Meine Damen und Herren! Die Frage des Mitbestimmungsrechts ist nicht nur eine Frage dieses Hauses, die Frage des Mitbestimmungsrecht ist eine Kampffrage, ist eine Frage der Belegschaften in den Betrieben, die das Mitbestimmungsrecht haben wollen. Wir haben das doch erlebt: nach 1945, 1946 war es möglich, ohne daß das Parlament dazu Stellung nahm, die Frage der Mitbestimmung in einer ganzen Reihe von Betrieben zu klären und Vereinbarungen darüber zu treffen. Das war die Zeit, in der der Unternehmer, derjenige, der Angst hatte vor der Entwicklung der Dinge, der Mann, der während der Zeit des Tausendjährigen Reiches auch Politik gemacht hatte, sich im Kellerloch oder Mauseloch verkrochen hat. Aber nachdem die Macht der Unternehmer sich wieder festigen konnte, haben sie sich einen Dreck darum gekümmert, ob in den Betrieben Vereinbarungen abgeschlossen waren oder nicht. Gehen Sie zu den i Arbeitsgerichten, und Sie werden sehen, daß dort Arbeit in Hülle und Fülle nur aus dem Grunde vorhanden ist, weil die Unternehmer ihre eigenen Abmachungen mit den Arbeitern oder ihren Vertretern nicht einhalten. Bei uns in Hagen war es seit Monaten notwendig, eine zweite Kammer einzurichten, weil die Arbeitsgerichte bei dieser Art und Weise des Vorgehens der Unternehmer, das dann zu arbeitsgerichtlichen Klagen führte, die Fälle nicht mehr bewältigen konnten. Dort, wo die Belegschaften Widerstand leisteten und sich hinter Betriebsräte in der Frage des Mitbestimmungsrechts stellten, haben wir zum Teil erlebt, daß die Arbeitnehmer ihr Mitbestimmungsrecht hielten. Zum Teil haben wir aber auch erlebt, daß gewissenlose Unternehmer dazu übergingen, den Betrieb stillzulegen, alle Arbeiter zu entlassen und zu erklären: Ich habe keine Aufträge mehr; ein Beweis dafür, wie groß die wirtschaftliche Macht in der Hand weniger bedeutet, wie sie auf die Belange des Volkes keine Rücksicht nehmen und von ihrer wirtschaftlichen Macht Gebrauch machen. — Ich sehe vor mir Menschen sitzen, die ein jetzt ungläubiges Gesicht machen. Ich werde nur einen Betrieb nennen, bei dem es so gehandhabt wurde: bei der Firma Kalthoff in Hagen.
Ich kann auch noch einen anderen Beweis antreten, und das ist ein Fall, den ich selbst erlebte. Ich war ja selbst bis vor kurzem Betriebsratsvorsitzender eines großen Werkes und habe eine betriebliche Vereinbarung abgeschlossen, nach der Betriebsräte nicht gekündigt werden können, es sei denn, die Zustimmung der Gewerkschaften, die Zustimmung des Betriebsrates ist vorhanden. Einen Fetzen Papier ist es wert zu einer Zeit, in der sie glauben, wieder mit der Macht spielen zu können. So liegen doch die Dinge.
Aus dem Grunde stehe ich auf dem Standpunkt: Das Mitbestimmungsrecht ist nicht nur eine Frage des Parlaments, sondern ist eine Machtfrage, und man sollte nicht nur heute, sondern man sollte morgen, übermorgen und zu allen Zeiten die Gewerkschaft als die Interessenvertretung der arbeitenden Menschen im Betrieb, die das Mitbestimmungsrecht angeht, darauf hinweisen, daß sie den Kampf zu organisieren haben; denn wenn heute das Mitbestimmungsrecht vereinbart werden sollte, ist es morgen schon einen Fetzen Papier wert wie die Verträge der Vergangenheit.
Aber nun etwas Grundsätzliches zu der Frage des Mitbestimmungsrechts im ganzen! Die Stellungnahme meiner Fraktion unterscheidet sich von der Stellungnahme der Diskussionsredner, die heute hier aufgetreten sind, wenigstens zum größten Teil. Mehrere Diskussionsredner, hauptsächlich Mitglieder der Gewerkschaften, haben einige positive Dinge vorgetragen, sind aber in all diesen Fragen nicht konsequent genug gewesen. Die Frage des Mitbestimmungsrechts ist in der Öffentlichkeit nicht verstummt. Seit 1945 steht sie im Mittelpunkt der Diskussion, einmal heftiger, einmal weniger heftig. So haben nicht nur die Gewerkschaftskonferenzen, die Versammlungen der Gewerkschaftskollegen und die Kollegen in den Betriebsversammlungen zu dieser Frage Stellung genommen, sondern auch die verschiedensten Parteien, der Katholikentag und die Presse, alle auf Grund der Forderung entscheidender Teile des Volkes nach Verwirklichung des Mitbestimmungsrechts. Diese Forderung ist im Volke fest verwurzelt. An dieser Diskussion konnte auch derjenige nicht vorbeige-
hen, der das Mitbestimmungsrecht nicht will. Das in- und ausländische Kapital hat sich an der Diskussion um das Mitbestimmungsrecht rege beteiligt. Die Arbeitgeberverbände haben im Kampf gegen das Mitbestimmungsrecht eine starke Stellung bezogen.
Nicht nur die Unternehmer, die Monopolkapitalisten des Auslandes und die Arbeitgeberverbände, sondern auch hohe geistliche Würdenträger wie Bischöfe und der Papst haben sich in die Diskussion eingemischt. Sie haben eine Einheitsfront in der Abwehr dessen, was da kommen könnte, geschaffen. Manche sind dabei ziemlich stur zu Werke gegangen. Manche sind auf Grund der Lage, wie sie nun einmal zu verzeichnen ist, etwas konzessionslüstern gewesen. Aber in einem waren sich alle einig, indem sie sagten: Für uns Unternehmer, für uns Arbeitgeber, für uns Monopolkapitalisten ist die Frage des Mitbestimmungsrechts der Werktätigen ein Hindernis auf dem Wege zur Durchführung des Marshall-Planes, des Schuman-Planes und der kriegerischen Vorbereitungen.
Die ausländischen und deutschen Großkapitalisten haben nicht die Absicht, das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer zu dulden. Ihre politischen und wirtschaftlichen Ziele sind gegen die Demokratisierung der Wirtschaft gerichtet; sie sind gerichtet auf die unumschränkte Alleinherrschaft. Dieses Streben nach Alleinherrschaft in den Betrieben erleben wir überall. Einen Tag, nachdem ich entlassen war, hat in meiner Heimat mehr als ein halbes Dutzend von Unternehmern ihren Betriebsräten gesagt: „So, nun ist euer Führer am Ort zum Teufel, und nun werden wir euch zeigen, daß es auch noch Tariflöhne gibt;
nun werden wir euch zeigen, daß es auch noch Arbeitslose gibt." Ich kann dafür den Beweis antreten. Die Unternehmer, hauptsächlich die Monopolkapitalisten, die dabei tonangebend waren, haben in der Vergangenheit niemals Gelüste verspürt, breite Schichten des Volkes nach demokratischen Methoden mitbestimmen zu lassen. Ich habe das in mehreren Besprechungen mit dem Vorsitzenden des Klöckner-Konzerns, Herrn Dr. Jarres, selbst erlebt. Ich kenne die Melodie, die gesungen wurde. Sie wollen nicht, daß die Menschen, die die Werte schaffen, über diese Werte, über die Produktion, die Art der Produktion und ihre Verteilung mitbestimmen. Das paßt nicht in ihren Kram. Sie verstehen sich vielmehr auf das Regieren, auf das Diktieren und auf das Befehlen, in der Hauptsache im Betrieb. Sie haben in der Vergangenheit schon des öfteren selbst aus den Schichten der Arbeitnehmer Menschen für ihre Ziele eingespannt, haben die wirtschaftliche Not dieser Menschen dazu benutzt, ihre reaktionäre Politik in den Betrieben durchzuführen. Sie haben brutal ausgebeutet. Den armen Menschen, der tagaus tagein, jahraus jahrein in Winter und Sommer, im Regen oder Schnee, mitten in der Nacht aufstehen mußte, unter unmenschlichen Bedingungen das Brot für seine Familie verdienen mußte, haben sie nie geachtet. Ich spreche aus Erfahrung; denn ich stehe seit 40 Jahren in den Betrieben, mitten in der Arbeiterschaft, habe also in dieser Beziehung mein Teil hinter mir. Sie haben schon zu einer Zeit, als der Drang nach Sozialismus in der Arbeiterschaft sehr groß war, ein großes Betrugsmanöver durchgeführt. Der Nationalsozialismus war das größte Meisterstück, daß sie
sich in dieser Beziehung geleistet haben. Die sozialistischen Gefühle der Arbeitnehmer haben sie ins Gegenteil verkehrt.
Einen ähnlichen Betrug haben sie heute mit dieser Vorlage auch wieder vor. Die Forderungen auf Mitbestimmungsrecht sind nicht totzuschweigen. Aber dieses Mitbestimmungsrecht soll zur Erhaltung der Macht der Bank- und Fabrikherren verfälscht werden. Darin liegt eine große Gefahr für die Arbeiterschaft.
— Herr Dr. Schröder, wir sind ja keine Unbekannten. Sie, Herr Dr. Schröder, die rechte Hand von Herrn Dinkelbach, sind der Schöpfer oder der Vater dieses Entwurfs.
— Sie selber, klatschen Sie nur Bravo! Sie sind der Vater dieses Entwurfs, und Sie handeln im Auftrage Ihrer Fraktion und deren Hintermänner.
— Sie handeln im Auftrage der Hintermänner der Fraktion, der Freunde von Pferdmenges und der Freunde von Dinkelbach.
Die Ideologie und die Mentalität Ihrer Freunde und
und Ihrer Auftraggeber spricht aus dieser Vorlage.
— Sie ist viel schlechter, als ich es im ersten Moment glaubte, weil sie geschaffen wurde, um die Begriffe zu verwirren.
Im ersten Paragraphen lese ich es schon, wo von der Betriebsgemeinschaft gesprochen wird.
Wollen Sie mir den Unterschied zwischen der Theorie, die in dieser Beziehung während der Nazizeit gepredigt wurde, und der Theorie der Betriebsgemeinschaft sagen?
— Tun Sie doch nicht so! Ich kenne doch alle Leute.
Und wenn ich eine Damenstimme höre, dann bin
ich etwas zurückhaltend, weil ich ein Mann bin.
Der Name Dinkelbach, davon bin ich überzeugt, ist mit dem Inhalt dieses Entwurfs identisch. Der Name Dinkelbach besagt eben alles.
Es ist auch nicht so, als wenn ich Herrn Dinkelbach nicht kennen würde; ich habe ihn zur Genüge erlebt.
Auf dem Katholikentag wurde eine Arbeitsgemeinschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gebildet. In dieser Arbeitsgemeinschaft war
der maßgebliche Mann Dinkelbach. Er hatte die Aufgabe, für die er sozusagen geboren ist. Er hatte die Aufgabe, auszuknobeln, wie man aus schwarz weiß machen kann.
Diese Aufgabe hat er.
Er hat in dieser Frage schon einmal ein Meisterwerk geleistet, und zwar bei der Entflechtung.
Als nämlich nach 1945 fast die gesamte Arbeiterschaft stürmisch die Enteignung der Monopolkapitalisten oder die sogenannte Sozialisierung verlangte, war es Dinkelbach, der damals die Begriffe verwirrte und unter dem Motto der Entflechtung den breiten Schichten des Volkes begreiflich machen wollte, daß die Entflechtung zu demselben Ziel führen würde. Ich habe in dieser Frage einige Erfahrungen, weil ich von Anfang an mit dabei war,
mehr dabei war als diejenigen, die hier so tun, als ob sie mehr von den Dingen verstehen. Und in seinen Bestrebungen, die Dinge zu verwirren,
wurde er von Dr. Potthoff unterstützt. Dr. Potthoff ist der Mann, der mit der Theorie vom Besitzmonopol und Leitungsmonopol nach meiner Meinung und nach der Meinung meiner Fraktion sehr viel Unheil angerichtet hat. Diese Theorie vom Besitz- oder Leitungsmonopol ist auch in die Gehirne einer ganzen Reihe von Gewerkschaftsführern eingedrungen.
Der Name Dinkelbach ist ein Programm.
— Meine Herren, ich will Ihnen etwas sagen; mein Kollege Böhn hat es Ihnen schon gesagt. Das Gebiet ist so wichtig, daß man zumindest versuchen sollte, sich über diese Frage in vernünftiger Weise auszusprechen und nicht dauernd lächerliche Zwischenrufe zu machen.
— Nach meiner Meinung haben Ihre Redner auch nichts Vernünftiges gesagt.
— Wenn sich die Arbeiterschaft in Belegschaftsversammlungen so betragen würde wie Sie, dann wäre ich davon überzeugt, daß sie einen Pflock zurückstecken müßte. Aber Gott sei Dank beträgt sich die Arbeiterschaft anständiger, als Sie sich hier betragen.