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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 80. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Juli 1950 2927 80. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 27. Juli 1950. Geschäftliche Mitteilungen 2928C, 2954D, 2964D, 2965D, 3024D Änderung der Tagesordnung 2928C Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb (Nr. 970 der Drucksachen) 2928D, 2929B Zur Geschäftsordnung: Euler (FDP) 2928D Dr. von Brentano (CDU) 2929A Mellies (SPD) 2929A Rademacher (FDP) 2987C Zur Sache: Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU), Antragsteller 2929C Freitag (SPD) 2937D Dr. Hammer (FDP) 2942C Dr. Dr. h. c. Lehr (CDU) 2946D Walter (DP) 2949D Frau Wessel (Z) 2952A Dr. Seelos (BP) 2955A Agatz (KPD) 2956A Dr. Miessner (DRP) 2960C Freudenberg (FDP) 2962A Raestrup (CDU) 2965A Arndgen (CDU) 2965D Böhm (SPD) 2966D Storch, Bundesminister für Arbeit 2969C Degener (CDU) 2971A Keuning (SPD) 2972A Harig (KPD) 2974B Dr. Veit (SPD) 2978A Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 2980A Freidhof (SPD) 2984A Loritz (WAV) 2987D, 2995B Lenz (CDU) 2989D Dr. Kleindinst (CSU) 2990D Mensing (CDU) 2992A Dr. Freiherr von Rechenberg (FDP) 2993A Dr. von Brentano (CDU), Antragsteller 2993D, 2995D Mayer (Stuttgart) (FDP) 2995D Günther (CDU) 2995D Lausen (SPD) 2996A Zur Abstimmung: Paul (KPD) 2996B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsstellung der in den Bundestag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes (Nr. 1153 der Drucksachen) 2996C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Vermittlung der Annahme an Kindes Statt (Nr. 1173 der Drucksachen) . . . . 2996C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der Mutter (Mutterschutzgesetz (Nr. 1182 der Drucksachen) . 2996D Frau Kipp-Kaule (SPD), Antragstelle- rin 2996D Frau Dr. Rehling (CDU) 2998B Frau Arnold (Z) 2999C Frau Thiele (KPD) 3000A Frau Dr. Ilk (FDP) 3000D Frau Kalinke (DP) 3001B Frau Döhring (SPD), Antragstellerin 3001D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Mandatsniederlegung des Abgeordneten Müller (Hannover) (Nr. 993 der Drucksachen) . . 3003B Dr. Brill (SPD), Berichterstatter . 3003B Fisch (KPD) 3004B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs über die Bildung eines vorläufigen Bewertungsbeirates (Nr. 975 und Nr. 1158, 1235 der Drucksachen) 3005D Dr. Kneipp (FDP), als Berichterstatter 3005D als Abgeordneter . . . . . . . 3008A Dr. Schmidt (Niedersachsen) (SPD) . 3007C, 3008C Wartner (BP) 3008D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (Nr. 924 und 1209 der Drucksachen) 3009C Dr. von Merkatz (DP) (zur Geschäftsordnung) 3009C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten — Milch- und Fettgesetz — (Nr. 1243 der Drucksachen) . . 3009D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Getreide und Futtermitteln (Getreidegesetz) (Nr. 968 und 1224 der Drucksachen) . . . 3009D Dr. Horlacher (CSU) : als Berichterstatter 3010A als Abgeordneter 3014A, 3015B Dr. Kather (CDU) 3012A, C Kriedemann (SPD) 3012D Dr. Baade (SPD) 3013C, 3014C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Festsetzung von Brotpreisen (Nr. 1161 und 1222 der Drucksachen) 3016A Struve (CDU), Berichterstatter . . 3016A Kriedemann (SPD) 3016B Harig (KPD) 3016C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für ERP-Fragen (15. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Verwendungsordnung der ERP-Zuwendungen (Nr. 1167, 661 der Drucksachen) 3017B Dr. Pfleiderer (FDP), Berichterstatter 3017B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Kürzung der Versorgungsbezüge (Nr. 1174, 434 der Drucksachen) . . . . 3019B Dr. Wuermeling (CDU): zur Geschäftsordnung 3019B als Berichterstatter 3019C als Abgeordneter 3020A Herrmann (SPD) 3020D Melliez (SPD) 3021C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Ollenhauer u. Gen. betr. Vorlage eines Gesetzentwurfes über die Regelung der Versorgung der Körperbeschädigten und Hinterbliebenen durch Kriegsfolgen und über den Antrag der Fraktion der DP betr. Sozialversicherung (Nr. 1180, 30, 36 der Drucksachen) . . . . 3021D Mende (FDP), Berichterstatter . . . 3022A Storch, Bundesminister für Arbeit . . 3022D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kriegsopfer und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Spies, Strauß, Stücklen, Frau Dr. Probst u. Gen. betr. einheitliche Anerkennung der Schwerbeschädigtenausweise (Nr. 1181, 1004, 1236 der Drucksachen) 3023A Langer (FDP), Berichterstatter . . 3023B Spies (CSU) 3023C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) über den Antrag der Abg. von Thadden u. Gen. betr. Beseitigung der Entrechtung der ehemaligen Wehrmachtangehörigen und ihrer Hinterbliebenen (Nr. 1187, 1060, 1247 der Drucksachen) 3024A Dr. Kleindinst (CSU) 3024B Frist für Rednerkorrekturen der stenographischen Niederschriften 3024D Nächste Sitzung 3025C Die Sitzung wird um 9 Uhr 13 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Rede von Walter Freitag


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Wir haben uns mit den Unternehmern über Machtanspruch und ähnliche Dinge unterhalten. Die Herren waren auch bereit, das eine oder andere zuzugestehen, und sie waren wahrscheinlich bereit, noch mehr zuzugestehen, wenn nur der Name Gewerkschaft nicht genannt wurde, wenn es hieß „unsere Arbeiter, unsere Belegschaft, mit ihnen sind wir zu verhandeln bereit, aber nicht mit der Gewerkschaft!" — Deshalb sind wir auseinandergekommen,

    (Zuruf von der FDP: Das ist ein Irrtum!)

    und deshalb haben letzten Endes die ganzen Besprechungen ein Ende gefunden, weil wir der Auffassung sind, auf dieser Grundlage hat es keinen Zweck mehr, mit den Unternehmern zu verhan-


    (Freitag)

    dein. Dabei will ich konzedieren: die Herren, die in der Verhandlungskommission waren, haben sich ernstlich und redlich bemüht, zu einer Verständigung zu kommen.

    (Zuruf von der FDP: Na also!)

    Ich kenne aber eine ganze Reihe von Kräften im Lande, die sich gegen all dasjenige zur Wehr setzen, was von den Herren da gewünscht wird und was da erzielt werden soll. Beliebt's darüber schriftliches Material vorzulegen? Gefällt's Ihnen, sich darüber zu unterhalten? Was versucht wurde, ist müßig. Wir kennen die Kreise. Die Damen und Herren sind ja hier im Hause anwesend,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    und wir wissen, was alles getan wird, um die Verhändler von der Unternehmerseite einzukreisen und ihnen Schwierigkeiten zu machen, um dadurch die Verhandlungen zu keinem Ergebnis kommen zu lassen.

    (Zuruf von der FDP.)

    Meine Herren! Setzen Sie an die Spitze aller Dinge den einen Grundsatz, daß die Gewerkschaften berufen sind, die Interessen der Arbeiter und Angestellten zu vertreten, und über alle Dinge wird nach meiner Auffassung in verhältnismäßig kurzer Zeit eine Verständigung herbeigeführt werden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es war also nicht der Machtanspruch der Gewerkschaften, sondern es war das Bestreben von der Unternehmerseite, Gewerkschaften nicht zu kennen und Gewerkschaften auch für die Zukunft nicht gelten zu lassen.

    (Zuruf von der SPD: Die brauchen eine Gefolgschaft!)

    Das sind nicht Erfahrungen, die etwa heute erst gemacht werden. Das sind Erfahrungen, die die Gewerkschaften, die früher konfessionell und politisch in drei Richtungen aufgespalten waren, vor 1933 gemacht haben, nein, die wir bereits vor dem ersten Weltkrieg gemacht haben. Es heißt da: Nichts vergessen und nichts dazu gelernt. Die Haltung, die man früher einmal der deutschen Arbeiterbewegung gegenüber eingenommen hat, versucht man heute fortzusetzen. Der Erfolg: Das deutsche Volk wird die Dinge einmal bitter zu tragen haben.
    Meine Herren! Wir haben dann versucht, zu
    einer Verständigung über die Dinge zu kommen.

    (Zuruf von der FDP.)

    — Meine Herren! Die Sachen kommen durch. Nur keine Sorge! Es handelt sich nur darum, wie lange es sich bei uns in Deutschland um all diese Fragen dreht, wie lange es dauert, daß Deutschland zu der Einsicht kommt, daß es anders geschehen muß. Eine Reihe Ihrer Herren reden über diese Frage —ich erinnere mich da einer Unterhaltung, die mit dem Hohen amerikanischen Kommissar in der letzten Zeit geführt wurde —, und man redet da über die Frage des Mitbestimmungsrechts in einem Ton, als wenn es sich darum handelte, das Dreiklassenwahlrecht seligen Angedenkens zu verewigen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Nur kein Mitbestimmungsrecht kommen lassen! Wenn das Mitbestimmungsrecht kommt, kommen diese und jene Gefahren. Ähnlich hat es damals geheißen: Es darf das Dreiklassenwahlrecht nicht beseitigt werden, weil die und die Gefahren für das Bürgertum, für die Gesamtheit des Volkes entstehen. Man ist in der Frage nicht klüger geworden. Es hat bei uns etwas länger gedauert.
    Weltkriege mußten kommen und fürchterliche Zusammenbrüche, und dann — aus der Not geboren
    - erkannte man, daß es auch einen Bruder Arbeiter gab, und dann war man auch bereit, diesem Arbeiter Zugeständnisse zu machen.
    Wir können nichts anderes tun, als mit Vernunftgründen an Ihren Verstand zu appellieren und zu versuchen, die Dinge zu regeln. Geschieht's nicht, dann hat das Volk einmal später selbst die Nachteile davon zu tragen.
    Mitbestimmungsrecht! Das Mitbestimmungsrecht wird nicht nur auf der betrieblichen Ebene ausgetragen. Ein Betriebsrätegestz haben wir seit dem Jahre 1920 gehabt. Es hatte nichts 7u tun, wie es heute dem Volke gepredigt wird, mit dem Mitbestimmungsrecht. Wir hatten damals, nach dem ersten Weltkrieg, ein Betriebsrätegesetz; wir hatten damals auch einen vorläufigen Reichswirtschaftsrat. Dazwischen bestand eine große Kluft, die nicht überwunden werden konnte. Alle damaligen Versuche der deutschen Gewerkschaften, diese Dinge zu überbrücken, zu einer Regelung für die Gesamtwirtschaft zu kommen, sind fehlgeschlagen. Und, meine Herren, Sie sollten wissen, daß die Frage des wirtschaftlichen Mitbestimmungsrechts damals nicht nur bei den freien Gewerkschaften erörtert wurde, sondern daß auch andere Kreise die Notwendigkeit eines solchen Mitbestimmungsrechts einsahen. Ist Ihnen nicht bekannt, daß der damalige Arbeitsminister kurz vor Toresschluß 1933 derartige Pläne erwog, daß Stegerwald selbst der Auffassung war, hier müßten Änderungen eintreten? Es scheint alles vergessen zu sein.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Die Frage des Mitbestimmungsrechts ist nicht einmal auf Deutschland beschränkt. Meine Herren, versuchen Sie einmal, in die skandinavischen Länder, vor allen Dingen nach Schweden zu gehen, um dort festzustellen, wie in allen wirtschaftlichen Fragen die Arbeiter in diesen Ländern mitentscheiden und mitbestimmen können. In den westlichen Staaten ist es nicht anders. Ist nicht auch in England der Weg eingeschlagen worden? Sind nicht in den letzten Tagen noch in Belgien Beratungen über diese Frage durchgeführt worden? Und, meine Herren, erkundigen Sie sich doch einmal selbst, wie es in Amerika ist, welches Maß von Einfluß man dort den arbeitenden Menschen gegeben hat, wieweit dort die Arbeiter auch in wirtschaftlichen Fragen entscheiden können. Für Sie scheint das alles nicht da zu sein.

    (Zuruf von der FDP: Was reden Sie jetzt über Amerika!)

    - Ich rede über Amerika, nachdem Sie gezeigt haben, wieviel Verständnis Sie für die Verhältnisse in Amerika haben.

    (Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Solche Gewerkschaften wie in Amerika wünschen wir uns hier! — Lachen bei der SPD. — Zuruf des Abg. Euler.)

    — Herr von Rechenberg, ich wünschte auch in Deutschland Männer, die Vernunft und Einsicht haben und sich nicht an den Hohen Kommissar in der Form wenden, wie es vor einigen Tagen hier bei uns der Fall gewesen ist.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Das glauben Sie doch wohl nicht! Ich habe etwas ganz anderes gesagt!)





    (Freitag)

    — Ich kann mich ja nur darauf stützen — — (Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Das ist dann falsche Berichterstattung!)

    - Ja, dann kommt es auf die „falsche Berichterstattung" an!

    (Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Ich kann Ihnen genau sagen, was ich sagte!)

    — Herr von Rechenberg, das ist genau dasselbe, was ich bereits vorhin dargelegt habe: Sie wollen versuchen, das Rad der Zeit zurückzudrehen,

    (Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Ich denke nicht daran!)

    um wieder zu den Zuständen von einst zurückzukommen.

    (Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Kommen Sie in meine Fabrik und erkundigen Sie sich da! Kommen Sie hin, Sie werden sich wundern! Zuruf links: Sie alter Krakeeler!)

    - Herr von Rechenberg, wenn Sie so aufgeschlossen sind, dann seien Sie doch so freundlich, nicht gegen das sogenannte Mitbestimmungsrecht zu polemisieren, sondern dann setzen Sie sich dafür ein! Dann brauchen wir uns nicht so zu erregen, und dann können wir uns über die ganzen Dinge viel freundlicher unterhalten.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Mitbestimmungsrecht! Der Arbeiter, der vom frühen Morgen bis zum späten Mittag nur auf das Signal seiner Fabrikpfeife hören muß, der keine andere Möglichkeit hat, als sich mit den Bindungen zu beschäftigen, die ihm der Betrieb auferlegt, fragt sich: warum geht's mir so schlecht? Den interessiert die Festlegung der Preise für alle Bedarfsgegenstände, und der möchte in dieser Frage mitwirken und mitentscheiden. Aus diesem Grunde wird der Gedanke des Mitbestimmungsrechtes nicht nur auf betrieblicher Ebene, sondern auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene getragen.
    Auf dieser Grundlage war auch die Vorlage der Gewerkschaften entstanden. Sie wünschten zunächst einmal, daß ein Wirtschaftsrat gebildet wird der paritätisch aus Unternehmern und Arbeitern zusammengesetzt sein soll und in dem alle Fragen der Wirtschaft erörtert und vorberaten werden können. Uber diese Frage bestand mit den Unternehmern so gut wie Einverständnis. Die zweite Frage war die, ob die Industrie- und Handelskammern in ihrer bisherigen Form bestehen bleiben müssen. Auch darüber lagen Zusagen vor, daß diese Industrie- und Handelskammern für die Zukunft paritätisch zusammengesetzt sein sollen, daß also die Arbeiterschaft zu 50 % daran beteiligt wird. Nun gibt es gewiß bei uns im Lager böse Zungen die behaupten: das ist nicht ehrlich gemeint; die Unternehmer werden versuchen, alle die Aufgaben, die bisher die Industrie- und Handelskammern gelöst haben, in der Zukunft in wirtschaftlichen Vereinigungen zu lösen. Ich lasse die Frage offen und nehme das Wort, das uns gegeben wird, als ehrlich hin. Ich rechne damit, daß es so durchgeführt wird.
    Dann aber kam die Frage der Bildung von Ausschüssen, zunächst von Wirtschaftsausschüssen im Betrieb, und darüber gab es die ersten Differenzen. Bei der Frage der Aufsichtsräte konnten wir überhaupt zu keiner Verständigung kommen, weil die Herren dort der Auffassung waren, in diesen Aufsichtsräten hätten Gewerkschaftsvertreter nichts zu suchen. Erst nach langen, fürchterlichen Mühen gelang es dann, so ein Stück Kompromiß zu schließen: zunächst einmal hat der Betriebsrat das Vorschlagsrecht, zunächst muß der Betriebsrat Vorschläge aus dem Betrieb machen, und erst wenn dieseVorschläge von den Gewerkschaften nicht akzeptiert werden, kann der Gewerkschaftsbund eigene Vorschläge machen. Die Formulierung war sehr unglücklich gewählt. Sie wurde so unglücklich gewählt, um damit erneut zu dokumentieren, daß man nicht mit den Gewerkschaften, sondern nur mit dem einzelnen Arbeiter im Betrieb verhandeln wolle.

    (Abg. Dr. Wellhausen: Sie waren doch einverstanden!)

    — Darüber ist es zu keiner Verständigung gekommen, und daraufhin sind die Verhandlungen abgebrochen worden.
    Der Entwurf, der von den Gewerkschaften eingereicht wurde, ist zum großen Teil von meiner Partei jetzt wieder als Gesetzentwurf eingereicht worden. Ich bin der Auffassung, daß man mit einem derartigen Entwurf besser fährt als nur mit der Frage der Regelung des Mitbestimmungsrechts auf der betrieblichen Ebene. Ich will Ihnen ganz offen sagen, aus welchem Grunde: Ein gebranntes Kind scheut das Feuer! Wir haben in dem Deutschland nach 1918 damals ein Betriebsrätegesetz bekommen und wir haben den Vorläufigen Reichswirtschaftsrat bekommen. Die Zwischengliederung ist ausgeblieben. Und wenn man jetzt nach dem Vorschlag der CDU verfahren würde, würde es so aussehen, daß wir ein Betriebsrätegesetz bekommen werden, das wir in den verschiedensten Schattierungen im übrigen heute schon in den einzelnen Ländern haben, und daß alle anderen Regelungen des Mitbestimmungsrechts auf einer anderen Ebene für die Zukunft unerledigt bleiben. Ich weiß nicht, ob das das große Versprechen ist, das im vergangenen Jahr in Bochum gegeben worden ist, ob das die groben Hoffnungen sind, die man dort den Arbeitern gab.
    Aus diesem Grunde sind wir — und zwar sind wir das gemeinsam mit den Unternehmern - der Auffassung, daß die Frage des Mitbestimmungsrechts auf allen Ebenen ein unteilbares Ganzes ist, daß die Frage gelöst werden muß, angefangen vom Betrieb über die einzelnen Stellen bis zu dem Bundeswirtschaftsrat; demgemäß auch die Vorlage unseres Entwurfs, den wir Ihnen heute unterbreitet haben. Wir sind der Auffassung, wenn man dem Versprechen gerecht werden will, dann hat man sich unseren Ansichten anzuschließen, und wenn man zu einer vernünftigen Lösung kommen will, kann es nicht anders geschehen, als daß man da das berechtigte Verlangen der Arbeiterschaft nach Mitwirkung und Mitbestimmung in allen Fragen der Wirtschaft für die Zukunft gelten läßt. Sie mögen sich über diese Dinge im Augenblick noch lustig machen und Sie mögen erklaren, es hat keine Eue. Meine Herren, ich will Ihnen etwas sagen: fiber die Frage des Mitbestimmungsrechts und über die Frage des Verlangens der Gewerkschaften war eine ganze Reihe von recht unfreundlichen Bemerkungen im Lande draußen laut geworden. Selbst die Herren der Regierung hatten nicht allzu verständnisvoll zu den Dingen gesprochen. Aus dem Grunde waren wir voll Erwartung, was werden würde, als wir nun vom Herrn Arbeitsminister und von der hohen Regierung eingeladen wurden, gemeinsam mit ihr die Frage zu besprechen und zu einem Abschluß zu kommen. Und von all den Dingen, die man bis dahin von Regierungsseite gegenuber den Gewerkschaften zum Ausdruck gebracht hat, hörten wir nichts mehr. Der Herr Bundeskanzler war so freundlich, vor allen Dingen den Unternehmern zu sagen, daß es an ihnen läge, weitere Zu-


    (Freitag)

    geständnisse zu machen, weil die Gefahr im Lande groß sei, weil wir in Westdeutschland an einem Punkt angelangt seien, wo es letzten Endes für unser Volk um Sein oder Nichtsein ginge, und daß wir in der Zeit keine sozialen Spannungen, keine Auseinandersetzungen brauchen könnten. In dem Sinne sind wir auch an die Arbeit herangegangen und haben versucht, eine Lösung herbeizuführen.
    eine Herren! Sie mögen glauben, die Dinge seien nicht so ernst und brauchten nicht so gelöst zu werden, man könne an diesen Dingen noch vorbeigehen. Dann aber werden die Fragen eines Tages anders gelöst. Sind Sie sich klar darüber, daß es dann zu wirtschaftlichen Explosionen, zu Auseinandersetzungen von einem Ernst kommen wird, wie wir es hier in Deutschland bisher kaum gekannt haben.

    (Widerspruch bei der FDP.)

    Die Arbeiterschaft ist nicht gewillt, das Recht, das ihr eingeräumt und versprochen wurde, wieder preiszugeben.

    (Zuruf von der FDP: Wollen wir ja gar nicht! — Weiterer Zuruf: Sie drohen!)

    – Drohen? Ich denke nicht daran, zu drohen. Meine Herren, ich will Ihnen etwas sagen, was drohen ist: Drohen ist, wenn man zum Hohen Kommissar der Amerikaner geht und ihn bittet, nur ja nichts zu tun auf dem Gebiet des Mitbestimmungsrechts, weil die Gefahr aus dem Osten zu groß ist.

    (Abg. Dr. Schumacher: Hört! Hört!)

    Damit beweisen Sie, daß Sie von politischem Geschehen herzlich wenig verstehen. Die Gefahr aus dem Osten wird nur gebannt, wenn wir zu sozial erträglichen und demokratisch geordneten Verhältnissen auch im Wirtschaftsleben in Deutschland kommen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es liegt bei Ihnen, diesen Weg mitzugehen oder abseits zu stehen und die Gefahr kommen zu lassen.
    Meine Herren! Wer sich auf den Kommunismus berufen will, dem sage ich: es gibt nur ein Mittel gegen den Kommunismus, und das ist das, daß man sozial erträgliche und demokratisch vernünftige Verhältnisse im Lande schafft.

    (Sehr richtig! rechts.) Bolschewismus wird nicht bekämpft dadurch, daß man hingeht und den schwarzen Mann an die Wand malt und versucht, das eine und das andere Recht der arbeitenden Bevölkerung zu nehmen. Bolschewismus wird verhindert, wenn man Freiheit gelten läßt, wenn man Lebensmöglichkeiten schafft und wenn man zu geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen kommt.


    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Darum ringen wir und darum bemühen wir uns.

    (Zuruf von der FDP: Wir auch!)

    Und wir wünschen, daß wir dafür das Verständnis des Hohen Hauses bekommen. Wir erwarten von Ihnen, daß Sie für die Fragen, die von meiner Partei in den Beratungen im Ausschuß angeschnitten worden sind, mehr Verständnis aufbringen als es bisher heute morgen hier zum Durchbruch gekommen ist. Die Zeiten sind ernst, die Gefahren sind wahrscheinlich groß und können nur durch eine vernünftige Arbeit behoben werden. Zeigen Sie, daß Sie dazu bereit sind.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Ehe ich das Wort weiter erteile, möchte ich Ihnen einen Vorschlag machen. Die Wortmeldungen sind sehr durcheinander eingekommen, so daß ich nicht glaube, daß es richtig wäre, das Wort in der Reihenfolge der Meldungen zu erteilen. Ich schlage Ihnen vor, daß zunächst jede Partei einen Redner sprechen läßt und daß dann, nachdem der letzte dieser ersten Sprechgarnitur — wenn ich mir dieses Wort erlauben darf — gesprochen hat, die übrigen Redner nach dem Eingang ihrer Meldung zu Worte kommen. Sind Sie einverstanden?

(Zustimmung.)

Dann erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Hammer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Richard Hammer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Wer die leidenschaftlichen Auseinandersetzungen über das Thema Mitbestimmungsrecht in den letzten Monaten in Deutschland verfolgt hat und wer auch die Klänge richtig zu deuten weiß, die heute durch diesen Saal schallten, der kommt vielleicht auf die ketzerische Idee, daß dieses ganze Thema den Aufwand wert ist, der hier gemacht wird.

    (Zurufe von der SPD: Hört! Hört!)

    Meine Damen und Herren! Ich bin der Ansicht, daß die Frage des Mitbestimmungsrechts diesen Aufwand wert ist,

    (Zurufe: Sehr richtig!)

    obwohl man, wenn man die konkreten Forderungen — zugespitzt in dem Entwurf der Sozialdemokratie — betrachtet, vielleicht doch auf die Idee kommen könnte, daß die Liebe eine Bejahung, abgesehen vom Wert, ist.
    Meine Damen und Herren! Man sollte den Versuch machen, bei der Verhandlung dieser Dinge hier im Hause so zu tun, als könne man völlig vernünftig sein. Heinrich von Kleist hat seinem Odysseus einmal ein Wort in den Mund gelegt, als das Volk der Achäer von dem rasend verliebten Achilles bedroht wurde. Dieses Wort hieß: „Laßt uns vereint, ihr Griechenkönige, noch einmal Vernunft keilförmig mit Gelassenheit auf seine rasende Entschließung setzen!"
    Meine Damen und Herren! Ich bin der Ansicht, daß die Entschließung der SPD eine rasende Entschließung ist. Ich respektiere ihre Leidenschaft, ich halte sie aber für absolut unzweckmäßig und für gefährlich für die Zukunft der Arbeiterschaft und der ganzen deutschen Nation.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, versuchen wir doch, nach dem Motto der Vernunft zu verfahren. Wenn Sie etwa damit beginnen würden, daß Sie die Erkenntnisse, die Resultate unserer arbeitspsychologischen Institute zu Rate zögen, dann könnten Sie zu Ausgangspunkten für unsere Diskussion kommen, die gar nicht uninteressant sind. Dort hat man aus Millionen von Fragebogen immer zwei merkwürdige Antworten bekommen. Wenn man den Arbeiter frug: „Was behagt dir denn am allerwenigstens in deiner Arbeitsstelle oder in deinem Betrieb?", dann bekam man in der Regel die beiden Antworten: Der Meister und die Stoppuhr! — Es lohnt sich, diese Dinge einmal zu verfolgen.
    Beginnen Sie mit der Stoppuhr. Einem Teil von uns ist das schwer zu vergegenwärtigen. Mit dem Wecker hat sie nichts zu tun; denn den kann man abstellen. Vielleicht kann man sich, was Stoppuhr ist, am ehesten vergegenwärtigen, wenn man an das Wecken beim Kommiß denkt. Mit der Stoppuhr geht man nicht an eine Arbeit, die einen ruft und zu der man eine innere Beziehung hat, sondern mit der Stoppuhr wird man zur Arbeit befohlen.


    (Dr. Hammer)

    Meine Damen und Herren! Warum ist denn die Bindung des modernen Industriearbeiters — auf dessen Verhältnisse wollen wir uns im Augenblick beschränken — eine derartige Bindung in den meisten Fällen geworden? Die moderne Rationalisierung der Arbeit in den letzten hundert Jahren, die uns zur Hochindustrialisierung geführt hat, hat das Werk, mit dem sich der alte Geselle beschäftigt hat, seiner Hand entzogen und sinnlos gemacht. Mit der Produktion über das laufende Band, mit der Herstellung des Massenartikels hat diese Beziehung des Menschen zu seinem Werk aufgehört — denken Sie an das, was die Psychologen über die Verwandtschaft von Arbeitstrieb und von Spieltrieb sagen —, hat die Arbeit weitgehend ihren Sinn verloren oder ist jedenfalls doch dieser Sinn sehr schwer zu finden.
    Die Werkstatt ist nicht mehr die alte Werkstatt, wie sie einmal war. Was sie war, das sehen Sie an dem deutschen Sprachgebrauch, nach dem man für das Atelier des Künstlers noch den ehrenvollen Ausdruck „Werkstatt" verwendet. Das ist in einer großen Anzahl unserer Betriebe in dem hochindustrialisierten Mitteleuropa und in Amerika völlig vorbei. Da wird also zu einer Arbeit, die an sich nicht ruft, befohlen, und zwar in der Form unserer technischen Alarmsignale. Es gibt nicht mehr den Gesellen, der in der Meisterfamilie frühstückt, und er geht nicht mehr an die Arbeit, die ihn lockt.
    Wenn hier das Wort Geselle gefallen ist, so bin ich nahe bei der anderen Antwort, die uns die arbeitspsychologischen Institute geliefert haben, bei der Antwort: Meister. Warum ist denn dieser Meister der Mann, bei dem dauernd die Konfliktsituationen entstehen? Offenbar liegt das kaum an unseren Verhältnissen in Deutschland. Der Unternehmer, der an einem vorzüglichen Produktionsvorgang orientiert ist, gibt sich die größte Mühe, einen Meister zu bekommen, der nicht nur ein Könner in bezug auf seine technischen Aufgaben ist, sondern der auch kontaktfähig ist, der es fertigbringt, seine Arbeiterschaft an den Betriebszweck heranzuführen. Wenn Sie die Beschäftigung der amerikanischen Gewerkschaften und der amerikanischen Unternehmer betrachten, so sehen Sie, daß dort außerordentlich viel Zeit und Arbeit darauf verwandt wird, diesen kontaktfähigen und leistungsfähigen Meister zu schaffen. Das wird auch bei uns versucht. Aber es hat nicht dazu geführt, daß in diese Fragebögen eine andere Antwort hineinkäme als die: der Meister.
    Meine Damen und Herren! Nun bitte ich Sie, sich doch einmal folgendes zu überlegen. Die Stellung des Meisters war in der alten Ordnung der vorkapitalistischen Zeit eine soziale Stufe, die dem normalen Handarbeiten durchaus erreichbar, ja, in der Regel zugänglich gewesen ist. Die Fabrikation am laufenden Bande, die rationalisierte Massenproduktion hat uns Arbeitsverhältnisse gebracht, in denen dieser Meister eine verhältnismäßig seltene Figur geworden ist. Es gibt eine Reihe von hochindustrialisierten Betrieben, in denen vielleicht auf 100 Arbeitnehmer ein Meister kommt. Dieser Meister ist der Beförderungsgrad, der den Arbeitern nicht mehr zugänglich ist. Der soziale Aufstieg innerhalb des Betriebes ist in diesem System des Hochkapitalismus weitgehend durch die technische Rationalisierung unmöglich gemacht worden.
    Ich bitte Sie, sich einmal zu überlegen, was das Abstoppen des sozialen Aufstiegs bedeutet. Ein ganz einfaches Beispiel! Wenn Sie an die Revolution von 1918 denken, so wird Ihnen einfallen, daß diese Revolution in Deutschland nicht von den
    Landsern gemacht worden ist, sondern von den Deckoffizieren und von den Korporälen, also gerade von jener Schicht in diesem militärbürokratischen Apparat, der nach den Gesetzen des kaiserlichen Deutschlands der soziale Aufstieg verwehrt gewesen ist. Überall da, wo die Chance zum Aufstieg aufgehört hat, besteht die Gefahr von Konflikten. Ich bezweifle, daß die Erhebungen unserer arbeitspsychologischen Untersuchungsinstitute uns in vollem Umfange den Weg zum Verständnis des Verlangens nach Mitbestimmung ebnen können. Man könnte sagen: das, was hier zweifellos an Arbeitsleid verlangt wird, müßte ja nach alten Theorien durch eine volle Lohntüte ausgeglichen werden. Man könnte sich darüber unterhalten, ob die moderne Wirtschaftsform das Arbeitsleid verringert hat. Zweifellos ist das zum Teil der Fall. Wenn in den letzten 100 Jahren oder von 1820 bis 1920 in Großbritannien die Arbeitszeit von 72 Stunden auf 48 Stunden heruntergegangen ist, so ist das eine Verringerung des Arbeitsleides. Wenn statt der schwieligen, schwierigen Handarbeit des Schmiedes oder des Schuhmachers die Maschinenarbeit gekommen ist, so bedeutet das zweifellos eine Verminderung des Arbeitsleides, eine Verminderung von Muskelkater. Aber, meine Damen und Herren, Sie haben gesehen, daß alle diese technischen Verschiebungen im Vorgang — —

    (Zuruf von der SPD: Fehldiagnose!)

    — Nein! Sie kommen nachher daran und können mich korrigieren. —
    Meine Damen und Herren! Sie werden doch die Feststellung machen können, daß diese scheinbare Verringerung des Arbeitsleides offenbar nicht so bewertet worden ist. Die Rebellion, die in der Mitte unseres Jahrhunderts gegen die moderne wirtschaftliche Entwicklung entstanden ist und die um die Jahrhundertwende ihren Höhepunkt erreichte, hat jedenfalls darauf keine Rücksicht genommen und ist trotz dieser Verminderung der Arbeitszeit, trotz besserer Arbeitsbedingungen, trotz reichlicherer Füllung der Lohntüte zustande gekommen. Hier enden die Resultate, die man auf den Hochschulen zusammengetragen hat. Hier ist in dieses Verhältnis des sogenannten arbeitenden Menschen, wie man heute zu sagen pflegt, genau genommen in das Verhältnis der Lohnarbeiterschaft ein merkwürdiger Einbruch erfolgt. Hier hat auf einmal das Verständnis für den Sinn dieser Wirtschaftsordnung aufgehört, und hier hat in der gleichen Stunde, in der das alte Gehäuse der gottgewollten Ordnung aufhörte, den Arbeiter zu bergen, eine verhängnisvolle Irrlehre begonnen, die Dinge zu verzerrt zu beleuchten. Wer so in der Welt steht wie der, der ohne soziale Aufstiegsmöglichkeit ist, der ohne das Gefühl ist, daß seine Arbeit einen Sinn in dieser Welt habe, der ist nun einmal sehr leicht zu verführen, wenn man ihm sagt: diese ganze Weltordnung ist des Teufels, und ich weiß eine bessere! — Das sind die menschlichen Situationen, in denen man seinem notleidenden Mitbürger sagen kann: wir prophezeien dir eine bessere Zeit, wir prophezeien dir die Zeit, die Schiller einmal mit den Worten bezeichnete:
    Vorbei nach langem, verderblichem Streit
    Ist die kaiserlose, die schreckliche Zeit. Ein Richter ist wieder auf Erden.
    Das ist die Situation, die 1933 Adolf Hitler ausnützte. Wer unser Wirtschaftssystem als eines der an Galeeren geschmiedeten Sklaven schildert und dazu versichert, daß er allein den Schlüssel besitze, um diese Ketten aufzuschließen, der steht ganz


    (Dr. Hammer)

    nahe bei jenem Verhalten, das 1933 Adolf Hitler an den Tag gelegt hat.

    (Zuruf von der SPD.)

    — Ich weiß nicht, wer Sie sind; aber gescheit sind Sie nicht!
    Als dieser Einbruch einer neuen Erlösungslehre in der Mitte des vorigen Jahrhunderts in Deutschland und in der Welt erfolgte, erlebten wir die Entwicklung einer Klasse der deutschen Arbeiterschaft, der wir heute noch den allergrößten Respekt entgegenbringen. Ich erinnere mich aus den jungen Jahren meiner ärztlichen Tätigkeit noch an den engsten Verkehr, den ich mit jenen ersten organisierten Gewerkschaftlern und alten Bebelleuten gehabt habe, mit jenen Männern mit dem Knebelbart, mit jenen Männern, die einen eigenen Stil hatten, und mit jenen Männern, auf deren Bücherbord das „Kapital" und Haeckels „Welträtsel" gestanden haben. Ich habe auch damals ihren Lehren äußerst kritisch gegenübergestanden. Ich habe ihnen menschlich mit außerordentlicher Sympathie gegenübergestanden, weil das Maß ihres Idealismus in Deutschland nicht zu überbieten war. Sie wußten aus ihrer eigenen Lehre, an die sie glaubten, ganz genau, daß sie selber das schöne, gelobte Land nicht mehr betreten würden. Sie wußten, daß die „Expropriation der Expropriateure" wesentlich länger dauern würde als ihr eigenes Erdendasein. Sie haben mit einem Glauben, der bewunderungswürdig ist — ausgerechnet sie, Helden des Glaubens —, eine materialistische Lehre vertreten.
    Wer sich jemals in Deutschland ernsthaft mit den Sorgen und dem Lebensschicksal des deutschen Arbeiters befaßt hat, der möge doch auf einen ganz schlechten Brauch verzichten. Der möge darauf verzichten, daß man in Deutschland die Worte „Prolet" und „Bourgeois" als Schimpfworte benutzt. Der möge sich doch mindestens daran erinnern, daß zwei sozial verschiedene Gruppen in Deutschland die nächsten leiblichen Verwandten sind. Es sind kaum drei Generationen her, seit unsere Urgroßväter dieselben gewesen sind. Man möge sich doch, wenn man von Klassenkampf, von Proletariat und von Besitzbourgeoisie redet, immer daran erinnern, daß das eigentlich zu ganz unmöglichen Differenzen innerhalb einer eigenen Nation führen kann.

    (Zuruf von der SPD: Wie schnell Sie das merken!)

    - Das habe ich schon gewußt, als ich ein so großer Bub war; Sie haben es vielleicht jetzt erst von mir zum ersten Mal gehört.

    (Zuruf von der SPD: Dann haben Sie aber Glück gehabt!)

    Jene Lehren, die das große Wunder einer besseren Weltordnung prophezeit haben, sind doch nur möglich gewesen, weil man den Sinn der ganzen modernen Marktwirtschaft und wirtschaftlichen Entwicklung verkannt hat. Jeder, der heute noch vor die Bevölkerung tritt und ihr erzählt, daß der Unternehmer ein Mann sei, der produzieren könne, was er wolle, und der das nur nach seinen Gewinnchancen bestimme, redet etwas Falsches. Das Charakteristikum der Marktwirtschaft ist nicht ein Unternehmer, der auf Gewinn produzieren kann, und das Charakteristikum einer geplanten Wirtschaft ist nicht eine Unternehmung, die nach dem Bedarf produziert, sondern das Charakteristikum der modernen Marktwirtschaft ist, daß sie die Voraussetzungen für die Arbeitsteilung, das Geheimnis unseres technischen Fortschritts, bis zum letzten erfüllt hat. Die Arbeitsteilung verlangt einen
    Preisvergleich, die Arbeitsteilung verlangt die Respektierung des Standortes und einen Austausch
    auf dem Markt. Die Arbeitsteilung ermöglicht es
    dem Konsumenten, die Aufträge an die Wirtschaft
    zu geben. Es ist nach unseren Auffassungen eine
    völlig törichte Vorstellung, daß etwa der Unternehmer oder seine Belegschaft in Deutschland die
    Möglichkeit haben, die Produktion zu bestimmen.
    Wir können deshalb auch diesem Mitbestimmungsrecht von vornherein entgegenhalten: Derjenige, der
    nach unserer Ansicht zu planen und Auftrag zu
    geben hat, ist der Konsument; seine Vertreter sind
    wir, dieses Parlament; aber seine Vertreter sind
    nicht die gewählten und konstituierten Verbandsführer von irgendwelchen Interessenorganisationen.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Es ist kennzeichnend, daß über dem Entwurf der SPD das Wort „Neuordnung der deutschen Wirtschaft" steht. Dort wird im wesentlichen nicht das Problem der Mitwirkung, das Schicksal des deutschen Arbeiters, erfaßt, sondern es wird versucht, einen völlig neuen Plan der Produktion und der Gesellschaft zu verwirklichen.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Man hat die Entwicklung der letzten hundert Jahre schlechtgemacht. Immerhin ist zu ihrem Vorteil doch zu sagen — ich habe das vorhin über die Entwicklung der Arbeitszeit gesagt —, daß die Reallöhne sich in diesen hundert Jahren in England vervierfacht haben. Immerhin ist für die letzten hundert Jahre zu sagen, daß die durch den Wettbewerb ermöglichte Produktion die Bevölkerung Europas von 90 auf 230 Millionen hat ansteigen lassen und sie leidlich ernährt hat.

    (Zuruf von der SPD: Aber auch wirklich leidlich!)

    — Ich drücke mich absichtlich sehr vorsichtig aus. Denn ich weiß, daß hier noch eine Reihe von Wünschen zu erfüllen sind. Aber, meine Damen und Herren, das Wesentliche oder vielleicht das Allerbedeutendste dieser Wirtschaftsordnung ist doch folgendes. Sie ist nur möglich mit freien Staatsbürgern, mit Freizügigkeit, mit frei abschließbaren und mit frei zu beendenden Arbeitsverträgen. Ich weiß — und ich werde darauf zurückkommen —, daß dieses Geheimnis, diese Garantie der Freiheit, die darin liegt, eine Hypothek auf das Lebensschicksal des deutschen Arbeiters bedeutet. Aber sie garantiert unter allen Umständen das, was wir die Freiheitsrechte des Bürgers nennen.

    (Zuruf links: Jeden Bürgers?)

    Hören Sie damit auf und befehlen Sie einen Arbeitseinsatz, planen Sie, dann haben diese Freiheitsrechte aufgehört zu existieren.
    Aber es ist das Wesentliche dieser Arbeitsteilung, dieser Marktwirtschaft, daß sie den jederzeit kündbaren Arbeiter braucht. Die Anpassung an den Marktauftrag, an den Wunsch des Konsumenten zwingt zur augenblicklichen Produktionsumstellung und zwingt damit dem Arbeiter jenes Schicksal auf, das in dem Wort Prolet am besten umschrieben ist. Nicht der, der ohne Besitz ist, ist heute der Prolet. — Sie wissen, das es bei mir kein Schimpfwort ist. — Der ist Prolet, der ohne jede Sicherung seiner Existenz ist, der unter dem arbeitsrechtlich kürzesten Kündigungstermin steht. Wir bezweifeln nicht, daß der Lohnarbeiter zusammen mit dem Unternehmer, der nur durch seinen Geldsack etwas weicher gepolstert ist, auf das Rad dieser Marktordnung geflochten ist. Wir behaupten aber, daß nicht der Unternehmer das Rad dreht, sondern daß der Konsument es dreht.


    (Dr. Hammer)

    Das enthebt uns nicht der Verantwortung für das Lebensschicksal des deutschen Arbeiters. Es gibt dazu eine Reihe von Wegen, und es sind eine Reihe von Wegen bereits beschritten worden. Krisenfest sollte man die Wirtschaft nicht machen. Man kann es nicht. Ich werde darüber heute nicht reden. Aber man kann durch Versicherung, durch Kündigungsschutz, durch arbeitsrechtliche Regelungen, etwa auch durch die Überführung der Stammangestellten ins Angestelltenverhältnis durchaus einen großen Teil der Arbeiterschaft krisenfest machen. Man kann die Produktionssteigerung der Wirtschaft hoffnungsvoll beurteilen und kann darüber hinaus noch einiges tun, um die Reallöhne zu steigern. Ja, meine Damen und Herren, wir sind gar nicht abgeneigt, bei der Beratung eines Mitbestimmungsrechtes uns zu überlegen, wieweit man aus der Rendite eines Unternehmens weitere Beträge durch irgendwelche Leistungslohnverträge herausnehmen und sie zu Löhnen machen kann. Wir denken nicht daran, derartige Dinge ohne weiteres außer Acht zu lassen. Nach unserer Ansicht sind ja die großen Gefahren, die dieser Entwicklung der modernen Marktwirtschaft drohen, auf politischem Gebiet zu bekämpfen. Nicht die kleine Krise im Wettbewerb einer blühenden Volkswirtschaft bedroht die Arbeiterschaft. Bedroht wird die Arbeiterschaft in ausgedehntem Maße durch die großen sogenannten Investitionskrisen, die dem Gefälle zwischen hockindustrialisierten und frühkapitalistischen Ländern dieser Welt entsprechen. Es wird die Entwicklung, die mit Paneuropa angedeutet ist, auch die Entwicklung sein, die zur Krisenverminderung und zur Krisenfestigung der Weltwirtschaft führen wird.
    Das alte Betriebsrätegesetz ist ja doch mit unseren politischen und geistigen Ahnen, zusammen mit Ihnen, meine Herren von der SPD, und mit Ihrem Vizekanzler Bauer gemacht worden. Es hat einmal eine Zeit gegeben, in der man sich verstanden hat. Friedrich Naumann ist ja der Mann gewesen, von dem das Wort stammt, daß unser Bekenntnis zur Nation und unser Bekenntnis zur Menschwerdung der Masse zwei Seiten einer und derselben Sache seien. Auf dem Wege aber, den Sie jetzt beschritten haben, den Sie im historischen Augenblick der letzten Jahre betreten haben, können wir Sie nicht weiter begleiten. Hattenheim war der Anfang der Verhandlungen zwischen den Unternehmern und den Gewerkschaften. Nun mögen Sie ja sagen: Du bist weder das eine noch das andere, Du hast es leicht, zu einem objektiven Urteil zu kommen. Mir graut es schon, wenn ich die beiden Verbände an einem Tisch sitzen sehe. Denn ich denke ja doch immer an meinen Lehrer Max Weber, der vor vielen Jahren gesagt hat: Gott soll das deutsche Volk davor schützen, daß es eine Solidarität zwischen Unternehmern und Gewerkschaften gäbe. Der Mann ist zweifellos ein alter Demokrat gewesen. Er wußte, daß das, was man später Korporationenstaat nannte, in der Luft liegt. Und er wußte etwas ganz genau. Er wußte, daß aus all derartigen Versuchen die Herrschaft einer Bürokratie herauskommt, die sich heute kein Arbeiter und kein Unternehmer in Deutschland vorstellen kann.
    Und er wußte noch etwas. Er wußte, daß, wenn die Herrschaft der Korporationen in Deutschland angefangen hat, die Herrschaft des Parlaments aufgehört hat.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Ich habe ganz bewußt „gleich" betont und von gleichgewichtigen Gewerkschaften und Unternehmern gesprochen. Vor dem Urteil des Staatsbürgers sind sie gleich gefährlich und in ihren Funktionen gleich bedeutend. Wenn uns aber unterstellt wird, wir gedächten grundsätzlich etwas gegen die Entwicklung der Verbände und der Gewerkschaften als notwendiger Tarifpartner zu sagen, so möchte ich wissen, wo Sie, meine Damen und Herren, aus meinen Ausführungen in dieser Beziehung das Geringste herauslesen können.
    Meine Damen und Herren, es dreht sich hier um den Versuch einer Wirtschaftsplanung. Wer die Beteiligung der Gewerkschaften in dem Umfange verlangt, in dem Sie, meine Herren von der Sozialdemokratie, sie fordern, der hat die Absicht, zu planen, und damit steht er vor der Notwendigkeit, einen Machtapparat aufzubauen. Düsseldorf soll die Stadt der Gewerkschaften werden, und wenn diese Entwicklung weiterläuft, dann wird sie die Hauptstadt Deutschlands werden. Gott soll das verhüten!

    (Lachen und Zurufe bei der SPD.)

    Die Stadt der Gewerkschaften kann sie ruhig bleiben; aber wir verbitten uns als deutsche Staatsbürger, daß irgend jemand anders als dieses Parlament in Deutschland entscheidet.

    (Bravo! bei der FDP. — Zurufe von der SPD.)

    Es gibt einprägsame Erlebnisse, die der Mensch gehabt hat. Der eine nimmt sie mit den Augen, der andere mit den Ohren auf.

    (Zuruf von der SPD: Mit dem Magen! — Heiterkeit.)

    — Das auch. — Mich hat eigentlich nichts mehr beeindruckt als die Betrachtung Sowjetrußlands. Sehen Sie, als ich nach zwanzig Jahren zum ersten Male dort wieder hinkam, waren die vergoldeten Kuppeln der orthodoxen Kirchen verschwunden, die Kulturlandschaft sah völlig anders aus, und staunend stellte ich fest, daß in dieser sozialistischen Kulturlandschaft ein neues Bauwerk entstanden war. Die Landser wußten erst nicht, was das war. Sie dachten, das wäre ein trigonometrischer Punkt in den Kolchosen, bis sie dann feststellten, daß dieser Balkenturm ein Kommandoturm war. Wenn Sie heute durch Rußland gehen, dann sehen Sie überall am Horizont diese Kommandotürme.

    (Zuruf von der KPD: Furchtbare Märchen erzählen Sie, Sie armer Sünder!)

    — Haben Sie nichts gesehen?

    (Zuruf von der KPD: Ich habe da 41/2 Jahre gelebt!)

    — Dann haben Sie wohl von einem Truppenarzt eine schlechte Brille verpaßt bekommen.

    (Heiterkeit. — Zurufe von der KPD.)

    Meine Damen und Herren, nichts ist für die Entwicklung von 20 Jahren Planwirtschaft kennzeichnender, als daß dort ein Kommandoturm notwendig ist, um die Arbeit jener Einrichtung in Gang zu halten,

    (erneute Zurufe von der KPD)

    die einmal mit der Idee der Betriebsgemeinschaft und des gemeinsamen Rates, des Rätesystems begonnen hat.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Wer anfängt, gegen unser Wirtschaftssystem grundsätzlich zu rebellieren,

    (wiederholte Zurufe von der KPD)

    der muß sich der Gefahr bewußt sein, daß am Ende die Sklaverei steht.

    (Bravo! bei der FDP. — Lachen und Zurufe bei der SPD und KPD.)



    (Dr. Hammer)

    Man braucht ja nicht dagegen zu rebellieren. Man hat ja die verantwortliche Tätigkeit des Politikers, man hat die Möglichkeit einer ausgezeichneten und weitreichenden Sozialversicherung, und man hat tausend andere Möglichkeiten, die nicht in den Rahmen eines solchen Gesetzes hineingehören. Alle diese soll man mit voller Verantwortung ausschöpfen, aber nicht vergessen, daß man die Existenz der abendländischen Gesellschaft mit Experimenten bedroht.

    (Bravo! bei der FDP. — Zuruf von der KPD: Die Existenz der Millionäre!)

    Meine Damen und Herren, nach dem, was ich eben gesagt habe, werden Sie wissen, wo meine Kritik am Gesetzentwurf der CDU einsetzt. Erfreulich ist, daß das Wort Mitwirkung darin steht, daß also das Problem klar ist, daß eine sinnvolle Werktätigkeit, eine Beziehung des Arbeiters zur Arbeit wieder geschaffen werden muß. Völlig indiskutabel ist für uns die Vorstellung einer Schiedsstelle. Nach meinen Ausführungen von vorhin werden Sie wissen, daß nach unserer Ansicht über die Produktion nicht Unternehmer und Betriebsrat gemeinsam zu entscheiden haben, sondern die Befehle des Marktes auszuführen sind. Ich bitte Sie, sich doch einmal die Funktion einer Schiedsstelle vorzustellen. Da sitzt einer, der Richter oder Volkswirtschaftler oder ein irgendwie leidlich allgemein gebildeter Mann guten Willens ist. Dem legen Sie nun die Frage vor, ob das Unternehmen Fahrräder oder Schreibmaschinen produzieren soll.

    (Abg. Dr. von Brentano: Ach nein! — Abg. Dr. Schröder: Keine Rede davon!)

    Wer entscheidet denn derartige Dinge? Derartige Dinge entscheidet immer eine letzte Instanz, eine Instanz, die über Ihren Instanzen steht, nämlich der Mann, der bereit ist, den Plunder zu kaufen.

    (Abg. Heiland: Hoffentlich nicht Sie; dann ist die deutsche Volkswirtschaft längst pleite!)

    — Meine Damen und Herren, es ist gar keine schlechte Bemerkung gewesen, als jemand folgendes gesagt hat: Wenn dieses Mitbestimmungsrecht, bezogen auf grundlegende Änderungen des Betriebszweckes, in England vor 150 Jahren bestanden hätte, dann wäre wohl die Spinnmaschine in England heute noch nicht eingeführt.

    (Sehr richtig! bei der FDP. — Widerspruch und Lachen in der Mitte, bei der SPD und KPD.)

    Meine Damen und Herren, Sie wissen ja doch ganz genau, daß hinter dieser Mitbestimmung der Gewerkschaften die letzte politische Leidenschaft und keinerlei Respekt vor den Aufgaben des Augenblicks steht.

    (Lebhafter Widerspruch bei der SPD.)

    Verstehen Sie denn nicht, meine Damen und Herren: Wer heute noch von Klassenkampf redet, wer mit Streiks gegen den Staat, gegen die Gesetzgebung droht, ist der ein Mann der Vernunft oder ist er ein Mann, der angreift,

    (erneuter Widerspruch bei der SPD)

    Macht haben will und um Macht kämpft?

    (Lebhafter Beifall bei der FDP.)

    Das wußte Herr Vizekanzler Bauer im Jahre 1919;
    aber Sie haben die Wahrheiten vergessen. (Abg. Euler: Sehr richtig! — Abg. Mellies: Nur gut, daß Sie erhalten geblieben sind, sonst wäre die Welt schon untergegangen!)

    Meine Damen und Herren, nun ein letztes Wort zum Entwurf der CDU. Da, wo die Schiedsstelle außerhalb arbeitsrechtlicher Beziehungen erwähnt
    wird, kann sie von uns nicht respektiert werden. Ich muß aber zu dem Entwurf noch eines sagen. Da, wo es sich um soziale Mitbestimmung dreht, wären wir durchaus bereit anzuerkennen, daß nicht eine Mitbestimmung des Unternehmers mit den Arbeitnehmern Platz greifen oder die Funktionen gegenseitig geregelt werden sollten, sondern daß man ruhig an eine völlige Selbstverwaltung der Sozialfonds durch die Arbeiterschaft denken könnte.
    Unsere Stellungnahme zum Entwurf der CDU wird sich nachher ergeben. Wir werden ja heute noch lange darüber reden, und es wird ja noch mancher sein Scherflein dazu beitragen. Mir ist bei der Beurteilung des Entwurfs der CDU eine kleine Geschichte von Hasek eingefallen, der den „Braven Soldaten Svejk" geschrieben hat. Von diesem gibt es eine Kurznovelle von einer böhmischen Magnatin. Diese erhielt den Besuch ihres Beichtvaters, und der schilderte ihr die große Not, in die ihr Schweinehirt geraten war; der war krank und nagte mit seinen sieben Kindern an dem obligaten Hungertuch. Da stürzte, zu Tränen gerührt, diese Dame an die Anrichte ihres Speisezimmers und drückte dem geistlichen Herrn eine Ananas in seine Soutane. Meine Herren, eine ergreifende Handlung, aber völlig unzweckmäßig!

    (Beifall bei der FDP. — Abg. Neumann: Wie rührselig! — Widerspruch und Gelächter in der Mitte. — Zurufe und Gegenrufe zwischen FDP, CDU und SPD.)