Rede von
Paul
Harig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Ich bin immer beim Thema geblieben.
Jedenfalls bin ich mir darüber im klaren, daß eine ganze Reihe von Menschen am Werke sind, den Honig zu mixen,
der in dieser Frage der Arbeiterschaft wieder ums Maul geschmiert werden soll.
Ich möchte aber in dieser sehr wichtigen Frage noch einen der Ihren zitieren, und zwar zunächst einmal Herrn Ministerpräsidenten Arnold. Ministerpräsident Arnold erklärt:
Die gewerkschaftliche Großaufgabe der Zukunft liegt darin, die Menschen aus der Verengung des Klassenkampfes heraus in die freie Luft gemeinsamer christlich-europäischer Verantwortung zu führen. Das Privateigentum verliert seine manchesterlichen Funktionen und verliert damit auch die Antithese: hier Privateigentum, hier Nationalisierung.
Das sagt Arnold. Und hier behauptet der Papst in einer Botschaft an den Katholikentag, daß der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit nur scheinbar bestehe und in einer höheren Einheit, in einer organischen Zusammenarbeit, in der berufsständischen Gliederung von Kapital und Arbeit aufgehe.
— Da haben wir es ja.
Eine höhere Einheit: Die Nationalisierung verliert ihre Bedeutung, und alles geht in eine höhere Einheit, in das Berufsständische über.
Es ist also nichts mehr damit, was die Führer den Arbeitern sagen. Der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit ist gar nicht mehr vorhanden. Es ist nicht mehr wahr, daß das Kapital über die Produktionsmittel, über Reichtum und Macht verfügt, es ist nicht mehr wahr, daß ein Gegensatz besteht zwischen Palästen und Hütten, zwischen Satten und Hungrigen. Es ist nicht mehr wahr, daß es Ausbeuter und Ausgebeutete gibt. Das ist alles nicht mehr wahr. Deshalb predigt man heute wieder von Volksgemeinschaft, Werksgemeinschaft, Arbeitsgemeinschaft und Betriebsgemeinschaft. Das alles haben uns Hitler und Mussolini schon einmal gelehrt.
Das haben uns die damals auch gesagt. Diejenigen, die in Ahlen noch glaubten von der Sozialisierung sprechen zu können, wissen heute, daß das nicht mehr modern ist. Sie wissen, daß in einer friedlichen Arbeitsgemeinschaft und in einer schöpferischen Zusammenarbeit das Ziel liegt.
Nach 1918 haben wir doch ähnliches erlebt in der Frage der Arbeitsgemeinschaft. Nach 1918 benutzten die Unternehmer klug und geschickt die Arbeitsgemeinschaft, um Schlimmeres zu verhüten. Und diese Arbeitsgemeinschaft mußte auffliegen, als sie ihre Abwehrfunktion erfüllt hatte, und diese Arbeitsgemeinschaft, die heute gepredigt wird, das Wenige, was geboten wird, wird auch auffliegen, sobald es seine Abwehrfunktion erfüllt hat.
Die Gefahren sind sehr groß für die Arbeiterschaft, weil ein Teil der Gewerkschaftsfunktionäre glaubt, unter den Bedingungen des Marshallplans sei eine echte Mitbestimmung zu verwirklichen. Durch die Anerkennung des Marshallplans seitens der Gewerkschaften sind die Positionen zugunsten
der Dollarherrschaft gewachsen. Durch die Anerkennung der AFoL-Anweisungen aus Amerika haben wir das Resultat zu verzeichnen, das die Reaktion von 1945 bis heute sich festigen und stärken konnte. Sie kann heute der Arbeiterschaft diesen Entwurf präsentieren. Wer zum Marshallplan, zum Europarat, zum Atlantikpakt und zum Schuman-Plan ja sagt, muß wissen, daß nennenswerte Lohnerhöhungen ausgeschlossen sind, der muß wissen, daß eine wirkliche Demokratisierung der Wirtschaft ausgeschlossen ist.
Wir dürfen nicht verzichten auf den Kampf uni Lohnerhöhungen. Wir dürfen uns nicht der These bedienen, es genüge, eine gut florierende kapitalistische Wirtschaft zu haben. Wir dürfen uns nicht dem Trugschluß hingeben, wir müßten beteiligt sein an einer kapitalistischen Rationalisierung auf Kosten der Arbeiter. Wir vermehren dadurch nur das Heer der Arbeitslosen. Und das wünschen sich doch gerade die Reaktionäre. Das ist die Meinung der Fächer, Arnold und der Tarnow. Das muß auch einmal ganz deutlich gesagt werden. Weil sie diese Meinung vertreten, haben wir den Abfall vom Weltgewerkschaftsbund zu verzeichnen.
Deshalb haben wir in den verschiedenen Fragen die Bejahung der Bonner Politik seitens der Gewerkschaften zu verzeichnen. Daher haben wir den Böckler-Brief zu dem Petersberger Abkommen in der Frage der Demontage zu verzeichnen.
Heute morgen wurde von dem Herrn Kollegen Dr. Schröder sowohl wie von dem Kollegen Freitag die Gefahr aus dem Osten demonstriert. Es wurde gesagt, daß man dieser Gefahr nur durch die Schaffung besserer sozialer Verhältnisse begegnen könne.
— Herr Abgeordneter Schröder, der Sie Mitglied des Aufsichtsrats meiner ehemaligen Firma sind: Wie steht es denn mit der Frage der Lohnerhöhung? Und waren Sie, Herr Dr. Schröder und Herr Kollege Freitag, nicht beteiligt an meinem Hinauswurf aus dem Aufsichtsrat, weil ich für Lohnerhöhungen und für bessere soziale Verhältnisse meiner Belegschaft eingetreten bin?
Sie haben das Recht verwirkt, in solchen Fragen so hier aufzutreten.
— Ich bin entlassen worden, weil ich für die Verwirklichung des Mitbestimmungsrechts war.
In meinen Händen lag eine Zeichnung, aus der einwandfrei hervorging, daß 9000 t Winkeleisen über Klöckner-Handel an eine Firma geliefert werden sollten,
Weil ich nun bei der Firma vorstellig wurde und die Mitbestimmung der Kontrolle über die Eingänge und Ausgänge verlangte, deshalb wurde ich entlassen,
und derjenige, der dafür seine Hand leiht, kann nicht für wahre Mitbestimmung sein.
Ich sage noch einmal: Derjenige, der für den Marshallplan, für das Ruhrstatut, für den Europarat ist,
derjenige, der für eine kriegerische Auseinandersetzung mit der Sowjetunion ist, kann nicht für das Mitbestimmungsrecht sein. Dem Betriebsrat wird hier die Aufgabe zuteil, Polizei im Betrieb zu sein und für die Sicherung des Arbeitsfriedens zu sorgen.
Der Arbeitsfriede ist das A und O des Entwurfs.
Nun können Sie noch einen Moment sehr heftig Zwischenrufe machen, wenn ich Ihnen mitteile, daß ich — dies habe ich hier schon einmal gesagt — mit zwei Kollegen, einem der CDU und einem der SPD, in die Deutsche Demokratische Republik gefahren bin, um dort gemeinsam mit ihnen zu studieren, inwieweit dort das Mitbestimmungsrecht der Gewerkschaften, der Arbeitnehmer verwirklicht wurde. Ich kann Ihnen von der Sozialdemokratie und den Gewerkschaftskollegen aller Fraktionen nur sagen: Dort spielt der Kampf, ob der Betriebsrat das Mitbestimmungsrecht im Betrieb haben soll oder die Gewerkschaften in ihrer Eigenschaft als Organisation im Betrieb etwas mitzubestimmen haben sollen, keine Rolle.
Dort ist das Mitbestimmungsrecht verwirklicht!
Dort sind andere Eigentumsverhältnisse als hier.
Dort hat man den Monopolkapitalismus entmachtet und hat volkseigene Betriebe geschaffen,
und das Interesse des Volkes spielt bei der Planung im Betrieb mit Hilfe der Gewerkschaften die wesentlichste Rolle.
— Fragen Sie Ihre Kollegen!
Dort sind die Gewerkschaften in den Leitungen der Betriebe mitbeteiligt. Dort sind die Arbeitnehmer in den Planungssitzungen bei der Aufstellung und Verwirklichung der Pläne anwesend und können mitbestimmen, und zwar wesentlich. Dort bestimmen sie über alle sozialen Dinge mit.
Die Einheit eines demokratischen Deutschlands würde auch hier die Frage des Mitbestimmungsrechtes in ein anderes Licht rücken.
Wir würden hier auch Verhältnisse haben,
die es erübrigen würden, uns mit Reaktionären im Bundestag lange herumschlagen zu müssen,
bloß weil andere Menschen für ihre Arbeit ihr Recht fordern.