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ID0108005300

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 80. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Juli 1950 2927 80. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 27. Juli 1950. Geschäftliche Mitteilungen 2928C, 2954D, 2964D, 2965D, 3024D Änderung der Tagesordnung 2928C Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb (Nr. 970 der Drucksachen) 2928D, 2929B Zur Geschäftsordnung: Euler (FDP) 2928D Dr. von Brentano (CDU) 2929A Mellies (SPD) 2929A Rademacher (FDP) 2987C Zur Sache: Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU), Antragsteller 2929C Freitag (SPD) 2937D Dr. Hammer (FDP) 2942C Dr. Dr. h. c. Lehr (CDU) 2946D Walter (DP) 2949D Frau Wessel (Z) 2952A Dr. Seelos (BP) 2955A Agatz (KPD) 2956A Dr. Miessner (DRP) 2960C Freudenberg (FDP) 2962A Raestrup (CDU) 2965A Arndgen (CDU) 2965D Böhm (SPD) 2966D Storch, Bundesminister für Arbeit 2969C Degener (CDU) 2971A Keuning (SPD) 2972A Harig (KPD) 2974B Dr. Veit (SPD) 2978A Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 2980A Freidhof (SPD) 2984A Loritz (WAV) 2987D, 2995B Lenz (CDU) 2989D Dr. Kleindinst (CSU) 2990D Mensing (CDU) 2992A Dr. Freiherr von Rechenberg (FDP) 2993A Dr. von Brentano (CDU), Antragsteller 2993D, 2995D Mayer (Stuttgart) (FDP) 2995D Günther (CDU) 2995D Lausen (SPD) 2996A Zur Abstimmung: Paul (KPD) 2996B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der in den Bundestag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes (Nr. 1153 der Drucksachen) 2996C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Vermittlung der Annahme an Kindes Statt (Nr. 1173 der Drucksachen) . . . . 2996C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der Mutter (Mutterschutzgesetz (Nr. 1182 der Drucksachen) . 2996D Frau Kipp-Kaule (SPD), Antragstelle- rin 2996D Frau Dr. Rehling (CDU) 2998B Frau Arnold (Z) 2999C Frau Thiele (KPD) 3000A Frau Dr. Ilk (FDP) 3000D Frau Kalinke (DP) 3001B Frau Döhring (SPD), Antragstellerin 3001D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Mandatsniederlegung des Abgeordneten Müller (Hannover) (Nr. 993 der Drucksachen) . . 3003B Dr. Brill (SPD), Berichterstatter . 3003B Fisch (KPD) 3004B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs über die Bildung eines vorläufigen Bewertungsbeirates (Nr. 975 und Nr. 1158, 1235 der Drucksachen) 3005D Dr. Kneipp (FDP), als Berichterstatter 3005D als Abgeordneter . . . . . . . 3008A Dr. Schmidt (Niedersachsen) (SPD) . 3007C, 3008C Wartner (BP) 3008D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (Nr. 924 und 1209 der Drucksachen) 3009C Dr. von Merkatz (DP) (zur Geschäftsordnung) 3009C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten — Milch- und Fettgesetz — (Nr. 1243 der Drucksachen) . . 3009D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Getreide und Futtermitteln (Getreidegesetz) (Nr. 968 und 1224 der Drucksachen) . . . 3009D Dr. Horlacher (CSU) : als Berichterstatter 3010A als Abgeordneter 3014A, 3015B Dr. Kather (CDU) 3012A, C Kriedemann (SPD) 3012D Dr. Baade (SPD) 3013C, 3014C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Festsetzung von Brotpreisen (Nr. 1161 und 1222 der Drucksachen) 3016A Struve (CDU), Berichterstatter . . 3016A Kriedemann (SPD) 3016B Harig (KPD) 3016C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für ERP-Fragen (15. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Verwendungsordnung der ERP-Zuwendungen (Nr. 1167, 661 der Drucksachen) 3017B Dr. Pfleiderer (FDP), Berichterstatter 3017B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Kürzung der Versorgungsbezüge (Nr. 1174, 434 der Drucksachen) . . . . 3019B Dr. Wuermeling (CDU): zur Geschäftsordnung 3019B als Berichterstatter 3019C als Abgeordneter 3020A Herrmann (SPD) 3020D Melliez (SPD) 3021C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Ollenhauer u. Gen. betr. Vorlage eines Gesetzentwurfes über die Regelung der Versorgung der Körperbeschädigten und Hinterbliebenen durch Kriegsfolgen und über den Antrag der Fraktion der DP betr. Sozialversicherung (Nr. 1180, 30, 36 der Drucksachen) . . . . 3021D Mende (FDP), Berichterstatter . . . 3022A Storch, Bundesminister für Arbeit . . 3022D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kriegsopfer und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Spies, Strauß, Stücklen, Frau Dr. Probst u. Gen. betr. einheitliche Anerkennung der Schwerbeschädigtenausweise (Nr. 1181, 1004, 1236 der Drucksachen) 3023A Langer (FDP), Berichterstatter . . 3023B Spies (CSU) 3023C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) über den Antrag der Abg. von Thadden u. Gen. betr. Beseitigung der Entrechtung der ehemaligen Wehrmachtangehörigen und ihrer Hinterbliebenen (Nr. 1187, 1060, 1247 der Drucksachen) 3024A Dr. Kleindinst (CSU) 3024B Frist für Rednerkorrekturen der stenographischen Niederschriften 3024D Nächste Sitzung 3025C Die Sitzung wird um 9 Uhr 13 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Rede von Paul Harig


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Ich bin immer beim Thema geblieben.
    Jedenfalls bin ich mir darüber im klaren, daß eine ganze Reihe von Menschen am Werke sind, den Honig zu mixen,

    (Heiterkeit)

    der in dieser Frage der Arbeiterschaft wieder ums Maul geschmiert werden soll.
    Ich möchte aber in dieser sehr wichtigen Frage noch einen der Ihren zitieren, und zwar zunächst einmal Herrn Ministerpräsidenten Arnold. Ministerpräsident Arnold erklärt:
    Die gewerkschaftliche Großaufgabe der Zukunft liegt darin, die Menschen aus der Verengung des Klassenkampfes heraus in die freie Luft gemeinsamer christlich-europäischer Verantwortung zu führen. Das Privateigentum verliert seine manchesterlichen Funktionen und verliert damit auch die Antithese: hier Privateigentum, hier Nationalisierung.

    (Bravo! rechts.)

    Das sagt Arnold. Und hier behauptet der Papst in einer Botschaft an den Katholikentag, daß der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit nur scheinbar bestehe und in einer höheren Einheit, in einer organischen Zusammenarbeit, in der berufsständischen Gliederung von Kapital und Arbeit aufgehe.

    (Bravo! in der Mitte.) — Da haben wir es ja.


    (Große Heiterkeit.)

    Eine höhere Einheit: Die Nationalisierung verliert ihre Bedeutung, und alles geht in eine höhere Einheit, in das Berufsständische über.

    (Zuruf rechts: Ihr seid doch auch für die Einheit!)

    Es ist also nichts mehr damit, was die Führer den Arbeitern sagen. Der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit ist gar nicht mehr vorhanden. Es ist nicht mehr wahr, daß das Kapital über die Produktionsmittel, über Reichtum und Macht verfügt, es ist nicht mehr wahr, daß ein Gegensatz besteht zwischen Palästen und Hütten, zwischen Satten und Hungrigen. Es ist nicht mehr wahr, daß es Ausbeuter und Ausgebeutete gibt. Das ist alles nicht mehr wahr. Deshalb predigt man heute wieder von Volksgemeinschaft, Werksgemeinschaft, Arbeitsgemeinschaft und Betriebsgemeinschaft. Das alles haben uns Hitler und Mussolini schon einmal gelehrt.

    (Sehr war! bei der KPD.)

    Das haben uns die damals auch gesagt. Diejenigen, die in Ahlen noch glaubten von der Sozialisierung sprechen zu können, wissen heute, daß das nicht mehr modern ist. Sie wissen, daß in einer friedlichen Arbeitsgemeinschaft und in einer schöpferischen Zusammenarbeit das Ziel liegt.
    Nach 1918 haben wir doch ähnliches erlebt in der Frage der Arbeitsgemeinschaft. Nach 1918 benutzten die Unternehmer klug und geschickt die Arbeitsgemeinschaft, um Schlimmeres zu verhüten. Und diese Arbeitsgemeinschaft mußte auffliegen, als sie ihre Abwehrfunktion erfüllt hatte, und diese Arbeitsgemeinschaft, die heute gepredigt wird, das Wenige, was geboten wird, wird auch auffliegen, sobald es seine Abwehrfunktion erfüllt hat.
    Die Gefahren sind sehr groß für die Arbeiterschaft, weil ein Teil der Gewerkschaftsfunktionäre glaubt, unter den Bedingungen des Marshallplans sei eine echte Mitbestimmung zu verwirklichen. Durch die Anerkennung des Marshallplans seitens der Gewerkschaften sind die Positionen zugunsten


    (Harig)

    der Dollarherrschaft gewachsen. Durch die Anerkennung der AFoL-Anweisungen aus Amerika haben wir das Resultat zu verzeichnen, das die Reaktion von 1945 bis heute sich festigen und stärken konnte. Sie kann heute der Arbeiterschaft diesen Entwurf präsentieren. Wer zum Marshallplan, zum Europarat, zum Atlantikpakt und zum Schuman-Plan ja sagt, muß wissen, daß nennenswerte Lohnerhöhungen ausgeschlossen sind, der muß wissen, daß eine wirkliche Demokratisierung der Wirtschaft ausgeschlossen ist.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Wir dürfen nicht verzichten auf den Kampf uni Lohnerhöhungen. Wir dürfen uns nicht der These bedienen, es genüge, eine gut florierende kapitalistische Wirtschaft zu haben. Wir dürfen uns nicht dem Trugschluß hingeben, wir müßten beteiligt sein an einer kapitalistischen Rationalisierung auf Kosten der Arbeiter. Wir vermehren dadurch nur das Heer der Arbeitslosen. Und das wünschen sich doch gerade die Reaktionäre. Das ist die Meinung der Fächer, Arnold und der Tarnow. Das muß auch einmal ganz deutlich gesagt werden. Weil sie diese Meinung vertreten, haben wir den Abfall vom Weltgewerkschaftsbund zu verzeichnen.

    (Abg. Strauß: Da haben wir es wieder!) Deshalb haben wir in den verschiedenen Fragen die Bejahung der Bonner Politik seitens der Gewerkschaften zu verzeichnen. Daher haben wir den Böckler-Brief zu dem Petersberger Abkommen in der Frage der Demontage zu verzeichnen.


    (Abg. Strauß: Da haben wir es wieder!)

    Heute morgen wurde von dem Herrn Kollegen Dr. Schröder sowohl wie von dem Kollegen Freitag die Gefahr aus dem Osten demonstriert. Es wurde gesagt, daß man dieser Gefahr nur durch die Schaffung besserer sozialer Verhältnisse begegnen könne.

    (Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Haben Sie ein anderes Rezept?)

    — Herr Abgeordneter Schröder, der Sie Mitglied des Aufsichtsrats meiner ehemaligen Firma sind: Wie steht es denn mit der Frage der Lohnerhöhung? Und waren Sie, Herr Dr. Schröder und Herr Kollege Freitag, nicht beteiligt an meinem Hinauswurf aus dem Aufsichtsrat, weil ich für Lohnerhöhungen und für bessere soziale Verhältnisse meiner Belegschaft eingetreten bin?

    (Zuruf von der CDU.)

    Sie haben das Recht verwirkt, in solchen Fragen so hier aufzutreten.

    (Lebhafte Zurufe. — Abg. Strauß: Warum sind Sie herausgeworfen worden?)

    — Ich bin entlassen worden, weil ich für die Verwirklichung des Mitbestimmungsrechts war.

    (Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Nein!)

    In meinen Händen lag eine Zeichnung, aus der einwandfrei hervorging, daß 9000 t Winkeleisen über Klöckner-Handel an eine Firma geliefert werden sollten,

    (Zuruf rechts: Stimmt nicht!)


    (Huhu-Rufe rechts. — Abg. Strauß: Damals schon?)

    Weil ich nun bei der Firma vorstellig wurde und die Mitbestimmung der Kontrolle über die Eingänge und Ausgänge verlangte, deshalb wurde ich entlassen,

    (Zuruf rechts: Mit Recht!)

    und derjenige, der dafür seine Hand leiht, kann nicht für wahre Mitbestimmung sein.

    (Abg. Strauß: Wie war es denn mit dem Streik?)

    Ich sage noch einmal: Derjenige, der für den Marshallplan, für das Ruhrstatut, für den Europarat ist,

    (lebhafte Zurufe: Gegen Streiks! — Abg. Hilbert: Für die Oder-Neiße-Linie! — Abg. Strauß: Für Kapitalkanzler Adenauer!)

    derjenige, der für eine kriegerische Auseinandersetzung mit der Sowjetunion ist, kann nicht für das Mitbestimmungsrecht sein. Dem Betriebsrat wird hier die Aufgabe zuteil, Polizei im Betrieb zu sein und für die Sicherung des Arbeitsfriedens zu sorgen.

    (Abg. Hilbert: In der Ostzone hat man ihn abgeschafft!)

    Der Arbeitsfriede ist das A und O des Entwurfs.

    (Zuruf in der Mitte: Sehr erfreulich!)

    Nun können Sie noch einen Moment sehr heftig Zwischenrufe machen, wenn ich Ihnen mitteile, daß ich — dies habe ich hier schon einmal gesagt — mit zwei Kollegen, einem der CDU und einem der SPD, in die Deutsche Demokratische Republik gefahren bin, um dort gemeinsam mit ihnen zu studieren, inwieweit dort das Mitbestimmungsrecht der Gewerkschaften, der Arbeitnehmer verwirklicht wurde. Ich kann Ihnen von der Sozialdemokratie und den Gewerkschaftskollegen aller Fraktionen nur sagen: Dort spielt der Kampf, ob der Betriebsrat das Mitbestimmungsrecht im Betrieb haben soll oder die Gewerkschaften in ihrer Eigenschaft als Organisation im Betrieb etwas mitzubestimmen haben sollen, keine Rolle.

    (Abg. Dr. Wellhausen: Das glaube ich!) Dort ist das Mitbestimmungsrecht verwirklicht!


    (Lebhafter Widerspruch. — Abg. Hilbert: Abgeschafft! — Abg. Euler: Dort hat man keins mehr!)

    Dort sind andere Eigentumsverhältnisse als hier.

    (Abg. Hilbert: Staatskapitalismus!)

    Dort hat man den Monopolkapitalismus entmachtet und hat volkseigene Betriebe geschaffen,

    (Lachen in der Mitte und rechts)

    und das Interesse des Volkes spielt bei der Planung im Betrieb mit Hilfe der Gewerkschaften die wesentlichste Rolle.

    (Zuruf von der CDU: Welches Volk?)

    — Fragen Sie Ihre Kollegen!

    (Abg. Strauß: Tausend Bonzen und eine Million Sklaven!)

    Dort sind die Gewerkschaften in den Leitungen der Betriebe mitbeteiligt. Dort sind die Arbeitnehmer in den Planungssitzungen bei der Aufstellung und Verwirklichung der Pläne anwesend und können mitbestimmen, und zwar wesentlich. Dort bestimmen sie über alle sozialen Dinge mit.

    (Abg. Strauß: Glauben Sie das eigentlich selber?)

    Die Einheit eines demokratischen Deutschlands würde auch hier die Frage des Mitbestimmungsrechtes in ein anderes Licht rücken.

    (Zurufe in der Mitte.)

    Wir würden hier auch Verhältnisse haben,

    (erneute Zurufe in der Mitte)



    (Harig)

    die es erübrigen würden, uns mit Reaktionären im Bundestag lange herumschlagen zu müssen,

    (Lachen in der Mitte und rechts)

    bloß weil andere Menschen für ihre Arbeit ihr Recht fordern.

    (Beifall bei der KPD. — Abg. Strauß: Ein Volk, ein Reich, ein Korea! — Heiterkeit.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Veit.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Veit


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! In der Kritik, die hier gegen das Mitbestimmungsrecht laut geworden ist, hat man vor allem gehört, daß unsere Volkswirtschaft Schaden leiden könne, wenn der Arbeiterschaft ein Mitbestimmungsrecht eingeräumt werden sollte. Es gibt ja Menschen, die ihre Argumentation verwenden, um ihre wirklichen Gründe zu verbergen; und diejenigen, die vorgeben, die Volkswirtschaft sei in Gefahr, wenn das Mitbestimmungsrecht durchgeführt werden würde, denken im wesentlichen an ihre eigene Person und an ihr eigenes Schicksal sehr viel mehr als an die Volkswirtschaft. Sie vertreten Machtpositionen und verheimlichen ihre wahren Gründe.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Mit ihnen sich auseinanderzusetzen, hat so wenig Zweck, wie wenn ich Zeit verschwenden würde, mich mit der Argumentation von ganz links auseinanderzusetzen. Wenn die Herren die Reden, die sie über das Mitbestimmungsrecht hier gehalten haben, in der Ostzone gehalten hätten, hätten sie vermutlich die letzte Rede ihres Lebens gehalten.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der CDU. — Zurufe von der KPD.)

    Aber, meine Damen und Herren, mit denen, denen es ernst ist um das Problem der Mitbestimmung — und ich habe mit Freude festgestellt, daß sehr viele Redner dieses Hohen Hauses diese Frage durchaus ernst nehmen und ernsthaft die Frage aufwerfen, ob die Durchführung des Mitbestimmungsrechts eine Gefahr für unsere wirtschaftliche Entwicklung bedeutet —, möchte ich mich auseinandersetzen und ihnen zunächst die Frage vorlegen: Ist denn unsere derzeitige Wirtschaftsstruktur und unsere Wirtschaftspolitik ideal zu nennen? Ist das System der sogenannten Unternehmerfreiheit, das mit allen Mitteln erhalten werden soll, wirklich ein System, das privatwirtschaftlich und volkswirtschaftlich gesehen fehlerfrei funktioniert und frei von Mängeln ist? Denken Sie doch an all die Fehlinvestitionen, die auf Grund der freien Initiative der Unternehmer vorgenommen worden sind, und bedenken Sie, daß diese dabei nicht etwa nur ihr eigenes Kapital fehlinvestiert haben, sondern sehr häufig eben auch noch das Kapital, das ihnen von Fremden zur Verfügung gestellt worden ist.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Oder denken Sie doch bitte daran, in welcher Weise Unternehmer gelegentlich ihre Freiheit, den Betrieb zu leiten, dahin ausgenutzt haben, in ihren Betrieben Investitionen, die volkswirtschaftlich notwendig gewesen wären, zu unterlassen und auf diese Weise aus den Betrieben Gewinne herausgeholt haben, Raubbau mit den Betrieben getrieben haben, ohne damit irgendwelche volkswirtschaftlichen Erfolge zu erzielen. Denken Sie gerade an die Entwicklung der vergangenen Jahre, als man auf dem Weg über die Preiserhöhungen Selbstfinanzierungen vorgenommen hat, die vom wirtschaftlichen Standpunkt aus und im Hinblick auf die Priorität einer ganzen Reihe von dringlichsten Aufgaben einfach zu bedauern waren, so daß wir heute in die Lage gekommen sind, eine ganze Menge von wichtigen Aufgaben wegen Kapitalmangels nicht lösen zu können, während andere Aufgaben, die man vielleicht einmal in anderer Zeit hätte durchführen können, die aber heute nicht dringlich sind, ihre Lösung gefunden haben.
    Denken Sie bitte auch an den Mißbrauch der Unternehmerstellung. Oder wollen Sie es billigen — Herr Freudenberg sprach von den guten und tüchtigen Unternehmern und sagte, nur für diese wolle er sprechen —, wenn beispielsweise ein Unternehmer, der mit Recht bestraft worden ist, weil er Preisvorschriften gröblichst verletzt hat, in einem Gnadengesuch schreibt, wenn man ihm die Strafe nicht nachlasse, dann sehe er sich gezwungen, seinen Betrieb zu verkleinern und eine ganze Reihe von Leuten auf die Straße zu setzen?

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Oder sehen Sie es für richtig an, wenn beispielsweise Unternehmer, die den Staat um erhebliche Kapitalbeträge angehen, schreiben: Wir sind natürlich nach den Gepflogenheiten unseres Hauses nicht in der Lage, dafür eine dingliche Sicherheit zur Verfügung zu stellen; wir haben zwar die Grundstücke, lehnen es aber aus Prinzip ab, dingliche Sicherungen zu geben, und für den Fall, daß der Staat nicht bereit ist, trotzdem mit finanziellen Mitteln zu helfen, sehen wir uns gezwungen, den Betrieb stillzulegen oder die Produktion in einen unserer anderen Betriebe in Länder zu verlegen, in denen unsere Wünsche mit mehr Entgegenkommen erfüllt werden? Sehen Sie, das sind die Mißbräuche, auf die wir sehr häufig stoßen . Das sind die Fälle, in denen mit der Unternehmerfreiheit auf der einen Seite und der Tatsache, daß der Arbeiter dem Unternehmer rettungslos ausgeliefert ist, ein sehr bedauerlicher Mißbrauch getrieben wird.

    (Zuruf rechts.)

    Von dem politischen Mißbrauch brauche ich gar nicht zu reden. Sie werden sich ja daran erinnern, welcher politische Mißbrauch mit der Unternehmerstellung, mit der Machtstellung des Unternehmers in der Vergangenheit getrieben worden ist. Wenn wir das Mitbestimmungsrecht im Jahre 1932 schon gehabt hätten, dann wäre der Nationalsozialismus wahrscheinlich überhaupt nicht zur Macht gekommen,

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    und Hitler hätte den Offenbarungseid leisten müssen.
    Meine Damen und Herren, wie weit geht es denn überhaupt noch mit der Unternehmerfreiheit, die immer dann verteidigt wird, wenn die Arbeiterschaft ihr Recht anmeldet, in den Betrieben etwas sagen zu dürfen? Die Unternehmerfreiheit ist doch heute schon auf vielen Gebieten stark eingeschränkt. Die Unternehmer haben sie zum Teil selbst eingeschränkt und finden gar nichts dabei. Sie haben sich diese Beschränkungen auferlegt, um im Schatten solcher Abmachungen um so sicherer existieren und verdienen zu können. Wo ist denn die Unternehmerfreiheit beispielsweise bei den Kartellabreden, von den Syndikaten ganz zu schweigen? Hier hat man sich doch im Interesse des Verdienstes geopfert und will uns heute weismachen, die Unternehmerfreiheit sei etwas, ohne das die Wirtschaft überhaupt nicht existieren könnte.
    Ich will gar nicht über die Bindungen reden, die von den Unternehmungen gelegentlich gegenüber dem Finanzkapital eingegangen werden, wo von einer Freiheit überhaupt nicht mehr gesprochen


    (Dr. Veit)

    werden kann, ohne daß man sagen kann, daß die Wirtschaft deswegen nachdrücklichen Schaden erlitten hat.
    Meine Damen und Herren, soll denn die Freiheit durch die Mitbestimmung verloren gehen? Ist es denn so, daß der Unternehmer seine Rechte verliert, wenn wir das Mitbestimmungsrecht durchführen? Es ist doch nicht geplant, daß dadurch die Rechte des Unternehmers irgendwie geschmälert werden, wenn wir für den Aufsichtsrat eine andere Zusammensetzung vorschlagen, als sie bisher war. Die Initiative des Unternehmens liegt ja nach wie vor bei der Leitung. Es dreht sich lediglich darum, daß in dem Aufsichts- und Kontrollorgan nunmehr entgegen der bisherigen Übung und den bisherigen Vorschriften auch die Arbeitnehmerschaft vertreten sein soll.
    Wir haben ja nicht nur Arbeiterinteressen zu vertreten. Wir haben hinter uns eine ganze Reihe von Betrieben, gerade Betriebe der Konsumgenossenschaften, Betriebe der Gemeinden, gemeinwirtschaftliche Betriebe, so daß wir durchaus auch für die Unternehmerposition Verständnis haben. Wir denken gar nicht daran, hier einseitig die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten. Wie können Sie uns unterstellen, die deutsche Wirtschaft etwa schädigen zu wollen? Wir wollen sie beleben, wir wollen sie fördern, wir wollen die Produktion steigern. Jeder Fehltritt auf diesem Wege wäre ja gerade für unsere Bewegung und die Bewegung der Arbeiterschaft selbst der größte Schaden. Deswegen können Sie davon überzeugt sein: wir wollen keine Experimente machen, wir wollen nicht, daß unsere Volkswirtschaft nicht mehr oder schlechter funktioniert, sondern wir wollen einen Zustand erreichen, der das gesetzlich fundiert, was die Entwicklung schon längst vorweggenommen hat.
    Meine Damen und Herren, in die Aufsichtsorgane sind bisher die Vertreter nach dem Eigentum delegiert worden. Aber auch das ist schon längst durchlöchert und durchbohrt; denn die Banken, die Depothalter waren, haben ja meistens die größte Anzahl der Stimmen in die Generalversammlungen delegiert und haben somit ein anonymes Kapital häufig in ganz anderem Sinne vertreten, als es die Eigentümer hätten verlangen können. Ist es da nun nicht richtiger und entspricht es der Situation, in der wir stehen, und entspricht es der Tatsache, daß unsere Betriebe nicht mehr Stätten des Gewinns für einzelne Unternehmer, sondern Organe der Volkswirtschaft sind, nicht besser, wenn in diesen Kontroll- und Aufsichtsorganen, die die Aufsichtsräte darstellen, nicht nur die Vertreter des Besitzes und der Banken, sondern auch die Menschen sitzen, die in dem Betrieb die Arbeit leisten und mit ihrer ganzen persönlichen Existenz und der ihrer Familie an das Schicksal des Betriebes gebunden sind?

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Es wird uns nun entgegengehalten: wir können aber unter keinen Umständen dulden, daß in diesen Kontrollorganen betriebsfremde Elemente erscheinen, wir können also nicht dulden, daß aus den Gewerkschaften Vertreter, die nicht dem Betrieb angehören, in die Aufsichtsorgane gewählt werden. Nun, meine Damen und Herren, diesen Gesichtspunkt hat man ja doch bisher bei der Zusammensetzung der Aufsichtsräte nicht gelten lassen,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    und der Aufsichtsrat bestand bisher eigentlich ausschließlich aus betriebsfremden Personen. Es ist
    sogar schon vorgekommen, daß der Aufsichtsrat aus betriebsfeindlichen Personen bestanden hat;

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    wenn man nämlich einmal ein Aktienpaket mit der Absicht aufgekauft hat, nicht den Betrieb am Leben zu erhalten, sondern aus Konkurrenz- und aus sonstigen Gründen den Betrieb zur Stillegung zu bringen. Ich habe nie gehört, daß in der Privatwirtschaft sich jemand dagegen erhoben hat, daß auf diese Weise betriebsfremde und manchmal sogar betriebsfeindliche Personen auf den Betrieb Einfluß nehmen. Man hat das hingenommen und will nun, wenn die Gewerkschaften den Anspruch anmelden, in den Aufsichtsorganen zu sitzen, das Postulat aufstellen, daß das eben einfach mit unserer Wirtschaft nicht zu vereinbaren sei.
    Meine Damen und Herren! Wenn sich eine Organisation nach dem Krieg bewährt hat, dann waren es die Gewerkschaften;

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    und ich glaube, sie verdienen heute noch den Dank des ganzen Volkes für ihre nationale Haltung, die sie seit 1945 an den Tag gelegt haben.

    (Beifall bei der SPD und CDU.)

    Und es waren ja häufig gerade die Unternehmer, die den Gewerkschaften den Dank dafür ausgesprochen haben, daß sie so viel volkswirtschaftliches Verständnis aufgebracht haben.
    Woher kommt nun auf einmal die Feindschaft gegenüber den Gewerkschaften, und woher kommt der Wille, die Betriebsräte in den Vordergrund zu spielen? Meine Damen und Herren! Erinnern Sie sich nicht an die Erfahrungen, die mancher Betrieb mit den Betriebsräten gemacht hat? Erinnern Sie sich nicht, welche politische Richtung kraft ihrer größeren Aktivität in diesen Betriebsräten häufig den Ausschlag gegeben hat? Ich glaube, wenn wir dieses Gesetz verabschieden, dann werden Sie noch einmal dankbar dafür sein, wenn die Gewerkschaften ihren Einfluß auf die Auswahl der Menschen ausüben, die in den Aufsichtsräten sitzen.

    (Zurufe von der KPD: Aha! So ist das gemeint!)

    Meine Damen und Herren! Es wird davon gesprochen, daß die Gewerkschaften einen machtpolitischen Anspruch geltend machen, und das ist der Grund, so geben Sie an, weswegen Sie diese Forderung der Gewerkschaften ablehnen. Nun, meine Damen und Herren, die machtpolitische Situation ist ja bereits geschaffen! Es ist doch heute so - aus der Denkschrift der Gewerkschaften haben Sie die Zahl wohl selbst entnommen —, daß 896 Aktiengesellschaften fünf Sechstel des Kapitals von 30 Milliarden in Deutschland haben und beherrschen. Das ist eine Machtposition, wie sie in Deutschland überhaupt sonst niemand innehat. Und wenn die Gewerkschaften nun von der Arbeitnehmerseite eine Gegenposition entgegensetzen wollen, so bedeutet das lediglich den Ausgleich der Interessen. Aber es bedeutet nicht, daß die Gewerkschaften sich selbst eine Machtposition in der Wirtschaft erringen wollen.
    Der Vorschlag der CDU, meine Damen und Herren, bleibt auf halbem Wege stehen. Der Vorschlag der CDU in der Besetzung des Aufsichtsrats gibt der Arbeiterschaft immer die Minderheit und damit eine Stellung, die ohne Bedeutung sein wird. Man kann bei diesen Dingen nicht mit Halbheiten operieren. Halbheiten sind gefährlicher, als wenn man überhaupt keinen Schritt tut, sondern entweder muß man ein Mitbestimmungsrecht gewähren, das der Arbeitnehmerschaft auch den Eindruck und die
    2980 Deutscher- Bundestag — 80. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Juli 1950

    (Dr. Veit)

    Gewißheit gibt, daß ihre Stimme im Betrieb ein Gewicht hat, oder man soll die Finger ganz davon lassen.
    Wenn ich zum Abschluß ein Beispiel anführen darf, dann möchte ich auf die Parallele, die zwischen dem europäischen Gedanken und dem Mitbestimmungsrecht besteht, hinweisen. Auch in Europa können sich die Staaten nicht entschließen, etwas von ihrer Souveränität im Interesse der Schaffung eines Gesamteuropas abzugeben und laufen die Gefahr, ihre Souveränität überhaupt einzubüßen. Und so sollten die Unternehmer erkennen, daß es nicht nur im Interesse der Arbeitnehmer, sondern in ihrem eigenen wohlverstandenen Interesse liegt, wenn sie einen Teil ihrer Souveränität an ihre Mitarbeiter abtreten. Denn sonst, meine Damen und Herren, laufen sie Gefahr, daß sie ihre Souveränität im Betrieb überhaupt verlieren;

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    und es dreht sich eben nicht nur um die Mitbestimmung der Arbeitnehmer, es dreht sich überhaupt darum, ob sie selbst, die Herren Unternehmer, in Zukunft noch ein Bestimmungsrecht in ihren Betrieben haben.

    (Beifall bei der SPD.)