Wenn ich mich zum Mitbestimmungsrecht und zu dem von der sozialdemokratischen Fraktion vorgelegten Gesetzentwurf zur Neuordnung der Wirtschaft zum Wort gemeldet habe, so glaube ich mich besonders dafür legitimiert, weil ich ohne Bindung irgendwelcher Art, obwohl ich der geschäftsführende Mitinhaber des größten Unternehmens meines Wahlkreises bin, mit über 70% aller Stimmen meines unmittelbaren Heimatbezirks gewählt worden bin, also auch durch das Vertrauen eines großen Teils der Beschäftigten meines Betriebs und der anderen Betriebe.
- Ich glaube, daß das mit Geld nichts zu tun hat.
Ich will mir nicht nachsagen lassen, daß ich zu dieser Frage schweige, und ich halte es für einen notwendigen Beitrag zur Diskussion, daß neben den politischen, neben den taktischen Gesichtspunkten auch die Gesichtspunkte zur Sprache kommen, die aus einer langen, praktischen Betriebserfahrung resultieren. Ich weiß, daß es keinen Sinn hat, alten Zeiten nachzutrauern und das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Ich weiß, daß in der Vergangenheit nicht immer alles Gold war, was geglänzt hat, und daß sicher Fälle vorgekommen sind, in denen die Macht des Besitzes mißbraucht und die alte Weisheit übersehen worden ist, daß man dem Ochsen, der da drischt, das Maul nicht verbinden soll. Ich weiß aber auch, daß die Beispiele höchster vorbildlicher Leistung des Unternehmertums die negativen Fälle an Zahl weit übertreffen.
Meine Damen und Herren! Ich bin mir selbstverständlich bewußt, daß es schwarze Schafe in allen Reihen gibt, und ich betrachte es als eine der ersten Pflichten eines verantwortlichen Unternehmertums, daß wir über den Weg von Ehrengerichten gegen die in unseren Reihen Stellung nehmen, die sich sozialer oder allgemeiner Verpflichtung entziehen.
Ich fürchte aber, daß wir wieder einmal in Deutschland unserem alten Erbübel unterliegen, 150%ige Lösungen anzustreben, zum Teil noch leider Gottes immer wieder aus der Verkrampfung heraus, die — das ist aus den Worten des kommunistischen Redners wieder so klar geworden — aus vom praktischen Leben Gott sei Dank längst überholten Ismen resultiert, Lösungen, die auf Gedanken — ja, ich will es noch einmal sagen —, auf einzelnen Tatsachen basieren, die aus praktisch längst überholten Zeiten stammen.
Wenn es dem Unternehmertum nur um das Geldverdienen oder die Ausbeutung ginge, nur um die mit Geld verbundene Macht, dann wären wir schon lange mit unserer Herrlichkeit am Ende.
Meine Damen und Herren, diese Impulse sind vorbei, mindestens sehr stark eingeschränkt, weil die öffentliche Hand, von der Ertragsseite aus gesehen, zum Höchstbeteiligten geworden ist.
Das gilt in allererster Linie für die Betriebe, auf die Sie ja am meisten abzielen. Wir stehen aber Gott sei Dank vor der Tatsache; daß die Arbeit in weitem Umfang um der Arbeit willen, aus innerer Leidenschaft getan wird. Nur so ist es überhaupt vorstellbar, daß wir allen Schwierigkeiten der letzten Jahrzehnte zum Trotz heute überhaupt noch so dastehen, wenn auch das Haus, in dem wir leben — darüber müssen wir uns doch immer wieder klar sein —, weiß Gott nach auf sehr unsicherem Grund gebaut ist. Die Leistungen, die vollbracht worden sind, und all die Schwierigkeiten, die es in den letzten Jahrzehnten zu überwinden galt und deren Lösungen mit Wendigkeit und mit Raschheit des Entschlusses gefunden werden mußten,
haben uns in Erstaunen versetzt. Aber sie haben auch das Erstaunen der Umwelt ausgelöst; darauf hat Kollege Lehr ja auch schon hingewiesen.
Gott sei Dank ist diese verantwortungsbewußte Einstellung aber nicht nur die Eigenschaft des Unternehmertums, des guten Unternehmertums — vor ein anderes Unternehmertum würde ich mich nicht stellen —, sondern in weitem Umfange auch die Einstellung unserer Mitarbeiter. Ich finde, je älter ich werde, die Lehre bestätigt, die mir mein politischer Lehrmeister Ludwig Haas in jungen Jahren mitgegeben hat, nämlich die Lehre, daß Verantwortungsbewußtsein nichts mit Stellung, nichts mit Besitz, ja nicht einmal mit Alter etwas zu tun hat, sondern im Grunde nur mit der uns von unserem Herrgott gegebenen Veranlagung.
Unter hundert Fabrikanten ist der Prozentsatz der Veranwortungsbewußten nicht größer, als er bei hundert Werkmeistern, bei hundert Arbeitern, ja sogar bei hundert Gewerkschaftssekretären ist.
Dabei möchte ich das Verantwortungsbewußtsein nicht nur als Leistungskoeffizienten, sondern, viel weiter gespannt, als die innere Gesamthaltung ansprechen.
Nun werden Sie mich fragen, warum ich, wenn ich die Menschen so beurteile, dann so starke Bedenken gegen diese Gesetzesvorlagen habe; denn daß ich Bedenken habe, darüber kann ich keinen Zweifel lassen. Ich habe diese Bedenken, weil ich
nach dem Unterton der Entwürfe fürchte — wenn das auch durch die Ausführungen, die wir heute früh als erste bei Einbringung des CDU-Entwurfs gehört haben, etwas aufgelockert ist —, daß den verantwortungsbewußten Menschen, auf die es letztendlich allein ankommt, das Leben immer noch weiter erschwert wird. Das gilt nicht nur für die Unternehmer, sondern das gilt auch für die verantwortungsbewußten Mitarbeiter, wo immer sie stehen.
Wir müssen endlich den Mut haben, klar darüber zu entscheiden, daß nur in der Entfaltung des Individuums und nicht in irgendeiner kollektivistischen Konstruktion der Weg ins Freie gefunden werden kann.
Wir dürfen nicht übersehen, gerade im Hinblick auf Amerika, wie schwer es im Vergleich zu dort die Tatkräftigen und Aktiven unseres Volkes haben; denn das sind eben die Verantwortungsbewußten. In der Weite des amerikanischen Kontinents hemmen Neid, Eifersucht und Mißgunst deren Entfaltung nicht oder weit weniger als bei uns in der Enge unseres Raumes. Wir sind durch Veranlagung nicht eifersüchtiger, nicht mißgünstiger, nicht neidischer als die Menschen der übrigen Völker, aber neidischer, eifersüchtiger und mißgünstiger in der Auswirkung durch die äußeren, nun leider einmal gegebenen Umstände.
Deswegen müssen wir uns ganz besonders bedachtsam einstellen, wenn wir in das soziale Grundgefüge
unserer wirtschaftlichen Ordnung eingreifen wollen.
Noch einmal: Bei der Neuordnung der Wirtschaft geht es darum, daß der aktive Unternehmer, der aktive Arbeiter und der aktive Angestellte in ihrer Einsatzkraft nicht noch mehr gelähmt werden. Vielmehr gilt es, einen Weg zu finden, der gerade diese Kräfte fördert,
sonst geht unsere volkswirtschaftliche Leistung zurück.
In diesem Zusammenhang möchte ich eines einmal ganz klar aussprechen: Wir reden immer von den Letztverantwortlichen in den Betrieben. Wir reden von denen, die im Prokuristenrang oder sonstwie in hoher Verantwortung nach außen treten. Meine Damen und Herren, ich glaube, wir werden sehr sorgsam darüber wachen müssen, daß hinter diesen Rängen nicht die übersehen werden, die im Kleinkampf des Tages die wirklich verantwortliche Arbeit am Schnittpunkt sehr häufig mitleisten müssen: das sind unsere Werkmeister,
Wir dürfen — um es kurz zusammenzufassen — den Kompaß nicht auf die Mittelmäßigkeit einstellen.
Das aber müßte die Folge sein, wenn wir uns eine
Wirtschaftsordnung geben. die entschlossenes Handeln erschwert oder gar die Aktiven dem Neid —
sagen wir es ganz deutlich — der kollektivistischen
oder der Zunft- und Klasseneinstellung ausliefert.
Noch ein Wort: Nicht Reden und Diskutieren bringt uns zu steigender Produktion, sondern Handeln und Zugreifen, selbst wenn es einmal auch falsch geht. Parlamentarismus in allen Ehren in der
politischen Ebene, aber übertragen auf das wirtschaftliche Leben, übertragen auf die Wirtschaft eine Unmöglichkeit!
Schon heute wird ja viel zu viel auch in den Betrieben geredet und verdiskutiert. Ich kann Sie deshalt nur ernstlich bitten, sich zu überlegen, ob die von Ihnen gemachten Vorschläge unsere Arbeitsleistung wirklich steigern können und werden; und darauf kommt es doch letztlich allein an.
Ich fürchte, daß durch Ihren Vorschlag die Verantwortlichkeit in den Betrieben irgendwie zersetzt werden könnte. Ohne Ordnung und klare Entscheidungsbefugnis geht es nicht. Man kann darüber streiten, ob sie in unserer jetzigen gesellschaftlichen Ordnung in besseren Händen liegt oder durch Umsturz unserer jetzigen Ordnung in den Händen derer besser liegen würde, die sich heute einordnen, nicht unterordnen. Eine Zielsetzung muß darin liegen, daß es ohne williges Einordnen nicht geht. Darüber müssen wir uns klar sein. Das haben wir in den turbulenten Zeiten, die hinter uns liegen, gelernt, und in dieser Erkenntnis sind wir heute — und deswegen bin ich im Grunde optimistisch — ja viel weiter, als wir in den zwanziger Jahren waren.
Meine Damen und Herren! Wer die Zeiten in den zwanziger Jahren in verantwortlicher Leitung eines Unternehmens miterlebt hat und sie heute miterlebt, der kennt den ungeheuren Unterschied. Unsere Jugend und unsere Arbeiterschaft hat mit uns erkannt, daß es darum geht, im Betrieb zusammenzustehen und sich nicht auseinanderdirigieren zu lassen.
Meine Damen und Herren! Eine halbe Lösung, eine Bastardlösung wäre aber die schlimmste Lösung, die wir uns verschreiben könnten. Von diesem Gesichtspunkt aus ist der CDU-Vorschlag in manchen Punkten beinahe noch bedenklicher als der der SPD,
auch der SPD-Vorschlag die Eierschalen des so verpönten Bourgeoisie-Spießers nicht voll verlassen hat.
Meine Herren der Linken, wenn Sie schon den Mut haben, zum Umbruch aufzurufen, dann haben Sie bitte auch den Mut, Ihren Weg ganz konsequent und ganz zu gehen, dann nehmen Sie bitte keine Rücksicht auf uns.
Und Ihnen, meine Herren der CDU, muß ich erklären: Schaffen Sie keinen Unfrieden, kein Mißtrauen, keine Disharmonie in den Betrieben dadurch, daß Sie in einem Paragraphen geben, was im anderen bedingt wieder genommen wird.
Wie ein gutes Orchester braucht ein gut geleitetes Unternehmen einen verantwortungsbewußten Dirigenten. Bei ihm muß die letzte Entscheidung, auf sachlichem und auch auf dem gleich wichtigen personellen Gebiet liegen. Er muß entscheiden können, auch wenn er einmal zunächst nicht verstanden wird. Aber er müßte ein seltener Tor sein und könnte sich heute nicht mehr halten — vielleicht geht es noch in der Musik, aber sicher nicht in den Betrieben —, wenn er sich nicht beraten ließe, be-
2964 Deutscher Bundestag - O. Sitzung. Borin, Donnerstag, den 27. Juli 1950
raten ließe vor allem von denen, die ihm in der Arbeit verbunden sind. Eine klare organisatorische Voraussetzung hier zu schaffen, ist unserer Gedankenarbeit wert, und wir werden uns in dieser Arbeit /nit einsetzen und uns ihr nicht entziehen.
Wir müssen als Ziel unserer Arbeit zugrundelegen, die gemeinsame Betriebsverbundenheit noch zu steigern; die Betriebsverbundenheit müssen wir ausbauen und sie bewahren vor dem Hereindirigieren von noch so wohlwollenden Verbänden, ob es die der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer sind. Die Verbände sind notwendig in der Ordnung der überbetrieblichen Sphäre und auch in der Vertretung gemeinsamer Zielsetzungen und Interessen. Aber die Verbände sind, wenn sie ihre Aufgabe richtig verstehen, Dienende und dürfen niemals die Herrschenden der Wirtschaft werden.
Ich habe das Vertrauen zum gesunden Sinn der Arbeiter und Beamten — vielleicht sogar mehr als Sie Vertrauen zu ihnen haben, Herr Kollege Freitag —, daß sie sich ihrer Verantwortung bewußt sind und daß sie es ablehnen, das Versuchskaninchen machtpolitischer Träume zu werden. Ich habe das Vertrauen zu unseren Mitarbeitern, daß sie — und das muß ich Ihnen sagen, meine Herren der CDU — ihre ganze Abneigung bekunden werden, daß die letzten betrieblichen Entscheidungen von außenstehenden, sachunkundigen Schiedsrichtern getroffen werden könnten. Sicherlich aber werden sie ein Hereinreden der Regierungsbürokratie in unsere Betriebe ablehnen. Das haben sich übrigens die Sozialdemokraten in ihrem Vorschlag klüger überlegt. Sie verlagern die letzte Verantwortung in die Aufsichtsorgane.
Die Betriebsräte laufend zu unterrichten, ist heute schon eine so große Selbstverständlichkeit, daß man eigentlich gar nicht mehr darüber zu reden braucht, wenigstens in den Betrieben der Größenordnung, um die es Ihnen im letzten Ende ja wirklich geht.
Noch ein ganz kurzes Wort zu Ihren Vorschlägen über die Aufsichtsräte. Erstens bin ich der Meinung, daß man die Wirksamkeit der Aufsichtsräte in wirklich verantwortlich geführten Unternehmungen weit überschätzt; zweitens bin ich der Meinung, daß sie zu einer Gefahr einer klaren Betriebsleitung werden könnten, wenn man sie nun zu politischen oder halbpolitischen Organen machen würde. Darüber müssen wir uns bei den Ausschußberatungen sicherlich unsere ernsten Gedanken machen. Ich bin ein Gegner jeder Geheimnistuerei und scheue mich schon seit langen Jahren nicht — ich kann schon beinahe sagen, seit Jahrzehnten —, unsere Lage offen mit unseren Mitarbeitern zu besprechen. Das tun mit mir sehr viele andere Unternehmer auch.
Es gibt allerdings Augenblicke, in denen eine falsche Offenheit zur Gefahr werden kann. Auch ich habe in meinem Leben einen solchen Augenblick durchlebt, wo, wenn ich die ganze Sorge nicht allein getragen hätte, unsere Arbeitsstätte vielleicht bedroht gewesen wäre, und wo wir nie und nimmer die Entschlüsse hätten fassen können, die zum Segen unseres Unternehmens und der darin Beschäftigten gefaßt worden sind, wenn wir sie in ihrer ganzen Auswirkung sogar den Bankherren gesagt hätten.
Es gibt eben nicht nur Sonnentage, sondern auch Tage großen Sturms.
Meine Damen und Herren, in den letzten Jahrzehnten habe ich von Jahr zu Jahr die Dinge
in ihrer starken Fortentwicklung miterlebt. Seien wir sehr bedacht, diese organische Fortentwicklung nicht zu stören. Zwängen Sie den guten Willen von beiden Seiten nicht in eine enge Gesetzesmaschine, in eine Gesetzesmaschinerie, die Sie, meine Herren der Linken, als erste zerreißen müßten, wenn Ihre Machtträume in Erfüllung gehen würden und Sie die Dinge an unserer Stelle zu machen hätten.
Das sehen wir doch am ganz großen Beispiel Rußland. Meine Damen und Herren, lassen Sie uns alle den ehrlichen Versuch machen, ohne Hintergedanken, in aller Offenheit die Grundlage einer Wirtschaftsordnung zu schaffen, die als oberste Richtlinie die Sicherung einer steten, gesteigerten Arbeitsmöglichkeit zum Ziele hat, aber hüten wir uns vor Kompromissen, die sehr wohl mehr zerschlagen als heilen könnten.
Noch ein kurzes Wort über die überbetriebliche Ebene. Ich habe ein sehr starkes Verständnis dafür, daß der Staat es sich sehr wohl überlegen muß, ob er neben den politischen Institutionen starke wirtschaftliche Zentralinstitutionen schaffen soll. Meine Damen und Herren, in jedem Fall darf er diese Institution nur schaffen, wenn ihr keine letzten politischen Entscheidungen übertragen werden; denn es wäre eine Anmaßung sondergleichen, zu glauben, daß nur die in der Wirtschaft Tätigen oder die an der Wirtschaft Interessierten ein Recht hätten, die gesamten Dinge in Deutschland zu gestalten.
Ich stelle mich aber auch nicht gegen die Schaffung solcher Einrichtungen — allerdings mit der eben gemachten Einschränkung —, weil es in der überbetrieblichen Sphäre, wo schon der politische Gestaltungswille einsetzt, vielleicht durchaus berechtigt ist, daß in voller Gleichberechtigung die Unternehmer wie die Beschäftigten zum Zuge kommen. Ich verspreche mir, wenn das in voller Offenheit geschieht, davon sogar, daß wir zu einer starken inneren Befruchtung kommen können.
Meine Damen und Herren! Wir müssen uns, glaube ich, darüber klar sein — und deswegen werden diese gemeinsamen Institutionen vielleicht bewußt oder unbewußt von vielen in der Wirtschaft erhofft und erstrebt —: es gilt, eine gemeinsame Abwehrfront zu bilden gegen das Übergreifen der staatlichen oder, was gleich schlecht ist, der Zunftoder Verbändebürokratie.
Schließlich bin ich davon durchdrungen - ich wiederhole es noch einmal —, daß die Weisheit der Verantwortung weder von der einen noch von der anderen Seite allein gepachtet ist. Nur wer die Sorge des andern kennt, wird den Grad der Bescheidenheit erringen, der wahre menschliche Leistung adelt. Ich schließe mit dem schon vom Kollegen Schröder zitierten Ruf: Rettet den Menschen! Aber ich weite ihn allerdings mit vollem Bewußtsein dahin aus: Rettet den Menschen durch Schutz seiner Individualität!