Meine Damen und Herren! Es ist die CDU, die wichtigste Partei der Adenauer-Regierung, die uns einen Entwurf zur Regelung des Mitbestimmungsrechts vorgelegt hat. Sie erstrebt damit, wie es in der Begründung heißt, die Sicherung des Arbeitsfriedens und die Zusammenarbeit der Sozialpartner. Ich möchte hier schon unterstreichen, daß es solche Bestrebungen in der Vergangenheit schon sehr viele gegeben hat. Immer aber hatten die Arbeiter und Angestellten den Schaden davon. Diese Feststellung scheint mir für die Beurteilung dessen, was hier vor sich geht, wichtig zu sein.
Weiter möchte ich sagen, daß man bei der Behandlung der Mitbestimmung nicht an der augenblicklichen politischen und wirtschaftlichen Situation in Westdeutschland vorbeisehen sollte. Dann hat man meiner Meinung nach auch die richtige Erklärung für die wahren Gründe, die die CDU veranlaßten, diesen Entwurf vorzulegen. Wie ist denn die Lage? Die westdeutsche Wirtschaft unterliegt dem Besatzungsstatut, dem Ruhrstatut, damit den Befehlen der Hohen Kommissare. Gestern konnten wir im Radio hören, und heute lesen wir es auch in der Zeitung, daß die westdeutsche Wirtschaft in die Kriegsproduktion, die der amerikanische Imperialismus wünscht, einbezogen werden soll.
Damit wird automatisch der Befehl erteilt werden, daß aus der westdeutschen Wirtschaft eine Kriegswirtschaft zu machen ist, womit die westdeutsch€ Wirtschaft zu einer Kommandowirtschaft wird, womit jedes echte Mitbestimmungsrecht, das die Arbeiter und Angestellten zur Sicherung ihrer Existenz und zur Sicherung des Friedens erstreben, von vorherein unmöglich wird.
Es gibt eine Reihe von Ländergesetzen, die fortschrittliche Bestimmungen zum Mitbestimmungsrecht enthalten, das Betriebsrätegesetz in Württemberg-Baden, in Hessen und in Bremen, und auch wir im Lande Nordrhein-Westfalen haben solche Gesetze. Diese sollen nun aufgehoben werden, weil sie fortschrittliche Bestimmungen enthalten. Man spricht von der Rechtsgleichheit, aber den Arbeitern und Angestellten sollen die Fesseln angelegt werden, die der vorliegende Entwurf vorsieht. Ich bin überzeugt, daß all das, was heute darüber gesagt worden ist, daß man den Arbeitern vor allen Dingen helfen möchte, ein wirklich menschenwürdiger Faktor in der Wirtschaft zu werden, hinfällig ist, sobald der Befehl der Hohen Kommissare erteilt werden wird, in Westdeutschland Kriegsmaterial zu produzieren und dafür die notwendigen politischen Sicherungen zu schaffen. Dann wird man jedem widerstrebenden Arbeiter von vornherein zeigen, was die Stunde geschlagen hat. Ich bin davon überzeugt, daß heute schon die deutschen Monopolherren, die sich als Bundesgenossen der amerikanischen Monopolherren fühlen, ausrechnen werden, wieviel sie an dieser Kriegsproduktion verdienen können.
Echte Mitbestimmung und Kriegsproduktion sind unvereinbare Gegensätze; denn gerade in dem Streben nach Mitbestimmung drückt sich doch am stärksten die Sehnsucht nach Frieden und sozialer Sicherheit aus. Wie aber kann man soziale Sicherheit gewährleisten, wenn man nicht für den Frieden sorgt?
— Dort sollten Sie hingehen und sich überzeugen!
Die westdeutschen Werktätigen wollen Sicherheit, und ich bin davon überzeugt, daß sie auch trotz aller Maßnahmen, die hier durchgeführt werden, den Weg zur Erringung ihrer Sicherheit finden werden. Die westdeutschen Werktätigen sehen die Frage ihrer sozialen Sicherheit in Verbindung mit der Politik der Adenauer-Regierung. Sie sehen sie in Verbindung mit der Politik der Brotpreiserhöhung. Sie sehen sie in Verbindung mit der Steuerpolitik und der Lohn- und Preispolitik, und sie wissen daher, daß man, wenn man um Mitbestimmung kämpft, gegen die Adenauer-Regierung kämpfen muß. Sie wissen daher auch, was sie von dem Entwurf zu halten haben, den die CDU, die Partei der Adenauer-Regierung, vorgelegt hat. Die westdeutschen Werktätigen sind, wie die Menschheit überhaupt, durch zwei Weltkriege gegangen. Sie kennen also die schrecklichen Folgen solcher Kriege, und sie kennen auch deren Urheber. Es ist heute morgen schon gesagt worden, daß es die kapitalistischen Kräfte sind, die solche Kriege auslösen, immer wieder auslösen müssen, gegen die man sich also stemmen muß, die man daran hindern muß, weitere Katastrophen heraufzuführen.
Darum fordern die Werktätigen die Mitbestimmung. Sie fordern sie, um gegen eine neue Katastrophe sicherzugehen. Darum fordern sie, daß ihr Wille in der Wirtschaft Gesetz werden soll, wie ihr Streben nach Frieden, nach einem auskömmlichen Lohn, nach bezahlbaren Preisen, nach einer erträglichen Steuerpolitik, nach einem gerechten Lastenausgleich und nach sozialer Gerechtigkeit, die den Vorstellungen gerecht denkender Menschen entspricht.
Der Herr Antragsteller hat heute morgen schon darauf hingewiesen, daß sich die Situation seit 1945 verändert habe. Das trifft in der Tat zu. 1945 stellten die westdeutschen Werktätigen die Frage der Sozialisierung der Grundstoffindustrien. Sie stellten sie vor allem aus dem Bestreben heraus, Sicherheiten gegenüber einer neuen Kriegsentwicklung zu schaffen.
- Ja, es liegt bei den Siegern; dazu spreche ich nachher noch. Aber wer nach 1945 mitgearbeitet hat, weiß auch, wie durch die Arbeit der westlichen Besatzungsmächte der Wille der Arbeiter und Angestellten nach Sozialisierung und Mitbestimmung zurückgedrängt worden ist. Dafür gibt es doch Beweise über Beweise aus unserer gewerkschaftlichen Tätigkeit heraus. Die westlichen Besatzungsmächte waren halt der Schutzengel für unsere Monopolherren, die heute wieder auftreten können und höhnisch, zynisch, scheinheilig oder freundlich — je nachdem — die Forderungen der Arbeiter und Angestellten nach Mitbestimmung zurückweisen können.
Wir sagen darum: als Erstes und Wichtigstes ist die Aufgabe der Mitbestimmung mit der Aufgabe der Sicherung des Friedens zu verbinden; und wenn die Werktätigen den Kampf um die Mitbestimmung führen, müssen sie ihn mit dem Ziel führen, unter allen Umständen eine neue kriegerische Entwicklung zu verhindern.
Man stelle sich doch das vor: hier werden Flugplätze angelegt, strategische Straßen werden gebaut, Sprengungen werden vorbereitet, die ganze Besatzungspolitik ist bereits darauf abgestellt, aus Westdeutschland eine strategische Basis des Krieges gegen den Osten zu machen.
Man muß sich vorstellen, wie groß damit die Gefahr ist, daß Westdeutschland Kriegsschauplatz wird. Kann es denn nur einen Menschen in dieser Welt und in unserem Land geben, der diese Gefahr übersehen könnte! Kann es nur einen geben, der jetzt nicht mit flammendem Protest gegen diese Gefahr angeht und alles Menschenmögliche tut, um diese Gefahr zu bannen? Wir sagen: gerade in Verbindung mit dem Kampf um das Mitbestimmungsrecht muß von den Arbeitern und Angestellten als der ausschlaggegebenden Kraft in der ganzen menschlichen Gesellschaft diese Gefahr zuerst gebannt werden.
Ich sage darum: Mitbestimmungsrecht muß vor allem in der Frage der Verhinderung der Produktion von Kriegsmaterial durchgesetzt werden.
— Auch in der Ostzone!
Die Deutsche Demokratische Republik produziert kein Kriegsmaterial.
Die Deutsche Demokratische Republik betreibt eine Politik des friedlichen Aufbaus.
- Sie dürfen hingehen und sich davon überzeugen!