Rede von
Dr.
Luise
Rehling
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Frau Antragstellerin hat vorhin, ich möchte sagen, ein Monopol für ihre Fraktion oder für sozialdemokratische Sozialpolitiker in
Anspruch genommen bezüglich der Festsetzung von Schutzbestimmungen für erwerbstätige Mütter. Ich möchte in aller Bescheidenheit doch darauf hinweisen, daß es um die Jahrhundertwende eine Reihe namhafter christlicher Sozialpolitiker gegeben hat, die dieser Frage größte Aufmerksamkeit zugewandt haben,
und daß auch gerade die um die Jahrhundertwende gegründeten christlichen Frauenverbände es stets als ihre vornehmste Pflicht betrachteten, sich für den Schutz der erwerbstätigen Mutter einzusetzen.
Im Namen der Fraktion der CDU/CSU möchte ich erklären, daß wir uns selbstverständlich hinter gesetzgeberische Maßnahmen stellen, die den Schutz der erwerbstätigen Mutter zum Ziele haben. Als in der 12. Sitzung des Deutschen Bundestages der Antrag der SPD-Fraktion, Drucksache Nr. 79, debattiert wurde, hat die Sprecherin meiner Fraktion diesen Standpunkt deutlich herausstellt. Ich möchte auch heute ausdrücklich betonen, daß wir uns durchaus der Verpflichtung bewußt sind, der erwerbstätigen Mutter, die über ihre Arbeit hinaus noch eine zusätzliche Leistung für Volk und Staat vollbringt, besondere Fürsorge angedeihen zu lassen.
Die Ausführungen der Frau Antragstellerin konnten vorhin den Eindruck erwecken, als wenn es sich hier um einen absolut neuen Gesetzentwurf handele. Dabei müssen wir aber doch feststellen, daß der vorliegende Entwurf eine Reihe Paragraphen aus dem Mutterschutzgesetz von 1942 übernimmt, dem ja nicht abzusprechen ist, daß es sozial fortschrittlich und kein ausgesprochen nazistisches Gesetz war. Die Frau Antragstellerin hat auch schon auf die bemerkenswerte Abweichung von § 1 des vorliegenden Gesetzentwurfs gegenüber dem gleichen Paragraphen in dem Gesetz von 1942 hingewiesen. Dieses Gesetz beschränkte den Geltungsbereich auf Frauen, die in Betrieben und Verwaltungen jeder Art beschäftigt sind. Es gab dem Reichsarbeitsminister die Möglichkeit, diese Bestimmungen auszudehnen auf Hausgehilfinnen, Hausangestellte, Heimarbeiterinnen und andere Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen oder in sonstiger Stellung Arbeiten in erheblichem Umfange ausführen, die der Arbeitsleistung der in Betrieben und in der Verwaltung tätigen Frauen entsprechen.
Für die in der Landwirtschaft tätigen Ehefrauen der Bauern und die mithelfenden weiblichen Familienmitglieder konnte der Reichsarbeitsminister ebenfalls Vorschriften über einen entsprechenden Mutterschutz erlassen. Er hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß sich sehr große Schwierigkeiten bei einer solchen Ausweitung ergeben haben würden.
Der § 1 des vorliegenden Entwurfs bezieht nun unter anderem die Frauen, die in der Hauswirtschaft tätig sind, in die gesetzliche Regelung mit ein. An diesem Punkt möchte ich von vornherein Bedenken anmelden, die in den Ausschußberatungen noch genauer zu begründen sein werden. Es ist doch heute so, daß im allgemeinen nur dort noch Hausgehilfinnen eingestellt werden, wo die Hausfrau entweder berufstätig oder nicht voll leistungsfähig ist oder mehrere kleine Kinder hat. Wie sie zu ihrem Recht kommen soll, wenn sie eine Arbeitskraft beschäftigt, die unter die Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes fällt, ist mir nicht klar, auch nicht, wie die finanzielle Belastung getragen werden soll, die durch Einstellung einer Ersatzkraft in den Monaten
vor und nach der Entbindung entsteht, ganz abgesehen davon, daß es außerordentlich schwierig sein dürfte, eine Ersatzkraft zu bekommen.
Bei einem Vergleich der Arbeit in einem Haushalt und der in Betrieben und Verwaltungen muß doch wohl auch ein wesentlicher Unterschied festgestellt werden. Die Beschäftigungsverbote für werdende Mütter, die in § 2 aufgeführt sind, treffen doch, wenn überhaupt, nur in ganz geringem Umfange für Hausgehilfinnen und Hausangestellte zu.
Abs. 2 des § 1 sieht nun vor, daß der Bundesarbeitsminister für Ehefrauen der Arbeiter, Angestellten und Beamten — die Frau Antragstellerin erwähnte vorhin schon alle die Kategorien — Vorschriften über einen entsprechenden Mutterschutz erlassen kann. Auf dem Papier nimmt sich das gewiß sehr schön aus, und wenn ich an so manche abgehetzte und überarbeitete Frau der genannten Personenkreise denke, dann möchte ich ihr von Herzen wünschen, daß sie in den Genuß solcher Schutzbestimmungen käme. Aber wie das praktisch realisierbar und finanziell möglich sein soll, vermag Ich mir nicht vorzustellen, es sei denn, daß man an eine völlige Verstaatlichung des Mutterschutzes denkt. Dieser Absatz wird jedenfalls noch einer eingehenden Erörterung bedürfen. Ich hatte zunächst den Eindruck, daß er vielleicht für die erschrockenen Hausfrauen, die ihre großen Bedenken wegen des Abs. 1 haben müssen, ein Pflästerchen sein sollte.
Bezüglich der Stillzeit plädieren wir dafür, daß die Bestimmungen des § 5 des Gesetzes von 1942 beibehalten werden. Die jetzige Fassung bringt eine offenkundige Verschlechterung insofern, als die Stillzeit bei einer zusammenhängenden Arbeitszeit von acht Stunden auf 3/4 Stunden festgesetzt wird, während im bisherigen Gesetz 45 Minuten Stillzeit schon nach einer zusammenhängenden Arbeitszeit von 41/2 Stunden gewährt wurde und bei acht Stunden auf Verlangen zweimal eine Stillzeit von 45 Minuten bzw. eine zusammenhängende Stillzeit von 90 Minuten.
Beim § 6, Kündigungsverbot, hat man die Fassung von 1942 übernommen, und wenn ich recht unterrichtet bin, hat das Bundesarbeitsministerium auch den Landesarbeitsministerien mitgeteilt, daß die Fassung 1942 und nicht die vom Wirtschaftsrat abgeänderte Fassung in Kraft ist. Nach Art. 129 Abs. 1 des Grundgesetzes müßte allerdings die Befugnis, Ausnahmen zuzulassen, wenn ein wichtiger Grund die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses erfordert, auf die Landesarbeitsminister übergehen. Es wird ja auch zur Zeit so gehalten, daß der Bundesarbeitsminister Entscheidungen nur bei Bundesangestellten trifft.
Die in § 7 vorgenommene Verbesserung der Sätze des Wochengeldes von 2 auf 3 DM und des Stillgeldes. von 50 auf 75 Pf. entspricht dem Beschluß des Wirtschaftsrates, dem auch meine Fraktion zugestimmt hat.
Wichtig ist sicherlich auch die unter § 9 in Übereinstimmung mit dem Gesetz von 1942 erneut erhobene Forderung auf Kindertagesstätten, in denen nach Möglichkeit nicht nur vorschulpflichtige Kinder, sondern auch schulpflichtige Kinder betreut und bei ihren Aufgaben beaufsichtigt werden sollten.
Früher waren schon solche Einrichtungen in großen
Werken vorhanden; diese stellten eine eigene Kindergärtnerin ein. Per Entwurf will nun die Gemeinden mit der Einrichtung der Kindertagesstätten belasten und spricht dem Bundesarbeitsminister die Befugnis zu, die Einrichtung solcher Kindertagesstätten zu bestimmen. Es ist nicht einzusehen, warum nicht die Betriebe wie früher maßgeblich zu den Kosten herangezogen werden sollen. Außerdem käme wohl für den Erlaß solcher Bestimmungen nicht der Bundesarbeitsminister in Frage, sondern die Sozial- und Innenminister der Länder.
In diesem Zusammenhang sei noch bemerkt, daß der § 13 des vorliegenden Entwurfs einer sorgfältigen Überprüfung insofern bedarf, als er eine nach Art. 80 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht mögliche Ermächtigung für den Bundesarbeitsminister enthält.
Zum Schluß möchte ich noch einmal betonen, daß die CDU/CSU aufs stärkste an der Schaffung eines zeitgemäßen Mutterschutzgesetzes interessiert ist und daß ihre Vertreter im Ausschuß für Arbeit, dem ich den Gesetzentwurf zu überweisen bitte, tatkräftig daran mitarbeiten werden, damit er, nachdem er so überraschend schnell in den Geschäftsgang gekommen ist, sobald wie möglich fertiggestellt wird.