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ID0108003500

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 80. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Juli 1950 2927 80. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 27. Juli 1950. Geschäftliche Mitteilungen 2928C, 2954D, 2964D, 2965D, 3024D Änderung der Tagesordnung 2928C Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb (Nr. 970 der Drucksachen) 2928D, 2929B Zur Geschäftsordnung: Euler (FDP) 2928D Dr. von Brentano (CDU) 2929A Mellies (SPD) 2929A Rademacher (FDP) 2987C Zur Sache: Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU), Antragsteller 2929C Freitag (SPD) 2937D Dr. Hammer (FDP) 2942C Dr. Dr. h. c. Lehr (CDU) 2946D Walter (DP) 2949D Frau Wessel (Z) 2952A Dr. Seelos (BP) 2955A Agatz (KPD) 2956A Dr. Miessner (DRP) 2960C Freudenberg (FDP) 2962A Raestrup (CDU) 2965A Arndgen (CDU) 2965D Böhm (SPD) 2966D Storch, Bundesminister für Arbeit 2969C Degener (CDU) 2971A Keuning (SPD) 2972A Harig (KPD) 2974B Dr. Veit (SPD) 2978A Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 2980A Freidhof (SPD) 2984A Loritz (WAV) 2987D, 2995B Lenz (CDU) 2989D Dr. Kleindinst (CSU) 2990D Mensing (CDU) 2992A Dr. Freiherr von Rechenberg (FDP) 2993A Dr. von Brentano (CDU), Antragsteller 2993D, 2995D Mayer (Stuttgart) (FDP) 2995D Günther (CDU) 2995D Lausen (SPD) 2996A Zur Abstimmung: Paul (KPD) 2996B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der in den Bundestag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes (Nr. 1153 der Drucksachen) 2996C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Vermittlung der Annahme an Kindes Statt (Nr. 1173 der Drucksachen) . . . . 2996C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der Mutter (Mutterschutzgesetz (Nr. 1182 der Drucksachen) . 2996D Frau Kipp-Kaule (SPD), Antragstelle- rin 2996D Frau Dr. Rehling (CDU) 2998B Frau Arnold (Z) 2999C Frau Thiele (KPD) 3000A Frau Dr. Ilk (FDP) 3000D Frau Kalinke (DP) 3001B Frau Döhring (SPD), Antragstellerin 3001D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Mandatsniederlegung des Abgeordneten Müller (Hannover) (Nr. 993 der Drucksachen) . . 3003B Dr. Brill (SPD), Berichterstatter . 3003B Fisch (KPD) 3004B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs über die Bildung eines vorläufigen Bewertungsbeirates (Nr. 975 und Nr. 1158, 1235 der Drucksachen) 3005D Dr. Kneipp (FDP), als Berichterstatter 3005D als Abgeordneter . . . . . . . 3008A Dr. Schmidt (Niedersachsen) (SPD) . 3007C, 3008C Wartner (BP) 3008D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (Nr. 924 und 1209 der Drucksachen) 3009C Dr. von Merkatz (DP) (zur Geschäftsordnung) 3009C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten — Milch- und Fettgesetz — (Nr. 1243 der Drucksachen) . . 3009D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Getreide und Futtermitteln (Getreidegesetz) (Nr. 968 und 1224 der Drucksachen) . . . 3009D Dr. Horlacher (CSU) : als Berichterstatter 3010A als Abgeordneter 3014A, 3015B Dr. Kather (CDU) 3012A, C Kriedemann (SPD) 3012D Dr. Baade (SPD) 3013C, 3014C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Festsetzung von Brotpreisen (Nr. 1161 und 1222 der Drucksachen) 3016A Struve (CDU), Berichterstatter . . 3016A Kriedemann (SPD) 3016B Harig (KPD) 3016C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für ERP-Fragen (15. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Verwendungsordnung der ERP-Zuwendungen (Nr. 1167, 661 der Drucksachen) 3017B Dr. Pfleiderer (FDP), Berichterstatter 3017B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Kürzung der Versorgungsbezüge (Nr. 1174, 434 der Drucksachen) . . . . 3019B Dr. Wuermeling (CDU): zur Geschäftsordnung 3019B als Berichterstatter 3019C als Abgeordneter 3020A Herrmann (SPD) 3020D Melliez (SPD) 3021C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Ollenhauer u. Gen. betr. Vorlage eines Gesetzentwurfes über die Regelung der Versorgung der Körperbeschädigten und Hinterbliebenen durch Kriegsfolgen und über den Antrag der Fraktion der DP betr. Sozialversicherung (Nr. 1180, 30, 36 der Drucksachen) . . . . 3021D Mende (FDP), Berichterstatter . . . 3022A Storch, Bundesminister für Arbeit . . 3022D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kriegsopfer und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Spies, Strauß, Stücklen, Frau Dr. Probst u. Gen. betr. einheitliche Anerkennung der Schwerbeschädigtenausweise (Nr. 1181, 1004, 1236 der Drucksachen) 3023A Langer (FDP), Berichterstatter . . 3023B Spies (CSU) 3023C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) über den Antrag der Abg. von Thadden u. Gen. betr. Beseitigung der Entrechtung der ehemaligen Wehrmachtangehörigen und ihrer Hinterbliebenen (Nr. 1187, 1060, 1247 der Drucksachen) 3024A Dr. Kleindinst (CSU) 3024B Frist für Rednerkorrekturen der stenographischen Niederschriften 3024D Nächste Sitzung 3025C Die Sitzung wird um 9 Uhr 13 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Rede von Dr. Herwart Miessner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DRP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Deutsche Reichspartei betrachtet die Frage des Mitbestimmungsrechtes weder mit Unternehmer- noch mit Arbeiteraugen. Es gibt ja auch noch andere Teile unseres Volkes — und wie ich glaube, dürfte das sogar der größte Teil sein —, die weder dem Arbeiterstande noch dem Unternehmerstande unmittelbar angehören Ihnen allen liegt wie auch uns einzig und allein eine Lösung am Herzen, die den Arbeitsfrieden innerhalb des Betriebes gewährleistet und die damit zugleich auch zur innenpolitischen Entspannung beiträgt. Das allein ist der Ausgangspunkt, von dem aus die. Deutsche Reichspartei dieses so wichtige Problem betrachtet. Der Kollege Dr. Hammer von der FDP wies heute morgen bereits mit Recht auf die verhängnisvollen Idealisten zu Ausgang des vorigen Jahrhunderts hin, die mit ihrem Idealismus und ihrem heißen Herzen eine doch so materialistische Lehre verkündeten. Die Worte „Prolet" und „Bourgeois" stehen heute trennend zwischen unserem Volk wie zwei Königskinder, die nicht zueinander kommen können.
    Es ist nicht meine Aufgabe, hier als letzter Sprecher der Parteien die Argumente für oder gegen das Mitbestimmungsrecht, wie sie von den Vertretern der großen Parteien heute genügend erörtert sind, jetzt noch einmal sämtlich im einzelnen zu wiederholen. Meine politischen Freunde mußten jedoch mit Bedauern feststellen, daß sich die Fronten immer mehr verhärteten und daß sich die Gegensätze, wie sie sich auch in der heutigen Debatte gezeigt haben, immer weiter vertieft haben. Bei ganz realer Betrachtung glauben wir daher, leider um die Feststellung nicht herumgekommen, daß auf der gegenwärtigen Basis eine befriedigende Lösung für beide Seiten kaum noch möglich ist; denn einerseits sieht der Arbeiter nach den ihm vorgetragenen Lehren den Unternehmer als seinen größten Feind an, und andererseits dürfte bei einer solchen vergifteten Atmosphäre eine so starke Einwirkungsmöglichkeit, wie es das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht ja naturgemäß verlangt, kaum zum Nutzen des Betriebes möglich sein. Wir sind daher der Auffassung, daß, wie auch sonst im Leben in Fällen, wo man sich zu gemeinsamer Arbeit zusammenfinden will, zunächst einmal die Atmosphäre entgiftet werden muß, um damit die Voraussetzung für ein sachliche Zusammenarbeit zu schaffen.
    Wir glauben nicht, daß es bei dieser nun einmal eingetretenen Verhärtung der Fronten nur noch mit dem beiderseitigen guten Willen oder mit dem Herzen, wie sich der Abgeordnete Lehr


    (Dr. Miessner)

    heute morgen ausdrückte, zu schaffen ist. Es müssen vielmehr Wege gefunden werden, die den Arbeiter und Unternehmer in ganz realer wirtschaftlicher Weise einander näherbringen. Wir denken dabei an den Versuch eines größeren west deutschen Werks, das durch ein System des sogenannten gerechten Lohns das Arbeiter-Unternehmer-Problem von der Lohnseite her praktisch lösen will. Ich meine die Duisburger Kupferhütte, die es in den beiden letzten Jahren 1948 und 1949 fertiggebracht hat, jedem Arbeiter und Angestellten am Schluß des Jahres einen sogenannten Ergebnislohn von dem Ein- bis Eineinhalbfachen des Monatslohns zusätzlich zu zahlen.

    (Abg. Paul [Düsseldorf]: Diesen amerikanischen Trick kennen wir.)

    — Jawohl, in Amerika ist das gar nicht so ungewöhnlich, die sind fortschrittlicher, als Sie denken -. Die Tatsache dieser Ausschüttung allein — man kann es eine Art Gewinnbeteiligung nennen, obwohl Dr. Kuss von der Kupferhütte es nicht so genannt haben möchte hat nicht nur zu einer Leistungssteigerung im Betrieb, zu geringerem Materialverbrauch, zu größerer Arbeitswilligkeit, zu größerer Arbeitsfreude und überhaupt zu allgemein vorteilhaften unmittelbaren Auswirkungen für den Gesamtbetrieb geführt, sondern hat vor allem innerhalb dieses Betriebs den Arbeitsfrieden wirklich gewährleistet.

    (Abg. Paul [Düsseldorf]: Waren Sie einmal in einer Belegschaftsversammlung?)

    — Ich war zweimal in der Kupferhütte. — (Abg. Paul [Düsseldorf]: Dann waren Sie wohl
    da, als der Direktor da war.)
    Natürlich war auch dieser da. Auf dieser Grundlage macht das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht der Belegschaft dort keinerlei Schwierigkeit. Es wird dort in der Praxis seit langem mit bestem Erfolg durchgeführt.
    Es ist heute hier nicht die Zeit, auf die Einzelheiten dieses Systems an sich einzugehen, da ja nicht die Frage der Gewinnbeteiligung, sondern die Mitbestimmung zur Debatte steht. Wie ich eingangs aber darlegte, dürfte die Frage des Mitbestimmungsrechtes jedoch nicht zu lösen sein, so lange man nicht innerhalb des Betriebs durch rein praktische Dinge dafür sorgt, daß beide Seiten, Arbeiter und Unternehmer, in gleicher Weise sich auch selbst an dem Gedeihen des Betriebs interessiert fühlen und auch sind. Gewiß wird das Unternehmertum noch eine Zeitlang seinen „Herrim-Hause-Standpunkt" erfolgreich verteidigen können. Es wird dann jedoch eines Tages eine Explosion erleben, die ihm weit mehr Schaden zufügen wird, als wenn es rechtzeitig auch von sich aus das Seinige zur Bereinigung der Atmosphäre beiträgt. Denken Sie an das Beispiel eines Dampfkessels, dem man wohl eine Weile sämtliche Ventile verstopfen kann, um den Austritt des Dampfes zu verhindern, dann aber knallt dieser Kessel seinem Maschinenmeister mit um so größerer Vehemenz um die Ohren!
    Da war es mir sehr erfreulich, heute morgen aus dem Munde des FDP-Abgeordneten Dr. Hammer zu hören, daß er sagte: „Wir sind nicht abgeneigt, aus der Rendite eines Betriebs gewisse Teile als zusätzlichen Leistungslohn oder dergleichen abzuzweigen." Hierin sehe ich in der Tat einen erfreulichen Ansatzpunkt als Grundlage eines neuen Gesprächs und als Grundlage zur Bereinigung der Atmosphäre. Denn man muß die Dinge
    sich einmal nüchtern überlegen. Es ist ja wirklich nicht sehr erheiternd, als kleiner Lohn- oder Gehaltsempfänger jahraus, jahrein so etwa an der Grenze des Existenzminimums dahinzuleben, ohne im wesentlichen überhaupt eine Chance zu haben, etwa an konjunkturellen oder strukturellen Wirtschaftsveränderungen auch nur den geringsten Anteil mitzuhaben.
    Ich will mich auch hier nicht auf ein bestimmtes System festlegen. Es gibt deren viele. Das, was ich eben streifte, ist in Amerika unter dem Namen „Profit-Sharing-System" bekannt, das von W. H. Wheeler, dem Präsidenten der Pitney-Bowes, eines Prägemaschinenkonzerns, vertreten wird. Es besagt, daß die Belegschaften an den Betriebsgewinnen teilhaben sollen, die durch die allgemeine Prosperität hervorgerufen werden.
    Wir kommen unseres Erachtens nun einmal in der Zeit, in der wir leben, im 20. Jahrhundert, nicht mehr darum herum, Kapital und Arbeit als gleichwertige Faktoren, die sich gegenseitig ergänzen, anzusehen. So wie Kapital und Arbeit zur Erzielung eines wirtschaftlichen Ergebnisses zusammenwirken und zusammenwirken müssen, so müssen auch beide Teile an dem Gemeinschaftsergebnis ihrer Leistung finanziell beteiligt sein. Der Gehalt- und Lohnempfänger wird damit in gewissem Sinne zu einer Art kleinem Mitunternehmer, dessen Interessen mit seinem großen Bruder, dem Inhaber des Betriebs, dann durchaus in gleicher Richtung laufen. Wie das Beispiel der Duisburger Kupferhütte zeigt, ist dort nicht nur der innere Arbeitsfrieden gewährleistet, sondern es hat sich nebenher bei dieser engen Zusammenarbeit und bei den gleichlaufenden Interessen das im Grunde gar nicht so sehr Erstaunliche gezeigt, daß die Belegschaft dieses Werkes selbst außerbetriebliche Einflüsse ablehnt. Das ist an sich ja auch ganz natürlich, denn genau so, wie es sich der Unternehmer verbitten würde, sich von seinen Arbeitgeberverbänden hineinreden zu lassen, so verbitten es sich auch die Arbeiter und Angestellten eines Werkes aus der Interessenlage des kleinen Mitunternehmers heraus, sich ihrerseits von ihren Organisationen in ihr betriebliches Wohlergehen hineinreden zu lassen. Es hat sich dort die Hauptsorge des Unternehmers, daß nämlich fremde Einflüsse in seinem Betrieb die Oberhand gewinnen könnten, auf sehr natürliche und, ich glaube, organische und harmonische Weise von selbst gelöst!
    Die Mitbestimmung im Betrieb darf allerdings nicht Selbstzweck, sondern soll vielmehr Grundlage zur Herstellung des gegenseitigen Vertrauens sein. Sie soll dem Arbeiter die Gewißheit bringen, daß der Betrieb nach dem Grundsätzen wirtschaftlicher Gerechtigkeit geführt wird. Dieser Zielsetzung entspricht es, daß einerseits alle Versuche abgelehnt werden müssen, die Mitbestimmung der Arbeiterschaft zum Hebelarm ideologischer Partei- oder Meinungskämpfe zu machen. Alle gesetzgeberischen Maßnahmen erhalten für uns ihren Wert nur insoweit als sie die Interessen von Kapital und Arbeit in Einklang bringen, d. h. dem Arbeitsfrieden dienen. Andererseits müssen aber auch Versuche abgelehnt werden, die zu Halbheiten führen und damit das Vertrauen stören, das nur vorhanden sein kann, wenn keine Vorbehalte bei der Mitbestimmung gemacht werden.
    Auf der Grundlage dieser Gedankengänge, die den Arbeitsfrieden als Ausgangspunkt und als Voraussetzung eines uneingeschränkten wirtschaft-


    (Dr. Miessner)

    lichen Mitbestimmungsrechts ansehen, hat die Deutsche Reichspartei ihre Stellung zur Frage des Mitbestimmungsrechts wie folgt formuliert:
    Geleitet von dem Ziel, den unseligen Geist des Klassenkampfes zu überwinden. fordert die DRP gemäß Ziffer 5 ihrer Kasseler Leitsätze die Beteiligung des Arbeitnehmers am Betriebsgewinn und sieht hierin allein die Voraussetzung für ein gedeihliches Funktionieren des wirtschaftlichen Mitbestimmungsrechts. Nur durch Schaffung dieser beiden Voraussetzungen kann auf die Dauer ein wirklicher Arbeitsfrieden erreicht werden. Die DRP wendet sich jedoch auf das schärfste dagegen, auf dem Wege über ein Mitbestimmungsrecht heute betriebsfremden Interessen — wie etwa parteilich gelenkten Gewerkschaften — Einfluß zu verschaffen.

    (Beifall bei der DRP.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Freudenberg.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Richard Freudenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Wenn ich mich zum Mitbestimmungsrecht und zu dem von der sozialdemokratischen Fraktion vorgelegten Gesetzentwurf zur Neuordnung der Wirtschaft zum Wort gemeldet habe, so glaube ich mich besonders dafür legitimiert, weil ich ohne Bindung irgendwelcher Art, obwohl ich der geschäftsführende Mitinhaber des größten Unternehmens meines Wahlkreises bin, mit über 70% aller Stimmen meines unmittelbaren Heimatbezirks gewählt worden bin, also auch durch das Vertrauen eines großen Teils der Beschäftigten meines Betriebs und der anderen Betriebe.

    (Zuruf links: Was man mit Geld alles erreichen kann! Lachen rechts. — Zuruf rechts: Sehr geschmacklos! Zuruf links: Der Kaiser von China hat das gleiche auch gemacht!)

    - Ich glaube, daß das mit Geld nichts zu tun hat.

    (Sehr richtig! rechts. Zuruf von der KPD: Wieviel hat die Stimme gekostet? — Gegenruf des Abg. Dr. Oellers.)

    Ich will mir nicht nachsagen lassen, daß ich zu dieser Frage schweige, und ich halte es für einen notwendigen Beitrag zur Diskussion, daß neben den politischen, neben den taktischen Gesichtspunkten auch die Gesichtspunkte zur Sprache kommen, die aus einer langen, praktischen Betriebserfahrung resultieren. Ich weiß, daß es keinen Sinn hat, alten Zeiten nachzutrauern und das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Ich weiß, daß in der Vergangenheit nicht immer alles Gold war, was geglänzt hat, und daß sicher Fälle vorgekommen sind, in denen die Macht des Besitzes mißbraucht und die alte Weisheit übersehen worden ist, daß man dem Ochsen, der da drischt, das Maul nicht verbinden soll. Ich weiß aber auch, daß die Beispiele höchster vorbildlicher Leistung des Unternehmertums die negativen Fälle an Zahl weit übertreffen.

    (Beifall rechts und in der Mitte.)

    Meine Damen und Herren! Ich bin mir selbstverständlich bewußt, daß es schwarze Schafe in allen Reihen gibt, und ich betrachte es als eine der ersten Pflichten eines verantwortlichen Unternehmertums, daß wir über den Weg von Ehrengerichten gegen die in unseren Reihen Stellung nehmen, die sich sozialer oder allgemeiner Verpflichtung entziehen.

    (Bravo! Sehr gut! rechts.)

    Ich fürchte aber, daß wir wieder einmal in Deutschland unserem alten Erbübel unterliegen, 150%ige Lösungen anzustreben, zum Teil noch leider Gottes immer wieder aus der Verkrampfung heraus, die — das ist aus den Worten des kommunistischen Redners wieder so klar geworden — aus vom praktischen Leben Gott sei Dank längst überholten Ismen resultiert, Lösungen, die auf Gedanken — ja, ich will es noch einmal sagen —, auf einzelnen Tatsachen basieren, die aus praktisch längst überholten Zeiten stammen.
    Wenn es dem Unternehmertum nur um das Geldverdienen oder die Ausbeutung ginge, nur um die mit Geld verbundene Macht, dann wären wir schon lange mit unserer Herrlichkeit am Ende.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Meine Damen und Herren, diese Impulse sind vorbei, mindestens sehr stark eingeschränkt, weil die öffentliche Hand, von der Ertragsseite aus gesehen, zum Höchstbeteiligten geworden ist.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Das gilt in allererster Linie für die Betriebe, auf die Sie ja am meisten abzielen. Wir stehen aber Gott sei Dank vor der Tatsache; daß die Arbeit in weitem Umfang um der Arbeit willen, aus innerer Leidenschaft getan wird. Nur so ist es überhaupt vorstellbar, daß wir allen Schwierigkeiten der letzten Jahrzehnte zum Trotz heute überhaupt noch so dastehen, wenn auch das Haus, in dem wir leben — darüber müssen wir uns doch immer wieder klar sein —, weiß Gott nach auf sehr unsicherem Grund gebaut ist. Die Leistungen, die vollbracht worden sind, und all die Schwierigkeiten, die es in den letzten Jahrzehnten zu überwinden galt und deren Lösungen mit Wendigkeit und mit Raschheit des Entschlusses gefunden werden mußten,

    (Zuruf von der SPD: Sehr richtig! Sehr wendig!)

    haben uns in Erstaunen versetzt. Aber sie haben auch das Erstaunen der Umwelt ausgelöst; darauf hat Kollege Lehr ja auch schon hingewiesen.
    Gott sei Dank ist diese verantwortungsbewußte Einstellung aber nicht nur die Eigenschaft des Unternehmertums, des guten Unternehmertums — vor ein anderes Unternehmertum würde ich mich nicht stellen —, sondern in weitem Umfange auch die Einstellung unserer Mitarbeiter. Ich finde, je älter ich werde, die Lehre bestätigt, die mir mein politischer Lehrmeister Ludwig Haas in jungen Jahren mitgegeben hat, nämlich die Lehre, daß Verantwortungsbewußtsein nichts mit Stellung, nichts mit Besitz, ja nicht einmal mit Alter etwas zu tun hat, sondern im Grunde nur mit der uns von unserem Herrgott gegebenen Veranlagung.

    (Lebhafter Beifall in der Mitte und rechts.) Unter hundert Fabrikanten ist der Prozentsatz der Veranwortungsbewußten nicht größer, als er bei hundert Werkmeistern, bei hundert Arbeitern, ja sogar bei hundert Gewerkschaftssekretären ist.


    (Zurufe links.)

    Dabei möchte ich das Verantwortungsbewußtsein nicht nur als Leistungskoeffizienten, sondern, viel weiter gespannt, als die innere Gesamthaltung ansprechen.
    Nun werden Sie mich fragen, warum ich, wenn ich die Menschen so beurteile, dann so starke Bedenken gegen diese Gesetzesvorlagen habe; denn daß ich Bedenken habe, darüber kann ich keinen Zweifel lassen. Ich habe diese Bedenken, weil ich


    (Freudenberg)

    nach dem Unterton der Entwürfe fürchte — wenn das auch durch die Ausführungen, die wir heute früh als erste bei Einbringung des CDU-Entwurfs gehört haben, etwas aufgelockert ist —, daß den verantwortungsbewußten Menschen, auf die es letztendlich allein ankommt, das Leben immer noch weiter erschwert wird. Das gilt nicht nur für die Unternehmer, sondern das gilt auch für die verantwortungsbewußten Mitarbeiter, wo immer sie stehen.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Wir müssen endlich den Mut haben, klar darüber zu entscheiden, daß nur in der Entfaltung des Individuums und nicht in irgendeiner kollektivistischen Konstruktion der Weg ins Freie gefunden werden kann.

    (Bravorufe bei der FDP.)

    Wir dürfen nicht übersehen, gerade im Hinblick auf Amerika, wie schwer es im Vergleich zu dort die Tatkräftigen und Aktiven unseres Volkes haben; denn das sind eben die Verantwortungsbewußten. In der Weite des amerikanischen Kontinents hemmen Neid, Eifersucht und Mißgunst deren Entfaltung nicht oder weit weniger als bei uns in der Enge unseres Raumes. Wir sind durch Veranlagung nicht eifersüchtiger, nicht mißgünstiger, nicht neidischer als die Menschen der übrigen Völker, aber neidischer, eifersüchtiger und mißgünstiger in der Auswirkung durch die äußeren, nun leider einmal gegebenen Umstände.

    (Zuruf von der SPD: Eine schöne Vorlesung!)

    Deswegen müssen wir uns ganz besonders bedachtsam einstellen, wenn wir in das soziale Grundgefüge
    unserer wirtschaftlichen Ordnung eingreifen wollen.
    Noch einmal: Bei der Neuordnung der Wirtschaft geht es darum, daß der aktive Unternehmer, der aktive Arbeiter und der aktive Angestellte in ihrer Einsatzkraft nicht noch mehr gelähmt werden. Vielmehr gilt es, einen Weg zu finden, der gerade diese Kräfte fördert,

    (Sehr gut! bei der FDP)

    sonst geht unsere volkswirtschaftliche Leistung zurück.
    In diesem Zusammenhang möchte ich eines einmal ganz klar aussprechen: Wir reden immer von den Letztverantwortlichen in den Betrieben. Wir reden von denen, die im Prokuristenrang oder sonstwie in hoher Verantwortung nach außen treten. Meine Damen und Herren, ich glaube, wir werden sehr sorgsam darüber wachen müssen, daß hinter diesen Rängen nicht die übersehen werden, die im Kleinkampf des Tages die wirklich verantwortliche Arbeit am Schnittpunkt sehr häufig mitleisten müssen: das sind unsere Werkmeister,

    (Bravorufe rechts.)

    Wir dürfen — um es kurz zusammenzufassen — den Kompaß nicht auf die Mittelmäßigkeit einstellen.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Das aber müßte die Folge sein, wenn wir uns eine
    Wirtschaftsordnung geben. die entschlossenes Handeln erschwert oder gar die Aktiven dem Neid —
    sagen wir es ganz deutlich — der kollektivistischen
    oder der Zunft- und Klasseneinstellung ausliefert.

    (Abg. Euler: Sehr gut!)

    Noch ein Wort: Nicht Reden und Diskutieren bringt uns zu steigender Produktion, sondern Handeln und Zugreifen, selbst wenn es einmal auch falsch geht. Parlamentarismus in allen Ehren in der
    politischen Ebene, aber übertragen auf das wirtschaftliche Leben, übertragen auf die Wirtschaft eine Unmöglichkeit!

    (Sehr wahr! bei der FDP.)

    Schon heute wird ja viel zu viel auch in den Betrieben geredet und verdiskutiert. Ich kann Sie deshalt nur ernstlich bitten, sich zu überlegen, ob die von Ihnen gemachten Vorschläge unsere Arbeitsleistung wirklich steigern können und werden; und darauf kommt es doch letztlich allein an.

    (Zuruf links: Bei uns wird gearbeitet!)

    Ich fürchte, daß durch Ihren Vorschlag die Verantwortlichkeit in den Betrieben irgendwie zersetzt werden könnte. Ohne Ordnung und klare Entscheidungsbefugnis geht es nicht. Man kann darüber streiten, ob sie in unserer jetzigen gesellschaftlichen Ordnung in besseren Händen liegt oder durch Umsturz unserer jetzigen Ordnung in den Händen derer besser liegen würde, die sich heute einordnen, nicht unterordnen. Eine Zielsetzung muß darin liegen, daß es ohne williges Einordnen nicht geht. Darüber müssen wir uns klar sein. Das haben wir in den turbulenten Zeiten, die hinter uns liegen, gelernt, und in dieser Erkenntnis sind wir heute — und deswegen bin ich im Grunde optimistisch — ja viel weiter, als wir in den zwanziger Jahren waren.
    Meine Damen und Herren! Wer die Zeiten in den zwanziger Jahren in verantwortlicher Leitung eines Unternehmens miterlebt hat und sie heute miterlebt, der kennt den ungeheuren Unterschied. Unsere Jugend und unsere Arbeiterschaft hat mit uns erkannt, daß es darum geht, im Betrieb zusammenzustehen und sich nicht auseinanderdirigieren zu lassen.

    (Sehr gut! bei der FDP. — Abg. Fisch: Sieg Heil!)

    Meine Damen und Herren! Eine halbe Lösung, eine Bastardlösung wäre aber die schlimmste Lösung, die wir uns verschreiben könnten. Von diesem Gesichtspunkt aus ist der CDU-Vorschlag in manchen Punkten beinahe noch bedenklicher als der der SPD,

    (Widerspruch bei der CDU)


    (Zuruf von der CDU: Sie müssen neue Wege gehen!)

    auch der SPD-Vorschlag die Eierschalen des so verpönten Bourgeoisie-Spießers nicht voll verlassen hat.
    Meine Herren der Linken, wenn Sie schon den Mut haben, zum Umbruch aufzurufen, dann haben Sie bitte auch den Mut, Ihren Weg ganz konsequent und ganz zu gehen, dann nehmen Sie bitte keine Rücksicht auf uns.
    Und Ihnen, meine Herren der CDU, muß ich erklären: Schaffen Sie keinen Unfrieden, kein Mißtrauen, keine Disharmonie in den Betrieben dadurch, daß Sie in einem Paragraphen geben, was im anderen bedingt wieder genommen wird.
    Wie ein gutes Orchester braucht ein gut geleitetes Unternehmen einen verantwortungsbewußten Dirigenten. Bei ihm muß die letzte Entscheidung, auf sachlichem und auch auf dem gleich wichtigen personellen Gebiet liegen. Er muß entscheiden können, auch wenn er einmal zunächst nicht verstanden wird. Aber er müßte ein seltener Tor sein und könnte sich heute nicht mehr halten — vielleicht geht es noch in der Musik, aber sicher nicht in den Betrieben —, wenn er sich nicht beraten ließe, be-
    2964 Deutscher Bundestag - O. Sitzung. Borin, Donnerstag, den 27. Juli 1950

    (Freudenberg)

    raten ließe vor allem von denen, die ihm in der Arbeit verbunden sind. Eine klare organisatorische Voraussetzung hier zu schaffen, ist unserer Gedankenarbeit wert, und wir werden uns in dieser Arbeit /nit einsetzen und uns ihr nicht entziehen.
    Wir müssen als Ziel unserer Arbeit zugrundelegen, die gemeinsame Betriebsverbundenheit noch zu steigern; die Betriebsverbundenheit müssen wir ausbauen und sie bewahren vor dem Hereindirigieren von noch so wohlwollenden Verbänden, ob es die der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer sind. Die Verbände sind notwendig in der Ordnung der überbetrieblichen Sphäre und auch in der Vertretung gemeinsamer Zielsetzungen und Interessen. Aber die Verbände sind, wenn sie ihre Aufgabe richtig verstehen, Dienende und dürfen niemals die Herrschenden der Wirtschaft werden.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Ich habe das Vertrauen zum gesunden Sinn der Arbeiter und Beamten — vielleicht sogar mehr als Sie Vertrauen zu ihnen haben, Herr Kollege Freitag —, daß sie sich ihrer Verantwortung bewußt sind und daß sie es ablehnen, das Versuchskaninchen machtpolitischer Träume zu werden. Ich habe das Vertrauen zu unseren Mitarbeitern, daß sie — und das muß ich Ihnen sagen, meine Herren der CDU — ihre ganze Abneigung bekunden werden, daß die letzten betrieblichen Entscheidungen von außenstehenden, sachunkundigen Schiedsrichtern getroffen werden könnten. Sicherlich aber werden sie ein Hereinreden der Regierungsbürokratie in unsere Betriebe ablehnen. Das haben sich übrigens die Sozialdemokraten in ihrem Vorschlag klüger überlegt. Sie verlagern die letzte Verantwortung in die Aufsichtsorgane.
    Die Betriebsräte laufend zu unterrichten, ist heute schon eine so große Selbstverständlichkeit, daß man eigentlich gar nicht mehr darüber zu reden braucht, wenigstens in den Betrieben der Größenordnung, um die es Ihnen im letzten Ende ja wirklich geht.
    Noch ein ganz kurzes Wort zu Ihren Vorschlägen über die Aufsichtsräte. Erstens bin ich der Meinung, daß man die Wirksamkeit der Aufsichtsräte in wirklich verantwortlich geführten Unternehmungen weit überschätzt; zweitens bin ich der Meinung, daß sie zu einer Gefahr einer klaren Betriebsleitung werden könnten, wenn man sie nun zu politischen oder halbpolitischen Organen machen würde. Darüber müssen wir uns bei den Ausschußberatungen sicherlich unsere ernsten Gedanken machen. Ich bin ein Gegner jeder Geheimnistuerei und scheue mich schon seit langen Jahren nicht — ich kann schon beinahe sagen, seit Jahrzehnten —, unsere Lage offen mit unseren Mitarbeitern zu besprechen. Das tun mit mir sehr viele andere Unternehmer auch.
    Es gibt allerdings Augenblicke, in denen eine falsche Offenheit zur Gefahr werden kann. Auch ich habe in meinem Leben einen solchen Augenblick durchlebt, wo, wenn ich die ganze Sorge nicht allein getragen hätte, unsere Arbeitsstätte vielleicht bedroht gewesen wäre, und wo wir nie und nimmer die Entschlüsse hätten fassen können, die zum Segen unseres Unternehmens und der darin Beschäftigten gefaßt worden sind, wenn wir sie in ihrer ganzen Auswirkung sogar den Bankherren gesagt hätten.

    (Beifall bei der FDP.)

    Es gibt eben nicht nur Sonnentage, sondern auch Tage großen Sturms.
    Meine Damen und Herren, in den letzten Jahrzehnten habe ich von Jahr zu Jahr die Dinge

    (Zuruf von der KPD: Lyrik!)

    in ihrer starken Fortentwicklung miterlebt. Seien wir sehr bedacht, diese organische Fortentwicklung nicht zu stören. Zwängen Sie den guten Willen von beiden Seiten nicht in eine enge Gesetzesmaschine, in eine Gesetzesmaschinerie, die Sie, meine Herren der Linken, als erste zerreißen müßten, wenn Ihre Machtträume in Erfüllung gehen würden und Sie die Dinge an unserer Stelle zu machen hätten.

    (Beifall bei der FDP.)

    Das sehen wir doch am ganz großen Beispiel Rußland. Meine Damen und Herren, lassen Sie uns alle den ehrlichen Versuch machen, ohne Hintergedanken, in aller Offenheit die Grundlage einer Wirtschaftsordnung zu schaffen, die als oberste Richtlinie die Sicherung einer steten, gesteigerten Arbeitsmöglichkeit zum Ziele hat, aber hüten wir uns vor Kompromissen, die sehr wohl mehr zerschlagen als heilen könnten.
    Noch ein kurzes Wort über die überbetriebliche Ebene. Ich habe ein sehr starkes Verständnis dafür, daß der Staat es sich sehr wohl überlegen muß, ob er neben den politischen Institutionen starke wirtschaftliche Zentralinstitutionen schaffen soll. Meine Damen und Herren, in jedem Fall darf er diese Institution nur schaffen, wenn ihr keine letzten politischen Entscheidungen übertragen werden; denn es wäre eine Anmaßung sondergleichen, zu glauben, daß nur die in der Wirtschaft Tätigen oder die an der Wirtschaft Interessierten ein Recht hätten, die gesamten Dinge in Deutschland zu gestalten.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Ich stelle mich aber auch nicht gegen die Schaffung solcher Einrichtungen — allerdings mit der eben gemachten Einschränkung —, weil es in der überbetrieblichen Sphäre, wo schon der politische Gestaltungswille einsetzt, vielleicht durchaus berechtigt ist, daß in voller Gleichberechtigung die Unternehmer wie die Beschäftigten zum Zuge kommen. Ich verspreche mir, wenn das in voller Offenheit geschieht, davon sogar, daß wir zu einer starken inneren Befruchtung kommen können.
    Meine Damen und Herren! Wir müssen uns, glaube ich, darüber klar sein — und deswegen werden diese gemeinsamen Institutionen vielleicht bewußt oder unbewußt von vielen in der Wirtschaft erhofft und erstrebt —: es gilt, eine gemeinsame Abwehrfront zu bilden gegen das Übergreifen der staatlichen oder, was gleich schlecht ist, der Zunftoder Verbändebürokratie.
    Schließlich bin ich davon durchdrungen - ich wiederhole es noch einmal —, daß die Weisheit der Verantwortung weder von der einen noch von der anderen Seite allein gepachtet ist. Nur wer die Sorge des andern kennt, wird den Grad der Bescheidenheit erringen, der wahre menschliche Leistung adelt. Ich schließe mit dem schon vom Kollegen Schröder zitierten Ruf: Rettet den Menschen! Aber ich weite ihn allerdings mit vollem Bewußtsein dahin aus: Rettet den Menschen durch Schutz seiner Individualität!

    (Beifall bei der FDP.)