Rede von
Bernhard
Raestrup
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Angesichts der vielen Reden, die wir schon gehört haben, und der Fülle der noch vorliegenden Wortmeldungen ist es nicht meine Absicht, ausführliche Darlegungen zu machen, sondern ich will mich so kurz wie möglich fassen. Der Herr Abgeordnete Dr. Lehr hat ausführlich die einmütigen Auffassungen unserer Fraktion dargelegt, und ich will nicht das, was er gesagt hat, wiederholen. Nur ein Bedenken habe ich, das ich unbedingt vortragen muß. In dem Entwurf der CDU ist übersehen worden, einen Unterschied in der Behandlung der großen und der kleinen Unternehmungen zu machen. Ich erhalte als kleiner Unternehmer von meinen Freunden eine Unmenge von Zuschriften, in denen die Sorge zum Ausdruck kommt, daß die Mitbestimmung für ihre Unternehmungen eine Gefahr bedeutet. Man kann die kleinen Unternehmungen nicht so behandeln wie die großen Betriebe, die mit einem großen Aktienkapital und mit tausenden von Arbeitern und dem Generaldirektor im wirtschaftlichen Leben ganz anders dastehen als ein kleiner Unternehmer, der mit seinem ganzen Vermögen für den Betrieb haftet und dessen Betriebsverhältnisse viel durchsichtiger sind. Ich habe deshalb — und ich glaube, das von dieser Stelle aus sagen zu dürfen — diesen meinen Freunden versprochen, daß wir in der Ausschußberatung soweit wie möglich auf ihre Wünsche Rücksicht nehmen wollen.
Im übrigen glaube ich, daß die Unternehmer im Mitbestimmungsrecht Gefahren sehen, die in Wirklichkeit nicht vorhanden sind.
Es ist vorhin gesagt worden, wir sollten nicht von der Vergangenheit reden. Damit bin ich einverstanden. Aber wir sollen aus der Vergangenheit lernen.
Seit über 45 Jahren stehe ich als kleiner Unternehmer — und ich habe doch aus meinem Betrieb etwas gemacht — in engster Berührung mit allen sozialen Fragen. Wenn ich einen Rückblick auf diese 45 Jahre werfe, erinnere ich mich, daß wir damals ähnliche Ängste gehabt haben wie heute, als die Frage an uns herantrat, ob wir mit den Gewerkschaften Tarifverträge abschließen sollten oder nicht. Heute glaube ich wohl sagen zu können, daß gerade der kleine Unternehmer den Abschluß von Tarifverträgen nicht zu bereuen gehabt hat.
Das sage ich ganz offen und ehrlich.
Wenn einige Bedenken, die die kleinen Unternehmer bezüglich der Bestimmungen über das Mitbestimmungsrecht haben, berücksichtigt werden, so erhalten sie in den heutigen turbulenten Zeiten und bei den Schwierigkeiten, die noch vor uns liegen, gegen Willkürakte ihrer eigenen Belegschaft einen wirksamen Schutz. An sich sind für den kleinen
Unternehmer die vielen Bestimmungen nicht erforderlich. Er braucht vor allen Dingen nicht die vielen Schlichtungsausschüsse, Schiedsgerichte usw. Er wird selbst in der Lage sein, in seinem Betrieb Ordnung zu halten. Kann er das nicht, muß dauernd das Schiedsgericht angerufen werden, dann taugt entweder er nichts oder es taugen die Arbeitnehmer oder alle beide zusammen nichts.
Meine Damen und Herren! Nachdem ich so einen kurzen Rückblick auf die hinter mir liegende Zeit getan habe, gestatten Sie mir, noch eine persönliche Bemerkung darüber anzufügen, wie ich zum Mitbestimmungsrecht stehe. Auf Grund meiner Weltanschauung bin ich früher in der Zentrumspartei für die sozialen Belange eingetreten. Heute tue ich es in der CDU. Nach 1918 habe ich persönlich darunter gelitten, daß die damaligen Hoffnungen, die auf die sogenannte Arbeitsgemeinschaft gesetzt worden waren, nachher so kläglich gescheitert sind. Ich habe aber die feste Überzeugung und die Hoffnung, daß diesmal unsere Bestrebungen nicht scheitern werden. Ich hoffe, daß wir nunmehr die sittliche Kraft aufbringen, das Mitbestimmungsrecht in der erforderlichen Form auszugestalten und die friedliche Gesinnung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu fördern. Ich weiß, wie die Stellungnahme der Unternehmer gegenüber den Gewerkschaften und umgekehrt der Standpunkt der Gewerkschaften gegenüber den Unternehmern war. Heute sind ganz andere Verhältnisse gegeben. Ich gebe nicht viel auf Paragraphen; denn die Paragraphen sind tote Buchstaben ohne Leben. Aber wenn ein richtiger Geist hineingelegt wird, dann nehmen diese Paragraphen Gestalt und Inhalt an, und dann sind sie ein geeignetes Instrument, um den wirtschaftlichen Frieden, den wir so dringend brauchen, zu garantieren.
Gestatten Sie einem alten Manne, der nur noch wenige Jahre zu schaffen haben wird, seiner freudigen Genugtuung über die neue Regelung des Mitbestimmungsrechts Ausdruck zu geben. Ich sehe darin einen Schritt zu einer neuen sozialen Gestaltung Deutschlands. Ich sehe darin nicht ein Instrument des Unfriedens, sondern ein Instrument des Friedens, das dazu führen wird, daß Arbeitnehmer und Unternehmer geschlossen an der Neugestaltung unseres Vaterlandes mitarbeiten, um auf diese Weise die wirtschaftlichen Höchstleistungen zu erzielen, die Deutschland wieder geachtet machen werden und die es ihm ermöglichen, nach einem wirtschaftlichen Gesundungsprozeß gleichberechtigt in die Europäische Union einzutreten.