Die fortschrittlichen Gesetze -
ich führte es schon aus - sind in der Vergangenheit in den Ländern unterdrückt worden. Die Betriebsrätegesetze in Hessen und in WürttembergBaden enthielten wirklich fortschrittliche Bestimmungen. Sie wurden durch die Besatzungsmächte unterdrückt. Das war die Hilfe, die die Besatzungsmächte jenen Kräften geleistet haben, die heute mit diesem Entwurf kommen und uns einzureden versuchen, daß das eine wunderbare, eine herrliche und den Arbeitern und Angestellten sehr bekömmliche Sache sei. Könnte sich hier jemand vorstellen, daß wir heute hier in Westdeutschland noch die Herren Bank- und Industriemagnaten, zum Beispiel die Herren Pferdmenges, von Schroeder oder Reusch oder Krupp oder Thyssen oder Röhl oder Vorwerk hätten, wenn nicht die westlichen Besatzungsmächte die westdeutsche Arbeiterschaft daran gehindert hätten, diesen Herren die Quittung für die Politik zu geben, die sie in der Vergangenheit unter Hitler und mit Hitler gegen das deutsche Volk gemacht haben?
Das sind die entschiedenen Gegner der Mitbestimmung, sie stehen im Hintergrund. Sie hintertreiben die Bemühungen der Gewerkschaften und der Arbeiter und Angestellten. Sie wollen keine Mitbestimmung, sie wollen Herr im Hause bleiben. Sie wollen in ihren Plänen nicht gestört werden, sie wollen die Freiheit der Ausbeutung, die Freiheit der Profitjägerei weiterhin für sich beanspruchen.
Ich muß mich dem CDU-Entwurf zuwenden.
Ich sagte schon, daß dieser Entwurf nicht das zum Ausdruck bringt, was die Werktätigen in Wahrheit anstreben. Ich darf mich da mit einigen Formulierungen auseinandersetzen, die ich in der Begründung dieses Entwurfs vor allen Dingen gefunden habe. Es heißt hier:
Die entscheidende Forderung der Arbeitnehmer geht auf Sicherung ihrer Existenz und Anerkennung ihrer Gleichberechtigung in ihren menschlichen und arbeitsvertraglichen Beziehungen zum Arbeitgeber.
Gleichberechtigung — was ist das doch für ein schönes Wort! Gleichberechtigung zwischen arm und reich, zwischen den Eigentümern der Betriebe, die die Herren der Betriebe sind, und den Arbeitern und Angestellten. Die Gleichberechtigung geht bei Ihnen wunderbar weit, und ich bewundere das Gerechtigkeitsgefühl der CDU. Zum Beispiel heißt es im § 50, der Arbeitgeber oder das Mitglied des Betriebsrats, die gegen Bestimmungen dieses Gesetzes verstoßen, werden mit 5000 DM oder im zweiten Absatz sogar mit 10 000 DM bestraft. Der Unternehmer soll genau so 5000 bzw. 10 000 DM zahlen wie der einfache Arbeiter im Betriebsrat. Der Unternehmer faßt in den Dispositionsfonds, den er todsicher zur Verfügung hat, und was tut der Arbeiter? — Meine Herren, ich muß sagen, Sie haben eine wunderbare Vorstellung von Gleichberechtigung und von Gerechtigkeit!
Überhaupt, wie ist es denn mit den Arbeitgebern? Bestand nicht die Frage der Sozialisierung auch für wesentliche Teile Ihrer Partei? Hat nicht Herr Ministerpräsident Arnold im Landtag von Nordrhein-Westfalen ausgeführt, daß sich der Kapitalismus an seinen eigenen Gesetzen totgelaufen habe und daß nun nach neuen Wirtschaftsformen gesucht werden müsse? Das ist alles vergessen.
Hier unten heißt es, daß die Verantwortung und die Initiative des Unternehmers im Vordergrund zu stehen haben. Ja, die Verantwortung und dio Initiative der Unternehmer! Wir kennen doch die Herren aus der Vergangenheit, aus der Hitlerzeit, als sie Wehrwirtschaftsführer waren, als sie Hitler halfen, den Krieg zu führen, der ihnen Millionen, der aber den Massen Tod und Verderben brachte. Daher kennen wir sie doch, das war doch ihre Verantwortung. Und denen soll nun die Verantwortung und die Initiative aufs neue ausgeliefert werden, und mit ihnen soll man eine Partnerschaft zwischen den Herren Unternehmern und den Arbeitern und Angestellten herbeiführen. Eine nette Partnerschaft! Eine Partnerschaft, wie sie zwischen Roß und Reiter vorhanden ist, dem einen die Lasten und dem andern das Vergnügen, reiten zu können. So ungefähr haben Sie sich das wohl vorgestellt!
Sie mögen darüber lachen,
es kann doch nicht bestritten werden, daß von allen Ihren schönen Reden abgesehen die Realität so ist, wie ich sie darstelle. Kennen Sie die Lage in den Betrieben?
- Gar nichts kennen Sie! Wissen Sie, wie man
heute dabei ist, den Arbeitern die Löhne zu kürzen, die Akkorde zu verschlechtern und die Arbeitsbedingungen zu verschärfen? Ist Ihnen das
bekannt? Zu wessen Nutzen geschieht es? Haben
Sie schon gehört, daß es auch den Unternehmern
schlecht geht in Westdeutschland? Können Sie
das beweisen? Wir beweisen Ihnen das Gegenteil!
Hier heißt es unter der Überschrift „Der Betriebsrat", daß eine Fortentwicklung des Betriebsräterechtes mit diesem Entwurf angestrebt würde. Fortentwicklung nach rückwärts, das kann man wohl sagen, wenn man die Dinge von 1945 bis heute überblickt. Dann heißt es:
Hierzu gehört die Ausschaltung jeder Politisierung und jedes unzulässigen Fremdeinflusses bei der Wahl und Arbeit der Betriebsräte.
Versteckt sich darin nicht der Standpunkt der Unternehmer, der die Konferenzen, die Beratungen mit den Gewerkschaften zum Scheitern brachte? Ist damit nicht auch der Fremdeinfluß der Gewerkschaften gemeint? Nun, das soll untersucht werden. Aber hier ist wichtig: Ausschaltung
jeder Politisierung. Frau Wessel hat sich dieser Forderung vorhin angeschlossen. Also man verlangt von den Betriebsräten, daß sie sich einer politischen Stellungnahme enthalten sollen. Sind aber die Arbeiter und Angestellten, die die Betriebsräte vertreten müssen, nicht auch der Politik unterworfen? Zum Beispiel jetzt der Politik der Adenauer-Regierung?
Der Steuerpolitik, der Lohnpolitik, der Preispolitik, der Subventionspolitik, der Investitionspolitik? All jenen Maßnahmen, die zur Fundamentierung der sogenannten freien Unternehmerwirtschaft durchgeführt wurden? Da sollen sich nun die von Arbeitern und Angestellten gewählten Vertreter enthalten, sie sollen entpolitisiert werden.
Wir meinen, daß das ein Verlangen ist, über das die Betriebsräte selbst laut lachen werden.
Hier unten wird wiederum davon geredet, daß eine Gemeinschaft zur Erfüllung des Betriebszweckes im Rahmen der Gesamtwirtschaft zu bilden sei. Das haben wir doch schon gehört. Das ist doch irgendwie bekannt, daß eine Betriebsgemeinschaft zwischen Arbeitern, Angestellten und Unternehmern zu bilden ist. Ich meine, das sind vertraute Klänge aus der DAF-Zeit, aus der Zeit der Deutschen Arbeitsfront Hitlers, in der man auch die Betriebsgemeinschaft als das hehre Ziel des Nationalsozialismus proklamierte. Wir fragen, und das werden auch die Arbeiter tun: Zu wessen Nutzen soll denn eine solche Betriebsgemeinschaft gebildet werden? Wer soll davon den Vorteil haben? Welches Ergebnis kann eine solche Betriebsgemeinschaft nur herbeiführen? Das ist allen Arbeitern bekannt. Von der Meinung werden Sie sie gar nicht abbringen können, daß man ihnen mit solchen Formulierungen nur das Fell über die Ohren ziehen will.
Aber sie werden sich das Fell nicht über die Ohren ziehen lassen, sie werden sich vom Kampf um ihre Forderungen nicht abbringen lassen.
Darum können wir zu dem Entwurf, der hier vorliegt, nur nein sagen. Wir können den Arbeitern und Angestellten nur empfehlen, in den Betrieben den Kampf um die echte Mitbestimmung in den Fragen, die alle Arbeiter und Angestellten gleicherweise berühren, aufzunehmen. Wenn die Arbeiter und Angestellten in den Betrieben zu diesem Kampf entschlossen sind, dann sprechen sie eine Sprache, die auch der stocktaubste Unternehmer noch verstehen wird.
Sehen wir uns die Entwicklung noch mal an. Wir hatten den Streik der Vorwerk-Belegschaf t wegen der Maßregelung des Betriebsratsvorsitzenden. Herr Vorwerk wurde zurückgedrängt, er mußte den Betriebsratsvorsitzenden wieder einstellen. Inzwischen sind wir nun rund eineinhalb Jahre, glaube ich, älter geworden. Jetzt haben wir die Entlassungen von weiteren Betriebsratsvorsitzenden. Das ist die tatsächliche Entwicklung, daß die Männer, die sich zu wirklichen Interessenvertretern ihrer Belegschaft machen, auf die Straße gesetzt werden. Da ist zum Beispiel die Entlassung unseres Kollegen Harig, der Betriebsratsvorsitzender in Hagen-Haspe war; weiter die Entlassung des Betriebsratsvorsitzenden der Howald-Werft, der Kalkstein-Werke Gruiten; da sind die Entlassungen weiterer Betriebsräte. Das
ist ein alarmierendes Zeichen dafür, wieweit die Kraft der Unternehmer heute schon wieder reicht und daß es höchste Zeit ist, sich dieser Entwicklung entgegenzustellen; daß es höchste Zeit ist, die Arbeiter darüber aufzuklären, daß alle Arbeitsgemeinschaftspolitik nur zum großen Schaden für sie ausschlagen kann.
Wir denken an Weimar zurück, an die Zeit von 1918 bis zu Hitler. Wie war es denn damals? Heute kann man es doch ohne weiteres erkennen, daß das Kapital den Stimmzettel besiegt hat. Wem haben damals Reichswirtschaftsrat, Reichskohlenrat und alle jene Institutionen geholfen, wem haben sie genutzt? Haben sie der wirklichen Entwicklung denn vorgebeugt? O nein, die deutschen Monopolherren holten sich den Hitler, machten ihn stark, organisierten mit Hitler jene Massenbewegung, die ihren imperialistischen Zielen dienen sollte, und dann ging es in den Krieg hinein. Weil wir diese Erfahrung haben, darum können wir uns solchen neuen Versuchen, in Arbeitsgemeinschaftspolitik und Betriebsgemeinschaftspolitik zu machen, nur auf das allerentschiedenste widersetzen.
Ich darf hier nebenbei zur Parität Stellung nehmen, wie sie der DGB-Entwurf vorsieht. Das ist auch so eine eigene Sache mit der Parität. In der Sprache des Volkes gibt es ein herrliches Beispiel: Jemand ißt ein Menü, das ist halb und halb zusammengesetzt, halb Huhn und halb Pferd. So ungefähr sieht das hier mit der Parität aus. Wir sind uns doch darüber klar: haben die Unternehmer auch nur die Hälfte der Vertreter, so haben sie in Wahrheit mindestens 90 % der Macht, denn sie sind die Herren, sie sind die Eigentümer. Wir kennen das doch und wissen das doch ganz genau. Das sollte klar gesagt werden.
Ich möchte hier sagen: Unser Weg, den wir den westdeutschen Arbeitern und Angestellten und dem ganzen westdeutschen Volk vorschlagen, das ist der Weg der Deutschen Demokratischen Republik.
— Ich weiß, daß ich Sie nicht davon überzeugen kann, und ich will das auch gar nicht. Aber ich darf Ihnen sagen: Will das deutsche Volk in seiner Gesamtheit eine Zukunft haben, wird es nicht daran vorbeikommen, diesen Weg zu gehen.
Wir haben in der Deutschen Demokratischen Republik eine Verfassung, die jedem Menschen das Recht auf Arbeit sichert. Wir haben das Gesetz der Arbeit in der Deutschen Demokratischen Republik,
in dem das Mitbestimmungsrecht der Gewerkschaften Wirklichkeit ist.
Das sagen Sie! — Gibt es irgendwo in Deutschland leitende Arbeiter, also Arbeiter, die in leitenden Stellungen der Wirtschaft tätig sind? — Ich glaube, darin äußerst sich wohl am besten der fortschrittliche Charakter der dortigen gesellschaftlichen Ordnung, daß Sie in allen Stellungen der Wirtschaft und des gesamten gesellschaftlichen Lebens Arbeiter, einfache Arbeiter finden.
Das beantwortet auch die Frage nach der Fähigkeit dieser Arbeiter, die so gern angezweifelt wird. Es ist nicht so, daß die Arbeiter keine Wirtschaft führen könnten. In der Deutschen Demokratischen Republik wird bewiesen, daß sie es sehr gut können.
Und Sie werden sehr bald hellhörig werden über die Erfolge der Wirtschaft in der Deutschen Demokratischen Republik durch die Initiative, durch die Fähigkeit der Arbeiter.
— Daß Ihnen heute die Augen schon übergehen, kann ich mir denken. Es wird allmählich gefährlich, nicht wahr?
Ich möchte also sagen: es muß ein wirklicher Kampf um das Mitbestimmungsrecht geführt werden, aber nicht hier — hier sind keine Voraussetzungen für einen Erfolg in diesem Kampf gegeben —,
Dann werden Sie wahrscheinlich noch viel kleiner sein, als Sie es 1945 und in den anschließenden Monaten waren.
— Sie werden es erleben, wir sprechen uns mal wieder.
Ich lade Sie mal in die Deutsche Demokratische Republik ein!