Meine Damen und Herren! Wir schlagen Ihnen vor, in § 9 den ersten Absatz zu streichen und ihn durch folgende Neufassung zu ersetzen:
Durch Bundesgesetz werden rechtzeitig im voraus für jedes Getreidewirtschaftsjahr die Preise für Getreide festgelegt. Der Bundesminister hat seine Aufsichts- und Weisungsbefugnisse über die durch dieses Gesetz geschaffenen Organe so auszuüben, daß die Einhaltung dieser Preise gewährleistet ist.
Wir schlagen weiter vor, in § 9 den vierten Absatz in der Fassung des 19. Ausschusses zu streichen und in dem dritten Absatz hinter „kann" die Worte „durch Rechtsverordnung" einzufügen.
Ich muß Ihnen gestehen, daß uns diese Änderung unvergleichlich mehr am Herzen liegt als die Änderung, die ich Ihnen eben vorzuschlagen die Ehre hatte und der Sie leider nicht zugestimmt haben. Es handelt sich hier für uns um einen absolut fundamentalen Bestandteil eines Gesetzes, das, wie ich vorhin schon ausgeführt habe, der große und, wie wir hoffen, sehr langfristige und sehr haltbare Friedensvertrag zwischen Erzeuger und Verbraucher sein soll. Der Zweck dieses Gesetzes ist die Stabilisierung der Getreidepreise und damit in den ferneren Auswirkungen auch der Brotpreise im gemeinsamen Interesse von Erzeugern und Verbrauchern.
Gestatten Sie mir, ein paar Worte über die historische Bedeutung dieser Tatsache zu sagen. In Deutschland ist es nötig, zu sagen, daß die Stabilisierung der Agrarpreise im gemeinsamen Interesse von Erzeugern und Verbrauchern keineswegs eine Erfindung des Nationalsozialismus ist. Es ist nötig, zu sagen, daß die wichtigsten Bestandteile dieser Politik schon vom Reichstag der Weimarer Republik geschaffen worden sind. Ich sehe in diesem Hause von weit links bis weit nach rechts hinüber noch Kollegen aus dem alten Reichstag, die an dieser grundlegenden Preisstabilisierungsgesetzgebung mitgearbeitet haben. Weil wir glauben, daß es sich hier um ein Gesetz von sehr großer historischer Tragweite handelt, und weil wir glauben, daß hier eine ungewöhnlich solide Arbeit geleistet werden
muß, weil wir überzeugt sind, daß mit der Stabilisierung der Preise im gemeinsamen Interesse von Erzeugern und Verbrauchern so ernst gemacht werden muß, wie überhaupt ernst gemacht werden kann, deswegen schlagen wir Ihnen vor, den wichtigsten Bestandteil der Materie, nämlich die Festsetzung solcher Preise, die im gemeinsamen Interesse von Erzeugern und Verbrauchern sind, die hoch genug sind, um dem Bauern einen angemessenen Ertrag für seine Arbeit zu ermöglichen, und die so sind, daß der Verbraucher sie auch bezahlen kann, nicht mit dem unvollkommenen Mittel der Rechtsverordnung zu regeln, sondern klar und deutlich jedes Jahr durch Bundesgesetz
Wenn es, meine Damen und Herren, noch irgendeinen Zweifel darüber hätte geben können, ob eine Rechtsverordnung, und zwar eine solche, die den Bundestag zu passieren hat, gegenüber einer so wichtigen Lebensfrage ein ausreichendes oder ein unzulängliches Instrument ist, so hätten uns die Verhandlungen der letzten Woche darüber die Augen öffnen müssen. Erinnern Sie sich daran, wie wir über eine Rechtsordnung haben abstimmen müssen, bei der der wichtigste Tatbestand: ob die Preise, die dort gemeint waren, Höchstpreise oder Festpreise sein sollten, sich über Nacht geändert hatte. Der Tatbestand war so stark im Zweifel, daß bei einem Teil der Mitglieder dieses Hohen Hauses eine Drucksache vorlag, in der diese Preise als Festpreise bezeichnet waren, während ein anderer Teil der Mitglieder des Hauses eine Drucksache in Händen hatte, in der sie als Höchstpreise bezeichnet waren. Wenn wir es ernst meinen mit der Aufgabe der Preisstabilisierung, so müssen wir auch das ernsteste Instrument zur Festsetzung dieser Preise schaffen, und das ernsthafteste und würdigste Instrument dafür ist ein Bundesgesetz.
Darf ich Ihnen zum Schluß noch ein Wort darüber sagen, wie sehr es uns am Herzen liegt, daß dieses Gesetz mit der von uns hier vorgeschlagenen Änderung auf der breitesten Grundlage zustande kommt. Sie wissen, daß wir in dieser Frage nicht restlos souverän sind. Ich will keine Einzelheiten darüber anführen. Ich halte es aber für unmöglich, daß das deutsche Volk nicht das Recht haben soll, solche Dinge wie Brotpreis und Getreidepreis nach seiner eigenen Gesetzgebung festzulegen, so wie es England, Norwegen und sämtliche anderen Ländern, die dem Marshallplan angeschlossen sind, auch tun.
Wir müssen dieses Recht für uns in Deutschland auch haben. Die größte Sicherheit, die wir nach dem heutigen Stande des Besatzungsrechtes haben und schaffen können, damit uns dieses Recht nicht beschnitten und nicht geschmälert wird, ist die Annahme dieses Gesetzes und der zentralen Bestimmungen dieses Gesetzes mit der breitesten Mehrheit, die in diesem Hause möglich ist.