Rede von
Dr.
Carlo
Schmid
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Abgeordneter Euler und Herr Abgeordneter von Brentano, außer Ihren Fraktionen hat noch die Deutsche Reichspartei gegen die Behandlung des SPD-Entwurfs protestiert. Vielleicht können Sie diesen Widerspruch zurücknehmen. Soviel mir bekannt ist, ist der Entwurf der SPD weitgehend identisch mit dem Entwurf der Gewerkschaften, der ja seit Wochen und Monaten bekannt ist.
— Sie ziehen den Widerspruch zurück. — Herr Kollege Frommhold, können Sie nicht auch Ihren Widerspruch zurückziehen? Ich glaube, Sie würden die Arbeit dieses Hauses wesentlich erleichtern; Sie würden uns bestimmt einen Sitzungstag ersparen.
— Sie ziehen den Einspruch auch zurück.
Dann erhebt das Haus keinen Widerspruch, wenn zu Punkt 1 der Tagesordnung auch der Antrag der SPD mitbehandelt wird.
Ich muß zuerst über den Antrag des Herrn Abgeordneten Euler abstimmen lassen. Wer für die Absetzung — —
— Sie ziehen Ihren Antrag zurück.
Dann rufe ich auf Punkt 1 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb .
Wer will den Antrag begründen?
— Herr Abgeordneter Schröder!
Der Ältestenrat hat dem Hause vorgeschlagen, freie Redezeit zu gewähren. Es darf sich also jeder zum Wort melden; es darf jeder eine Stunde sprechen.
Dr. Schrader (CDU), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das kleine Vorspiel, das wir soeben erlebt haben, unterstreicht noch einmal, wie wesentlich schon der Kampf in der Vorgeschichte dieses Entwurfs gewesen ist, und ich freue mich, daß wir heute wenigstens einmal unter diese Vorgeschichte einen Schlußpunkt setzen können.
Wenn wir heute über den Entwurf der CDU, den ich die Ehre habe einzubringen, sprechen, so erwarten Sie und so erwartet gewiß auch die Öffentlichkeit die Beantwortung von drei Fragen, nämlich der Fragen, warum überhaupt dieser Entwurf von uns eingebracht wird, warum er gerade jetzt eingebracht wird und warum wir einen Entwurf mit diesem Inhalt einbringen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ausgangspunkt unseres Entwurfs ist die Regierungserklärung vom 20. September, in der unter zahlreichen anderen Programmpunkten ein für unsere Auffassung sehr wesentlicher Satz gestanden hat, nämlich der, daß die Rechtsbeziehungen zwi- schen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zeitgemäß neu geordnet werden müßten. Und da wir die Auffassung vertreten, daß dies ein wesentliches Anliegen des Bundestags, und zwar nicht erst gegen Ende seiner Tätigkeit, sondern möglichst frühzeitig zu Beginn seiner Tätigkeit ist, haben wir es für richtig gehalten, diesen Satz der Regierungserklärung durch einen besonderen Antrag von uns noch einmal herauszustreichen. Sie werden sich entsinnen, daß wir in diesem Hause einmütig, allerdings ohne die Stimmen der kommunistischen Fraktion, am 4. November 1949 folgenden Beschluß gefaßt haben:
Die Bundesregierung wird ersucht, in Ausführung des Programms der Regierungserklärung
vom 20. September 1949 dem Bundestag den
Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der
Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern vorzulegen. Dieser Entwurf soll das
bisherige Betriebsrätegesetz des Kontrollrats
und entsprechende Gesetze der Länder ersetzen
und gleichzeitig - einer zeitgemäßen neuen
Ordnung entsprechend — das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer festlegen.
Seitdem wir diesen Beschluß — wie gesagt am 4. November 1949 — gefaßt haben, können wir in der weiteren Entwicklung des Problems der Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb drei Phasen unterscheiden. Die erste Phase möchte ich einmal als die Phase der Hattenheimer Gespräche bezeichnen. Die zweite ist ein Zwischenspiel, bei dem es bereits um den heute zur Behandlung kommenden Entwurf ging. Die dritte Phase schließlich sind die Verhandlungen des Bundesarbeitsministers mit den Organisationen der Sozialpartner.
Um mit den Hattenheimer Gesprächen zu beginnen: Das erste Gespräch hat, glaube ich, am 9. und 10. Januar stattgefunden. Im Gegensatz — und das wird für die weitere Erörterung sehr wichtig sein, vor allen Dingen, wenn wir noch Gelegenheit haben werden, den SPD-Entwurf nachher zu behandeln — im Gegensatz zu dem Bundestagsbeschluß ist hier
Der Herr Bundesarbeitsminister — im Einvernehmen mit dem Kabinett, wie ich annehme — hat es für zweckmäßig gehalten, daß, bevor er einen solchen Entwurf vorlegte, eine Verständigung zwischen den Sozialpartnern zustande kommen sollte. Diese Sozialpartner sind damals wieder, d. h. zum erstenmal von ,dem Bundesarbeitsminister zusammengerufen worden. Es lag nun, als sie zusammentraten, folgendes Material vor.
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2). Die Entwicklung unserer im Grundgesetz geschaffenen Organe, vor allem des Bundestags, die noch in den ersten Anfängen steckt, darf nicht dadurch kompliziert werden, daß neue Zuständigkeiten und Instanzen zur Mitwirkung bei der Gesetzgebung geschaffen werden.
3). Solange eine gesamtdeutsche Verfassung noch nicht möglich ist, darf das gegenwärtige Verfassungs-, Staats- und Verwaltungsgebäude der Bundesrepublik Deutschland nicht zum Gegenstand weiterer Experimente gemacht werden.
4). Das im Grundgesetz ausgewogene Zusammenspiel der politischen Kräfte im Bund und in den Ländern darf nicht durch die Hinzufügung neuer Faktoren von anderer Struktur beeinträchtigt werden.
Im Bewußtsein dieser vielschichtigen Problematik hat sich der Entwurf der CDU von vornherein auf die betrieblichen Verhältnisse beschränkt und hat dabei unsern Grundstandpunkt unterstrichen, daß es sich bei der Regelung dieses Problems für uns zunächst um eine Frage des
Menschen und erst in zweiter oder gar dritter
Linie um eine Frage der Organisationen handelt.
Wenn wir uns nun den Zielen des Entwurfs zuwenden wollen,
den die CDU vorgelegt hat, so glaube ich - und das ist vielleicht für Ihre ungeduldige Bemerkung ein ganz geeigneter Hinweis —, daß man das tun sollte mit einem Zitat aus Friedrich Naumanns „Neuer deutscher Wirtschaftspolitik" von 1907. Dort heißt es nämlich:
Im allgemeinen findet sich namentlich in Industriegroßbetrieben der gemeinsame Zug, daß mehr Gewicht gelegt wird auf Gehorsamsforderung als auf bewußte Mitarbeit. Das Problem der Verfassung, das auch dem Betriebe selbst zugute kommt, heißt darum: Wie werden aus diesen Untertanen, den Arbeitern, am Gedeihen des Unternehmens mitinteressierto Industriebürger?
Das ist das Thema und das ist das Problem, das es bei der gesetzlichen Regelung des Mitbestimmungsrechts im Betrieb zu lösen gilt. Wir sind uns ganz klar darüber, daß unsere Aufgabe dabei ist, ein Höchstmaß an ökonomischer Produktivität mit einem Höchstmaß an sozialer Gerechtigkeit zu vereinigen, und daß wir uns bei dem Versuch, diesem Ziele nahezukommen, diese Aufgabe zu lösen, auf zwei Pfeiler werden stützen müssen. Das eine ist die Anerkennung der Notwendigkeit, den Arbeitnehmer zu einem bewußten und verantwortlichen Mitarbeiter zu machen, dadurch die Produktivität zu steigern und so seine Existenz zu sichern und zu verbessern. Das zweite ist die Erhaltung und Sicherung der Unternehmerinitiative mit der Forderung, daß in der Leitung des Betriebs kein Dualismus entstehen darf, daß wir keine zweipolige Betriebsleitung wünschen.
In diesem Rahmen sind wir uns durchaus darüber klar, daß eine befriedigende Regelung des Mitbestimmungsrechtes selbstverständlich nur eine Sache ist, die im Betrieb selbst zu erfolgen hat und letztlich nur dort möglich ist. Die Wege dazu können und werden im einzelnen sehr verschieden sein. Wir stellen uns auch selber nicht mehr vor, als daß das Gesetz den Rahmen dafür zu geben hat, innerhalb dessen sich die Zusammenarbeit im Betrieb entwickeln soll. Eine Patentlösung für alle Fälle ist nicht möglich und wird auch nicht versucht. Aber für die Ausfüllung dieses Rahmens und für die Gestaltung der Verhältnisse im Betrieb wird gerade eine dauernde und ständige gute Zusammenarbeit auch der Organisationen der Arbeitnehmer auf der einen Seite und der Arbeitgeber und Unternehmer auf der anderen Seite notwendig sein. Um das zu unterstreichen, räumt der Entwurf ausdrücklich insbesondere allen Tarifverträgen, Mustervereinbarungen, Musterbetriebsvereinbarungen und Betriebsvereinbarungen den Vorrang ein. Im Rahmen dieser Bestimmungen ist die Gestaltung also ganz den Partnern überlassen, soweit nicht zwingende Bestimmungen des Gesetzes aus übergeordnetem Interesse heraus Platz greifen müssen.
Meine Damen und Herren, es wäre nun völlig falsch, ein Gesetz wie das von uns vorgeschlagene als eine geradezu revolutionäre Umwälzung anzusehen. Es handelt sich keineswegs darum, sondern es geht - und das sollten doch alle die noch einmal sehr sorgfältig überprüfen, die sich in diesen Dingen gegnerisch eingestellt haben - weithin nur um die Kodifizierung des vorhandenen wirt-
schaftlichen und sozialen Tatbestandes, eines Tatbestandes, welcher von fortschrittlichen Unternehmern zum Teil wesentlich überboten wird.
Um die gesteckten Ziele zu erreichen, geht der Entwurf so vor, daß er sowohl eine Regelung des Kapitels Betriebsräte als auch eine Regelung des Kapitels Mitbestimmung im Betrieb gibt. Soweit es sich darum handelt, ein neues Betriebsrätegesetz zu schaffen — ich habe bereits gesagt, aus welchem Grunde das sehr wesentlich ist, um der Rechtszersplitterung in Deutschland auf diesem Gebiete ein Ende zu bereiten —, befinden wir uns weithin auf einem guten Grund und auf einem, ich möchte beinahe sagen, befriedeten Gelände. Wir verfügen hier über die Erfahrungen des Gesetzes von 1920 und der Zwischenzeit und wir haben in diesem Rahmen nur die Notwendigkeit gesehen, in zwei Kapiteln Änderungen vorzuschlagen, nämlich einmal die, daß wir weitgehend an die Stelle der Listenwahl eine Persönlichkeitswahl gesetzt zu sehen wünschen und uns damit auch in Übereinstimmung mit unseren grundsätzlichen Forderungen zum Wahlrecht halten, daß wir diese Persönlichkeitswahl als eine Wahl in Abteilungen und Gruppen sehen möchten und daß wir uns darüber hinaus gerade angesichts der gesteigerten Bedeutung, die den Betriebsräten in Zukunft zukommen wird, dafür einsetzen, daß sie für eine längere Amtsdauer berufen werden. Wir haben uns hier für eine Amtsdauer von 2 Jahren entschieden.
Das Problem der Mitbestimmung selber im engeren Sinne wird schließlich in vier Kapiteln behandelt, in denen die Regelung der arbeitsvertraglichen Verhältnisse, die Regelung der sozialen Verhältnisse, die Bildung von Wirtschaftsausschüssen und die Entscheidung über Betriebsänderungen vorgesehen ist. Ich möchte dazu nur wenige Worte sagen, da es sich hier ja überhaupt nur um einen ersten Überblick über das gesamte Gesetz handeln kann. Eines scheint mir doch wesentlich zu sein, daß wir die bisher übliche Einteilung in personelle, soziale und wirtschaftliche Angelegenheiten nicht für richtig halten. Wir sind der Meinung, daß bisher unter dem Kapitel soziale Angelegenheiten eine ganze Menge von Punkten behandelt worden ist, die richtigerweise eigentlich zur Regelung der arbeitsvertraglichen Bedingungen gehören. Auf diesem arbeitsvertraglichen Gebiet und auf dem Gebiet der sozialen Angelegenheiten sind wir der Meinung, daß grundsätzlich eine Gleichberechtigung der Partner vorliegen soll, also grundsätzlich ein volles Mitbestimmungsrecht in diesen Fragen gegeben werden soll. Eine Ausnahme halten wir dagegen für richtig bei den außertariflichen Angestellten, um hier die unternehmerische Verantwortung bei der Auswahl der engeren Mitarbeiter nicht zu beeinträchtigen, und wir halten es für richtig, daß man in solchen Fällen nur, sagen wir einmal, ein gemindertes Einspruchsrecht gibt.
Aber ganz allgemein möchte ich zur Frage des Mitbestimmungsrechtes in diesen arbeitsvertraglichen, personellen Dingen sagen, daß wir selbstverständlich nicht darum herumkommen werden, an dieser Stelle nicht etwa einen uferlosen Katalog zuzulassen, sondern daß wir das personelle Mitbestimmungsrecht im engeren Sinne auf das beschränken müssen, was auch wirklich die personelle Qualität ist. Ich glaube also nicht, daß man hier etwa so weit gehen könnte, daß die fachliche Qualifikation und alle diese anderen Dinge im einzelnen Gegenstand des Mitbestimmungsrechts sein sollten. Ich glaube nicht, daß dafür ein wirkliches sachliches Interesse vorliegt.
Die Regelung derjenigen Instanz, welche bei einem wirklichen Mitbestimmungsrecht nun entscheiden soll, also die Frage Schiedsmann —Schiedsausschuß, ist ein ganz 'besonders umkämpftes Kapitel. Die Entscheidung über Meinungsverschiedenheiten, die sich eben letztlich nicht mehr im Betrieb auf dem bezeichneten Gebiet lösen lassen, muß dann durch eine außenstehende Stelle erfolgen, und nun ist hierbei die Frage: Soll dag ein Schiedsmann sein? Soll es ein Schiedsausschuß sein? Ich möchte mich zu dieser Frage nicht abschließend äußern, sondern nur darauf hinweisen, daß auch die Unternehmervertreter bereits bei dem ersten Hattenheimer Gespräch grundsätzlich zugestanden haben, daß auf dem personellen und sozialen Gebiet Mitbestimmungsrechte eingeräumt werden sollen, die die Entscheidung einer Schiedsinstanz notwendig machen. An einer solchen Schiedsinstanz ist auch in Maria Laach jedenfalls in der Grundlinie festgehalten worden. Ich glaube, daß man sie auch unbedingt braucht. Die Hauptbedenken gegen eine solche außerbetriebliche Schiedsinstanz liegen natürlich darin, wie sie nun ihrerseits personell besetzt werden soll. Hier spielt der Gedanke der Diskretion gegenüber der Konkurrenz eine Rolle. Ich bin aber der Meinung, daß sich hier eine befriedigende Lösung sehr wohl finden läßt, wobei ich ganz grundsätzlich sagen möchte, daß wir in dieser Frage sehr aufgeschlossen sein werden und durchaus die Möglichkeit sehen, andere brauchbare Vorschläge zur Regelung dieser Schiedsfälle zu erwägen.
Ich komme nun zu dem schwierigsten und deswegen auch heikelsten Kapitel, nämlich dem Kapitel der wirtschaftlichen Angelegenheiten im Betrieb. Wir haben die Regelung dieser wirtschaftlichen Angelegenheiten in zwei Gruppen aufgeteilt, einmal in den Bereich der Wirtschaftsausschüsse und dann — dies sind Fragen, die die Existenz der Belegschaft angehen — in die Entscheidung über grundsätzliche und schwerwiegende Betriebsänderungen.
Was die Wirtschaftsausschüsse angeht, so hat die öffentliche Behandlung dieses Themas eine sehr interessante Wandlung durchgemacht. Die Wirtschaftsausschüsse sind keineswegs eine deutsche Erfindung, sondern man kennt sie -
mindestens in ihren Ansätzen — auch außerhalb Deutschlands. Sie sind in Maria Laach — und ich glaube, das ist ein Ergebnis dieses vorzeitig abgebrochenen Konklaves, das wir dankbar festhalten sollten — von den Sozialpartnern vereinbart worden, allerdings ohne daß man sich im einzelnen über ihre Aufgaben abschließend klar geworden wäre. Die Partner haben sich dort auf den Standpunkt gestellt, daß Wirtschaftsausschüsse bei einer Unternehmensgröße von 100 Arbeitnehmern eingesetzt werden sollten, während unsere ursprüngliche Vorstellung dahin ging, daß man von einer kleineren Betriebsgröße ausgehen sollte. Aber, meine Damen und Herren, das möchte ich hier nachdrücklich aussprechen: Ob eine Institution bei einer Größe von 100 oder 150 oder gar von 200 oder mehr Arbeitnehmern an Platz greifen soll, ist, wie mir scheint, eine Frage der reinen Praktikabilität. Das Studium einer Betriebsgrößenstatistik zeigt, ganz grob genommen, etwa folgendes: Ich darf vielleicht einmal die Verhältnisse von Nordrhein-Westfalen,
so, wie ich sie im Gedächtnis habe, wiedergeben. Dort sind in etwa 80 % aller Betriebe der gewerblichen Wirtschaft nur etwa 20 % der Arbeitnehmer beschäftigt. Sie sehen also, daß, wenn man nur die restlichen 20 % aller Betriebe erfaßt, man bereits 80% aller Arbeitnehmer erfaßt. Dieses Verhältnis wird in den anderen deutschen Ländern nicht sehr verschieden davon sein.
- Sie meinen, es werde eher anders sein. Um so leichter wird es also fallen, sich in diesen Dingen dahin zu verständigen, diejenige Betriebsgröße zu greifen, die erstens einmal für die Institution als solche geeignet ist und die zweitens einen möglichst großen Kreis der Arbeitnehmer erfaßt. Daran besteht ja wohl ein gemeinsames Interesse, dabei einen möglichst großen Kreis von Arbeitnehmern zu erfassen.
Die Wirtschaftsausschüsse sind nun aber nach unserer Auffassung nicht etwa Instrumente einer doppelpoligen, einer dualistischen Betriebsführung, sondern sie sind Instrumente im Sinne der Labor und im Sinne der Human Relations, wie sie in den USA bereits seit langem praktiziert werden. Es handelt sich nicht darum, daß hier die laufende Geschäftsführung in irgendeiner Weise beeinträchtigt wird; aber die Belegschaft muß den Kurs des Unternehmens kennen und soll dabei durch Rat und Tat intern unterstützend mitwirken. Eine solche gute Zusammenarbeit zwischen Unternehmensführung und Belegschaft wird nach unserer Meinung dazu führen, daß sowohl die Produktion erhöht wie die Lebensverhältnisse der Belegschaft verbessert werden. Es liegt hier nur an den Partnern selbst, ob sie wollen, daß solche Ausschüsse zu einfachen Palaverklubs werden oder ob sie eine wertvolle Zusammenarbeit gerade nach dem Vorbild der USA ermöglichen.
Die am meisten umkämpfte Bestimmung ist die, die sich mit der Behandlung der Betriebsänderungen befaßt. Bei den Fällen, an die wir hier denken, handelt es sich darum, daß es eine begrenzte Anzahl von Veränderungen im Betrieb gibt, die eine unmittelbare existentielle Auswirkung auf die Belegschaft haben. Wir sind der Meinung, daß die Belegschaft gerade hierbei in einer gesteigerten Form zur Mitwirkung berufen ist. Wir haben die Möglichkeit geschaffen, einen Interessenausgleich unter Umständen auch durch das Wirtschaftsministerium herbeizuführen. Was die Frage der Einschaltung des Wirtschaftsministeriums bei einem solchen Interessenausgleich angeht, so möchte ich darauf hinweisen, daß der jetzt vorliegende und dicht vor der Verabschiedung stehende bayerische Entwurf auch diese Institution einführen möchte. Im übrigen entspricht das vermittelnde Anrufen der Ministerien durchaus einer tatsächlichen Übung. Uns geht es dabei darum, den Arbeitnehmern eine Sicherung gegen einseitige, willkürliche Entscheidungen, die ihre Existenz betreffen, zu geben. Das Verfahren mag man dabei verschieden ausgestalten können. Uns kam es zunächst nur einmal darauf an, das Prinzip als solches mit aller Deutlichkeit herauszubringen.
Mit Rücksicht darauf, daß eine weitgehende Übereinstimmung der Partner in den Fragen des noch zu schaffenden Kündigungsschutzgesetzes besteht, glaube ich, daß auch hier die Vorschriften dahin gehen sollten, daß die Mitbestimmung der
Betriebsräte von einer bestimmten Unternehmensgröße abhängig gemacht wird. Über diese Unternehmensgröße wird man sich, wie ich hoffe, unschwer einigen, wenn man das im Auge behält, was ich vorhin nach der Betriebsgrößenstatistik über die Situation gesagt habe. Die Fragen bedürfen im einzelnen noch mancher Überlegung in der Abgrenzung. Uns kam es nur einmal darauf an, das Prinzip als solches zu verankern.
Das letzte und — mindestens nach der Auffassung der Gewerkschaften — entscheidende Kapitel war schließlich die Frage der Besetzung der Aufsichtsräte. Bei der Mitwirkung von Arbeitnehmern im Aufsichtsrat handelt es sich ja keineswegs um eine ganz neu zu schaffende Institution, sondern auch hier können wir auf den guten und vorbereiteten Boden des Betriebsrätegesetzes von 1920 und der danach folgenden gesetzlichen Bestimmungen von 1922 zurückgreifen. Wir haben hier vorgeschlagen, mindestens ein Drittel Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat zu entsenden, während — das ist ja bekannt — die Forderung der Gewerkschaften auf eine paritätische Besetzung abzielt. Nun hat sich in den Erörterungen von Maria Laach herausgestellt — mindestens haben das die Unternehmer- und Arbeitgeberverbände inzwischen in ihren Presseverlautbarungen herausgebracht —, daß die Gewerkschaften ihrerseits hier durchaus die Möglichkeit eines Kompromisses sehen, nämlich eines Kompromisses dahin, daß man bei Unternehmen mit einer Betriebsgröße von 500 bis 1000 Arbeitnehmern ein Drittel, der Aufsichtsratsmandate mit Arbeitnehmern besetzt und daß die Forderung der Parität auf die Besetzung der Aufsichtsratsmandate bei Unternehmen mit über 1000 Arbeitnehmern beschränkt wird.
Wenn man sich nun einmal überlegt, was denn in dieser Forderung praktisch drinsteckt und auf welche Betriebe sie sich bezieht, dann wird man feststellen, daß die Zahl der Betriebe über 1000 Arbeitnehmer natürlich relativ klein ist. In Nordrhein-Westfalen sind es, allerdings mit Ausnahme des Kohlenbergbaues und der dem Kohlenbergbau angeschlossenen Unternehmungen, 133 Betriebe. Ich hatte leider keine Betriebsgrößenstatistik für das ganze Bundesgebiet auf diesem Gebiet zur Verfügung. Aber wenn Sie eine solche Zahl — ich sagte schon, daß Kohle ausgenommen ist — einmal mit 4 multiplizieren, dann sind Sie wahrscheinlich schon weit über die Höchstgrenze solcher Betriebe hinaus; und ich glaube, wenn man einmal im Rahmen solcher facts die Forderungen durchleuchtet und bespricht, dann bestehen auch hier noch Möglichkeiten, weitgehend zusammenzukommen. Ich möchte jedenfalls diese Hoffnung aussprechen.
Mit Blick auf die Grundstoffindustrien, die in dieses Kapitel ganz wesentlich fallen werden, ist zu sagen, daß wir im weiteren Verlauf der Entwicklung Gelegenheit haben werden, uns darüber noch sehr intensiv zu unterhalten; und es würde durchaus möglich sein, eine spezielle Regelung dieses Kapitels in Verbindung mit der Neuordnung der Grundstoffindustrien überhaupt vorzunehmen. Ich glaube also, daß wir Möglichkeiten der Verständigung für ein Gesamtgesetz finden werden können; denn dies ist ja nicht ein Gesetz, das spezielle Zweige der Wirtschaft erfassen soll, sondern ein Gesetz, das die ganze Wirtschaft erfassen soll.
Aber nun ist eins sehr interessant. Uns wird immer wieder gesagt: Wie steht es mit der Kreditfähigkeit, wie steht es mit der Bereitschaft des Auslands, etwa Kredite an Unternehmungen zu geben, in deren Aufsichtsrat nun ein wesentlicher Einfluß bei Arbeitnehmervertretern ist? Und es gibt in Deutschland gewisse Organe, die von Zeit zu Zeit anonyme Schreiben von angeblich amerikanischen Geschäftsfreunden mit der Tendenz veröffentlichen, abschreckend zu wirken. Ich bin nun in der glücklichen Lage, einmal eine Stimme wirklich mit Namen und Ort und Inhalt zitieren zu können. Es handelt sich um niemand anders als um den Stellvertreter des amerikanischen Hohen Kommissars, nämlich um Herrn Buttenwieser, der, selbst ein früherer Bankier, im Mai auf der Jahresversammlung der Investment Bankers Association of America hierzu folgendes ausgeführt hat:
Gesetze über Mitbestimmung liegen zur Beratung vor und sind in einigen Ländern schon in Kraft getreten. Darin ist vorgesehen, daß der Aufsichtsrat im Gegensatz zum Vorstand aus Vertretern der Arbeiterschaft und der Unternehmer bestehen soll. Die bloße Zugehörigkeit von Arbeitervertretern zum Aufsichtsrat würde mir nicht bedenklich erscheinen; vielmehr könnte ich mir vorstellen, daß diese Lösung in vieler Hinsicht einen konstruktiven Fortschritt im Verhältnis Arbeitgeber - Arbeitnehmer darstellen würde.
Wie gesagt ist das ein Vortrag, der vor einer Bankiersvereinigung gehalten worden ist, die sich damit beschäftigt, in Deutschland Investitionen vorzunehmen. Ich gebe solchen Stimmen weitaus den Vorzug gegenüber anonymen Briefen mit wohlmeinenden Ratschlägen.
— Herr Kollege von Rechenberg, dies ist ein Zitat, das ich vervollständigen könnte.
— Das sagt nichts in meinem Sinn? Die Beurteilung überlasse ich dann allen Urteilsfähigen!