Rede von
Helene
Wessel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eine alte Weisheit, daß ein richtiger Grundsatz durch eine falsche Anwendung immer eine andere als die beabsichtigte Wirkung hat. Man kann einen Grundsatz auch falsch interpretieren und ihn dadurch in Mißkredit bringen. In beiden Fällen liegt aber die Ursache der Verwirrung nicht bei dem Grundsatz, sondern bei dem ihn Verwirklichenden bzw. Interpretierenden. Wenn man die bisherige Debatte in diesem Hohen Hause verfolgt, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß über die Frage des Mitbestimmungsrechts von ganz verschiedenen Gesichtspunkten aus debattiert wird, je nachdem, ob man Gegner oder Anhänger dieses Mitbestimmungsrechts ist.
Die reinliche Scheidung also zwischen dem Grundsatz als solchem und seiner Verwirklichung bzw. Interpretierung setzt als solche die persönliche Einsicht und auch die persönliche Ehrlichkeit voraus. Wenn Gewerkschaft und Unternehmerverbände weder in Hattenheim noch in Maria Laach zu einer Verständigung auf dem Boden der Vernunft kamen, wenn es im Augenblick so aussieht, als wenn es auch in diesem Hohen Hause nicht zu einer Überbrückung der Meinungsverschiedenheiten kommen würde, so spricht das keineswegs gegen den Gedanken der Mitbestimmung als solchen, sondern gegen die Einsicht und den guten Willen wenn nicht aller, so doch zumindest eines Teils der dort und hier versammelten Vertreter der beiden Sozialpartner.
Aus der Personenwürde des arbeitenden Menschen ergibt sich das Verlangen nach Mitbestimmung der Arbeiterschaft in Fragen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens. Das ist schon von Herrn Kollegen Dr. Lehr dargelegt worden. Und wenn wir heute so häufig eine Reminiszenz an die wirtschaftliche Organisation des vergangenen Jahrhunderts gehört haben, meine Damen und Herren, so ist dazu zu sagen: das 19. Jahrhundert stand zumindest im Zeichen einer künstlichen Überbewertung der Kapitalinteressen. Die werktätige Arbeit war nur Objekt, nicht aber mitbestimmendes Subjekt des Betriebes.
Den anders gewordenen wirtschaftsethischen Auffassungen der Menschen unserer Zeit muß auch eine andere rechtliche und wirtschaftliche Stellung der Arbeitnehmer zum und im Betrieb entsprechen. Das gesetzte Recht und die Entwicklung des Wirtschaftszweiges sind hinter der Entwicklung des Rechtsgefühls unserer Tage zurückgeblieben. Die Grundsätze de§ überkommenen bürgerlichen, wirtschaftlichen und Arbeitsrechtes spiegeln nicht mehr die Forderungen des sozialen Gewissens der Gegenwart wider, von denen wir heute in diesem Hohen Hause soviel gehört haben.
Aufgabe der Gegenwart muß es doch sein, durch eine Neuordnung der betrieblichen Führungsverhältnisse den klassenkämpferischen, naturwidrigen Gegensatz von Arbeit und Kapital in der betrieblichen Sphäre zu überwinden, ohne die Grundlagen der europäischen Wirtschaft: Privateigentum und Freiheit zu zerschlagen. Sinn und Ziel der Mitbestimmung der Belegschaft im Betrieb ist die Herstellung eines auf Gerechtigkeit und gegenseitigem Vertrauen begründeten Arbeitsfriedens. Ich meine, keiner in diesem Hohen Hause hätte nicht den Wunsch, daß es zu einem solchen Arbeitsfrieden kommen muß. Es gibt doch keine betriebliche Frage, die nicht bei gegenseitigem guten Willen, bei beiderseitiger rücksichtsloser Offenheit so entschieden werden kann, wie es dem Nutzen des Betriebes und dem Nutzen der Belegschaft entspricht.
Meine Damen und Herren! Die dem Wesen der betrieblichen Zusammenarbeit eigene Über- und Unterordnung berührt nicht die Personenwürde des arbeitenden Menschen. Jeder gesunde Betrieb spiegelt eine von Autorität, Gehorsamspflicht und Verantwortung getragene Ordnung, deren Grundlagen Freiheit und Eigentum sind. Durch die Mitbestimmung der Belegschaft soll diese Ordnung der abendländischen Wirtschaft erfüllt und nicht zerschlagen werden. Aber nur menschliche Qualität begründet und sichert die Autorität der Betriebsführung; nur Einsicht und Bewußtsein der Mitverantwortung bei der Belegschaft rechtfertigen die Mitbestimmung durch die Belegschaft.
Wenn zum Beispiel der „Industriekurier" die Zwangsläufigkeit einer Entwicklung von der Mitbestimmung zum Bolschewismus behauptet und er deswegen das Mitbestimmungsrecht ablehnt, dann gestatten Sie mir die Vermutung, daß dieser Behauptung weder Einsicht noch politisches Fingerspitzengefühl zugrunde liegt.
Wie man von einem Punkt aus in 360 verschiedenen Richtungen marschieren kann, so sagt der Ausgangspunkt Mitbestimmung noch nichts über das Ziel der damit begonnenen neuen Entwicklung. Motiv, Gestalt und Zweck der Mitbestimmung erst legen die Richtung fest, je nachdem zum Guten oder auch zum Bösen. Daß die bolschewistische Konzeption Lenins und Stalins das Mitbestimmungsrecht mißbraucht hat, daß für eine wie auch immer geartete Mitbestimmung in Rußland weder 1920 noch 1950 Platz ist, spricht in keiner Weise gegen die Gewährung eines richtig motivierten und richtig gestalteten Mitbestimmungsrechts an die deutsche Arbeiterschaft.
Glaubt der Herr Kollege Hammer oder auch der Herr Kollege Walter von der Deutschen Partei,
auch nur einen Arbeiter durch ihre Beweisführung für die Sache der Unternehmerschaft und der freien Wirtschaft zu gewinnen? Den Bolschewismus fürchtet das Gros der deutschen Arbeiter gerade so, wie ihn die deutschen Unternehmer fürchten. Nachdem wir aber aus der in dieser Frage dargelegten Meinung der Vertreter der deutschen Unternehmer, die in der FDP und DP ihre Vertretung sehen, ein sehr bedingtes Nein zu den Forderungen der Arbeiterschaft auf Mitbestimmung heraushören müssen, werden sich die Gesamtvertreter der deutschen Unternehmerschaft nicht wundern dürfen, wenn die Arbeiterschaft sich noch geschlossener hinter die Vorschläge des DGB stellt, der ja beides verspricht: Schutz vor dem Bolschewismus und Wahrnehmung ihrer Rechte.
Meine Damen und Herren! Ich betrachte es als die besondere Pflicht meiner Fraktion, darüber zu wachen, daß bei der Diskussion über das Mitbe-
stimmungsrecht das Eigentumsrecht gewahrt und die Unternehmerinitiative erhalten bleibt.
Das Mitbestimmungsrecht darf nicht zu einem Mittel klassenkämpferischer Demagogie ausarten, sondern muß den Eckstein einer echten Wirtschaftsdemokratie abgeben.
Ich spreche also für das Mitbestimmungsrecht, weil ich weiß, daß das Mitbestimmungsrecht und die Mitverantwortungspflicht, die man aus dem CDU-Entwurf hier besonders hervorzuheben glaubte, zwei Seiten ein und derselben Sache sind. Und auch das möchte ich mit aller Deutlichkeit herausstellen. In den überschaubaren Klein- und Mittelbetrieben, wo einer den andern kennt, wo die menschliche Nähe von Meister und Geselle, Unternehmer und Belegschaft eine tägliche Aussprache und Mitbestimmung darstellt, in all den Fällen also, in denen das Ich- und Du-Verhältnis in Ordnung ist, bedarf es nach der Überzeugung meiner Fraktion keiner organisatorischen Form der Mitbestimmung.
Dasselbe gilt insbesondere auch für die Landwirtschaft. In allen diesen Betrieben ist es nach wie vor eine Frage der menschlichen Qualifikation des Betriebsführers, mit seinen Arbeitnehmern in ein solches Verhältnis zu kommen, daß diese aus Trägern fremdbestimmter Arbeitskraft zu verantwortungs- und damit zu persönlichkeitsbewußten Mitarbeitern werden. Nur dort, meine Damen und Herren, wo das Ich-Du-Verhältnis nicht funktioniert, sei es, daß der Betrieb zu groß, sei es, daß er zu unübersichtlich ist, als daß eine persönliche An-und Aussprache stattfinden könnte, bedarf das Mitbestimmungsrecht einer organisatorischen Form. In den Großbetrieben, vor allem bei den Kapitalgesellschaften ist ohne eine Organisation der Mitbestimmung heute nicht mehr auszukommen.
Die Zentrumsfraktion wird also für die gesetzliche Anerkennung des Anspruchs der Arbeiterschaft auf Mitbestimmung in den Großbetrieben, insbesondere bei den Kapitalgesellschaften eintreten. Aber auch das möchte ich mit aller Deutlichkeit herausstellen: welche Form der Betriebsdemokratie der einzelne Großbetrieb wählt, muß den Beteiligten, d. h. der Betriebsführung und der Belegschaft überlassen bleiben. Wenn das Hohe Haus über ein Gesetz der Mitbestimmung beschließt, dann sollte es sich vor Augen halten, daß das Gesetz keine Schablone der Mitbestimmung geben darf, daß es vielmehr den betriebsindividuellen Verhältnissen Gestaltungsfreiheit lassen muß. Es kommt immer auf das Ergebnis, auf das tatsächliche Mitbestimmungsrecht der Belegschaft an. Nicht aber kann es die Aufgabe dieses Hohen Hauses sein, eine gesetzliche Gebrauchsanweisung der Mitbestimmung zu entwickeln, die auf alle Betriebe ohne Rücksicht auf ihre Größe, Art und soziologische Zusammensetzung ihrer Belegschaft paßt.
W i e das Mitbestimmungsrecht gestaltet wird, muß Sache des Betriebsrats und des einzelnen Unternehmens sowie der Betriebsführung bleiben. Das ist allerdings auch meine Meinung, daß in den Großbetrieben der Betriebsrat der natürliche Gesprächspartner des Unternehmens bzw. des Vorstandes ist. Ihn gilt es so in die Betriebsführung einzubauen, daß er aus einem Instrument der Opposition zu einem Träger wirklicher Mitbestimmung und damit zu einem mitverantwortlichen Teil der Betriebsführung wird. Das Mitbestimmungsrecht soll so dem sozialen Frieden dienen.
Voraussetzung für einen derartigen Erfolg, für das Zusammenwachsen von Unternehmer und Belegschaft zu einer Leistungsgemeinschaft ist die Entpolitisierung des Betriebes und die Ausschaltung jeden Fremdeinflusses aus der betrieblichen Sphäre. Der Betrieb darf nicht zur Plattform außerbetrieblicher Meinungskämpfe werden.
Im betrieblichen Zusammenwirken von Arbeit und Eigentum darf es nur einen Maßstab geben: das Interesse des Betriebes im Rahmen des gemeinsamen Nutzens.
Meine Damen und Herren! Unter diesen Gesichtspunkten habe ich die Vorschläge des DGB zur Neuordnung der deutschen Wirtschaft vom 14. 4. 1950 studiert. Ich habe ferner die Stellungnahme der Arbeitgeberverbände zu dem Problem des Mitbestimmungsrechts vom Mai 1950 durchgearbeitet. Ich brauche dem Hohen Hause nicht den Inhalt dieser Stellungnahmen der Vertretungen der Sozialpartner darzulegen. Das dürften schon meine Vorredner getan haben. Aber ich meine doch, daß weder der eine noch der andere Vorschlag die Grundlage für ein Bundesgesetz abgeben kann.
Mit beiden Stellungnahmen verglichen ist der CDU-Entwurf zweifellos, was man im einzelnen an ihm auch aussetzen mag, ein Fortschritt und geeignet, eine Diskussionsgrundlage abzugeben. Die CDU beschränkt sich in ihrem Gesetzentwurf auf die innerbetriebliche Mitbestimmung und erfaßt damit den Kern der Sache. Über die Mitbestimmung im überbetrieblichen Bereich, über den Auf- und Ausbau einer wirtschaftlichen Selbstverwaltung wird sich eine Einigung unschwer erzielen lassen. Auch über die grundsätzliche Anerkennung des Mitbestimmungsanspruches der Arbeiterschaft brauche ich keine Worte zu verlieren. Die Meinungsverschiedenheiten kulminieren in der Frage nach dem Umfang und dem Inhalt der Mitbestimmung, vor allem aber in der Frage: Mitbestimmung durch wen?
Ich betonte schon, daß meines Erachtens der Betriebsrat und nur der Betriebsrat das für den innerbetrieblichen Bereich geeignete Organ der Mitbestimmung ist. Es ist gut und richtig, daß die CDU einer betrieblichen Monroe-Doktrin das Wort redet. Auch ich bin der Meinung, daß an der Gestaltung der betrieblichen Verhältnisse nur die im Betrieb wirkenden Kräfte teilhaben sollen. Eigentümer und Belegschaft sind die beiden Faktoren, die den Betrieb tragen. Ihrer von außen unbeeinflußten Übereinkunft muß das Wie der Zusammenarbeit überlassen bleiben. Daraus folgt, daß die Wahl des Betriebsrats von außen unbeeinflußt bleiben muß. Es mag die eine oder andere Bestimmung des ersten Teil: des CDU-Entwurfs noch einer Überarbeitung bedürfen. Insbesondere müßte meines Erachtens noch stärker zum Ausdruck gebracht werden, daß der Betriebsrat eine menschliche und fachliche Elite der Belegschaft darstellt und auf Grund der Wahlmodalität auch darstellen kann. Ich würde es für außerordentlich wichtig halten, wenn zum mindesten dieser erste Teil des Gesetzentwurfs der CDU nach erfolgter Überarbeitung baldmöglichst Gesetzeskraft erlangte.
Der Betriebsrat wird und muß Träger des Willens der Belegschaft sein. Nur wenn die gesetzliche Grundlage, auf Grund deren sich der Betriebsrat konstituiert und arbeitet, seine Unabhängigkeit garantiert, nur dann kann der weitere Schritt zur wirklichen Mitbetimmung getan werden. Diese Voraussetzung aber erfüllt zum mindesten im
2954 Deutscher- Bundestag — 80. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Juli 1950
Grundsätzlichen der erste Teil des CDU-Entwurfs. Dies festzustellen, gereicht der Zentrumsfraktion zur besonderen Befriedigung.
Meine Damen und Herren! Was die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Gestaltung des Betriebes angeht, so habe ich bereits herausgestellt, daß die Form der Mitbestimmung Angelegenheit der Beteiligten ist. Der Gesetzgeber sollte sich in einer Art Rahmengesetz darauf beschränken, den Anspruch der Arbeiterschaft auf Mitbestimmung herauszustellen und ferner die gesetzlichen Hindernisse zu beseitigen, die einer Neuordnung des Zusammenwirkens von Arbeit und Eigentum auf Grund der Bestimmungen des Handelsgesetzbuches und des Aktienrechts entgegenstehen. Soweit das Hohe Haus auch Vorschriften über die Form der Mitbestimmung zu machen beabsichtigt, dürften diese meines Erachtens nichts anderes als beispielhafte Vorschläge sein. Es wäre aber nicht nur unter diesem Gesichtspunkt verfehlt, in allen Betrieben die Bildung von Wirtschaftsausschüssen im Sinne der §§ 41 ff. des CDU-Entwurfs anzuordnen. Vielmehr scheint es mir notwendig zu sein, zum Ausdruck zu bringen, daß dem Betriebsrat nicht nur die Regelung der sozialen und personellen Verhältnisse obliegt, sondern daß er auch das Organ ist, durch das die Belegschaft ihr Informationsrecht und ihr Recht auf Mitwirkung in wirtschaftlichen Angelegenheiten des Betriebs wahrnimmt. Es muß dem Betriebsrat und dem einzelnen Unternehmer überlassen bleiben, ob sie sich zur Wahrnehmung dieses Rechtes eines besonderen Wirtschaftsausschusses bedienen. Auf keinen Fall aber darf gesetzlich angeordnet werden, daß ein Wirtschaftsausschuß in dem von der CDU vorgeschlagenen Sinne begründet werden m u ß , der neben dem Betriebsrat besteht und einen Teil der an sich diesem zustehenden Rechte und Aufgaben wahrnimmt.
Die CDU schlägt dann weiter vor, in den Aufsichtsrat der Kapitalgesellschaften ein Drittel der Aufsichtsratsplätze Vertretern der Betriebsbelegschaft zu geben. Der DGB fordert demgegenüber, daß der Aufsichtsrat zur Hälfte aus Vertretern des Betriebsrats und der Gewerkschaften bestehen sollen. Auch meine Fraktion ist der Meinung, daß eine Beteiligung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsorganen der Kapitalgesellschaften notwendig ist. Während aber nach dem CDU-Vorschlag die Gefahr einer jederzeitigen Majorisierung der Belegschaftsvertreter durch die Eigentumsvertreter besteht, dürfte eine wie von dem DGB vorgeschlagene hälftige Besetzung des Aufsichtsrates mit Kapital- und Arbeitsvertretern dessen Arbeitsfähigkeit in Frage stellen. Es gilt also, in Abänderung des CDU-Antrages für die Zusammensetzung des Aufsichtsrates einen Vorschlag zu machen, der einerseits dessen Arbeits- und Entschlußfähigkeit garantiert und andererseits eine Majorisierung der Belegschaft ausschließt. Den § 46 des CDUEntwurfs wird man einer um so eingehenderen Prüfung unterziehen müssen, als der Tendenz unserer Zeit entsprechend dem Aufsichtsrat in Zukunft größere Bedeutung zukommen wird und zukommen muß, als es in der Vergangenheit der Fall war. In ihm verzahnt sich das öffentliche Interesse am Betrieb mit den im Betrieb wirksamen Kräften. Er muß als betriebsnächste Stufe der wirtschaftlichen Selbstverwaltung schon Elemente enthalten, die einem dem gemeinen Nutzen abträglichen Betriebsegoismus Zügel anlegen.
In dem CDU-Entwurf vermißt meine Fraktion insbesondere eine Herausstellung der gewandelten Aufgaben des Vorstandes der großen Kapitalgesellschaften. In der Vergangenheit wurde der Aufsichtsrat ausschließlich von der Aktionärversammlung gewählt. Dieser wiederum ernannte den Vorstand. Der Vorstand ist also nach den Grundsätzen des HGB und des Aktienrechts für sein Tun und Unterlassen nur den Eigentumsinteressen verantwortlich. Demgegenüber muß mit aller Deutlichkeit herausgestellt werden, daß der Vorstand Treuhänder aller im Betrieb wirksamen Kräfte sein sollte. Er hat sowohl die Interessen des Eigentums wie die Interessen der Belegschaft zu vertreten, und zwar beide im Rahmen des gemeinen Nutzens. Eine solche gesetzliche Herausstellung der Treuhandaufgaben des Vorstandes entspricht dem gewandelten Wirtschaftsethos unserer Zeit und ist eine der Voraussetzungen dafür, daß der Vorstand als Verkörperer der Unternehmerinitiative nicht zum sozialen Gegenspieler des Betriebsrates werden kann.
So sehr im Mittelpunkt der Diskussion auch die innerbetriebliche Mitbestimmung steht, so wenig darf in diesen Tagen verkannt werden, daß die innerbetriebliche Mitbestimmung nur ein Teil unserer Bemühungen um eine Demokratisierung der Wirtschaft im betrieblichen und überbetrieblichen Raum sein darf. Die Bestimmungen des CDUEntwurfs, die sich mit dem Schiedsverfahren und den Schiedsstellen befassen, werden mit dem Aus- und Aufbau einer wirtschaftlichen Selbstverwaltung notwendigerweise ein anderes Gesicht bekommen müssen. Diesem Übergangscharakter der Bestimmungen über das Schiedsverfahren müßte schon jetzt entsprechender Ausdruck gegeben werden. Es kann gar nicht genug betont werden, daß das Interesse des Eigentums an der Vermögenserhaltung und das Interesse der Arbeitnehmerschaft an einer Sicherung ihrer Existenz sich in einem Punkt berühren. nämlich in dem Interesse beider an der Gesunderhaltung und Leistungsfähigkeit des Betriebes. Dieses natürliche Gleichgerichtetheit der Interessen gilt es vor allem zu unterstreichen. Man kann dem sozialen Frieden nicht besser dienen, als daß man den Sozialnartnern Gelegenheiten eröffnet, dieses beiderseitige Interesse an einer engen und nützlichen Zusammenarbeit zum Wohle des Betriebes und der Allgemeinheit nutzbar zu machen.
Nun noch ein Letztes. Wenn die bisherige Debatte in diesem Hohen Hause — und ich nehme an. daß die Fortführung derselben kein anderes Bild ergeben wird — die große Schwierigkeit der Überbrückung der Meinungsverschiedenheiten zeigt, in der Richtung, daß dem einen das Mitbestimmungsrecht in den vorgelegten Gesetzesentwürfen zu weit. dem anderen zu wenig gewährt erscheint, sollten wir als Gesetzgeber daran denken. daß das Mitbestimmungsrecht, das wir hier schaffen wollen. die Möglichkeit von Ergänzungen durchaus nicht ausschließt, je mehr Erfahrung wir bei der praktischen Durchführung des Mitbestimmungsrechtes erlangt haben werden.
Aber eines sollte Ziel und Maßstab aller Überlegungen sein: über Gerechtigkeit zum Vertrauen und über Vertrauen zum Arbeitsfrieden und damit zur wirtschaftlichen und sozialen Gerechtigkeit im deutschen Volke zu kommen.