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ID0108001300

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 80. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Juli 1950 2927 80. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 27. Juli 1950. Geschäftliche Mitteilungen 2928C, 2954D, 2964D, 2965D, 3024D Änderung der Tagesordnung 2928C Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb (Nr. 970 der Drucksachen) 2928D, 2929B Zur Geschäftsordnung: Euler (FDP) 2928D Dr. von Brentano (CDU) 2929A Mellies (SPD) 2929A Rademacher (FDP) 2987C Zur Sache: Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU), Antragsteller 2929C Freitag (SPD) 2937D Dr. Hammer (FDP) 2942C Dr. Dr. h. c. Lehr (CDU) 2946D Walter (DP) 2949D Frau Wessel (Z) 2952A Dr. Seelos (BP) 2955A Agatz (KPD) 2956A Dr. Miessner (DRP) 2960C Freudenberg (FDP) 2962A Raestrup (CDU) 2965A Arndgen (CDU) 2965D Böhm (SPD) 2966D Storch, Bundesminister für Arbeit 2969C Degener (CDU) 2971A Keuning (SPD) 2972A Harig (KPD) 2974B Dr. Veit (SPD) 2978A Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 2980A Freidhof (SPD) 2984A Loritz (WAV) 2987D, 2995B Lenz (CDU) 2989D Dr. Kleindinst (CSU) 2990D Mensing (CDU) 2992A Dr. Freiherr von Rechenberg (FDP) 2993A Dr. von Brentano (CDU), Antragsteller 2993D, 2995D Mayer (Stuttgart) (FDP) 2995D Günther (CDU) 2995D Lausen (SPD) 2996A Zur Abstimmung: Paul (KPD) 2996B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der in den Bundestag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes (Nr. 1153 der Drucksachen) 2996C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Vermittlung der Annahme an Kindes Statt (Nr. 1173 der Drucksachen) . . . . 2996C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der Mutter (Mutterschutzgesetz (Nr. 1182 der Drucksachen) . 2996D Frau Kipp-Kaule (SPD), Antragstelle- rin 2996D Frau Dr. Rehling (CDU) 2998B Frau Arnold (Z) 2999C Frau Thiele (KPD) 3000A Frau Dr. Ilk (FDP) 3000D Frau Kalinke (DP) 3001B Frau Döhring (SPD), Antragstellerin 3001D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Mandatsniederlegung des Abgeordneten Müller (Hannover) (Nr. 993 der Drucksachen) . . 3003B Dr. Brill (SPD), Berichterstatter . 3003B Fisch (KPD) 3004B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs über die Bildung eines vorläufigen Bewertungsbeirates (Nr. 975 und Nr. 1158, 1235 der Drucksachen) 3005D Dr. Kneipp (FDP), als Berichterstatter 3005D als Abgeordneter . . . . . . . 3008A Dr. Schmidt (Niedersachsen) (SPD) . 3007C, 3008C Wartner (BP) 3008D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (Nr. 924 und 1209 der Drucksachen) 3009C Dr. von Merkatz (DP) (zur Geschäftsordnung) 3009C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten — Milch- und Fettgesetz — (Nr. 1243 der Drucksachen) . . 3009D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Getreide und Futtermitteln (Getreidegesetz) (Nr. 968 und 1224 der Drucksachen) . . . 3009D Dr. Horlacher (CSU) : als Berichterstatter 3010A als Abgeordneter 3014A, 3015B Dr. Kather (CDU) 3012A, C Kriedemann (SPD) 3012D Dr. Baade (SPD) 3013C, 3014C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Festsetzung von Brotpreisen (Nr. 1161 und 1222 der Drucksachen) 3016A Struve (CDU), Berichterstatter . . 3016A Kriedemann (SPD) 3016B Harig (KPD) 3016C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für ERP-Fragen (15. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Verwendungsordnung der ERP-Zuwendungen (Nr. 1167, 661 der Drucksachen) 3017B Dr. Pfleiderer (FDP), Berichterstatter 3017B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Kürzung der Versorgungsbezüge (Nr. 1174, 434 der Drucksachen) . . . . 3019B Dr. Wuermeling (CDU): zur Geschäftsordnung 3019B als Berichterstatter 3019C als Abgeordneter 3020A Herrmann (SPD) 3020D Melliez (SPD) 3021C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Ollenhauer u. Gen. betr. Vorlage eines Gesetzentwurfes über die Regelung der Versorgung der Körperbeschädigten und Hinterbliebenen durch Kriegsfolgen und über den Antrag der Fraktion der DP betr. Sozialversicherung (Nr. 1180, 30, 36 der Drucksachen) . . . . 3021D Mende (FDP), Berichterstatter . . . 3022A Storch, Bundesminister für Arbeit . . 3022D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kriegsopfer und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Spies, Strauß, Stücklen, Frau Dr. Probst u. Gen. betr. einheitliche Anerkennung der Schwerbeschädigtenausweise (Nr. 1181, 1004, 1236 der Drucksachen) 3023A Langer (FDP), Berichterstatter . . 3023B Spies (CSU) 3023C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) über den Antrag der Abg. von Thadden u. Gen. betr. Beseitigung der Entrechtung der ehemaligen Wehrmachtangehörigen und ihrer Hinterbliebenen (Nr. 1187, 1060, 1247 der Drucksachen) 3024A Dr. Kleindinst (CSU) 3024B Frist für Rednerkorrekturen der stenographischen Niederschriften 3024D Nächste Sitzung 3025C Die Sitzung wird um 9 Uhr 13 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Rede von Walter Freitag


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage des Mitbestimmungsrechts ist die Frage, die heute in aller Munde ist und die wohl am wenigsten verstanden wird. Mir scheint's, daß man für einen guten Zweck ein schlechtes Wort gewählt hat. Wir hätten als Deutsche nicht von einem Mitbestimmungsrecht reden sollen, sondern wir hätten von einer Demokratisierung der Wirtschaft reden sollen. Wir wären dann wahrscheinlich zu anderen Schlußfolgerungen gekommen. Demokratie ist doch der Grundsatz, den wir seit dem Jahre 1945 gelehrt bekamen und den wir auch befolgen wollen. Ich glaube, alle politischen Parteien führen doch den Begriff Demokratie nicht nur in ihrem Namen, sondern sie sind auch gewillt, nach den demokratischen Grundsätzen zu handeln und zu leben.
    Wenn ich das zugrunde lege, dann glaube ich, daß man auch über die Frage, welche Stellung der arbeitende Mensch für die Zukunft einnehmen soll, zu anderen Schlußfolgerungen kommen muß.


    (Freitag)

    Meine Damen und Herren! Es wird von Mitbestimmungsrecht geredet. Derjenige, der mitbestimmen muß und mitbestimmen soll, muß zunächst einmal die Möglichkeit haben, daß er über sich selbst entscheidet. Da werfe ich einmal die Frage auf, ob dieses Recht, über sich selbst zu entscheiden, dem deutschen Arbeiter heute gegeben ist. Sie werden mir wahrscheinlich sagen, ich übertreibe; und trotzdem sage ich, daß der Arbeiter in seinem Willen heute noch sehr stark eingeschränkt ist. Wir haben seit dem Jahre 1918 Bestimmungen, daß sich der Arbeiter gewerkschaftlich organisieren kann und daß diese gewerkschaftlichen Organisationen als die berufenen Vertreter der Arbeiterschaft anerkannt werden. So ist's niedergelegt. Ob's so gehandhabt wird, das ist eine andere Frage.
    Wenn ich zu dem Ergebnis komme, daß der arbeitende Mensch nicht einmal über seine eigenen Einnahmen und die Verwendung der Einnahmen selbst verfügen kann, daß ihm darüber hinaus noch Vorschriften gemacht werden, dann will ich damit nur zeigen, wie wenig Verständnis man für das Wohl und das Tun der Arbeiterschaft hat. Wir haben etwas Ähnliches in der Sozialversicherung; in der Krankenversicherung werden die Beiträge zu zwei Dritteln von den Arbeitern aufgebracht und nur zu einem Teil von den Unternehmern. Trotzdem ist man der Auffassung, daß der Arbeiter noch nicht reif dafür ist, die eigenen Angelegenheiten selbst zu verwalten, sondern daß man dort auch den Unternehmer einschalten muß, daß der sich des Arbeiters annimmt, um die Dinge zu verwalten. — Es mag nicht hierhin gehören, und es mag einmal bei anderer Gelegenheit der Zeitpunkt gekommen sein, in dem über diese Frage zu sprechen ist. Ich führe es nur an, um damit zu beweisen, wie der Arbeiter auch heute noch eingeschätzt wird und wie man auch heute noch glaubt den Arbeiter behandeln zu müssen.
    Die Frage des Mitbestimmungsrechts, um bei dem Wort zu bleiben, ist in der letzten Zeit bei uns in Deutschland sehr stark in den Vordergrund gerückt worden, auch dank der Tätigkeit der beiden Kirchen. Ich weiß nicht, ob die Gläubigen, die im vergangenen Sommer in Bochum versammelt waren, sich das Mitbestimmungsrecht so vorgestellt haben, wie es von Herrn Dr. Schröder hier vorgetragen wurde. Ich kann mir vorstellen, daß mancher einen anderen Begriff und ein anderes Wollen in sich trug. Meine Damen und Herren, worum dreht es sich denn? Es handelt sich um die eine Frage, ob der Arbeiter für die Zukunft als gleichberechtigter Mensch unter uns leben kann.

    (Sehr richtig! in der Mitte und bei der SPD.)

    Wir haben politische Gleichheit, wir haben keine wirtschaftliche Gleichheit. Im wirtschaftlichen Leben hat man es bisher verstanden, dem Arbeiter zu sagen: Wirtschaft ist ein Gebiet, das so heilig ist, daß daran nicht gerührt werden darf; über Wirtschaftsfragen könnt ihr als Arbeiter nicht mitreden.
    Wirtschaft war das ausgesuchte Gebiet für eine Reihe von Bevorzugten. Aus dem Grunde glaubte man, so Wirtschaft führen und treiben zu können und den Arbeiter von der Wirtschaft ausschließen zu können. Es werden ja heute eine ganze Reihe von Formulierungen gewählt, die sich gegen das Mitbestimmungsrecht wenden. In welche Darlegungen man da kommt, zeigt folgender Vorfall.
    Es wird in einer Schrift, die den Arbeitern in den
    einzelnen Betrieben in die Hände gedrückt wird,
    auseinandergesetzt, daß dieses Verhältnis, wie
    es bisher war — daß der Unternehmer in der
    Wirtschaft bestimmt —, für die Zukunft bestehen
    bleiben muß. Es wird auseinandergesetzt: Der
    Unternehmer trägt ja auch das Risiko. — Man
    will nicht verstehen, daß es im Wirtschaftsleben
    zwei Gleichberechtigte gibt, auf der einen Seite
    das Kapital und auf der anderen Seite die Arbeit.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wenn beide gleichberechtigt die Wirtschaft leiten und führen könnten, dann, glaube ich, würde man zu vernünftigen Ergebnissen kommen. — Aber nein, jetzt setzt man 'dazwischen das Risiko. Das hat der Unternehmer zu tragen, und aus dem Grunde muß er der Beherrscher der Wirtschaft sein!
    Bei dieser Frage kommen den Arbeitern eine ganze Reihe von Gedanken über das Tragen des Risikos, und zwar vor allen Dingen in einer Zeit, da wir in der Bundesrepublik so rund 2 Millionen, im Augenblick etwas mehr als 112 Millionen Arbeitslose haben. Da steigt die Frage auf, wer das Risiko trägt:

    (Beifall bei der SPD)

    der Arbeiter, der Angestellte, der seine Arbeitsstelle verlassen muß in dem Augenblick, da die nötige Nachfrage nach Arbeit nicht mehr vorhanden ist! Aus idem Grunde zieht der Grund von dem Risikotragen nicht mehr.
    Und dann, meine Herren, von den großen Wirtschaftskenntnissen — —(Zuruf rechts: Ist absoluter Unsinn!) - Was war das?

    (Abg. Dr. Schumacher: Das war das Gelalle eines Unmündigen! — Zuruf von der KPD: Ein Unkenruf!)

    — Meine Damen und Herren, von Unsinn habe ich in der Wirtschaft manches erlebt. Ich will Ihnen etwas sagen: man sagt den Arbeitern: Von Wirtschaft versteht ihr nichts! — Soviel verstehen die Arbeiter von der Wirtschaft, daß sie sich nicht zu sogenannten Wirtschaftsführern gebrauchen lassen, auch nicht zu Wehrwirtschaftsführern, um derartige Dinge heraufzubeschwören, wie sie leider im nationalsozialistischen Deutschland heraufbeschworen worden sind.

    (Sehr richtig! und Beifall bei der SPD.)

    Die Herren, die da bestreiten wollen, daß auch im Arbeiterlager wirtschaftliches Denken vorhanden ist, die sollten sich einmal an die Brust schlagen und überlegen, wie damals bei ihnen das wirtschaftliche Denken war. Der Arbeiter erhebt heute Anspruch darauf, daß er auch in der Wirtschaft mitentscheiden, daß er in der Wirtschaft mitreden kann, und zwar aus dem Grunde, weil er weiß, daß durch die Wirtschaft und ihre Führung sein Schicksal und das Schicksal seiner Familie bestimmt wird. Seine Existenz hängt davon ab, ob die Wirtschaft gut oder ob sie minder gut geleitet wird.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Er ist der Leidtragende dabei. Seine Frau und seine Kinder bezahlen für alle Fehler, die in der Wirtschaft gemacht werden. Man kann eine Wirtschaft als freie Wirtschaft bezeichnen, man kann sie mit allen möglichen Namen nennen: der Arbeiter steht heute den Dingen kritisch gegenüber. Wenn man ihn in wirtschaftlichen Fragen


    (Freitag)

    nicht mitreden lassen will, dann ergibt sich daraus, daß er zunächst mißtrauisch wird, — und Mißtrauen ist eines der schlechtesten Kapitel, die wir im Staat und im Leben gebrauchen können.
    Was man dagegen machen soll? Wir sind der Auffassung, daß man den Leuten sagt, was auf wirtschaftlichem Gebiet vor sich geht, daß man sich nicht abschließt, sondern daß man gemeinsam mit der Arbeiterschaft all die Fragen beredet und behandelt,

    (Sehr gut! und: Sehr einverstanden! bei der FDP)

    die mit wirtschaftlichen Dingen etwas zu tun haben.

    (Zuruf von der FDP: Aber nicht mit den Gewerkschaften!)

    - Wenn Sie sagen: „Aber nicht mit den Gewerkschaften", dann gehört das zu der interessantesten Auseinandersetzung, zu der wir heute wahrscheinlich noch kommen.
    Meine Damen und Herren! Nicht die Gewerkschaften! - Ich habe Ihnen vorhin einleitend gesagt, daß der Mann, der ein Mitbestimmungsrecht haben soll, zunächst einmal über sich selbst entscheiden darf, was er tut, was er will und wie er seine Gedanken ausführen will. Der deutsche Arbeiter ist nuneinmal der Auffassung, daß es in seinem Interesse liegt und daß es für ihn notwendig ist, sich mit seinen Arbeitskameraden in einer gewerkschaftlichen Organisation zusammenzuschließen und daß diese gewerkschaftliche Organisation für ihn entscheiden soll.

    (Zuruf von der FDP: Na, na!)

    Deshalb sind das sehr oberflächliche Darlegungen, wenn Sie sagen: der Arbeiter wohl, — aber nicht die Gewerkschaften! Meine Herren, der Strich, den Sie da zwischen Arbeiterschaft und Gewerkschaft ziehen wollen, ist nicht vorhanden.

    (Widerspruch rechts.)

    Ich will Ihnen folgendes sagen.

    (Abg. Dr. Oellers: Darum haben Sie auch nur einen Bruchteil der Arbeiter als Mitglieder!)

    — Sie wissen ja gar nicht, was ein Bruchteil der Arbeiter ist. Das Gros der Arbeiter steht hinter der deutschen Gewerkschaftsbewegung.

    (Starker Beifall bei der SPD.)

    Noch etwas anderes dazu. Die Herren, die so in diesen Tönen über die Gewerkschaftsbewegung reden, mögen einmal fünf Jahre zurückdenken.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Es gab eine Zeit, da waren sie froh, daß es eine deutsche Gewerkschaftsbewegung gab;

    (anhaltender starker Beifall bei der SPD) wahrscheinlich waren es gerade die Herren, die diese abfälligen Bemerkungen über die Gewerkschaftsbewegung heute machen. Meine Damen und Herren! Es wird Ihnen nicht gelingen, eine Trennung zwischen den deutschen Arbeitern, der Angestelltenschaft und der Gewerkschaftsbewegung herbeizuführen.


    (Beifall bei der SPD.)

    Die deutschen Arbeiter haben erkannt, daß es eine Einheit gibt, daß diese Einheit aufrechterhalten wird und daß darum gekämpft wird, weil sie in schwerer Stunde geboren wurde. Aus dem Grunde gibt es keine Zersplitterung mehr, weder nach konfessionellen noch nach politischen Gesichtspunkten. Es gilt das einheitliche Bestreben, gemeinsam zu handeln und gemeinsam zu Entschließungen zu kommen. In dem Sinne wird die Arbeiterschaft tätig sein, und, meine Herren, damit müssen Sie sich abfinden, daß für die Zukunft bei allen Forderungen, wenn es um die Interessenvertretung ider Arbeiter und Angestellten geht, der Name Gewerkschaft genannt wird und nichts anderes!

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Aus dem Grunde brauchen Sie sich nicht zur Wehr zu setzen und zu sagen: der Arbeiter wohl — nicht die Gewerkschaften. Ich will Ihnen etwas sagen: das ist der Standpunkt, der im Jahre 1914, im damaligen kaiserlichen Deutschland galt. Ich weiß, wie es damals war. Wenn in irgendeinem Betrieb Differenzen 'bestanden, dann war der Unternehmer so freundlich, auch den Gewerkschaftsangestellten zu holen und ihn zu ersuchen, doch zu vermitteln und Sorge zu tragen, daß diese Differenzen beigelegt wurden. Kam es zu einer Verständigung, und der Gewerkschaftsangestellte wollte das schwarz auf weiß zusammenfassen und ein Vertragsverhältnis abschließen, dann wurde ihm gesagt: Nein, mit meinen Arbeitern vereinbare ich alles, aber mit der Gewerkschaft vereinbare ich gar nichts.

    (Zuruf von der SPD: Herr-im-HauseStandpunkt!)

    Dieser Standpunkt wird heute noch vertreten. (Zuruf von der FDP: Nein!)

    Meine Damen und Herren, wenn nun gefragt wird und wenn Herr Dr. Schröder vorhin orakelte, wieso die Verhandlungen in Hattenheim später hier und zuletzt in Maria Laach gescheitert sind, dann will ich Ihnen den Grund dafür ganz offen sagen. Sie sind nicht gescheitert, weil uns in der einen oder anderen Frage nicht genug Entgegenkommen gezeigt wurde, sondern sie sind gescheitert an der einen Frage, daß man die deutschen Gewerkschaften als die berufenen Vertreter von Arbeitern und Angestellten nicht anerkennen will.

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Zuruf von der FDP: Das stimmt nicht!)

    — Das stimmt nicht? Ich will Ihnen etwas sagen:
    Ich habe an den Verhandlungen teilgenommen.

    (Abg. Euler: Weil man den Machtanspruch der Gewerkschaften in den Betrieben ablehnt! Zuruf von der FDP: Wenn man sie nicht anerkannt hätte, hätte man ja mit ihnen nicht verhandeln können!)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Herren! Ihre Redner werden nachher Ihren Standpunkt auseinandersetzen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Walter Freitag


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Wir haben uns mit den Unternehmern über Machtanspruch und ähnliche Dinge unterhalten. Die Herren waren auch bereit, das eine oder andere zuzugestehen, und sie waren wahrscheinlich bereit, noch mehr zuzugestehen, wenn nur der Name Gewerkschaft nicht genannt wurde, wenn es hieß „unsere Arbeiter, unsere Belegschaft, mit ihnen sind wir zu verhandeln bereit, aber nicht mit der Gewerkschaft!" — Deshalb sind wir auseinandergekommen,

    (Zuruf von der FDP: Das ist ein Irrtum!)

    und deshalb haben letzten Endes die ganzen Besprechungen ein Ende gefunden, weil wir der Auffassung sind, auf dieser Grundlage hat es keinen Zweck mehr, mit den Unternehmern zu verhan-


    (Freitag)

    dein. Dabei will ich konzedieren: die Herren, die in der Verhandlungskommission waren, haben sich ernstlich und redlich bemüht, zu einer Verständigung zu kommen.

    (Zuruf von der FDP: Na also!)

    Ich kenne aber eine ganze Reihe von Kräften im Lande, die sich gegen all dasjenige zur Wehr setzen, was von den Herren da gewünscht wird und was da erzielt werden soll. Beliebt's darüber schriftliches Material vorzulegen? Gefällt's Ihnen, sich darüber zu unterhalten? Was versucht wurde, ist müßig. Wir kennen die Kreise. Die Damen und Herren sind ja hier im Hause anwesend,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    und wir wissen, was alles getan wird, um die Verhändler von der Unternehmerseite einzukreisen und ihnen Schwierigkeiten zu machen, um dadurch die Verhandlungen zu keinem Ergebnis kommen zu lassen.

    (Zuruf von der FDP.)

    Meine Herren! Setzen Sie an die Spitze aller Dinge den einen Grundsatz, daß die Gewerkschaften berufen sind, die Interessen der Arbeiter und Angestellten zu vertreten, und über alle Dinge wird nach meiner Auffassung in verhältnismäßig kurzer Zeit eine Verständigung herbeigeführt werden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es war also nicht der Machtanspruch der Gewerkschaften, sondern es war das Bestreben von der Unternehmerseite, Gewerkschaften nicht zu kennen und Gewerkschaften auch für die Zukunft nicht gelten zu lassen.

    (Zuruf von der SPD: Die brauchen eine Gefolgschaft!)

    Das sind nicht Erfahrungen, die etwa heute erst gemacht werden. Das sind Erfahrungen, die die Gewerkschaften, die früher konfessionell und politisch in drei Richtungen aufgespalten waren, vor 1933 gemacht haben, nein, die wir bereits vor dem ersten Weltkrieg gemacht haben. Es heißt da: Nichts vergessen und nichts dazu gelernt. Die Haltung, die man früher einmal der deutschen Arbeiterbewegung gegenüber eingenommen hat, versucht man heute fortzusetzen. Der Erfolg: Das deutsche Volk wird die Dinge einmal bitter zu tragen haben.
    Meine Herren! Wir haben dann versucht, zu
    einer Verständigung über die Dinge zu kommen.

    (Zuruf von der FDP.)

    — Meine Herren! Die Sachen kommen durch. Nur keine Sorge! Es handelt sich nur darum, wie lange es sich bei uns in Deutschland um all diese Fragen dreht, wie lange es dauert, daß Deutschland zu der Einsicht kommt, daß es anders geschehen muß. Eine Reihe Ihrer Herren reden über diese Frage —ich erinnere mich da einer Unterhaltung, die mit dem Hohen amerikanischen Kommissar in der letzten Zeit geführt wurde —, und man redet da über die Frage des Mitbestimmungsrechts in einem Ton, als wenn es sich darum handelte, das Dreiklassenwahlrecht seligen Angedenkens zu verewigen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Nur kein Mitbestimmungsrecht kommen lassen! Wenn das Mitbestimmungsrecht kommt, kommen diese und jene Gefahren. Ähnlich hat es damals geheißen: Es darf das Dreiklassenwahlrecht nicht beseitigt werden, weil die und die Gefahren für das Bürgertum, für die Gesamtheit des Volkes entstehen. Man ist in der Frage nicht klüger geworden. Es hat bei uns etwas länger gedauert.
    Weltkriege mußten kommen und fürchterliche Zusammenbrüche, und dann — aus der Not geboren
    - erkannte man, daß es auch einen Bruder Arbeiter gab, und dann war man auch bereit, diesem Arbeiter Zugeständnisse zu machen.
    Wir können nichts anderes tun, als mit Vernunftgründen an Ihren Verstand zu appellieren und zu versuchen, die Dinge zu regeln. Geschieht's nicht, dann hat das Volk einmal später selbst die Nachteile davon zu tragen.
    Mitbestimmungsrecht! Das Mitbestimmungsrecht wird nicht nur auf der betrieblichen Ebene ausgetragen. Ein Betriebsrätegestz haben wir seit dem Jahre 1920 gehabt. Es hatte nichts 7u tun, wie es heute dem Volke gepredigt wird, mit dem Mitbestimmungsrecht. Wir hatten damals, nach dem ersten Weltkrieg, ein Betriebsrätegesetz; wir hatten damals auch einen vorläufigen Reichswirtschaftsrat. Dazwischen bestand eine große Kluft, die nicht überwunden werden konnte. Alle damaligen Versuche der deutschen Gewerkschaften, diese Dinge zu überbrücken, zu einer Regelung für die Gesamtwirtschaft zu kommen, sind fehlgeschlagen. Und, meine Herren, Sie sollten wissen, daß die Frage des wirtschaftlichen Mitbestimmungsrechts damals nicht nur bei den freien Gewerkschaften erörtert wurde, sondern daß auch andere Kreise die Notwendigkeit eines solchen Mitbestimmungsrechts einsahen. Ist Ihnen nicht bekannt, daß der damalige Arbeitsminister kurz vor Toresschluß 1933 derartige Pläne erwog, daß Stegerwald selbst der Auffassung war, hier müßten Änderungen eintreten? Es scheint alles vergessen zu sein.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Die Frage des Mitbestimmungsrechts ist nicht einmal auf Deutschland beschränkt. Meine Herren, versuchen Sie einmal, in die skandinavischen Länder, vor allen Dingen nach Schweden zu gehen, um dort festzustellen, wie in allen wirtschaftlichen Fragen die Arbeiter in diesen Ländern mitentscheiden und mitbestimmen können. In den westlichen Staaten ist es nicht anders. Ist nicht auch in England der Weg eingeschlagen worden? Sind nicht in den letzten Tagen noch in Belgien Beratungen über diese Frage durchgeführt worden? Und, meine Herren, erkundigen Sie sich doch einmal selbst, wie es in Amerika ist, welches Maß von Einfluß man dort den arbeitenden Menschen gegeben hat, wieweit dort die Arbeiter auch in wirtschaftlichen Fragen entscheiden können. Für Sie scheint das alles nicht da zu sein.

    (Zuruf von der FDP: Was reden Sie jetzt über Amerika!)

    - Ich rede über Amerika, nachdem Sie gezeigt haben, wieviel Verständnis Sie für die Verhältnisse in Amerika haben.

    (Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Solche Gewerkschaften wie in Amerika wünschen wir uns hier! — Lachen bei der SPD. — Zuruf des Abg. Euler.)

    — Herr von Rechenberg, ich wünschte auch in Deutschland Männer, die Vernunft und Einsicht haben und sich nicht an den Hohen Kommissar in der Form wenden, wie es vor einigen Tagen hier bei uns der Fall gewesen ist.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Das glauben Sie doch wohl nicht! Ich habe etwas ganz anderes gesagt!)





    (Freitag)

    — Ich kann mich ja nur darauf stützen — — (Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Das ist dann falsche Berichterstattung!)

    - Ja, dann kommt es auf die „falsche Berichterstattung" an!

    (Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Ich kann Ihnen genau sagen, was ich sagte!)

    — Herr von Rechenberg, das ist genau dasselbe, was ich bereits vorhin dargelegt habe: Sie wollen versuchen, das Rad der Zeit zurückzudrehen,

    (Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Ich denke nicht daran!)

    um wieder zu den Zuständen von einst zurückzukommen.

    (Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Kommen Sie in meine Fabrik und erkundigen Sie sich da! Kommen Sie hin, Sie werden sich wundern! Zuruf links: Sie alter Krakeeler!)

    - Herr von Rechenberg, wenn Sie so aufgeschlossen sind, dann seien Sie doch so freundlich, nicht gegen das sogenannte Mitbestimmungsrecht zu polemisieren, sondern dann setzen Sie sich dafür ein! Dann brauchen wir uns nicht so zu erregen, und dann können wir uns über die ganzen Dinge viel freundlicher unterhalten.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Mitbestimmungsrecht! Der Arbeiter, der vom frühen Morgen bis zum späten Mittag nur auf das Signal seiner Fabrikpfeife hören muß, der keine andere Möglichkeit hat, als sich mit den Bindungen zu beschäftigen, die ihm der Betrieb auferlegt, fragt sich: warum geht's mir so schlecht? Den interessiert die Festlegung der Preise für alle Bedarfsgegenstände, und der möchte in dieser Frage mitwirken und mitentscheiden. Aus diesem Grunde wird der Gedanke des Mitbestimmungsrechtes nicht nur auf betrieblicher Ebene, sondern auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene getragen.
    Auf dieser Grundlage war auch die Vorlage der Gewerkschaften entstanden. Sie wünschten zunächst einmal, daß ein Wirtschaftsrat gebildet wird der paritätisch aus Unternehmern und Arbeitern zusammengesetzt sein soll und in dem alle Fragen der Wirtschaft erörtert und vorberaten werden können. Uber diese Frage bestand mit den Unternehmern so gut wie Einverständnis. Die zweite Frage war die, ob die Industrie- und Handelskammern in ihrer bisherigen Form bestehen bleiben müssen. Auch darüber lagen Zusagen vor, daß diese Industrie- und Handelskammern für die Zukunft paritätisch zusammengesetzt sein sollen, daß also die Arbeiterschaft zu 50 % daran beteiligt wird. Nun gibt es gewiß bei uns im Lager böse Zungen die behaupten: das ist nicht ehrlich gemeint; die Unternehmer werden versuchen, alle die Aufgaben, die bisher die Industrie- und Handelskammern gelöst haben, in der Zukunft in wirtschaftlichen Vereinigungen zu lösen. Ich lasse die Frage offen und nehme das Wort, das uns gegeben wird, als ehrlich hin. Ich rechne damit, daß es so durchgeführt wird.
    Dann aber kam die Frage der Bildung von Ausschüssen, zunächst von Wirtschaftsausschüssen im Betrieb, und darüber gab es die ersten Differenzen. Bei der Frage der Aufsichtsräte konnten wir überhaupt zu keiner Verständigung kommen, weil die Herren dort der Auffassung waren, in diesen Aufsichtsräten hätten Gewerkschaftsvertreter nichts zu suchen. Erst nach langen, fürchterlichen Mühen gelang es dann, so ein Stück Kompromiß zu schließen: zunächst einmal hat der Betriebsrat das Vorschlagsrecht, zunächst muß der Betriebsrat Vorschläge aus dem Betrieb machen, und erst wenn dieseVorschläge von den Gewerkschaften nicht akzeptiert werden, kann der Gewerkschaftsbund eigene Vorschläge machen. Die Formulierung war sehr unglücklich gewählt. Sie wurde so unglücklich gewählt, um damit erneut zu dokumentieren, daß man nicht mit den Gewerkschaften, sondern nur mit dem einzelnen Arbeiter im Betrieb verhandeln wolle.

    (Abg. Dr. Wellhausen: Sie waren doch einverstanden!)

    — Darüber ist es zu keiner Verständigung gekommen, und daraufhin sind die Verhandlungen abgebrochen worden.
    Der Entwurf, der von den Gewerkschaften eingereicht wurde, ist zum großen Teil von meiner Partei jetzt wieder als Gesetzentwurf eingereicht worden. Ich bin der Auffassung, daß man mit einem derartigen Entwurf besser fährt als nur mit der Frage der Regelung des Mitbestimmungsrechts auf der betrieblichen Ebene. Ich will Ihnen ganz offen sagen, aus welchem Grunde: Ein gebranntes Kind scheut das Feuer! Wir haben in dem Deutschland nach 1918 damals ein Betriebsrätegesetz bekommen und wir haben den Vorläufigen Reichswirtschaftsrat bekommen. Die Zwischengliederung ist ausgeblieben. Und wenn man jetzt nach dem Vorschlag der CDU verfahren würde, würde es so aussehen, daß wir ein Betriebsrätegesetz bekommen werden, das wir in den verschiedensten Schattierungen im übrigen heute schon in den einzelnen Ländern haben, und daß alle anderen Regelungen des Mitbestimmungsrechts auf einer anderen Ebene für die Zukunft unerledigt bleiben. Ich weiß nicht, ob das das große Versprechen ist, das im vergangenen Jahr in Bochum gegeben worden ist, ob das die groben Hoffnungen sind, die man dort den Arbeitern gab.
    Aus diesem Grunde sind wir — und zwar sind wir das gemeinsam mit den Unternehmern - der Auffassung, daß die Frage des Mitbestimmungsrechts auf allen Ebenen ein unteilbares Ganzes ist, daß die Frage gelöst werden muß, angefangen vom Betrieb über die einzelnen Stellen bis zu dem Bundeswirtschaftsrat; demgemäß auch die Vorlage unseres Entwurfs, den wir Ihnen heute unterbreitet haben. Wir sind der Auffassung, wenn man dem Versprechen gerecht werden will, dann hat man sich unseren Ansichten anzuschließen, und wenn man zu einer vernünftigen Lösung kommen will, kann es nicht anders geschehen, als daß man da das berechtigte Verlangen der Arbeiterschaft nach Mitwirkung und Mitbestimmung in allen Fragen der Wirtschaft für die Zukunft gelten läßt. Sie mögen sich über diese Dinge im Augenblick noch lustig machen und Sie mögen erklaren, es hat keine Eue. Meine Herren, ich will Ihnen etwas sagen: fiber die Frage des Mitbestimmungsrechts und über die Frage des Verlangens der Gewerkschaften war eine ganze Reihe von recht unfreundlichen Bemerkungen im Lande draußen laut geworden. Selbst die Herren der Regierung hatten nicht allzu verständnisvoll zu den Dingen gesprochen. Aus dem Grunde waren wir voll Erwartung, was werden würde, als wir nun vom Herrn Arbeitsminister und von der hohen Regierung eingeladen wurden, gemeinsam mit ihr die Frage zu besprechen und zu einem Abschluß zu kommen. Und von all den Dingen, die man bis dahin von Regierungsseite gegenuber den Gewerkschaften zum Ausdruck gebracht hat, hörten wir nichts mehr. Der Herr Bundeskanzler war so freundlich, vor allen Dingen den Unternehmern zu sagen, daß es an ihnen läge, weitere Zu-


    (Freitag)

    geständnisse zu machen, weil die Gefahr im Lande groß sei, weil wir in Westdeutschland an einem Punkt angelangt seien, wo es letzten Endes für unser Volk um Sein oder Nichtsein ginge, und daß wir in der Zeit keine sozialen Spannungen, keine Auseinandersetzungen brauchen könnten. In dem Sinne sind wir auch an die Arbeit herangegangen und haben versucht, eine Lösung herbeizuführen.
    eine Herren! Sie mögen glauben, die Dinge seien nicht so ernst und brauchten nicht so gelöst zu werden, man könne an diesen Dingen noch vorbeigehen. Dann aber werden die Fragen eines Tages anders gelöst. Sind Sie sich klar darüber, daß es dann zu wirtschaftlichen Explosionen, zu Auseinandersetzungen von einem Ernst kommen wird, wie wir es hier in Deutschland bisher kaum gekannt haben.

    (Widerspruch bei der FDP.)

    Die Arbeiterschaft ist nicht gewillt, das Recht, das ihr eingeräumt und versprochen wurde, wieder preiszugeben.

    (Zuruf von der FDP: Wollen wir ja gar nicht! — Weiterer Zuruf: Sie drohen!)

    – Drohen? Ich denke nicht daran, zu drohen. Meine Herren, ich will Ihnen etwas sagen, was drohen ist: Drohen ist, wenn man zum Hohen Kommissar der Amerikaner geht und ihn bittet, nur ja nichts zu tun auf dem Gebiet des Mitbestimmungsrechts, weil die Gefahr aus dem Osten zu groß ist.

    (Abg. Dr. Schumacher: Hört! Hört!)

    Damit beweisen Sie, daß Sie von politischem Geschehen herzlich wenig verstehen. Die Gefahr aus dem Osten wird nur gebannt, wenn wir zu sozial erträglichen und demokratisch geordneten Verhältnissen auch im Wirtschaftsleben in Deutschland kommen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es liegt bei Ihnen, diesen Weg mitzugehen oder abseits zu stehen und die Gefahr kommen zu lassen.
    Meine Herren! Wer sich auf den Kommunismus berufen will, dem sage ich: es gibt nur ein Mittel gegen den Kommunismus, und das ist das, daß man sozial erträgliche und demokratisch vernünftige Verhältnisse im Lande schafft.

    (Sehr richtig! rechts.) Bolschewismus wird nicht bekämpft dadurch, daß man hingeht und den schwarzen Mann an die Wand malt und versucht, das eine und das andere Recht der arbeitenden Bevölkerung zu nehmen. Bolschewismus wird verhindert, wenn man Freiheit gelten läßt, wenn man Lebensmöglichkeiten schafft und wenn man zu geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen kommt.


    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Darum ringen wir und darum bemühen wir uns.

    (Zuruf von der FDP: Wir auch!)

    Und wir wünschen, daß wir dafür das Verständnis des Hohen Hauses bekommen. Wir erwarten von Ihnen, daß Sie für die Fragen, die von meiner Partei in den Beratungen im Ausschuß angeschnitten worden sind, mehr Verständnis aufbringen als es bisher heute morgen hier zum Durchbruch gekommen ist. Die Zeiten sind ernst, die Gefahren sind wahrscheinlich groß und können nur durch eine vernünftige Arbeit behoben werden. Zeigen Sie, daß Sie dazu bereit sind.

    (Beifall bei der SPD.)