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ID0108001900

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    Vokabeln: 6
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    6. Walter.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 80. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Juli 1950 2927 80. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 27. Juli 1950. Geschäftliche Mitteilungen 2928C, 2954D, 2964D, 2965D, 3024D Änderung der Tagesordnung 2928C Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb (Nr. 970 der Drucksachen) 2928D, 2929B Zur Geschäftsordnung: Euler (FDP) 2928D Dr. von Brentano (CDU) 2929A Mellies (SPD) 2929A Rademacher (FDP) 2987C Zur Sache: Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU), Antragsteller 2929C Freitag (SPD) 2937D Dr. Hammer (FDP) 2942C Dr. Dr. h. c. Lehr (CDU) 2946D Walter (DP) 2949D Frau Wessel (Z) 2952A Dr. Seelos (BP) 2955A Agatz (KPD) 2956A Dr. Miessner (DRP) 2960C Freudenberg (FDP) 2962A Raestrup (CDU) 2965A Arndgen (CDU) 2965D Böhm (SPD) 2966D Storch, Bundesminister für Arbeit 2969C Degener (CDU) 2971A Keuning (SPD) 2972A Harig (KPD) 2974B Dr. Veit (SPD) 2978A Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 2980A Freidhof (SPD) 2984A Loritz (WAV) 2987D, 2995B Lenz (CDU) 2989D Dr. Kleindinst (CSU) 2990D Mensing (CDU) 2992A Dr. Freiherr von Rechenberg (FDP) 2993A Dr. von Brentano (CDU), Antragsteller 2993D, 2995D Mayer (Stuttgart) (FDP) 2995D Günther (CDU) 2995D Lausen (SPD) 2996A Zur Abstimmung: Paul (KPD) 2996B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der in den Bundestag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes (Nr. 1153 der Drucksachen) 2996C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Vermittlung der Annahme an Kindes Statt (Nr. 1173 der Drucksachen) . . . . 2996C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der Mutter (Mutterschutzgesetz (Nr. 1182 der Drucksachen) . 2996D Frau Kipp-Kaule (SPD), Antragstelle- rin 2996D Frau Dr. Rehling (CDU) 2998B Frau Arnold (Z) 2999C Frau Thiele (KPD) 3000A Frau Dr. Ilk (FDP) 3000D Frau Kalinke (DP) 3001B Frau Döhring (SPD), Antragstellerin 3001D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Mandatsniederlegung des Abgeordneten Müller (Hannover) (Nr. 993 der Drucksachen) . . 3003B Dr. Brill (SPD), Berichterstatter . 3003B Fisch (KPD) 3004B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs über die Bildung eines vorläufigen Bewertungsbeirates (Nr. 975 und Nr. 1158, 1235 der Drucksachen) 3005D Dr. Kneipp (FDP), als Berichterstatter 3005D als Abgeordneter . . . . . . . 3008A Dr. Schmidt (Niedersachsen) (SPD) . 3007C, 3008C Wartner (BP) 3008D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (Nr. 924 und 1209 der Drucksachen) 3009C Dr. von Merkatz (DP) (zur Geschäftsordnung) 3009C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten — Milch- und Fettgesetz — (Nr. 1243 der Drucksachen) . . 3009D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Getreide und Futtermitteln (Getreidegesetz) (Nr. 968 und 1224 der Drucksachen) . . . 3009D Dr. Horlacher (CSU) : als Berichterstatter 3010A als Abgeordneter 3014A, 3015B Dr. Kather (CDU) 3012A, C Kriedemann (SPD) 3012D Dr. Baade (SPD) 3013C, 3014C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Festsetzung von Brotpreisen (Nr. 1161 und 1222 der Drucksachen) 3016A Struve (CDU), Berichterstatter . . 3016A Kriedemann (SPD) 3016B Harig (KPD) 3016C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für ERP-Fragen (15. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Verwendungsordnung der ERP-Zuwendungen (Nr. 1167, 661 der Drucksachen) 3017B Dr. Pfleiderer (FDP), Berichterstatter 3017B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Kürzung der Versorgungsbezüge (Nr. 1174, 434 der Drucksachen) . . . . 3019B Dr. Wuermeling (CDU): zur Geschäftsordnung 3019B als Berichterstatter 3019C als Abgeordneter 3020A Herrmann (SPD) 3020D Melliez (SPD) 3021C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Ollenhauer u. Gen. betr. Vorlage eines Gesetzentwurfes über die Regelung der Versorgung der Körperbeschädigten und Hinterbliebenen durch Kriegsfolgen und über den Antrag der Fraktion der DP betr. Sozialversicherung (Nr. 1180, 30, 36 der Drucksachen) . . . . 3021D Mende (FDP), Berichterstatter . . . 3022A Storch, Bundesminister für Arbeit . . 3022D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kriegsopfer und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Spies, Strauß, Stücklen, Frau Dr. Probst u. Gen. betr. einheitliche Anerkennung der Schwerbeschädigtenausweise (Nr. 1181, 1004, 1236 der Drucksachen) 3023A Langer (FDP), Berichterstatter . . 3023B Spies (CSU) 3023C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) über den Antrag der Abg. von Thadden u. Gen. betr. Beseitigung der Entrechtung der ehemaligen Wehrmachtangehörigen und ihrer Hinterbliebenen (Nr. 1187, 1060, 1247 der Drucksachen) 3024A Dr. Kleindinst (CSU) 3024B Frist für Rednerkorrekturen der stenographischen Niederschriften 3024D Nächste Sitzung 3025C Die Sitzung wird um 9 Uhr 13 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Rede von Dr. Robert Lehr


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von dem Mitbestimmungsrecht und den verschiedenen Entwürfen, die heute vorgelegt werden, gilt das Wort, das Schiller seiner Wallenstein-Trilogie zugrunde gelegt hat:
    Von der Parteien Haß und Gunst entstellt,
    schwankt ihr Charakterbild in der Geschichte. Ich glaube nicht, daß die Schärfe mancher Auseinandersetzungen, die ich persönlich sehr bedauert habe, im Anfang der Besprechungen dazu beigetragen hat, die Entwürfe unserem Herzen menschlich näherzubringen. Ich möchte mich bemühen, in rein sachlicher Darstellung zu Ihnen von den Grundgedanken zu sprechen, die uns beseelt haben, als wir dieses Rahmengesetz schufen.
    Meine verehrten Damen und Herren, wir können bei dieser Frage des Mitbestimmungsrechts wirklich nicht nur von verstandesmäßigen Überlegungen ausgehen, wenn es sich darum handelt, eine neue Gemeinschaftsordnung zu schaffen, eine neue Wirtschaftsverfassung zu entwerfen, die unserem Wirtschaften für die Zukunft eine neue Blickrichtung geben soll. Das ist nicht nur eine Sache des Verstandes, das ist auch eine Sache des Herzens.

    (Abg. Dr. von Brentano: Bravo! — Abg. Dr. Wellhausen: Gott sei Dank!)

    Als der Entwurf noch nicht einmal eingebracht war, erhoben sich schon Stimmen der Kritik bereits an den Fragen der Zuständigkeit. Es sind selbst von den hohen Regierungssitzen aus Zweifel erhoben worden, ob wir, nachdem die Regierung mit dieser Materie schon einmal befaßt war, eigentlich noch sachlich legitimiert seien, die Initiative zu ergreifen. Meine Damen und Herren, der Verzicht auf das Initiativrecht ist selbst dann für eine Partei un-


    (Dr. Dr. h. c. Lehr)

    möglich, wenn sie ein Königsmacher ist und wenn sie selber ihre Minister abordnet.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Vielleicht ist noch irgendein Ressentiment bei unserer Regierung zurückgeblieben; denn die nicht gerade vollzählige Besetzung der Ministerbank deutet immerhin auf ein Überbleibsel eines solchen Ressentiments hin.

    (Abg. Mellies: Das ist doch keine Seltenheit, sondern tägliche Übung!)

    Uns aber von der CDU/CSU ist jede Initiative der Regierung durchaus erwünscht gewesen. Wir haben die fortgesetzten Bemühungen unseres Arbeitsministers Storch mit den besten Wünschen von uns aus begleitet und ihm vollen Erfolg gewünscht und wünschen ihm den Erfolg auch heute noch.
    Aber wir haben heute morgen einen Einblick bekommen, warum trotz der in diesen Verhandlungen und Gesprächen zutage getretenen guten Haltung auf allen Seiten ein Erfolg ausblieb; denn ganz offensichtlich haben hinter diesen Verhandlungen machtpolitische Erwägungen gestanden, die die Einigung erschwert und die Verständigung am Schluß vereitelt haben. Beide Sozialpartner sind dazu übergegangen, ohne Rücksicht auf diese Gespräche in Denkschriften und in Gesetzesvorschlägen ihre Meinungen festzulegen. Damit war bestätigt, daß das Mitbestimmungsrecht seit langem nicht nur im Brennpunkt des politischen Interesses steht, sondern daß es auch gleichzeitig die umstrittenste aller Fragen geworden ist, die wir auf wirtschaftlichem Gebiet heute zu lösen haben. Und damit waren der Grund und die Notwendigkeit gegeben, auf der politischen Ebene die Initiative zu ergreifen und vor diesem Forum die Fragen zu entwickeln, deren Lösung offenbar den Partnern nicht möglich gewesen ist.
    In einem Zeitpunkt außenpolitischer Bedrohung, die unser ganzes innerpolitisches Leben überschattet, müssen eben alle Anstrengungen darauf gerichtet werden, den Wirtschaftsfrieden zu sichern, und es müssen von allen im Betrieb heute wirk. samen Kräften die höchsten Leistungen verlangt werden. Dann dürfen aber auch auf der anderen Seite keine Schritte unterlassen werden, welche klar zutage getretene Spannungen beseitigen können.
    Nach dem Zusammenbruch des Jahres 1945 war uns allen klar, daß die Völker zu einer umfassenden Neuordnung der Beziehungen untereinander und auch innerhalb ihres eigenen Staatenbaues aufgerufen wurden, und das gilt vor allem für uns in Deutschland. Insbesondere galt es, von neuem eine sozial verpflichtete Wirtschaft aufzubauen und sich dabei von Rückerinnerungen an vergangene Machtkämpfe, an frühere Vorurteile und an etwaige Klassengegensätze freizuhalten. Aus dieser Erkenntnis hat die CDU/CSU das Ahlener Programm und die Düsseldorfer Leitsätze entwickelt. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, dem deutschen Volk durch eine Gemeinschaftsordnung eine Wirtschafts- und Sozialverfassung zu geben, die dem Recht und der Würde des Menschen entspricht, dem geistigen und materiellen Aufbau unseres Volkes dient und den inneren und äußeren Frieden sichert.

    (Sehr gut! bei der CDU.)

    Das ist auch die Tendenz unseres Rahmengesetzes. Entsprechend dem Programm und in Übereinstimmung mit unseren sozialpolitischen Leitsätzen geht dieser Entwurf von der Würde des arbeitenden Menschen aus. Die Stellung, die er dem Menschen
    im Betrieb gibt, soll ihm nicht nur seine Existenz, sondern gleichzeitig auch eine neue Wertung seiner Arbeitskraft als einer sittlichen Leistung und als Grundlage der körperlichen und seelischen Entfaltung des Menschen im Betrieb sichern.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Aus manchem gegnerischen, aber selbst auch aus befreundetem Lager haben manche geglaubt, daß solche Grundgedanken, wie ich sie eben vor Ihnen entwickelte, wohl in der Theorie leicht auszusprechen seien, aber schwer in der Praxis zu verwirklichen seien, nach dem Gedanken, daß leicht beieinander die Gedanken wohnen, aber hart im Raume sich die Sachen stoßen. Und es hat mancher geglaubt, daß eine so große Weltanschauungspartei in ihrer vielfältigen Zusammensetzung wie die unsere bei dem Bemühen, solche Pläne und konstruktive Gedanken in die Tat umzusetzen, Schiffbruch erleiden, vielleicht sogar vor einer Zerreißprobe stehen würde. Die Fraktion der CDU/CSU ist sich dieser Schwierigkeiten durchaus bewußt gewesen, aber sie hat trotzdem ihre Aufgabe entschlossen angefaßt. Selbstverständlich sind auch in unseren Reihen zu verschiedenen Punkten Bedenken erhoben worden, und sie bestehen in mancher Hinsicht an dieser oder jener Stelle auch heute noch. Aber entscheidend ist für uns gewesen, daß das hohe Ethos unserer christlichen Auffassung über solche einzelnen Meinungsverschiedenheiten hinweg zu dem großen Ziel trägt, das wir uns gemeinsam gesetzt haben.

    (Zustimmung bei der CDU.)

    Entscheidend war und blieb, daß unsere christlichen Grundsätze nach wie vor das einigende Band sein müssen und es geblieben sind, um den Blick auszurichten auf das große programmatische Ziel eben neuer Formen der Zusammenarbeit im Sinne echter Partnerschaft und leistungsgemeinschaftlicher Verbundenheit bei beiderseitiger Verantwortung für das gemeinsame Werk.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Deshalb konnte der von unserer Fraktion eingereichte Entwurf mit vollem Recht die Unterschrift tragen: von Brentano und Fraktion. Es hat sich keiner ausgeschlossen.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Daß an diesem Entwurf noch gefeilt werden muß und daß in kommenden Ausschußverhandlungen an gewissen Punkten noch Kritik geübt wird und Abänderungsvorschläge gemacht werden, ist uns klar. Aber wir haben dem Hohen Hause auch ein Rahmengesetz vorgelegt, das Ziele und Wege zwar klar aufzeigt, aber keinesfalls bis in die letzten Einzelheiten in die Betriebe hineinregieren will und das Verhältnis zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer im einzelnen paragraphenmäßig ordnen will. Wir waren uns der Vielfalt der deutschen Wirtschaft ebenso bewußt, wie wir wissen, daß über Gesetzesparagraphen hinweg das Einvernehmen zwischen den beiden Partnern und die aus ihm entspringende gemeinsame echte Betriebsvereinbarung wichtiger ist. Wir wissen, daß über der Theorie die aus praktischer Erfahrung erwachsenen Kenntnisse stehen und wollen die notwendige Bewegungsfreiheit in den einzelnen Betrieben in keiner Weise einengen. Wir wollen aber auch auf der anderen Seite durch ein Rahmengesetz aufzeigen, daß diese Betriebsvereinbarungen in einem Rahmen bleiben müssen, der die Existenzgrundlage der Beteiligten sichert und der Arbeitsleistung den neuen Sinn unterlegt, den wir ihr geben wollen.


    (Dr. Dr. h. c. Lehr)

    Wir haben bewußt den Weg des Rahmengesetzes gewählt, weil es uns daran lag, nunmehr aus dem Stadium der Erwägungen heraus zum zielbewußten Handeln zu kommen, und weil Beschlüsse und Denkschriften in ihrer Wirksamkeit vor einem in großen Zügen entworfenen Gesetzesvorschlag zurücktreten. Weil wir in lauterer Absicht diesen Entwurf auf der politischen Ebene vorlegen, erheben wir auch den Anspruch auf eine sachliche Würdigung des Ihnen Vorgelegten. Wir bedauern es, daß trotz der guten Haltung in den Hattenheimer Gesprächen und in Maria Laach in der letzten Zeit Schärfen aufgetreten sind, die der erstrebenswerten Einigung zuliebe besser unterblieben wären.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wir sollten diesseits des Eisernen Vorhangs, meine Damen und Herren, bei der Neuordnung unserer sozialen Verhältnisse das Ziel der Einigung durch Verständigung und nicht durch Machtmittel suchen, nicht einmal durch Androhung von Machtmitteln, die eventuell eingesetzt werden könnten.

    (Abg. Dr. Oellers: Ausgezeichnet! — Beifall in der Mitte.)

    Aus dem gleichen Gedankengang heraus und auf das Ziel der Einigung ausgerichtet, sollen wir uns auch vor allzu extremen Forderungen hüten. Ich muß in dieser Beziehung sagen, daß der Entwurf der Gewerkschaften dieser Forderung nicht entspricht. Er sagt in seinem Vorwort selbst:
    Mit diesem Gesetz werden Probleme aufgeworfen, wie sie in der Wirtschaftsgeschichte kaum jemals als Aufgabe einer organisatorischen oder soziologischen Neuordnung gestellt worden sind.
    Meine Damen und Herren, ich will nicht auf Einzelheiten des Entwurfs und auch nicht auf den Entwurf der SPD eingehen, der uns heute morgen vorgelegt wird und der mir nach einem ersten Überblick zeigt, daß er wohl dem Entwurf der Gewerkschaften vollinhaltlich entspricht. Ich möchte zusammenfassend den Eindruck wiedergeben, den ich aus dem Gesamten gewonnen habe, daß nämlich Wesen und Ziel dieses Entwurfes einheitlich klar auf die Forderung nach politischer Macht in der Wirtschaft ausgerichtet sind. Das Ziel des Entwurfes ist die mittelbare oder unmittelbare Beherrschung der Wirtschaft durch die Gewerkschaften selbst, die hier ein Führungsmonopol erstreben, wie wir es bisher in der Wirtschaft noch nicht gehabt haben. Wir, die wir den Grundsatz des machtverteilenden Prinzips vertreten, lehnen jede mit dem Gemeinwohl unverträgliche Beherrschung der Wirtschaft oder wesentlicher Teile der Wirtschaft durch Staat, Privatpersonen oder Organisationen innerhalb oder außerhalb des Staates oder durch Gruppen irgendwelcher Art in gleicher Weise ab.
    Man möge hier nicht sagen, daß ein solches Urteil aus irgendwelchen Ressentiments heraus gefällt wird. Auch im Ausland hat man diese machtpolitische Tendenz des Gewerkschaftsentwurfs klar erkannt. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich aus dem „Economist" vom 10. Juli ein kurzes Zitat vortragen, das so lautet:
    Die letzte Entwicklung im Kampf des Deutschen Gewerkschaftsbundes um einen Anteil an der Kontrolle der Industrie läßt annehmen, daß er den gesunden Sinn, den er in Lohnforderungen bewies, verloren hat. Seine nun formulierten Forderungen gehen so weit über die Grenzen der Vernunft oder der demokratischen Praxis hinaus, daß der Deutsche Gewerkschaftsbund sich selbst der Beschuldigung aussetzt, es sei ihm mehr an einer konzentrierten Macht über die Industrie in den Händen seiner zentralen Körperschaft als an der Sicherung von Vorteilen für die einzelnen Mitglieder der Gewerkschaften gelegen. Der Gewerkschaftsbund schlägt nicht weniger als eine Revolution zu seinen ausschließlichen Gunsten vor, ohne einen Auftrag von der Wählerschaft hierfür zu haben.
    Soweit der „Economist", diese führende englische Wirtschaftszeitung.
    Unsere Auseinandersetzungen innen- und sozialpolitischer Art müssen sich von machtpolitischen Erwägungen freihalten. Wir sollen uns auch nicht in den Kampf um Ideologien und um Schlagworte verwickeln. Wir wollen hier nicht dem rein Doktrinären verhaftet bleiben, sondern aus den Erfahrungen der Praxis heraus neu schaffen und neu formen und das Problem lösen. Wenn wir uns wieder in grundsätzlich einander gegenüberstehende Lager teilen, gefährden wir diese große, entscheidende Reform. Mit Recht sagt der „Katholische Beobachter" im April dieses Jahres:
    Dann sind wir wieder so weit, daß am gegenseitigen Nicht-Verstehen und Nicht-Entgegenkommenwollen eine große Aufgabe gescheitert ist, die als eine echte und gute soziale Evolution ob ihrer fruchtbaren Wirkung auf die Gemeinschaft nicht nur zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern wichtiger wäre als eine einseitig erfolgte Machtprobe.

    (Sehr gut! bei der CDU.)

    Gerade aus diesem Gesichtspunkt ist der Einsatz des Bundesparlaments am Platz, nachdem ersichtlich die Verständigungsbemühungen unter den Partnern nicht zum Erfolg geführt haben.
    Der Entwurf beschränkt sich auf das innerbetriebliche Mitbestimmungsrecht. Die Frage der Mitbestimmung auf überbetrieblicher Ebene soll aber von uns ebenso entschieden wie die auf innerbetrieblicher Ebene angefaßt werden. Aber wir glauben, daß dies besser durch eine besondere Gesetzgebung geschieht, die das staatsrechtliche Problem des Verhältnisses von Staat und Wirtschaft in besonderem Gesetz von der Grundlage der Verfassung ausgehend neu regelt.
    Unser Entwurf geht vom Schutz der Betriebsfamilie aus. Er will ein Damm sein gegen ihre Überfremdung. Er baut sich von unten nach oben auf, und dabei berücksichtigen wir, daß im allgemeinen doch in der deutschen Wirtschaft ein durchaus gutes Verhältnis zwischen Betriebsführungen und Belegschaften in unserer Gesamtwirtschaft besteht. Sonst wären ja die die übrige Welt in Erstaunen setzenden hervorragenden Leistungen in unserer Wirtschaft — ungeachtet dabei der amerikanischen Unterstützung — gar nicht möglich gewesen. Wenn man von diesem guten Verhältnis ausgeht, dann ist mit dem Grundgedanken der Betriebsfamilie gleichzeitig auch eine Abgrenzung gegeben. Das Wort Betriebsfamilie bedeutet im Grundsatz, daß betriebsfremde Einflüsse auf die Gestaltung des Betriebs nach Möglichkeit ausgeschaltet werden sollen und daß es ureigene Sache der Betriebsangehörigen selbst ist, wie sie ihr Mitbestimmungsrecht ausüben wollen und durch wen.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Es muß vermieden werden, daß die Betriebe Kampfplätze für Kräfte werden, die außerhalb des Betriebes stehen.

    (Sehr gut! — Sehr richtig! in der Mitte und rechts.)



    (Dr. Dr. h. c. Lehr)

    Diese Einstellung entspricht folgerichtig dem Bekenntnis der CDU/CSU vom Wert der Einzelpersönlichkeit, vom Wert des schaffenden Menschen und seiner Würde und ist recht zu verstehen vom Blickpunkt einer Absage aus an den Begriff des Kollektivs.

    (Sehr gut! bei der CDU.)

    In dem Kollektiv sehen wir von unserem Blickpunkt aus den schlimmsten Feind der Menschheit und den schlimmsten Feind jeglicher Kultur.

    (Sehr gut! und Beifall in der Mitte und rechts.)

    Meine Damen und Herren! Zu diesem Thema hat vor kurzem Papst Pius XII. in seiner Ansprache an den Kongreß des Instituts für Sozialwissenschaften an der Universität Freiburg beim Internationalen Sozialkongreß in Rom gesprochen. Er hat auf die fundamentale Bedeutung des Privateigentums hingewiesen und auf dessen Einfluß auf die unternehmerische Initiative. Über diese Worte ist viel orakelt worden, und es sind mancherlei Kommentare gegeben. Aber eines habe ich daraus gehört: die ernsthafte dringende Mahnung von dieser hohen Warte aus an die Menschheit, wirtschaftliche Verantwortungen nicht im Sinne anonymer Kollektivität ordnen zu wollen.

    (Sehr gut! bei der CDU.)

    Soweit es sich innerhalb der Betriebsfamilie um die Regelung menschlicher und vertraglicher Arbeitsangelegenheiten handelt, kurz: um das ganze soziale Problem, bedurfte es ja eigentlich keiner Neufassung. Die Praxis hat hier das Mitbestimmungsrecht voll anerkannt, genau so wie es unser Entwurf betont. Der Mensch ist so wenig Handelsware nach diesem Entwurf wie die von ihm geleistete Arbeit; und die ihm zukommende Bedeutung soll ihm ebenso gesichert werden wie die Existenz und sein Arbeitsplatz. Hier handelt es sich überhaupt nicht mehr um grundsätzliche Meinungsverschie denheiten. Bei personalen Angelegenheiten sind wir uns ebenso im grundsätzlichen einig, aber wir verkennen auf der anderen Seite nicht, daß auf der personellen Ebene Entscheidungen unter Umständen von höchster wirtschaftlicher Bedeutung sein können. Das wird sich namentlich auf die Besetzung leitender Stellen beziehen. Der Entwurf hat sich bemüht, hier einen Ausgleich zu schaffen, einen Ausgleich zwischen den berechtigten Ansprüchen auf Arbeitnehmerseite einerseits und der Unternehmerverantwortung andererseits. Der Ausgleich ist, wie Sie wissen, umstritten; aber die Schwierigkeiten liegen nach meinem Empfinden mehr in der Gestaltung und in der Abgrenzung als in grundsätzlichen Erwägungen, so daß ich glaube, daß wir hier sehr wohl zur Einigung kommen können.
    Der Schwerpunkt liegt in Formulierungen über das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht; und hier allerdings sind die Meinungsverschiedenheiten grundsätzlicher Art. Wir haben uns mit heißem Herzen bemüht, eine Synthese zu finden zwischen dem berechtigten Verlangen des Arbeitnehmers nach Sicherung und Erhaltung seiner Existenz und seines Arbeitsplatzes einerseits und der Anerkennung der Unternehmensleistung als der Trägerin der Verantwortung für Bestand und Fortentwicklung des Unternehmens andererseits. Wir haben hier ebenso ernsthaft die Frage der Vertretung in den Aufsichtsräten geprüft, und mir scheint es so, als ginge der Kampf jetzt mehr um die Zahl als um den Grundsatz, daß der Betrieb frei sein soll, wen er in seine Aufsichtsräte delegiert. Das hat er bisher schon bei den Aufsichtsräten der Kapitalgesellschaften getan. Es ist nicht einzusehen, warum er dieselbe Freiheit der Wahl nicht auch unter neuen Verhältnissen haben soll.

    (Sehr gut! bei der CDU.)

    Der Entwurf geht von dem Blickpunkt aus, daß die Forderung auf Mitwirkung der Arbeitnehmer in wirtschaftlichen Angelegenheiten des Betriebes verständlich und vertretbar ist. Andererseits haben wir bei unseren Formulierungen nicht verkannt, daß gerade im wohlverstandenen Interesse der Arbeitnehmer die unternehmerische Initiative und unternehmerische Verantwortung nicht eingeschränkt oder gar unmöglich gemacht werden darf. Ich finde es sehr beachtlich, daß wir neben Kapital und Arbeit die unternehmerische Leistung voll als ein Drittes anerkennen, was dem Betrieb und seinem Erfolg erst die Blickrichtung und sein Wirksamwerden gibt. Ich finde, daß wir hier eine weitgehende Angleichung an die Richtlinien zur Sozialpolitik der Sozialausschüsse der CDU/CSU haben, in denen am 5. Februar in Oberhausen unter anderem gesagt wurde:
    Das Mitbestimmungsrecht in wirtschaftlichen Fragen muß den Notwendigkeiten einer rationellen Betriebsgestaltung entsprechen. Die laufenden Geschäfte, die unverzügliche Entscheidung und verantwortliche Initiative verlangen, daß das wirtschaftliche Anordnungs-
    und Durchführungsrecht in den Betrieben und Unternehmen und auch auf die Letztentscheidung in bestimmten Fragen der Betriebsführung, den Unternehmern bzw. der Betriebsleitung verbleiben. Es muß klargelegt werden, in welchen Fällen das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats voll zur Anwendung kommen soll.
    — Also in laufenden Geschäften ebenso wie bei der Letztentscheidung in bestimmten Fragen sind wir uns hier mit den Sozialausschüssen voll einig. Es sollte möglich sein, über diese Brücke hinweg auch das schwierige Kapitel der wirtschaftlichen Mitbestimmung im Betrieb befriedigend zu regeln. Es ist die Aufgabe unserer Ausschüsse, an Hand der konkreten Vorschläge, die wir Ihnen in Form eines Rahmengesetzes vorlegen, nunmehr den politischen Gesamtwillen dieses Hauses oder seiner Mehrheit zu formen.
    Meine Damen und Herren! Ich bin damit am Schlusse meiner Ausführungen und möchte hoffen, daß wir angesichts der schweren Wolken, die am außenpolitischen Himmel aufgestiegen sind, aus dem Ernst der Situation heraus das verstärkte Bestreben empfinden, zueinanderzukommen und uns nicht auseinanderzureden. Dieses Bemühen, ausgleichend zu wirken, hat mich bei meinen Ausfürungen beseelt. Möge es uns vergönnt sein, in kurzer Zeit hier eine Form zu finden, die uns hinüberführt zu einer Zukunft, in der eine Wirtschaftsform herrscht, die dem Wohle der Gesamtheit in einer neuen Wirtschafts- und sozialen Entwicklung dient.

    (Bravo! und Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Walter.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Albert Walter


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)

    Meine Damen, meine Herren! Um keinen Zweifel an der Einstellung meiner Fraktion zu dem ernsten und wichtigen Problem der Mitbestimmung der Arbeiter in den Betrieben aufkommen zu lassen, erkläre ich, daß wir bereit und


    (Walter)

    entschlossen sind, dabei mitzuhelfen, um in den Betrieben unserer Bundesrepublik zu einer sozialen Neuordnung zu kommen, die für jeden Arbeiter, für jeden Betriebsführer und

    (Zuruf von der KPD: Betriebsführer?)

    für jeden Unternehmer annehmbar ist und die vor
    allen Dingen den Gesamtinteressen unseres Volkes
    zu dienen geeignet ist. Diese neue Sozialordnung
    muß frei sein von allem Zwang zu Streiks, sie muß
    frei sein von dem Zwang zu unsinnigen Demonstrationen, die zu nichts anderem führen als dazu,
    unser Wirtschaftsleben zu stören, und sie muß frei
    sein von der Drohung mit Gewalt, um politische und
    wirtschaftliche Machtpositionen erringen zu wollen.

    (Lachen und Zurufe links.)

    Es ist notwendig, meine Damen und Herren, daß dies mit aller Klarheit betont wird.
    Nun haben wir den Entwurf des Gesetzes der CDU über die Mitbestimmung hier zu beraten. Die Ausführungen des sehr verehrten Herrn Kollegen Dr. Lehr,

    (Zuruf von der SPD: Na, na!)

    die sich eingehend mit der Zielsetzung dieses Entwurfs beschäftigten, konnten einem, wenn man sie hörte, vorkommen, als seien sie ganz leidlich. Herr Dr. Lehr betonte vor allem, in dem Entwurf sei vorgesehen, daß Einflüsse von außen auf unsere Betriebsführung nach Möglichkeit ausgeschaltet werden sollten. Sehr gut, und doch scheint es ein wenig schief darum zu stehen, wenn man den Entwurf der CDU genauer betrachtet und die Paragraphen richtig würdigt. Da ist zum Beispiel der § 46, der diese Klarheit vermissen läßt. Der § 46 des Entwurfs läßt nicht nur zu, sondern er begünstigt sogar den Einfluß von Kräften außerhalb der Betriebe
    auf die Wirtschaftsführung. Aber auch einige andere Abschnitte des Entwurfs geben zu allerlei Bedenken Anlaß, und es wird notwendig sein, sehr ernst darüber zu diskutieren, um das, was wir wollen und was alle wollen müssen, nämlich den Wirtschaftsfrieden in unseren Betrieben zu erhalten, mit aller Klarheit sicherzustellen. Wenn wir ein Mitbestimmungsrecht schaffen wollten, das geeignet wäre, den Wirtschaftsfrieden in unseren Betrieben zu stör en, dann glaube ich, sind einige Paragraphen des Entwurfs dafür geeignet. Auch der § 45, der in seinen Forderungen weitergeht als der Entwurf der Gewerkschaften und der Sozialdemokratie, ist nicht annehmbar, und, wie gesagt, in den Ausschüssen wird darüber ernst zu sprechen sein.
    Nun zu dem, was hier grundsätzlich über die soziale Neuordnung in unserer Wirtschaft gesagt worden ist. Da sind in der Diskussion schon ernste Worte gefallen, Worte der Drohung, Worte der Beschwichtigung und Worte, die darauf schließen lassen, daß wir es noch mit ernsten Auseinandersetzungen zu tun haben werden, ehe wir erreichen, daß die soziale Neuordnung unserer Wirtschaft sowohl wie die der Interessen unseres gesamten Volkes gewährleistet ist.
    Einige Bemerkungen zu dem, was der Herr Kollege Freitag anführte. Er betonte, wenn unsere Wirtschaft nicht harmonisch gelenkt werde und wenn unsere Arbeiter in den Betrieben nichts zu sagen hätten — damit meinte er natürlich die Gewerkschaften, die Gewerkschaftsführung —, kann der Arbeitsfrieden nicht garantiert werden. Ich möchte hier einflechten, daß wir nichts gegen die Gewerkschaften haben, im Gegenteil, wenn sie noch nicht da wären, müßten sie geschaffen werden. Aber das eine: Die Gewerkschaften müssen begreifen, daß
    seit ihrer Gründung und seit der Schaffung der deutschen Arbeitervereine immerhin viele Jahrzehnte vergangen sind. Die Gewerkschaften können heute unmöglich mit den Parolen des abgewirtschafteten Klassenkampfgedankens operieren und dabei behaupten, daß sie so die Interessen der Arbeiter wahrnehmen. Die Gewerkschaften sollten begreifen, daß heute im Zeitalter der Atombombe ihre Aufgaben ganz andere sind als vor 80 oder 90 Jahren.

    (Zuruf von der SPD.)

    Es ist in diesem Zusammenhang gesagt worden, daß die deutschen Gewerkschaften in Verbindung mit ihren internationalen Kollegen bereit wären, dafür zu sorgen, daß die deutsche Wirtschaft sich entwickle und daß damit der Arbeitsplatz der Arbeiter gesichert sei. Zu dieser Sicherheit wäre einiges zu sagen. Wenn in den Betrieben Leistungen zustande kämen, wie sie von den Gewerkschaften gefordert werden, dann würde es wahrscheinlich um die Rentabilität der Betriebe schlecht stehen. Dann würde das, was wir wollen, nämlich die Arbeiter vor der Not bewahren, in weitestem Maße illusorisch werden. Es ist notwendig, auf die Gefahr hinzuweisen, die entstehen muß, wenn Kräfte außerhalb des Betriebes in den Betrieben mitbestimmen wollen über Sachen, die einzig und allein die Betriebsleitung und die Belegschaft des Betriebes angehen.

    (Zuruf von der SPD.)

    Herr Kollege Freitag hat hier verschiedene Länder angeführt, an denen wir uns ein Beispiel nehmen sollten. Er hat Schweden angeführt; er hat England angeführt, er hat die Vereinigten Staaten angeführt. Ich möchte Ihnen einiges darüber mitteilen, wie man in diesen Ländern über die wichtige Angelegenheit der Mitbestimmung denkt. Daß die englische Planwirtschaft, die Labourregierung sich weder von den Betriebsräten noch von irgend jemand in ihrer Planung beeinflussen oder mitreden läßt, dürfte Ihnen bekannt sein.

    (Abg. Wehner: Sagen Sie das in der Nazibroschüre, die Sie im Krieg geschrieben haben?)

    — Die brauche ich nicht heranzuholen. Aber auch
    Sie können aus dieser Broschüre noch etwas lernen.
    Wichtig erscheint mir, was die amerikanischen Gewerkschaftsführer zu dem Problem der Mitbestimmung zu sagen haben. Ihnen wird ja Mr. William Green, der Präsident der AFL, bekannt sein; er behandelt die Frage des Mitbestimmungsrechts in folgenden Sätzen:
    Die Trennungslinie zwischen der Ausübung der Rechte der Arbeiter und der Leitung muß genau eingehalten werden. Die vereinzelt vertretene Anschauung, die Arbeiterschaft solle sammen mit der Leitung das Eigentum verwalten, kann nicht angenommen werden. Die Freiheit der Arbeiter hängt ihrerseits ab von der Handlungsfreiheit der Unternehmensleitung.
    Das sind Sätze, die sich die deutschen Gewerkschaftsführer merken sollten.
    Hören Sie auch den Präsidenten der radikalen Gewerkschaft der CIO, des Congress of Industrial Organisation, Mr. Murphy. Er sagt:
    Den Leiter oder die Leitung in der Verantwortung für den Unternehmenserfolg zu entlasten, wäre so etwa das letzte, das irgendeine Gruppe von Arbeitern, ob organisiert oder nicht, als richtig oder gar erwünscht ansehen würde. Die


    (Walter)

    Gewerkschaften haben oft genug zum Ausdruck gebracht, daß letztlich der Betriebsleitung die Führung des Unternehmens obliegt, wenn die Firma finanziell und sonst erfolgreich sein soll.
    Und schließlich noch ein paar Worte von Mr. John Louis, dem Führer der Bergarbeiter:
    Die Bergarbeiter wünschen, daß die Verantwortlichkeit der Betriebsleitung dort liegt, wo sie immer gelegen hat. Der Bergbau ist ein schwieriger Zweig, eine technische Industrie, die unter hohem Wettbewerb und unter großen Risiken arbeitet und in der es unklug wäre, die Verantwortung der Betriebsleitung aufzuteilen.
    Das sind Ausführungen amerikanischer Gewerkschaftsführer, die, glaube ich, wohl zu beachten sind.

    (Zuruf von der SPD: Das sind keine Zeugen für Sie!)

    Wenn nun aber von unseren Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion sowohl wie in den Artikeln der Gewerkschaftszeitungen immer wieder betont wird, die Gewerkschaften seien es gewesen, die dafür gesorgt hätten, daß der Bolschewismus bei uns keinen Eingang und keinen Einfluß finden könne, und wir hätten es allein den Gewerkschaften zu danken, daß die Kommunisten in einer so verschwindenden Minderheit geblieben sind, dann möchte ich in aller Bescheidenheit darauf hinweisen. daß es weniger das Verdienst der Gewerkschaften war und ist,

    (Zuruf von der SPD: Sondern?)

    — sondern — überlegen Sie mal ein klein wenig —
    Herr Stalin selbst ist es gewesen, der daffir gesorgt
    hat. daß der Kommunismus und die Kommunisten
    hier bei uns nicht hochkommen konnten. weil er unseren Vertriebenen aus dem Osten sowohl wie unseren Kriegsgefangenen. aber auch unseren Arbeitern drüben in der Ostzone täglich vordemonstriert. welche Bewandtnis es mit seinem sozialistischen Staate und seiner demokratischen Staatsführung hat.

    (Abg. Fisch: Das haben Sie wohl alles in der Nazizeit gelernt?!)

    Ich darf Sie versiehern, Herr Fisch, daß ich das an der Quelle des Übels gelernt habe und ich werde Ihnen bei Gelegenheit noch andere Wahrheiten sagen.

    (Abg. Fisch: Das glaubt Ihnen kein Mensch!)

    Der Kampf gegen den Bolschewismus — und ich glaube, es ist im Zusammenhang mit den Entwürfen zu dem Gesetz über das Mitbestimmungsrecht wohl wert, daß man darüber ernstlich spricht — kann nicht geführt werden durch die Hereinnahme außerhalb der Betriebe Stehender in die Aufsichtsräte. Ich glaube, daß eine solche Maßnahme leicht ins Gegenteil umschlagen kann. Denn vergessen Sie nicht, daß die Gewerkschaften auch heute noch von Kräften durchsetzen sind, die jede Stunde bereit sind, dem Befehl des Kremls zu folgen und die Gewerkschaftsbewegung für ihre dunklen Ziele zu benutzen. Hier ist äußerste Wachsamkeit geboten Sie mögen mir entgegenhalten, daß Sie schon aufpassen werden. Darauf kann ich nur erwidern, daß
    wir uns an die Beispiele der Geschichte, der Vergangenheit sowohl wie der Gegenwart, halten und daraus lernen sollten.

    (Abg. Fisch: Über die Geschichte sind Sie falsch orientiert!)

    Was im übrigen diese Beispiele angeht, meine Herren: Sehen wir mal rüber nach England und
    betrachten wir uns die Schwierigkeiten, die die Labour-Regierung durch ihre Gewerkschaften mit denjenigen hat, die vorgeben, für die Interessen der Arbeitnehmer einzutreten. Betrachten wir die Vorgänge nicht nur in England, sondern auch in Amerika, in Frankreich und in der ganzen Welt, dann erkennen wir, wie die Heloten des Kremls zu jeder Stunde bereit sind, die geordnete Wirtschaft zu stören und lahmzulegen — nicht um den Arbeitern zu helfen, sondern ihrem Auftraggeber, den Machthabern im Kreml zu gehorchen.

    (Zurufe von der KPD.)

    Das ist es, was diese Herren auch bei uns zu tun bereit sind und jederzeit tun werden, wenn nicht äußerste Wachsamkeit geübt wird.
    Der Kampf gegen den Bolschewismus sollte nicht leicht genommen werden, von keinem von uns. Wenn die Herren von der Sozialdemokratie immer betonen, daß sie es sind, die diesen Kampf entschlossen zu führen bereit sind, dann möchte ich ihnen entgegenhalten, daß sie dort, wo sie von jenen Kräften getrieben werden, nur zu bereit sind, ihnen nachzugeben. Dieses Nachgeben wird und muß unsere Wirtschaft und unser Volk dahin bringen, wo sie jenseits der Elbe heute leider sind. Diese Gefahr zu sehen und zu erkennen bedeutet, daß wir ihr energisch und entschieden entgegenzutreten haben, auch bei der Behandlung des Gesetzes über die Mitbestimmung.
    Wir brauchen darüber nicht große Worte zu verlieren, wie diese Einstellung zu erfolgen hat. Es wäre uns lieber gewesen, wenn der Entwurf heute nicht behandelt worden wäre, sondern wenn man gewartet hätte, bis der Entwurf des Arbeitsministeriums vorliegt. Aber die Herren Kollegen aus der CDU haben es für richtig gehalten, jetzt schon mit ihrem Entwurf zu kommen. Und hier möchte ich eine etwas peinliche Sache anführen.

    (Zuruf von der CDU: Sie haben schon einmal zugestimmt! — Abg. Eichler: Die sind auch Bolschewisten geworden!)

    Ich glaube, Sie haben sich zu sehr von Kräften treiben lassen, die anderen zuvorkommen wollten.

    (Abg. Dr. von Brentano: Nein!)

    — Mein lieber Herr Kollege Dr. von Brentano, ich bin nicht nur des Glaubens, sondern ich weiß, daß eine solche Einstellung vorhanden war.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Aber es ist nie gut, sich stoßen zu lassen von denjenigen, die da glauben, es noch besser zu können. Das sollten auch die Herren aus den Kreisen der Sozialdemokratie sich merken. Sich vorwärts treiben lassen, ist immer mit Gefahren verknüpft.
    Wir werden noch Gelegenheit haben. bei dem Entwurf, den uns das Ministerium für Arbeit unterbreiten wird, eingehend über alles zu sprechen. Heute dürfen wir nur das eine sagen — und das sollte von allen beherzigt werden, die es mit dem Interesse für unsere arbeitenden Menschen. mit dem Interesse für unser gesamtes Volk und für unsere Wirtschaft ernst meinen —, daß wir uns einmütig dazu bekennen. eine neue soziale Ordnung in unserer Wirtschaft zu schaffen.
    Ich möchte noch auf eines hinweisen: wir sollen uns davor hüten. daß wir die Eigengesetze der Wirtschaft einfach durch starre Polizeiverordnungen lenken wollen. und wir sollen uns vor allen Dingen davor hüten, unseren schaffenden Menschen etwas aufzwingen zu wollen, was sie gar nicht haben wollen.

    (Abg. Kohl [Stuttgart]: Alter Witzbold! — Große Heiterkeit.)



    (Walter)

    Unsere Gesetzgebung und unsere Arbeit in diesem Parlament darf nur dem Wohl des gesamten Volkes dienen. Das ist die Auffassung meiner Fraktion, und mit dieser Auffassung werden wir über den Wert oder Unwert jeder Vorlage über ein Mitbestimmungsgesetz entscheiden.

    (Beifall bei der DP. — Zuruf von der KPD: Zieh Dir mal Deine braune Unterhose aus!)