Rede von
Dr.
Herwart
Miessner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DRP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Deutsche Reichspartei betrachtet die Frage des Mitbestimmungsrechtes weder mit Unternehmer- noch mit Arbeiteraugen. Es gibt ja auch noch andere Teile unseres Volkes — und wie ich glaube, dürfte das sogar der größte Teil sein —, die weder dem Arbeiterstande noch dem Unternehmerstande unmittelbar angehören Ihnen allen liegt wie auch uns einzig und allein eine Lösung am Herzen, die den Arbeitsfrieden innerhalb des Betriebes gewährleistet und die damit zugleich auch zur innenpolitischen Entspannung beiträgt. Das allein ist der Ausgangspunkt, von dem aus die. Deutsche Reichspartei dieses so wichtige Problem betrachtet. Der Kollege Dr. Hammer von der FDP wies heute morgen bereits mit Recht auf die verhängnisvollen Idealisten zu Ausgang des vorigen Jahrhunderts hin, die mit ihrem Idealismus und ihrem heißen Herzen eine doch so materialistische Lehre verkündeten. Die Worte „Prolet" und „Bourgeois" stehen heute trennend zwischen unserem Volk wie zwei Königskinder, die nicht zueinander kommen können.
Es ist nicht meine Aufgabe, hier als letzter Sprecher der Parteien die Argumente für oder gegen das Mitbestimmungsrecht, wie sie von den Vertretern der großen Parteien heute genügend erörtert sind, jetzt noch einmal sämtlich im einzelnen zu wiederholen. Meine politischen Freunde mußten jedoch mit Bedauern feststellen, daß sich die Fronten immer mehr verhärteten und daß sich die Gegensätze, wie sie sich auch in der heutigen Debatte gezeigt haben, immer weiter vertieft haben. Bei ganz realer Betrachtung glauben wir daher, leider um die Feststellung nicht herumgekommen, daß auf der gegenwärtigen Basis eine befriedigende Lösung für beide Seiten kaum noch möglich ist; denn einerseits sieht der Arbeiter nach den ihm vorgetragenen Lehren den Unternehmer als seinen größten Feind an, und andererseits dürfte bei einer solchen vergifteten Atmosphäre eine so starke Einwirkungsmöglichkeit, wie es das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht ja naturgemäß verlangt, kaum zum Nutzen des Betriebes möglich sein. Wir sind daher der Auffassung, daß, wie auch sonst im Leben in Fällen, wo man sich zu gemeinsamer Arbeit zusammenfinden will, zunächst einmal die Atmosphäre entgiftet werden muß, um damit die Voraussetzung für ein sachliche Zusammenarbeit zu schaffen.
Wir glauben nicht, daß es bei dieser nun einmal eingetretenen Verhärtung der Fronten nur noch mit dem beiderseitigen guten Willen oder mit dem Herzen, wie sich der Abgeordnete Lehr
heute morgen ausdrückte, zu schaffen ist. Es müssen vielmehr Wege gefunden werden, die den Arbeiter und Unternehmer in ganz realer wirtschaftlicher Weise einander näherbringen. Wir denken dabei an den Versuch eines größeren west deutschen Werks, das durch ein System des sogenannten gerechten Lohns das Arbeiter-Unternehmer-Problem von der Lohnseite her praktisch lösen will. Ich meine die Duisburger Kupferhütte, die es in den beiden letzten Jahren 1948 und 1949 fertiggebracht hat, jedem Arbeiter und Angestellten am Schluß des Jahres einen sogenannten Ergebnislohn von dem Ein- bis Eineinhalbfachen des Monatslohns zusätzlich zu zahlen.
— Jawohl, in Amerika ist das gar nicht so ungewöhnlich, die sind fortschrittlicher, als Sie denken -. Die Tatsache dieser Ausschüttung allein — man kann es eine Art Gewinnbeteiligung nennen, obwohl Dr. Kuss von der Kupferhütte es nicht so genannt haben möchte hat nicht nur zu einer Leistungssteigerung im Betrieb, zu geringerem Materialverbrauch, zu größerer Arbeitswilligkeit, zu größerer Arbeitsfreude und überhaupt zu allgemein vorteilhaften unmittelbaren Auswirkungen für den Gesamtbetrieb geführt, sondern hat vor allem innerhalb dieses Betriebs den Arbeitsfrieden wirklich gewährleistet.
— Ich war zweimal in der Kupferhütte. — (Abg. Paul [Düsseldorf]: Dann waren Sie wohl
da, als der Direktor da war.)
Natürlich war auch dieser da. Auf dieser Grundlage macht das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht der Belegschaft dort keinerlei Schwierigkeit. Es wird dort in der Praxis seit langem mit bestem Erfolg durchgeführt.
Es ist heute hier nicht die Zeit, auf die Einzelheiten dieses Systems an sich einzugehen, da ja nicht die Frage der Gewinnbeteiligung, sondern die Mitbestimmung zur Debatte steht. Wie ich eingangs aber darlegte, dürfte die Frage des Mitbestimmungsrechtes jedoch nicht zu lösen sein, so lange man nicht innerhalb des Betriebs durch rein praktische Dinge dafür sorgt, daß beide Seiten, Arbeiter und Unternehmer, in gleicher Weise sich auch selbst an dem Gedeihen des Betriebs interessiert fühlen und auch sind. Gewiß wird das Unternehmertum noch eine Zeitlang seinen „Herrim-Hause-Standpunkt" erfolgreich verteidigen können. Es wird dann jedoch eines Tages eine Explosion erleben, die ihm weit mehr Schaden zufügen wird, als wenn es rechtzeitig auch von sich aus das Seinige zur Bereinigung der Atmosphäre beiträgt. Denken Sie an das Beispiel eines Dampfkessels, dem man wohl eine Weile sämtliche Ventile verstopfen kann, um den Austritt des Dampfes zu verhindern, dann aber knallt dieser Kessel seinem Maschinenmeister mit um so größerer Vehemenz um die Ohren!
Da war es mir sehr erfreulich, heute morgen aus dem Munde des FDP-Abgeordneten Dr. Hammer zu hören, daß er sagte: „Wir sind nicht abgeneigt, aus der Rendite eines Betriebs gewisse Teile als zusätzlichen Leistungslohn oder dergleichen abzuzweigen." Hierin sehe ich in der Tat einen erfreulichen Ansatzpunkt als Grundlage eines neuen Gesprächs und als Grundlage zur Bereinigung der Atmosphäre. Denn man muß die Dinge
sich einmal nüchtern überlegen. Es ist ja wirklich nicht sehr erheiternd, als kleiner Lohn- oder Gehaltsempfänger jahraus, jahrein so etwa an der Grenze des Existenzminimums dahinzuleben, ohne im wesentlichen überhaupt eine Chance zu haben, etwa an konjunkturellen oder strukturellen Wirtschaftsveränderungen auch nur den geringsten Anteil mitzuhaben.
Ich will mich auch hier nicht auf ein bestimmtes System festlegen. Es gibt deren viele. Das, was ich eben streifte, ist in Amerika unter dem Namen „Profit-Sharing-System" bekannt, das von W. H. Wheeler, dem Präsidenten der Pitney-Bowes, eines Prägemaschinenkonzerns, vertreten wird. Es besagt, daß die Belegschaften an den Betriebsgewinnen teilhaben sollen, die durch die allgemeine Prosperität hervorgerufen werden.
Wir kommen unseres Erachtens nun einmal in der Zeit, in der wir leben, im 20. Jahrhundert, nicht mehr darum herum, Kapital und Arbeit als gleichwertige Faktoren, die sich gegenseitig ergänzen, anzusehen. So wie Kapital und Arbeit zur Erzielung eines wirtschaftlichen Ergebnisses zusammenwirken und zusammenwirken müssen, so müssen auch beide Teile an dem Gemeinschaftsergebnis ihrer Leistung finanziell beteiligt sein. Der Gehalt- und Lohnempfänger wird damit in gewissem Sinne zu einer Art kleinem Mitunternehmer, dessen Interessen mit seinem großen Bruder, dem Inhaber des Betriebs, dann durchaus in gleicher Richtung laufen. Wie das Beispiel der Duisburger Kupferhütte zeigt, ist dort nicht nur der innere Arbeitsfrieden gewährleistet, sondern es hat sich nebenher bei dieser engen Zusammenarbeit und bei den gleichlaufenden Interessen das im Grunde gar nicht so sehr Erstaunliche gezeigt, daß die Belegschaft dieses Werkes selbst außerbetriebliche Einflüsse ablehnt. Das ist an sich ja auch ganz natürlich, denn genau so, wie es sich der Unternehmer verbitten würde, sich von seinen Arbeitgeberverbänden hineinreden zu lassen, so verbitten es sich auch die Arbeiter und Angestellten eines Werkes aus der Interessenlage des kleinen Mitunternehmers heraus, sich ihrerseits von ihren Organisationen in ihr betriebliches Wohlergehen hineinreden zu lassen. Es hat sich dort die Hauptsorge des Unternehmers, daß nämlich fremde Einflüsse in seinem Betrieb die Oberhand gewinnen könnten, auf sehr natürliche und, ich glaube, organische und harmonische Weise von selbst gelöst!
Die Mitbestimmung im Betrieb darf allerdings nicht Selbstzweck, sondern soll vielmehr Grundlage zur Herstellung des gegenseitigen Vertrauens sein. Sie soll dem Arbeiter die Gewißheit bringen, daß der Betrieb nach dem Grundsätzen wirtschaftlicher Gerechtigkeit geführt wird. Dieser Zielsetzung entspricht es, daß einerseits alle Versuche abgelehnt werden müssen, die Mitbestimmung der Arbeiterschaft zum Hebelarm ideologischer Partei- oder Meinungskämpfe zu machen. Alle gesetzgeberischen Maßnahmen erhalten für uns ihren Wert nur insoweit als sie die Interessen von Kapital und Arbeit in Einklang bringen, d. h. dem Arbeitsfrieden dienen. Andererseits müssen aber auch Versuche abgelehnt werden, die zu Halbheiten führen und damit das Vertrauen stören, das nur vorhanden sein kann, wenn keine Vorbehalte bei der Mitbestimmung gemacht werden.
Auf der Grundlage dieser Gedankengänge, die den Arbeitsfrieden als Ausgangspunkt und als Voraussetzung eines uneingeschränkten wirtschaft-
lichen Mitbestimmungsrechts ansehen, hat die Deutsche Reichspartei ihre Stellung zur Frage des Mitbestimmungsrechts wie folgt formuliert:
Geleitet von dem Ziel, den unseligen Geist des Klassenkampfes zu überwinden. fordert die DRP gemäß Ziffer 5 ihrer Kasseler Leitsätze die Beteiligung des Arbeitnehmers am Betriebsgewinn und sieht hierin allein die Voraussetzung für ein gedeihliches Funktionieren des wirtschaftlichen Mitbestimmungsrechts. Nur durch Schaffung dieser beiden Voraussetzungen kann auf die Dauer ein wirklicher Arbeitsfrieden erreicht werden. Die DRP wendet sich jedoch auf das schärfste dagegen, auf dem Wege über ein Mitbestimmungsrecht heute betriebsfremden Interessen — wie etwa parteilich gelenkten Gewerkschaften — Einfluß zu verschaffen.