Rede von
Dr.
Robert
Lehr
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von dem Mitbestimmungsrecht und den verschiedenen Entwürfen, die heute vorgelegt werden, gilt das Wort, das Schiller seiner Wallenstein-Trilogie zugrunde gelegt hat:
Von der Parteien Haß und Gunst entstellt,
schwankt ihr Charakterbild in der Geschichte. Ich glaube nicht, daß die Schärfe mancher Auseinandersetzungen, die ich persönlich sehr bedauert habe, im Anfang der Besprechungen dazu beigetragen hat, die Entwürfe unserem Herzen menschlich näherzubringen. Ich möchte mich bemühen, in rein sachlicher Darstellung zu Ihnen von den Grundgedanken zu sprechen, die uns beseelt haben, als wir dieses Rahmengesetz schufen.
Meine verehrten Damen und Herren, wir können bei dieser Frage des Mitbestimmungsrechts wirklich nicht nur von verstandesmäßigen Überlegungen ausgehen, wenn es sich darum handelt, eine neue Gemeinschaftsordnung zu schaffen, eine neue Wirtschaftsverfassung zu entwerfen, die unserem Wirtschaften für die Zukunft eine neue Blickrichtung geben soll. Das ist nicht nur eine Sache des Verstandes, das ist auch eine Sache des Herzens.
Als der Entwurf noch nicht einmal eingebracht war, erhoben sich schon Stimmen der Kritik bereits an den Fragen der Zuständigkeit. Es sind selbst von den hohen Regierungssitzen aus Zweifel erhoben worden, ob wir, nachdem die Regierung mit dieser Materie schon einmal befaßt war, eigentlich noch sachlich legitimiert seien, die Initiative zu ergreifen. Meine Damen und Herren, der Verzicht auf das Initiativrecht ist selbst dann für eine Partei un-
möglich, wenn sie ein Königsmacher ist und wenn sie selber ihre Minister abordnet.
Vielleicht ist noch irgendein Ressentiment bei unserer Regierung zurückgeblieben; denn die nicht gerade vollzählige Besetzung der Ministerbank deutet immerhin auf ein Überbleibsel eines solchen Ressentiments hin.
Uns aber von der CDU/CSU ist jede Initiative der Regierung durchaus erwünscht gewesen. Wir haben die fortgesetzten Bemühungen unseres Arbeitsministers Storch mit den besten Wünschen von uns aus begleitet und ihm vollen Erfolg gewünscht und wünschen ihm den Erfolg auch heute noch.
Aber wir haben heute morgen einen Einblick bekommen, warum trotz der in diesen Verhandlungen und Gesprächen zutage getretenen guten Haltung auf allen Seiten ein Erfolg ausblieb; denn ganz offensichtlich haben hinter diesen Verhandlungen machtpolitische Erwägungen gestanden, die die Einigung erschwert und die Verständigung am Schluß vereitelt haben. Beide Sozialpartner sind dazu übergegangen, ohne Rücksicht auf diese Gespräche in Denkschriften und in Gesetzesvorschlägen ihre Meinungen festzulegen. Damit war bestätigt, daß das Mitbestimmungsrecht seit langem nicht nur im Brennpunkt des politischen Interesses steht, sondern daß es auch gleichzeitig die umstrittenste aller Fragen geworden ist, die wir auf wirtschaftlichem Gebiet heute zu lösen haben. Und damit waren der Grund und die Notwendigkeit gegeben, auf der politischen Ebene die Initiative zu ergreifen und vor diesem Forum die Fragen zu entwickeln, deren Lösung offenbar den Partnern nicht möglich gewesen ist.
In einem Zeitpunkt außenpolitischer Bedrohung, die unser ganzes innerpolitisches Leben überschattet, müssen eben alle Anstrengungen darauf gerichtet werden, den Wirtschaftsfrieden zu sichern, und es müssen von allen im Betrieb heute wirk. samen Kräften die höchsten Leistungen verlangt werden. Dann dürfen aber auch auf der anderen Seite keine Schritte unterlassen werden, welche klar zutage getretene Spannungen beseitigen können.
Nach dem Zusammenbruch des Jahres 1945 war uns allen klar, daß die Völker zu einer umfassenden Neuordnung der Beziehungen untereinander und auch innerhalb ihres eigenen Staatenbaues aufgerufen wurden, und das gilt vor allem für uns in Deutschland. Insbesondere galt es, von neuem eine sozial verpflichtete Wirtschaft aufzubauen und sich dabei von Rückerinnerungen an vergangene Machtkämpfe, an frühere Vorurteile und an etwaige Klassengegensätze freizuhalten. Aus dieser Erkenntnis hat die CDU/CSU das Ahlener Programm und die Düsseldorfer Leitsätze entwickelt. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, dem deutschen Volk durch eine Gemeinschaftsordnung eine Wirtschafts- und Sozialverfassung zu geben, die dem Recht und der Würde des Menschen entspricht, dem geistigen und materiellen Aufbau unseres Volkes dient und den inneren und äußeren Frieden sichert.
Das ist auch die Tendenz unseres Rahmengesetzes. Entsprechend dem Programm und in Übereinstimmung mit unseren sozialpolitischen Leitsätzen geht dieser Entwurf von der Würde des arbeitenden Menschen aus. Die Stellung, die er dem Menschen
im Betrieb gibt, soll ihm nicht nur seine Existenz, sondern gleichzeitig auch eine neue Wertung seiner Arbeitskraft als einer sittlichen Leistung und als Grundlage der körperlichen und seelischen Entfaltung des Menschen im Betrieb sichern.
Aus manchem gegnerischen, aber selbst auch aus befreundetem Lager haben manche geglaubt, daß solche Grundgedanken, wie ich sie eben vor Ihnen entwickelte, wohl in der Theorie leicht auszusprechen seien, aber schwer in der Praxis zu verwirklichen seien, nach dem Gedanken, daß leicht beieinander die Gedanken wohnen, aber hart im Raume sich die Sachen stoßen. Und es hat mancher geglaubt, daß eine so große Weltanschauungspartei in ihrer vielfältigen Zusammensetzung wie die unsere bei dem Bemühen, solche Pläne und konstruktive Gedanken in die Tat umzusetzen, Schiffbruch erleiden, vielleicht sogar vor einer Zerreißprobe stehen würde. Die Fraktion der CDU/CSU ist sich dieser Schwierigkeiten durchaus bewußt gewesen, aber sie hat trotzdem ihre Aufgabe entschlossen angefaßt. Selbstverständlich sind auch in unseren Reihen zu verschiedenen Punkten Bedenken erhoben worden, und sie bestehen in mancher Hinsicht an dieser oder jener Stelle auch heute noch. Aber entscheidend ist für uns gewesen, daß das hohe Ethos unserer christlichen Auffassung über solche einzelnen Meinungsverschiedenheiten hinweg zu dem großen Ziel trägt, das wir uns gemeinsam gesetzt haben.
Entscheidend war und blieb, daß unsere christlichen Grundsätze nach wie vor das einigende Band sein müssen und es geblieben sind, um den Blick auszurichten auf das große programmatische Ziel eben neuer Formen der Zusammenarbeit im Sinne echter Partnerschaft und leistungsgemeinschaftlicher Verbundenheit bei beiderseitiger Verantwortung für das gemeinsame Werk.
Deshalb konnte der von unserer Fraktion eingereichte Entwurf mit vollem Recht die Unterschrift tragen: von Brentano und Fraktion. Es hat sich keiner ausgeschlossen.
Daß an diesem Entwurf noch gefeilt werden muß und daß in kommenden Ausschußverhandlungen an gewissen Punkten noch Kritik geübt wird und Abänderungsvorschläge gemacht werden, ist uns klar. Aber wir haben dem Hohen Hause auch ein Rahmengesetz vorgelegt, das Ziele und Wege zwar klar aufzeigt, aber keinesfalls bis in die letzten Einzelheiten in die Betriebe hineinregieren will und das Verhältnis zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer im einzelnen paragraphenmäßig ordnen will. Wir waren uns der Vielfalt der deutschen Wirtschaft ebenso bewußt, wie wir wissen, daß über Gesetzesparagraphen hinweg das Einvernehmen zwischen den beiden Partnern und die aus ihm entspringende gemeinsame echte Betriebsvereinbarung wichtiger ist. Wir wissen, daß über der Theorie die aus praktischer Erfahrung erwachsenen Kenntnisse stehen und wollen die notwendige Bewegungsfreiheit in den einzelnen Betrieben in keiner Weise einengen. Wir wollen aber auch auf der anderen Seite durch ein Rahmengesetz aufzeigen, daß diese Betriebsvereinbarungen in einem Rahmen bleiben müssen, der die Existenzgrundlage der Beteiligten sichert und der Arbeitsleistung den neuen Sinn unterlegt, den wir ihr geben wollen.
Wir haben bewußt den Weg des Rahmengesetzes gewählt, weil es uns daran lag, nunmehr aus dem Stadium der Erwägungen heraus zum zielbewußten Handeln zu kommen, und weil Beschlüsse und Denkschriften in ihrer Wirksamkeit vor einem in großen Zügen entworfenen Gesetzesvorschlag zurücktreten. Weil wir in lauterer Absicht diesen Entwurf auf der politischen Ebene vorlegen, erheben wir auch den Anspruch auf eine sachliche Würdigung des Ihnen Vorgelegten. Wir bedauern es, daß trotz der guten Haltung in den Hattenheimer Gesprächen und in Maria Laach in der letzten Zeit Schärfen aufgetreten sind, die der erstrebenswerten Einigung zuliebe besser unterblieben wären.
Wir sollten diesseits des Eisernen Vorhangs, meine Damen und Herren, bei der Neuordnung unserer sozialen Verhältnisse das Ziel der Einigung durch Verständigung und nicht durch Machtmittel suchen, nicht einmal durch Androhung von Machtmitteln, die eventuell eingesetzt werden könnten.
Aus dem gleichen Gedankengang heraus und auf das Ziel der Einigung ausgerichtet, sollen wir uns auch vor allzu extremen Forderungen hüten. Ich muß in dieser Beziehung sagen, daß der Entwurf der Gewerkschaften dieser Forderung nicht entspricht. Er sagt in seinem Vorwort selbst:
Mit diesem Gesetz werden Probleme aufgeworfen, wie sie in der Wirtschaftsgeschichte kaum jemals als Aufgabe einer organisatorischen oder soziologischen Neuordnung gestellt worden sind.
Meine Damen und Herren, ich will nicht auf Einzelheiten des Entwurfs und auch nicht auf den Entwurf der SPD eingehen, der uns heute morgen vorgelegt wird und der mir nach einem ersten Überblick zeigt, daß er wohl dem Entwurf der Gewerkschaften vollinhaltlich entspricht. Ich möchte zusammenfassend den Eindruck wiedergeben, den ich aus dem Gesamten gewonnen habe, daß nämlich Wesen und Ziel dieses Entwurfes einheitlich klar auf die Forderung nach politischer Macht in der Wirtschaft ausgerichtet sind. Das Ziel des Entwurfes ist die mittelbare oder unmittelbare Beherrschung der Wirtschaft durch die Gewerkschaften selbst, die hier ein Führungsmonopol erstreben, wie wir es bisher in der Wirtschaft noch nicht gehabt haben. Wir, die wir den Grundsatz des machtverteilenden Prinzips vertreten, lehnen jede mit dem Gemeinwohl unverträgliche Beherrschung der Wirtschaft oder wesentlicher Teile der Wirtschaft durch Staat, Privatpersonen oder Organisationen innerhalb oder außerhalb des Staates oder durch Gruppen irgendwelcher Art in gleicher Weise ab.
Man möge hier nicht sagen, daß ein solches Urteil aus irgendwelchen Ressentiments heraus gefällt wird. Auch im Ausland hat man diese machtpolitische Tendenz des Gewerkschaftsentwurfs klar erkannt. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich aus dem „Economist" vom 10. Juli ein kurzes Zitat vortragen, das so lautet:
Die letzte Entwicklung im Kampf des Deutschen Gewerkschaftsbundes um einen Anteil an der Kontrolle der Industrie läßt annehmen, daß er den gesunden Sinn, den er in Lohnforderungen bewies, verloren hat. Seine nun formulierten Forderungen gehen so weit über die Grenzen der Vernunft oder der demokratischen Praxis hinaus, daß der Deutsche Gewerkschaftsbund sich selbst der Beschuldigung aussetzt, es sei ihm mehr an einer konzentrierten Macht über die Industrie in den Händen seiner zentralen Körperschaft als an der Sicherung von Vorteilen für die einzelnen Mitglieder der Gewerkschaften gelegen. Der Gewerkschaftsbund schlägt nicht weniger als eine Revolution zu seinen ausschließlichen Gunsten vor, ohne einen Auftrag von der Wählerschaft hierfür zu haben.
Soweit der „Economist", diese führende englische Wirtschaftszeitung.
Unsere Auseinandersetzungen innen- und sozialpolitischer Art müssen sich von machtpolitischen Erwägungen freihalten. Wir sollen uns auch nicht in den Kampf um Ideologien und um Schlagworte verwickeln. Wir wollen hier nicht dem rein Doktrinären verhaftet bleiben, sondern aus den Erfahrungen der Praxis heraus neu schaffen und neu formen und das Problem lösen. Wenn wir uns wieder in grundsätzlich einander gegenüberstehende Lager teilen, gefährden wir diese große, entscheidende Reform. Mit Recht sagt der „Katholische Beobachter" im April dieses Jahres:
Dann sind wir wieder so weit, daß am gegenseitigen Nicht-Verstehen und Nicht-Entgegenkommenwollen eine große Aufgabe gescheitert ist, die als eine echte und gute soziale Evolution ob ihrer fruchtbaren Wirkung auf die Gemeinschaft nicht nur zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern wichtiger wäre als eine einseitig erfolgte Machtprobe.
Gerade aus diesem Gesichtspunkt ist der Einsatz des Bundesparlaments am Platz, nachdem ersichtlich die Verständigungsbemühungen unter den Partnern nicht zum Erfolg geführt haben.
Der Entwurf beschränkt sich auf das innerbetriebliche Mitbestimmungsrecht. Die Frage der Mitbestimmung auf überbetrieblicher Ebene soll aber von uns ebenso entschieden wie die auf innerbetrieblicher Ebene angefaßt werden. Aber wir glauben, daß dies besser durch eine besondere Gesetzgebung geschieht, die das staatsrechtliche Problem des Verhältnisses von Staat und Wirtschaft in besonderem Gesetz von der Grundlage der Verfassung ausgehend neu regelt.
Unser Entwurf geht vom Schutz der Betriebsfamilie aus. Er will ein Damm sein gegen ihre Überfremdung. Er baut sich von unten nach oben auf, und dabei berücksichtigen wir, daß im allgemeinen doch in der deutschen Wirtschaft ein durchaus gutes Verhältnis zwischen Betriebsführungen und Belegschaften in unserer Gesamtwirtschaft besteht. Sonst wären ja die die übrige Welt in Erstaunen setzenden hervorragenden Leistungen in unserer Wirtschaft — ungeachtet dabei der amerikanischen Unterstützung — gar nicht möglich gewesen. Wenn man von diesem guten Verhältnis ausgeht, dann ist mit dem Grundgedanken der Betriebsfamilie gleichzeitig auch eine Abgrenzung gegeben. Das Wort Betriebsfamilie bedeutet im Grundsatz, daß betriebsfremde Einflüsse auf die Gestaltung des Betriebs nach Möglichkeit ausgeschaltet werden sollen und daß es ureigene Sache der Betriebsangehörigen selbst ist, wie sie ihr Mitbestimmungsrecht ausüben wollen und durch wen.
Es muß vermieden werden, daß die Betriebe Kampfplätze für Kräfte werden, die außerhalb des Betriebes stehen.
Diese Einstellung entspricht folgerichtig dem Bekenntnis der CDU/CSU vom Wert der Einzelpersönlichkeit, vom Wert des schaffenden Menschen und seiner Würde und ist recht zu verstehen vom Blickpunkt einer Absage aus an den Begriff des Kollektivs.
In dem Kollektiv sehen wir von unserem Blickpunkt aus den schlimmsten Feind der Menschheit und den schlimmsten Feind jeglicher Kultur.
Meine Damen und Herren! Zu diesem Thema hat vor kurzem Papst Pius XII. in seiner Ansprache an den Kongreß des Instituts für Sozialwissenschaften an der Universität Freiburg beim Internationalen Sozialkongreß in Rom gesprochen. Er hat auf die fundamentale Bedeutung des Privateigentums hingewiesen und auf dessen Einfluß auf die unternehmerische Initiative. Über diese Worte ist viel orakelt worden, und es sind mancherlei Kommentare gegeben. Aber eines habe ich daraus gehört: die ernsthafte dringende Mahnung von dieser hohen Warte aus an die Menschheit, wirtschaftliche Verantwortungen nicht im Sinne anonymer Kollektivität ordnen zu wollen.
Soweit es sich innerhalb der Betriebsfamilie um die Regelung menschlicher und vertraglicher Arbeitsangelegenheiten handelt, kurz: um das ganze soziale Problem, bedurfte es ja eigentlich keiner Neufassung. Die Praxis hat hier das Mitbestimmungsrecht voll anerkannt, genau so wie es unser Entwurf betont. Der Mensch ist so wenig Handelsware nach diesem Entwurf wie die von ihm geleistete Arbeit; und die ihm zukommende Bedeutung soll ihm ebenso gesichert werden wie die Existenz und sein Arbeitsplatz. Hier handelt es sich überhaupt nicht mehr um grundsätzliche Meinungsverschie denheiten. Bei personalen Angelegenheiten sind wir uns ebenso im grundsätzlichen einig, aber wir verkennen auf der anderen Seite nicht, daß auf der personellen Ebene Entscheidungen unter Umständen von höchster wirtschaftlicher Bedeutung sein können. Das wird sich namentlich auf die Besetzung leitender Stellen beziehen. Der Entwurf hat sich bemüht, hier einen Ausgleich zu schaffen, einen Ausgleich zwischen den berechtigten Ansprüchen auf Arbeitnehmerseite einerseits und der Unternehmerverantwortung andererseits. Der Ausgleich ist, wie Sie wissen, umstritten; aber die Schwierigkeiten liegen nach meinem Empfinden mehr in der Gestaltung und in der Abgrenzung als in grundsätzlichen Erwägungen, so daß ich glaube, daß wir hier sehr wohl zur Einigung kommen können.
Der Schwerpunkt liegt in Formulierungen über das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht; und hier allerdings sind die Meinungsverschiedenheiten grundsätzlicher Art. Wir haben uns mit heißem Herzen bemüht, eine Synthese zu finden zwischen dem berechtigten Verlangen des Arbeitnehmers nach Sicherung und Erhaltung seiner Existenz und seines Arbeitsplatzes einerseits und der Anerkennung der Unternehmensleistung als der Trägerin der Verantwortung für Bestand und Fortentwicklung des Unternehmens andererseits. Wir haben hier ebenso ernsthaft die Frage der Vertretung in den Aufsichtsräten geprüft, und mir scheint es so, als ginge der Kampf jetzt mehr um die Zahl als um den Grundsatz, daß der Betrieb frei sein soll, wen er in seine Aufsichtsräte delegiert. Das hat er bisher schon bei den Aufsichtsräten der Kapitalgesellschaften getan. Es ist nicht einzusehen, warum er dieselbe Freiheit der Wahl nicht auch unter neuen Verhältnissen haben soll.
Der Entwurf geht von dem Blickpunkt aus, daß die Forderung auf Mitwirkung der Arbeitnehmer in wirtschaftlichen Angelegenheiten des Betriebes verständlich und vertretbar ist. Andererseits haben wir bei unseren Formulierungen nicht verkannt, daß gerade im wohlverstandenen Interesse der Arbeitnehmer die unternehmerische Initiative und unternehmerische Verantwortung nicht eingeschränkt oder gar unmöglich gemacht werden darf. Ich finde es sehr beachtlich, daß wir neben Kapital und Arbeit die unternehmerische Leistung voll als ein Drittes anerkennen, was dem Betrieb und seinem Erfolg erst die Blickrichtung und sein Wirksamwerden gibt. Ich finde, daß wir hier eine weitgehende Angleichung an die Richtlinien zur Sozialpolitik der Sozialausschüsse der CDU/CSU haben, in denen am 5. Februar in Oberhausen unter anderem gesagt wurde:
Das Mitbestimmungsrecht in wirtschaftlichen Fragen muß den Notwendigkeiten einer rationellen Betriebsgestaltung entsprechen. Die laufenden Geschäfte, die unverzügliche Entscheidung und verantwortliche Initiative verlangen, daß das wirtschaftliche Anordnungs-
und Durchführungsrecht in den Betrieben und Unternehmen und auch auf die Letztentscheidung in bestimmten Fragen der Betriebsführung, den Unternehmern bzw. der Betriebsleitung verbleiben. Es muß klargelegt werden, in welchen Fällen das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats voll zur Anwendung kommen soll.
— Also in laufenden Geschäften ebenso wie bei der Letztentscheidung in bestimmten Fragen sind wir uns hier mit den Sozialausschüssen voll einig. Es sollte möglich sein, über diese Brücke hinweg auch das schwierige Kapitel der wirtschaftlichen Mitbestimmung im Betrieb befriedigend zu regeln. Es ist die Aufgabe unserer Ausschüsse, an Hand der konkreten Vorschläge, die wir Ihnen in Form eines Rahmengesetzes vorlegen, nunmehr den politischen Gesamtwillen dieses Hauses oder seiner Mehrheit zu formen.
Meine Damen und Herren! Ich bin damit am Schlusse meiner Ausführungen und möchte hoffen, daß wir angesichts der schweren Wolken, die am außenpolitischen Himmel aufgestiegen sind, aus dem Ernst der Situation heraus das verstärkte Bestreben empfinden, zueinanderzukommen und uns nicht auseinanderzureden. Dieses Bemühen, ausgleichend zu wirken, hat mich bei meinen Ausfürungen beseelt. Möge es uns vergönnt sein, in kurzer Zeit hier eine Form zu finden, die uns hinüberführt zu einer Zukunft, in der eine Wirtschaftsform herrscht, die dem Wohle der Gesamtheit in einer neuen Wirtschafts- und sozialen Entwicklung dient.