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ID0108005500

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Metadaten
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    Vokabeln: 7
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    5. Abgeordneter: 1
    6. Dr.: 1
    7. Becker: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 80. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Juli 1950 2927 80. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 27. Juli 1950. Geschäftliche Mitteilungen 2928C, 2954D, 2964D, 2965D, 3024D Änderung der Tagesordnung 2928C Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb (Nr. 970 der Drucksachen) 2928D, 2929B Zur Geschäftsordnung: Euler (FDP) 2928D Dr. von Brentano (CDU) 2929A Mellies (SPD) 2929A Rademacher (FDP) 2987C Zur Sache: Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU), Antragsteller 2929C Freitag (SPD) 2937D Dr. Hammer (FDP) 2942C Dr. Dr. h. c. Lehr (CDU) 2946D Walter (DP) 2949D Frau Wessel (Z) 2952A Dr. Seelos (BP) 2955A Agatz (KPD) 2956A Dr. Miessner (DRP) 2960C Freudenberg (FDP) 2962A Raestrup (CDU) 2965A Arndgen (CDU) 2965D Böhm (SPD) 2966D Storch, Bundesminister für Arbeit 2969C Degener (CDU) 2971A Keuning (SPD) 2972A Harig (KPD) 2974B Dr. Veit (SPD) 2978A Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 2980A Freidhof (SPD) 2984A Loritz (WAV) 2987D, 2995B Lenz (CDU) 2989D Dr. Kleindinst (CSU) 2990D Mensing (CDU) 2992A Dr. Freiherr von Rechenberg (FDP) 2993A Dr. von Brentano (CDU), Antragsteller 2993D, 2995D Mayer (Stuttgart) (FDP) 2995D Günther (CDU) 2995D Lausen (SPD) 2996A Zur Abstimmung: Paul (KPD) 2996B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der in den Bundestag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes (Nr. 1153 der Drucksachen) 2996C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Vermittlung der Annahme an Kindes Statt (Nr. 1173 der Drucksachen) . . . . 2996C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der Mutter (Mutterschutzgesetz (Nr. 1182 der Drucksachen) . 2996D Frau Kipp-Kaule (SPD), Antragstelle- rin 2996D Frau Dr. Rehling (CDU) 2998B Frau Arnold (Z) 2999C Frau Thiele (KPD) 3000A Frau Dr. Ilk (FDP) 3000D Frau Kalinke (DP) 3001B Frau Döhring (SPD), Antragstellerin 3001D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Mandatsniederlegung des Abgeordneten Müller (Hannover) (Nr. 993 der Drucksachen) . . 3003B Dr. Brill (SPD), Berichterstatter . 3003B Fisch (KPD) 3004B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs über die Bildung eines vorläufigen Bewertungsbeirates (Nr. 975 und Nr. 1158, 1235 der Drucksachen) 3005D Dr. Kneipp (FDP), als Berichterstatter 3005D als Abgeordneter . . . . . . . 3008A Dr. Schmidt (Niedersachsen) (SPD) . 3007C, 3008C Wartner (BP) 3008D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (Nr. 924 und 1209 der Drucksachen) 3009C Dr. von Merkatz (DP) (zur Geschäftsordnung) 3009C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten — Milch- und Fettgesetz — (Nr. 1243 der Drucksachen) . . 3009D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Getreide und Futtermitteln (Getreidegesetz) (Nr. 968 und 1224 der Drucksachen) . . . 3009D Dr. Horlacher (CSU) : als Berichterstatter 3010A als Abgeordneter 3014A, 3015B Dr. Kather (CDU) 3012A, C Kriedemann (SPD) 3012D Dr. Baade (SPD) 3013C, 3014C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Festsetzung von Brotpreisen (Nr. 1161 und 1222 der Drucksachen) 3016A Struve (CDU), Berichterstatter . . 3016A Kriedemann (SPD) 3016B Harig (KPD) 3016C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für ERP-Fragen (15. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Verwendungsordnung der ERP-Zuwendungen (Nr. 1167, 661 der Drucksachen) 3017B Dr. Pfleiderer (FDP), Berichterstatter 3017B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Kürzung der Versorgungsbezüge (Nr. 1174, 434 der Drucksachen) . . . . 3019B Dr. Wuermeling (CDU): zur Geschäftsordnung 3019B als Berichterstatter 3019C als Abgeordneter 3020A Herrmann (SPD) 3020D Melliez (SPD) 3021C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Ollenhauer u. Gen. betr. Vorlage eines Gesetzentwurfes über die Regelung der Versorgung der Körperbeschädigten und Hinterbliebenen durch Kriegsfolgen und über den Antrag der Fraktion der DP betr. Sozialversicherung (Nr. 1180, 30, 36 der Drucksachen) . . . . 3021D Mende (FDP), Berichterstatter . . . 3022A Storch, Bundesminister für Arbeit . . 3022D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kriegsopfer und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Spies, Strauß, Stücklen, Frau Dr. Probst u. Gen. betr. einheitliche Anerkennung der Schwerbeschädigtenausweise (Nr. 1181, 1004, 1236 der Drucksachen) 3023A Langer (FDP), Berichterstatter . . 3023B Spies (CSU) 3023C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) über den Antrag der Abg. von Thadden u. Gen. betr. Beseitigung der Entrechtung der ehemaligen Wehrmachtangehörigen und ihrer Hinterbliebenen (Nr. 1187, 1060, 1247 der Drucksachen) 3024A Dr. Kleindinst (CSU) 3024B Frist für Rednerkorrekturen der stenographischen Niederschriften 3024D Nächste Sitzung 3025C Die Sitzung wird um 9 Uhr 13 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Rede von Dr. Hermann Veit


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! In der Kritik, die hier gegen das Mitbestimmungsrecht laut geworden ist, hat man vor allem gehört, daß unsere Volkswirtschaft Schaden leiden könne, wenn der Arbeiterschaft ein Mitbestimmungsrecht eingeräumt werden sollte. Es gibt ja Menschen, die ihre Argumentation verwenden, um ihre wirklichen Gründe zu verbergen; und diejenigen, die vorgeben, die Volkswirtschaft sei in Gefahr, wenn das Mitbestimmungsrecht durchgeführt werden würde, denken im wesentlichen an ihre eigene Person und an ihr eigenes Schicksal sehr viel mehr als an die Volkswirtschaft. Sie vertreten Machtpositionen und verheimlichen ihre wahren Gründe.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Mit ihnen sich auseinanderzusetzen, hat so wenig Zweck, wie wenn ich Zeit verschwenden würde, mich mit der Argumentation von ganz links auseinanderzusetzen. Wenn die Herren die Reden, die sie über das Mitbestimmungsrecht hier gehalten haben, in der Ostzone gehalten hätten, hätten sie vermutlich die letzte Rede ihres Lebens gehalten.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der CDU. — Zurufe von der KPD.)

    Aber, meine Damen und Herren, mit denen, denen es ernst ist um das Problem der Mitbestimmung — und ich habe mit Freude festgestellt, daß sehr viele Redner dieses Hohen Hauses diese Frage durchaus ernst nehmen und ernsthaft die Frage aufwerfen, ob die Durchführung des Mitbestimmungsrechts eine Gefahr für unsere wirtschaftliche Entwicklung bedeutet —, möchte ich mich auseinandersetzen und ihnen zunächst die Frage vorlegen: Ist denn unsere derzeitige Wirtschaftsstruktur und unsere Wirtschaftspolitik ideal zu nennen? Ist das System der sogenannten Unternehmerfreiheit, das mit allen Mitteln erhalten werden soll, wirklich ein System, das privatwirtschaftlich und volkswirtschaftlich gesehen fehlerfrei funktioniert und frei von Mängeln ist? Denken Sie doch an all die Fehlinvestitionen, die auf Grund der freien Initiative der Unternehmer vorgenommen worden sind, und bedenken Sie, daß diese dabei nicht etwa nur ihr eigenes Kapital fehlinvestiert haben, sondern sehr häufig eben auch noch das Kapital, das ihnen von Fremden zur Verfügung gestellt worden ist.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Oder denken Sie doch bitte daran, in welcher Weise Unternehmer gelegentlich ihre Freiheit, den Betrieb zu leiten, dahin ausgenutzt haben, in ihren Betrieben Investitionen, die volkswirtschaftlich notwendig gewesen wären, zu unterlassen und auf diese Weise aus den Betrieben Gewinne herausgeholt haben, Raubbau mit den Betrieben getrieben haben, ohne damit irgendwelche volkswirtschaftlichen Erfolge zu erzielen. Denken Sie gerade an die Entwicklung der vergangenen Jahre, als man auf dem Weg über die Preiserhöhungen Selbstfinanzierungen vorgenommen hat, die vom wirtschaftlichen Standpunkt aus und im Hinblick auf die Priorität einer ganzen Reihe von dringlichsten Aufgaben einfach zu bedauern waren, so daß wir heute in die Lage gekommen sind, eine ganze Menge von wichtigen Aufgaben wegen Kapitalmangels nicht lösen zu können, während andere Aufgaben, die man vielleicht einmal in anderer Zeit hätte durchführen können, die aber heute nicht dringlich sind, ihre Lösung gefunden haben.
    Denken Sie bitte auch an den Mißbrauch der Unternehmerstellung. Oder wollen Sie es billigen — Herr Freudenberg sprach von den guten und tüchtigen Unternehmern und sagte, nur für diese wolle er sprechen —, wenn beispielsweise ein Unternehmer, der mit Recht bestraft worden ist, weil er Preisvorschriften gröblichst verletzt hat, in einem Gnadengesuch schreibt, wenn man ihm die Strafe nicht nachlasse, dann sehe er sich gezwungen, seinen Betrieb zu verkleinern und eine ganze Reihe von Leuten auf die Straße zu setzen?

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Oder sehen Sie es für richtig an, wenn beispielsweise Unternehmer, die den Staat um erhebliche Kapitalbeträge angehen, schreiben: Wir sind natürlich nach den Gepflogenheiten unseres Hauses nicht in der Lage, dafür eine dingliche Sicherheit zur Verfügung zu stellen; wir haben zwar die Grundstücke, lehnen es aber aus Prinzip ab, dingliche Sicherungen zu geben, und für den Fall, daß der Staat nicht bereit ist, trotzdem mit finanziellen Mitteln zu helfen, sehen wir uns gezwungen, den Betrieb stillzulegen oder die Produktion in einen unserer anderen Betriebe in Länder zu verlegen, in denen unsere Wünsche mit mehr Entgegenkommen erfüllt werden? Sehen Sie, das sind die Mißbräuche, auf die wir sehr häufig stoßen . Das sind die Fälle, in denen mit der Unternehmerfreiheit auf der einen Seite und der Tatsache, daß der Arbeiter dem Unternehmer rettungslos ausgeliefert ist, ein sehr bedauerlicher Mißbrauch getrieben wird.

    (Zuruf rechts.)

    Von dem politischen Mißbrauch brauche ich gar nicht zu reden. Sie werden sich ja daran erinnern, welcher politische Mißbrauch mit der Unternehmerstellung, mit der Machtstellung des Unternehmers in der Vergangenheit getrieben worden ist. Wenn wir das Mitbestimmungsrecht im Jahre 1932 schon gehabt hätten, dann wäre der Nationalsozialismus wahrscheinlich überhaupt nicht zur Macht gekommen,

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    und Hitler hätte den Offenbarungseid leisten müssen.
    Meine Damen und Herren, wie weit geht es denn überhaupt noch mit der Unternehmerfreiheit, die immer dann verteidigt wird, wenn die Arbeiterschaft ihr Recht anmeldet, in den Betrieben etwas sagen zu dürfen? Die Unternehmerfreiheit ist doch heute schon auf vielen Gebieten stark eingeschränkt. Die Unternehmer haben sie zum Teil selbst eingeschränkt und finden gar nichts dabei. Sie haben sich diese Beschränkungen auferlegt, um im Schatten solcher Abmachungen um so sicherer existieren und verdienen zu können. Wo ist denn die Unternehmerfreiheit beispielsweise bei den Kartellabreden, von den Syndikaten ganz zu schweigen? Hier hat man sich doch im Interesse des Verdienstes geopfert und will uns heute weismachen, die Unternehmerfreiheit sei etwas, ohne das die Wirtschaft überhaupt nicht existieren könnte.
    Ich will gar nicht über die Bindungen reden, die von den Unternehmungen gelegentlich gegenüber dem Finanzkapital eingegangen werden, wo von einer Freiheit überhaupt nicht mehr gesprochen


    (Dr. Veit)

    werden kann, ohne daß man sagen kann, daß die Wirtschaft deswegen nachdrücklichen Schaden erlitten hat.
    Meine Damen und Herren, soll denn die Freiheit durch die Mitbestimmung verloren gehen? Ist es denn so, daß der Unternehmer seine Rechte verliert, wenn wir das Mitbestimmungsrecht durchführen? Es ist doch nicht geplant, daß dadurch die Rechte des Unternehmers irgendwie geschmälert werden, wenn wir für den Aufsichtsrat eine andere Zusammensetzung vorschlagen, als sie bisher war. Die Initiative des Unternehmens liegt ja nach wie vor bei der Leitung. Es dreht sich lediglich darum, daß in dem Aufsichts- und Kontrollorgan nunmehr entgegen der bisherigen Übung und den bisherigen Vorschriften auch die Arbeitnehmerschaft vertreten sein soll.
    Wir haben ja nicht nur Arbeiterinteressen zu vertreten. Wir haben hinter uns eine ganze Reihe von Betrieben, gerade Betriebe der Konsumgenossenschaften, Betriebe der Gemeinden, gemeinwirtschaftliche Betriebe, so daß wir durchaus auch für die Unternehmerposition Verständnis haben. Wir denken gar nicht daran, hier einseitig die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten. Wie können Sie uns unterstellen, die deutsche Wirtschaft etwa schädigen zu wollen? Wir wollen sie beleben, wir wollen sie fördern, wir wollen die Produktion steigern. Jeder Fehltritt auf diesem Wege wäre ja gerade für unsere Bewegung und die Bewegung der Arbeiterschaft selbst der größte Schaden. Deswegen können Sie davon überzeugt sein: wir wollen keine Experimente machen, wir wollen nicht, daß unsere Volkswirtschaft nicht mehr oder schlechter funktioniert, sondern wir wollen einen Zustand erreichen, der das gesetzlich fundiert, was die Entwicklung schon längst vorweggenommen hat.
    Meine Damen und Herren, in die Aufsichtsorgane sind bisher die Vertreter nach dem Eigentum delegiert worden. Aber auch das ist schon längst durchlöchert und durchbohrt; denn die Banken, die Depothalter waren, haben ja meistens die größte Anzahl der Stimmen in die Generalversammlungen delegiert und haben somit ein anonymes Kapital häufig in ganz anderem Sinne vertreten, als es die Eigentümer hätten verlangen können. Ist es da nun nicht richtiger und entspricht es der Situation, in der wir stehen, und entspricht es der Tatsache, daß unsere Betriebe nicht mehr Stätten des Gewinns für einzelne Unternehmer, sondern Organe der Volkswirtschaft sind, nicht besser, wenn in diesen Kontroll- und Aufsichtsorganen, die die Aufsichtsräte darstellen, nicht nur die Vertreter des Besitzes und der Banken, sondern auch die Menschen sitzen, die in dem Betrieb die Arbeit leisten und mit ihrer ganzen persönlichen Existenz und der ihrer Familie an das Schicksal des Betriebes gebunden sind?

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Es wird uns nun entgegengehalten: wir können aber unter keinen Umständen dulden, daß in diesen Kontrollorganen betriebsfremde Elemente erscheinen, wir können also nicht dulden, daß aus den Gewerkschaften Vertreter, die nicht dem Betrieb angehören, in die Aufsichtsorgane gewählt werden. Nun, meine Damen und Herren, diesen Gesichtspunkt hat man ja doch bisher bei der Zusammensetzung der Aufsichtsräte nicht gelten lassen,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    und der Aufsichtsrat bestand bisher eigentlich ausschließlich aus betriebsfremden Personen. Es ist
    sogar schon vorgekommen, daß der Aufsichtsrat aus betriebsfeindlichen Personen bestanden hat;

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    wenn man nämlich einmal ein Aktienpaket mit der Absicht aufgekauft hat, nicht den Betrieb am Leben zu erhalten, sondern aus Konkurrenz- und aus sonstigen Gründen den Betrieb zur Stillegung zu bringen. Ich habe nie gehört, daß in der Privatwirtschaft sich jemand dagegen erhoben hat, daß auf diese Weise betriebsfremde und manchmal sogar betriebsfeindliche Personen auf den Betrieb Einfluß nehmen. Man hat das hingenommen und will nun, wenn die Gewerkschaften den Anspruch anmelden, in den Aufsichtsorganen zu sitzen, das Postulat aufstellen, daß das eben einfach mit unserer Wirtschaft nicht zu vereinbaren sei.
    Meine Damen und Herren! Wenn sich eine Organisation nach dem Krieg bewährt hat, dann waren es die Gewerkschaften;

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    und ich glaube, sie verdienen heute noch den Dank des ganzen Volkes für ihre nationale Haltung, die sie seit 1945 an den Tag gelegt haben.

    (Beifall bei der SPD und CDU.)

    Und es waren ja häufig gerade die Unternehmer, die den Gewerkschaften den Dank dafür ausgesprochen haben, daß sie so viel volkswirtschaftliches Verständnis aufgebracht haben.
    Woher kommt nun auf einmal die Feindschaft gegenüber den Gewerkschaften, und woher kommt der Wille, die Betriebsräte in den Vordergrund zu spielen? Meine Damen und Herren! Erinnern Sie sich nicht an die Erfahrungen, die mancher Betrieb mit den Betriebsräten gemacht hat? Erinnern Sie sich nicht, welche politische Richtung kraft ihrer größeren Aktivität in diesen Betriebsräten häufig den Ausschlag gegeben hat? Ich glaube, wenn wir dieses Gesetz verabschieden, dann werden Sie noch einmal dankbar dafür sein, wenn die Gewerkschaften ihren Einfluß auf die Auswahl der Menschen ausüben, die in den Aufsichtsräten sitzen.

    (Zurufe von der KPD: Aha! So ist das gemeint!)

    Meine Damen und Herren! Es wird davon gesprochen, daß die Gewerkschaften einen machtpolitischen Anspruch geltend machen, und das ist der Grund, so geben Sie an, weswegen Sie diese Forderung der Gewerkschaften ablehnen. Nun, meine Damen und Herren, die machtpolitische Situation ist ja bereits geschaffen! Es ist doch heute so - aus der Denkschrift der Gewerkschaften haben Sie die Zahl wohl selbst entnommen —, daß 896 Aktiengesellschaften fünf Sechstel des Kapitals von 30 Milliarden in Deutschland haben und beherrschen. Das ist eine Machtposition, wie sie in Deutschland überhaupt sonst niemand innehat. Und wenn die Gewerkschaften nun von der Arbeitnehmerseite eine Gegenposition entgegensetzen wollen, so bedeutet das lediglich den Ausgleich der Interessen. Aber es bedeutet nicht, daß die Gewerkschaften sich selbst eine Machtposition in der Wirtschaft erringen wollen.
    Der Vorschlag der CDU, meine Damen und Herren, bleibt auf halbem Wege stehen. Der Vorschlag der CDU in der Besetzung des Aufsichtsrats gibt der Arbeiterschaft immer die Minderheit und damit eine Stellung, die ohne Bedeutung sein wird. Man kann bei diesen Dingen nicht mit Halbheiten operieren. Halbheiten sind gefährlicher, als wenn man überhaupt keinen Schritt tut, sondern entweder muß man ein Mitbestimmungsrecht gewähren, das der Arbeitnehmerschaft auch den Eindruck und die
    2980 Deutscher- Bundestag — 80. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Juli 1950

    (Dr. Veit)

    Gewißheit gibt, daß ihre Stimme im Betrieb ein Gewicht hat, oder man soll die Finger ganz davon lassen.
    Wenn ich zum Abschluß ein Beispiel anführen darf, dann möchte ich auf die Parallele, die zwischen dem europäischen Gedanken und dem Mitbestimmungsrecht besteht, hinweisen. Auch in Europa können sich die Staaten nicht entschließen, etwas von ihrer Souveränität im Interesse der Schaffung eines Gesamteuropas abzugeben und laufen die Gefahr, ihre Souveränität überhaupt einzubüßen. Und so sollten die Unternehmer erkennen, daß es nicht nur im Interesse der Arbeitnehmer, sondern in ihrem eigenen wohlverstandenen Interesse liegt, wenn sie einen Teil ihrer Souveränität an ihre Mitarbeiter abtreten. Denn sonst, meine Damen und Herren, laufen sie Gefahr, daß sie ihre Souveränität im Betrieb überhaupt verlieren;

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    und es dreht sich eben nicht nur um die Mitbestimmung der Arbeitnehmer, es dreht sich überhaupt darum, ob sie selbst, die Herren Unternehmer, in Zukunft noch ein Bestimmungsrecht in ihren Betrieben haben.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Becker (Hersfeld).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Max Becker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Die Intervention geschäftsordnungsmäßiger Art meines Freundes Euler von heute früh hat wenigstens den Erfolg gehabt, daß nun die beiden Vorlagen hier zur Debatte stehen, so daß man auch beide und ihre Auswirkungen miteinander vergleichen kann. Der Antrag der CDU, wenn ich ihn recht verstanden habe, läuft darauf hinaus, daß hinsichtlich des personellen und des sozialen Mitbestimmungsrechts Betriebsvereinbarungen getroffen werden sollen, daß, wenn diese nicht getroffen werden, darauf geklagt werden kann und daß, wenn im Einzelfall dann auf Grund dieser Betriebsvereinbarung sich Differenzen ergeben, auch daraufhin vermutlich vor den Arbeitsgerichten wieder geklagt werden soll.
    In wirtschaftlicher Beziehung hat man eine Zweiteilung vorgenommen, hat Wirtschaftsausschüsse geschaffen, die eigentlich nur eine Mitberatung herbeiführen, während in wesentlichen Dingen —Änderung des Betriebszwecks, Stillegung usw. — eine Art richtiger Mitbestimmung in dem Sinne geschaffen ist, daß, wenn eine Einigung der Beteiligten nicht erfolgt und auch eine besondere Schiedskommission nicht zum Ziele kommt, dann vor einem Schiedsausschuß und notfalls vor einem Oberschiedsausschuß verhandelt und entschieden werden soll.
    Der Entwurf der SPD ist meiner Ansicht nach klarer und folgerichtiger. Er geht davon aus, daß er bei den Großbetrieben, über 300 Arbeitnehmer oder über ein gewisses Kapital hinausgehend, das Schwergewicht so in den Aufsichtsrat verlegt, daß 50 % des Aufsichtsrats Vertreter der Arbeitnehmer sein müssen, und von diesen 50 % muß die Hälfte aus der Spitzenorganisation der Gewerkschaften genommen oder von ihnen vorgeschlagen sein, während die andere Hälfte der Hälfte der Arbeitnehmervertreter aus den Belegschaftsmitgliedern genommen werden soll, aber nicht muß.
    In den anderen Betrieben ist zunächst von einer wirtschaftlichen Mitberatung die Rede. dann aber von einer Entscheidung durch Schiedsstellen, die bei
    den im gleichen Entwurf vorgeschlagenen neuen Organisationen der Wirtschaftsvertretungen errichtet werden, also bei den Wirtschaftskammern, bei den Landwirtschaftskammern, bei den Handwerkskammern. Das Schwergewicht liegt auch hier wieder darin, daß in diesen Kammern die Hälfte der Mitglieder aus den Arbeitnehmervertretern genommen werden muß, und zwar auch wieder auf Vorschlag der Spitzenorganisation der Gewerkschaften. Insbesondere gilt dieses bei der oberen Spitze dieses Wirtschaftskammersystems, nämlich bei der Bundeswirtschaftskammer, hinsichtlich deren bestimmt ist, daß hier die Hälfte einerseits von den Vertretungen und Vereinigungen der Arbeitgeberseite, die andere Hälfte anderseits von der Spitzenorganisation der Gewerkschaften benannt wird.
    Wir sehen daraus also, daß nach dem Vorschlag der SPD die Spitzenorganisation der Gewerkschaften einen ganz gewaltigen Einfluß auf die Besetzung der in Frage kommenden wirtschaftspolitischen Machtpositionen haben soll und, wenn der Entwurf Gesetz wird, haben wird. Hinzu kommt — ich empfehle, einmal im einzelnen durchzulesen —, daß nach dem Vorschlag der SPD zum Beispiel dieser Bundeswirtschaftsrat für Bundesregierung und Bundesorgane gutachtlich tätig werden soll und daß keine andere Sachverständigenstelle hier für unser Parlament, hier für die Bundesregierung wirksam werden soll, wenn dieser Bundeswirtschaftsrat nicht vorher seine Zustimmung gegeben hat.

    (Abg. Etzel Das heißt, auch wenn er die Zustimmung gibt, erfährt er in jedem Falle, wo dieses Parlament — denken Sie nur an die hearings in den Ausschüssen — oder wo die Bundesregierung irgendwo einmal ein Sachverständigengutachten einzieht. Ich wollte Ihnen das einmal skizzieren, weil die hier zur Debatte stehenden Dinge einmal unter dem Gesichtspunkt der eigentlichen Politik — also streng genommen und konkret gesprochen: der Machtpolitik — betrachtet werden müssen. Vorweg aber scheint es mir richtig zu sein, einmal die Begriffe zu klären; denn ich habe den Eindruck, daß die Begriffe „Mitwirkungsrecht" und „Mitbestimmungsrecht" verschieden gehandhabt und angewendet werden. Mitwirkungsrecht ist ein genereller Begriff, wenig konkret, farblos. Mitbestimmungsrecht kann und soll nur bedeuten: gleichgewichtige Zustimmung der Arbeitnehmer oder ihrer Vertretungen zum Arbeitgeber. Diese gleichgewichtige Zustimmung geht so weit, daß nach dem Vorschlag der SPD zum Beispiel eine offene Handelsgesellschaft oder ein einzelner Inhaber eines Betriebes einen Beirat wählen muß, der ähnlich wie der Aufsichtsrat einer G. m. b. H. oder einer Aktiengesellschaft gestaltet ist, die gleichen Rechte eines solchen haben soll, zu 50 % eben praktisch an der Willensbildung beteiligt ist — an der Willensbildung, aber nicht am Risiko. Auf wen wird nun dieses Mitbestimmungsrecht angewendet? Nach dem Entwurf der CDU auch auf Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes, auf Behörden. Im Entwurf der SPD, den ich, da er heute früh erst verteilt ist, nicht so gründlich habe durchsehen können, ist das, soweit ich festgestellt habe, nicht vorgesehen. Auch hier muß ich das Kompliment machen, daß er logischer ist. Denn, meine Damen und Herren, Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes unterstehen dem zuständigen Minister. Der Minister ist für die Frage ihrer Anstellung, Entlassung und Beförderung dem Parlament verantwortlich. Er kann diese Verantwor tung nicht tragen, wenn er sich damit entschuldigen muß: Bitte, ich war an das Mitbestimmungsrecht meines Betriebsrates und meiner Behörde gebunden, und infolgedessen könnt ihr mich nicht verantwortlich machen. Ich kann mir — insbesondere nach den speziellen Erörterungen, die wir in Hessen bei der Beratung des dortigen Betriebsrätegesetzes gehabt haben — auch nicht vorstellen, wie ein solches Mitbestimmungsrecht eigentlich funktionieren soll. Nehmen Sie den Fall, daß ein Justizinspektor vom Landgericht in Neuwied als Justizoberinspektor an das Landgericht, sagen wir, in Dortmund versetzt werden soll. Welcher Betriebsrat muß seinen Segen geben? Der in Neuwied oder der in Dortmund, seinem künftigen Sitz, oder der Betriebsrat im Ministerium? Die Frage ist in dem CDU-Entwurf im einzelnen offengelassen. Ich empfehle dringend, diese Bestimmung des Entwurfs überhaupt zu streichen; sie ist undemokratisch und verstößt gegen das Prinzip des parlamentarischen Systems. Anschließend die weitere Frage: Die Betriebe der Kommunen, des Staates: die Gaswerke, die Wasserwerke, die Elektrizitätswerke, die Straßenbahnen — gilt für die das Mitbestimmungsrecht auch? Und mit welchem Inhalt? Wer verwaltet, wer entscheidet? Entscheidet der Oberbürgermeister, der Landrat in Verbindung mit seinem zuständigen Gemeindeund Kommunalparlament? Dieses Gemeindeund Kommunalparlament wird ausgeschaltet, wenn ein Mitbestimmungsrecht der Arbeiter und Angestellten des Betriebes dazwischengeschaltet wird. Diese bekommen gewissermaßen deshalb, weil sie dort angestellt sind, eine Art doppeltes Stimmrecht gegenüber den anderen Staatsbürgern. Die anderen Staatsbürger haben aus anderen Gründen, z. B. weil sie Steuern zahlen, auch ein ganz erhebliches Interesse, dabei mitzusprechen. Ich halte ein derartiges Mitbestimmungsrecht für derartige Betriebe für unvereinbar mit dem Grundsatz der kommunalen und der demokratischen Selbstverwaltung. Nun die Frage: Wie steht es mit den sozialisierten Betrieben? Die Frage ist hier noch nicht erörtert worden. — In Hessen! — Fragen Sie doch nicht, Sie haben sie ja selber mit gemacht. (Zuruf von der FDP: Ach, hat er schon vergessen! — Zurufe links: Das ist neu! — Eine Phantasie haben Sie, die ist großartig!)


    (Dr. Becker [Hersfeld])


    (Abg. Etzel [Duisburg]: Keiner!)


    (Zurufe in der Mitte: Nein! Nein!)


    (Zuruf links: Wo gibt es die?)


    (Zuruf links: Ach!)

    Zu diesen sozialisierten Betrieben — oder sozialisierten Betrieben der Zukunft — darf ich eine Zwischenfrage stellen. Ich frage jetzt nicht die KPD, sondern ich frage zwei andere Parteien. Ich frage: Bleibt nach Schaffung dieses Mitbestimmungsrechtes der Wunsch bestehen, darüber hinaus auf dem Wege der Sozialisierung fortzuschreiten, so wie es hier und da in einzelnen Parteiprogrammen teils offen, teils verschleiert steht? — Wenn ja, dann ist die Frage aufzuwerfen: Soll in den sozialisierten Betrieben das Mitbestimmungsrecht bleiben, oder soll es versagt werden?
    Und eine weitere Frage: Soll, wenn dieses Mitbestimmungsrecht geschaffen ist, der Gedanke der Kommando-Planwirtschaft weiter bleiben? — Ich frage aus folgendem Grund: Bei sozialisierten Betrieben wird doch wohl die Macht des Staates, der
    Staatsgewalt oder, wenn es nach den Gedanken unseres früheren Wirtschaftsministers, unseres jetzigen Kollegen Koch geht, irgendein etwas phantasievoll, sagenhaft aufgebauter Begriff namens Gemeineigentum für die Kommandoführung maßgebend sein. Da kann ja doch gegenüber diesem Kommando logischerweise ein Mitbestimmungsrecht nicht mehr in Frage kommen.
    Oder ich frage Sie: Wenn in wirtschaftlichen Dingen diese Kommando-Planwirtschaft kommt, kann dann überhaupt noch ein Mitbestimmungsrecht in wirtschaftlichen Dingen bestehen? — Nehmen wir den Fall: Die kommandierende Planwirtschaft verfügt, daß der Betriebszweck dieses Betriebes im Interesse der allgemeinen Planwirtschaft umgestellt wird. Kann dann der Inhaber dagegen aufstehen? — Nein! — Kann der Betriebsrat, können die Mitbestimmungsorgane dagegen auftreten? — Nein!
    Und nun frage ich Sie: Warum soll dieses Glück, daß es in Ihren Augen doch darstellt, nämlich dieses Mitbestimmungsrecht, derartigen Betrieben versagt werden? — Ich will Ihnen die Antwort geben. Ein Mitbestimmungsrecht in wirtschaftlichen Dingen ist weder mit der kommandierenden Planwirtschaft noch mit den sozialisierten Betrieben noch mit der Privatwirtschaft irgendwie vereinbar.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Das ist nicht meine Weisheit,

    (Zuruf links: Das ist Ihre Phantasie!) sondern das ist die Weisheit des Sachverständigen, den wir in Hessen in der Kommission bei der Beratung des Betriebsrätegesetzes gehört hatten. Der Sachverständige war Mitglied der CDU, der frühere Kultusminister von Hessen, Herr Professor Dr. Franz Böhm.


    (Hört! Hört! bei der FDP. — Zuruf von der SPD: Hat die CDU selbst abgelehnt!)

    Die Frage, um die es sich handelt, ist nun: Was soll dieses Mitbestimmungsrecht umgreifen? Es ist schon vorhin im Laufe der Debatte mit Recht darauf verwiesen: Die Tatsache der Mitberatung besteht vernünftigerweise in allen Betrieben. Wenn hier insbesondere mein Vorredner zwei Fälle angeführt hat, in denen sich ein Unternehmer unverständig benommen hat, dann darf man aus einzelnen Ausnahmen nicht allgemeine Schlußfolgerungen ziehen und nun aus diesen Ausnahmen die Notwendigkeit besonderer Gesetze herleiten wollen. Wir haben schon heute morgen durch unseren Freund Hammer vortragen lassen, daß in sozialer Beziehung von uns aus auch sogar noch weiter gegangen werden kann und eine Mitverwaltung aller sozialen Einrichtungen gegeben werden könnte. Darüber ist, glaube ich, auch in diesem Hause in sozialer Beziehung kein Streit. In personeller Beziehung ist es selbstverständlich, daß im Wege der Beratung zwischen Betriebsrat und Leitung des Betriebes von jeher Verhandlungen stattgefunden haben. Wenn Sie aber aus dem. was in tatsächlicher Beziehung, nämlich in beratender Form, richtig ist, eine gesetzliche Bestimmung machen wollen, dann kommen Sie zum Beispiel zu folgendem Fall, der sich im Interesse der Arbeitnehmer und ihres Vorwärtskommens sehr ungünstig auswirken kann. Das ist folgender:
    Ein Vorarbeiter möchte weiterkommen und Werkmeister werden. Er ist bei der Firma X angestellt und meldet sich bei der Firma Y, fragt an, ob er dort ankommen kann. — Wenn Sie ein Gesetz machen mit dem Zwang der Anhörung des Be-


    (Dr. Becker [Hersfeld])

    triebsrats, dann muß jetzt der Betriebsrat von Y gefragt werden, und der wird sich pflichtgemäß beim Betriebsrat des früheren Betriebes X erkundigen müssen. Der Erfolg würde sein, daß dort bekannt würde, daß der Mann seinen Arbeitsplatz wechseln will; und dann ist es schon aus. Er würde in der Zukunft mit Mißtrauen betrachtet, und sein Vorwärtskommen wäre gefährdet. Es lassen sich da viele ähnliche Fälle nennen, in denen das Mitbestimmungsrecht für den Arbeitnehmer ungünstig ist.
    Aber eines habe ich in beiden Gesetzen vermißt; das ist nämlich die Frage des Kündigungsschutzes für den Fall der Entlassung. Der gehört, wenn es sich um ein Gesetz handelt, das im Interesse der Sicherung des Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers geschaffen werden soll, dann mit allen Sicherungen und Kautelen hier hinein. Es wird Aufgabe des Ausschusses sein, hier vielleicht noch die entsprechenden Ergänzungen vorzunehmen.

    (Abg. Dr. von Brentano: Es kommt ein Kündigungsschutzgesetz!)

    Über wirtschaftliche Mitbestimmung und deren Auswirkungen habe ich schon gesprochen. — Beratung ist eine Selbstverständlichkeit. Beratung ist richtig. Aber Mitbestimmung — d. h. in dem Sinne, daß nun, wenn sich die beiden Partner über eine Maßnahme nicht einig werden, irgendeine Stelle außerhalb des Betriebes den Stichentscheid geben soll — muß abgelehnt werden, weil sie nicht dem Arbeitsfrieden und nicht dem Fortschritt dient; denn die Erfahrung, die sowohl die Arbeitnehmerseite wie die Arbeitgeberseite im Betriebe hat, wird die dritte außerhalb des Betriebes stehende Seite nicht haben. Sie sehen an diesen Auswirkungen eines: Es gibt viele Dinge im Leben, die praktisch ohne Paragraphen ganz ausgezeichnet funktionieren und ablaufen.

    (Sehr wahr! bei der FDP.)

    Sobald man aber anfängt, diese Dinge in Paragraphen zu formulieren, schafft man Übertreibungen, schafft man Überspitzungen, und im Fall der Nichtübereinstimmung der Partner muß man dann Entscheidungsstellen schaffen, die dann vielleicht mehr Unheil anrichten als sie Gutes tun.
    Ja, meine Damen und Herren, ich habe vorhin die Frage gestellt, und die Frage drängt sich bei der Lektüre dieser Gesetzesvorschläge auf: Wohin geht politisch gesehen nun eigentlich die Reise? Wohin? Daß der Vorschlag der CDU nach bestem Wissen und Wollen aufgestellt ist und einen Vermittlungsvorschlag enthält, erkennen wir ohne weiteres an. Der Vorschlag der SPD scheint uns dann, wenn weiterhin die kommandierende Planwirtschaft im Hintergrund als Programmpunkt steht, wenn weiterhin die Sozialisierung, sei es auch nur der Grundstoffindustrien, als Programmpunkt im Hintergrund bleibt, ein sehr gefährlicher Weg, gefährlich für die Volkswirtschaft im allgemeinen, gefährlich für die Freiheit und gefährlich für die Arbeitnehmer.
    Wir müssen nun noch, da auch die juristische Seite zu beachten ist, auf folgendes hinweisen: Diese Mitbestimmung, die Gesetz werden soll, ist praktisch gesehen eine Teilenteignung. Ich bitte, diese Konsequenz einmal klar ins Auge zu fassen. Eigentum besteht aus dem Besitz, das heißt aus dem tatsächlichen Innehaben, besteht aus dem Recht der Fruchtziehung, der Nutzung, und besteht aus dem Recht der Verfügung über den Betrieb. Wenn dieses Verfügungsrecht durch ein Gesetz eingeschränkt wird, dann liegt darin eine Teilenteignung, eine Teilenteignung mit all ihren Konsequenzen nach den Bestimmungen auch unseres Grundgesetzes. Darüber wollen wir uns klar sein. Wir wollen uns weiter klar sein, daß, wenn hier ein Mitbestimmungsrecht, d. h. das Recht der Arbeitnehmer geschaffen wird, zu verfügen, in die einzelnen Vorkommnisse des Lebens eines Betriebes einzugreifen, der Arbeitnehmer gleichsam wie ein Unternehmer an der Seite des ursprünglichen Unternehmers gleichberechtigt mit ihm tritt, dann der Arbeitsvertrag in einen Gesellschaftsvertrag umgeändert wird.

    (Seht wahr! rechts.)

    Wenn vorhin ein Redner der KPD darauf anspielte, daß die Formulierung Arbeitsgemeinschaft oder so ähnlich in § 1 des Entwurfs der CDU eine Rückerinnerung an die vergangenen Zeiten des braunen Sozialismus sei, dann irrt er. Es handelt sich hier offensichtlich um die richtige Erkenntnis dessen, daß es sich praktisch um die Umwandlung eines Arbeitsvertrags in einen Gesellschaftsvertrag handelt. Wenn ich mich nicht täusche, hat gerade bei seinen letzten Erläuterungen zum Mitbestimmungsrecht Seine Heiligkeit der Papst auf den Unterschied zwischen diesen beiden Vertragsformen sehr deutlich hingewiesen.
    Es ist auch von Wirtschaftsdemokratie gesprochen worden, von einem konstitutionellen Wirtschaftssystem, von einem Parlamentarismus im Betrieb. Die Vergleiche, die hier mit dem staatlichen Leben und mit den historischen Entwicklungen im staatlichen Leben gezogen wurden, sind falsch. Der Staat und Privateigentum sind zwei grundverschiedene Begriffe. Wenn man die Entwicklung des einen auch auf das andere anwenden will, dann ergäbe sich folgende Parallele, dann würde die Zeit des absoluten Staates mit dem uneingeschränkten Unternehmerbesitz zu vergleichen sein, dann würde dieses Mitbestimmungsrecht, das hier geschaffen werden soll, etwa mit einer Art Konstitutionalismus oder parlamentarischem System zu vergleichen sein. Nun sind wir auf dem Gebiete der staatlichen Entwicklung aber zur Republik gekommen. Welche Konsequenzen auf wirtschaftlichem Gebiet würden dieser Entwicklung auf staatlichem Gebiet entsprechen? Etwa die sozialisierten Betriebe im westdeutschen Jargon oder die volkseigenen Betriebe im Jargon der Ostzone? Um Antwort wird gebeten.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Und nun weiter. Wird die Gewerkschaft, wenn sie diese Machtposition bekommt, die im Entwurf der SPD ihr zugedacht ist, noch die alte Gewerkschaft von früher sein, die Sachwalterin allein der Arbeiterinteressen, oder wie wird sie sich entwickeln? Stellen Sie sich doch vor, daß in allen Betrieben über 300 Arbeitnehmer 50% des Aufsichtsrats, mindestens aber 25% des Aufsichtsrats, von Personen besetzt werden, die von der Spitzenorganisation der Gewerkschaften benannt werden. Ja, dann wird eine kleine Gewerkschaft der Manager entstehen. Dann wird in vielen Betrieben immer der gleiche Vertreter der Gewerkschaften sitzen. Mein Vorredner hat darauf hingewiesen, daß in privaten Gesellschaften auch oft betriebsfremde Personen säßen. Das ist richtig, — aber sie sind in freier Wahl gewählt. Hier wird eine Wahl vorgeschrieben. Es müssen 50 % so gewählt werden, wie es hier im Gesetzentwurf vorgeschlagen wird. Wenn diesem Vorschlagsrecht entsprochen wird, dann ist von einer freien Wahl natürlich doch nicht mehr die Rede, dann wird auch keine Auswahl mehr danach möglich sein, ob nicht die vorgeschlagene Persönlichkeit in soundso vielen anderen und gerade auch


    (Dr. Becker [Hersfeld])

    in Konkurrenzbetrieben im Aufsichtsrat sitzt. Diese Prüfung wird nicht möglich sein, und es wird nun ganz der Loyalität der betreffenden Person anheimgegeben sein, die Interessen miteinander zu vereinigen oder in der einen Aufsichtratssitzung zu vergessen, was er in der anderen gehört hat.

    (Zuruf links: Das ist eine öffentliche Angelegenheit!)

    Die Gewerkschaftsvertreter — ich erkenne ihre Tätigkeit vollkommen an, ich sage kein tadelndes Wort, sondern ich spreche nur von den Entwicklungen, die nach dieser Gesetzesvorlage möglich sind — werden mit der Zeit kraft ihrer Tätigkeit in einem oder in mehreren Aufsichtsräten unternehmerisch denken lernen und in dem Augenblick nicht mehr die reinen Sachwalter der Arbeiterinteressen sein, die sie sind und sein sollten. Nach der Richtung hin habe ich sehr erhebliche Bedenken, denn die Entwicklung im Osten hat uns doch allerhand gelehrt.
    Ich darf vielleicht mal aus den östlichen Stimmen, die zu diesem Problem vorliegen, eine, und zwar von Lenin aus dem Jahre 1920 vortragen, abgedruckt in der Zeitung „Industriekurier", die Sie kennen.

    (Zurufe von der KPD: Au! Au!)

    — Jawohl! Hören Sie nur zu; es ist die Stimme Ihres Meisters!

    (Heiterkeit in der Mitte und rechts.)

    Das Mitbestimmungsrecht führt bestenfalls zu einer enormen Kraftvergeudung und genügt in keiner Weise der Schnelligkeit und Präzision der Arbeit, die den Bedürfnissen einer zentralisierten Großindustrie entsprechend verlangt wird,
    sagt Lenin.

    (Zuruf von der KPD: Aus welchem Zusammenhang herausgerissen?)

    Es steht in Band 25 Seite 18, Rede auf dem Nationalkongreß vom 27. Januar 1920. Bei einer anderen Gelegenheit sagt Lenin:
    Nach der Eroberung der Staatsmacht ist das vornehmste Interesse des Proletariats der Wiederaufbau der Großindustrie; ohne ihn kein Sieg des Sozialismus. Ein solcher Erfolg aber setzt die Zusammenfassung der Macht in den Händen der Betriebsleitung voraus. Jede Einmischung der Gewerkschaften in die Leitung der Betriebe ist als unbedingt schädlich und unzulässig zu betrachten.
    Das sagte Lenin.

    (Zuruf rechts: Der muß ausgeschlossen werden!)

    Aber er sagte es nicht von Anfang an, sondern er
    sagte es erst im späteren Verlauf der Entwicklung
    seines Staatssystems. Vorher hatte er gesagt —
    vorher! —:
    Die Gewerkschaften müssen dahin kommen,
    faktisch die gesamte Verwaltung der Volkswirtschaft als eines einzigen wirtschaftlichen
    Ganzen in ihren Händen zu konzentrieren.
    Das bedeutet also zunächst die Auffassung, auf dem Weg über die Gewerkschaften Einfluß auf die Betriebe zu gewinnen, und wenn das gewonnen ist, dann geht die Entwicklung des Gewerkschaftsvertreters aus dem Vertreter der Arbeiterinteressen in die umgekehrte Richtung, in die Unternehmerinteressen hinein und diesmal in die staatlichen Unternehmerinteressen hinein, so daß er nunmehr
    als staatlicher Betriebsleiter aus einem Sachwalter der Arbeiter zu ihrem Fronvogt geworden ist. (Sehr gut! rechts.)

    Nun einige Stimmen aus dem Westen. Eine haben wir heute morgen aus dem Munde des Herrn Kollegen Schröder gehört, der Herrn Buttenwieser zitierte, der gesagt hatte:
    Die bloße Zugehörigkeit einiger Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat ist kein Hindernis oder ist nicht schwer zu nehmen —
    oder so ähnlich hieß es. Er sprach also von der „bloßen Zugehörigkeit". Die haben wir ja nun schon seit dem Gesetz von 1924 gehabt, und die hat in dem Zusammenhang, von dem Sie sprachen, nämlich der Frage der Kreditbeschaffung und der Kreditwürdigkeit, keinerlei Abbruch getan.

    (Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf): Er hat es

    aber in dem Zusammenhang vorgetragen!)
    — Ja, es ist aber nur von der bloßen Zugehörigkeit die Rede. Er hat nicht von dem gesprochen, was hier im einzelnen vorliegt: nämlich vorn wirtschaftlichen Mitbestimmungsrecht.

    (Zuruf rechts: Das hat er gedacht! — Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Er sprach aber von den Mitbestimmungsgesetzen!)

    Nun ist von Interesse, daß die amerikanischen Gewerkschaften gerade anderer Auffassung sind. Die sind der Auffassung, daß die Gewerkschaften mit dem Mitbestimmungsrecht nichts zu tun haben sollten, damit sie eben in voller Freiheit, in voller Unabhängigkeit von Unternehmergedankengängen ihre Aufgabe als Sachwalter der Arbeitnehmerschaft durchführen können. Ich glaube, einer der Herren Vorredner hat das bekannte Zitat von den Bergarbeitern schon gebracht. Green sagt:
    Die Trennungslinie zwischen der Ausübung der Rechte der Arbeiter und der Leitung muß genau eingehalten werden. Die vereinzelt vertretene Anschauung, die Arbeiterschaft solle zusammen mit der Leitung das Eigentum verwalten, kann nicht akzeptiert werden. Die Freiheit der Arbeiter hängt ihrerseits ab von der Handlungsfreiheit der Unternehmensleitung.
    Also hier scharfe Trennung der beiderseitigen
    Funktionen.
    Um zusammenzufassen: In sozialer Beziehung — ja; Kündigungsschutz bei Entlassungen — ja; wirtschaftliche Mitberatung - selbstverständlich, von jeher geübt; wirtschaftliches Mitbestimmungsrecht in dem Sinne, wie er hier gebraucht wird — nein; Vertretung im Aufsichtsrat — unter gewissen Kautelen ja!
    Wenn der Arbeitsfriede, den wir wünschen, und wenn die Prosperität der deutschen Volkswirtschaft das Endziel dieses Gesetzentwurfs sein soll — sie ist auch das Endziel dessen, was wir politisch vertreten —, dann kann es auf dem Weg kaum oder nicht erreicht werden. Wir werden mitarbeiten an der Gesetzgebung, aber wir sagen Ihnen eins: Herr Minister Storch hat vorhin mit Recht erklärt, es kommt auf die Wandlung des Geistes und nicht auf Paragraphen an, und er hat damit zum Ausdruck gebracht: Die Paragraphen allein schaffen es nicht, sondern nur die geistige Gesinnung, die ganze Einstellung, mit der von beiden Seiten an die Durchführung eines solchen Gesetzes herangegangen wird. Er hat weiter gesagt, ein solches Gesetz kann einem Gesetz gleichen, wie es als Verbotsgesetz auf dem wirtschaftlichen Gebiet in der Zeit der Zwangswirtschaft gemacht worden ist, d. h. ein Gesetz, von dem man von vornherein sah, daß es in


    (Dr. Becker [Hersfeld])

    vielen Dingen nicht eingehalten werden konnte. Das ist allerdings richtig, und unser Freund Freudenberg hat in seinen eindrucksvollen Ausführungen gerade gezeigt, was als geistige Voraussetzung bei solchen Dingen nötig ist. Ich sage aber nun, und das ist die Schlußfolgerung, die man aus den Worten des Herrn Ministers Storch ziehen muß: Dann sind die Paragraphen entweder nebensächlich, vielleicht sogar im einzelnen nur schädlich.
    Zum Schluß noch eins: Herr Minister Storch sprach auch von Schüssen, Querschüssen, die gefallen seien. Es ist vom Zentralvorstand der Gewerkschaften, wenn ich über den Absender richtig unterrichtet bin, gedroht worden, daß alle Mittel des gewerkschaftlichen Kampfes zur Durchsetzung dieses Mitbestimmungsrechts eingesetzt würden. Ich darf erwidern, daß der Streik legal ist nur zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen, nicht zur Durchsetzung bestimmter Gesetze. Ich darf darauf hinweisen, daß mit Streikandrohungen einem Parlament nicht gekommen werden darf. Ich darf schließen mit den Worten: Freie Demokraten lassen sich nicht einschüchtern!

    (Lebhafter Beifall rechts.)