Rede von
Dr.
Gebhard
Seelos
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem gesunden Menschenverstand wird man in einer Schule die wichtigsten Aufgaben etwa zwei bis drei Wochen vor den Ferien behandeln. Hier im Bundestag hat man diese wichtige Diskussion ausgerechnet auf den vorletzten Tag der Plenarsitzungen gelegt. Die Verhandlungen gehen deshalb auch in einem Zustand der Erschöpfung der wenigen hier anwesenden Abgeordneten vor sich, wenn auch unter reichlicher Beteiligung der Öffentlichkeit und der Presse.
Es ist bedauerlich, daß die CDU diesen Antrag
monatelang in der Kiste gehalten hat und es für
richtig hält, ihn ausgerechnet jetzt herauszuziehen.
Worum handelt es sich dein bei diesem drängenden Problem unserer Zeit? Wir müssen dafür sorgen, daß die Unzufriedenheit der Massen nicht weiter um sich greift. Gerade angesichts eines drohenden Kommunismus müssen wir sehen, daß wir mit positiven Maßnahmen die Gefahr der Unzufriedenheit, des Kommunismus überwinden.
Das geschieht aber nun grundsätzlich nicht durch ein ständiges Predigen von Rechten, besonders
nicht, wenn man jetzt geradezu in propagandistischer Weise als ein Allheilmittel für den sozialen Frieden und für die Befriedung der Masse ein Mitbestimmungsrecht propagiert in einer Form, die die Arbeiter vielleicht gar nicht wünschen.
Ich hätte es lieber gehört, wenn man nicht so sehr von dem Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer, sondern von der Heranziehungspflicht der Arbeitgeber gesprochen hätte. Die Arbeitgeber sollen die Verpflichtung haben, ihre Arbeiter stärker heranzuziehen.
Ich möchte einen völlig verschiedenen Ausgangspunkt dieser ganzen Debatte gerade auch im Interesse der Befriedung, des sozialen Friedens.
Wenn wir die Arbeiter fragen, dann ergibt sich, daß viele von diesem Mitbestimmungsrecht nicht sehr viel verstehen. Was sie aber wollen, das ist zum Beispiel einmal die Beseitigung der Arbeitslosigkeit, die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen. Was sie wollen, ist die Sicherung einer betrieblichen Altersversorgung auf gesetzlicher Basis. Die Unterstützungskassen sollen steuerbegünstigter sein. Oder was wollen sie noch? Familienausgleichskassen auf ständischer Basis. Und wenn ein Berufsstand eventuell nicht genug Geld hat, dann soll er durch den Staat unterstützt werden. Das sind praktische Maßnahmen, die der Arbeiter will, aber nicht so sehr ein Mitbestimmungsrecht, das ihm als Allheilmittel für seine sozialen Nöte gepriesen wird.
Wenn ich aus einer bayerischen Perspektive das Problem angehen soll, so ist zu sagen, daß das für uns ja gar nicht so schwierig wie hier im Bundestag oder im Norden ist. Bei uns herrscht eben nicht der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit. Bei uns ist eine andere Struktur der Wirtschaft, die es uns erleichtert, irgendwelche Gegensätze zwischen Kapital und Arbeiterschaft zu überwinden.
Ich habe gerade, als ich hierher fuhr, mit einem bayerischen Unternehmer gesprochen. Der hat diesen eben echt süddeutschen, bayerischen Standpunkt kundgetan und gesagt: Ich will ja lieber einige tausend Mark weniger verdienen, wenn nur meine Arbeiter zufrieden sind und ich meine Ruhe habe.
Das ist das Prinzip, das wir in Süddeutschland und Bayern verfolgen, wo eine größere soziale Ausgeglichenheit herrscht. Deshalb ist es in Bayern schon zu einer sehr weitgehenden Verständigung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gekommen, die im Landtag fast einstimmig einen Betriebsrätegesetzentwurf vorgelegt habe.
Wenn Sie hier also etwas mehr auf das landsmannschaftliche Gefälle, auf die anderen Verhältnisse in den anderen Ländern, wo man solche Vorschriften gar nicht braucht, Rücksicht nehmen würden, dann könnte man sehr viel für die soziale Befriedung tun.
Wir von der Bayernpartei haben zu diesem Problem wiederholt Stellung genommen, zuletzt in einer Entschließung vom Januar 1950, die für uns die Richtlinie für unsere Mitarbeit an den verschiedenen Gesetzesvorschlägen sein wird. Ich denke nicht daran — es sind noch 12 Redner vorgemerkt —, lange zu sprechen und die verschiedenen Detailfragen des Problems zu behandeln. Das gehört mehr in den Ausschuß. Sonst sind wir hier noch vier bis fünf Stunden versammelt. Ich werde mich also damit begnügen, Ihnen diese Entschließung in einer Minute vorzulesen. Dann hat der nächste Redner das Wort. Unsere Stellungnahme ist die folgende:
Die Bayernpartei bejaht die Notwendigkeit einer vernünftigen sozial-ständischen Fortentwicklung auf christlicher Grundlage. Sie lehnt die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der von sozialistischen Kräften geforderten Form ab. Denn diese hätte unweigerlich die Gefahr fortgesetzter produktionslähmender Streitigkeiten, die Gefahr der Einmischung betriebsfremder Einflüsse sowie der Entstehung einer eignen gesetzlichen Funktionärbürokratie und der parteimäßigen Politisierung der Betriebe zur Folge.
Diese Form würde die Grundlage einer gesunden Wirtschaft, die allein die Erfüllung der berechtigten sozialen Forderungen und die Herbeiführung einer wirklichen Wohlfahrt des Landes und des Volkes gewährleistet, zerrütten und zerstören. Die Bayernpartei tritt vorbehaltlos ein für das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer auf der Basis der freien Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in allen sozialen und personellen Fragen unter Berücksichtigung der Verschiedenartigkeit der Verhältnisse in den Betrieben und Wirtschaftszweigen.