Meine Damen und Herren! Die Intervention geschäftsordnungsmäßiger Art meines Freundes Euler von heute früh hat wenigstens den Erfolg gehabt, daß nun die beiden Vorlagen hier zur Debatte stehen, so daß man auch beide und ihre Auswirkungen miteinander vergleichen kann. Der Antrag der CDU, wenn ich ihn recht verstanden habe, läuft darauf hinaus, daß hinsichtlich des personellen und des sozialen Mitbestimmungsrechts Betriebsvereinbarungen getroffen werden sollen, daß, wenn diese nicht getroffen werden, darauf geklagt werden kann und daß, wenn im Einzelfall dann auf Grund dieser Betriebsvereinbarung sich Differenzen ergeben, auch daraufhin vermutlich vor den Arbeitsgerichten wieder geklagt werden soll.
In wirtschaftlicher Beziehung hat man eine Zweiteilung vorgenommen, hat Wirtschaftsausschüsse geschaffen, die eigentlich nur eine Mitberatung herbeiführen, während in wesentlichen Dingen —Änderung des Betriebszwecks, Stillegung usw. — eine Art richtiger Mitbestimmung in dem Sinne geschaffen ist, daß, wenn eine Einigung der Beteiligten nicht erfolgt und auch eine besondere Schiedskommission nicht zum Ziele kommt, dann vor einem Schiedsausschuß und notfalls vor einem Oberschiedsausschuß verhandelt und entschieden werden soll.
Der Entwurf der SPD ist meiner Ansicht nach klarer und folgerichtiger. Er geht davon aus, daß er bei den Großbetrieben, über 300 Arbeitnehmer oder über ein gewisses Kapital hinausgehend, das Schwergewicht so in den Aufsichtsrat verlegt, daß 50 % des Aufsichtsrats Vertreter der Arbeitnehmer sein müssen, und von diesen 50 % muß die Hälfte aus der Spitzenorganisation der Gewerkschaften genommen oder von ihnen vorgeschlagen sein, während die andere Hälfte der Hälfte der Arbeitnehmervertreter aus den Belegschaftsmitgliedern genommen werden soll, aber nicht muß.
In den anderen Betrieben ist zunächst von einer wirtschaftlichen Mitberatung die Rede. dann aber von einer Entscheidung durch Schiedsstellen, die bei
den im gleichen Entwurf vorgeschlagenen neuen Organisationen der Wirtschaftsvertretungen errichtet werden, also bei den Wirtschaftskammern, bei den Landwirtschaftskammern, bei den Handwerkskammern. Das Schwergewicht liegt auch hier wieder darin, daß in diesen Kammern die Hälfte der Mitglieder aus den Arbeitnehmervertretern genommen werden muß, und zwar auch wieder auf Vorschlag der Spitzenorganisation der Gewerkschaften. Insbesondere gilt dieses bei der oberen Spitze dieses Wirtschaftskammersystems, nämlich bei der Bundeswirtschaftskammer, hinsichtlich deren bestimmt ist, daß hier die Hälfte einerseits von den Vertretungen und Vereinigungen der Arbeitgeberseite, die andere Hälfte anderseits von der Spitzenorganisation der Gewerkschaften benannt wird.
Wir sehen daraus also, daß nach dem Vorschlag der SPD die Spitzenorganisation der Gewerkschaften einen ganz gewaltigen Einfluß auf die Besetzung der in Frage kommenden wirtschaftspolitischen Machtpositionen haben soll und, wenn der Entwurf Gesetz wird, haben wird. Hinzu kommt — ich empfehle, einmal im einzelnen durchzulesen —, daß nach dem Vorschlag der SPD zum Beispiel dieser Bundeswirtschaftsrat für Bundesregierung und Bundesorgane gutachtlich tätig werden soll und daß keine andere Sachverständigenstelle hier für unser Parlament, hier für die Bundesregierung wirksam werden soll, wenn dieser Bundeswirtschaftsrat nicht vorher seine Zustimmung gegeben hat.
Zu diesen sozialisierten Betrieben — oder sozialisierten Betrieben der Zukunft — darf ich eine Zwischenfrage stellen. Ich frage jetzt nicht die KPD, sondern ich frage zwei andere Parteien. Ich frage: Bleibt nach Schaffung dieses Mitbestimmungsrechtes der Wunsch bestehen, darüber hinaus auf dem Wege der Sozialisierung fortzuschreiten, so wie es hier und da in einzelnen Parteiprogrammen teils offen, teils verschleiert steht? — Wenn ja, dann ist die Frage aufzuwerfen: Soll in den sozialisierten Betrieben das Mitbestimmungsrecht bleiben, oder soll es versagt werden?
Und eine weitere Frage: Soll, wenn dieses Mitbestimmungsrecht geschaffen ist, der Gedanke der Kommando-Planwirtschaft weiter bleiben? — Ich frage aus folgendem Grund: Bei sozialisierten Betrieben wird doch wohl die Macht des Staates, der
Staatsgewalt oder, wenn es nach den Gedanken unseres früheren Wirtschaftsministers, unseres jetzigen Kollegen Koch geht, irgendein etwas phantasievoll, sagenhaft aufgebauter Begriff namens Gemeineigentum für die Kommandoführung maßgebend sein. Da kann ja doch gegenüber diesem Kommando logischerweise ein Mitbestimmungsrecht nicht mehr in Frage kommen.
Oder ich frage Sie: Wenn in wirtschaftlichen Dingen diese Kommando-Planwirtschaft kommt, kann dann überhaupt noch ein Mitbestimmungsrecht in wirtschaftlichen Dingen bestehen? — Nehmen wir den Fall: Die kommandierende Planwirtschaft verfügt, daß der Betriebszweck dieses Betriebes im Interesse der allgemeinen Planwirtschaft umgestellt wird. Kann dann der Inhaber dagegen aufstehen? — Nein! — Kann der Betriebsrat, können die Mitbestimmungsorgane dagegen auftreten? — Nein!
Und nun frage ich Sie: Warum soll dieses Glück, daß es in Ihren Augen doch darstellt, nämlich dieses Mitbestimmungsrecht, derartigen Betrieben versagt werden? — Ich will Ihnen die Antwort geben. Ein Mitbestimmungsrecht in wirtschaftlichen Dingen ist weder mit der kommandierenden Planwirtschaft noch mit den sozialisierten Betrieben noch mit der Privatwirtschaft irgendwie vereinbar.
Das ist nicht meine Weisheit,
sondern das ist die Weisheit des Sachverständigen, den wir in Hessen in der Kommission bei der Beratung des Betriebsrätegesetzes gehört hatten. Der Sachverständige war Mitglied der CDU, der frühere Kultusminister von Hessen, Herr Professor Dr. Franz Böhm.
Die Frage, um die es sich handelt, ist nun: Was soll dieses Mitbestimmungsrecht umgreifen? Es ist schon vorhin im Laufe der Debatte mit Recht darauf verwiesen: Die Tatsache der Mitberatung besteht vernünftigerweise in allen Betrieben. Wenn hier insbesondere mein Vorredner zwei Fälle angeführt hat, in denen sich ein Unternehmer unverständig benommen hat, dann darf man aus einzelnen Ausnahmen nicht allgemeine Schlußfolgerungen ziehen und nun aus diesen Ausnahmen die Notwendigkeit besonderer Gesetze herleiten wollen. Wir haben schon heute morgen durch unseren Freund Hammer vortragen lassen, daß in sozialer Beziehung von uns aus auch sogar noch weiter gegangen werden kann und eine Mitverwaltung aller sozialen Einrichtungen gegeben werden könnte. Darüber ist, glaube ich, auch in diesem Hause in sozialer Beziehung kein Streit. In personeller Beziehung ist es selbstverständlich, daß im Wege der Beratung zwischen Betriebsrat und Leitung des Betriebes von jeher Verhandlungen stattgefunden haben. Wenn Sie aber aus dem. was in tatsächlicher Beziehung, nämlich in beratender Form, richtig ist, eine gesetzliche Bestimmung machen wollen, dann kommen Sie zum Beispiel zu folgendem Fall, der sich im Interesse der Arbeitnehmer und ihres Vorwärtskommens sehr ungünstig auswirken kann. Das ist folgender:
Ein Vorarbeiter möchte weiterkommen und Werkmeister werden. Er ist bei der Firma X angestellt und meldet sich bei der Firma Y, fragt an, ob er dort ankommen kann. — Wenn Sie ein Gesetz machen mit dem Zwang der Anhörung des Be-
triebsrats, dann muß jetzt der Betriebsrat von Y gefragt werden, und der wird sich pflichtgemäß beim Betriebsrat des früheren Betriebes X erkundigen müssen. Der Erfolg würde sein, daß dort bekannt würde, daß der Mann seinen Arbeitsplatz wechseln will; und dann ist es schon aus. Er würde in der Zukunft mit Mißtrauen betrachtet, und sein Vorwärtskommen wäre gefährdet. Es lassen sich da viele ähnliche Fälle nennen, in denen das Mitbestimmungsrecht für den Arbeitnehmer ungünstig ist.
Aber eines habe ich in beiden Gesetzen vermißt; das ist nämlich die Frage des Kündigungsschutzes für den Fall der Entlassung. Der gehört, wenn es sich um ein Gesetz handelt, das im Interesse der Sicherung des Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers geschaffen werden soll, dann mit allen Sicherungen und Kautelen hier hinein. Es wird Aufgabe des Ausschusses sein, hier vielleicht noch die entsprechenden Ergänzungen vorzunehmen.
Über wirtschaftliche Mitbestimmung und deren Auswirkungen habe ich schon gesprochen. — Beratung ist eine Selbstverständlichkeit. Beratung ist richtig. Aber Mitbestimmung — d. h. in dem Sinne, daß nun, wenn sich die beiden Partner über eine Maßnahme nicht einig werden, irgendeine Stelle außerhalb des Betriebes den Stichentscheid geben soll — muß abgelehnt werden, weil sie nicht dem Arbeitsfrieden und nicht dem Fortschritt dient; denn die Erfahrung, die sowohl die Arbeitnehmerseite wie die Arbeitgeberseite im Betriebe hat, wird die dritte außerhalb des Betriebes stehende Seite nicht haben. Sie sehen an diesen Auswirkungen eines: Es gibt viele Dinge im Leben, die praktisch ohne Paragraphen ganz ausgezeichnet funktionieren und ablaufen.
Sobald man aber anfängt, diese Dinge in Paragraphen zu formulieren, schafft man Übertreibungen, schafft man Überspitzungen, und im Fall der Nichtübereinstimmung der Partner muß man dann Entscheidungsstellen schaffen, die dann vielleicht mehr Unheil anrichten als sie Gutes tun.
Ja, meine Damen und Herren, ich habe vorhin die Frage gestellt, und die Frage drängt sich bei der Lektüre dieser Gesetzesvorschläge auf: Wohin geht politisch gesehen nun eigentlich die Reise? Wohin? Daß der Vorschlag der CDU nach bestem Wissen und Wollen aufgestellt ist und einen Vermittlungsvorschlag enthält, erkennen wir ohne weiteres an. Der Vorschlag der SPD scheint uns dann, wenn weiterhin die kommandierende Planwirtschaft im Hintergrund als Programmpunkt steht, wenn weiterhin die Sozialisierung, sei es auch nur der Grundstoffindustrien, als Programmpunkt im Hintergrund bleibt, ein sehr gefährlicher Weg, gefährlich für die Volkswirtschaft im allgemeinen, gefährlich für die Freiheit und gefährlich für die Arbeitnehmer.
Wir müssen nun noch, da auch die juristische Seite zu beachten ist, auf folgendes hinweisen: Diese Mitbestimmung, die Gesetz werden soll, ist praktisch gesehen eine Teilenteignung. Ich bitte, diese Konsequenz einmal klar ins Auge zu fassen. Eigentum besteht aus dem Besitz, das heißt aus dem tatsächlichen Innehaben, besteht aus dem Recht der Fruchtziehung, der Nutzung, und besteht aus dem Recht der Verfügung über den Betrieb. Wenn dieses Verfügungsrecht durch ein Gesetz eingeschränkt wird, dann liegt darin eine Teilenteignung, eine Teilenteignung mit all ihren Konsequenzen nach den Bestimmungen auch unseres Grundgesetzes. Darüber wollen wir uns klar sein. Wir wollen uns weiter klar sein, daß, wenn hier ein Mitbestimmungsrecht, d. h. das Recht der Arbeitnehmer geschaffen wird, zu verfügen, in die einzelnen Vorkommnisse des Lebens eines Betriebes einzugreifen, der Arbeitnehmer gleichsam wie ein Unternehmer an der Seite des ursprünglichen Unternehmers gleichberechtigt mit ihm tritt, dann der Arbeitsvertrag in einen Gesellschaftsvertrag umgeändert wird.
Wenn vorhin ein Redner der KPD darauf anspielte, daß die Formulierung Arbeitsgemeinschaft oder so ähnlich in § 1 des Entwurfs der CDU eine Rückerinnerung an die vergangenen Zeiten des braunen Sozialismus sei, dann irrt er. Es handelt sich hier offensichtlich um die richtige Erkenntnis dessen, daß es sich praktisch um die Umwandlung eines Arbeitsvertrags in einen Gesellschaftsvertrag handelt. Wenn ich mich nicht täusche, hat gerade bei seinen letzten Erläuterungen zum Mitbestimmungsrecht Seine Heiligkeit der Papst auf den Unterschied zwischen diesen beiden Vertragsformen sehr deutlich hingewiesen.
Es ist auch von Wirtschaftsdemokratie gesprochen worden, von einem konstitutionellen Wirtschaftssystem, von einem Parlamentarismus im Betrieb. Die Vergleiche, die hier mit dem staatlichen Leben und mit den historischen Entwicklungen im staatlichen Leben gezogen wurden, sind falsch. Der Staat und Privateigentum sind zwei grundverschiedene Begriffe. Wenn man die Entwicklung des einen auch auf das andere anwenden will, dann ergäbe sich folgende Parallele, dann würde die Zeit des absoluten Staates mit dem uneingeschränkten Unternehmerbesitz zu vergleichen sein, dann würde dieses Mitbestimmungsrecht, das hier geschaffen werden soll, etwa mit einer Art Konstitutionalismus oder parlamentarischem System zu vergleichen sein. Nun sind wir auf dem Gebiete der staatlichen Entwicklung aber zur Republik gekommen. Welche Konsequenzen auf wirtschaftlichem Gebiet würden dieser Entwicklung auf staatlichem Gebiet entsprechen? Etwa die sozialisierten Betriebe im westdeutschen Jargon oder die volkseigenen Betriebe im Jargon der Ostzone? Um Antwort wird gebeten.
Und nun weiter. Wird die Gewerkschaft, wenn sie diese Machtposition bekommt, die im Entwurf der SPD ihr zugedacht ist, noch die alte Gewerkschaft von früher sein, die Sachwalterin allein der Arbeiterinteressen, oder wie wird sie sich entwickeln? Stellen Sie sich doch vor, daß in allen Betrieben über 300 Arbeitnehmer 50% des Aufsichtsrats, mindestens aber 25% des Aufsichtsrats, von Personen besetzt werden, die von der Spitzenorganisation der Gewerkschaften benannt werden. Ja, dann wird eine kleine Gewerkschaft der Manager entstehen. Dann wird in vielen Betrieben immer der gleiche Vertreter der Gewerkschaften sitzen. Mein Vorredner hat darauf hingewiesen, daß in privaten Gesellschaften auch oft betriebsfremde Personen säßen. Das ist richtig, — aber sie sind in freier Wahl gewählt. Hier wird eine Wahl vorgeschrieben. Es müssen 50 % so gewählt werden, wie es hier im Gesetzentwurf vorgeschlagen wird. Wenn diesem Vorschlagsrecht entsprochen wird, dann ist von einer freien Wahl natürlich doch nicht mehr die Rede, dann wird auch keine Auswahl mehr danach möglich sein, ob nicht die vorgeschlagene Persönlichkeit in soundso vielen anderen und gerade auch
in Konkurrenzbetrieben im Aufsichtsrat sitzt. Diese Prüfung wird nicht möglich sein, und es wird nun ganz der Loyalität der betreffenden Person anheimgegeben sein, die Interessen miteinander zu vereinigen oder in der einen Aufsichtratssitzung zu vergessen, was er in der anderen gehört hat.
Die Gewerkschaftsvertreter — ich erkenne ihre Tätigkeit vollkommen an, ich sage kein tadelndes Wort, sondern ich spreche nur von den Entwicklungen, die nach dieser Gesetzesvorlage möglich sind — werden mit der Zeit kraft ihrer Tätigkeit in einem oder in mehreren Aufsichtsräten unternehmerisch denken lernen und in dem Augenblick nicht mehr die reinen Sachwalter der Arbeiterinteressen sein, die sie sind und sein sollten. Nach der Richtung hin habe ich sehr erhebliche Bedenken, denn die Entwicklung im Osten hat uns doch allerhand gelehrt.
Ich darf vielleicht mal aus den östlichen Stimmen, die zu diesem Problem vorliegen, eine, und zwar von Lenin aus dem Jahre 1920 vortragen, abgedruckt in der Zeitung „Industriekurier", die Sie kennen.
— Jawohl! Hören Sie nur zu; es ist die Stimme Ihres Meisters!
Das Mitbestimmungsrecht führt bestenfalls zu einer enormen Kraftvergeudung und genügt in keiner Weise der Schnelligkeit und Präzision der Arbeit, die den Bedürfnissen einer zentralisierten Großindustrie entsprechend verlangt wird,
sagt Lenin.
Es steht in Band 25 Seite 18, Rede auf dem Nationalkongreß vom 27. Januar 1920. Bei einer anderen Gelegenheit sagt Lenin:
Nach der Eroberung der Staatsmacht ist das vornehmste Interesse des Proletariats der Wiederaufbau der Großindustrie; ohne ihn kein Sieg des Sozialismus. Ein solcher Erfolg aber setzt die Zusammenfassung der Macht in den Händen der Betriebsleitung voraus. Jede Einmischung der Gewerkschaften in die Leitung der Betriebe ist als unbedingt schädlich und unzulässig zu betrachten.
Das sagte Lenin.
Aber er sagte es nicht von Anfang an, sondern er
sagte es erst im späteren Verlauf der Entwicklung
seines Staatssystems. Vorher hatte er gesagt —
vorher! —:
Die Gewerkschaften müssen dahin kommen,
faktisch die gesamte Verwaltung der Volkswirtschaft als eines einzigen wirtschaftlichen
Ganzen in ihren Händen zu konzentrieren.
Das bedeutet also zunächst die Auffassung, auf dem Weg über die Gewerkschaften Einfluß auf die Betriebe zu gewinnen, und wenn das gewonnen ist, dann geht die Entwicklung des Gewerkschaftsvertreters aus dem Vertreter der Arbeiterinteressen in die umgekehrte Richtung, in die Unternehmerinteressen hinein und diesmal in die staatlichen Unternehmerinteressen hinein, so daß er nunmehr
als staatlicher Betriebsleiter aus einem Sachwalter der Arbeiter zu ihrem Fronvogt geworden ist.
Nun einige Stimmen aus dem Westen. Eine haben wir heute morgen aus dem Munde des Herrn Kollegen Schröder gehört, der Herrn Buttenwieser zitierte, der gesagt hatte:
Die bloße Zugehörigkeit einiger Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat ist kein Hindernis oder ist nicht schwer zu nehmen —
oder so ähnlich hieß es. Er sprach also von der „bloßen Zugehörigkeit". Die haben wir ja nun schon seit dem Gesetz von 1924 gehabt, und die hat in dem Zusammenhang, von dem Sie sprachen, nämlich der Frage der Kreditbeschaffung und der Kreditwürdigkeit, keinerlei Abbruch getan.
: Er hat es
aber in dem Zusammenhang vorgetragen!)
— Ja, es ist aber nur von der bloßen Zugehörigkeit die Rede. Er hat nicht von dem gesprochen, was hier im einzelnen vorliegt: nämlich vorn wirtschaftlichen Mitbestimmungsrecht.
Nun ist von Interesse, daß die amerikanischen Gewerkschaften gerade anderer Auffassung sind. Die sind der Auffassung, daß die Gewerkschaften mit dem Mitbestimmungsrecht nichts zu tun haben sollten, damit sie eben in voller Freiheit, in voller Unabhängigkeit von Unternehmergedankengängen ihre Aufgabe als Sachwalter der Arbeitnehmerschaft durchführen können. Ich glaube, einer der Herren Vorredner hat das bekannte Zitat von den Bergarbeitern schon gebracht. Green sagt:
Die Trennungslinie zwischen der Ausübung der Rechte der Arbeiter und der Leitung muß genau eingehalten werden. Die vereinzelt vertretene Anschauung, die Arbeiterschaft solle zusammen mit der Leitung das Eigentum verwalten, kann nicht akzeptiert werden. Die Freiheit der Arbeiter hängt ihrerseits ab von der Handlungsfreiheit der Unternehmensleitung.
Also hier scharfe Trennung der beiderseitigen
Funktionen.
Um zusammenzufassen: In sozialer Beziehung — ja; Kündigungsschutz bei Entlassungen — ja; wirtschaftliche Mitberatung - selbstverständlich, von jeher geübt; wirtschaftliches Mitbestimmungsrecht in dem Sinne, wie er hier gebraucht wird — nein; Vertretung im Aufsichtsrat — unter gewissen Kautelen ja!
Wenn der Arbeitsfriede, den wir wünschen, und wenn die Prosperität der deutschen Volkswirtschaft das Endziel dieses Gesetzentwurfs sein soll — sie ist auch das Endziel dessen, was wir politisch vertreten —, dann kann es auf dem Weg kaum oder nicht erreicht werden. Wir werden mitarbeiten an der Gesetzgebung, aber wir sagen Ihnen eins: Herr Minister Storch hat vorhin mit Recht erklärt, es kommt auf die Wandlung des Geistes und nicht auf Paragraphen an, und er hat damit zum Ausdruck gebracht: Die Paragraphen allein schaffen es nicht, sondern nur die geistige Gesinnung, die ganze Einstellung, mit der von beiden Seiten an die Durchführung eines solchen Gesetzes herangegangen wird. Er hat weiter gesagt, ein solches Gesetz kann einem Gesetz gleichen, wie es als Verbotsgesetz auf dem wirtschaftlichen Gebiet in der Zeit der Zwangswirtschaft gemacht worden ist, d. h. ein Gesetz, von dem man von vornherein sah, daß es in
vielen Dingen nicht eingehalten werden konnte. Das ist allerdings richtig, und unser Freund Freudenberg hat in seinen eindrucksvollen Ausführungen gerade gezeigt, was als geistige Voraussetzung bei solchen Dingen nötig ist. Ich sage aber nun, und das ist die Schlußfolgerung, die man aus den Worten des Herrn Ministers Storch ziehen muß: Dann sind die Paragraphen entweder nebensächlich, vielleicht sogar im einzelnen nur schädlich.
Zum Schluß noch eins: Herr Minister Storch sprach auch von Schüssen, Querschüssen, die gefallen seien. Es ist vom Zentralvorstand der Gewerkschaften, wenn ich über den Absender richtig unterrichtet bin, gedroht worden, daß alle Mittel des gewerkschaftlichen Kampfes zur Durchsetzung dieses Mitbestimmungsrechts eingesetzt würden. Ich darf erwidern, daß der Streik legal ist nur zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen, nicht zur Durchsetzung bestimmter Gesetze. Ich darf darauf hinweisen, daß mit Streikandrohungen einem Parlament nicht gekommen werden darf. Ich darf schließen mit den Worten: Freie Demokraten lassen sich nicht einschüchtern!