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ID0108001700

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    Deutscher Bundestag — 80. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Juli 1950 2927 80. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 27. Juli 1950. Geschäftliche Mitteilungen 2928C, 2954D, 2964D, 2965D, 3024D Änderung der Tagesordnung 2928C Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb (Nr. 970 der Drucksachen) 2928D, 2929B Zur Geschäftsordnung: Euler (FDP) 2928D Dr. von Brentano (CDU) 2929A Mellies (SPD) 2929A Rademacher (FDP) 2987C Zur Sache: Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU), Antragsteller 2929C Freitag (SPD) 2937D Dr. Hammer (FDP) 2942C Dr. Dr. h. c. Lehr (CDU) 2946D Walter (DP) 2949D Frau Wessel (Z) 2952A Dr. Seelos (BP) 2955A Agatz (KPD) 2956A Dr. Miessner (DRP) 2960C Freudenberg (FDP) 2962A Raestrup (CDU) 2965A Arndgen (CDU) 2965D Böhm (SPD) 2966D Storch, Bundesminister für Arbeit 2969C Degener (CDU) 2971A Keuning (SPD) 2972A Harig (KPD) 2974B Dr. Veit (SPD) 2978A Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 2980A Freidhof (SPD) 2984A Loritz (WAV) 2987D, 2995B Lenz (CDU) 2989D Dr. Kleindinst (CSU) 2990D Mensing (CDU) 2992A Dr. Freiherr von Rechenberg (FDP) 2993A Dr. von Brentano (CDU), Antragsteller 2993D, 2995D Mayer (Stuttgart) (FDP) 2995D Günther (CDU) 2995D Lausen (SPD) 2996A Zur Abstimmung: Paul (KPD) 2996B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der in den Bundestag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes (Nr. 1153 der Drucksachen) 2996C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Vermittlung der Annahme an Kindes Statt (Nr. 1173 der Drucksachen) . . . . 2996C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der Mutter (Mutterschutzgesetz (Nr. 1182 der Drucksachen) . 2996D Frau Kipp-Kaule (SPD), Antragstelle- rin 2996D Frau Dr. Rehling (CDU) 2998B Frau Arnold (Z) 2999C Frau Thiele (KPD) 3000A Frau Dr. Ilk (FDP) 3000D Frau Kalinke (DP) 3001B Frau Döhring (SPD), Antragstellerin 3001D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Mandatsniederlegung des Abgeordneten Müller (Hannover) (Nr. 993 der Drucksachen) . . 3003B Dr. Brill (SPD), Berichterstatter . 3003B Fisch (KPD) 3004B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs über die Bildung eines vorläufigen Bewertungsbeirates (Nr. 975 und Nr. 1158, 1235 der Drucksachen) 3005D Dr. Kneipp (FDP), als Berichterstatter 3005D als Abgeordneter . . . . . . . 3008A Dr. Schmidt (Niedersachsen) (SPD) . 3007C, 3008C Wartner (BP) 3008D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (Nr. 924 und 1209 der Drucksachen) 3009C Dr. von Merkatz (DP) (zur Geschäftsordnung) 3009C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten — Milch- und Fettgesetz — (Nr. 1243 der Drucksachen) . . 3009D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Getreide und Futtermitteln (Getreidegesetz) (Nr. 968 und 1224 der Drucksachen) . . . 3009D Dr. Horlacher (CSU) : als Berichterstatter 3010A als Abgeordneter 3014A, 3015B Dr. Kather (CDU) 3012A, C Kriedemann (SPD) 3012D Dr. Baade (SPD) 3013C, 3014C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Festsetzung von Brotpreisen (Nr. 1161 und 1222 der Drucksachen) 3016A Struve (CDU), Berichterstatter . . 3016A Kriedemann (SPD) 3016B Harig (KPD) 3016C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für ERP-Fragen (15. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Verwendungsordnung der ERP-Zuwendungen (Nr. 1167, 661 der Drucksachen) 3017B Dr. Pfleiderer (FDP), Berichterstatter 3017B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Kürzung der Versorgungsbezüge (Nr. 1174, 434 der Drucksachen) . . . . 3019B Dr. Wuermeling (CDU): zur Geschäftsordnung 3019B als Berichterstatter 3019C als Abgeordneter 3020A Herrmann (SPD) 3020D Melliez (SPD) 3021C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Ollenhauer u. Gen. betr. Vorlage eines Gesetzentwurfes über die Regelung der Versorgung der Körperbeschädigten und Hinterbliebenen durch Kriegsfolgen und über den Antrag der Fraktion der DP betr. Sozialversicherung (Nr. 1180, 30, 36 der Drucksachen) . . . . 3021D Mende (FDP), Berichterstatter . . . 3022A Storch, Bundesminister für Arbeit . . 3022D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kriegsopfer und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Spies, Strauß, Stücklen, Frau Dr. Probst u. Gen. betr. einheitliche Anerkennung der Schwerbeschädigtenausweise (Nr. 1181, 1004, 1236 der Drucksachen) 3023A Langer (FDP), Berichterstatter . . 3023B Spies (CSU) 3023C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) über den Antrag der Abg. von Thadden u. Gen. betr. Beseitigung der Entrechtung der ehemaligen Wehrmachtangehörigen und ihrer Hinterbliebenen (Nr. 1187, 1060, 1247 der Drucksachen) 3024A Dr. Kleindinst (CSU) 3024B Frist für Rednerkorrekturen der stenographischen Niederschriften 3024D Nächste Sitzung 3025C Die Sitzung wird um 9 Uhr 13 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Rede von Dr. Richard Hammer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Wer die leidenschaftlichen Auseinandersetzungen über das Thema Mitbestimmungsrecht in den letzten Monaten in Deutschland verfolgt hat und wer auch die Klänge richtig zu deuten weiß, die heute durch diesen Saal schallten, der kommt vielleicht auf die ketzerische Idee, daß dieses ganze Thema den Aufwand wert ist, der hier gemacht wird.

    (Zurufe von der SPD: Hört! Hört!)

    Meine Damen und Herren! Ich bin der Ansicht, daß die Frage des Mitbestimmungsrechts diesen Aufwand wert ist,

    (Zurufe: Sehr richtig!)

    obwohl man, wenn man die konkreten Forderungen — zugespitzt in dem Entwurf der Sozialdemokratie — betrachtet, vielleicht doch auf die Idee kommen könnte, daß die Liebe eine Bejahung, abgesehen vom Wert, ist.
    Meine Damen und Herren! Man sollte den Versuch machen, bei der Verhandlung dieser Dinge hier im Hause so zu tun, als könne man völlig vernünftig sein. Heinrich von Kleist hat seinem Odysseus einmal ein Wort in den Mund gelegt, als das Volk der Achäer von dem rasend verliebten Achilles bedroht wurde. Dieses Wort hieß: „Laßt uns vereint, ihr Griechenkönige, noch einmal Vernunft keilförmig mit Gelassenheit auf seine rasende Entschließung setzen!"
    Meine Damen und Herren! Ich bin der Ansicht, daß die Entschließung der SPD eine rasende Entschließung ist. Ich respektiere ihre Leidenschaft, ich halte sie aber für absolut unzweckmäßig und für gefährlich für die Zukunft der Arbeiterschaft und der ganzen deutschen Nation.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, versuchen wir doch, nach dem Motto der Vernunft zu verfahren. Wenn Sie etwa damit beginnen würden, daß Sie die Erkenntnisse, die Resultate unserer arbeitspsychologischen Institute zu Rate zögen, dann könnten Sie zu Ausgangspunkten für unsere Diskussion kommen, die gar nicht uninteressant sind. Dort hat man aus Millionen von Fragebogen immer zwei merkwürdige Antworten bekommen. Wenn man den Arbeiter frug: „Was behagt dir denn am allerwenigstens in deiner Arbeitsstelle oder in deinem Betrieb?", dann bekam man in der Regel die beiden Antworten: Der Meister und die Stoppuhr! — Es lohnt sich, diese Dinge einmal zu verfolgen.
    Beginnen Sie mit der Stoppuhr. Einem Teil von uns ist das schwer zu vergegenwärtigen. Mit dem Wecker hat sie nichts zu tun; denn den kann man abstellen. Vielleicht kann man sich, was Stoppuhr ist, am ehesten vergegenwärtigen, wenn man an das Wecken beim Kommiß denkt. Mit der Stoppuhr geht man nicht an eine Arbeit, die einen ruft und zu der man eine innere Beziehung hat, sondern mit der Stoppuhr wird man zur Arbeit befohlen.


    (Dr. Hammer)

    Meine Damen und Herren! Warum ist denn die Bindung des modernen Industriearbeiters — auf dessen Verhältnisse wollen wir uns im Augenblick beschränken — eine derartige Bindung in den meisten Fällen geworden? Die moderne Rationalisierung der Arbeit in den letzten hundert Jahren, die uns zur Hochindustrialisierung geführt hat, hat das Werk, mit dem sich der alte Geselle beschäftigt hat, seiner Hand entzogen und sinnlos gemacht. Mit der Produktion über das laufende Band, mit der Herstellung des Massenartikels hat diese Beziehung des Menschen zu seinem Werk aufgehört — denken Sie an das, was die Psychologen über die Verwandtschaft von Arbeitstrieb und von Spieltrieb sagen —, hat die Arbeit weitgehend ihren Sinn verloren oder ist jedenfalls doch dieser Sinn sehr schwer zu finden.
    Die Werkstatt ist nicht mehr die alte Werkstatt, wie sie einmal war. Was sie war, das sehen Sie an dem deutschen Sprachgebrauch, nach dem man für das Atelier des Künstlers noch den ehrenvollen Ausdruck „Werkstatt" verwendet. Das ist in einer großen Anzahl unserer Betriebe in dem hochindustrialisierten Mitteleuropa und in Amerika völlig vorbei. Da wird also zu einer Arbeit, die an sich nicht ruft, befohlen, und zwar in der Form unserer technischen Alarmsignale. Es gibt nicht mehr den Gesellen, der in der Meisterfamilie frühstückt, und er geht nicht mehr an die Arbeit, die ihn lockt.
    Wenn hier das Wort Geselle gefallen ist, so bin ich nahe bei der anderen Antwort, die uns die arbeitspsychologischen Institute geliefert haben, bei der Antwort: Meister. Warum ist denn dieser Meister der Mann, bei dem dauernd die Konfliktsituationen entstehen? Offenbar liegt das kaum an unseren Verhältnissen in Deutschland. Der Unternehmer, der an einem vorzüglichen Produktionsvorgang orientiert ist, gibt sich die größte Mühe, einen Meister zu bekommen, der nicht nur ein Könner in bezug auf seine technischen Aufgaben ist, sondern der auch kontaktfähig ist, der es fertigbringt, seine Arbeiterschaft an den Betriebszweck heranzuführen. Wenn Sie die Beschäftigung der amerikanischen Gewerkschaften und der amerikanischen Unternehmer betrachten, so sehen Sie, daß dort außerordentlich viel Zeit und Arbeit darauf verwandt wird, diesen kontaktfähigen und leistungsfähigen Meister zu schaffen. Das wird auch bei uns versucht. Aber es hat nicht dazu geführt, daß in diese Fragebögen eine andere Antwort hineinkäme als die: der Meister.
    Meine Damen und Herren! Nun bitte ich Sie, sich doch einmal folgendes zu überlegen. Die Stellung des Meisters war in der alten Ordnung der vorkapitalistischen Zeit eine soziale Stufe, die dem normalen Handarbeiten durchaus erreichbar, ja, in der Regel zugänglich gewesen ist. Die Fabrikation am laufenden Bande, die rationalisierte Massenproduktion hat uns Arbeitsverhältnisse gebracht, in denen dieser Meister eine verhältnismäßig seltene Figur geworden ist. Es gibt eine Reihe von hochindustrialisierten Betrieben, in denen vielleicht auf 100 Arbeitnehmer ein Meister kommt. Dieser Meister ist der Beförderungsgrad, der den Arbeitern nicht mehr zugänglich ist. Der soziale Aufstieg innerhalb des Betriebes ist in diesem System des Hochkapitalismus weitgehend durch die technische Rationalisierung unmöglich gemacht worden.
    Ich bitte Sie, sich einmal zu überlegen, was das Abstoppen des sozialen Aufstiegs bedeutet. Ein ganz einfaches Beispiel! Wenn Sie an die Revolution von 1918 denken, so wird Ihnen einfallen, daß diese Revolution in Deutschland nicht von den
    Landsern gemacht worden ist, sondern von den Deckoffizieren und von den Korporälen, also gerade von jener Schicht in diesem militärbürokratischen Apparat, der nach den Gesetzen des kaiserlichen Deutschlands der soziale Aufstieg verwehrt gewesen ist. Überall da, wo die Chance zum Aufstieg aufgehört hat, besteht die Gefahr von Konflikten. Ich bezweifle, daß die Erhebungen unserer arbeitspsychologischen Untersuchungsinstitute uns in vollem Umfange den Weg zum Verständnis des Verlangens nach Mitbestimmung ebnen können. Man könnte sagen: das, was hier zweifellos an Arbeitsleid verlangt wird, müßte ja nach alten Theorien durch eine volle Lohntüte ausgeglichen werden. Man könnte sich darüber unterhalten, ob die moderne Wirtschaftsform das Arbeitsleid verringert hat. Zweifellos ist das zum Teil der Fall. Wenn in den letzten 100 Jahren oder von 1820 bis 1920 in Großbritannien die Arbeitszeit von 72 Stunden auf 48 Stunden heruntergegangen ist, so ist das eine Verringerung des Arbeitsleides. Wenn statt der schwieligen, schwierigen Handarbeit des Schmiedes oder des Schuhmachers die Maschinenarbeit gekommen ist, so bedeutet das zweifellos eine Verminderung des Arbeitsleides, eine Verminderung von Muskelkater. Aber, meine Damen und Herren, Sie haben gesehen, daß alle diese technischen Verschiebungen im Vorgang — —

    (Zuruf von der SPD: Fehldiagnose!)

    — Nein! Sie kommen nachher daran und können mich korrigieren. —
    Meine Damen und Herren! Sie werden doch die Feststellung machen können, daß diese scheinbare Verringerung des Arbeitsleides offenbar nicht so bewertet worden ist. Die Rebellion, die in der Mitte unseres Jahrhunderts gegen die moderne wirtschaftliche Entwicklung entstanden ist und die um die Jahrhundertwende ihren Höhepunkt erreichte, hat jedenfalls darauf keine Rücksicht genommen und ist trotz dieser Verminderung der Arbeitszeit, trotz besserer Arbeitsbedingungen, trotz reichlicherer Füllung der Lohntüte zustande gekommen. Hier enden die Resultate, die man auf den Hochschulen zusammengetragen hat. Hier ist in dieses Verhältnis des sogenannten arbeitenden Menschen, wie man heute zu sagen pflegt, genau genommen in das Verhältnis der Lohnarbeiterschaft ein merkwürdiger Einbruch erfolgt. Hier hat auf einmal das Verständnis für den Sinn dieser Wirtschaftsordnung aufgehört, und hier hat in der gleichen Stunde, in der das alte Gehäuse der gottgewollten Ordnung aufhörte, den Arbeiter zu bergen, eine verhängnisvolle Irrlehre begonnen, die Dinge zu verzerrt zu beleuchten. Wer so in der Welt steht wie der, der ohne soziale Aufstiegsmöglichkeit ist, der ohne das Gefühl ist, daß seine Arbeit einen Sinn in dieser Welt habe, der ist nun einmal sehr leicht zu verführen, wenn man ihm sagt: diese ganze Weltordnung ist des Teufels, und ich weiß eine bessere! — Das sind die menschlichen Situationen, in denen man seinem notleidenden Mitbürger sagen kann: wir prophezeien dir eine bessere Zeit, wir prophezeien dir die Zeit, die Schiller einmal mit den Worten bezeichnete:
    Vorbei nach langem, verderblichem Streit
    Ist die kaiserlose, die schreckliche Zeit. Ein Richter ist wieder auf Erden.
    Das ist die Situation, die 1933 Adolf Hitler ausnützte. Wer unser Wirtschaftssystem als eines der an Galeeren geschmiedeten Sklaven schildert und dazu versichert, daß er allein den Schlüssel besitze, um diese Ketten aufzuschließen, der steht ganz


    (Dr. Hammer)

    nahe bei jenem Verhalten, das 1933 Adolf Hitler an den Tag gelegt hat.

    (Zuruf von der SPD.)

    — Ich weiß nicht, wer Sie sind; aber gescheit sind Sie nicht!
    Als dieser Einbruch einer neuen Erlösungslehre in der Mitte des vorigen Jahrhunderts in Deutschland und in der Welt erfolgte, erlebten wir die Entwicklung einer Klasse der deutschen Arbeiterschaft, der wir heute noch den allergrößten Respekt entgegenbringen. Ich erinnere mich aus den jungen Jahren meiner ärztlichen Tätigkeit noch an den engsten Verkehr, den ich mit jenen ersten organisierten Gewerkschaftlern und alten Bebelleuten gehabt habe, mit jenen Männern mit dem Knebelbart, mit jenen Männern, die einen eigenen Stil hatten, und mit jenen Männern, auf deren Bücherbord das „Kapital" und Haeckels „Welträtsel" gestanden haben. Ich habe auch damals ihren Lehren äußerst kritisch gegenübergestanden. Ich habe ihnen menschlich mit außerordentlicher Sympathie gegenübergestanden, weil das Maß ihres Idealismus in Deutschland nicht zu überbieten war. Sie wußten aus ihrer eigenen Lehre, an die sie glaubten, ganz genau, daß sie selber das schöne, gelobte Land nicht mehr betreten würden. Sie wußten, daß die „Expropriation der Expropriateure" wesentlich länger dauern würde als ihr eigenes Erdendasein. Sie haben mit einem Glauben, der bewunderungswürdig ist — ausgerechnet sie, Helden des Glaubens —, eine materialistische Lehre vertreten.
    Wer sich jemals in Deutschland ernsthaft mit den Sorgen und dem Lebensschicksal des deutschen Arbeiters befaßt hat, der möge doch auf einen ganz schlechten Brauch verzichten. Der möge darauf verzichten, daß man in Deutschland die Worte „Prolet" und „Bourgeois" als Schimpfworte benutzt. Der möge sich doch mindestens daran erinnern, daß zwei sozial verschiedene Gruppen in Deutschland die nächsten leiblichen Verwandten sind. Es sind kaum drei Generationen her, seit unsere Urgroßväter dieselben gewesen sind. Man möge sich doch, wenn man von Klassenkampf, von Proletariat und von Besitzbourgeoisie redet, immer daran erinnern, daß das eigentlich zu ganz unmöglichen Differenzen innerhalb einer eigenen Nation führen kann.

    (Zuruf von der SPD: Wie schnell Sie das merken!)

    - Das habe ich schon gewußt, als ich ein so großer Bub war; Sie haben es vielleicht jetzt erst von mir zum ersten Mal gehört.

    (Zuruf von der SPD: Dann haben Sie aber Glück gehabt!)

    Jene Lehren, die das große Wunder einer besseren Weltordnung prophezeit haben, sind doch nur möglich gewesen, weil man den Sinn der ganzen modernen Marktwirtschaft und wirtschaftlichen Entwicklung verkannt hat. Jeder, der heute noch vor die Bevölkerung tritt und ihr erzählt, daß der Unternehmer ein Mann sei, der produzieren könne, was er wolle, und der das nur nach seinen Gewinnchancen bestimme, redet etwas Falsches. Das Charakteristikum der Marktwirtschaft ist nicht ein Unternehmer, der auf Gewinn produzieren kann, und das Charakteristikum einer geplanten Wirtschaft ist nicht eine Unternehmung, die nach dem Bedarf produziert, sondern das Charakteristikum der modernen Marktwirtschaft ist, daß sie die Voraussetzungen für die Arbeitsteilung, das Geheimnis unseres technischen Fortschritts, bis zum letzten erfüllt hat. Die Arbeitsteilung verlangt einen
    Preisvergleich, die Arbeitsteilung verlangt die Respektierung des Standortes und einen Austausch
    auf dem Markt. Die Arbeitsteilung ermöglicht es
    dem Konsumenten, die Aufträge an die Wirtschaft
    zu geben. Es ist nach unseren Auffassungen eine
    völlig törichte Vorstellung, daß etwa der Unternehmer oder seine Belegschaft in Deutschland die
    Möglichkeit haben, die Produktion zu bestimmen.
    Wir können deshalb auch diesem Mitbestimmungsrecht von vornherein entgegenhalten: Derjenige, der
    nach unserer Ansicht zu planen und Auftrag zu
    geben hat, ist der Konsument; seine Vertreter sind
    wir, dieses Parlament; aber seine Vertreter sind
    nicht die gewählten und konstituierten Verbandsführer von irgendwelchen Interessenorganisationen.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Es ist kennzeichnend, daß über dem Entwurf der SPD das Wort „Neuordnung der deutschen Wirtschaft" steht. Dort wird im wesentlichen nicht das Problem der Mitwirkung, das Schicksal des deutschen Arbeiters, erfaßt, sondern es wird versucht, einen völlig neuen Plan der Produktion und der Gesellschaft zu verwirklichen.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Man hat die Entwicklung der letzten hundert Jahre schlechtgemacht. Immerhin ist zu ihrem Vorteil doch zu sagen — ich habe das vorhin über die Entwicklung der Arbeitszeit gesagt —, daß die Reallöhne sich in diesen hundert Jahren in England vervierfacht haben. Immerhin ist für die letzten hundert Jahre zu sagen, daß die durch den Wettbewerb ermöglichte Produktion die Bevölkerung Europas von 90 auf 230 Millionen hat ansteigen lassen und sie leidlich ernährt hat.

    (Zuruf von der SPD: Aber auch wirklich leidlich!)

    — Ich drücke mich absichtlich sehr vorsichtig aus. Denn ich weiß, daß hier noch eine Reihe von Wünschen zu erfüllen sind. Aber, meine Damen und Herren, das Wesentliche oder vielleicht das Allerbedeutendste dieser Wirtschaftsordnung ist doch folgendes. Sie ist nur möglich mit freien Staatsbürgern, mit Freizügigkeit, mit frei abschließbaren und mit frei zu beendenden Arbeitsverträgen. Ich weiß — und ich werde darauf zurückkommen —, daß dieses Geheimnis, diese Garantie der Freiheit, die darin liegt, eine Hypothek auf das Lebensschicksal des deutschen Arbeiters bedeutet. Aber sie garantiert unter allen Umständen das, was wir die Freiheitsrechte des Bürgers nennen.

    (Zuruf links: Jeden Bürgers?)

    Hören Sie damit auf und befehlen Sie einen Arbeitseinsatz, planen Sie, dann haben diese Freiheitsrechte aufgehört zu existieren.
    Aber es ist das Wesentliche dieser Arbeitsteilung, dieser Marktwirtschaft, daß sie den jederzeit kündbaren Arbeiter braucht. Die Anpassung an den Marktauftrag, an den Wunsch des Konsumenten zwingt zur augenblicklichen Produktionsumstellung und zwingt damit dem Arbeiter jenes Schicksal auf, das in dem Wort Prolet am besten umschrieben ist. Nicht der, der ohne Besitz ist, ist heute der Prolet. — Sie wissen, das es bei mir kein Schimpfwort ist. — Der ist Prolet, der ohne jede Sicherung seiner Existenz ist, der unter dem arbeitsrechtlich kürzesten Kündigungstermin steht. Wir bezweifeln nicht, daß der Lohnarbeiter zusammen mit dem Unternehmer, der nur durch seinen Geldsack etwas weicher gepolstert ist, auf das Rad dieser Marktordnung geflochten ist. Wir behaupten aber, daß nicht der Unternehmer das Rad dreht, sondern daß der Konsument es dreht.


    (Dr. Hammer)

    Das enthebt uns nicht der Verantwortung für das Lebensschicksal des deutschen Arbeiters. Es gibt dazu eine Reihe von Wegen, und es sind eine Reihe von Wegen bereits beschritten worden. Krisenfest sollte man die Wirtschaft nicht machen. Man kann es nicht. Ich werde darüber heute nicht reden. Aber man kann durch Versicherung, durch Kündigungsschutz, durch arbeitsrechtliche Regelungen, etwa auch durch die Überführung der Stammangestellten ins Angestelltenverhältnis durchaus einen großen Teil der Arbeiterschaft krisenfest machen. Man kann die Produktionssteigerung der Wirtschaft hoffnungsvoll beurteilen und kann darüber hinaus noch einiges tun, um die Reallöhne zu steigern. Ja, meine Damen und Herren, wir sind gar nicht abgeneigt, bei der Beratung eines Mitbestimmungsrechtes uns zu überlegen, wieweit man aus der Rendite eines Unternehmens weitere Beträge durch irgendwelche Leistungslohnverträge herausnehmen und sie zu Löhnen machen kann. Wir denken nicht daran, derartige Dinge ohne weiteres außer Acht zu lassen. Nach unserer Ansicht sind ja die großen Gefahren, die dieser Entwicklung der modernen Marktwirtschaft drohen, auf politischem Gebiet zu bekämpfen. Nicht die kleine Krise im Wettbewerb einer blühenden Volkswirtschaft bedroht die Arbeiterschaft. Bedroht wird die Arbeiterschaft in ausgedehntem Maße durch die großen sogenannten Investitionskrisen, die dem Gefälle zwischen hockindustrialisierten und frühkapitalistischen Ländern dieser Welt entsprechen. Es wird die Entwicklung, die mit Paneuropa angedeutet ist, auch die Entwicklung sein, die zur Krisenverminderung und zur Krisenfestigung der Weltwirtschaft führen wird.
    Das alte Betriebsrätegesetz ist ja doch mit unseren politischen und geistigen Ahnen, zusammen mit Ihnen, meine Herren von der SPD, und mit Ihrem Vizekanzler Bauer gemacht worden. Es hat einmal eine Zeit gegeben, in der man sich verstanden hat. Friedrich Naumann ist ja der Mann gewesen, von dem das Wort stammt, daß unser Bekenntnis zur Nation und unser Bekenntnis zur Menschwerdung der Masse zwei Seiten einer und derselben Sache seien. Auf dem Wege aber, den Sie jetzt beschritten haben, den Sie im historischen Augenblick der letzten Jahre betreten haben, können wir Sie nicht weiter begleiten. Hattenheim war der Anfang der Verhandlungen zwischen den Unternehmern und den Gewerkschaften. Nun mögen Sie ja sagen: Du bist weder das eine noch das andere, Du hast es leicht, zu einem objektiven Urteil zu kommen. Mir graut es schon, wenn ich die beiden Verbände an einem Tisch sitzen sehe. Denn ich denke ja doch immer an meinen Lehrer Max Weber, der vor vielen Jahren gesagt hat: Gott soll das deutsche Volk davor schützen, daß es eine Solidarität zwischen Unternehmern und Gewerkschaften gäbe. Der Mann ist zweifellos ein alter Demokrat gewesen. Er wußte, daß das, was man später Korporationenstaat nannte, in der Luft liegt. Und er wußte etwas ganz genau. Er wußte, daß aus all derartigen Versuchen die Herrschaft einer Bürokratie herauskommt, die sich heute kein Arbeiter und kein Unternehmer in Deutschland vorstellen kann.
    Und er wußte noch etwas. Er wußte, daß, wenn die Herrschaft der Korporationen in Deutschland angefangen hat, die Herrschaft des Parlaments aufgehört hat.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Ich habe ganz bewußt „gleich" betont und von gleichgewichtigen Gewerkschaften und Unternehmern gesprochen. Vor dem Urteil des Staatsbürgers sind sie gleich gefährlich und in ihren Funktionen gleich bedeutend. Wenn uns aber unterstellt wird, wir gedächten grundsätzlich etwas gegen die Entwicklung der Verbände und der Gewerkschaften als notwendiger Tarifpartner zu sagen, so möchte ich wissen, wo Sie, meine Damen und Herren, aus meinen Ausführungen in dieser Beziehung das Geringste herauslesen können.
    Meine Damen und Herren, es dreht sich hier um den Versuch einer Wirtschaftsplanung. Wer die Beteiligung der Gewerkschaften in dem Umfange verlangt, in dem Sie, meine Herren von der Sozialdemokratie, sie fordern, der hat die Absicht, zu planen, und damit steht er vor der Notwendigkeit, einen Machtapparat aufzubauen. Düsseldorf soll die Stadt der Gewerkschaften werden, und wenn diese Entwicklung weiterläuft, dann wird sie die Hauptstadt Deutschlands werden. Gott soll das verhüten!

    (Lachen und Zurufe bei der SPD.)

    Die Stadt der Gewerkschaften kann sie ruhig bleiben; aber wir verbitten uns als deutsche Staatsbürger, daß irgend jemand anders als dieses Parlament in Deutschland entscheidet.

    (Bravo! bei der FDP. — Zurufe von der SPD.)

    Es gibt einprägsame Erlebnisse, die der Mensch gehabt hat. Der eine nimmt sie mit den Augen, der andere mit den Ohren auf.

    (Zuruf von der SPD: Mit dem Magen! — Heiterkeit.)

    — Das auch. — Mich hat eigentlich nichts mehr beeindruckt als die Betrachtung Sowjetrußlands. Sehen Sie, als ich nach zwanzig Jahren zum ersten Male dort wieder hinkam, waren die vergoldeten Kuppeln der orthodoxen Kirchen verschwunden, die Kulturlandschaft sah völlig anders aus, und staunend stellte ich fest, daß in dieser sozialistischen Kulturlandschaft ein neues Bauwerk entstanden war. Die Landser wußten erst nicht, was das war. Sie dachten, das wäre ein trigonometrischer Punkt in den Kolchosen, bis sie dann feststellten, daß dieser Balkenturm ein Kommandoturm war. Wenn Sie heute durch Rußland gehen, dann sehen Sie überall am Horizont diese Kommandotürme.

    (Zuruf von der KPD: Furchtbare Märchen erzählen Sie, Sie armer Sünder!)

    — Haben Sie nichts gesehen?

    (Zuruf von der KPD: Ich habe da 41/2 Jahre gelebt!)

    — Dann haben Sie wohl von einem Truppenarzt eine schlechte Brille verpaßt bekommen.

    (Heiterkeit. — Zurufe von der KPD.)

    Meine Damen und Herren, nichts ist für die Entwicklung von 20 Jahren Planwirtschaft kennzeichnender, als daß dort ein Kommandoturm notwendig ist, um die Arbeit jener Einrichtung in Gang zu halten,

    (erneute Zurufe von der KPD)

    die einmal mit der Idee der Betriebsgemeinschaft und des gemeinsamen Rates, des Rätesystems begonnen hat.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Wer anfängt, gegen unser Wirtschaftssystem grundsätzlich zu rebellieren,

    (wiederholte Zurufe von der KPD)

    der muß sich der Gefahr bewußt sein, daß am Ende die Sklaverei steht.

    (Bravo! bei der FDP. — Lachen und Zurufe bei der SPD und KPD.)



    (Dr. Hammer)

    Man braucht ja nicht dagegen zu rebellieren. Man hat ja die verantwortliche Tätigkeit des Politikers, man hat die Möglichkeit einer ausgezeichneten und weitreichenden Sozialversicherung, und man hat tausend andere Möglichkeiten, die nicht in den Rahmen eines solchen Gesetzes hineingehören. Alle diese soll man mit voller Verantwortung ausschöpfen, aber nicht vergessen, daß man die Existenz der abendländischen Gesellschaft mit Experimenten bedroht.

    (Bravo! bei der FDP. — Zuruf von der KPD: Die Existenz der Millionäre!)

    Meine Damen und Herren, nach dem, was ich eben gesagt habe, werden Sie wissen, wo meine Kritik am Gesetzentwurf der CDU einsetzt. Erfreulich ist, daß das Wort Mitwirkung darin steht, daß also das Problem klar ist, daß eine sinnvolle Werktätigkeit, eine Beziehung des Arbeiters zur Arbeit wieder geschaffen werden muß. Völlig indiskutabel ist für uns die Vorstellung einer Schiedsstelle. Nach meinen Ausführungen von vorhin werden Sie wissen, daß nach unserer Ansicht über die Produktion nicht Unternehmer und Betriebsrat gemeinsam zu entscheiden haben, sondern die Befehle des Marktes auszuführen sind. Ich bitte Sie, sich doch einmal die Funktion einer Schiedsstelle vorzustellen. Da sitzt einer, der Richter oder Volkswirtschaftler oder ein irgendwie leidlich allgemein gebildeter Mann guten Willens ist. Dem legen Sie nun die Frage vor, ob das Unternehmen Fahrräder oder Schreibmaschinen produzieren soll.

    (Abg. Dr. von Brentano: Ach nein! — Abg. Dr. Schröder: Keine Rede davon!)

    Wer entscheidet denn derartige Dinge? Derartige Dinge entscheidet immer eine letzte Instanz, eine Instanz, die über Ihren Instanzen steht, nämlich der Mann, der bereit ist, den Plunder zu kaufen.

    (Abg. Heiland: Hoffentlich nicht Sie; dann ist die deutsche Volkswirtschaft längst pleite!)

    — Meine Damen und Herren, es ist gar keine schlechte Bemerkung gewesen, als jemand folgendes gesagt hat: Wenn dieses Mitbestimmungsrecht, bezogen auf grundlegende Änderungen des Betriebszweckes, in England vor 150 Jahren bestanden hätte, dann wäre wohl die Spinnmaschine in England heute noch nicht eingeführt.

    (Sehr richtig! bei der FDP. — Widerspruch und Lachen in der Mitte, bei der SPD und KPD.)

    Meine Damen und Herren, Sie wissen ja doch ganz genau, daß hinter dieser Mitbestimmung der Gewerkschaften die letzte politische Leidenschaft und keinerlei Respekt vor den Aufgaben des Augenblicks steht.

    (Lebhafter Widerspruch bei der SPD.)

    Verstehen Sie denn nicht, meine Damen und Herren: Wer heute noch von Klassenkampf redet, wer mit Streiks gegen den Staat, gegen die Gesetzgebung droht, ist der ein Mann der Vernunft oder ist er ein Mann, der angreift,

    (erneuter Widerspruch bei der SPD)

    Macht haben will und um Macht kämpft?

    (Lebhafter Beifall bei der FDP.)

    Das wußte Herr Vizekanzler Bauer im Jahre 1919;
    aber Sie haben die Wahrheiten vergessen. (Abg. Euler: Sehr richtig! — Abg. Mellies: Nur gut, daß Sie erhalten geblieben sind, sonst wäre die Welt schon untergegangen!)

    Meine Damen und Herren, nun ein letztes Wort zum Entwurf der CDU. Da, wo die Schiedsstelle außerhalb arbeitsrechtlicher Beziehungen erwähnt
    wird, kann sie von uns nicht respektiert werden. Ich muß aber zu dem Entwurf noch eines sagen. Da, wo es sich um soziale Mitbestimmung dreht, wären wir durchaus bereit anzuerkennen, daß nicht eine Mitbestimmung des Unternehmers mit den Arbeitnehmern Platz greifen oder die Funktionen gegenseitig geregelt werden sollten, sondern daß man ruhig an eine völlige Selbstverwaltung der Sozialfonds durch die Arbeiterschaft denken könnte.
    Unsere Stellungnahme zum Entwurf der CDU wird sich nachher ergeben. Wir werden ja heute noch lange darüber reden, und es wird ja noch mancher sein Scherflein dazu beitragen. Mir ist bei der Beurteilung des Entwurfs der CDU eine kleine Geschichte von Hasek eingefallen, der den „Braven Soldaten Svejk" geschrieben hat. Von diesem gibt es eine Kurznovelle von einer böhmischen Magnatin. Diese erhielt den Besuch ihres Beichtvaters, und der schilderte ihr die große Not, in die ihr Schweinehirt geraten war; der war krank und nagte mit seinen sieben Kindern an dem obligaten Hungertuch. Da stürzte, zu Tränen gerührt, diese Dame an die Anrichte ihres Speisezimmers und drückte dem geistlichen Herrn eine Ananas in seine Soutane. Meine Herren, eine ergreifende Handlung, aber völlig unzweckmäßig!

    (Beifall bei der FDP. — Abg. Neumann: Wie rührselig! — Widerspruch und Gelächter in der Mitte. — Zurufe und Gegenrufe zwischen FDP, CDU und SPD.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lehr.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Robert Lehr


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von dem Mitbestimmungsrecht und den verschiedenen Entwürfen, die heute vorgelegt werden, gilt das Wort, das Schiller seiner Wallenstein-Trilogie zugrunde gelegt hat:
    Von der Parteien Haß und Gunst entstellt,
    schwankt ihr Charakterbild in der Geschichte. Ich glaube nicht, daß die Schärfe mancher Auseinandersetzungen, die ich persönlich sehr bedauert habe, im Anfang der Besprechungen dazu beigetragen hat, die Entwürfe unserem Herzen menschlich näherzubringen. Ich möchte mich bemühen, in rein sachlicher Darstellung zu Ihnen von den Grundgedanken zu sprechen, die uns beseelt haben, als wir dieses Rahmengesetz schufen.
    Meine verehrten Damen und Herren, wir können bei dieser Frage des Mitbestimmungsrechts wirklich nicht nur von verstandesmäßigen Überlegungen ausgehen, wenn es sich darum handelt, eine neue Gemeinschaftsordnung zu schaffen, eine neue Wirtschaftsverfassung zu entwerfen, die unserem Wirtschaften für die Zukunft eine neue Blickrichtung geben soll. Das ist nicht nur eine Sache des Verstandes, das ist auch eine Sache des Herzens.

    (Abg. Dr. von Brentano: Bravo! — Abg. Dr. Wellhausen: Gott sei Dank!)

    Als der Entwurf noch nicht einmal eingebracht war, erhoben sich schon Stimmen der Kritik bereits an den Fragen der Zuständigkeit. Es sind selbst von den hohen Regierungssitzen aus Zweifel erhoben worden, ob wir, nachdem die Regierung mit dieser Materie schon einmal befaßt war, eigentlich noch sachlich legitimiert seien, die Initiative zu ergreifen. Meine Damen und Herren, der Verzicht auf das Initiativrecht ist selbst dann für eine Partei un-


    (Dr. Dr. h. c. Lehr)

    möglich, wenn sie ein Königsmacher ist und wenn sie selber ihre Minister abordnet.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Vielleicht ist noch irgendein Ressentiment bei unserer Regierung zurückgeblieben; denn die nicht gerade vollzählige Besetzung der Ministerbank deutet immerhin auf ein Überbleibsel eines solchen Ressentiments hin.

    (Abg. Mellies: Das ist doch keine Seltenheit, sondern tägliche Übung!)

    Uns aber von der CDU/CSU ist jede Initiative der Regierung durchaus erwünscht gewesen. Wir haben die fortgesetzten Bemühungen unseres Arbeitsministers Storch mit den besten Wünschen von uns aus begleitet und ihm vollen Erfolg gewünscht und wünschen ihm den Erfolg auch heute noch.
    Aber wir haben heute morgen einen Einblick bekommen, warum trotz der in diesen Verhandlungen und Gesprächen zutage getretenen guten Haltung auf allen Seiten ein Erfolg ausblieb; denn ganz offensichtlich haben hinter diesen Verhandlungen machtpolitische Erwägungen gestanden, die die Einigung erschwert und die Verständigung am Schluß vereitelt haben. Beide Sozialpartner sind dazu übergegangen, ohne Rücksicht auf diese Gespräche in Denkschriften und in Gesetzesvorschlägen ihre Meinungen festzulegen. Damit war bestätigt, daß das Mitbestimmungsrecht seit langem nicht nur im Brennpunkt des politischen Interesses steht, sondern daß es auch gleichzeitig die umstrittenste aller Fragen geworden ist, die wir auf wirtschaftlichem Gebiet heute zu lösen haben. Und damit waren der Grund und die Notwendigkeit gegeben, auf der politischen Ebene die Initiative zu ergreifen und vor diesem Forum die Fragen zu entwickeln, deren Lösung offenbar den Partnern nicht möglich gewesen ist.
    In einem Zeitpunkt außenpolitischer Bedrohung, die unser ganzes innerpolitisches Leben überschattet, müssen eben alle Anstrengungen darauf gerichtet werden, den Wirtschaftsfrieden zu sichern, und es müssen von allen im Betrieb heute wirk. samen Kräften die höchsten Leistungen verlangt werden. Dann dürfen aber auch auf der anderen Seite keine Schritte unterlassen werden, welche klar zutage getretene Spannungen beseitigen können.
    Nach dem Zusammenbruch des Jahres 1945 war uns allen klar, daß die Völker zu einer umfassenden Neuordnung der Beziehungen untereinander und auch innerhalb ihres eigenen Staatenbaues aufgerufen wurden, und das gilt vor allem für uns in Deutschland. Insbesondere galt es, von neuem eine sozial verpflichtete Wirtschaft aufzubauen und sich dabei von Rückerinnerungen an vergangene Machtkämpfe, an frühere Vorurteile und an etwaige Klassengegensätze freizuhalten. Aus dieser Erkenntnis hat die CDU/CSU das Ahlener Programm und die Düsseldorfer Leitsätze entwickelt. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, dem deutschen Volk durch eine Gemeinschaftsordnung eine Wirtschafts- und Sozialverfassung zu geben, die dem Recht und der Würde des Menschen entspricht, dem geistigen und materiellen Aufbau unseres Volkes dient und den inneren und äußeren Frieden sichert.

    (Sehr gut! bei der CDU.)

    Das ist auch die Tendenz unseres Rahmengesetzes. Entsprechend dem Programm und in Übereinstimmung mit unseren sozialpolitischen Leitsätzen geht dieser Entwurf von der Würde des arbeitenden Menschen aus. Die Stellung, die er dem Menschen
    im Betrieb gibt, soll ihm nicht nur seine Existenz, sondern gleichzeitig auch eine neue Wertung seiner Arbeitskraft als einer sittlichen Leistung und als Grundlage der körperlichen und seelischen Entfaltung des Menschen im Betrieb sichern.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Aus manchem gegnerischen, aber selbst auch aus befreundetem Lager haben manche geglaubt, daß solche Grundgedanken, wie ich sie eben vor Ihnen entwickelte, wohl in der Theorie leicht auszusprechen seien, aber schwer in der Praxis zu verwirklichen seien, nach dem Gedanken, daß leicht beieinander die Gedanken wohnen, aber hart im Raume sich die Sachen stoßen. Und es hat mancher geglaubt, daß eine so große Weltanschauungspartei in ihrer vielfältigen Zusammensetzung wie die unsere bei dem Bemühen, solche Pläne und konstruktive Gedanken in die Tat umzusetzen, Schiffbruch erleiden, vielleicht sogar vor einer Zerreißprobe stehen würde. Die Fraktion der CDU/CSU ist sich dieser Schwierigkeiten durchaus bewußt gewesen, aber sie hat trotzdem ihre Aufgabe entschlossen angefaßt. Selbstverständlich sind auch in unseren Reihen zu verschiedenen Punkten Bedenken erhoben worden, und sie bestehen in mancher Hinsicht an dieser oder jener Stelle auch heute noch. Aber entscheidend ist für uns gewesen, daß das hohe Ethos unserer christlichen Auffassung über solche einzelnen Meinungsverschiedenheiten hinweg zu dem großen Ziel trägt, das wir uns gemeinsam gesetzt haben.

    (Zustimmung bei der CDU.)

    Entscheidend war und blieb, daß unsere christlichen Grundsätze nach wie vor das einigende Band sein müssen und es geblieben sind, um den Blick auszurichten auf das große programmatische Ziel eben neuer Formen der Zusammenarbeit im Sinne echter Partnerschaft und leistungsgemeinschaftlicher Verbundenheit bei beiderseitiger Verantwortung für das gemeinsame Werk.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Deshalb konnte der von unserer Fraktion eingereichte Entwurf mit vollem Recht die Unterschrift tragen: von Brentano und Fraktion. Es hat sich keiner ausgeschlossen.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Daß an diesem Entwurf noch gefeilt werden muß und daß in kommenden Ausschußverhandlungen an gewissen Punkten noch Kritik geübt wird und Abänderungsvorschläge gemacht werden, ist uns klar. Aber wir haben dem Hohen Hause auch ein Rahmengesetz vorgelegt, das Ziele und Wege zwar klar aufzeigt, aber keinesfalls bis in die letzten Einzelheiten in die Betriebe hineinregieren will und das Verhältnis zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer im einzelnen paragraphenmäßig ordnen will. Wir waren uns der Vielfalt der deutschen Wirtschaft ebenso bewußt, wie wir wissen, daß über Gesetzesparagraphen hinweg das Einvernehmen zwischen den beiden Partnern und die aus ihm entspringende gemeinsame echte Betriebsvereinbarung wichtiger ist. Wir wissen, daß über der Theorie die aus praktischer Erfahrung erwachsenen Kenntnisse stehen und wollen die notwendige Bewegungsfreiheit in den einzelnen Betrieben in keiner Weise einengen. Wir wollen aber auch auf der anderen Seite durch ein Rahmengesetz aufzeigen, daß diese Betriebsvereinbarungen in einem Rahmen bleiben müssen, der die Existenzgrundlage der Beteiligten sichert und der Arbeitsleistung den neuen Sinn unterlegt, den wir ihr geben wollen.


    (Dr. Dr. h. c. Lehr)

    Wir haben bewußt den Weg des Rahmengesetzes gewählt, weil es uns daran lag, nunmehr aus dem Stadium der Erwägungen heraus zum zielbewußten Handeln zu kommen, und weil Beschlüsse und Denkschriften in ihrer Wirksamkeit vor einem in großen Zügen entworfenen Gesetzesvorschlag zurücktreten. Weil wir in lauterer Absicht diesen Entwurf auf der politischen Ebene vorlegen, erheben wir auch den Anspruch auf eine sachliche Würdigung des Ihnen Vorgelegten. Wir bedauern es, daß trotz der guten Haltung in den Hattenheimer Gesprächen und in Maria Laach in der letzten Zeit Schärfen aufgetreten sind, die der erstrebenswerten Einigung zuliebe besser unterblieben wären.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wir sollten diesseits des Eisernen Vorhangs, meine Damen und Herren, bei der Neuordnung unserer sozialen Verhältnisse das Ziel der Einigung durch Verständigung und nicht durch Machtmittel suchen, nicht einmal durch Androhung von Machtmitteln, die eventuell eingesetzt werden könnten.

    (Abg. Dr. Oellers: Ausgezeichnet! — Beifall in der Mitte.)

    Aus dem gleichen Gedankengang heraus und auf das Ziel der Einigung ausgerichtet, sollen wir uns auch vor allzu extremen Forderungen hüten. Ich muß in dieser Beziehung sagen, daß der Entwurf der Gewerkschaften dieser Forderung nicht entspricht. Er sagt in seinem Vorwort selbst:
    Mit diesem Gesetz werden Probleme aufgeworfen, wie sie in der Wirtschaftsgeschichte kaum jemals als Aufgabe einer organisatorischen oder soziologischen Neuordnung gestellt worden sind.
    Meine Damen und Herren, ich will nicht auf Einzelheiten des Entwurfs und auch nicht auf den Entwurf der SPD eingehen, der uns heute morgen vorgelegt wird und der mir nach einem ersten Überblick zeigt, daß er wohl dem Entwurf der Gewerkschaften vollinhaltlich entspricht. Ich möchte zusammenfassend den Eindruck wiedergeben, den ich aus dem Gesamten gewonnen habe, daß nämlich Wesen und Ziel dieses Entwurfes einheitlich klar auf die Forderung nach politischer Macht in der Wirtschaft ausgerichtet sind. Das Ziel des Entwurfes ist die mittelbare oder unmittelbare Beherrschung der Wirtschaft durch die Gewerkschaften selbst, die hier ein Führungsmonopol erstreben, wie wir es bisher in der Wirtschaft noch nicht gehabt haben. Wir, die wir den Grundsatz des machtverteilenden Prinzips vertreten, lehnen jede mit dem Gemeinwohl unverträgliche Beherrschung der Wirtschaft oder wesentlicher Teile der Wirtschaft durch Staat, Privatpersonen oder Organisationen innerhalb oder außerhalb des Staates oder durch Gruppen irgendwelcher Art in gleicher Weise ab.
    Man möge hier nicht sagen, daß ein solches Urteil aus irgendwelchen Ressentiments heraus gefällt wird. Auch im Ausland hat man diese machtpolitische Tendenz des Gewerkschaftsentwurfs klar erkannt. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich aus dem „Economist" vom 10. Juli ein kurzes Zitat vortragen, das so lautet:
    Die letzte Entwicklung im Kampf des Deutschen Gewerkschaftsbundes um einen Anteil an der Kontrolle der Industrie läßt annehmen, daß er den gesunden Sinn, den er in Lohnforderungen bewies, verloren hat. Seine nun formulierten Forderungen gehen so weit über die Grenzen der Vernunft oder der demokratischen Praxis hinaus, daß der Deutsche Gewerkschaftsbund sich selbst der Beschuldigung aussetzt, es sei ihm mehr an einer konzentrierten Macht über die Industrie in den Händen seiner zentralen Körperschaft als an der Sicherung von Vorteilen für die einzelnen Mitglieder der Gewerkschaften gelegen. Der Gewerkschaftsbund schlägt nicht weniger als eine Revolution zu seinen ausschließlichen Gunsten vor, ohne einen Auftrag von der Wählerschaft hierfür zu haben.
    Soweit der „Economist", diese führende englische Wirtschaftszeitung.
    Unsere Auseinandersetzungen innen- und sozialpolitischer Art müssen sich von machtpolitischen Erwägungen freihalten. Wir sollen uns auch nicht in den Kampf um Ideologien und um Schlagworte verwickeln. Wir wollen hier nicht dem rein Doktrinären verhaftet bleiben, sondern aus den Erfahrungen der Praxis heraus neu schaffen und neu formen und das Problem lösen. Wenn wir uns wieder in grundsätzlich einander gegenüberstehende Lager teilen, gefährden wir diese große, entscheidende Reform. Mit Recht sagt der „Katholische Beobachter" im April dieses Jahres:
    Dann sind wir wieder so weit, daß am gegenseitigen Nicht-Verstehen und Nicht-Entgegenkommenwollen eine große Aufgabe gescheitert ist, die als eine echte und gute soziale Evolution ob ihrer fruchtbaren Wirkung auf die Gemeinschaft nicht nur zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern wichtiger wäre als eine einseitig erfolgte Machtprobe.

    (Sehr gut! bei der CDU.)

    Gerade aus diesem Gesichtspunkt ist der Einsatz des Bundesparlaments am Platz, nachdem ersichtlich die Verständigungsbemühungen unter den Partnern nicht zum Erfolg geführt haben.
    Der Entwurf beschränkt sich auf das innerbetriebliche Mitbestimmungsrecht. Die Frage der Mitbestimmung auf überbetrieblicher Ebene soll aber von uns ebenso entschieden wie die auf innerbetrieblicher Ebene angefaßt werden. Aber wir glauben, daß dies besser durch eine besondere Gesetzgebung geschieht, die das staatsrechtliche Problem des Verhältnisses von Staat und Wirtschaft in besonderem Gesetz von der Grundlage der Verfassung ausgehend neu regelt.
    Unser Entwurf geht vom Schutz der Betriebsfamilie aus. Er will ein Damm sein gegen ihre Überfremdung. Er baut sich von unten nach oben auf, und dabei berücksichtigen wir, daß im allgemeinen doch in der deutschen Wirtschaft ein durchaus gutes Verhältnis zwischen Betriebsführungen und Belegschaften in unserer Gesamtwirtschaft besteht. Sonst wären ja die die übrige Welt in Erstaunen setzenden hervorragenden Leistungen in unserer Wirtschaft — ungeachtet dabei der amerikanischen Unterstützung — gar nicht möglich gewesen. Wenn man von diesem guten Verhältnis ausgeht, dann ist mit dem Grundgedanken der Betriebsfamilie gleichzeitig auch eine Abgrenzung gegeben. Das Wort Betriebsfamilie bedeutet im Grundsatz, daß betriebsfremde Einflüsse auf die Gestaltung des Betriebs nach Möglichkeit ausgeschaltet werden sollen und daß es ureigene Sache der Betriebsangehörigen selbst ist, wie sie ihr Mitbestimmungsrecht ausüben wollen und durch wen.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Es muß vermieden werden, daß die Betriebe Kampfplätze für Kräfte werden, die außerhalb des Betriebes stehen.

    (Sehr gut! — Sehr richtig! in der Mitte und rechts.)



    (Dr. Dr. h. c. Lehr)

    Diese Einstellung entspricht folgerichtig dem Bekenntnis der CDU/CSU vom Wert der Einzelpersönlichkeit, vom Wert des schaffenden Menschen und seiner Würde und ist recht zu verstehen vom Blickpunkt einer Absage aus an den Begriff des Kollektivs.

    (Sehr gut! bei der CDU.)

    In dem Kollektiv sehen wir von unserem Blickpunkt aus den schlimmsten Feind der Menschheit und den schlimmsten Feind jeglicher Kultur.

    (Sehr gut! und Beifall in der Mitte und rechts.)

    Meine Damen und Herren! Zu diesem Thema hat vor kurzem Papst Pius XII. in seiner Ansprache an den Kongreß des Instituts für Sozialwissenschaften an der Universität Freiburg beim Internationalen Sozialkongreß in Rom gesprochen. Er hat auf die fundamentale Bedeutung des Privateigentums hingewiesen und auf dessen Einfluß auf die unternehmerische Initiative. Über diese Worte ist viel orakelt worden, und es sind mancherlei Kommentare gegeben. Aber eines habe ich daraus gehört: die ernsthafte dringende Mahnung von dieser hohen Warte aus an die Menschheit, wirtschaftliche Verantwortungen nicht im Sinne anonymer Kollektivität ordnen zu wollen.

    (Sehr gut! bei der CDU.)

    Soweit es sich innerhalb der Betriebsfamilie um die Regelung menschlicher und vertraglicher Arbeitsangelegenheiten handelt, kurz: um das ganze soziale Problem, bedurfte es ja eigentlich keiner Neufassung. Die Praxis hat hier das Mitbestimmungsrecht voll anerkannt, genau so wie es unser Entwurf betont. Der Mensch ist so wenig Handelsware nach diesem Entwurf wie die von ihm geleistete Arbeit; und die ihm zukommende Bedeutung soll ihm ebenso gesichert werden wie die Existenz und sein Arbeitsplatz. Hier handelt es sich überhaupt nicht mehr um grundsätzliche Meinungsverschie denheiten. Bei personalen Angelegenheiten sind wir uns ebenso im grundsätzlichen einig, aber wir verkennen auf der anderen Seite nicht, daß auf der personellen Ebene Entscheidungen unter Umständen von höchster wirtschaftlicher Bedeutung sein können. Das wird sich namentlich auf die Besetzung leitender Stellen beziehen. Der Entwurf hat sich bemüht, hier einen Ausgleich zu schaffen, einen Ausgleich zwischen den berechtigten Ansprüchen auf Arbeitnehmerseite einerseits und der Unternehmerverantwortung andererseits. Der Ausgleich ist, wie Sie wissen, umstritten; aber die Schwierigkeiten liegen nach meinem Empfinden mehr in der Gestaltung und in der Abgrenzung als in grundsätzlichen Erwägungen, so daß ich glaube, daß wir hier sehr wohl zur Einigung kommen können.
    Der Schwerpunkt liegt in Formulierungen über das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht; und hier allerdings sind die Meinungsverschiedenheiten grundsätzlicher Art. Wir haben uns mit heißem Herzen bemüht, eine Synthese zu finden zwischen dem berechtigten Verlangen des Arbeitnehmers nach Sicherung und Erhaltung seiner Existenz und seines Arbeitsplatzes einerseits und der Anerkennung der Unternehmensleistung als der Trägerin der Verantwortung für Bestand und Fortentwicklung des Unternehmens andererseits. Wir haben hier ebenso ernsthaft die Frage der Vertretung in den Aufsichtsräten geprüft, und mir scheint es so, als ginge der Kampf jetzt mehr um die Zahl als um den Grundsatz, daß der Betrieb frei sein soll, wen er in seine Aufsichtsräte delegiert. Das hat er bisher schon bei den Aufsichtsräten der Kapitalgesellschaften getan. Es ist nicht einzusehen, warum er dieselbe Freiheit der Wahl nicht auch unter neuen Verhältnissen haben soll.

    (Sehr gut! bei der CDU.)

    Der Entwurf geht von dem Blickpunkt aus, daß die Forderung auf Mitwirkung der Arbeitnehmer in wirtschaftlichen Angelegenheiten des Betriebes verständlich und vertretbar ist. Andererseits haben wir bei unseren Formulierungen nicht verkannt, daß gerade im wohlverstandenen Interesse der Arbeitnehmer die unternehmerische Initiative und unternehmerische Verantwortung nicht eingeschränkt oder gar unmöglich gemacht werden darf. Ich finde es sehr beachtlich, daß wir neben Kapital und Arbeit die unternehmerische Leistung voll als ein Drittes anerkennen, was dem Betrieb und seinem Erfolg erst die Blickrichtung und sein Wirksamwerden gibt. Ich finde, daß wir hier eine weitgehende Angleichung an die Richtlinien zur Sozialpolitik der Sozialausschüsse der CDU/CSU haben, in denen am 5. Februar in Oberhausen unter anderem gesagt wurde:
    Das Mitbestimmungsrecht in wirtschaftlichen Fragen muß den Notwendigkeiten einer rationellen Betriebsgestaltung entsprechen. Die laufenden Geschäfte, die unverzügliche Entscheidung und verantwortliche Initiative verlangen, daß das wirtschaftliche Anordnungs-
    und Durchführungsrecht in den Betrieben und Unternehmen und auch auf die Letztentscheidung in bestimmten Fragen der Betriebsführung, den Unternehmern bzw. der Betriebsleitung verbleiben. Es muß klargelegt werden, in welchen Fällen das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats voll zur Anwendung kommen soll.
    — Also in laufenden Geschäften ebenso wie bei der Letztentscheidung in bestimmten Fragen sind wir uns hier mit den Sozialausschüssen voll einig. Es sollte möglich sein, über diese Brücke hinweg auch das schwierige Kapitel der wirtschaftlichen Mitbestimmung im Betrieb befriedigend zu regeln. Es ist die Aufgabe unserer Ausschüsse, an Hand der konkreten Vorschläge, die wir Ihnen in Form eines Rahmengesetzes vorlegen, nunmehr den politischen Gesamtwillen dieses Hauses oder seiner Mehrheit zu formen.
    Meine Damen und Herren! Ich bin damit am Schlusse meiner Ausführungen und möchte hoffen, daß wir angesichts der schweren Wolken, die am außenpolitischen Himmel aufgestiegen sind, aus dem Ernst der Situation heraus das verstärkte Bestreben empfinden, zueinanderzukommen und uns nicht auseinanderzureden. Dieses Bemühen, ausgleichend zu wirken, hat mich bei meinen Ausfürungen beseelt. Möge es uns vergönnt sein, in kurzer Zeit hier eine Form zu finden, die uns hinüberführt zu einer Zukunft, in der eine Wirtschaftsform herrscht, die dem Wohle der Gesamtheit in einer neuen Wirtschafts- und sozialen Entwicklung dient.

    (Bravo! und Beifall bei der CDU/CSU.)