Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, zum Schluß dieser Debatte für die antragstellende Fraktion noch einige Worte zu sagen. Es wäre
reizvoll und vielleicht auch wichtig, einmal das Ergebnis dieser Aussprache zu analysieren, zusammenzufassen und zu dem einzelnen, was gesagt wurde, Stellung zu nehmen. Das ist nicht meine Absicht.
Eines scheint mir aber die Aussprache doch bewiesen zu haben: daß die Vorlage der CDU/CSU in der Drucksache Nr. 970 nicht zur Unzeit gekommen ist, wie Herr Kollege Seelos zu Anfang der Diskussion befürchtet hatte, sondern daß die Fragen, zu denen wir in dieser Vorlage Stellung genommen haben, dieses Hohe Haus von links bis rechts in einer sehr lebendigen Weise beschäftigt haben.
Und ein zweites möchte ich sagen. Ich begrüße es, daß diese Aussprache doch ein Ergebnis hatte. Sie wurde, wenn ich von einzelnen sehr uninteressanten Exzessen absehe, in einem Geiste echten Verantwortungsgefühls geführt, und ich glaube, auch sagen zu können, allgemein mit dem Wunsch, dem anderen und der Auffassung des anderen Verständnis entgegenzubringen.
Es ist hier so einiges gesagt worden. Herr Kollege Loritz hat seine Bedenken geäußert und hat den Schuhmacher beklagt, der sich nun mit vier Lehrbuben, einem Laufmädchen und einem Betriebsrat zu quälen habe.
Meine Damen und Herren! Ich habe auch ehrliches Mitleid mit diesem Schuhmachermeister; aber wenn der Schuhmachermeister das Gesetz etwas sorgfältiger liest als Herr Loritz,
dann wird er diese Bedenken nicht mehr haben.
Vielleicht darf ich Herrn Kollegen Loritz mit geziemender Achtung darauf hinweisen, daß erst bei fünf Leuten ein Obmann eingesetzt wird, -
— Herr Kollege Loritz, ich rede noch weiter, — daß außerdem Lehrmädchen unter 18 Jahren ja gar kein Wahlrecht haben,
daß Lehrlinge erst mit 24 Jahren das passive Wahlrecht haben. Und wenn wirklich ein Schuhmachermeister da ist, der fünf 24jährige Lehrbuben hat, dann kann er auch mit einem Obmann fertig werden.
Meine Damen und Herren! Es ist dann in der Diskussion auch einzelnes sehr Ernstes gesagt worden.
Herr Kollege Dr. Becker hat darauf hingewiesen, daß nach der Ansicht des von mir hochverehrten und hochgeschätzten Professors Böhm, meines Parteifreundes, das Mitbestimmungsrecht insbesondere in wirtschaftlichen Fragen gefährlich sei und vielleicht einer Enteignung gleichkomme. — Herr Kollege Becker, ich halte es für ein gutes Zeichen, daß in demokratischen Parteien solche Meinungsverschiedenheiten bestehen können wie zwischen meinem Freunde Böhm und mir; und ich begrüße es, daß diese Polaritäten ja auch bei Ihnen bestehen. denn wenn ich recht unterrichtet bin, haben Ihre Freunde das Gesetz Nr. 726 in Württemberg-Baden beschlossen,
das wohl in der Mitbestimmung das weitestgehende ist, das in Deutschland beschlossen worden ist.
Es geht weit über das hessische Gesetz hinaus, gegen das Professor Böhm Verwahrung eingelegt hat. Das läßt sich wohl nicht bestreiten.
Meine Damen und Herren! Es ist dann — und das scheint mir wesentlich — auf der einen Seite einmal gesagt worden, die Mitbestimmung solle Kapital und Arbeit zusammenführen; auf der anderen Seite ist gesagt worden, die Mitbestimmung könne unter Umständen die individuelle Entwicklung und Entfaltung des Menschen und des Betriebes stören und könne auch den Nutzeffekt der größten Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. — Sehen Sie, meine Damen und Herren, unser Entwurf geht nicht davon aus, Kapital und Arbeit zusammenzuführen, wohl aber davon, die arbeitenden Menschen im Betrieb zusammenzuführen. Er geht auch nicht davon aus, daß etwa die Aufgabe eines solchen Gesetzes der höchste Nutzeffekt sei, sondern wir hoffen, daß eine selbstverständliche Konsequenz dieses Gesetzes die sein wird, daß die Leistung gesteigert wird, wenn an die Stelle des Mißtrauens das Vertrauen tritt.
— Ich glaube nicht, daß das Optimismus ist. Ich glaube aber — und darin bin ich nicht ganz der Meinung, die hier geäußert wurde —, daß gerade dieses verschiedene Denken mit geeignet war, die an sich begrüßenswerten Besprechungen zwischen den Sozialpartnern nun, sagen wir, erfolglos zu machen. Ich habe den Eindruck, daß dann, wenn so verschiedene Auffassungen unter der alleinigen Verantwortung dieser beiden Partner zusammengeführt werden sollen, die Polarität doch zu groß ist, um wirklich eine gemeinsame Linie zu finden.
Ich habe einen weiteren Einwand gegen diese Besprechungen, die ich in der Sache begrüße und denen ich Fortgang und Erfolg wünsche, den Einwand nämlich, daß es meiner Ansicht und der Ansicht meiner Freunde nach nicht Sache der Sozialpartner allein oder gar deren Beauftragten ist, eine Sozialordnung für Deutschland zu schaffen, sondern daß es unsere Aufgabe ist, in diesem Hause die Entscheidung politisch zu treffen und zu verantworten.
Daß wir uns die Ergebnisse solcher Aussprachen gern zu eigen machen, weil sie uns sicherlich Wegweiser für richtige Entscheidungen sein werden, das, meine Damen und Herren, versteht sich von selbst. Aber ich glaube nicht, daß es die Aufgabe eines Parlaments in der heutigen Zeit ist, etwa Vereinbarungen der Beteiligten zu ratifizieren. Dann würden wir auf die Aufgabe verzichten, die wir als Vertreter des gesamten deutschen Volkes zu erfüllen haben.
In diesem Sinne, meine Damen und Herren, bitte ich, den Entwurf zu verstehen, den wir eingebracht haben und von dem wir auch nach dem Ergebnis dieser Besprechungen hoffen, daß er doch eine geeignete Diskussionsgrundlage ist. Wir sind weit davon entfernt, etwa anzunehmen, daß wir den Stein der Weisen gefunden hätten. Wir sind für jede Mitarbeit, auch für jede kritische Mitarbeit dankbar, denn wir wollen ja nicht nur ein Gesetz machen, sondern wir wollen die Grundlage für die Zusammenarbeit der Menschen in der neuen Ordnung, die
wir schaffen müssen, finden. Aber, meine Damen
und Herren, ich glaube, wir werden diese Lösung
nur finden, wenn wir alle entschlossen sind
— es ist hier auch schon gesagt worden —, eine solche Diskussion nicht dazu zu mißbrauchen. etwa machtpolitische Gegensätzlichkeiten auszutragen. Wenn wir uns bemühen, alles zu tun, um nicht den Betrieb zum Kampfplatz werden zu lassen, wenn wir uns insbesondere bemühen, den Menschen zum Menschen zu führen, das Vertrauen zu schaffen, auf dem die gemeinsame Arbeit beruhen muß, dann, meine Damen und Herren, haben wir — und das hat heute morgen auch mein Freund Lehr gesagt — unsere Aufgabe als christliche Demokraten empfunden; und ich hoffe, daß wir mit unserem Antrag und mit der heutigen Diskussion dazu beigetragen haben, daß diese Frage, von deren Lösung das Wohl und Wehe unseres Volkes abhängen wird, einer guten Lösung zugeführt wird.