Rede von
Alfred
Loritz
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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zwei Entwürfe liegen uns vor, ein Entwurf von der CDU/CSU und ein zweiter Entwurf von der SPD. Wir lehnen beide Entwürfe auf das entschiedenste ab.
Beide Entwürfe sind - das will ich Ihnen jetzt beweisen - sehr wenig durchdacht.
Denn sonst könnten sie nicht Formulierungen enthalten, über die draußen im Lande jeder einzelne, der sich die Sache einmal richtig durchgelesen hat, sich nur lustig machen kann.
Ich will Ihnen das jetzt gleich sagen, meine Herren Zwischenrufer von der CDU.
Ich fange gleich mit Ihnen an.
Sie haben in dem Entwurf der CDU in § 2 Absatz 3 die Bestimmung, daß Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes auch die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten sind. Der Entwurf enthält einen § 4, wonach der Betriebsrat schon für alle Betriebe und
Geschäfte von fünf Arbeitnehmern angefangen gebildet wird. Sie wählen einen Betriebsrat, und für ihn gelten diese Bestimmungen, und zwar sämtliche Bestimmungen dieses Gesetzes.
Wenn Sie von Betrieben mit über 20 Arbeitnehmern sprechen, so gelten die Bestimmungen natürlich nicht, das weiß ich auch.
Aber der Hauptstock der Bestimmungen gilt.
— Sie werden gleich hören, was dabei herauskommt. — Ein einfacher Schuhmacher hat meinetwegen vier Lehrbuben und ein Laufmädchen oder einen sonstigen Angestellten. Für diesen Betrieb muß ein Betriebsrat gewählt werden.
— Warum ist das nicht wahr, Herr von Brentano?
Sie meinen: sie sind nicht wahlberechtigt! Da täuschen Sie sich aber sehr. Wahlberechtigt sind alle Arbeitnehmer, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte sind. Warum sollen sie nicht wahlberechtigt sein? Sie sind wahlberechtigt. Aber Sie haben anscheinend Ihren eigenen Gesetzentwurf, den Sie uns heute vorlegen, überhaupt nicht durchgelesen, Herr von Brentano.
Sie scheinen bereits so in europäischen Gedankengängen zu denken,
daß Sie sich um derart kleine Dinge wie das Betriebsrätegesetz — so möchte ich es fast nennen — nicht mehr kümmern. Dann sollten Sie aber auch Ihre Zwischenrufe sein lassen, Herr Dr. von Brentano.
Ich stelle fest: Dieses Gesetz findet Anwendung auf kleine und kleinste Gewerbetreibende, auf Handwerksmeister, auf Schuhmacher mit ein paar Lehrlingen oder ein paar Gehilfen, auf kleine Kaufleute, und das ist ein Nonsens, meine Damen und Herren, weil die wirtschaftlichen Bedingungen, unter denen das Handwerk, der Kaufmannstand, die kleinen und mittleren Unternehmungen zu arbeiten haben, völlig andere als bei den ganz großen oder großen Betrieben sind. Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf das alles über einen Kamm zu scheren versucht. Es ist einer der größten Fehler des Gesetzesvorschlages der CDU/CSU, daß er nicht berücksichtigt, wie unendlich verschieden die Wirtschaftsbedingungen und damit auch die Arbeitsbedingungen beim Handwerk, beim Kleinhandel, beim kleinen Unternehmer einerseits und bei den großen Betrieben andererseits sind. Das kommt in Ihrem Entwurf viel zu wenig zum Ausdruck .
— Ja, da haben wir es.
Der Schuhmacher wird über diesen Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, lachen, und wahrscheinlich werden seine Gesellen und seine Lehrlinge ebenfalls darüber lachen. Sie werden lachen über ein solches Zeug, das Sie ihnen vorgesetzt haben.
Vier Fünftel der Unternehmer sind Inhaber kleiner und kleinerer Betriebe des Handwerks, der kleinen Wirtschaft. Sie alle fallen unter diesen Gesetzentwurf. Sie haben dieses Gesetz viel zu breit angelegt. Fragen Sie doch einmal die Gehilfen und die Gesellen der Handwerksmeister im ganzen Land!
Die werden Ihnen die nötige Antwort auf diese
Bestimmungen geben, meine Herren von der CDU.
- Sie können ja jetzt Witzchen darüber machen, soviel Sie wollen, Herr Zwischenrufer, Sie werden mir das, was ich Ihnen gesagt habe, nicht wiederlegen können.
Sie haben Kautschukparagraphen in diesem Gesetz, mit denen sich so gut wie gar nichts machen läßt, die Sie so und anders auslegen können.
— Jawohl, Kautschukparagraphen! Ich erinnere nur an einige, an § 27 oder an § 30.
Überall werden Sie mit diesen Pragraphen gar nichts erreichen können. Sie werden nur den Interessen der Arbeitnehmer genau so schaden wie den Interessen des ganzen Betriebes.
Wir lehnen also Ihren Entwurf, meine Herren von der CDU/CSU, mit aller Bestimmtheit ab. Er schadet der gesamten Wirtschaft, er schadet den Arbeitnehmern genau so wie den betreffenden Unternehmungen selbst.
Wir können auch dem Antrag der SPD unter keinen Umständen zustimmen. Der Antrag der SPD bringt eine Reihe von Dingen, die sich mindestens ebenso wirtschaftsschädlich auswirken werden wie das, was die CDU beantragt.
— Ich gehöre nicht zu den Abgeordneten der SPD, die im Carlton Samba tanzen. Ich bin deswegen nicht Fachmann auf diesem Gebiet.
Nein, ich gehöre nicht zu den Abgeordneten der SPD, die bei Champagner im Carlton Samba tanzen. Lassen Sie mich nicht deutlicher werden! Aber mit so billigen Mätzchen können Sie gar nichts erreichen; das kann ich Ihnen sagen, meine Herren.
Ich habe in den letzten Wochen mit vielen Arbeitern gesprochen. Diese haben mir übereinstimmend gesagt: Was geschieht mit unserem Betrieb, wenn Leute in unseren Betrieb hineingesetzt werden, die diesem Betrieb gar nicht angehören? Das ist eine ganz große Gefahr Ihres Gesetzentwurfs. Sie werden — das hat heute ein Redner ganz richtig gesagt, ohne daß ich dessen sonstige Ausführungen unterstreichen möchte — hier gewerbsmäßige Vertreter schaffen, die gleichzeitig in einer ganzen Reihe von Betrieben drinstecken, in Betrieben, die oft untereinander in schärfster Konkurrenz stehen. Ich glaube, daß diese Vertreter es oft sehr hart haben werden, die Interessen der einzelnen Betriebe auseinanderzuhalten, und daß es hier Dinge geben wird, die man als Anwalt Prävarikation heißt, daß Interessen verschiedenster, nicht etwa miteinander zusammenhängender Betriebe durcheinandergeworfen und damit geschädigt werden. Es ist ein Unding, daß man betriebsfremde Leute in den Betrieb hineinsehen läßt. Sie werden
mir vielleicht antworten: Im Aufsichtsrat sind ja auch betriebsfremde Leute drin, die können jetzt schon hineingewählt werden. Trotzdem besteht da ein ganz großer Unterschied. Die Tätigkeit des Aufsichtsrats — es sind ja genügend Juristen bei Ihrer Fraktion, ich brauche Ihnen das nicht zu schildern — ist keineswegs so geartet, daß die Leute hinter Betriebsgeheimnisse dieses Betriebes kommen können.
— Nein, das können sie nicht; das kann das Direktorium des betreffenden Werkes jederzeit verhindern. Das wird in den Aufsichtsratssitzungen im allgemeinen auch gar nicht angeschnitten.
— Klüger? Die stecken mitten drin, ganz anders als heute die Aufsichtsratsmitglieder, Herr Kollege. Die haben nach Ihrem Vorschlag jederzeit die Möglichkeit, hinter Betriebsgeheimnisse zu kommen. Diese Möglichkeit haben die Aufsichtsratsmitglieder nach den heutigen gesetzlichen Bestimmungen nicht. Jedenfalls ist das eine Bestimmung, die völlig unmöglich ist.
Die andere Grundidee, an der der sozialdemokratische Vorschlag scheitern wird, ist die, daß Sie nicht Leute mit Dingen befassen können, die sie selbst nicht kennen. Sie können und müssen Arbeiter mit den Angelegenheiten befassen — und ihnen ein maßgebliches Mitspracherecht darin zubilligen —, die die betreffenden Arbeiter selbst kennen, in denen sie Fachleute sind. Sie können aber nicht Arbeiter mit Angelegenheiten der kaufmännischen Führung oder der technischen Leitung oder
mit sonstigen Problemen befassen. Sie bringen hier Arbeiter in Haftungen hinein, die unübersehbar sind und die von den betreffenden Arbeitern, und zwar gerade von den richtig und vernünftig denkenden — und das ist die übergroße Anzahl -
bewußt abgelehnt werden.
Den Arbeitern ist es um etwas ganz anderes zu tun, als mit Dingen befaßt zu werden, die sie nicht kennen. Den Arbeitern ist es darum zu tun, einen möglichst anständigen Lohn zu erhalten, möglichst anständige und soziale Arbeitsbedingungen und eine Sicherung für ihr Alter zu haben. Das wollen die Arbeiter erreichen, und darin werden wir sie mit aller Kraft unterstützen.
Die Arbeiter denken in ihrer übergroßen Mehrzahl gar nicht daran, vielleicht ein kaufmännisches oder technisches Risiko zu übernehmen. Daran denken bloß einige tausend Leute, die auf Posten in den betreffenden Unternehmen spekulieren. Die denken daran, andere nicht. Man hätte in der letzten- Zeit hier im Parlament über die Minderung des Reallohns durch die eingetretenen Preissteigerungen und über alle diese Dinge mehr sprechen sollen. Aber man soll nicht Utopien nachjagen. Man soll nicht Probleme, die nur durch einen Fachmann auf diesem Gebiet gelöst werden können, durch einen Nichtfachmann zu lösen versuchen, ebensowenig wie ein kaufmännischer Leiter des Unternehmens oder ein juristischer Abteilungsleiter des Werkes sich mit Arbeiterproblemen befassen soll.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir lehnen die beiden Entwürfe ab. Sie sind wirtschaftsschädigend, sie wirken sich für die Arbeitnehmer genau so wie für die Arbeitgeber schädlich aus.
Beide Entwürfe werden ja dem Ausschuß überwiesen werden. Wir haben heute gehört, ein Regierungsentwurf kommt auch noch dazu. Sehr schade, daß er nicht schon lange da ist. Vielleicht hätte die Debatte eine andere Wendung genommen. Jedenfalls wird der Ausschuß erst dann in die Lage kommen, hier wirklich Bestimmungen zu schaffen, die sich einigermaßen halten lassen. Was uns heute vorliegt, gehört noch nicht dazu. Wir werden im Ausschuß zu den einzelnen Bestimmungen allerhand zu sagen haben. Sollten die Dinge, die hier im Gesetz stehen, durchgehen, so sehen wir für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft schwarz; das kann ich Ihnen heute schon sagen. Wir werden erst auf Grund der Ausschußberatungen die Möglichkeit haben, zu den betreffenden Dingen im einzelnen Stellung zu nehmen. So wie Sie es wollen, meine Herren von der CDU ebenso wie von der SPD, geht es jedenfalls nicht. So ruinieren Sie die Wirtschaft, anstatt sie zu fördern.