Rede von
Dr.
Carlo
Schmid
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich bitte, zum Schluß zu kommen.
Dr. Schröder (CDU), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Ich bin mir völlig klar darüber, daß wir in dieser Frage 1945, 1946 vielleicht eine größere Aufgeschlossenheit gezeigt hätten.
Ich kann mir jedenfalls denken, daß es hier viele unter uns gibt, für die es 1945, 1946 unter dem Eindruck des damaligen Schocks - der Schock hat ja das Ergebnis, plötzlich Erkenntnisse aufzuzeigen, die jahrelang verschüttet waren - sehr viel leichter gewesen wäre, auf diesem Gebiet zu einer Lösung zu kommen, die wir jetzt so schwer erkämpfen müssen. Inzwischen haben sich die Kräfte der trägen Beharrung, des Gestrigen längst wieder gefunden,
etwa unter dem Motto: „Wir sind noch einmal davon gekommen!", in der Absicht, möglichst wenig zu tun und nicht etwa den Blick darauf gerichtet zu halten, daß nur in einer Überwindung der Verhältnisse, wie wir sie gehabt haben, eine Aussicht auf die Zukunft gegeben ist. Wir sind zutiefst davon überzeugt, daß nur die totale Regenerierung und der Mut zu grundsätzlich neuen Entscheidungen Katastrophen verhindern kann. Die sozialen Grundprobleme können nicht nur dilatorisch behandelt werden. Sie können nicht nur bei Konferenzen und Klausuren zerredet werden, sondern sie sind hier in diesem Hause
und in diesem Jahr - es mag sein, auch in der anschließenden Zeit - Sofortaufgaben, die sofort zu behandeln sind. Damit haben wir den Anfang gemacht. Mehr haben wir gar nicht gewollt.
Ich bin sicher, daß wir nun eine Fülle brillanter Kritik in technischer und juristischer Beziehung hören werden: wir werden den einen zu viel geben, und wir werden den anderen zu wenig geben. Aber wir werden den Wert jeder Kritik — dessen können Sie sicher sein - daran ermessen, was sie wirklich tun will.
Wir werden die Kritik nicht danach beurteilen, was sie an Brillanz zur Formulierung beiträgt, sondern uns interessieren auf diesem Gebiete nichts anderes als Taten. Ich bin mir darüber klar, daß diese Entscheidung für viele unbequem ist und daß man ihr durch den Hinweis auf angeblich wesentlicher e Tagesaufgaben auszuweichen sucht. Aber, meine Damen und Herren, wir sollten uns in einem solchen Augenblick bewußt sein, daß dies eine Auseinandersetzung ist, die sich — wenn ich so sagen darf - auf der einen Seite im Zeichen Koreas abspielt und auf der anderen Seite im Zeichen Europas. Es hat aber keinen Zweck, davon zu sprechen, daß man den Bolschewismus bekämpfen muß — der Bolschewismus kann nicht bekämpft, er kann nur überwunden werden
durch eine höhere soziale Freiheit; seine Infiltration kann nur dadurch abgeschirmt und immunisiert werden, daß wir hier eine Ordnung aufrichten, die in den Augen unserer Bevölkerung, die in den Augen Europas eine wesentlich bessere Ordnung ist. Wir geben uns dabei keiner Illusion über das Mitbestimmungsrecht als einer Zauberformel hin. So naiv sind wir nicht. Wir sind aber der Meinung, daß das Gesetz, das in diesem Punkte geschaffen wird, eine Dokumentation unserer sozialen Marschrichtung sein muß; und so sehen wir es nur an als einen Markstein in unser aller Kampf um Arbeit und Frieden unseres Volkes.