Rede von
Albert
Walter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Meine Damen, meine Herren! Um keinen Zweifel an der Einstellung meiner Fraktion zu dem ernsten und wichtigen Problem der Mitbestimmung der Arbeiter in den Betrieben aufkommen zu lassen, erkläre ich, daß wir bereit und
entschlossen sind, dabei mitzuhelfen, um in den Betrieben unserer Bundesrepublik zu einer sozialen Neuordnung zu kommen, die für jeden Arbeiter, für jeden Betriebsführer und
für jeden Unternehmer annehmbar ist und die vor
allen Dingen den Gesamtinteressen unseres Volkes
zu dienen geeignet ist. Diese neue Sozialordnung
muß frei sein von allem Zwang zu Streiks, sie muß
frei sein von dem Zwang zu unsinnigen Demonstrationen, die zu nichts anderem führen als dazu,
unser Wirtschaftsleben zu stören, und sie muß frei
sein von der Drohung mit Gewalt, um politische und
wirtschaftliche Machtpositionen erringen zu wollen.
Es ist notwendig, meine Damen und Herren, daß dies mit aller Klarheit betont wird.
Nun haben wir den Entwurf des Gesetzes der CDU über die Mitbestimmung hier zu beraten. Die Ausführungen des sehr verehrten Herrn Kollegen Dr. Lehr,
die sich eingehend mit der Zielsetzung dieses Entwurfs beschäftigten, konnten einem, wenn man sie hörte, vorkommen, als seien sie ganz leidlich. Herr Dr. Lehr betonte vor allem, in dem Entwurf sei vorgesehen, daß Einflüsse von außen auf unsere Betriebsführung nach Möglichkeit ausgeschaltet werden sollten. Sehr gut, und doch scheint es ein wenig schief darum zu stehen, wenn man den Entwurf der CDU genauer betrachtet und die Paragraphen richtig würdigt. Da ist zum Beispiel der § 46, der diese Klarheit vermissen läßt. Der § 46 des Entwurfs läßt nicht nur zu, sondern er begünstigt sogar den Einfluß von Kräften außerhalb der Betriebe
auf die Wirtschaftsführung. Aber auch einige andere Abschnitte des Entwurfs geben zu allerlei Bedenken Anlaß, und es wird notwendig sein, sehr ernst darüber zu diskutieren, um das, was wir wollen und was alle wollen müssen, nämlich den Wirtschaftsfrieden in unseren Betrieben zu erhalten, mit aller Klarheit sicherzustellen. Wenn wir ein Mitbestimmungsrecht schaffen wollten, das geeignet wäre, den Wirtschaftsfrieden in unseren Betrieben zu stör en, dann glaube ich, sind einige Paragraphen des Entwurfs dafür geeignet. Auch der § 45, der in seinen Forderungen weitergeht als der Entwurf der Gewerkschaften und der Sozialdemokratie, ist nicht annehmbar, und, wie gesagt, in den Ausschüssen wird darüber ernst zu sprechen sein.
Nun zu dem, was hier grundsätzlich über die soziale Neuordnung in unserer Wirtschaft gesagt worden ist. Da sind in der Diskussion schon ernste Worte gefallen, Worte der Drohung, Worte der Beschwichtigung und Worte, die darauf schließen lassen, daß wir es noch mit ernsten Auseinandersetzungen zu tun haben werden, ehe wir erreichen, daß die soziale Neuordnung unserer Wirtschaft sowohl wie die der Interessen unseres gesamten Volkes gewährleistet ist.
Einige Bemerkungen zu dem, was der Herr Kollege Freitag anführte. Er betonte, wenn unsere Wirtschaft nicht harmonisch gelenkt werde und wenn unsere Arbeiter in den Betrieben nichts zu sagen hätten — damit meinte er natürlich die Gewerkschaften, die Gewerkschaftsführung —, kann der Arbeitsfrieden nicht garantiert werden. Ich möchte hier einflechten, daß wir nichts gegen die Gewerkschaften haben, im Gegenteil, wenn sie noch nicht da wären, müßten sie geschaffen werden. Aber das eine: Die Gewerkschaften müssen begreifen, daß
seit ihrer Gründung und seit der Schaffung der deutschen Arbeitervereine immerhin viele Jahrzehnte vergangen sind. Die Gewerkschaften können heute unmöglich mit den Parolen des abgewirtschafteten Klassenkampfgedankens operieren und dabei behaupten, daß sie so die Interessen der Arbeiter wahrnehmen. Die Gewerkschaften sollten begreifen, daß heute im Zeitalter der Atombombe ihre Aufgaben ganz andere sind als vor 80 oder 90 Jahren.
Es ist in diesem Zusammenhang gesagt worden, daß die deutschen Gewerkschaften in Verbindung mit ihren internationalen Kollegen bereit wären, dafür zu sorgen, daß die deutsche Wirtschaft sich entwickle und daß damit der Arbeitsplatz der Arbeiter gesichert sei. Zu dieser Sicherheit wäre einiges zu sagen. Wenn in den Betrieben Leistungen zustande kämen, wie sie von den Gewerkschaften gefordert werden, dann würde es wahrscheinlich um die Rentabilität der Betriebe schlecht stehen. Dann würde das, was wir wollen, nämlich die Arbeiter vor der Not bewahren, in weitestem Maße illusorisch werden. Es ist notwendig, auf die Gefahr hinzuweisen, die entstehen muß, wenn Kräfte außerhalb des Betriebes in den Betrieben mitbestimmen wollen über Sachen, die einzig und allein die Betriebsleitung und die Belegschaft des Betriebes angehen.
Herr Kollege Freitag hat hier verschiedene Länder angeführt, an denen wir uns ein Beispiel nehmen sollten. Er hat Schweden angeführt; er hat England angeführt, er hat die Vereinigten Staaten angeführt. Ich möchte Ihnen einiges darüber mitteilen, wie man in diesen Ländern über die wichtige Angelegenheit der Mitbestimmung denkt. Daß die englische Planwirtschaft, die Labourregierung sich weder von den Betriebsräten noch von irgend jemand in ihrer Planung beeinflussen oder mitreden läßt, dürfte Ihnen bekannt sein.
— Die brauche ich nicht heranzuholen. Aber auch
Sie können aus dieser Broschüre noch etwas lernen.
Wichtig erscheint mir, was die amerikanischen Gewerkschaftsführer zu dem Problem der Mitbestimmung zu sagen haben. Ihnen wird ja Mr. William Green, der Präsident der AFL, bekannt sein; er behandelt die Frage des Mitbestimmungsrechts in folgenden Sätzen:
Die Trennungslinie zwischen der Ausübung der Rechte der Arbeiter und der Leitung muß genau eingehalten werden. Die vereinzelt vertretene Anschauung, die Arbeiterschaft solle sammen mit der Leitung das Eigentum verwalten, kann nicht angenommen werden. Die Freiheit der Arbeiter hängt ihrerseits ab von der Handlungsfreiheit der Unternehmensleitung.
Das sind Sätze, die sich die deutschen Gewerkschaftsführer merken sollten.
Hören Sie auch den Präsidenten der radikalen Gewerkschaft der CIO, des Congress of Industrial Organisation, Mr. Murphy. Er sagt:
Den Leiter oder die Leitung in der Verantwortung für den Unternehmenserfolg zu entlasten, wäre so etwa das letzte, das irgendeine Gruppe von Arbeitern, ob organisiert oder nicht, als richtig oder gar erwünscht ansehen würde. Die
Gewerkschaften haben oft genug zum Ausdruck gebracht, daß letztlich der Betriebsleitung die Führung des Unternehmens obliegt, wenn die Firma finanziell und sonst erfolgreich sein soll.
Und schließlich noch ein paar Worte von Mr. John Louis, dem Führer der Bergarbeiter:
Die Bergarbeiter wünschen, daß die Verantwortlichkeit der Betriebsleitung dort liegt, wo sie immer gelegen hat. Der Bergbau ist ein schwieriger Zweig, eine technische Industrie, die unter hohem Wettbewerb und unter großen Risiken arbeitet und in der es unklug wäre, die Verantwortung der Betriebsleitung aufzuteilen.
Das sind Ausführungen amerikanischer Gewerkschaftsführer, die, glaube ich, wohl zu beachten sind.
Wenn nun aber von unseren Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion sowohl wie in den Artikeln der Gewerkschaftszeitungen immer wieder betont wird, die Gewerkschaften seien es gewesen, die dafür gesorgt hätten, daß der Bolschewismus bei uns keinen Eingang und keinen Einfluß finden könne, und wir hätten es allein den Gewerkschaften zu danken, daß die Kommunisten in einer so verschwindenden Minderheit geblieben sind, dann möchte ich in aller Bescheidenheit darauf hinweisen. daß es weniger das Verdienst der Gewerkschaften war und ist,
— sondern — überlegen Sie mal ein klein wenig —
Herr Stalin selbst ist es gewesen, der daffir gesorgt
hat. daß der Kommunismus und die Kommunisten
hier bei uns nicht hochkommen konnten. weil er unseren Vertriebenen aus dem Osten sowohl wie unseren Kriegsgefangenen. aber auch unseren Arbeitern drüben in der Ostzone täglich vordemonstriert. welche Bewandtnis es mit seinem sozialistischen Staate und seiner demokratischen Staatsführung hat.
Ich darf Sie versiehern, Herr Fisch, daß ich das an der Quelle des Übels gelernt habe und ich werde Ihnen bei Gelegenheit noch andere Wahrheiten sagen.
Der Kampf gegen den Bolschewismus — und ich glaube, es ist im Zusammenhang mit den Entwürfen zu dem Gesetz über das Mitbestimmungsrecht wohl wert, daß man darüber ernstlich spricht — kann nicht geführt werden durch die Hereinnahme außerhalb der Betriebe Stehender in die Aufsichtsräte. Ich glaube, daß eine solche Maßnahme leicht ins Gegenteil umschlagen kann. Denn vergessen Sie nicht, daß die Gewerkschaften auch heute noch von Kräften durchsetzen sind, die jede Stunde bereit sind, dem Befehl des Kremls zu folgen und die Gewerkschaftsbewegung für ihre dunklen Ziele zu benutzen. Hier ist äußerste Wachsamkeit geboten Sie mögen mir entgegenhalten, daß Sie schon aufpassen werden. Darauf kann ich nur erwidern, daß
wir uns an die Beispiele der Geschichte, der Vergangenheit sowohl wie der Gegenwart, halten und daraus lernen sollten.
Was im übrigen diese Beispiele angeht, meine Herren: Sehen wir mal rüber nach England und
betrachten wir uns die Schwierigkeiten, die die Labour-Regierung durch ihre Gewerkschaften mit denjenigen hat, die vorgeben, für die Interessen der Arbeitnehmer einzutreten. Betrachten wir die Vorgänge nicht nur in England, sondern auch in Amerika, in Frankreich und in der ganzen Welt, dann erkennen wir, wie die Heloten des Kremls zu jeder Stunde bereit sind, die geordnete Wirtschaft zu stören und lahmzulegen — nicht um den Arbeitern zu helfen, sondern ihrem Auftraggeber, den Machthabern im Kreml zu gehorchen.
Das ist es, was diese Herren auch bei uns zu tun bereit sind und jederzeit tun werden, wenn nicht äußerste Wachsamkeit geübt wird.
Der Kampf gegen den Bolschewismus sollte nicht leicht genommen werden, von keinem von uns. Wenn die Herren von der Sozialdemokratie immer betonen, daß sie es sind, die diesen Kampf entschlossen zu führen bereit sind, dann möchte ich ihnen entgegenhalten, daß sie dort, wo sie von jenen Kräften getrieben werden, nur zu bereit sind, ihnen nachzugeben. Dieses Nachgeben wird und muß unsere Wirtschaft und unser Volk dahin bringen, wo sie jenseits der Elbe heute leider sind. Diese Gefahr zu sehen und zu erkennen bedeutet, daß wir ihr energisch und entschieden entgegenzutreten haben, auch bei der Behandlung des Gesetzes über die Mitbestimmung.
Wir brauchen darüber nicht große Worte zu verlieren, wie diese Einstellung zu erfolgen hat. Es wäre uns lieber gewesen, wenn der Entwurf heute nicht behandelt worden wäre, sondern wenn man gewartet hätte, bis der Entwurf des Arbeitsministeriums vorliegt. Aber die Herren Kollegen aus der CDU haben es für richtig gehalten, jetzt schon mit ihrem Entwurf zu kommen. Und hier möchte ich eine etwas peinliche Sache anführen.
Ich glaube, Sie haben sich zu sehr von Kräften treiben lassen, die anderen zuvorkommen wollten.
— Mein lieber Herr Kollege Dr. von Brentano, ich bin nicht nur des Glaubens, sondern ich weiß, daß eine solche Einstellung vorhanden war.
Aber es ist nie gut, sich stoßen zu lassen von denjenigen, die da glauben, es noch besser zu können. Das sollten auch die Herren aus den Kreisen der Sozialdemokratie sich merken. Sich vorwärts treiben lassen, ist immer mit Gefahren verknüpft.
Wir werden noch Gelegenheit haben. bei dem Entwurf, den uns das Ministerium für Arbeit unterbreiten wird, eingehend über alles zu sprechen. Heute dürfen wir nur das eine sagen — und das sollte von allen beherzigt werden, die es mit dem Interesse für unsere arbeitenden Menschen. mit dem Interesse für unser gesamtes Volk und für unsere Wirtschaft ernst meinen —, daß wir uns einmütig dazu bekennen. eine neue soziale Ordnung in unserer Wirtschaft zu schaffen.
Ich möchte noch auf eines hinweisen: wir sollen uns davor hüten. daß wir die Eigengesetze der Wirtschaft einfach durch starre Polizeiverordnungen lenken wollen. und wir sollen uns vor allen Dingen davor hüten, unseren schaffenden Menschen etwas aufzwingen zu wollen, was sie gar nicht haben wollen.
Unsere Gesetzgebung und unsere Arbeit in diesem Parlament darf nur dem Wohl des gesamten Volkes dienen. Das ist die Auffassung meiner Fraktion, und mit dieser Auffassung werden wir über den Wert oder Unwert jeder Vorlage über ein Mitbestimmungsgesetz entscheiden.