Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Freitag hat heute in der Diskussion zu dem Problem das Wort Wirtschaftsdemokratie gebraucht. Neben diesem Wort Wirtschaftsdemokratie steht das andere sehr nahe: Betriebsparlamentarismus. Ich will nicht zu dem Gesamtproblem Stellung nehmen, sondern nur einiges kennzeichnen, was mir in der Debatte heute besonders aufgefallen ist und was mir die Grundlage der Gegensätze im besonderen zu sein scheint. Die Anwendung dieses Begriffes Wirtschaftsdemokratie halte ich nicht für vorteilhaft, weil eben auf der Gegenseite sofort der Eindruck entsteht, daß hier etwas wachsen soll, wie auf dem parallel gelegenen politischen Grund, ein Betriebsparlamentarismus mit seiner ganzen Schwerfälligkeit.
Nun bin ich der Auffassung, daß wir, wenn wir im Zusammenhang mit der Erörterung des Problems der Mitbestimmung eine Aufgabe haben, es die ist, zu verhindern, daß ein solcher Betriebsparlamentarismus auftritt.
Das ist die eine Seite. Ich möchte deshalb an die Stelle dieses Begriffes den Begriff der wirtschaftlichen Selbstverwaltung stellen.
Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang etwas zu der Kritik zu sagen, die auch mein Fraktionskollege Dr. Schröder heute an den Verhandlungen im Ministerium für Arbeit geübt hat. Ich bin mit dieser Kritik in keiner Weise einverstanden. Ich möchte eben im Anschluß an das von mir gebrauchte Wort über die wirtschaftliche Selbstverwaltung zum Ausdruck bringen, daß es das Bestreben sein müßte, dieses Problem zwischen den Sozialpartnern auszuhandeln, und ich sage ganz ehrlich, daß es bei der Bedeutung dieses Problems im höchsten Maße bedauerlich ist, daß es zu keiner Verständigung gekommen ist. Daß die Verständigung nicht erzielt wurde, hat aber nicht der Herr Bundesminister für Arbeit zu verantworten, sondern andere Kreise. Grundsätzlich bin ich auch heute noch der Auffassung, daß es besser gewesen wäre, wenn der Gesetzgeber lediglich die Aufgabe gehabt hätte, die letzte Hand anzulegen, um verbliebene Unebenheiten auszufeilen. Ich halte es nicht für gut, daß wir nun auf der Basis zweier vorliegender Initiativgesetzentwürfe, die in Form und Inhalt stark voneinander abweichen, und auf der Basis eines noch hinzukommenden Regierungsentwurfs unter dem Druck der vorhandenen Spannungen in die praktischen Beratungen im Ausschuß eintreten müssen.
Meine Damen und Herren! Es ist aber von Herrn Kollegen Freitag noch etwas anderes sehr deutlich gesagt worden, und das ist der zweite Gesichtspunkt aus der Debatte, den ich herausstellen möchte. Diese wichtigen Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern sind danach offenbar daran gescheitert, daß die Arbeitgeberseite betriebsfremde Einflüsse auf dem Gebiete der Mitbestimmung ausschalten wollte und die Frage der betrieblichen Mitbestimmung ausschließlich als eine Domäne der Betriebsangehörigen - Arbeitgeber und Arbeitnehmer — ansah. Ich weiß nicht, ob die Herren Vertreter des DGB gutgetan haben, an dieser Frage die Verhandlungen scheitern zu lassen. Ich glaube nicht, daß sie dabei der Sache der Mitbestimmung einen guten Dienst erwiesen haben. Zweifellos aber hat sich die Ansicht der Gegenseite stärker entfaltet und entwickelt, daß hier auf einem Umwege versucht wird, eine Monopolstellung der Gewerkschaften herbeizuführen, ja, daß darüber hinaus die Gefahr besteht, daß man auf diesem Umwege einer dogmatischen Wirtschaftslehre zum Einsatz verhelfen wolle. Diese Gegensätze sind nun vorhanden,
und unter diesen Eindrücken soll das Parlament die Aufgabe lösen. Wie gesagt, das sind die Schwierigkeiten, die ich sehe.
Meine Damen und Herren! Ich glaube aber nicht, daß der Herr Kollege Freudenberg recht hat, wenn er vor Kompromissen warnt. Wir von der CDU-Fraktion glauben, daß unser Entwurf, der zunächst einmal das Gebiet der innerbetrieblichen Mitbestimmung fundamentieren soll, eine Plattform für einen Kompromiß darstellt. Wer den Entwurf gründlich studiert, wird finden, daß er weder den Weg des Betriebsparlamentarismus noch den anderen Weg der Monopolstellung einer betriebsfremden Organisation öffnet. Die Einzelheiten unseres Entwurfs bedürfen der Beratung. Wir stehen nicht auf dem Standpunkt, daß jeder geschriebene Satz seine Gültigkeit haben soll. Was ich mit meinen Ausführungen erreichen möchte, ist, daß das auf beiden Seiten vorhandene Mißtrauen mit gutem Willen abgebaut wird, daß man an die sachliche Arbeit herangeht.
Wenn wir in unserer deutschen Geschichte häufiger kompromißbereit gewesen wären, dann wären wir heute nicht in der Not, in der wir uns befinden. Ich bin ein Freund tragbarer Kompromisse, und ich hoffe, daß man im Ausschuß zu einer Kompromißlösung gelangt. Daß ich selbst mit dem Inhalt des CDU-Entwurfs nicht in allen Einzelheiten zufrieden bin, will ich Ihnen jetzt an einer Forderung klarmachen, die ich aus meiner Entwicklung heraus zu stellen habe.
Ich stamme aus der deutschen Angestelltenbewegung, und ich habe bei meiner parlamentarischen Arbeit in der kurzen Zeit hier in Bohn festgestellt, daß wir auf dem Gebiete der Sozialpolitik und des Arbeitsrechts vornehmlich mit dem Sammelbegriff „Arbeitnehmer" operieren. Dieser Sammelbegriff kennzeichnet nur ein abhängiges Dienstverhältnis; er sagt nichts über Beruf, Berufsinteresse, Stellung in der Wirtschaft, Tätigkeitsgebiet usw. Wir haben in Deutschland in der Vergangenheit eine Angestelltenbewegung mit mehr als einer Million organisierten Angestellten gehabt, die auf dem Gebiete der Sozialpolitik, der Sozialversicherung, des Arbeitsrechts usw. erfolgreich, sehr erfolgreich gearbeitet hat. Ich glaube, heute die Tendenz feststellen zu müssen, daß man — das geht ja auch aus der neuen Organisationsform zum Teil hervor, die man entwickelt hat - dabei der Angestelltenschaft nicht mehr die Sonderstellung einzuräumen bereit ist, die sie gehabt hat. Dazu liegt keinerlei Grund vor. Die Angestelltenschaft ist eine Einheit, und sie hat ein Recht darauf, als solche gewertet zu werden; sie hat ein Recht darauf, die Berufsinteressen ihres Standes aus eigenen Organisationen heraus zu entwickeln und zu fördern.
Ich verlange daher und werde für entsprechende Anträge im Ausschuß sorgen, daß nach dem Mitbestimmungsrecht, so wie das früher im Betriebsrätegesetz von 1920 war, die Wahl eines Angestelltenrats durch die Angestellten, eines Arbeiterrats durch die Arbeiter erfolgt und daß beide Gruppenräte zusammen dann den Betriebsrat bilden, um die gemeinsamen Aufgaben zu leisten, die sich für sie ergeben. Es kann der Angestelltenschaft nicht zugemutet werden, in Fragen, die nur sie selbst und sie allein angehen, im Betriebe
majorisiert zu werden. Ebensowenig könnte man das im umgekehrten Falle der Arbeiterschaft zumuten.
Ich bin also der Meinung, daß auf diesem Gebiete noch das eine oder andere zu regeln ist. Ich hoffe, daß das Mitbestimmungsproblem im Ausschuß in sachlicher Beratung im Sinne des Herrn Bundesarbeitsministers gelöst wird, also so gelöst wird, daß nicht ein Werk entsteht blutlos und leer, sondern ein Werk, vom Geiste der Beteiligten getragen, das für die wirtschaftliche Entwicklung von Segen ist.