Meine verehrten Damen und Herren! Ich bitte Verständnis dafür zu haben, wenn wir Wert darauf legen, daß auch aus meiner bayerischen Heimat eine sachliche und — wie ich glaube sagen zu dürfen - auf Erfahrungen beruhende Stellungnahme zu dieser wichtigen Ange-
legenheit vorgetragen wird. Der Entwurf geht von den im Ruhrgebiet gemachten Erfahrungen aus und ist nach ihnen konzipiert. Wir haben selbstverständlich dafür volles Verständnis; wir bitten aber, bei der Durcharbeitung im Ausschuß die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe, die Kleinbetrieb-, insbesondere in der Fertigindustrie, und die Mittelbetriebe nicht zu übersehen. Wir wollen diese nicht dem Gesetz entziehen, doch müssen Fassungen gefunden werden, die Streitigkeiten, Zweifel und Unstimmigkeiten von vornherein verhüten.
Die Verwaltung muß — darauf ist schon hingewiesen worden — zweifellos aus diesem Bereich herausgenommen werden.
Bereits nach 1920 sind für die Verwaltung eigene Betriebsvertretungen geschaffen worden, und das muß auch hier geschehen, weil sonst Konflikte mit den Bestimmungen über die öffentliche Verwaltung entstehen.
Wichtig ist natürlich, und zwar deshalb, weil hier die Wirtschaftsausschüsse im Gegensatz zu der Regelung des Betriebsrätegesetzes vorgesehen worden sind, daß die Betriebe der Selbstverwaltung gesondert behandelt werden. In bezug auf die sozialen Verhältnisse ist das Mitbestimmungsrecht zweifellos auch hier notwendig. In bezug auf die wirtschaftliche Zielsetzung müssen bei der Selbstverwaltung, die unter der Kontrolle der Öffentlichkeit, der Aufsicht der Landesregierungen und unter Umständen letztlich auch der Bundesregierung steht, soweit eine Zuständigkeit gegeben ist, diese Zuständigkeiten voll gewahrt werden, wenn wir überhaupt noch von Selbstverwaltung sprechen wollen. Hier hat das Betriebsrätegesetz keine Schwierigkeiten geschaffen.
Auch hinsichtlich der organisatorischen Verhältnisse muß der Entwurf einer Durcharbeitung unterzogen werden, damit eine klare Abgrenzung der Zuständigkeiten der in Frage kommenden Stellen und Verwaltungen erfolgt. Weiterhin muß eine klare arbeitsrechtliche Durcharbeitung geschehen, wie sie beim Betriebsrätegesetz vorhanden war.
Weil ich gerade vom Betriebsrätegesetz spreche, darf ich Sie, meine Damen und Herren, daran erinnern, unter welchen schwierigen Umständen in Weimar und in Berlin dieses Gesetz in einer gesetzestechnisch so ausgezeichneten Weise zustande gekommen ist. Wir müssen wirklich heute noch den Männern im Reichsarbeitsministerium und in den Ausschüssen Anerkennung dafür zollen, daß sie dieses Werk unter so schweren Verhältnissen zustande gebracht haben. Wir haben in der Zeit zwischen 1933 und 1945 die erforderlichen gesetzestechnischen Fähigkeiten verloren oder jedenfalls noch nicht wieder gewonnen. Auch auf die gesetzestechnische Arbeit müssen wir im Ausschuß ganz besonderes Gewicht legen.
Der Entwurf der SPD geht insofern weit über den der CDU hinaus, als er großes Gewicht auf das überbetriebliche Mitbestimmungsrecht, also außerhalb des Betriebes legt. Hier ergibt sich ein ähnliches Problem wie bei der Selbstverwaltung bezüglich der verfassungsmäßigen Organe der Regierung, der Volksvertretung und des Bundeswirtschaftsrats, wenn ich ihn kurz so bezeichnen dar. Das wird deshalb so wichtig sein, weil wir neuerdings unter dem Druck stehen, rasche Entscheidungen zu treffen. Denken Sie nur an die Zeit der Pfundabwertung, in der schnelle Entscheidungen notwendig waren. Wenn dieses Organ als verfassungsmäßiges Organ geschaffen wird, muß es so geschaffen werden, daß ein raches und reibungsloses Zusammenarbeiten ermöglicht wird.
Was die Wirtschaftskammern betrifft, so darf ich, meine Damen und Herren, wohl kurz das eine sagen, daß ihre wirtschaftspolitische Bedeutung weit überschätzt wird. Ihre Aufgaben sind die der Wirtschaftsverwaltung, vielfach gutachtliche Stellungnahmen in einem beschränkten Verwaltungsgebiet. Jedes wichtige Wirtschaftsgesetz, das wir erlassen, hat dagegen eine viel größere wirtschaftspolitische Bedeutung als die Arbeit dieser Kammern überhaupt. Wichtiger erscheint mir die Zusammenfassung der Arbeit aller Kammern seitens der Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Hier taucht wieder das gleiche Problem auf wie das der Bezirkswirtschaftsräte. Es ist die Frage: wie soll das organisatorisch verwirklicht werden, wie sollen die Aufgaben festgelegt werden? Das sind Dinge, die wir ja in der Zeit zwischen 1920 und 1926 eingehend bearbeitet haben und die dann, insbesondere nach der Stabilisierung der Währung und nachdem die Wirtschaft etwas aufblühte, wieder zur Seite gelegt worden sind.
Meine Damen und Herren, es ist nun zwar mit Recht von dem Risiko gesprochen worden, das insbesondere der Arbeitnehmer im Falle einer verfehlten Wirtschaftsführung des Betriebes tragen muß. Ich bitte aber, auf eines hinweisen zu dürfen, und wundere mich nur, daß dieser Hinweis bei den bisherigen wirtschaftspolitischen Auseinandersetzungen noch nicht erfolgt ist: alle großen Krisen, durch die wir seit dem ersten Weltkrieg gegangen sind, waren Folgen weltpolitischer, nicht rein wirtschaftlicher Vorgänge; sie waren die Folgen der Zerstörung der Weltwirtschaft durch den ersten Weltkrieg und damit des Zusammenbruchs der Währungen. Auch die Rationalisierung und alle diese Ereignisse samt der großen Krise von 1930 bis 1934 waren letztlich die Folgen dieser Verhältnisse; sie war keineswegs nur eine deutsche Krise, sondern eine Krise, die die ganze Weltwirtschaft, sowohl die Siegermächte als auch die besiegten und die neutralen Mächte erfaßt hatte. Wir können heute auf die Einzelheiten nicht eingehen; aber ich möchte doch bitten, auch diese Zusammenhänge zu erkennen, da es der sachlichen Beurteilung unserer Aufgaben nur dienlich wäre.
Ich war überrascht, daß heute in der Frage der Gleichberechtigung und der Gleichachtung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer Töne angeschlagen worden sind wie etwa der vom Herr-im-Hause-Standpunkt und von der Drohung der Überwindung dieses Standpunktes, von denen wir geglaubt haben, daß sie seit Jahrzehnten überwunden wären. Ich bitte versichert zu sein, daß wir immer diese Gleichberechtigung und diese Gleichachtung nicht nur aus einem rechtlichen, sondern auch aus einem sozialethischen Bewußtsein betont haben, daß unsere Arbeit seit Jahrzehnten von der Überzeugung von einer solchen Notwendigkeit erfüllt gewesen ist und daß wir auch mit dieser Absicht jetzt an die Arbeit herangehen wollen. Wir wollen dabei keineswegs die technische und wirtschaftliche Zielsetzung des Unternehmers, den wirtschaftlichen Fortschritt irgendwie hemmen; und ich kann mit Genugtuung feststellen, daß diese Zusicherung ja auch von der Opposition gegeben worden ist. Wir glauben aber auch, daß im Verfolg der seinerzeitigen Betriebsausschüsse, später der Betriebsräte, die Entwicklung dieses organisatorsichen Gedankens und dieser Mitwirkung und Mitbestimmung eine notwendige Konsequenz der ganzen Entwicklung ist.
Wenn wir in der Vergangenheit unserer Aufgabe gerecht werden wollten, so haben wir immer eine Überlegung angestellt, und ich bitte diese Überlegung auch für diese Aufgabe zu würdigen. Als seinerzeit die gemeindliche Selbstverwaltung errichtet wurde, hat man sie als die Schule des Bürgertums betrachtet, als die Vorstufe für den Übergang zu einer damals konstitutionellen Volksvertretung. Und in gewissem Sinne gilt diese Parallele heute in der Wirtschaft für die Arbeitnehmer. Wir dürfen nicht verkennen. daß die Unterrichtung in wirtschaftlichen Angelegenheiten im Betrieb und daß die wirtschaftliche Erfahrung auch eine Vorstufe zur richtigen Beurteilung der Wirtschaftsfragen im politischen Leben sind; und ich möchte wünschen, daß das gegenseitige Mißtrauen, das diese Arbeit und auch diese Debatte vergiftet und das durch Drohungen nicht beseitigt, sondern nur verschärft werden kann, hinter der sachlichen Arbeit verschwindet, hinter die wir uns stellen wollen. Wir stellen uns in den Dienst der Aufgabe als sachliche Mittler zwischen dem, was in einem technisch und wirtschaftlich leistungsfähigen Unternehmen festgehalten werden muß, und den berechtigten Belangen der Arbeitnehmerschaft in unserer Wirtschaft und im Staate.