Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Euler hat heute morgen den Antrag gestellt, diesen Beratungsgegenstand von der heutigen Tagesordnung abzusetzen, und er hat das damit begründet, daß es aus Gründen der Rationalität unserer Arbeitsweise notwendig sei, diesen Punkt erst später zu behandeln, wenn auch der sozialdemokratische Gesetzentwurf eingereicht sei. Ich glaube, es war nicht allein die Tatsache, daß er um die Rationalität der Arbeitsweise des Bundestages besorgt ist, die ihn zu diesem Antrag bewog, sondern ich nehme an, daß sein Antrag aus politischen Motiven geboren war. Ich darf daran erinnern, daß sein Fraktionsfreund Freiherr von Rechenberg vor einiger Zeit in einer Rede in Köln erklärt hat, wenn die CDU es wagen sollte, gemeinsam mit der Sozialdemokratie das Mitbestimmungsrecht durchzuführen, dann werde das zum Bruch der Koalition und zum Austritt der FDP aus der jetzigen Regierung führen.
Das zunächst einmal als Vorbemerkung.
Nun haben wir aus allen Lagern eine Reihe von Eingaben erhalten, — — vielleicht, Herr Freiherr von Rechenberg, bleiben Sie da, ich will Sie nachher noch etwas zitieren! — Ich sagte, wir haben eine Reihe von Eingaben erhalten, von Arbeitgeberseite und von Arbeitnehmerseite, von einzelnen Korporationen, von Vereinigungen, von Betriebsräten, von den Gewerkschaften und von den Kirchen. Allein diese Tatsache, daß eine Flut von Gutachten und Eingaben an uns herangetragen worden ist, ferner die Tatsache, daß die Frage des Mitbestimmungsrechts draußen in der Öffentlichkeit eine breite Resonanz gefunden hat, und nicht zuletzt die Tatsache, daß wir heute einen ganzen Tag darauf verwenden, zu dieser Frage Stellung zu nehmen, sowie die hier gehaltenen Reden, die die Wichtigkeit des Problems unterstreichen, zeigen, wie notwendig es ist, in dieser Frage eine Klärung herbeizuführen.
Von Unternehmerseite sind Mittel angewandt worden, die nach meiner Auffassung zu schärfstem Protest herausfordern, weil sie sachlich unbegründet sind und zu einer Diffamierung des jetzt zur Beratung stehenden Gegenstandes führen. Ich will aber, bevor ich auf diesen Gegenstand eingehe, noch eine weitere Vorbemerkung machen: Der Landesausschuß der bayerischen Industrie hat vor einiger Zeit an seine Mitglieder ein Rundschreiben verschickt, und ich muß einige Stellen aus diesem Rundschreiben verlesen, um nachher zu dem, was ich gesagt habe, Stellung nehmen zu können. In diesem Rundschreiben heißt es:
Das Präsidium des Landesausschusses der bayerischen Industrie hat in seiner Sitzung am 4. April 1950 die Lage der Wirtschaft und des Unternehmertums erörtert und ist zu der Erkenntnis gekommen, daß keine Zeit mehr versäumt werden darf, um entscheidende Maßnahmen zum Schutze der privaten Wirtschaft und des Unternehmertums zu ergreifen.
Nun überspringe ich einige Dinge, die nicht von so großer Wichtigkeit sind, um zur Hauptsache zu kommen. Es heißt dann weiter:
Aus dieser Erkenntnis heraus hat das Präsidium beschlossen, die Mitglieder des Hauptausschusses zu bitten, bei den von ihnen vertretenen Industrien eine Umlage von 1 DM pro Kopf der Beschäftigten zu veranlassen. Diese
Beiträge sollen dazu dienen, einen Fonds zu bilden, mit dessen Mitteln die vorerwähnten Aufgaben erfüllt werden können.
Und welches sind die Aufgaben?
In der Frage des Mitbestimmungsrechtes alle verfügbaren Kräfte zur Erhaltung der Unabhängigkeit des Unternehmertums einzusetzen, Wahlgelder für die Durchsetzung wirtschafts- und unternehmerfreundlicher Auffassungen in den bürgerlichen Parteien bei den bevorstehenden Landtagswahlen sicherzustellen und Kandidaten auf aussichtsreichen Plätzen der bürgerlichen Wahllisten unterzubringen.
Verehrte Anwesende! Allein dieses Rundschreiben würde genügen, um die Forderung nach dem Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte in den Betrieben zu begründen. Denn das ist das Geld, das die Arbeitnehmer erarbeiten müssen und das nun die Unternehmer zu Zwecken ausgeben, die gegen die Arbeitnehmerschaft gerichtet sind.
— Die Arbeiterschaft schafft doch diese Werte! (Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Freiherrn von
Rechenberg.)
Nun sehe ich in dem „Industrie-Kurier" vom 18. Juli eine letzte Warnung und dabei als Beilage dieses Pamphlet: „Im Anfang war die Mitbestimmung", das sich ganz auf Lenin bezieht. Ich bedaure, daß der sonst von mir hochgeschätzte Herr Kollege Dr. Becker dieses Pamphlet zur Grundlage seiner Begründung gemacht hat.
— Ich will Ihnen sagen, warum, und ich will es
ganz deutlich sagen: Meine Herren, daß Sie heute
hier sitzen können, ist nicht Ihr eigenes Verdienst,
sondern ist in erster Linie das Verdienst der Sozialdemokratie, das Verdienst des Abwehrkampfes, den
die Sozialdemokratie vom ersten Tage nach der Ka-
pitulation im Jahre 1945 an gegen den östlichen Totalitarismus geführt hat,
zu einer Zeit, als viele Ihrer Herren es noch nicht gewagt haben, politisch in der Öffentlichkeit aufzutreten.
Meine Damen und Herren, damit will ich dieses Kapitel zunächst einmal abschließen.
— Ich komme nachher noch zu Ihnen, Herr Kollege von Rechenberg.
— Das müssen Sie schon mir überlassen!
Bei der Frage des Mitbestimmungsrechts dreht es sich nicht allein darum, daß ein gesetzlicher Akt vollzogen werden soll, sondern darum, daß die Arbeitnehmer diejenige Würde erhalten, die ihnen kraft ihrer Funktion, die sie in der Volkswirtschaft ausüben, zusteht. Das hat selbst der Herr Bundeskanzler Adenauer erkannt, als er unlängst in einer Unterredung gesagt hat, daß von der Lohnseite her dem Arbeitnehmer allein nicht mehr beizukommen ist, sondern daß soziale Gerechtigkeit vollzogen werden muß.
Ich will einige Dinge jetzt überschlagen; ich will noch folgendes sagen, was heute morgen schon ein Redner gesagt hat, ich habe mir das ebenfalls vorgenommen. Wenn wir jetzt nicht 1950 schreiben würden, sondern erst 1945 oder 1946 schreiben würden, dann würde die gesetzliche Handhabung für das Mitbestimmungsrecht zweifelsohne leichter durchzuführen sein als zum heutigen Zeitpunkt.
Ich muß nun zu den Ausführungen, die der Herr Kollege Dr. Hammer — nein, ich will zuerst zum Herrn Abgeordneten von Rechenberg kommen.
Daß in Deutschland jede Organisation die Möglichkeit hat, ihre Stellungnahme für oder gegen das Mitbestimmungsrecht klar und eindeutig auszusprechen, wird niemand übelnehmen. Wir sind zu einer sachlichen Auseinandersetzung jederzeit bereit. Aber ich habe in der „Frankfurter Rundschau" vom 19. Juli 1950 einen Artikel gelesen. Der Artikel beschäftigt sich mit dem Herrn Kollegen Freiherr von Rechenberg. Und da ich bis jetzt ein Dementi noch nicht gelesen habe,
möchte ich Sie zwingen, von dieser Tribüne aus zu diesen Anschuldigungen oder zu dieser sachlichen Feststellung, so will ich sagen, selbst Stellung zu nehmen.
In diesem Artikel wird festgestellt, daß bei dem Empfang des Studienausschusses für deutsch-französische Wirtschaftsbeziehungen zu Ehren des amerikanischen Hochkommissars McCloy eine Veranstaltung stattgefunden hat, bei der auch Freiherr von Rechenberg das Wort ergriffen hat. Die „Frankfurter Rundschau" schreibt, daß sie einen
vollständigen stenographischen Bericht von dieser Veranstaltung in ihren Händen habe.
— Das ist egal, und wenn es gestohlen ist,
auch wenn das Protokoll gestohlen ist, so ändert das nichts an der Tatsache, daß Sie, wenn es ein stenographisches Protokoll ist und der Wahrheit entspricht, zu diesen Fragen Stellung nehmen müssen.
Der amerikanische Hohe Kommissar McCloy hat in dieser Veranstaltung mit Sorge festgestellt, daß kleine Klüngel in Deutschland sich anschicken, die deutsche Wirtschaft wieder zu beherrschen.
Nach diesem Bericht — ich zitiere die Zeitung — hat von Rechenberg erklärt —,
— soll Herr von Rechenberg erklärt haben, daß diese Gefahr riesengroß ist,
und daß diese Gefahr, die riesengroß ist, in erster Linie vom Sozialismus herstammt. Sie sollen wörtlich erklärt haben: „Wir haben ihn kennengelernt, in der braunen Form, wie ihn Adolf Hitler vertrat, und wir haben ihn genügend kennengelernt in der roten marxistischen Form, wie es Stalins Schrekkensregiment darstellt."
Herr von Rechenberg, ich glaube, erstens einmal hat die Gewaltherrschaft des Dritten Reiches mit Sozialismus nichts zu tun gehabt;
und wenn Sie von Sozialismus des Dritten Reiches reden, dann glaube ich, haben wir als Sozialdemokraten ihn näher kennengelernt als viele Leute, die auf Ihrer Seite sitzen.
Wir haben ihn so brutal kennengelernt, daß der größte Teil unserer Fraktion in Gefängnissen oder Zuchthäusern oder in Konzentrationslagern gewesen ist. Wir haben auch den Kampf gegen das Schreckensregiment im Osten geführt, weil wir auf dem Standpunkt stehen, daß Sozialismus ohne Menschlichkeit nicht möglich ist. Wo die Menschlichkeit fehlt, ist der Sozialismus am Ende.
Aber ich komme zu dem Wichtigsten, und deswegen möchte ich Sie fragen, ob Sie diese Ausführungen gemacht haben. Sie sollen nach dem Stenogramm gesagt haben:
Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Vertreter einer Nation, in der kommunistisches Denken geradezu als Schande gilt, etwa hiermit fortschrittlich sozialistisches Gedankengut meinen könnte. Wenn es gelingt, sozialistische Ideen in Deutschland zum Tragen und zur
Macht zu bringen, dann kann Amerika die Hoffnung auf ein zukünftiges Europa begraben. Das sage ich nicht als Drohung, ich sage es aus einer ehrlichen Herzensangst, daß es dazu kommen könnte. Und daß es dazu nicht kommt, das wird gerade Ihre Aufgabe als Vertreter dieser Nation sein, dafür zu sorgen, daß alle derartigen Bestrebungen in Deutschland nicht zur Macht gelangen.
Haben Sie das gesagt?
— Dann muß ich schon sagen: Wenn sich Deutsche an die Besatzungsmacht wenden,
um den Kampf der Arbeiterklasse um das Mitbestimmungsrecht zu verhindern,
wenn sie sich an die Besatzungsmacht wenden
— jeder, der sich an die Besatzungsmacht wendet, das ist mein Standpunkt, um in die innerpolitischen Verhältnisse einzugreifen, handelt antinational, handelt gegen die Nation. Über das, was wir zu tun haben, setzen wir uns innenpolitisch auseinander ohne die Besatzungsmacht. Wer sich an die Besatzungsmacht in einer solchen Situation wendet, wird als das gekennzeichnet werden, was er ist.
Nun möchte ich mich — -