur Ordnung und ersuche Sie, Ihren Platz einzunehmen.

Walter Fisch (KPD):
Rede ID: ID0108012100
Herr Präsident, — -

(Erneute Schlußrufe.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108012200
Herr Abgeordneter! Ich entziehe Ihnen das Wort!

(Zurufe: Schluß! Raus!)


Walter Fisch (KPD):
Rede ID: ID0108012300
Ich habe hier die Beweise!

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108012400
Herr Abgeordneter Fisch! Ich schließe Sie vom weiteren Verlauf der Sitzung aus!

(Lebhafter Beifall und Bravo-Rufe im ganzen Haus. — Große Erregung. — Zurufe: Unerhört, so etwas! Pfui Teufel! — Abg. Strauß: Verbrecher laufen hier herum! — Glocke des Präsidenten. — Weitere Zurufe: Raus! Raus!)

— Herr Abgeordneter Fisch, ich habe Sie aufgefordert, den Sitzungssaal zu verlassen. Da Sie es nicht tun, schließe ich Sie auf 30 Sitzungstage von den Beratungen aus.

(Stürmischer Beifall bei allen Fraktionen mit Ausnahme der KPD. — Abg. Fisch: Herr Präsident, ich mache Sie darauf aufmerksam, — —)

— Herr Abgeordneter Fisch, Sie haben mich auf nichts aufmerksam zu machen! Ich ersuche Sie sofort den Sitzungssaal zu verlassen!

(Lebhafter Beifall in der Mitte, bei der SPD und rechts. — Abg. Fisch verläßt mit Abgeordneten der kommunistischen Fraktion den Saal. — Abg. Frau Thiele: Das ist Demokratie! — Große Unruhe.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108012500
Meine Damne und Herren! Wir fahren in der Beratung fort. Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Wir kommen zur Abstimmung. Es liegt Ihnen die Drucksache Zu Nr. 993 mit dem Antrag des Ausschusses vor, die Immunität des Abgeordneten Reimann aufzuheben.
Ich bitte diejenigen, die dem Ausschußantrag zustimmen, die Hand zu erheben. —

(Abg. Paul [Düsseldorf]: Das ist die Einheitsfront!)

Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist gegen wenige Stimmen angenommen.

(Abg. Strauß: Da haben wir wieder einen weniger!)

Ich rufe nunmehr den Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Bildung eines vorläufigen Bewertungsbeirates (Nr. 975 der Drucksachen);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 1153 der Drucksachen).

(Erste Beratung: 70. Sitzung.)

Als Berichterstatter hat der Herr Abgeordnete Dr. Kneipp das Wort.

Dr. Otto Kneipp (FDP):
Rede ID: ID0108012600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als der Bundesfinanzminister hier am 21. Juni den Gesetzentwurf einführte, legte er dar, daß die Schaffung eines vorläufigen Bewertungsbeirates der Neufeststellung der Einheitswerte des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens dienen solle.

(Dauernde Unruhe.)

Er gab an, daß es sich uni einen vorläufigen Bewertungsbeirat handle; er legte auch die Gründe


(Dr. Kneipp)

dar, warum man einen solchen vorläufigen Bewertungsbeirat schaffe. Er gab an, daß der Bewertungsbeirat als solcher im Reichsbewertungsgesetz verankert sei. Dieses Reichsbewertungsgesetz selbst bedürfe dringend einer Erneuerung, einer Umänderung, einer . Umgestaltung, um den neuzeitlichen Verhältnissen, den Erkenntnissen der letzten Jahre auf dem Gebiet der Bodenbewertung Rechnung tragen zu können. Es sei aber bis jetzt noch nicht möglich, dieses neue Bewertungsgesetz als Bundesbewertungsgesetz den parlamentarischen Körperschaften vorzulegen. Es sei aber erwünscht, daß die Arbeit der Körperschaften, die die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens vorzubereiten haben, sobald wie möglich beginnen könne. Der zu schaffende Bewertungsbeirat solle dann später in der endgültigen Gestaltung des Bewertungsgesetzes seine entsprechende gesetzliche Fixierung finden, und dann solle er in einen endgültigen Bewertungsbeirat übergehen.
Der Minister der Finanzen wies weiter darauf hin, daß normalerweise alle sechs Jahre eine solche Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens üblich und gesetzlich festgelegt gewesen wäre. Die letzte Hauptfeststellung sei aber am 1. 1. 1935 erfolgt. Durch den Krieg und die Nachkriegsereignisse hätte es sich bisher nicht ermöglichen lassen, eine neue Bewertung durchzuführen.
Der Gesetzentwurf hat praktisch zwei wesentliche Grundlagen, die auch im Ausschuß entsprechend herausgestellt worden sind: 1.) die organisatorische Gestaltung des Bewertungsbeirates und 2.) die diesem vorläufigen Bewertungsbeirat zu übertragenden Aufgabengebiete. Organisatorisch war die Sache bisher so, ,daß der Reichsbewertungsbeirat früher drei Abteilungen hatte: eine Landwirtschafts-, eine Forstwirtschafts- und eine Weinbauabteilung. Diese drei Abteilungen hatten jeweils ihre entsprechenden Sachgebiete zu bearbeiten. Man hat schon bei den ersten Anfängen der Arbeit des Reichsbewertungsbeirates festgestellt, daß eine vierte Abteilung für den Gartenbau ein unbedingtes Erfordernis wäre und hat auch — ohne gesetzliche Umrahmung einer solchen Abteilung — diese vierte Abteilung, die Gartenbauabteilung, durch Heranziehung geeigneter Sachverständigen bereits gebildet gehabt. Der Gesetzentwurf sieht nunmehr diese. Gartenbauabteilung endgültig vor.
Es ist im Ausschuß die Frage aufgeworfen worden, ob mit diesen vier Abteilungen die Umrahmung, die Organisation des Bewertungsbeirates abgeschlossen wäre. Es sind zwei Fragen aufgeworfen worden. Erstens die Schaffung einer Koordinationsabteilung, die alle diese vier Ausschüsse in ihrer Arbeit umrahmt, die dafür Sorge trägt, daß die Ausschüsse auf ein einheitliches Bewertungsziel hingelenkt werden und daß auf diese Weise die Arbeit auch ein kompaktes Ganze darstellt, das sich sehen lassen kann. Demgemäß ist die Anregung, eine Koordinationsabteilung ls fünfte Abteilung hinzuzutun, vom Ausschuß ein- stimmig angenommen worden. Sie setzt sich aus je einem oder zwei Mitgliedern der anderen Bewertungsabteilungen zusammen, so daß also eine besondere Ernennung dieser Mitglieder außerhalb der bisher bestehenden Ausschüsse nicht nötig war.
Dann ist die Frage aufgeworfen worden, und es wurde ein entsprechender Antrag gestellt — das wurde schon in der Plenarsitzung vom 21. Juni hier erwähnt —, auch eine Ödlandabteilung zu bilden. Bei dem Antrag auf Schaffung einer solchen Abteilung wurde darauf hingewiesen, daß gerade in Norddeutschland beträchtlich große Flächen Ödlandes seien, unter besonderem Hinweis auf die Moore, und daß es doch richtig wäre, um ein Gesamtbild der Bewertung zu bekommen, für diese Ödlandflächen eine besondere Abteilung zu schaffen. Es wurde auch deshalb die Schaffung einer solchen Ödlandabteilung für wünschenswert erklärt, weil dann diese Ödlandflächen in die steuerliche Bewertung und in die steuerliche Veranlagung hereingenommen werden könnten und damit für manchen Eigentümer einer solchen Ödlandfläche ein besonderer Anreiz gegeben wäre, dieses Odland einer einigermaßen ausreichenden Bearbeitung und Betreuung entgegenzuführen. Der Ausschuß hat jedoch diesen Antrag abgelehnt, so daß es also einschließlich der Koordinationsabteilung, die neu ist, bei den fünf Abteilungen bleibt.
Dann ist im Ausschuß die Frage aufgeworfen worden: Wer soll denn nunmehr Vorschläge für die in die Ausschüsse zu entsendenden Mitglieder machen? — Der alte Reichsbewertungsbeirat konnte sich mit seiner Arbeit sehen lassen. Er hat eine sehr gründliche Arbeit geleistet, hat die an sich doch im Reichsbewertungsgesetz vom Jahre 1925 völlig neu gestellte Aufgabe musterhaft durchgeführt, hat das System entsprechend ausgebaut und hätte dann schließlich eine auch individuell durchaus ordnungsgemäße Bewertung zustande gebracht, wenn nicht der Krieg all diese Sachen nebenhin gestellt hätte. Die früheren Mitglieder sind den zuständigen Stellen durch den deutschen Landwirtschaftsrat vorgeschlagen worden, der vor Durchführung der Ernennung oder der Zusammenstellung seiner Vorschläge alle bäuerlichen, weinbaulichen, gärtnerischen und forstwirtschaftlichen Organisationen heranzog. Es sind also wirklich Leute in den Vordergrund gestellt worden, die auf diesem Gebiet äußerste Sachverständnis an den Tag legten.
Im Gesetz wird klar herausgestellt, daß die Betreffenden, die in diese Gremien hineinkommen, unter allen Umständen Sachverständige sein müssen. In dem Ausschußbeschluß wird dargelegt, daß die Berufsorganisationen der Land- und Forstwirtschaft zu hören seien, und zwar wird dieses Anhörungsrecht dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten übertragen, der seine gesammelten Vorschläge dann an den zuständigen Bundesminister der Finanzen weitergibt, der sie dem Bundesrat zur Genehmigung verlegt. Der Bundesrat wird also hier mit der Aufgabe beauftragt, die Ernennung durchzuführen, um auf diese Weise — wir haben ja einen auf föderativer Grundlage aufgebauten Bund — den Ländern die Möglichkeit zu geben, daß auch aus allen Ländern möglichst entsprechende Sachverständige hereingeholt werden können.
Die weitere wichtige Frage war noch die Hereinnahme der Arbeiten der Reichsbodenschätzung in diesen Gesetzentwurf. Wir haben ja im Jahre 1934 ein Reichsbodenschätzungsgesetz bekommen, das zwar nicht wie im Reichsbewertungsgesetz die Bewertung der landwirtschaftlichen Betriebe in seinem Mittelpunkt vorsah, sondern das grundsätzlich jedes Einzelgrundstück bewertete und in einen entsprechenden Vergleich mit ausgewählten Mustergrundstücken stellte. Die Ergebnisse dieser


(Dr. Kneipp)

Reichsbodenschätzung sollten letzthin in ein Reichsbodenkataster münden und sollten die Grundlage auch für die Flurbereinigung abgeben und für sonstige wichtige volkswirtschaftliche Zwecke. Leider sind auch diese Arbeiten durch den Krieg unterbrochen worden. Sie sind von einer Reihe von Ländern weitergeführt worden. Sie sind aber noch nicht an ihren Abschluß herangekommen.
Im Ausschuß ist eingehend die Frage aufgeworfen worden: Wie bringen wir die Ergebnisse der Arbeiten der Reichsbodenschätzung in die Arbeit des Bewertungsbeirates hinein? — Es war allen Mitgliedern des Ausschusses klar, daß an die Neubewertung des land- und forstwirtschaftlichen Bodens nur dann mit Aussicht auf Erfolg herangegangen werden könnte, wenn überall die Ergebnisse der Reichsbodenschätzung vorlägen. Leider konnte der anwesende Vertreter des Ministeriums der Finanzen überhaupt keine Auskunft über den Umfang der durchgeführten Arbeiten der Reichsbodenschätzung geben. Man konnte von ihm sagen: Er wußte nur, daß er nichts wisse. — Er meinte schließlich, es würde noch bis zum Jahre 1958 dauern, bis die Arbeiten in allen Ländern durchgeführt seien. Es wurde daraufhin im Ausschuß beschlossen, die Dauer des vorläufigen Bewertungsbeirates um ein weiteres Jahr zu verlängern, also nicht, wie es die Regierungsvorlage vorsah, zunächst einmal mit dem 31. Dezember 1951 abzuschließen, sondern erst mit dem 31. Dezember 1952. Man war sich klar darüber: Wenn jetzt bei den Bewertungsarbeiten in einer Reihe von Ländern auf die Ergebnisse der Reichsbodenschätzung zurückgegriffen würde und in den anderen Ländern noch nicht darauf zurückgegriffen werden könnte, dann entstünde ein Torso, eine nicht gerechte Veranlagung; aber eine Veranlagung müsse doch unter allen Umständen gerecht sein. Wie wichtig die Ergebnisse aus diesen Schätzungsarbeiten sind, brauche ich Ihnen nicht näher zu erläutern. Ich darf darauf hinweisen, daß sich auch der Lastenausgleich auf den Einheitswerten usw. aufbaut.
Das sind die wesentlichsten Beschlüsse, die im Ausschuß gefaßt worden sind. Man hat sich dann noch darüber unterhalten: Welches soll der genaue Umfang der Aufgaben des Bewertungsbeirates sein? — Die Regierungsvorlage sah in § 4 vor, daß die Bestimmungen des Reichsbewertungsgesetzes nicht anwendbar sein sollten. Damit verlor aber nach Auffassung des Ausschusses der Bewertungsbeirat praktisch seine Stütze und seinen Halt. Aus diesem Grunde ist der § 4 einstimmig vom Ausschuß gestrichen worden, um durch Hereinnahme der Bestimmungen des Bewertungsgesetzes, hauptsächlich des § 43, dem Bewertungsbeirat sozusagen seinen Halt zu geben.
Schließlich war als letzte Frage noch zu klären: Soll man neben dem Bewertungsbeirat noch den Reichsschätzungsbeirat, der auf Grund des Reichsbodenschätzungsgesetzes vom Jahre 1934 geschaffen wurde, weiter beibehalten? — Der Ausschuß hat einstimmig beschlossen, dieses Aufgabengebiet mit den Aufgaben des Bewertungsbeirates zu vereinigen.
Ich darf Sie namens des Ausschusses bitten, diesen Beschlüssen, die Sie auf Drucksache Nr. 1158 finden, Ihre Zustimmung zu erteilen.

(Beifall.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108012700
Ich danke dem
Herrn Berichterstatter. Für die Aussprache schlägt der Ältestenrat eine Gesamtredezeit von 40 Minuten vor. — Da kein Widerspruch erhoben wird, nehme ich Ihre Zustimmung an.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schmidt (Niedersachsen), 8 Minuten!

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0108012800
Ich habe die Ehre, den Änderungsantrag der SPD-Fraktion Drucksache Nr. 1235 zu begründen. Ich kann mich dabei verhältnismäßig kurz fassen. Wir wünschen in § 1 Abs. 1 die Worte: „auf der Grundlage der Bodenschätzung" hinzuzufügen.
Meine Damen und Herren! Ich halte es für zweckmäßig, daß wir dem vorläufigen Bewertungsbeirat von vornherein klare Arbeitsrichtlinien an die Hand geben; denn wenn wir das nicht tun, könnten wir Gefahr laufen, daß es praktisch gar keine neue Hauptfeststellung der Einheitswerte werden würde, sondern nur eine normale Fortschreibung. Wir sollten schon deshalb die Bodenschätzung zur Grundlage der neuen Hauptfeststellung machen, weil ja die Bodenschätzung mit ungeheuren Steuergeldern durchgeführt worden ist bzw. noch durchgeführt wird und damit die Bodenschätzung überhaupt einmal zum Tragen kommt. Der Einwand, daß die Schätzung nicht beendet sei, trifft zwar formal zu, aber ich glaube, wenn wir diesen Passus einbauen, ergibt sich die Verpflichtung für das Finanzministerium, diese Bodenschätzung so schnell wie möglich zu beenden.
Über die Bedeutung und über die Fortführung der Bodenschätzung waren wir uns ja im Finanzausschuß alle einig, und ich glaube, daß der Herr Finanzminister an den im Protokoll festgehaltenen Wünschen des Ausschusses nicht wird vorbeigehen können. Ich möchte meinen, daß wir eher die Hauptfeststellung um ein Jahr verschieben könnten, als die Verwendung längst überholter, fast hundert Jahre alter Unterlagen in dieser neuen Hauptfeststellung zuzulassen. Ich meine also, wir sollten dem Beirat mit der Einfügung der Worte: „auf der Grundlage der Bodenschätzung" eine Marschroute geben.

(Abg. Dr. Wellhausen: Wo sollen die Worte hin?)

Die Worte kommen zwischen die Worte: „Vermögen" und „wird" in § 1 Abs. 1.
In § 1 Abs. 2 wünschen wir nach wie vor die Aufnahme einer Ödlandabteilung. Unter Ödland versteht man ja sehr verschiedenes. Es gibt dabei natürlich vieles; ich denke z. B. an Felsen, Geröll, Kiese usw. Natürlich kann man derartige Flächen nicht schätzen, und wir wollen hier auch keine Bewertung, aber es gibt auch unter dieser Rubrik Flächen, die man durchaus nutzbar machen kann und die dann rentable Erträge ergeben. Wir haben im Bundesgebiet 5/4 Millionen ha Ödland, und davon sind nach wissenschaftlichen Unterlagen allein eine halbe Million ha kultivierbares Ödland. Diese Flächen sind bisher niemals bewertet worden; sie sind auch steuerfiskalisch gar nicht erfaßt, aber seit Jahrzehnten verlangt die landwirtschaftliche Wissenschaft und ebenso, wie ich meinen möchte, die Finanzwissenschaft eine Bewertung dieser Flächen. Es wird Aufgabe der Ödlandabteilung sein, die vorbereitenden Arbeiten für die Entwicklung der Richtlinien für die Gruppierung der Grundstücke, die bisher als Öd- und Unland ausgewiesen wa-


(Dr. Schmidt [Niedersachsen])

ren, zu vollziehen. Die Odlandabteilung hat nicht die Aufgabe, schon die Bewertung vorzunehmen. Sie soll nur die Grundlage für die Regelung der Fragen schaffen, ob und in welcher Weise dieses nutzbare Ödland einmal zu bewerten wäre. Diese Aufgabe kann auch nicht, wie im Ausschuß gesagt worden ist, durch die landwirtschaftliche Abteilung geleistet werden. Ich glaube, die landwirtschaftliche Abteilung in dem Bewertungsbeirat hat derart große Aufgaben, daß man diese — schon allein, weil es ja ein neues Gebiet ist — einer eigenen Abteilung zuführen sollte.
Zum Schluß, meine Damen und Herren, möchte ich Sie bitten, diesen beiden Anträgen zuzustimmen. Sie haben nichts mit einer Parteiforderung zu tun; es sind Forderungen, die die landwirtschaftliche Betriebswissenschaft schon seit Jahrzehnten erhebt. Ich weiß, daß ich mit dem Kollegen Kneipp in all diesen Fragen einiggehe; uns trennen nur rein technische Bedenken, und ich möchte insbesondere den Kollegen Kneipp bitten, diese technischen Bedenken zurückzustellen und unseren Anträgen zuzustimmen.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108012900
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Kneipp.

Dr. Otto Kneipp (FDP):
Rede ID: ID0108013000
Meine Damen und Herren! Bereits im Ausschuß habe ich darauf hingewiesen, daß es nicht in Ordnung gehe, eine neue Einheitsbewertung schon restlos durchzuführen — mit so ungleichen Vorzeichen, wenn ich so sagen darf. Ich erwähne den Kreis Friedberg. Der Finanzamtsbezirk Friedberg hat seine Reichsbodenschätzung restlos abgeschlossen. Die Bewertungen, die eine Unterabteilung des Bewertungsbeirates in dem Kreis Friedberg vornimmt, stoßen auf völlig neue exakte Ergebnisse der Reichsbodenschätzung. Der Kreis Lauterbach in Hessen steckt noch sozusagen im embryonalen Zustand bei der Reichsbodenschätzung.

(Heiterkeit.)

Es sind nur einige wenige Arbeiten durchgeführt. Nur ein ganz bescheidener kleiner Teil der Objekte ist überhaupt bodengeschätzt.

(Zuruf von der SPD: Das ist nicht wahr!)

Wenn jetzt dort eine Reihe von Grundstücken oder Betrieben bewertet wird und man nicht auf die Ergebnisse der Reichsbodenschätzung zurückkommen kann, dann gibt es natürlich eine ungleiche Bewertung. Die Bewertung soll aber im ganzen Deutschen Reich sozusagen nach gleichem Muster durchgeführt werden. Deshalb würde ich es begrüßen und stimme da dem Herrn Kollegen Schmidt durchaus zu, wenn man die endgültige, die abschließende Einheitsbewertung für den gesamten Besitz noch um einige Jahre hinausschöbe. Gleichwohl kann aber der Ausschuß seine Arbeit jetzt schon beginnen, allerdings mit der Gefahr, daß er dann, wenn die Ergebnisse der Reichsbodenschätzung in den anderen Finanzamtsbezirken vorliegen, diese seine Arbeiten rektifizieren muß. Daran ist nichts zu machen. Es wird also die Arbeit nicht so vor sich gehen können, wie sie natürlicherweise vor sich gehen müßte.
Mit der Frage der Ödlandabteilung habe ich mich schon als Berichterstatter beschäftigt. Ich habe Kollegen Schmidt vorhin gesagt: Lassen Sie doch den Gedanken einer Ödlandabteilung fallen, auch schon aus rein technischen Gründen. Die Anzahl der Leute, die in den Bewertungsarbeiten erfahren sind — ich denke an die beamteten —, ist so gering, daß diese Leute ihr Hauptaugenmerk darauf richten müssen, rechtzeitig mit der landwirtschaftlichen, gärtnerischen, forstwirtschaftlichen und weinbaulichen Bewertung fertig zu werden. Denn das ist ja immer derselbe kleine Kreis, und wenn sich dieser Kreis jetzt an Objekte wenden soll, die praktisch erst in zweiter, dritter und vierter Linie kommen, die viel zu unbedeutend sind, als daß sie jetzt schon hereingenommen werden können und sollen, dann zersplittern sie ihre Kraft. Ich bitte Sie deshalb, den Antrag der SPD betreffend Schaffung einer Ödlandabteilung unter allen Umständen abzulehnen.

(Abg. Dr. Schmidt [Niedersachsen] : Darf ich noch einmal ums Wort bitten?)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108013100
Herr Abgeordneter Schmidt, ich weiß nicht, wie weit die Redezeit noch ausreicht.

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0108013200
Nur eine kleine Bemerkung. Meine Damen und Herren, ich möchte eines richtigstellen: soviel mir bekannt ist, sind fast 80 % aller landwirtschaftlichen Nutzflächen bereits geschätzt, und ich habe auch vernommen, daß die Schätzung bei normaler Ansetzung der Schätzungskommissionen in einem Jahr, spätestens in zwei Jahren, abgeschlossen sein kann. Das also ist kein Grund, diesen Antrag abzulehnen.
Im übrigen möchte ich noch eins sagen: Ich bin fest davon überzeugt: wenn damals in der Sitzung des Finanzausschusses das Finanzministerium besser vertreten gewesen wäre, vielleicht durch den jetzigen Sachbearbeiter, den ehemaligen Ministerialrat Herzog, dann gäbe es gar keinen Antrag der SPD; dann wären die Punkte, die wir in unserem Antrag vorgelegt haben, bereits von Ihnen allen genehmigt worden.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108013300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wartner.

Johann Wartner (FU):
Rede ID: ID0108013400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur mit wenigen Sätzen sagen, daß ich mich den Ausführungen meiner Vorredner anschließe, daß die neue Einheitsbewertung zurückgestellt werden soll, bis die endgültige Bodenschätzung durchgeführt ist. Bei uns in Bayern wurde die Bodenschätzung sofort nach Kriegsende wieder neu aufgegriffen, und es wird nicht mehr allzu lange dauern, dann wird sie dort durchgeführt sein. Wir würden es als ein Unrecht ansehen, wenn die bereits vorgenommene Bodenschätzung, die ja auch einen wesentlichen Teil finanzieller Kosten verursachte, bei der neuen Einheitsbewertung unberücksichtigt bleiben müßte. Ich schließe mich deshalb — ich wiederhole es — den Vorrednern an und bitte darum, daß die neue Einheitsbewertung solange zurückgestellt wird, bis die Bodenschätzung endgültig überall durchgeführt ist.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108013500
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

(Zuruf von der FDP: Doch!)

— Ich habe keine gehabt. Für Ihre Fraktion besteht keine Redezeit mehr; sie ist von Herrn Dr. Kneipp bereits in Anspruch genommen.

(Abg. Dr. Kneipp: Ich habe aber nur 2 Minuten in Anspruch genommen!)



(Vizepräsident Dr. Schäfer)

— Nein, nein! Sie haben als Berichterstatter und dann doch auch für die Fraktion gesprochen.

(Abg. Dr. Kneipp: Als Berichterstatter werde ich ja nicht gezählt!)

— Bei der zweiten Wortmeldung waren Sie nicht mehr Berichterstatter, sondern Sprecher für die Fraktion.

(Abg. Dr. Kneipp: Ich habe 2 Minuten gesprochen!)

— Ich habe das nicht verfolgt. Ich habe nicht gewußt, daß von einer Fraktion in der Angelegenheit zwei Sprecher vorgesehen waren. Ich glaube, meine Damen und Herren, wir müssen uns in diesem Falle doch an unsere Redezeitökonomie halten.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Wir kommen also zur Abstimmung. Ich rufe auf § 1. Dazu liegt ein Abänderungsantrag der SPD auf Drucksache Nr. 1235, Ziffer 1, vor. Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Es liegt weiter ein Abänderungsantrag der SPD zu § 1 Abs. 2 Satz 1 vor. Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
— Ich bitte um die Gegenprobe. —

(Zuruf links: Sie sind aus Prinzip dagegen, daß man SPD-Anträge annimmt! — Zuruf rechts: Wir denken gar nicht daran! Wir sind nur gegen die Ödlandabteilung!)

Das letztere ist die Mehrheit. Der Antrag ist ab-
gelehnt.

(Zurufe links.)

Wer nunmehr für den § 1 in der Fassung des Ausschußvorschlages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Bitte um die Gegenprobe. — Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf § 2. Da liegt der Abänderungsantrag

(Abg. Schmidt sich!)

— Er ist also hinfällig geworden. Es erhebt sich gegen die Feststellung der Hinfälligkeit kein Widerspruch. Das ist die Auffassung des Hauses.
Wer also für Annahme des § 2 in der Fassung des Ausschußvorschlages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
§ 3 keine Änderung, § 4 entfällt, - § 5, - § 6, — Einleitung und Überschrift. — Wer den eben aufgerufenen Paragraphen und der Einleitung und Überschrift in der Fassung des Ausschußvorschlages zustimmt, den bitte ich, die Hand zu erheben.
— Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen. Ich schließe damit die zweite Beratung.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wird das Wort gewünscht?

(Abg. Dr. Kneipp: Nur eine kurze technische Bemerkung: Es muß beschlossen werden, daß § 5 zu § 4 und § 6 zu § 5 wird!)

— Dazu bedarf es nicht eines besonderen Beschlusses. Das sind redaktionelle Änderungen, die ohne weiteres vorgenommen werden können.
Meine Damen und Herren! Wer für die Annahme des soeben in zweiter Beratung beschlossenen Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu er-
heben. — Das ist die Mehrheit; damit ist das Gesetz auch in dritter Beratung angenommen und verabschiedet.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (Nr. 924 der Drucksachen);
Mündlicher Bericht des Ausschusses zum Schutze der Verfassung (5. Ausschuß) (Nr. 1209 der Drucksachen).

(Erste Beratung: 65. Sitzung.)


(Abg. Dr. von Merkatz: Zur Geschäftsordnung!)

Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Dr. von Merkatz.

Dr. Hans-Joachim von Merkatz (CDU):
Rede ID: ID0108013600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Hinblick darauf, daß wegen
dieses Entwurfs noch einige verfassungsrechtliche
Bedenken bestehen, die hier im Plenum nicht ausgeräumt werden können, und mit Rücksicht darauf,
daß weitere Vorschläge, die eine gute Diskussionsgrundlage bilden, gemacht worden sind, beantrage
ich, diesen Entwurf heute abzusetzen und an den
Ausschuß zurückzuverweisen mit dem Ziel, bereits
morgen vormittag eine Ausschußsitzung stattfinden
zu lassen, damit das Gesetz noch morgen auf die Tagesordnung gesetzt und verabschiedet werden kann.

(Abg. Dr. von Brentano: Einverstanden!)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108013700
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. von Merkatz gehört, die Vorlage nochmals an den zuständigen Ausschuß zurückzuverweisen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.—Das erste war die Mehrheit; damit ist so beschlossen. Ich nehme an, daß dieser Beschluß Ihre Absicht einschließt, auch die dazu vorliegenden Abänderungsanträge dem Ausschuß zu überweisen.

(Abg. Dr. Laforet: Es liegen keine vor! — Abg. Dr. von Brentano: Auf die Tagesordnung von morgen!)

— Jawohl, auf die Tagesordnung von morgen. Ich rufe nunmehr auf die
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Milch-, Milcherzeugnissen und Fetten — Milch- und Fettgesetz — (Nr. 1243 der Drucksachen).
Der Ältestenrat hat nachträglich beschlossen, die Vorlage an dieser Stelle in die Tagesordnung einzuschieben. Er hat weiter vorgesehen, angesichts der ausführlichen schriftlichen Begründung auf eine mündliche Begründung und ebenfalls auf eine Debatte zu verzichten. Ich darf Ihnen daher vorschlagen, die Drucksache Nr. 1243 dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen. Ich bitte diejenigen, die diesem Antrag zustimmen wollen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr auf Punkt 8 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Getreide und Futtermitteln (Getreidegesetz) (Nr. 968 der Drucksachen);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) (Nr. 1224 der Drucksachen).

(Erste Beratung: 65. Sitzung.)



(Vizepräsident Dr. Schäfer)

Ich darf darauf aufmerksam machen, daß der Ältestenrat für die Berichterstattung eine Redezeit von 10 Minuten und für die Debatte eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vorgesehen hat. Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Das Wort zur Berichterstattung hat der Herr Abgeordnete Dr. Horlacher.

Dr. Michael Horlacher (CSU):
Rede ID: ID0108013800
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Getreidegesetz hat den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zum erstenmal in seiner Sitzung vom 17. Mai 1950 informatorisch beschäftigt. Dort haben Bundesminister Niklas und Ministerialdirektor Stab einen Überblick über die Grundsätze des Gesetzes gegeben. Insbesondere wurden die Hauptpunkte des Gesetzes hervorgehoben: eine ausreichende Vorratshaltung an Getreide sei notwendig, die Festsetzung stabiler Preise, die Aufstellung eines Versorgungsplanes, die Ermächtigung an die Regierung bezüglich verschiedener Ausmahlungsvorschriften, dann die Verarbeitungsregelung der Mühlen, die Schaffung einer eigenen Einfuhr- und Vorratsstelle und gewisse Maßnahmen zur Preisregelung. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Rede des Herrn Landwirtschaftsministers Niklas bei Einbringung des Gesetzes verweisen.
Es wurde dann in einer Sitzung vom 31. Mai eine allgemeine Aussprache über das Getreidegesetz gepflogen. Auf die Ergebnisse dieser Aussprache werde ich bei der Berichterstattung über die einzelnen Paragraphen noch zurückkommen. Es gab dann ein kleines Zwischenspiel am 7. Juni in einer Sitzung, in der insbesondere von dem Abgeordneten Dr. Müller (CDU/CSU) verlangt wurde, daß erst bestimmte Vorfragen des Getreidegesetzes geklärt werden müßten, vor allem die Frage der Subventionierung. Damals wurde beschlossen, den Herrn Bundeskanzler, sowie die Herren Bundesminister für Finanzen, Wirtschaft und Ernährung einzuladen, um von diesen Herren die entsprechenden Aufschlüsse zu bekommen. Es haben dann auch solche Zwischenbesprechungen stattgefunden, und danach wurde an die Einzelberatung des Gesetzes herangegangen. Ich darf dazu nun folgendes feststellen.
Der Ausschuß war einstimmig der Meinung, daß auf dem landwirtschaftlichen Gebiet eine gewisse Ordnung notwendig sei. Dieses Getreidegesetz ist nun das erste der hier zu behandelnden Agrargesetze, die eigentlich bis zum 1. Juli verabschiedet sein sollten. Bei der Beratung des Gesetzes hat man die Beschlüsse des Bundesrates im allgemeinen anerkannt. Es sind nur unwesentliche Bestimmungen, bei denen man den Vorschlägen des Bundesrates nicht gefolgt ist.
Der eine Punkt ist, daß bei der Vermahlungsregelung dem Interesse der heimatvertriebenen Müller Rechnung getragen werden soll. Dieser Punkt wurde im Grundsatz anerkannt, aber es wurde allgemein zum Ausdruck gebracht, daß hier nicht der Platz sei, um das im Getreidegesetz zu regeln. Das muß an anderer Stelle geschehen. Die Regierung wurde beauftragt, gewisse Maßnahmen durch andere Stellen vorzunehmen.
Hauptdifferenzpunkte des Gesetzes sind in der Aussprache gewesen: a) die Preisfestsetzung. Hier lag ein Antrag der SPD vor, an Stelle des § 2 des Entwurfs, der von der Versorgungsregelung spricht, die Preisregelung festzusetzen. Hier sollte es heißen:
Durch Bundesgesetz werden rechtzeitig im
voraus für jedes Getreidewirtschaftsjahr die Preise für Getreide festgelegt.
Der Bundesminister hat seine Aufsichts- und Weisungsbefugnisse über die durch dieses Gesetz zu schaffenden Organe so auszuüben, daß die Einhaltung dieser Preise gewährleistet ist.
Der Antrag wurde gegen die Stimmen der SPD
abgelehnt.
Ein weiterer Differenzpunkt war die Schaffung
der Mühlenstelle. Hier gingen die Meinungen zwischen SPD und den übrigen Mitgliedern des Ausschusses ebenfalls auseinander und hier hat die
SPD folgende Abänderungsanträge eingebracht:
Zur Sicherstellung des Absatzes des Inlandsgetreides und zur Gewährleistung einer gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung mit
Mehl und Brot bestimmt der Bundesminister
durch Rechtsverordnungen
1. den Umfang der Vermahlung von Brotgetreide in den einzelnen Mühlen. Dabei soll die Vermahlungsregelung so gestaltet werden, daß übersetzte Verarbeitungs-, Handels- und Transportspannen abgebaut und den berechtigten Interessen der verschiedenen Wirtschaftsgebiete und Betriebsgrößenklassen und der in ihnen beschäftigten Menschen Rechnung getragen wird.
Ferner kann der Bundesminister bestimmen, in welchem Umfange Brotgetreide für andere Zwecke als für die menschliche Ernährung verwendet werden kann ...,
Bestimmungen, die auch in der Vorlage enthalten sind, die mit dem SPD-Antrag identisch sind.
Dann kam zur Frage der Mühlenwirtschaft noch der SPD-Antrag:
Für das Gebiet der Mühlenwirtschaft wird beim Bundesminister ein Beirat gebildet. Diesem Beirat sind alle Rechtsverordnungen, die auf der Grundlage der Vorschriften des § 3 erlassen werden sollen, vorzulegen.
Der Beirat muß für seine Stellungnahme eine Frist von 14 Tagen haben.
Der Beirat setzt sich zusammen aus:
6 Vertretern der Mühlen,
2 Vertretern der Nährmittelindustrie,
1 Vertreter der Schälmühlen,
2 Vertretern der Bäcker,
4 Vertretern der Erzeuger- und Absatzgenossenschaften,
7 Vertretern der Verbraucher,
2 Vertretern des Import- und des Landhandels,
3 Parlamentariern.
Hier wäre nach dem SPD-Antrag die Mühlenstelle vollständig verschwunden gewesen, und nur die Befugnisse des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft wären mit dem Beirat für die Mühlenwirtschaft stipuliert worden. Dieser Antrag der SPD wurde abgelehnt.
Dagegen wurde ein SPD-Abänderungsantrag zu § 8 einstimmig angenommen.
Während also in der Frage der Mühlenstelle Differenzen im Ausschuß vorhanden waren, ist man in der Frage Ein- und Ausfuhrstelle zu einer einmütigen Stellungnahme gekommen. Im SPD-Antrag wurden die Grundsätze festgelegt, daß die freie Disponierung über Getreide, das die Einfuhr- und Vorratsstelle nicht abnimmt, abgeschafft wurde, um gewisse klare Verhältnisse in der Bewirtschaftung durch die Einfuhr- und Vorratsstelle zu schaffen. Ich darf darauf verzichten, den Wortlaut


(Dr. Horlacher)

dieses Abänderungsantrags zu verlesen, weil er ja in der Gesetzesvorlage, auf die ich jetzt zu sprechen komme, verankert ist.
Der Ernährungsausschuß hat sich dann mit den einzelnen Paragraphen beschäftigt. In den letzten Tagen hat auch der Wirtschaftsausschuß zu dem Gesetz noch Stellung genommen. Ich habe die Formulierung zu vertreten, die Ihnen jetzt in Drucksache Nr. 1224 vorliegt. Ich bitte Sie, diese Beilage zur Hand zu nehmen; das erleichtert uns die Angelegenheit. Hier ist gegenübergestellt auf der einen Seite die Vorlage der Regierung und auf der andern Seite die Vorlage der Ausschüsse, und zwar des Ernährungsausschusses wie des Wirtschaftsausschusses oder die kombinierten Beschlüsse des Ernährungs- und Wirtschaftsausschusses. Es ist erfreulicherweise durch die zunächst getrennten Beratungen, aber dann doch wieder zusammengehenden Auffassungen eine ziemlich gemeinsame Meinung hergestellt worden. Sie finden in §§ 1 und 2 die Anderungen, die im Ausschuß vorgenommen worden sind, durch Fettdruck gekennzeichnet. Sie finden das auch in § 3.
Im § 4 hat es gewisse schwere Auseinandersetzungen gegeben. Hier ist wiederholt der Grundsatz zum Ausdruck gekommen, daß die Mühlenbewirtschaftung so zu handhaben sei, daß einer unwirtschaftliche Übersetzung beseitigt wird, daß aber auf der anderen Seite die Kontingentierung auch so erfolgen muß — das war der Wunsch des Ausschusses —, daß den Klein- und und Mittelmühlen in ihrer Existenz Rechnung getragen wird, daß aber trotz dessen ein wirtschaftlicher Leistungswettbewerb in der Mühlenindustrie gesichert ist. Sie finden jetzt den ganzen Kompromiß in § 4 zu einer Einheit zusammengezogen. Wer Interesse dafür hat, den bitte ich, sich diesen Paragraphen genauer anzusehen.
Dazu liegt dann noch, was ich zu Protokoll geben muß, ein einstimmiger Beschluß des Ernährungsausschusses vor, daß die Kontingente, die ausschließlich an Betrieben haften, bei einheimischen Mühlen nicht zum Handelsobjekt gemacht werden dürfen, und daß der Ausschuß der Auffassung ist, daß in eigenem Betrieb nichtverwendete Kontingente nicht weiterverkauft werden dürfen, sondern daß sie dem Betrieb entzogen werden sollen, unbeschadet einer anderweitigen gesetzlichen Regelung. Das ist ein Grundsatz, der im Protokoll des Ausschusses zu finden ist und der nicht im Gesetz festgelegt ist. Deswegen wiederhole ich das hier.
Zu § 5 unter „Mühlenstelle" sehen Sie dann, daß gewisse Schwierigkeiten bezüglich der Gestaltung des Vorstandes des Verwaltungsrates zu überwinden waren. Der Beirat ist durch den Einspruch des Wirtschaftsausschusses gefallen. Sie finden die ganze Konstruktion der Mühlenstelle mit dem Aufsichtsrecht des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft in § 5 niedergelegt. In § 5 ist die Ziffer 7 weggefallen, weil das an einer späteren Stelle bei der Behandlung der Kostenregelung geregelt ist.
§ 6 ist unverändert geblieben.
In § 7 ist das wichtige Kapitel „Einfuhr- und Vorratsstelle" gelöst, wobei insbesondere die Neugestaltung der Zusammensetzung des Verwaltungsrats hervorzuheben ist. Sie sehen im Fettdruck die durch den Ausschuß vorgenommenen Änderungen. Dann sehen sie auch die wichtigen Bestimmungen über das Funktionieren des Verwaltungsrats, nämlich dahingehend, daß die gefaßten Beschlüsse des Verwaltungsrats dem Bundesminister zur Genehmigung vorzulegen sind.
Sie sehen dann an dem weiteren Fettdruck die anderen Regelungen im § 8. Die wesentlichen Anderungen, die hier gegenüber der Regierungsvorlage vorgenommen sind, sind genau ersichtlich; sie stimmen mit dem genannten Antrag der SPD in den Grundzügen überein. Ich bitte aber wegen der Kürze der Zeit, das alles selber nachlesen zu wollen.
Wichtig ist dann noch die Bestimmung:
Die Einfuhr- und Vorratsstelle hat ferner die Aufgabe, je nach Marktlage unter Verwendung der im Haushalt bereitgestellten Mittel eine Vorratshaltung in Auslands- und Inlandsgetreide durchzuführen.
Dann sehen Sie sich die Vorschrift noch an:
Bei der Durchführung ihrer kaufmännischen und technischen Aufgaben soll sich die Einfuhr- und Vorratsstelle der Einrichtungen der Wirtschaft bedienen.
Das heißt: sowohl des Handels wie der Raiffeisengenossenschaften,
§ 8 ist hier eingefügt. Sie sehen das in der Vorlage.
§ 9 behandelt die Preisregelung. Hier ist wichtig, daß ein Abs. 4 hinzugefügt ist:
Rechtsverordnungen, durch die Preise für Getreide oder Brot festgesetzt oder freigegeben werden, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates und des Bundestages.
In § 10 und den weiteren Paragraphen finden Sie die Bestimmungen, die geändert worden sind, durch Fettdruck hervorgehoben.
Ebenso ist in § 14a alles zusammengezogen, was sich auf die Gebühren bezieht.
Die Buchführung wird das Hohe Haus weniger interessieren; sie ist im Gesetz genau behandelt; ebenso in § 16 die Meldepflicht. Dann kommen die Straf- und Schlußbestimmungen. Diese sind auch so gehalten, wie es die Verhältnisse erfordern.
Damit bin ich am Ende der Berichterstattung angelangt. Ich habe mich bemüht, das in 10 Minuten fertigzubringen.

(Zurufe: Bravo!)

Es war ein Kunststück, bei einer so großen Materie. Ich habe mich bemüht, Ihnen ein Musterbeispiel einer objektiven Berichterstattung zu geben. Ich habe hier die Dinge nur so geschildert, wie sie tatsächlich im Ausschuß behandelt worden sind, objektiv. Ob es die Partei oder jene Partei gewesen ist, das war mir gleichgültig.
Ich habe Sie nun im Auftrage des Wirtschafts- und Ernährungsausschusses zu bitten, der Vorlage, wie sie hier vorliegt, Ihre Zustimmung zu geben.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108013900
Meine Damen und Herren! Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich glaube, das Hohe Haus wird mit der Selbstbeurteilung des Berichterstatters durchaus einverstanden sein.

(Große Heiterkeit.)

Ich rufe auf § 1. Keine Wortmeldungen. § 2. Keine Wortmeldungen. § 3. Keine Wortmeldungen.
Ich lasse über diese drei Paragraphen abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Die Gegenprobe! — Angenommen.


(Vizepräsident Dr. Schmid)

Zu § 4 ist ein interfraklioneller Abänderungsantrag der Abgeordneten Kather und Genossen des Inhalts vorgelegt worden, in § 4 einen zweiten Absatz folgenden Wortlauts einzufügen:
Bei der Vermahlungsregelung ist dem Interesse der heimatvertriebenen Müller Rechnung zu tragen. Der Bundesminister kann den heimatvertriebenen Müllern ohne Mühle und ebenso den einheimischen Müllern ohne Mühle, deren Mühlen kriegszerstört sind, Vermahlungsrechte verleihen.
Wird zu diesem Antrag gesprochen? — Der Herr Abgeordnete Kather hat das Wort.

Dr. Linus Kather (CDU):
Rede ID: ID0108014000
Meine Damen und Herren! Sie haben aus den Ausführungen des Herrn Berichterstatters schon gehört, daß Bestrebungen auch schon im Ausschuß im Gange waren, die den gleichen Inhalt haben wie der Antrag, der Ihnen jetzt als interfraktioneller Antrag vorgelegt worden ist. Der Ausschuß hat sich, wie der Berichterstatter vortrug, diesen Bestrebungen versagt, indem er zum Ausdruck brachte, man dürfe Kontingente nicht zu Handelsobjekten machen.
Ich darf kurz auf die Vorgeschichte eingehen. Die heimatvertriebenen Müller haben sich seit Jahren darum bemüht, daß man ihnen ihre Kontingente geben sollte. Sie haben bei diesen Bemühungen keinen Erfolg gehabt. Sie sind immer wieder vertröstet worden auf das kommende Bundesgesetz als beste Gelegenheit, diesem ihren Wunsch Rechnung zu tragen. Ganz unterschiedlich war die Behandlung der einheimischen Müller, deren Mühlen kriegszerstört waren. Diese haben von Anfang an bis jetzt ihre Kontingente in vollem Umfang behalten, würden allerdings, wenn der Antrag des Ausschusses gebilligt würde, diese Kontingente jetzt verlieren. Schon das ist meiner Ansicht nach ein sehr unbilliger Erfolg, der nicht tragbar ist.
Ich darf darauf hinweisen, daß in anderen Berufsgruppen ein anderer Weg gegangen worden ist. Z. B. hat die Reichsmonopolverwaltung den ostdeutschen Spirituosenfabrikanten ihre Kontingente belassen und hat ihnen dadurch in zahlreichen Fällen einen neuen Wiederanfang ermöglicht. Es ist mir ferner bekannt, daß dasselbe geschehen ist im Heringsgroßhandel, wo auch den ostdeutschen Importeuren und Großhändlern ihre Kontingente belassen worden sind.
Man sagt, man darf keinen Handel treiben, aber, meine Damen und Herren, welche Konsequenz hat es denn, wenn man diesem Antrag nicht stattgibt? Die ostdeutschen Müller können ja ebenso wie die einheimischen, deren Mühlen zerstört sind, sagen, daß sie ihre Verbraucher mitgebracht haben bzw. daß sie hier sind. Man braucht ja nur z. B. an Schleswig-Holstein zu denken, wo die Bevölkerung sich fast verdoppelt hat. Wenn Sie diesen Antrag ablehnen würden, so würde das heißen, daß diese Kontingente der ostdeutschen Müller den einheimischen Müllern zusätzlich zufallen, wie das auch schon bisher der Fall gewesen ist.
Man wird vielleicht einwenden, das ist hier gewissermaßen vorweggenommener Lastenausgleich; aber Lastenausgleich nicht nach der Aufbringungsseite; es wird keinem etwas weggenommen, was ihm zusteht. Wenn es tatsächlich nach der anderen Seite gewissermaßen eine Vorwegnahme sein würde, so würde das gar nichts schaden. Wir sollten bei der Schwierigkeit der Materie des Lastenausgleichs alle Wege gehen, um hier Hilfe zu bringen. Ich darf darauf hinweisen, daß der erste Satz unseres Ergänzungsantrages lautet:
Bei der Vermahlungsregelung ist dem Interesse der heimatvertriebenen Müller Rechnung zu tragen.
Ja, meine Damen und Herren, wollen Sie einen solchen Antrag ablehnen?

(Zuruf: Jawohl!)

Soll also den Interessen der heimatvertriebenen Müller nicht Rechnung getragen werden?

(Zuruf: Doch, dem soll auch Rechnung getragen werden!)

Ich darf weiter darauf hinweisen, daß der zweite Satz ja nur eine Kannvorschrift enthält. Der Bundesernährungsminister kann den heimatvertriebenen Müllern Kontingente geben. Das zwingt also nicht dazu, diesen Weg zu gehen. Er hat aber die Möglichkeit hierzu.
Ich darf dann weiter noch Ausführungen zu § 5 machen, Herr Präsident.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108014100
§ 5 ist dann mit aufgerufen. Zu diesem Paragraphen ist ein Zusatzantrag gestellt worden.

Dr. Linus Kather (CDU):
Rede ID: ID0108014200
Ich darf eine kurze Begründung zu dem Zusatzantrag geben. Es heißt dort:
In dem Verwaltungsrat und in dem Beirat müssen auch die in § 4 Abs. 2 genannten Müller angemessen vertreten sein.
§ 5 regelt die Bildung der Mühlenstelle, die aus einem Vorstand, dem Verwaltungsrat und dem Beirat besteht.

(Zurufe: Der Beirat ist gestrichen worden!)

— In der Vorlage, die ich heute vorgefunden habe, ist er noch darin.

(Widerspruch. — Abg. Dr. Horlacher: Der mündliche Ausschußbericht ist maßgebend!)

— Gut dann ändere ich meinen Antrag dahin:
In dem Verwaltungsrat müssen auch die in § 4 Abs. 2 genannten Müller angemessen vertreten sein.
Ich bitte, auch diesem Antrage stattzugeben. Es liegt ja ein durchaus berechtigtes Interesse der heimatvertriebenen Müller und auch der einheimischen Müller, die ihre Mühlen verloren haben, ohne daß sie sie wieder aufgebaut haben, vor, im Verwaltungsrat vertreten zu sein.
Abschließend möchte ich bemerken, daß das Hohe Haus hier Gelegenheit hat, einmal etwas für die Heimatvertriebenen zu tun, ohne daß irgendeinem anderen etwas weggenommen wird. Ich möchte doch dringend bitten, diesem Antrag stattzugeben.

(Beifall bei der CDU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108014300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kriedemann.

Herbert Kriedemann (SPD):
Rede ID: ID0108014400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da der Ausschuß für Ernährung und Landwirtschaft sich unter meinem Vorsitz mit der Frage beschäftigt hat, zu der eben ein Abänderungsantrag bekanntgegeben wurde, halte ich es für meine Pflicht, dazu Stellung zu nehmen. Ich glaube, sagen zu dürfen, daß ich das im Namen aller Kollegen, die dem Ausschuß angehören, tun kann.
Der Ausschuß kann für sich in Anspruch nehmen, daß er dieser Frage seine volle Aufmerksamkeit geschenkt hat

(Sehr richtig!)



(Kriedemann)

und daß er sich ernsthaft mit den Argumenten auseinandergesetzt hat, die von dem Verband der ostvertriebenen Müller an den Ausschuß und im übrigen, glaube ich, an alle Damen und Herren dieses Hauses in mehrfacher Ausführung herangetragen worden sind. Der Ausschuß hätte sicherlich gern etwas für die ostvertriebenen Müller getan, wenn das in dieser Form möglich gewesen wäre. Die Frage der Mühlenkontingentierung hat sowohl im Ernährungsausschuß wie auch im Wirtschaftsausschuß eine recht erhebliche Rolle gespielt, und wir können uns vielleicht glücklich schätzen, daß wir nicht in der peinlichen Lage sind, das ganze Thema bis in alle Einzelheiten hier zu untersuchen und vor allen Kollegen und Kolleginnen ausbreiten zu müssen, die bisher noch keine Gelegenheit hatten, sich mit dieser sehr unerfreulichen Materie zu befassen.

(Zustimmung.)

Wir glaubten aber zum Schluß, daß man den Ostvertriebenen nicht einen Gefallen erweisen würde, daß man ihnen nicht helfen könnte, indem man eine außerdem noch unverbindliche Kannvorschrift in das Gesetz aufnimmt.
Es wäre für den Ausschuß sehr viel einfacher und, wenn Sie so wollen, sehr viel populärer gewesen, diesem Antrage zuzustimmen und sich dann damit zu trösten, daß es ja eine Kannvorschrift sei, daß der Minister diese Vorschrift nicht anzuwenden brauche, was er sowieso nicht kann. Wir haben es vorgezogen, einen einstimmigen Beschluß zu fassen, den Sie im Ausschußbericht finden. Wir haben diesen Beschluß der Organisation, die die Forderungen der Ostmüller an den Ausschuß herangetragen hat, zur Kenntnis gebracht. Ich sage noch einmal: es war ein einstimmiger Beschluß, der im Ausschuß gefaßt wurde im Bewußtsein der Bedeutung, der fragwürdigen Bedeutung der Mühlenkontingente und der gefaßt wurde im Bewußtsein der Notlage auch unter vielen Teilen der Vertriebenen. Das hat keineswegs etwas damit zu tun, daß wir nicht bereit gewesen wären, in bestehende Rechte der nichtvertriebenen Müller zugunsten der vertriebenen Müller einzugreifen, wenn auf diesem Wege den vertriebenen Müllern wirklich hätte geholfen werden können.
Meine Damen und Herren! Es ist eine weithin bekannte Tatsache, daß die Mühlenkapazität außerordentlich übersetzt ist. Darin liegt nicht nur eine Verteuerung der Vermahlungskosten, darin liegt zum Schluß auch noch eine erhebliche Gefährdung der erhaltengebliebenen Mühlen insgesamt. Denn wenn wir immer wieder mit der Möglichkeit konfrontiert werden, billigeres Mehl einzuführen, als wir es hier ausmahlen können, dann ist das der allerschlechteste Dienst, den wir der Mühlenwirtschaft einschließlich der möglicherweise hier und da eingeschalteten ostvertriebenen Müller leisten können. Wir sind uns klar darüber, daß die Frage der Kapazitätsbereinigung dringend ist, und es wäre geradezu das Gegenteil, wenn man auch nur in einer Kannvorschrift Illusionen in einer ganz anderen Richtung entwickeln würde.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108014500
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich lasse zunächst über den Abänderungsantrag zu § 4 abstimmen. Wer für die Abänderung des § 4 in der beantragten Weise ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das letztere ist die überwiegende Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich lasse abstimmen über den § 4 in der Ausschußfassung. Wer da-
für ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! — § 4 ist angenommen.
Ich lasse nunmehr abstimmen über den Abänderungsantrag zu § 5. Wer für den Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das letztere ist die überwiegende Mehrheit; der Abänderungsantrag ist abgelehnt. Wer für § 5 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf § 6. Wer für die Annahme des § 6 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — § 6 ist angenommen.
Zu § 7 liegt ein Abänderungsantrag vor, in Ziffer 4 an die Stelle der Worte „vier Vertretern der Verbraucher" die Worte zu setzen: „vier Vertretern der Gewerkschaften".
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Baade.

Dr. Fritz Baade (SPD):
Rede ID: ID0108014600
Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns alle darüber im klaren, daß mit diesem Gesetz eine sehr feste und, wie wir hoffen, langfristige Grundlage für die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Erzeugern und Verbrauchern geschaffen werden soll. Zu meiner Freude kann ich sagen, daß die Ausschußverhandlungen gerade über die Ziffer 4 des § 7 eigentlich in einem sehr erfreulichen Geiste vor sich gegangen sind. In dem Regierungsentwurf war das Gleichgewicht zwischen Erzeugern und Verbrauchern bezüglich der Vertretung in dieser wichtigen Körperschaft nicht so, wie man es hätte wünschen sollen. Es waren zwei landwirtschaftliche Genossenschaftsvertreter vorgesehen und nur ein Vertreter der Verbrauchergenossenschaften. Es waren vier Vertreter der Landwirtschaft vorgesehen und nur zwei allgemeine Vertreter der Verbraucher. Ich freue mich, sagen zu können, daß unser Argument, daß man schon wegen des geschichtlichen Eindrucks dieser großen Verständigung zwischen Erzeugern und Verbrauchern den Grundsatz der vollsten Parität in allen Einzelheiten wahren solle, auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Es ist erreicht worden, daß in der Vorlage, die Ihnen unterbreitet worden ist, jetzt einem Vertreter der landwirtschaftlichen Genossenschaften ein Vertreter der Verbrauchergenossenschaften gegenübersteht und daß vier Vertretern der Landwirtschaft vier Verbrauchervertreter gegenüberstehen.
Dagegen haben Sie unserer Anregung, diese vier Verbrauchervertreter als Gewerkschaftsvertreter zu bezeichnen, nicht stattgegeben, und wir wiederholen jetzt diesen Antrag. Ich glaube, für diesen Antrag lassen sich doch sehr gewichtige Argumente vorbringen. Wenn wir hier von den Landwirten auf der einen Seite und den Verbrauchern auf der anderen Seite sprechen und wenn wir den Frieden zwischen Bauern und Arbeitern in Gesetzesform gießen wollen, so handelt es sich nicht um irgendwelche Bauern, sondern um organisierte Bauern, nicht um irgendwelche Arbeiter, sondern um organisierte Arbeiter. Wir können absolut sicher sein, daß die vier Landwirtschaftsvertreter, die in diesem Rate sitzen sollen, von keinem Ernährungsminister, wie er auch heißen möge, jemals anders benannt werden als im engsten Einvernehmen mit der organisierten Bauernschaft. Demgemäß scheint es uns absolut logisch zu sein, von vornherein sicherzustellen, daß diese vier Verbrauchervertreter, diese vier Vertreter der arbeitenden und verbrauchenden Massen in der Stadt schon im Gesetz als Vertreter der organisierten Arbeiterschaft und


(Dr. Baade)

der allein als Sprecher der organisierten Abeiterschaft qualifizierten Gewerkschaften genannt werden. Deswegen möchten wir Sie bitten, diesem Antrag zuzustimmen.

(Abg. Dr. Horlacher: Ich bitte ums Wort!)

Vizepräsident, Dr. Schmid: Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Horlacher.

Dr. Michael Horlacher (CSU):
Rede ID: ID0108014700
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht naturgemäß nicht an, daß ich die ganze Entwicklungsgeschichte des § 7 schildere. Ich möchte bloß die Hauptsache hervorheben. Ich darf wohl sagen, daß der Ausschuß sich bemüht hat, allen Verhältnissen, soweit es irgend ging, Rechnung zu tragen. Am liebsten wäre es uns gewesen, wenn wir einen einstimmigen Beschluß hätten herbeiführen können. Wir haben uns im Ausschuß bemüht, für den Verwaltungsrat eine richtige Zusammensetzung zwischen den behördlichen Vertretern und den Vertretern aus den Wirtschaftskreisen zu finden. Bezüglich der behördlichen Vertreter ist eine redaktionelle Änderung nachzutragen; ich habe es vorhin vergessen. Es muß in § 7 Abs. 4 Ziffer 3 heißen:
... aus vier Vertretern der obersten Landesbehörden aus dem Gebiete der Land- und Ernährungswirtschaft.
Es ist mir nahegebracht worden, das hinzusetzen zu lassen. Diese redaktionelle Änderung wird von der Seite der Regierung gewünscht.
Dann haben wir uns bezüglich der Vertreter der beteiligten Wirtschaftskreise bemüht, eine Änderung nach verschiedenen Richtungen vorzunehmen. Wir haben einem Vertreter der landwirtschaftlichen Genossenschaften einen Sitz gegeben. Dann haben wir aus zwei Vertretern der Verarbeitungsbetriebe drei Vertreter der Verarbeitungsbetriebe gemacht, um auch hier den Verhältnissen Rechnung zu tragen. Der eine Vertreter der Spedition und Lagerei ist ein bißchen umgetauft worden; er ist im Grundsatz geblieben. Dann ist durch den Wirtschaftsausschuß ein Vertreter des Einzelhandels hinzugekommen. Dabei habe ich meine persönliche Meinung. Der Einzelhandel hat hier eigentlich wenig zu suchen. Aber das ist eine Frage für sich. Es kommt nicht darauf an, ob einer mehr oder weniger darin ist. Es kommt vielmehr darauf an, daß vernünftige Leute darin sind.
Dann habe ich selber beantragt, daß ein Vertreter der Verbrauchergenossenschaften hineinkommt. Ferner sind vier Vertreter der Verbraucher vorgesehen. Wir haben die Zahl der Verbraucher, die im Regierungsentwurf vorgesehen war, auf vier erhöht. Dazu darf ich ausdrücklich bemerken, daß kein Mensch daran gedacht hat, die Gewerkschaften auszuschließen. Die Regierung soll hier vielmehr die Bewegungsfreiheit haben, die vier Verbrauchervertreter entsprechend zu benennen und das im Benehmen mit den Organisationen zu tun. Zu den Organisationen gehören naturgemäß die Gewerkschaften, Organisationen der Verbraucher, beispielsweise auch die Hausfrauenorganisationen. Die Regierung hat also bezüglich der Besetzung der vier Verbrauchervertreter eine gewisse Bewegungsfreiheit.
Wir sind nicht weit auseinander,und ich bitte das Höhe Haus, es bei dem Beschluß des Ausschusses zu belassen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108014800
Herr Abgeordneter, ich habe mir erlaubt, Ihren Antrag zu formulieren. Sie brauchen es nur zu unterschreiben.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich lasse zunächst über die beiden Abänderungsanträge abstimmen. Zunächst liegt der Antrag Dr. Horlacher vor, in § 7 Abs. 4 Ziffer 3 hinter den Worten „obersten Landesbehörden" die Worte „aus dem Gebiete der Ernährungs- und Landwirtschaft" einzufügen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Der Antrag ist angenommen.
Nunmehr lasse ich über den Antrag der SPD abstimmen, in § 7 Abs. 4 Ziffer 4 an Stelle der Worte „vier Vertretern der Verbraucher" die Worte „vier Vertretern der Gewerkschaften" zu setzen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das letztere war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich stelle den § 7 in der abgeänderten Fassung zur Abstimmung. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Ich rufe weiter die §§ 8 und 8 a auf. Wer für diese beiden Paragraphen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Zu § 9 liegt ein Abänderungsantrag der SPD vor. Wer will ihn begründen? — Herr Abgeordneter Baade!

Dr. Fritz Baade (SPD):
Rede ID: ID0108014900
Meine Damen und Herren! Wir schlagen Ihnen vor, in § 9 den ersten Absatz zu streichen und ihn durch folgende Neufassung zu ersetzen:
Durch Bundesgesetz werden rechtzeitig im voraus für jedes Getreidewirtschaftsjahr die Preise für Getreide festgelegt. Der Bundesminister hat seine Aufsichts- und Weisungsbefugnisse über die durch dieses Gesetz geschaffenen Organe so auszuüben, daß die Einhaltung dieser Preise gewährleistet ist.
Wir schlagen weiter vor, in § 9 den vierten Absatz in der Fassung des 19. Ausschusses zu streichen und in dem dritten Absatz hinter „kann" die Worte „durch Rechtsverordnung" einzufügen.
Ich muß Ihnen gestehen, daß uns diese Änderung unvergleichlich mehr am Herzen liegt als die Änderung, die ich Ihnen eben vorzuschlagen die Ehre hatte und der Sie leider nicht zugestimmt haben. Es handelt sich hier für uns um einen absolut fundamentalen Bestandteil eines Gesetzes, das, wie ich vorhin schon ausgeführt habe, der große und, wie wir hoffen, sehr langfristige und sehr haltbare Friedensvertrag zwischen Erzeuger und Verbraucher sein soll. Der Zweck dieses Gesetzes ist die Stabilisierung der Getreidepreise und damit in den ferneren Auswirkungen auch der Brotpreise im gemeinsamen Interesse von Erzeugern und Verbrauchern.
Gestatten Sie mir, ein paar Worte über die historische Bedeutung dieser Tatsache zu sagen. In Deutschland ist es nötig, zu sagen, daß die Stabilisierung der Agrarpreise im gemeinsamen Interesse von Erzeugern und Verbrauchern keineswegs eine Erfindung des Nationalsozialismus ist. Es ist nötig, zu sagen, daß die wichtigsten Bestandteile dieser Politik schon vom Reichstag der Weimarer Republik geschaffen worden sind. Ich sehe in diesem Hause von weit links bis weit nach rechts hinüber noch Kollegen aus dem alten Reichstag, die an dieser grundlegenden Preisstabilisierungsgesetzgebung mitgearbeitet haben. Weil wir glauben, daß es sich hier um ein Gesetz von sehr großer historischer Tragweite handelt, und weil wir glauben, daß hier eine ungewöhnlich solide Arbeit geleistet werden


(Dr. Baade)

muß, weil wir überzeugt sind, daß mit der Stabilisierung der Preise im gemeinsamen Interesse von Erzeugern und Verbrauchern so ernst gemacht werden muß, wie überhaupt ernst gemacht werden kann, deswegen schlagen wir Ihnen vor, den wichtigsten Bestandteil der Materie, nämlich die Festsetzung solcher Preise, die im gemeinsamen Interesse von Erzeugern und Verbrauchern sind, die hoch genug sind, um dem Bauern einen angemessenen Ertrag für seine Arbeit zu ermöglichen, und die so sind, daß der Verbraucher sie auch bezahlen kann, nicht mit dem unvollkommenen Mittel der Rechtsverordnung zu regeln, sondern klar und deutlich jedes Jahr durch Bundesgesetz
Wenn es, meine Damen und Herren, noch irgendeinen Zweifel darüber hätte geben können, ob eine Rechtsverordnung, und zwar eine solche, die den Bundestag zu passieren hat, gegenüber einer so wichtigen Lebensfrage ein ausreichendes oder ein unzulängliches Instrument ist, so hätten uns die Verhandlungen der letzten Woche darüber die Augen öffnen müssen. Erinnern Sie sich daran, wie wir über eine Rechtsordnung haben abstimmen müssen, bei der der wichtigste Tatbestand: ob die Preise, die dort gemeint waren, Höchstpreise oder Festpreise sein sollten, sich über Nacht geändert hatte. Der Tatbestand war so stark im Zweifel, daß bei einem Teil der Mitglieder dieses Hohen Hauses eine Drucksache vorlag, in der diese Preise als Festpreise bezeichnet waren, während ein anderer Teil der Mitglieder des Hauses eine Drucksache in Händen hatte, in der sie als Höchstpreise bezeichnet waren. Wenn wir es ernst meinen mit der Aufgabe der Preisstabilisierung, so müssen wir auch das ernsteste Instrument zur Festsetzung dieser Preise schaffen, und das ernsthafteste und würdigste Instrument dafür ist ein Bundesgesetz.
Darf ich Ihnen zum Schluß noch ein Wort darüber sagen, wie sehr es uns am Herzen liegt, daß dieses Gesetz mit der von uns hier vorgeschlagenen Änderung auf der breitesten Grundlage zustande kommt. Sie wissen, daß wir in dieser Frage nicht restlos souverän sind. Ich will keine Einzelheiten darüber anführen. Ich halte es aber für unmöglich, daß das deutsche Volk nicht das Recht haben soll, solche Dinge wie Brotpreis und Getreidepreis nach seiner eigenen Gesetzgebung festzulegen, so wie es England, Norwegen und sämtliche anderen Ländern, die dem Marshallplan angeschlossen sind, auch tun.

(Sehr richtig!)

Wir müssen dieses Recht für uns in Deutschland auch haben. Die größte Sicherheit, die wir nach dem heutigen Stande des Besatzungsrechtes haben und schaffen können, damit uns dieses Recht nicht beschnitten und nicht geschmälert wird, ist die Annahme dieses Gesetzes und der zentralen Bestimmungen dieses Gesetzes mit der breitesten Mehrheit, die in diesem Hause möglich ist.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108015000
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Horlacher.

Dr. Michael Horlacher (CSU):
Rede ID: ID0108015100
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem wir uns heute beim ersten Punkt der Tagesordnung so lange aufgehalten haben, müssen Sie schon ein bißchen aushalten. Hier handelt es sich um eines der grundlegenden Gesetze für die Landwirtschaft. Ich darf noch einige Bemerkungen im Anschluß an die Ausführungen von Herrn Professor Dr. Baade machen.
Ich stimme im großen und ganzen seinen Ausführungen zu. Der Unterschied zwischen seiner und
unserer Auffassung wegen der Preisfestsetzung ist an sich nicht so groß. Aber eines möchte ich dem hinzufügen. Ich möchte nicht mehr den Zustand erleben wie dieses Jahr, daß wir nicht vor dem 1. Juli wissen, was im neuen Wirtschaftsjahr geschieht. Wenn sein Antrag so aufzufassen ist, daß im voraus der Bundestag die Getreidepreise rechtzeitig f est-setzt, d. h. schon einige Zeit vor dem 1. Juli, dann ist das ein begrüßenswertes Unternehmen. Wir hätten uns im Bundestag sowieso mit den Preisen beschäftigen müssen. Nur ist hier der Weg der Rechtsverordnung im Ausschuß selber schon beschlossen worden, so daß der Unterschied nicht so groß ist. Aber nachdem das ein wichtiges Instrument ist, glaube ich, daß wir auf den Boden der Vorschläge des Herrn Kollegen Dr. Baade treten können, so daß wir das Ziel erreichen, auf diesem wichtigen Gebiete der Agrarordnung, auf dem Gebiete der Getreidewirtschaft eine möglichst breite Front zu bekommen. Ich hoffe, daß das dann auch geschieht.

(Bravo! rechts und in der Mitte.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108015200
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegen drei Abänderungsanträge vor. Wir kommen zunächst zur Ziffer 1 des Abänderungsantrages der SPD-Fraktion, wonach durch Bundesgesetz rechtzeitig die Preise für Getreide festzulegen sind. Wer für diese Abänderung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; der Abänderungsantrag ist angenommen.
Nach dem zweiten Abänderungsantrag sollen im Abs. 3 hinter die Worte „die Bundesregierung kann" die beiden Worte „durch Rechtsverordnung" eingefügt werden. Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die. Gegenprobe. — Der Antrag ist angenommen.
Der dritte Abänderungsantrag, der sich als logische Konsequenz ergibt, will den Abs. 4 in der Ausschußfassung streichen. Wer für diese Streichung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist angenommen.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über § 9 in der nunmehr beschlossenen Fassung. Wer für diese Fassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — § 9 ist angenommen.
Nunmehr rufe ich, da keine weiteren Abänderungsanträge vorliegen, in rascher Folge die übrigen Paragraphen auf: § 10, — § 11 entfällt, — §§ 11 a, — 12, — 13, — § 14 entfällt, — §§ 14 a, — 15, —16, — 17, — 18, — 19, — 20, — § 21 entfällt, —§§ 21 a, — 22. — Wer für die aufgerufenen Paragraphen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Sie sind angenommen.
Ich rufe auf Einleitung und Überschrift. Wer hierfür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Einleitung und Überschrift sind angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen.
Ich rufe auf §§ 1 bis 22. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.


(Vizepräsident Dr. Schmid)

Einleitung und Überschrift. Ich bitte, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Ist angenommen.
Nunmehr die Schlußabstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen in der beschlossenen Fassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das Getreidegesetz ist damit beschlossen.

(Zurufe: Einstimmig!)

- Einstimmig beschlossen.

(Widerspruch.)

— Verzeihung, gegen eine Stimme.

(Zurufe.)

— Darf ich die Damen und Herren, die dagegen stimmen, noch einmal bitten, die Hand zu erheben. - Gegen 6 Stimmen. Stimmenthaltungen? — 4.
Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Festsetzung von
Brotpreisen (Nr. 1161 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19.
Ausschuß) (Nr. 1222 der Drucksachen). (Erste Beratung: 78. Sitzung.)
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, für den Bericht des Herrn Berichterstatters eine Redezeit von 10 Minuten und für die Aussprache 60 Minuten zu beschließen. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich erteile dem Abgeordneten Struve das Wort als Berichterstatter.

Detlef Struve (CDU):
Rede ID: ID0108015300
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Gesetz über die Festsetzung von Brotpreisen ist dem Ernährungsausschuß überwiesen worden. Dieser hat die Vorlage in der Sitzung vom 25. Juli beraten. Er hat sich der Notwendigkeit. der Bundesregierung eine Ermächtigung zu geben, gegebenenfalls Brotpreise festzusetzen, nicht verschlossen und schlägt Ihnen vor, daß in § 1 das Wort „Brotgetreide" gestrichen wird. § 2 legt klar, daß der Bundesrat auf die Zustimmung zu einer Rechtsverordnung verzichtet hat. Damit wird § 3 für den Bundesrat von Bedeutung. weil wir im Ausschuß die Außerkraftsetzung des Gesetzes per 30. September 1950 in den 31. Dezember 1950 abgeändert haben. Ich glaube, daß gerade die Debatte über den Brotpreis in den vergangenen Wochen gezeigt hat, daß eine Ermächtigung in dem vorgeschlagenen Sinne für unsere Bundesregierung von Bedeutung sein kann und notwendig ist. Ich darf Sie deshalb namens des Ausschusses bitten, der Vorlage zuzustimmen.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108015400
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.

Herbert Kriedemann (SPD):
Rede ID: ID0108015500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde und ich sind nicht in der Lage, diesem Gesetz unsere Zustimmung zu geben, und wir haben bereits im Ernährungsausschuß ausführlich begründet, warum das so ist. Mit diesem Gesetz wird die Bundesregierung ermächtigt, in einer außerordentlich wichtigen Frage — wie wichtig und wie heikel diese Frage ist, haben wir ja alle miteinander in den letzten Wochen hier durchzustehen gehabt — Maßnahmen zu treffen, die von außerordentlicher Bedeutung für die Lebenshaltung, für das Preisniveau sind. Nachdem nun auch noch das Verfahren so abgekürzt
worden ist, daß diese Rechtsverordnungen nicht einmal dem Bundesrat zur Zustimmung vorgelegt werden müssen, erscheint uns das Maß der Vollmachten wirklich voll zu sein. Darüber hinaus sind wir, abgesehen von unseren grundsätzlichen Bedenken gegen Ermächtigungsgesetze, auch der Meinung, daß das Gesetz in dieser Form sehr zweifelhaft ist, daß es juristisch unzulänglich ist. Denn wenn etwa jemand, der sich durch eine Entscheidung auf dem Wege einer Rechtsverordnung beschwert fühlt, nun die Gerichte anruft und die unterschiedlichen sehr verehrten Herren Amtsrichter in der westdeutschen Bundesrepublik darüber entscheiden sollen, ob der volkswirtschaftlich gerechtfertigte Brotpreis gerade der ist, den die Regierung vorgeschrieben hat, oder ob die Maßnahme der Regierung wirklich zur Sicherung der Brotversorgung erforderlich war, dann können wir in eine sich sehr widersprechende Rechtsprechung hineinkommen, und das würde dann weder dem Ansehen der Bundesregierung noch dem Ansehen des Parlaments dienen, das der Bundesregierung eine solche Vollmacht gegeben hat. Aus diesen Gründen, meine Damen und Herren, werden wir das Gesetz ablehnen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108015600
Das Wort hat der Abgeordnete Harig.

Paul Harig (KPD):
Rede ID: ID0108015700
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir wenige Worte. Vor mir liegt die Zeitung „Welt der Arbeit". In deren neuester Nummer steht, daß ein Beschluß des Bundesausschusses des DGB vom 20. 7. vorliegt, der u. a. folgendes besagt:
Der Bundesausschuß des DGB erwartet von der Bundesregierung, daß sie das Wort des Bundeskanzlers, wonach keine Brotpreiserhöhung eintreten soll, einlöst und die Brotpreise auf den Stand vom 30. Juni 1950 zurückführt.
Wir sind der Meinung, daß grundsätzlich der Regierung keine Vollmachten gegeben werden sollten. Wir sind aber weiterhin der Meinung, daß, wenn sich die Mehrheit des Hauses doch dazu entschließen sollte, der Regierung Vollmachten zu geben, die Vorlage abzuändern ist. Wir sind der Meinung, daß die Vorlage auch in der durch den Ausschuß abgeänderten Form sehr dehnbar ist. Wenn schon Vollmachten erteilt werden, ist es notwendig, sie klar zu umreißen.
Meine Fraktion stellt daher folgenden Abänderungsantrag:
Die Bundesregierung wird verpflichtet, nach Beschluß durch den Bundestag Höchstpreise für Brotgetreide, Mehl, Brot und Kleingebäck festzusetzen, die die vor dem 30. Juni 1950 bestehenden Preise nicht übersteigen.
Die übrigen beiden Paragraphen sind zu streichen.
Ich bitte, dem Antrag meiner Fraktion zuzustimmen.

(Zuruf von der Mitte: Was heißt hier Fraktion?)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108015800
Keine weiteren Wortmeldungen? — Ich schließe die Aussprache. - Ich bitte um Entschuldigung, es war gar keine Generaldebatte; wir sind in der zweiten Lesung.
Ich rufe auf § 1. Hierzu liegt der Abänderungsantrag der KPD vor, der Ihnen eben verlesen worden ist. Wer für den Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Der Abänderungsantrag ist abgelehnt.


(Vizepräsident Dr. Schmid)

Wer für § 1 in der vom Ausschuß vorgeschlagenen Fassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. § 1 ist angenommen.
Zu § 2 liegt ein Abänderungsantrag der KPD vor. den § 2 zu streichen. Wer far die Streichung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Ist abgelehnt.
Wer nun für § 2 in der vom Ausschuß vorgeschlagenen Fassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Ist angenommen.
Ich rufe § 3 auf. Auch hierzu stellt die Fraktion der KPD den Antrag auf Streichung. Wer für die Streichung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! - Ist abgelehnt.
Wer für § 3 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe Einleitung und Überschrift auf. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; angenommen. Damit ist die zweite Beratung geschlossen.
Ich rufe zur
dritten Beratung
auf. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldungen! Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Ich rufe auf die §§ 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Wir kommen nunmehr zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme dieses Gesetzentwurfes im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Das Gesetz ist angenommen.
Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für ERP-Fragen (15. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Verwendungsordnung der ERP-Zuwendungen (Nr. 1167, 661 der Drucksachen).
Herr Bundesminister, wollen Sie das Wort sofort oder erst nach dem Ausschußbericht? —
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Pfleiderer als Berichterstatter, darf aber zunächst noch mitteilen, daß der Ältestenrat 10 Minuten für die Erstattung des Ausschußberichtes und 60 Minuten für die Aussprache vorschlägt.

(Abg. Dr. Wuermeling: 60 Minuten? Sagen wir: die Hälfte! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

— Es liegt in Ihrem Belieben.

(Abg. Dr. Wuermeling: Setzen wir die Hälfte fest!)

Herr Berichterstatter, Sie haben das Wort.

Dr. Karl Georg Pfleiderer (FDP):
Rede ID: ID0108015900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, Ihnen im Auftrag des Ausschusses für ERP-Fragen über die Drucksache Nr. 661 Bericht zu erstatten.
Die Drucksache Nr. 661 enthält einen Antrag der Fraktion der SPD betreffend Vorlage eines Gesetzentwurfs über Verwendungsordnung der ERP-Zuwendungen. Im folgenden ist also nur von der Verfügung über die Gegenwertmittel, nicht von der in
Art. I Ziffer 1 des Abkommens über wirtschaftliche Zusammenarbeit vorgesehenen Verfügung über die den Gegenwertmitteln zugrundeliegenden Dollarbeträge zum Bezug der Hilfeleistungen aus den USA die Rede.
Die Materie, die ich vorzutragen habe, ist etwas spröde; aber der Ausschuß war einhellig der Ansicht, daß es sich bei dem Antrag der Fraktion der SPD um eine Angelegenheit von außerordentlicher politischer, juristischer und volkswirtschaftlicher Bedeutung handle.
Politisch steht die Frage im Mittelpunkt, ob bei der Verfügung über die doch hoch in die Milliarden gehenden Gegenwertmittel des Marshallplans das Parlament nur in einer mehr oder minder weitgehenden Weise „herangezogen" oder „beteiligt" werden soll, oder ob das Parlament die Bewilligung von sich aus in eigener Zuständigkeit auszusprechen habe. Wir haben es also hier mit einer Angelegenheit zu tun, die an die Stellung des Bundestags in unserem Staatswesen in einer sehr grundsätzlichen Weise rührt.
Rechtlich handelt es sich um die Frage, wie der Antrag der SPD zunächst in Aussicht zu nehmen schien, ob ein besonderes Gesetz zu erlassen sei, das die Verwendung der ERP-Mittel regelt und — was der Antrag ja auch von vornherein zu beinhalten schien — ob die Zuständigkeit des Parlaments durch dieses besondere Gesetz begründet werden solle oder ob nicht bereits nach dem geltenden Haushaltsrecht des Bundes die Verwendungsordnung gegeben sei, und zwar in dem Sinne, daß dem Bundestag selbst das Recht der Bewilligung zustehe, da es sich ja um Mittel des außerordentlichen Haushalts handle.
Volkswirtschaftlich ist zu fragen, ob es nicht ein Mißverhältnis sei, wenn sich der Bundestag um kleine und kleinste Haushaltsausgaben kümmere, aber die Verfügung über die für die deutsche Volkswirtschaft doch sehr wichtigen ERP-Milliarden der ausführenden Gewalt übertragen sei.
Zur Zeit wird die Verfügung von der fachlichen ERP-Organisation vorgenommen. Diese sogenannte fachliche ERP-Organisation wurde schon von dem Vorsitzenden des ERP-Ausschusses, Herrn Kollegen Pünder, noch in seiner Eigenschaft als Oberdirektor des Vereinigten Wirtschaftsgebietes eingerichtet. Sie besteht aus dem ERP-Ausschuß, dem ERP-Arbeitsausschuß, den ERP-Arbeitskreisen und ERPFachkomitees.
Die Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, die hierbei auftauchen, werden von dem ERP-Ausschuß geklärt. Dieser Ausschuß setzt sich zur Zeit aus den zuständigen Staatssekretären der Bundesministerien, dem Präsidenten der Bank deutscher Länder, dem Vorsitzenden der Kreditanstalt für Wiederaufbau, ferner aus vier Länderministern und einem Vertreter der Gewerkschaften zusammen. Den Vorsitz des ERP-Ausschusses führt der Herr Bundesminister für den Marshallplan.
Der Ausschuß war nunmehr der Ansicht, daß die bisherige Art der Verfügung unter den heutigen Verhältnissen staatspolitisch nicht ausreichend sei, denn hier würden von seiten der Verwaltungsbehörden Akte vorgenommen, für die das Parlament die Zuständigkeit für sich in Anspruch nehmen müsse; und es hieße nun den Grundgedanken der parlamentarischen Demokratie, der ja an dem Bewilligungsrecht der Volksvertretung erwachsen sei, preisgeben, wenn der Bundestag hier nicht auf seinem Bewilligungsrecht bestünde.


(Dr. Pfleiderer)

Weiter ist nun zu sagen, daß die angeblich geplante Zuziehung einzelner Abgeordneter zu einem Ausschuß der Verwaltungsbehörden dem parlamentarischen Bewilligungsrecht niemals entsprechen würde oder dieses gar ersetzen könne. Eine solche Hinzuziehung von Abgeordneten zu Ausschüssen der Verwaltung wäre für das Parlament völlig unverbindlich. Ja, es wäre auch zweifelhaft, ob solche gemischten administrativ-parlamentarischen Ausschüsse mit exekutiven Funktionen rechtlich überhaupt zulässig wären, würden doch die Mitglieder unter völlig verschiedenen rechtlichen Umständen tätig, die einen unter dem Schutz der parlamentarischen Immunität, die andern ohne eine solche; die einen — das sind die Verwaltungsbeamten — unter einer Verantwortung gegenüber einem Minister und die andern — die Parlamentarier — ohne eine solche Verantwortung, und beide zusammen ohne eine faßbare Verantwortung gegenüber dem Parlament.
Nun wandte der Vertreter des Finanzministeriums in den Beratungen des ERP-Ausschusses und des Unterausschusses ein, daß einer Behandlung der ERP-Gegenwertmittel als Haushaltsmittel und dementsprechend einer Verfügung über diese Mittel durch das Parlament verschiedene Gründe entgegenstünden. Erstens: Der Art. III des Gesetzes betreffend das Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 5. 12. 49, das im folgenden kurz als das Ratifizierungsgesetz bezeichnet werden wird. Zweitens: Die Rechtsnatur der Geldbeträge gemäß Art. I Ziffer 3 des soeben genannten Abkommens. Drittens: Das Mitwirkungsrecht der Vereinigten Staaten gemäß Art. IV Ziffer 6 und Art. V Ziffer 4 des Abkommens. Ich bitte den Herrn Präsidenten 0 um die Erlaubnis, Art. III des Ratifizierungsgesetzes vorlesen zu dürfen:
Die in Zusammenhang mit dem Abkommen der Bundesrepublik Deutschland entstandenen und noch entstehenden Vermögenswerte bilden ein Sondervermögen des Bundes, auf das die Vorschriften der Reichshaushaltsordnung Anwendung finden.
Hierzu führte nun in den Beratungen der Vertreter des Finanzministeriums etwa folgendes aus:
Die Erklärung der ERP-Gegenwerte zu Sondervermögen gemäß Art. III des Ratifizierungsgesetzes bedeute, daß es sich hier um eine Angelegenheit der reinen Vermögenswirtschaft und nicht mehr der Haushaltswirtschaft handle. Sondervermögen gebe es verschiedene, zum Beispiel bei der Post, bei der Eisenbahn, bei der Soforthilfe, bei dem Arbeitslosenversicherungsstock usw. Ein Sondervermögen werde nun nach besonderen Vorschriften verwaltet. Das hieße, daß die haushaltsrechtlichen Vorschriften auf die Bewirtschaftung keine unmittelbare Anwendung fänden, sondern nur die allgemeinen Grundsätze. Für die Bewirtschaftung des Sondervermögens müsse jedoch eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden, und dieses besondere Gesetz könne dann auch die Beteiligung der parlamentarischen Instanzen vorsehen. Soweit jedoch aus dem ERP-Sondervermögen statt rückzahlbarer Kredite sogenannte verlorene Zuschüsse gegeben würden, durch welche eine Vermögensminderung eintrete, seien dann die haushaltsrechtlichen Vorschriften anzuwenden, d. h. es seien entsprechende Bestimmungen in das Haushaltsgesetz aufzunehmen.
Die gesetzliche Grundlage, die zur Bewirtschaftung eines Sondervermögens erforderlich ist, hatte wohl auch die antragstellende Fraktion im Auge, als sie die Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Verwendungsordnung forderte, und von der gleichen Voraussetzung ging offenbar auch der Herr Vizekanzler in seiner Erklärung vor dem Plenum am 26. April aus. Die Vertreter des Finanzministeriums vertraten diese Auffassung auch noch in den Beratungen des ERP-Unterausschusses und des Hauptausschusses Ende vorigen Monats.
Nun ist hier aber festzustellen, daß die Erklärung der ERP-Gegenwerte zu Sondervermögen — und zwar gleich von dem Augenblick an, in dem diese Mittel für den Bund verfügbar werden — einen juristischen Widerspruch enthält. Diese Mittel werden mit der Einzahlung auf das entsprechende Sonderkonto zunächst einmal Einnahmen des Bundes und müssen deshalb auch zunächst als Einnahmen gemäß Art. 110 des Grundgesetzes behandelt werden. Über diese Einnahmen wird nun in doppelter Weise verfügt. Ein kleiner Teil wird als verlorene Zuschüsse gegeben, während der Hauptteil als Kredite mit bestimmtem Zinsfuß, mit bestimmten Rückzahlungsverpflichtungen usw. gegeben wird. Sowohl nun die Bewilligung der verlorenen Zuschüsse als auch die Bewilligung der Kredite — nach Rahmenvertrag, Zweck und Bedingungen — haben die gesetzgeberischen Körperschaften bei der Verabschiedung des Haushalts auszusprechen. Die Forderungsrechte, die hierdurch entstehen — und erst diese Forderungsrechte —, bilden das Sondervermögen des Art. III des Ratifizierungsgesetzes, und auf die Bewirtschaftung dieses Sondervermögens sind die Vorschriften der Reichshaushaltsordnung über Sondervermögen anzuwenden.
Daß die Gegenwertmittel zunächst einmal Einnahmen sind und nicht durch eine geheimnisvolle Verwandlung zu Sondervermögen werden, ohne erst Einnahmen gewesen zu sein, sollte heute eigentlich von niemand mehr bestritten werden. besonders wenn man die Rechtsnatur dieser Einnahmen gemäß Art. I Ziffer 3 des Abkommens über wirtschaftliche Zusammenarbeit in Betracht zieht. Dabei macht es keinen Unterschied, ob das Geld von amerikanischer Seite als .,grants" oder ,.claims". als „unentgeltliche Zuwendung" oder unter Begründung einer „Forderung" der USA gegeben wird. In jedem Falle wird eine Besetz- und ordnungsmäßige Finanzwirtschaft diese Beträge als außerordentliche Haushaltseinnahmen behandeln und der Verfügung durch die gesetzgebenden Körperschaften unterwerfen müssen. Soweit dem Ausschuß Nachrichten vorliegen, wird so auch in anderen MarshallplanLändern verfahren.

(Abg. Dr. Pünder: Hört! Hört!)

Daß sich die Vereinigten Staaten gemäß Art. IV Ziffer 6 und Artikel V Ziffer 4 des Abkommens ein Mitwirkungsrecht vorbehalten haben, mag als eine Besonderheit für Deutschland betrachtet werden, ändert aber an der Rechtsnatur der Gegenwertmittel als Einnahmen und ihrer grundsätzlichen Behandlung im Haushalt nichts. Den Bestimmungen des ECA-Vertrages über die Mitwirkung der Vereinigten Staaten könnte man im Haushaltsplan durch einen entsprechenden Vermerk ohne besondere Schwierigkeiten Rechnung tragen.
Der Ausschuß war nun der Ansicht, daß die Angelegenheit von der Bundesregierung mit größerer Beschleunigung, als es geschehen ist, hätte bearbeitet werden sollen.

(Abg. Mellies: Sehr richtig!)

Der Antrag der Fraktion der SPD liegt bereits seit
März dieses Jahres vor. Im Mai legte die Regierung


(Dr. Pfleiderer)

der ECA-Mission den Verwendungsplan über die neuen 1,8 Milliarden betragenden Gegenwertmittel für das Marshallplanjahr 1950/51 vor. Eine weitere Verzögerung kann nun von seiten des Parlaments
— dieses war die einhellige Auffassung des Ausschusses — nicht mehr hingenommen werden. (Abg. Mellies: Sehr richtig!)

Auch diese zeitlichen Gründe widersprechen dem Erlaß eines besonderen Verwendungsgesetzes. Auf der anderen Seite ist nach den Beratungen des Ausschusses die Lage nun mehr so weit geklärt, daß die haushaltsrechtlichen Bestimmungen auf die Verteilung der Gegenwertmittel unverzüglich angewandt werden können.
Der Ausschuß hat daher einstimmig beschlossen, dem Hohen Hause folgenden, im Haushaltsrecht der Bundesrepublik bereits begründeten Antrag zur Annahme zu unterbreiten. — Ich glaube, es ist ist wohl nicht nötig, den Antrag zu verlesen. Ich wollte nur ergänzend sagen, daß es sich bei Ziffer 2 um ein Zahlenmaterial handelt, das dem Ausschuß zum Teil schon vorgelegt worden ist. Es wird sich also in mancher Beziehung nur um eine Fortführung und Ergänzung handeln.
Des weiteren habe ich dem Hohen Hause zu berichten, daß sich der Ausschuß für Wirtschaftspolitik in seiner 22. Sitzung ebenfalls mit der Angelegenheit befaßt und den nachstehenden Beschluß gefaßt hat:
Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik tritt dem Antrag des Ausschusses für ERP-Fragen bei und bittet den Bundestag, entsprechend diesem Antrag zu beschließen.
Ich habe daher im Namen der beiden Ausschüsse dem Hohen Hause zu empfehlen, den erstatteten Bericht anzunehmen.

(Beifall.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108016000
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir stimmen ab. Wer für die Annahme des Ausschußantrages Drucksache Nr. 1167 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Angenommen.

(Beifall in der Mitte.)

Ich rufe Ziffer 11 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Kürzung der Versorgungsbezüge (Nr. 1174, 434 der Drucksachen).
Hier schlägt der Ältestenrat vor: lediglich 10 Minuten für die Berichterstattung, Verzicht auf Aussprache. — Es ist so beschlossen.

(Abg. Dr. Wuermeling: Herr Präsident!)

— Herr Abgeordneter Wuermeling, wollen Sie zur Geschäftsordnung sprechen?

(Abg. Dr. Wuermeling: Ja!)

— Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Wuermeling.

Dr. Franz-Josef Wuermeling (CDU):
Rede ID: ID0108016100
Ich glaube, ganz werden wir auf eine Aussprache nicht verzichten können, weil ein Gegenantrag — Drucksache Nr. 1244 - begründet werden muß. Aber höchstens 5 Minuten.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108016200
Dann erteile ich das Wort Herrn Abgeordneten Dr. Brönner als Berichterstatter.

(Abg. Dr. Pünder: Nicht anwesend!)

— Ist der Ausschußvorsitzende in der Lage, den Bericht zu erstatten? Herr Dr. Falkner?

(Zurufe: Auch nicht da!)

— Der ist auch nicht da. Dann bedauere ich: wir müssen das zurückstellen. Oder, Herr Dr. Wuermeling, könnten Sie den Bericht erstatten? Sind Sie in der Lage, das zu tun?

(Abg. Dr. Wuermeling: Ja!)

— Ist das Hohe Haus damit einverstanden, daß an Stelle des Herrn Kollegen Dr. Brönner Herr Abgeordneter Wuermeling als Berichterstatter fungiert?

(Zustimmung.)

— Es ist so beschlossen.
Zur Berichterstattung hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Wuermeling.

Dr. Franz-Josef Wuermeling (CDU):
Rede ID: ID0108016300
Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion der SPD vom 20. Januar 1950, Drucksache Nr. 434, betrifft die derzeitige Kürzung der Versorgungsbezüge der Bundesbeamten und ihrer Hinterbliebenen. Er will bewirken, daß diese Versorgungsbezüge nicht mehr gekürzt werden, wenn sie monatlich 200 DM nicht überschreiten. Im zweiten Absatz des Antrages wird verlangt, daß doch monatlich 200 DM ausgezahlt werden, wenn die Bezüge den Kürzungsbestimmungen unterliegen und dann weniger als 200 DM ausgezahlt würden.
Es handelt sich also praktisch um eine Erhöhung der kleinen Versorgungsbezüge der Bundesbeamten und deren Hinterbliebenen.
Die Angelegenheit hat in der Vergangenkeit die folgenden vier Etappen durchgemacht:
1. die 6%ige Kürzung auf Grund der Notverordnung vom Dezember 1930;
2. die Aufhebung dieser Kürzung vom 1. Januar 1941 ab auf Grund eines Erlasses des damaligen Reichsministers der Finanzen vom 23. Dezember 1940;
3. die Wiedereinführung der 6%igen Kürzung durch die Zweite Sparverordnung der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets vom 20. Oktober 1948 — danach waren die Versorgungsbezüge nach der ersten Gehaltskürzungsverordnung wieder zu kürzen, Versorgungsbezüge bis zum Betrag von 125 DM monatlich blieben kürzungsfrei —;
4. durch die Dritte Sparverordnung der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets vom 16. 3. 1949 wurde die Ruhegehaltsskala verschlechtert. Bis dahin betrug das Mindest-Ruhegehalt 35 % der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge, und der Höchstruhegehaltssatz von 75 % wurde schon nach 25 Dienstjahren erreicht. Dieser Prozentsatz von 35 % wurde in der Dritten Sparverordnung auf 25 % herabgesetzt, und der Höchst-Ruhegehaltssatz wird erst nach 33 Dienstjahren erreicht.
Diese Kürzungen der Versorgungsbezüge nach der Zweiten Sparverordnung um 6 % und nach der Dritten Sparverordnung durch Verschlechterung der Pensionsskala sollen nach dem gestellten Antrag wegfallen, wenn die Versorgung ohne Kinderzuschläge monatlich 200 DM nicht übersteigt.
Meine Damen und Herren! Dieser Antrag hat auch dem Haushaltsausschuß des Bundestages vorgelegen. Dieser hat ihn behandelt und an den Beamten-Rechtsausschuß zur Beratung überwiesen. Der Haushaltsausschuß hat sich auf den Standpunkt stellen müssen, daß mangels Deckung für die durch Annahme des Antrages sich ergebenden Mehrausgaben von insgesamt 37,6 Millionen DM zur Zeit dem


(Dr Wuermeling)

Antrage nicht entsprochen werden könne, und hat seinerseits dem Hause vorschlagen wollen, den Antrag, wenn auch mit schmerzlichem Bedauern, zur Zeit abzulehnen. Hingegen hat der BeamtenrechtsAusschuß mit Mehrheit den Beschluß gefaßt, dem Hause vorzuschlagen, dem Antrage stattzugeben, weil man im Beamtenrechts-Ausschuß glaubte, die derzeitigen Verhältnisse bei den Pensionen unter 200 DM nicht mehr aufrechterhalten zu können.
Wir haben es also mit verschiedenartiger Stellungnahme zweier Ausschüsse des Hauses zu tun, einerseits des Fachausschusses, des Beamtenrechts-Ausschusses, der sich besonders nachdrücklich für die Belange dieser Pensionsempfänger einsetzt, und andererseits des Haushaltsausschusses, der leider verpflichtet ist, die haushaltlichen Belange zu wahren und für Deckung zu sorgen, der aber nicht in der Lage ist, diese Deckung aufzubringen. Es wird nun Aufgabe des Hohen Hauses sein, die Entscheidung darüber zu treffen, welchem Antrage stattgegeben werden soll.
Offiziell liegt dem Hause der Antrag des federführenden Beamtenrechts-Ausschusses des Inhalts vor, — es ist derselbe Wortlaut —, dem seinerzeit von der SPD gestellten Antrage zu entsprechen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108016400
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wuermeling.

Dr. Franz-Josef Wuermeling (CDU):
Rede ID: ID0108016500
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sie haben eben aus meinen Ausführungen als Berichterstatter gehört, daß in dieser Frage widersprechende Beschlüsse der beiden zuständigen Ausschüsse des Bundestages vorliegen. Da ich ursprünglich vom Haushaltsausschuß als Berichterstatter vorgesehen war, ist mir der Auftrag geworden, namens der Regierungsparteien den Abänderungsantrag Drucksache Nr. 1244 zu begründen, durch den der Beschluß des Haushaltsausschusses wieder aufgenommen und dem Plenum zur Beschlußfassung vorgelegt wird.
Meine Damen und Herren! Wir haben es des öfteren schon in der Arbeit des Bundestages erlebt, daß die Fachausschüsse, gleich auf welchem Gebiet sie arbeiten, in ihren finanziellen Wünschen wesentlich weitergehen, als der Haushaltsausschuß, also der Finanzminister des Bundestages, es nach Lage des Haushalts für zulässig ansehen kann. Der Haushaltsausschuß ist hier im Bundestag so etwas in der Rolle des Finanzministers, die dieser im Kabinett hat. So wie das Kabinett wohl kaum Beschlüsse fassen kann, denen der Finanzminister mangels Deckungsmöglichkeit nicht zustimmen kann, so kann wohl auch der Bundestag keine Mehrausgaben beschließen, wenn nicht der Haushaltsausschuß als der für die Haushaltsführung verantwortliche Ausschuß hierzu sein Einverständnis gegeben hat.

(Abg. Mellies: D i e Theorie wollen wir aber lieber nicht durchkommen lassen!)

Der Haushaltsausschuß hat also hier gewissermaßen ein Veto eingelegt, weil Deckung für die zu bewilligende Mehrausgabe von, um es noch einmal zu sagen, 37,6 Millionen DM jährlich einfach nicht vorhanden ist. Hinzu kommt, daß auch der Finanzminister oder die Bundesregierung dem Vorschlage des Beamtenrechts-Ausschusses bisher nicht zustimmen konnte, so daß auch nach Art. 113 des Grundgesetzes mangels Zustimmung der Bundesregierung zu nicht vorgesehenen Mehrausgaben eine positive Beschlußfassung wohl nicht angängig ist.
Sachlich, meine Damen und Herren, ist auch noch zu sagen, daß, wenn man diesem Antrage heute stattgeben würde, ein noch größeres Durcheinander als bisher in unserem jetzigen Besoldungssystem eintreten würde,

(Zuruf von der SPD: Das stimmt ja nicht!)

da die Zahl der Überschneidungen der unteren Gruppen mit den mittleren Gruppen durch eine solche Vorwegregelung für die unteren Gruppen sich noch wesentlich steigern würde.
Ich weise im übrigen auf das hin, was ich als Berichterstatter schon erwähnte, daß ja auf jeden Fall auch bei Aufrechterhaltung des jetzigen Zustandes 125 DM der Pensionen kürzungsfrei bleiben und daß im übrigen Pensionen bis zur Höhe von 102 DM nicht den einschränkenden Vorschriften der Neuregelung der Pensionsskala unterliegen. Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir haben alle die volle Einsicht, daß die jetzige Regelung an sich einer Änderung bedarf. und daß wir diese Änderung auch nicht lange hinausschieben dürfen.

(Zurufe von der SPD.)

Aber wir sind uns genau so darüber klar, daß es viele Gruppen und Schichten heute in der Bevölkerung gibt, bei denen mindestens ähnlich dringende Wünsche vorliegen und ähnlich berechtigte Forderungen gestellt werden, wo wir aber auch nicht in der Lage sind, von heute auf morgen diese Anträge zu verwirklichen. Ich erinnere an den Kreis der Kriegsopfer, an den Kreis der Sozialrentner, an den Kreis der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Beamten usw. und auch an die LastenausgleichsBerechtigten, wo ja überall, wenn wir es konnten, lieber heute als morgen entsprechende Beschlüsse gefaßt würden. Aber, meine Damen und Herren, wir müssen alle diese Dinge mit System im Rahmen einer gesunden und sozial gerechten Gesamtregelung vornehmen und nicht stückweise, indem dieser oder jener Einzelpunkt heute vorweggenommen wird. Meine Damen und Herren! Das neue endgültige Beamtengesetz für die Bundesbeamten wird ja in wenigen Monaten verabschiedet werden müssen. Und Bestandteil dieses Beamtengesetzes ist ja auch die Regelung des Versorgungsrechts, und hier wird Zeitpunkt und Gelegenheit sein, die Dinge in Ordnung zu bringen und die erforderlichen Beschlüsse zu fassen.
Wir möchten aber nicht vorschlagen, nun den gestellten Antrag hier abzulehnen, weil wir bekunden möchten, daß wir an sich nicht dagegen sind, sondern wir stellen lediglich den Antrag, diesen SPDAntrag der Regierung als Material fur die endgültige Regelung des Versorgungsrechts der Bundesbeamten zu überweisen. Ich darf namens der Regierungsparteien darum bitten, diesem Antrag zuzustimmen und darf an Ihr haushaltsrechtliches Verantwortungsbewußtsein appellieren. Wir sagen immer, daß aas Haushaltsrecht das höchste und wichtigste Recht des Bundestags ist, aber dieses Haushaltsrecht hat auch eine Haushaltungspflicht mit den Mitteln zur Folge, die nun einmal da sind, und wenn wir das Recht in Anspruch nehmen, müssen wir auch die entsprechende Pflicht wahren. In diesem Sinne bitte ich um Annahme des Abänderungsantrages Drucksache Nr. 1244.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108016600
Das Wort hat Herr Abgeordneter Herrmann.

Matthäus Herrmann (SPD):
Rede ID: ID0108016700
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Wuermeling hat einige Behauptungen


(Herrmann)

aufgestellt, die nicht unwidersprochen bleiben können. Er verweist zum Beispiel darauf, daß ja das
Beamtengesetz in Kürze behandelt und damit auch
die Besoldungsgeschichte gewissermaßen geregelt
werden würde. Das ist ja vollständig falsch. Das
kommt nicht in Frage, denn das Besoldungsgesetz
ist ein besonderes Gesetz, und wann dieses besondere Gesetz einmal kommen wird, das weiß das Kabinett nicht. Vielleicht weiß es der Finanzminister.

(Abg. Dr. Wuermeling: Versorgungsrecht ist im Beamtengesetz geregelt, nicht im Besoldungsgesetz.)

— Das ist im Besoldungsgesetz festgelegt!

(Abg. Dr. Wuermeling: Nein, das stimmt nicht!)

— Das gehört zum Besoldungsgesetz und nicht zu etwas anderem.
Aber noch etwas. Es wird immer wieder erklärt und auch Herr Dr. Wuermeling sagt, — —

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108016800
Herr Kollege, sprechen Sie bitte ins Mikrophon, man hört Sie nicht!

Matthäus Herrmann (SPD):
Rede ID: ID0108016900
Es wird immer wieder erklärt, daß das Kunterbunt, das jetzt besteht, noch vergrößert werde, wenn diese Notverordnung auf Kürzung der Gehälter um 6 % aufgehoben würde. Das ist falsch. Es wird hier etwas behauptet, was in seiner Auswirkung auf das Gegenteil hinausläuft. Wenn ich die 6 % gebe, dann wird der höhere Beamte
— mit 600 Mark Gehalt, sagen wir einmal — 6 % von den 600 Mark bekommen, während der untere Beamte mit 200 Mark Gehalt doch nur ein Drittel von dem des oberen Beamten erhält. Damit würde eine etwaige Überschneidung, die man angeblich so sehr befürchtet, geringer werden.
Ich glaube, daß ein Teil der Damen und Herren überhaupt nicht unterrichtet ist, wie die Verhältnisse im Besoldungswesen heute liegen. Wie ist es? Man hat durch Sparverordnungen niedrige Einkommen bis zu 16 % gekürzt,

(Hört! Hört! bei der SPD)

und zwar auch Bezüge von unter 100 Mark monatlich. Man hat hier also bereits gekürzt, und es ist nicht eine einheitliche Kürzung, die hier erfolgt ist, denn heute leiden nur noch die Eisenbahner und die Postler unter dieser Kürzung. Die Post hätte die Möglichkeit, von sich aus die Mittel zu geben. Also die größte Zahl der Beamten, die Länderbeamten und die Beamten, die in den Kommunen und öffentlich-rechtlichen Körperschaften beschäftigt sind, erhalten längst diese 6 %. Nur die Bundesbeamten nicht. Das sind also, wie schon erwähnt, die Eisenbahn- und Postbeamten. Nun muß man sich vorstellen, daß diese Sache selbst bei der Eisenbahn nicht einheitlich geregelt ist. Die Beamten im französisch besetzten Gebiet erhalten die 6 %. So kann es vorkommen, daß in der gleichen Station, die etwa die Grenzstation zwischen der amerikanisch und französisch besetzten Zone ist, der eine Eisenbahner die 6 % erhält und der andere, der am gleichen Bahnhof Dienst macht, sie nicht bekommt.
Der Finanzminister hat seinerzeit zugesagt, daß ab 1. April dieses Jahres die 6 % gegeben werden können; von ihm würde dann kein Einspruch mehr erhoben. Wir wissen, wie diese Einsprüche zustandekommen. Es muß, so meine ich, mit aller Brutalität gesagt werden, daß die Hoffnungen vieler Menschen einfach zuschanden gemacht worden sind. Nachdem in den Ländern schon ein Jahr lang diese 6 % gezahlt werden, will man also das gegebene
Wort, wenigstens ab 1. April dieses Jahres den Bundesbeamten das gleiche Recht zuzugestehen, nicht einlösen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108017000
Das Wort hat Herr Abgeordneter Mellies.

Wilhelm Mellies (SPD):
Rede ID: ID0108017100
Meine Damen und Herren! Ein paar Worte bleiben zu der schönen Theorie zu sagen, die der Kollege Wuermeling hier über die Rolle des Haushaltsausschusses entwickelt hat. Diese Worte dürfen auf keinen Fall unwidersprochen bleiben, denn wenn seine Theorie richtig wäre, würde dem Haushaltsausschuß gegenüber den anderen Ausschüssen und gegenüber dem Parlament ein Übergewicht gegeben, das auf keinen Fall mit dem Grundgesetz und mit der Geschäftsordnung des Parlaments in Einklang zu bringen ist.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Der Haushaltsausschuß hat kein größeres Recht als die anderen Ausschüsse. Er hat die ihm vom Plenum zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen und dem Parlament bestimmte Vorschläge zu unterbreiten. Er hat darüber hinaus die Möglichkeit, nach dem vorläufigen Haushaltsgesetz und nach der Haushaltsordnung gewisse Vorwegbewilligungen vorzunehmen. Aber es kann gar keine Rede davon sein, daß das Parlament keine Beschlüsse fassen könne, denen der Haushaltsausschuß nicht zugestimmt hätte, wenn diese Beschlüsse irgendwelche Ausgaben erfordern.

(Abg. Dr. Wuermeling: Das habe ich auch nicht gesagt!)

— Ja, so haben Sie es ausgedrückt. Ich habe mich mit voller Absicht zum Wort gemeldet, um dem zu widersprechen; denn wir würden, wenn es so wäre, allmählich zu Zuständen kommen, die weder für das Parlament noch für die Öffentlichkeit noch für den Staat tragbar wären.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108017200
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache. Ich lasse abstimmen, zunächst über den Abänderungsantrag Drucksache Nr. 1244. Wer für den Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Darf ich bitten, die Abstimmung zu wiederholen? Wer ist dafür? — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen. Ich brauche über Drucksache Nr. 1174 nicht mehr abstimmen zu lassen. Der Punkt der Tagesordnung ist erledigt.
Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) über den Antrag der Abgeordneten Ollenhauer und Genossen betreffend Vorlage eines Gesetzentwurf es über die Regelung der Versorgung der Körperbeschädigten und Hinterbliebenen durch Kriegsfolgen und über den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Sozialversicherung (Nr. 30, 36 und 1180 der Drucksachen).
Hier hat der Ältestenrat Ihnen vorzuschlagen 10 Minuten für den Herrn Berichterstatter und 40 Minuten für die Aussprache insgesamt. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mende zur Berichterstattung.


Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0108017300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen sind zwei Anträge überwiesen worden, der Antrag Drucksache Nr. 30 der Abgeordneten Ollenhauer und Genossen vom 26. September 1949 betreffend die Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Regelung der Versorgung der Körperbeschädigten und Hinterbliebenen durch Kriegsfolgen, ferner ein Antrag Drucksache Nr. 36 der Fraktion der Deutschen Partei betreffend die Aufhebung der Sozialversicherungsdirektive 27 und die Vorlage eines Gesetzes für Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene.
Der Ausschuß hat zunächst in einer Beratung am 27. Oktober 1949 die Anträge zurückgestellt bis zur bundeseinheitlichen Regelung der Kriegsopferversorgung und Vorlage des Entwurfs des Bundesversorgungsgesetzes. Im Rahmen dieser Beratung hat der Vertreter des Herrn Bundesarbeitsministers dem Ausschuß mitgeteilt, daß wir mit der erschütternden Zahl von 4 Millionen Beschädigten und Hinterbliebenen zu rechnen haben, so daß jeder elfte Deutsche im Bundesgebiet als Kriegsbeschädigter oder Hinterbliebener versorgt werden muß. Zur Gegenüberstellung die Zahlen Englands: England hat bei gleicher Bevölkerungszahl nur rund 500 000 Versorgungsfälle beider Kriege. Die Aufwendungen betrugen im Jahre 1948 1,2 Milliarden DM, im Jahre 1949 im Bundesgebiet 2 Milliarden bis zu 2,1 Milliarden DM.
Auch in einer weiteren Beratung am 18. Januar 1950 sah sich der Ausschuß nicht in der Lage, diese beiden Anträge zu diskutieren, weil der Referentenentwurf des Bundesarbeitsministeriums zum Bundesversorgungsgesetz noch immer nicht vorlag und nach der Meinung des Ausschusses die Beratung dieser beiden Anträge im Rahmen der Beratungen des Bundesversorgungsgesetzes erfolgen sollte. Am 18. Januar hat der Vertreter des Herrn Bundesarbeitsministers, Ministerialdirektor Eckert, den Bundesversorgungsgesetzentwurf für die nächste Zeit zugesagt und den Ausschuß gebeten, von einer Behandlung der beiden Anträge abzusehen. Am 20. Januar 1950 hat der Herr Bundesarbeitsminister hier bei den Beratungen des Überbrückungsgesetzes eine Summe von 3 Milliarden DM für die Bundesversorgung angekündigt, oder er glaubte, diese große Summe annehmen zu müssen. Er hat bei den Beratungen des Überbrückungsgesetzes seinerzeit das Plenum aufgefordert, von weitergehenden Anträgen abzusehen und sie zurückzustellen bis zu den Beratungen des Bundesversorgungsgesetzes. Auch der Herr Bundesfinanzminister hat zu dem Bundesversorgungsgesetz bereits am 31. Januar 1950 Stellung genommen, indem er im Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen erklärte: Wir rechnen mit einem Betrag von 3 Milliarden DM, wenn an diesem Gesetz nichts weiter geändert wird.
Sie sehen somit, daß bereits im Stadium der Beratungen des Überbrückungsgesetzes gewisse bindende Erklärungen zu dem zu erwartenden Bundesversorgungsgesetz gemacht wurden.
Am 7. Februar 1950 beschloß der Ausschuß erneut die Zurückstellung, und am 1. März 1950 wurde bei den Ausschußberatungen festgestellt, daß es nicht möglich sei, das Bundesversorgungsgesetz am 1. April bereits im Ausschuß vorzulegen. Das lag daran, daß die Kriegsopferversorgung, 1946 durch das Kontrollratsgesetz 34 zerschlagen, in den verschiedenen Ländern sich sehr heterogen entwickelt hatte und es großer verwaltungstechnischer Maßnahmen bedurfte, um aus diesem Durcheinander eine Koordination der Kriegsopferversorgung durchzuführen.
Der Antrag Drucksache Nr. 36 wurde am 15. März 1950 im Ausschuß beraten. Der Herr Vertreter des Bundesarbeitsministers erklärte dabei, daß mit der Vorlage des Entwurfs in Kürze, vermutlich noch Ende dieses Monats, gerechnet werden könne. Am 26. April hat der Ausschuß wiederum über den Stand der Vorarbeiten beraten und dabei einstimmig zum Ausdruck gebracht, daß nicht nur aus versorgungsrechtlichen Gründen, sondern auch aus politischen Gründen eine Beschleunigung der Vorarbeiten für das Bundesversorgungsgesetz unumgänglich sei.
Schließlich ist der Ausschuß am 18. Juli zusammengetreten und hat Ihnen in der Zwischenzeit einen Antrag unterbreitet des Inhalts, daß die Bundesregierung ersucht wird, dem Deutschen Bundesrat den Entwurf eines Gesetzes über die Regelung der Versorgung der Körperbeschädigten und Hinterbliebenen durch Kriegsfolgen so rechtzeitig zuzuleiten, daß die erste Beratung des Gesetzentwurfes in einer der ersten Sitzungen des Bundestages nach den Parlamentsferien auf die Tagesordnung gesetzt werden kann. Inzwischen haben wir erfahren, daß das Bundesversorgungsgesetz bereits das Kabinett passiert hat und dem Bundesrat zugeleitet wurde. Auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung darf ich daher erklären, daß dieser Antrag des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen hiermit gegenstandslos wird und gleichzeitig gebeten wird, von einer Beratung, für die 40 Minuten vorgesehen waren, Abstand zu nehmen,

(Bravorufe)

da die Dinge überholt sind.
Ich darf aber in diesem Zusammenhang ein Bedenken zum Ausdruck bringen, das im Ausschuß einstimmig geäußert wurde. Wir haben festgestellt, daß der vorläufige Referentenentwurf in die Presse gekommen ist und einzelnen Verbänden zugeleitet wurde, sodaß die Parlamentarier in die groteske Situation kamen, weniger zu wissen als die Nichtparlamentarier draußen.

(Hört! Hört!)

Es ist für die Vertreter einer gesetzgebenden Körperschaft unmöglich, daß sie auf dem Umwege über die Presse oder über die Syndizi von Wirtschafts- und sonstigen Verbänden über die Gesetzesvorarbeiten im Kabinett orientiert werden.

(Sehr richtig! links.)

Der Ausschuß hat daher beschlossen, über den Geschäftsordnungsausschuß und über den Ältestenrat vorstellig zu werden mit dem Ziel, zu erreichen, daß in Zukunft alle Referentenentwürfe, die Wirtschaftsverbänden, sonstigen Verbänden oder der Presse zugeleitet werden, mindestens an dem gleichen Tag, möglichst vorher, in einigen Exemplaren den Fraktionen des Hauses zugehen, damit den Parlamentariern des Bundestages die peinliche Situation, die in diesem Falle entstanden war, in Zukunft erspart bleibt.

(Beifall.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108017400
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.

Anton Storch (CDU):
Rede ID: ID0108017500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter ist bestimmt falsch informiert, wenn er sagt, der Gesetzentwurf sei irgend jemandem außerhalb des Parlamentes zugeleitet worden. Auf Beschluß dieses Hohen Hauses haben wir in


(Bundesarbeitsminister Storch)

unserem Ministerium einen Beirat für das Kriegsbeschädigtenversorgungsgesetz erhalten. Nur dort ist dieser Gesetzentwurf besprochen worden. Wenn der eine oder andere der an diesem Ausschuß Beteiligten das von ihm gegebene Schweigeversprechen nicht gehalten hat, dann sind wir an diesen Dingen allerdings unschuldig. Der Gesetzentwurf in der Form, wie er jetzt dem Kabinett vorgelegen hat, ist niemandem bekanntgeworden, auch nicht dem vorgenannten Ausschuß.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108017600
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache. — Keine Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache.
Wir stimmen ab. Wer für den Antrag Drucksache Nr. 1180 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.

(Zurufe: Der Antrag ist doch gegenstandslos geworden!)

— Dann stellt das Haus fest, daß der Antrag gegenstandslos geworden ist.
Ich rufe auf Punkt 13 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) über den Antrag der Abgeordneten Spies, Strauß, Stücklen, Frau Dr. Probst und Genossen betreffend Einheitliche Anerkennung der Schwerbeschädigtenausweise (Nr. 1181, 1004 der Drucksachen; Änderungsantrag Nr. 1236).
Für die Berichterstattung wird eine Redezeit von 10 Minuten vorgeschlagen. Weiter schlägt der Ältestenrat vor, keine Aussprache durchzuführen. Wir werden aber trotzdem die Aussprache eröffnen müssen, weil ein Abänderungsantrag gestellt ist, den Herr Abgeordneter Spies begründen will. Er hat aber schriftlich versprochen, sich ganz kurz zu fassen.

(Heiterkeit.)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Langer das Wort zur Berichterstattung.

Erich Langer (WAV):
Rede ID: ID0108017700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag Drucksache Nr. 1181 legt Ihnen der 26. Ausschuß das Ergebnis seiner Beratungen über den Antrag der Abgeordneten Spies, Strauß, Stücklen, Frau Dr. Probst und Genossen betreffend einheitliche Anerkennung der Schwerbeschädigtenausweise vor. Der Ausschuß hatte zu diesen Beratungen die zuständigen Vertreter der Regierung geladen. Der zuständige Referent des Bundesministeriums des Innern erklärte uns, daß bereits die Erarbeitung von Richtlinien im Gange sei, wonach nicht nur auf der Bundesbahn bei den bisher üblichen Ermäßigungen verblieben werden soll, sondern ganz allgemein auf allen Verkehrsmitteln eine 50 %ige Ermäßigung auf den normalen Tarif eintreten soll. Gleichzeitig sollen Vergünstigungen in derselben Höhe für kulturelle Veranstaltungen und ähnliche Dinge gewährt werden.
Der Ausschuß hat von diesen Ausführungen Kenntnis genommen und sich entschlossen, sich auf den Standpunkt zu stellen, daß die Ausführungen des Herrn Vertreters des Bundesministeriums des Innern einen erfreulichen Fortschritt bedeuten und daß daher dieser Antrag nicht besonderer Beschleunigung bedarf. Die Ausführungen waren konkretisiert, und es ist damit zu rechnen, daß diese Dinge in Kürze geregelt sind. Die Schwierigkeiten, die bei der Ausstellung eines einheitlichen Ausweises für das Bundesgebiet bestehen, sind bereits weitgehend überwunden.
Der Ausschuß konnte sich nicht den Bedenken des Vertreters des Bundesministeriums für Verkehr anschließen, der aus der eintretenden Ermäßigung für Kriegsbeschädigte einen bedeutenden Ausfall an Einnahmen für die Bundesbahn herleitete. Der Ausschuß begrüßt also die Planung des Innenministeriums. Er ist der Ansicht, daß durch eine Ausdehnung der Ermäßigung auf alle Verkehrsmittel auch die privaten Verkehrsträger gezwungen werden, sich an den Kriegsfolgelasten zu beteiligen.
Der Ausschuß hat den ursprünglichen Antrag abgeändert, so daß er sich nun nicht nur beschränkt auf die erheblich Gehbehinderten, sondern sich generell auf die Kriegsbeschädigten bezieht. Der Antrag lautet nun nach den Ausschußbesprechungen folgendermaßen:
Die Bundesregierung wird ersucht, dafür Sorge zu tragen, daß die für die Kriegsbeschädigten ausgegebenen Ausweise in ihren Vergünstigungen in allen Bundesländern einheitlich anerkannt werden.
Ich habe die Ehre, Ihnen im Namen des 26. Ausschusses die Annahme dieses Antrags zu empfehlen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108017800
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spies zur Begründung des Antrags Drucksache Nr. 1236.

Josef Spies (CSU):
Rede ID: ID0108017900
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Der Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen hat in seinem Antrag Nr. 1181 der Drucksachen nur die Gruppe der Kriegsbeschädigten vorgesehen, Durch den Abänderungsantrag wollen meine politischen Freunde und ich durch das Wort „Körperbeschädigte" alle Gruppen der Körperbehinderten erfaßt wissen, die im Besitz eines KB-Ausweises und in den einzelnen Bundesländern bereits im Genuß der auf dem Ausweis aufgeführten Vergünstigungen sind. Diese Körperbeschädigten haben im allgemeinen folgende Vergünstigungen: erstens: bevorzugte Abfertigung. vor Amtsstellen; zweitens: Benutzung des Abteils für Schwerbeschädigte bei Eisenbahnfahrten; drittens: unentgeltliche Beförderung mit Kraftposten, im öffentlichen Straßenbahnverkehr und im öffentlichen Ortslinienverkehr mit Kraftomnibussen.
Ich bitte deshalb das Hohe Haus, dem Abänderungsantrag Drucksache Nr. 1236,
Der Bundestag wolle beschließen,
in dem Antrag des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen Nr. 1181 der Drucksachen — das Wort „Kriegsbeschädigten" zu streichen und dafür ,,Körperbeschädigten" zu setzen,
die Zustimmung zu erteilen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108018000
Keine weiteren Wortmeldungen? — Ich schließe die Aussprache.
Wir stimmen zunächst ab über diesen Abänderungsantrag. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Der Antrag ist angenommen.
Nunmehr lasse ich abstimmen über Drucksache Nr. 1181 in der durch Annahme des Antrags Drucksache Nr. 1236 abgeänderten Fassung. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Die Gegenprobe! — Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf den letzten Punkt der Tagesordnung, Punkt 14:


(Vizepräsident Dr. Schmid)

Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) über den Antrag der Abgeordneten von Thadden und Genossen betreffend Beseitigung der Entrechtung der ehemaligen Wehrmachtsangehörigen und ihrer Hinterbliebenen (Nr. 1187, 1060 der Drucksachen).
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling als Berichterstatter.

(Zuruf von der CDU: Er ist nicht da!)

— Wer kann für ihn einspringen? Der Herr Ausschußvorsitzende? — Er ist auch nicht da. Ich halte es fast für eine Ehrensache für das Haus, daß wir auch diesen letzten Punkt heute noch erledigen. Verzichtet das Haus auf einen Ausschußbericht?

(Zurufe: Nein! — Abg. Bausch: Der Berichterstatter wird gleich kommen!)

Ist das Haus bereit, auf einen Ausschußbericht zu verzichten?

(Zustimmung.)

- Einstimmig? — Ja! Es ist so beschlossen.
Dann eröffne ich die Aussprache. Es liegt kein Abänderungsantrag vor, aber ein Antrag auf Annahme einer Entschließung. Es ist ein
Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, Bayernpartei, Deutsche Partei, WAV und Zentrum betreffend Personenkreis gemäß Artikel 131 des Grundgesetzes (Drucksache Nr. 1247).
— Kann dieser Antrag begründet werden?
Den Antrag begründet der Herr Abgeordnete Dr. Kleindinst.

Dr. Josef Ferdinand Kleindinst (CSU):
Rede ID: ID0108018100
Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat Anfang April 35 Millionen genehmigt, um für die Zeit, in der das Gesetz zum Vollzug des Art. 131 des Grundgesetzes noch nicht in Kraft ist, eine Hilfe an die im Art. 131 genannten Gruppen zu geben. Wir können heute noch nicht übersehen, inwieweit diese 35 Millionen aufgebraucht sind. Wahrscheinlich sind Sie noch nicht voll aufgebraucht, weil Anfang April die ganze Angelegenheit natürlich erst allmählich ins Werk gesetzt werden konnte, Überprüfungen vorgenommen wurden usw. Wir sind aber nicht sicher, ob diese Mittel im Laufe des August versiegen, so daß dann dem Herrn Finanzminister weitere Mittel nicht zur Verfügung stehen würden.
Infolgedessen wird der Antrag gestellt, für die Monate Juli, August und September nun nicht 35, sondern monatlich 12, also im ganzen 36 Millionen bereitzustellen, um die Bedürftigen, die unter den Art. 131 fallen, versorgen zu können, bis das Gesetz nach Art. 131 in Kraft getreten ist. Wir bitten, diesem Antrag auf Bereitstellung dieser Mittel zuzustimmen; das bedeutet einen Vorgriff auf die haushaltsmäßig vorzusehenden Mittel.
Nun soll allerdings dieser Betrag nach Richtlinien ausgegeben werden, die von beiden Ausschüssen, Flüchtlingsausschuß und Beamtenrechtsausschuß, beschlossen worden sind.

(Unruhe.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108018200
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe. Der Herr Antragsteller hat Anspruch darauf, gehört zu werden.

Dr. Josef Ferdinand Kleindinst (CSU):
Rede ID: ID0108018300
Der Herr Finanzminister hat zugesagt, diese Richtlinien für die Monate April, Mai und Juni zu berücksichtigen, dagegen will er vom 1. Juli an die Richtlinien für diese Überbrückungshilfe in Übereinstimmung bringen mit dem Gesetzentwurf nach Art. 131, der eben dem Bundesrat zugegangen ist. Die beiden Ausschüsse wollen jedoch an den beschlossenen Richtlinien auch für die Monate Juli, August und September festhalten, weil sie der Meinung sind, daß man unmöglich davon abgehen, im Juli andere Grundsätze als im Juni anwenden könne, und sie glauben auch, daß eine erhöhte Beanspruchung der Mittel dadurch nicht bedingt ist, weil ja auch in den Richtlinien vorgesehen ist, daß, wenn die Mittel nicht reichen würden, die Unterstützung dann eben nach verschiedenen Gruppen gegeben wird.
Ich bin also durch die beiden Ausschüsse veranlaßt, Ihnen vorzuschlagen, daß dieser Betrag von 36 Millionen nach den von den Ausschüssen für Beamtenrecht und für Heimatvertriebene erarbeiteten Richtlinien vom 8. Juli 1950 für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September zur Auszahlung zu bringen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108018400
Keine weiteren Wortmeldungen? — Ich schließe die Aussprache. Wir stimmen zunächst ab über die Drucksache —

(Zuruf des Abg. Krause.)

— Ich habe die Aussprache geschlossen. Sie haben sich nicht in geschäftsordnungsmäßiger Weise bemerkbar gemacht. Wortmeldungen sind nach der Geschäftsordnung schriftlich einzureichen. Wenn Sie sich nur durch Handzeichen melden, laufen Sie Gefahr, nicht berücksichtigt zu werden.
Drucksache Nr. 1187. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe!
— Einstimmige Annahme.
Nunmehr die Drucksache Nr. 1247, die eben vom Kollegen Dr. Kleindinst begründet wurde. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
— Die Gegenprobe! — Einstimmig angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, ist die Tagesordnung erschöpft, aber ich bitte Sie noch um einige Minuten Gehör. Ich habe Ihnen einige Dinge bekanntzugeben und bitte, das nunmehr zu Sagende auch berücksichtigen zu wollen.
Zur Vermeidung von Verzögerungen der Drucklegung der Stenographischen Berichte der Plenarsitzungen des Bundestages werden die Redner dringend gebeten, die ihnen zur Prüfung und Berichtigung zugehenden Übertragungen der stenographischen Niederschrift möglichst unverzüglich durchzusehen und an den Stenographischen Dienst zurückzugeben. Auf Grund des § 109 der Geschäftsordnung wird festgesetzt, daß Niederschriften von Reden, die nicht spätestens vormittags 10 Uhr des auf einen Sitzungstag folgenden Tages an den Stenographischen Dienst zurückgegeben worden sind, nach nochmaliger Überprüfung durch den Dienststellenleiter ohne Berücksichtigung der Rednerkorrekturen zum Satz gegeben und ausgedruckt werden.
Meine Damen und Herren, diese Verfügung hat sich als unumgänglich notwendig erwiesen. Ich bitte zu entschuldigen, daß ich sie verlesen habe, wie man etwa eine Proklamation des Belagerungszustandes verliest;

(große Heiterkeit)

aber ich glaube, es war richtig, so zu verfahren.
Dann noch eine Mitteilung. Der Ausschuß zum Schutz der Verfassung tritt morgen vormittag 10 Uhr im Raum 106 des Südflügels zusammen.


(Vizepräsident Dr. Schmid)

Und noch eine letzte Mitteilung: Ich bin gebeten worden, Ihnen zur Kenntnis zu bringen, daß die im Haus befindliche Milchbar bis zum Schluß der Plenarsitzungen geöffnet bleibt.

(Heiterkeit.)

Dann, meine Damen und Herren, berufe ich die 81. Sitzung des Bundestages ein auf Freitag, den 28. Juli, 9 Uhr vormittags, und ich schließe die 80. Sitzung des Deutschen Bundestages.