Rede von
Anton
Storch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Aussprache über das Mitbestimmungsrecht zeigt mit aller Klarheit und Deutlichkeit, daß sich heute auf der politischen Ebene ebenso wie auf dem Gebiet der Wirtschaft die Gedanken auf dieses Thema konzentrieren, vielleicht weil wir alle die Überzeugung haben, daß das deutsche Volk die Aufgabe hat, der Welt eine neue soziale Ordnung zu zeigen.
Die Verhältnisse, die wir heute in Deutschland vorfinden, sind in manchen Dingen eine Wiederholung dessen, was wir nach 1918 vor uns hatten. Wenn wir bedenken, daß es damals möglich gewesen ist, das deutsche Volk aus einer revolutionären Entwicklung herauszuführen, weil die führenden und verantwortungsbewußten Leute der Arbeitgeber und der Gewerkschaften sich zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammenfanden, um eben dem deutschen Volk eine innere Sicherheit zu geben, und wenn wir bedenken, wie in jener Zeit der Rätegedanke auch sehr weit zu uns vorgedrungen war und durch die mannhafte Tat von verantwortungsbewußten Menschen doch aufgehalten und zurückgedrängt wurde, dann sollte man sich auch in der heutigen Zeit darüber klar sein, daß eine Neuordnung wirtschaftlicher Art vor allem von dem eigenen Willen der in der Wirtschaft tätigen Menschen getragen werden muß.
Weil auch wir in der Bundesregierung diese Dinge so gesehen haben, haben wir bereits im November vergangenen Jahres mit den Gewerkschaften und auch mit den Arbeitgeberverbänden Verbindung aufgenommen und haben die beiden Sozialpartner darauf aufmerksam gemacht, daß es mit an erster Stelle ihre Aufgabe ist, dem deutschen Parlament, dem deutschen Volk Wege zu zeigen, wie man zu einer neuen Sozialordnung kommen kann. Im Januar dieses Jahres haben die Hattenheimer Verhandlungen begonnen; sie sind dann im März fortgeführt worden. Man hat gesagt: sie sind gescheitert. Ist das überhaupt wahr? Ich sage: nein. Man ist über gewisse Schwierigkeiten nicht hinweggekommen und hat sich dann einmal getrennt.
Wir alle wissen, daß es in Deutschland bei der konkurrierenden Gesetzgebung zwischen dem Bund und den Ländern möglich ist, daß man in den einzelnen Ländern glaubt, auf der kleineren Basis schneller zur Regelung derartiger Fragen zu kommen. Man hat deshalb das größte Gewicht darauf gelegt, alle Fragen der Neuordnung der Wirtschaft und der Mitbestimmung der arbeitenden Menschen so schnell wie möglich politisch zu regeln. Ich habe im Kabinett und auch dem Kanzler gegenüber die Meinung vertreten, daß man das Zusammenwirken und das Verhandeln der Sozialpartner nich t unterbrechen darf, sondern daß es viel wichtiger ist, den beiden Sozialpartnern weitere Unterstützung auch vom Staate her zu geben, um schnellstmöglich zu neuen Grundordnungen, die von beiden Seiten anerkannt werden, zu kommen. Herr Abgeordneter Raestrup hat vorhin einige sehr wahre Worte gesagt. Auf diesem Gebiet sind Gesetze ohne eine geistige Wandlung der Beteiligten und Anerkennung von beiden Seiten wertlos. Wenn wir auf diesem Gebiet politische Gesetze schaffen, die nicht von den Sozialpartnern anerkannt werden, werden sie ebenso wenig wirksam werden wie die Gesetze, die wir vor der Währungsreform wirtschaftspolitisch im damaligen Vereinigten Wirtschaftsgebiet erlassen haben. Wir sollen uns auch nicht täuschen; es hat mir heute morgen innerlich wehgetan, als der Kollege Freitag in sehr scharfen Worten sich gegenüber den Arbeitgebern aussprach.
Die Verhandlungen, die über das Mitbestimmungsrecht in meinem Ministerium und in Maria Laach geführt worden sind, waren von einem eminent sittlichen Ernst der beiden Parteien getragen.
Es ist meine Aufgabe, das hier einmal in aller Klarheit und Deutlichkeit zu sagen.
— Der Effekt war der, daß man sich auf weiten Gebieten einig geworden ist.
Wir werden dem Parlament für diese Fragen Gesetzentwürfe von der Regierung vorlegen, in denen das, worüber sich die Sozialpartner einig geworden sind, auch seine Fundamentierung findet.
— Jawohl, das werde ich auch gern von Ihnen annehmen. Ich lasse mich gern an etwas erinnern, was ich gesagt habe.
Meine Damen und Herren! Wir wollen uns doch nicht täuschen; wir machen ja meistens den einen großen Fehler, daß wir den in der Wirtschaft gegebenen Zustand als etwas ansehen, was aus dem bösen Willen der einen oder anderen Seite erwachsen ist. Das trifft doch gar nicht zu. Die Situation, die wir heute haben, ist die Auswirkung einer industriellen Wirtschaft, die eben immer mehr zum Mittel- und zum Großbetrieb drängt, wo die Maschine in der Konkurrenz zur menschlichen Arbeitskraft steht. Heute ist die Tatsache zu verzeichnen, die Freund Arndgen vorhin anzeigte, als er sagte: 60 % der arbeitsfähigen Menschen in Deutschland sind heute eigentumsmäßig von den Produktionsmitteln getrennt, und sie haben deshalb nicht mehr die
Möglichkeit, in freier Entscheidung ihre wirtschaftlichen Dinge in eine gesunde Ordnung zu bringen. — Das ist doch der Zustand, der sich aus einer Entwicklung ergeben hat. Ich habe mich gefreut, daß die Leute von der Arbeitgeberseite, als ich im Dezember mit ihnen darüber sprach und sie auf die Struktur unserer Wirtschaft in Deutschland aufmerksam machte, aufgehorcht haben. Sie sind sich vielleicht im Trubel der Geschäfte über diese wirtschaftliche Zusammensetzung unseres Volkes gar nicht mehr klar gewesen. Wir wollen uns doch alle nicht darüber täuschen, daß das politische Kollektiv, das uns der Nationalsozialismus gebracht hat, vielleicht seine tiefsten Ursachen darin gehabt hat, daß durch diese wirtschaftspolitische Entwicklung die Menschen ihre persönliche Freiheit auf wirtschaftlichem Gebiet ja längst verloren hatten und es deshalb gar nicht so empfanden, als man ihnen die politische Selbstbestimmung auch genommen hat. Den Geist neu werden zu lassen, ist unsere Aufgabe; und ich bin der felsenfesten Überzeugung, daß, wenn die Schüsse von der politischen Bühne gegen die Verhandlungen zwischen den Arbeitgebern und Arbeitnehmern nicht abgegeben worden wären, ein besseres Ergebnis vor uns läge.
— Bitte?
— Aber, mein lieber Freund; an dem Tage, an dem Ihr in Düsseldorf vorn DGB die Entscheidung über das Ergebnis von Maria Laach zu fällen hattet, hat doch am Morgen der „Industrie-Kurier", der anscheinend ein Interesse daran hatte, die Verhandlungen zu keinem guten Ergebnis kommen zu lassen, den Schuß abgegeben, der meines Erachtens seine Reaktion in der Form der Düsseldorfer Erklärungen gehabt hat. Sehen Sie, meine Damen und Herren — —
— Sicher stand es in einer Unternehmerzeitung, das weiß ich.
Wir wollen uns doch einmal darüber klar sein, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß die Menschen, die im Wirtschaftsleben die Verantwortung mitzutragen haben, doch letzten Endes von den Verhältnissen ausgehen müssen, die sie in den Betrieben und in der Wirtschaft vor sich sehen, und sie dürfen nicht von den Leuten gedrängt und getrieben werden, die in irgendwelchen Redaktionsstuben Dinge zusammenbrauen, die sie in ihrer Wirklichkeit und ihrem Ernst gar nicht kennen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin der persönlichen Überzeugung, daß, wenn dieser Weg zu einer neuen Arbeitsgemeinschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern nicht gefunden wird, wir erneut in den Zustand des Klassenkampfes von rechts und von links kommen, und das Ende einer derartigen Entwicklung dürfte eine Katastrophe für unsere deutschen Arbeitnehmer sein!