Sie ist auch geeignet, die ganze Lage der Frauen und der Arbeiterschaft im allgemeinen außerordentlich zu erschweren. Das ist die eine Seite dieses Problems.
Die andere Seite, mit der wir uns heute hier zu beschäftigen haben, ist der schädigende Einfluß, den die Erwerbsarbeit der Frau auf die werdende Mutter und auf die physische Entwicklung der jungen Generation ausübt. Die Erwerbsarbeit gefährdet nicht nur die schwangere Frau, sondern auch die Mutter und den Säugling. Aus dieser Erkenntnis ist man in allen Ländern Europas dazu übergegangen, einen Arbeiterinnenschutz einzuführen. Ich setze voraus, daß die Damen und Herren dieses Hohen Hauses über die Entwicklung in den einzelnen europäischen Ländern im Bilde sind, und möchte mich darauf beschränken, einige Zahlen über die Entwicklung in Deutschland zu geben.
Bereits im Jahre 1828 wurde in Deutschland der erste Vorstoß auf diesem Gebiete gemacht. Der Grund hierfür war, daß die Kinderarbeit zum Beispiel in den Fabriken solchen Umfang angenommen hatte, daß namentlich die bürgerlichen Kreise fürchteten, durch das Aussterben der Arbeiterkinder werde keine Möglichkeit mehr bestehen, die notwendigen Soldaten zu stellen, was in der damaligen Zeit bei diesen Kreisen große Kopfschmerzen verursachte. Zu dieser selben Zeit, als die Sozialreformer aufstanden und gegen die Kinderarbeit protestierten, ist aus Arbeiterkreisen der Ruf erklungen, daß endlich eine Einschränkung der Kinderarbeit erfolgen, darüber hinaus aber ein Arbeiterinnenschutzgesetz geschaffen werden müsse. Das hat bis zum Jahre 1853 gedauert. Erst in diesem Jahre war es möglich, ein Gesetz zu bekommen, wonach Fabrikinspektoren dort eingeführt werden konnten, wo ein Bedürfnis vorlag.
Dann kam das Jahr der Reichsgründung, 1871. Die im Jahre 1869 vom Norddeutschen Bund geschaffene Novelle zur Gewerbeordnung wurde damals vom Reich übernommen. Um diese Zeit wurde auch der erste Fortschritt auf diesem Gebiet erzielt. Es konnten jetzt Schutzmaßnahmen ergriffen werden, um auch die Frau in der Arbeit, ganz besonders mit Rücksicht auf ihre Gesundheit und vor allen Dingen auch in sittlicher Hinsicht zu schützen. Nun, meine Damen und Herren, es wird nicht überheblich klingen — denn man muß der Wahrheit die Ehre geben, wenn man über geschichtliche Dinge spricht —: Der Anstoß zu dieser Novelle war ein Antrag, der von den damaligen 12 sozialdemokratischen Abgeordneten im Reichstag gestellt wurde, als diese Abgeordneten einen Wöchnerinnenschutz forderten.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, wir waren uns darüber klar, daß alles das, was bis zum Jahre 1927 und bis zum Jahre 1933 in dieser Frage möglich war, unzulänglich war, so daß wir uns immer wieder auf die Tribüne der Parlamente stellten und einen ausreichenden Mutterschutz forderten. Denn gerade die Höhe der Kindersterblichkeit in Deutschland war so groß, daß nicht nur wir, sondern auch andere Kreise sich ernsthafte Sorge machten.
Lassen Sie mich einige Zahlen nennen: Vom Jahre 1871 bis zum Jahre 1912 — in einem Zeitraum von 41 Jahren — sind in Deutschland 17 Millionen Kinder vor Ablauf des ersten Lebensjahres wieder ins Grab gesunken, 17 Millionen, von denen man die Hälfte, ja ich möchte sogar behaupten zwei Drittel hätte am Leben erhalten können, wenn man beizeiten einen ausgedehnten Säuglings- und Mutterschutz geschaffen hätte. Aber alle Anträge, die von den Vertretern der Sozialdemokratie im Reichstag nach dieser Richtung hin vor 1914 eingebracht wurden, wurden bekanntlich mit der Begründung abgelehnt, es sei kein Geld für die Durchführung dieser Forderungen vorhanden. So sehen wir, daß auch früher kein Geld für die Durchführung dieser Forderungen da war. Wenn alle die Milliarden Steuern, die nicht allein von den Besitzenden, sondern auch von den breiten Massen der arbeitenden Bevölkerung aufgebracht wurden, nur dazu bestimmt waren, Maschinen und Institute zu schaffen, die dem Zweck dienten, Menschen zu töten, so war natürlich kein Geld vorhanden, wenn es sich darum drehte, Institute zu schaffen, die dem Zweck dienen sollten, Menschen am Leben zu erhalten.
Die Zahl von 17 Millionen, die ich Ihnen nannte, geht aus den Statistiken hervor, die zwar nackte Zahlen sind, aber nichts darüber zum Ausdruck bringen, wieviel Mutterhoffnungen und wieviel Vaterstolz zu Grabe getragen wurden, als diese Kinder vor Ablauf des ersten Jahres der Erde übergeben werden mußten.
So legen wir Ihnen heute mit der Drucksache Nr. 1182 ein Gesetz zum Schutze der Mutter vor. Ich bedauere, daß der Arbeitsminister, obschon er es uns versprach, nicht rühriger gewesen ist. Trotzdem glaube ich, daß in Ausführung des § 1 Abs. 2 für dieses Ministerium der Bundesregierung noch außerordentlich viel zu tun übrig bleibt. Denn wir fordern in diesem zweiten Absatz, daß der Bundesarbeitsminister für die Ehefrauen der Arbeiter, Angestellten und Beamten, der Handwerker, Landwirte und sonstigen Gewerbetreibenden sowie der Angehörigen der freien Berufe und deren mithelfenden Familienangehörigen Vorschriften über einen entsprechenden Mutterschutz erläßt.
Und warum, meine Damen und Herren? Weil die heutige Familienhilfe, die in der RVO verankert ist
nicht ausreicht, um eine • Wöchnerin ausreichend zu
versorgen, besonders dann nicht, wenn sich noch
Krankheit oder andere Komplikationen einstellen.
Im § 2 finden Sie die Beschäftigungsverbote. Es wird den weiteren Beratungen der Beteiligten noch überlassen bleiben zu prüfen, ob die von uns aufgeführten Verbote heute ausreichend sind oder ob wir vielleicht noch einen Schritt weiter tun müssen.
Ich will mich nun über all die anderen Paragraphen nicht weiter äußern. Es ist eine Selbstverständlichkeit, was in §§ 3, 4 und 5 gesagt wurde. Ich möchte mich aber im besonderen mit dem § 6 befassen, nämlich mit dem Kündigungsschutzparagraphen. Meine Damen und Herren, Sie werden vielleicht in der Diskussion auch auf diesen Paragraphen zu sprechen kommen und werden sagen, daß der Wirtschaftsrat bereits eine Regelung getroffen habe, daß allerdings dieses Gesetz nicht in Kraft sei. Für das, was sich inzwischen getan hat, obschon das Gesetz des Wirtschaftsrates nicht in Kraft ist, sind wir von unserer Fraktion in der Lage Beweise anzutreten, so daß jedes Mitglied dieses Hohen Hauses sich mit einer anderen Regelung als der, die wir vorgeschlagen haben, nicht mehr einverstanden erklären kann.
Im Gegenteil! Lassen Sie mich hier folgendes sagen: Wenn wir hier den Kündigungsschutz ganz besonders hervorheben, dann deswegen, weil uns bekanntgeworden ist, daß Unternehmer heute erklären, man könne es Ihnen nicht zumuten, den Arbeitsplatz für eine solche Frau zwölf Wochen freizuhalten. Meine Damen und Herren, ich will Ihnen etwas sagen: zu jeder Zeit waren die besitzenden Kreise unseres Volkes bereit, in sozialpolitischen Dingen etwas zu tun, wenn es sich darum drehte, ihre Interessen auf den Schlachtfeldern zu vertreten. Aber wenn diese Möglichkeit nicht vorhanden ist, wie in der gegenwärtigen Situation, dann sind sie nicht bereit, fortschrittlich im sozialpolitischen Den-den und Handeln zu sein, sondern sie sperren sich gegen alles, was auf diesem Gebiet an Fortschrittlichem getan werden soll.
— Die Beweise werden Sie vielleicht noch bekommen, Herr Dr. Hammer! Wir werden uns auf die Diskussion noch einzulassen haben.
§ 7 regelt dann das Wochen- und Stillgeld. Hier finden Sie an sich nichts Neues, sondern das, was bereits der Wirtschaftsrat beschlossen hat. Ich hoffe nicht, daß ein Mitglied dieses Hauses eine Verschlechterung dessen wünscht, was hier vorgeschlagen ist, sondern ich nehme an, daß es Ihre Zustimmung findet.
Die weiteren Paragraphen werden der Ausschußberatung überlassen bleiben. Ich bitte Sie im Sinne all derer, die darauf warten, daß sich der Bundestag endlich mit den Hunderttausenden der Frauen beschäftigt, die ihren Schutz haben müssen, und zwar einen ausreichenden Schutz, wenn sie sich Mutter fühlen, daß Sie diesem Gesetz Ihre Zustimmung erteilen. Ich danke Ihnen.