Nun möchte ich mich noch mit dem Kollegen Dr. Hammer auseinandersetzen. Herr Kollege Dr. Hammer, Sie haben ja mit mir gemeinsam das Betriebsrätegesetz in Hessen geschaffen, Sie haben ja mitgearbeitet, und zwar bis zu dem Augenblick, in dem das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht beschlossen worden ist, in dem Sie dann mit Ihrem Kollegen Göbel gestreikt haben und in die Sitzungen nicht mehr gekommen sind. Ich muß anerkennen -- und das möchte ich Ihnen hier bestätigen —, daß Sie sehr fleißig während der Zeit der Beratungen mitgearbeitet haben.
Der Herr Kollege Hammer hat aber einen sehr interessanten Satz in seiner Rede gesagt. Er sagte wörtlich: „Wer gegen unsere Wirtschaft rebelliert, muß sich darüber klar sein, daß am Ende die Sklaverei steht." — Herr Kollege Hammer, wenn die Arbeiterschaft von Anfang an nicht rebelliert hätte, dann würde sie noch heute in dem Zustand sein, in dem sie im Anfang gewesen ist. Erinnern
Sie sich daran, daß noch im Jahre 1890 in den Stahlwerken von Stumm kein Werkangehöriger eine Ehe schließen konnte ohne die Zustimmung der Werkleitung, des Chefs. Erinnern Sie sich daran, daß noch im Jahre 1918 bestimmte Arbeitnehmergruppen, wenn sie ihren Arbeitsplatz verlassen hatten, durch die Polizei zwangsweise an ihre Arbeitsstellen zurückgebracht werden konnten. Das ist die Rebellion gewesen, die die Arbeitnehmerschaft zu ihrem Segen durchgeführt hat.
Nun will ich Ihnen aber noch etwas anderes sagen, Herr Kollege Hammer. Ich habe im „Deutschen Kurier" vom 14. Januar 1950 einen Artikel von Ihnen gelesen. Ich bedauere, daß Herr vnn Brentano, der auch dem Betriebsrätegesetz in Hessen mit zugestimmt hat, nicht anwesend ist. Ich will alles, was Sie heute morgen an philosophisch-. historischem Vortrag über die Arbeiterbewegung gehalten haben, das zum Teil in diesem Artikel enthalten ist, übergehen. Ich will nur eine Stelle vorlesen:
Das angekündigte Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird vielleicht mit Rücksicht auf Herrn von Brentano und auf das mißgestaltete Kind jener Mesalliance zwischen SPD und hessischer CDU verschämt das Wörtchen Mitbestimmung hier und da gebrauchen.
Verehrte Anwesende! Der Herr Kollege Arndgen hat seine Unterschrift unter das hessische Betriebsrätegesetz als damaliger Arbeitsminister geleistet. Es ist vorhin von dem Herrn Kollegen Becker gesagt worden, daß Professor Böhm, der frühere Kultusminister der hessischen Regierung, als Sachverständiger gehört worden ist. Wir haben ihn seinerzeit gebeten, seine Auffassung in unserem Ausschuß vorzutragen. Ich muß aber feststellen, daß sämtliche CDU-Abgeordnete des Hessischen Landtages in namentlicher Abstimmung mit Ja gestimmt haben. Ich wünsche nur, wenn wir jetzt das Mitbestimmungsrecht hier schaffen und es den Verhältnissen des hessischen Betriebsrätegesetzes entspricht, daß dann alle CDU-Abgeordneten, auch des Bundestages, den Mut aufbringen, den die hessischen CDU-Abgeordneten aufgebracht haben.
Nun hat der Kollege Becker noch gesagt, er frage sich, wohin politisch die Reise geht, wenn wir dieses Mitbestimmungsrecht durchführen. Ich verhehle gar nicht — das habe ich auch damals als Sprecher im Hessischen Landtag gesagt, als ich zum Betriebsrätegesetz Stellung genommen habe —, daß auch Gefahren für die Gewerkschaften darin bestehen, wenn der eine oder andere in den Aufsichtsrat delegiert wird. Diese Gefahren müssen die Gewerkschaften mit in Kauf nehmen; das ist selbstverständlich. Aber, wenn der Herr Kollege Dr. Becker fragt, wohin politisch die Reise gehen soll, dann wäre es besser gewesen, wenn diese Frage vor 1933 gestellt worden wäre; denn wenn vor 1933 das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht bereits vorhanden gewesen wäre, dann habe ich die feste Überzeugung, daß wir vielleicht über diese Katastrophe, die wir hinter uns haben, hinweggekommen wären.
— Jawohl.
Dann noch ein anderes, Herr Kollege Dr. Becker und Herr Kollege Dr. Hammer. Durch den Einspruch der Militärregierung waren bekanntlich die
Atikel 52 ff. zunächst suspendiert in der Meinung, daß eine spätere Nationalversammlung oder ein Bundesparlament, das jetzt geschaffen worden ist, das Mitbestimmungsrecht regelt, daß aber bis zu dem Zeitpunkt, wo durch den Bund dieses Gesetz geschaffen wird, diese Paragraphen suspendiert werden. Nachdem die Militärregierung selbst eingesehen hat, daß der Bund keine Anstalten macht, diese Dinge möglichst rasch zu regeln, ist man mittlerweile dazu übergegangen, in den Ländern, in denen das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht bereits im Gesetz verankert ist, die Paragraphen in Kraft zu setzen.
Ihr Herr Kollege Euler und auch Ihr Herr Kollege Dr. Ihlau haben in einer ganzen Reihe von Versammlungen erklärt: Nachdem das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht in Hessen in Kraft getreten ist, werden wahrscheinlich eine ganze Reihe von Betrieben aus dem Lande Hessen auswandern; andere Betriebe werden nicht mehr nach Hessen kommen, und Kredite vom Ausland werden wir nach Hessen nicht mehr bekommen. Wenn Sie es mit dem Lande Hessen gut meinen, dann rate ich Ihnen, jetzt das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht für den ganzen Bund zu schaffen; dann besteht keine Ausweichmöglichkeit für die Unternehmer in Hessen mehr, in ein anderes Land abzuwandern.
Noch eine Bemerkung zu dem Herrn Kollegen Freudenberg. Ich will nur zwei Sätze sagen. Der Herr Kollege Freudenberg hat gesagt, daß er als unabhängiger Kandidat in seinem Wahlkreis Weinheim gewählt worden ist. Ich kenne die Verhältnisse dort sehr gut. Er hat gesagt, seine Stimmen hätten nicht soviel gekostet wie die sozialdemokratischen Stimmen. Vielleicht ist der Herr Kollege Freudenberg einmal so freundlich und legt uns eine Abrechnung vor, wieviel die Wahlkosten zur Durchsetzung seiner Wahl in seinem Wahlkreis betragen haben.
Dann hat Kollege Freudenberg gesagt, er sei jetzt älter und klüger geworden.
und sei um so mehr überzeugt, daß die Entfaltung der Leistungen der einzelnen Individuen gewährleistet sein muß. Ich muß sagen, ich habe vor 30 Jahren mit dem Herrn Kollegen Freudenberg im Badischen Landtag gesessen und habe damals von ihm andere Reden als heute gehört. Wenn er älter geworden ist, dann ist er nach meiner Auffassung wenig klüger geworden, und wenn er sich gar auf Ludwig Haas berufen hat, dann möchte ich noch im Andenken an Ludwig Haas sagen, wenn Ludwig Haas diese Rede gehört hätte, dann hätte er wahrscheinlich heute von einem mißratenen Sohn gesprochen.
Über das, was der Herr Abgeordnete Walter von der Deutschen Partei gesagt hat, will ich mich nicht unterhalten. Er hat erklärt: „Es muß verhindert werden, daß es zu Streiks und Demonstrationen kommt." Dazu kann ich nur bemerken, wahrscheinlich ist sein Bedarf vor 1933 so gründlich gedeckt worden, daß er es heute nicht mehr nötig hat.
Zur KPD will ich kein Wort sagen, und zwar deshalb nicht, weil man nicht die Gewißheit hat,
ob ein kommunistischer Abgeordneter in vier Wochen noch kommunstischer Abgeordneter ist.
Was wir verlangen, ist die Anerkennung der Gewerkschaften, die Gleichberechtigung der Arbeitnehmer und die Verankerung nicht der Mitwirkung, sondern der Mitbestimmung in diesem Gesetz. Sie haben ja selbst gesagt, daß Sie eine machtpolitische Auseinandersetzung nicht haben wollen. Gut, teilen Sie Ihre Macht mit der Arbeiterschaft! Dann ist eine machtpolitische Auseinandersetzung nicht notwendig.