Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! DieSitzung ist eröffnet.Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundeneTagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufge-führten Punkte zu erweitern:ZP 1 Beratung des Antrags der Abgeordneten MechthildDyckmans, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Jörg vanEssen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDPBürokratie schützt nicht vor Diskriminierung – Allgemei-nes Gleichbehandlungsgesetz ist der falsche Weg– Drucksache 16/1861 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss
InnenausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Arbeit und SozialesVerteidigungsausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Verkehr, Bau und StadtentwicklungAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für TourismusZP 2 Beratung des Antrags der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENNeubesetzung des Amtes des Koordinators für diedeutsch-russische zwischengesellschaftliche Zusammenar-Redetbeit– Drucksache 16/1885 –ZP 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Ernst Burgbacher,Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Gisela Piltz, weitererAbgeordneter und der Fraktion der FDPKonsequenzen ziehen aus dem Urteil des EuropäischenGerichtshofs vom 30. Mai 2006 zur Weitergabe europäi-scher Fluggastdaten an die Vereinigten Staaten vonAmerika– Drucksache 16/1876 –Überweisungsvorschlag:Innenausschuss
Auswärtiger AusschussRechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Verkehr, Bau und StadtentwicklunAusschuss für TourismusAusschuss für die Angelegenheiten der Europäis
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Peter Götz, DirkFischer , Dr. Klaus W. Lippold, weiterer Ab-geordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Ab-geordneten Petra Weis, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDStadtentwicklung ist moderne Struktur- und Wirt-schaftspolitikcksache 16/1890 –eisungsvorschlag:huss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
usschussusschussgchen Union– DruÜberwAusscInnenaSporta
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3534 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutzAusschuss für Arbeit und SozialesAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für GesundheitAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für die Angelegenheiten der EuropäischenUnionb) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ute Koczy,Jürgen Trittin, Undine Kurth , weiterer Ab-geordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNENSchaden von der Reputation der Osteuropabank ab-wenden – Das Öl- und Gasprojekt Sachalin II alsLackmustest für die Einhaltung internationaler Um-welt- und Sozialstandards– Drucksache 16/1668 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung
FinanzausschussAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Matthias Berninger,Dr. Thea Dückert, Margareta Wolf , weiterer Ab-geordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNENDeutsche Steinkohle AG muss zügig belastbares Daten-material vorlegen– Drucksache 16/1672 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und SozialesAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitHaushaltsausschussDer Tagesordnungspunkt I.13 d entfällt, da der An-trag auf Drucksache 16/1681 zurückgezogen wurde.Von der Frist für den Beginn der Beratung soll, soweiterforderlich, abgewichen werden.Schließlich möchte ich Sie schon heute darauf auf-merksam machen, dass der Beginn der Plenarsitzung amFreitag auf 8 Uhr vorgezogen wird.Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? –Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlos-sen.Wir setzen die Haushaltsberatungen – Tages-ordnungspunkt I – fort:a) Zweite Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über dieFeststellung des Bundeshaushaltsplans für dasHaushaltsjahr 2006
– Drucksachen 16/750, 16/1348 –b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haus-haltsausschusses zu der Unterrich-tung durch die BundesregierungFinanzplan des Bundes 2005 bis 2009– Drucksachen 16/751, 16/1348, 16/1327 –LAwdnRSWIdsFKmtBrBeipiz
Die Empfehlungen des Sachverständigenrates, derundesbank und des Bundespräsidenten werden igno-iert. Ein führender Sozialdemokrat beschimpft denundespräsidenten als Besserwisser. Sie haben gesternrkannt, dass Deutschland ein Sanierungsfall ist. – Dasst die Situation. Deshalb sollten wir nicht über den Re-räsentationsetat der Kanzlerin sprechen, sondern überhre Politik.
Sie haben an dieser Stelle versprochen, mehr Freiheitu wagen. Ist es mehr Freiheit, wenn Sie die Menschen
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Rainer Brüderlein Deutschland mit 20 Milliarden Euro pro Jahr mehr ab-kassieren? Das ist nicht mehr Freiheit, das ist wenigerFreiheit. Das ist die Realität.
Statt mehr Eigenverantwortung bekommen wir mehr Be-vormundung, statt mehr Freiheit mehr Regulierung.Deutschland freut sich, wenn die Kanzlerin die National-elf anfeuert. Aber ein bisschen Schwung, wie Sie ihn imDortmunder Westfalenstadion und gestern im BerlinerOlympiastadion gezeigt haben, könnten Sie schon in dieRegierung mitbringen.Enttäuschung macht sich im Land breit. Manche keh-ren Ihrer Partei den Rücken. Andere hoffen noch darauf,dass Sie sich zu mehr Freiheit bekennen.
Selbst Herr Thumann vom BDI hat seine vornehme Zu-rückhaltung aufgegeben. Da hilft es auch nichts, dass SieHerrn Röttgen aus Ihrer Prätorianergarde dorthin abord-nen. Die Stimmung wird schlechter, weil keine entspre-chende Politik umgesetzt wird.
Nehmen wir nur die Familienpolitik. Weil Sie nichtmehr wissen, wen Sie eigentlich alimentieren bzw. un-terstützen wollen, erhalten alle ein bisschen. Sie schaffenneue bürokratische Regeln. Wahrscheinlich sind Siefroh, dass es den Normenkontrollrat noch nicht gibt,und hoffen, dass die Menschen deshalb mehr Kinderkriegen. Es geht doch nicht um eine Art Zuchtprämie fürDoppelverdiener; es geht um bessere Betreuung und da-rum, Familie und Beruf besser zu vereinbaren. Das mussKernstück der Politik sein.
Generell sollten Sie von der Subventionitis die Fingerlassen. Sie haben vor wenigen Tagen die größte Steuer-erhöhung in der Geschichte des Landes im Bundesrat ab-segnen lassen. Sie mussten den Ländern 500 MillionenEuro zahlen, damit Sie eine Mehrheit bekommen. Auchdas muss der Steuerzahler blechen. Es bleibt dabei: Sienehmen dem Bauern ein Schwein, geben ihm drei Kote-letts zurück und dafür soll er sich auch noch bedanken.Das ist keine überzeugende Politik.
Dann „pofallat“ es in der Debatte über das Ehegatten-splitting. Das ist eine Scheindebatte. Sie kennen die Ver-fassungslage. Ich kann dazu nur sagen: „Pofallala“. Dasist kein Ansatz, der überzeugen kann.
Führen Sie eine Flat Tax mit anständigen Kinderfreibe-trägen ein! Dann haben Sie mit einem Schlag viele Pro-bleme gelöst. Beim Antidiskriminierungsgesetz hat dieUnion alle Vorsätze über Bord geworfen.MsFGtESvuDtlCfbcsimrsEctWmGthaLhSKPESDdndS
as Gleichbehandlungsgesetz läutet das Ende der Ver-ragsfreiheit ein. Ihr Gesetz ist ein Antigleichbehand-ungsgesetz. Die Benachteiligten werden noch wenigerhancen haben, da die Angst vor der Prozessflut dazuührt, dass es weniger Einstellungschancen gibt. Sie ha-en vor der Wahl immer gesagt: Versprochen, gebro-hen. – Das haben Sie nach der Wahl vergessen.Meine Damen und Herren von der Union, Sie habenich das alte Weltbild der SPD überstülpen lassen. Dasst das falsche Weltbild. Es ist von gestern. Die Sozialde-okratisierung der Union ist erschreckend schnell vo-angeschritten. Wir werden von zwei sozialdemokrati-chen Parteien regiert.
ine ist rot angestrichen, die andere ist schwarz angestri-hen und beide sind falsch programmiert. Das ist die Si-uation.
ir leben von Vielfalt. Gleichmacherei schafft nicht ein-al Mittelmaß.
leichmacherei ist die Orientierung an dem Schlechtes-en. Das sehen wir jetzt beim Streit über die Gesund-eitsreform. Statt endlich mehr Wahlmöglichkeiten fürlle zu schaffen, darf jetzt der politische Fliegenpilzauterbach seinen Traum von der sozialistischen Ein-eitsversicherung umsetzen. Das ist der falsche Weg.
ie sind dabei, das funktionierende System der privatenrankenkassen kaputtzuschlagen. Die Einbeziehung derrivatversicherten in den Gesundheitsfonds kommt einernteignung gleich.
ie haben selbst formuliert – ich zitiere Sie, Frau Merkel –:a, wo Sie falsche Konzepte vertreten wie zum Beispielie Bürgerversicherung, würden Sie Deutschland nichtutzen, sondern Deutschland schaden. – Das haben Sieer SPD gesagt. Versprochen, gebrochen. Jetzt machenie etwas anderes.
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Rainer BrüderleDie Union ist dabei, im Schatten des FC Klinsmannein weiteres Wahlversprechen zu brechen. Im ganzenLand schwenken die Menschen die deutsche, schwarz-rot-goldgelbe Fahne. Die Autos fahren mit Fahnen durchdie Städte. Der neue Fahnenpatriotismus ist die größteStraßendemonstration gegen die große Koalition.
Jede deutsche Flagge zeigt: Schwarz-rot allein reichtnicht. Da fehlt etwas. Da fehlt nämlich die gelbe Kraft,die Vernunft. Dafür kämpfen wir.
Das Wort hat die Bundeskanzlerin der Bundesrepu-
blik Deutschland, Angela Merkel.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir ha-ben in diesen Tagen die Welt zu Gast bei uns in Deutsch-land. Deutschland hat lange auf das größte Sportereignisnach den Olympischen Spielen hingearbeitet. Die Orga-nisatoren haben jede erdenkliche Mühe aufgewandt. DieWirtschaft hat geholfen, zum Beispiel mit der Kampa-gne „Deutschland – Land der Ideen“, unser Land nachinnen und nach außen so zu präsentieren, wie es ist. DiePolitik hat das Menschenmögliche für die Sicherheit undeinen reibungslosen Ablauf getan. Viele Tausende Helfe-rinnen und Helfer haben keine Mühe und keine Zeit ge-scheut – sie tun das auch in diesen Tagen nicht – undsich freiwillig zur Verfügung gestellt. Hierfür möchte ichallen ganz herzlich danken.
32 Fußballmannschaften geben ihr Bestes oder haben ihrBestes gegeben, darunter eine deutsche, auf die wir stolzsein können.
Das alles ist aber nur Vorbereitung, Rahmen und Un-terstützung, damit das Vorhaben gelingen kann. Das Ei-gentliche leisten die Bürgerinnen und Bürger dieses Lan-des. Wie ich finde, tun sie das einfach großartig. Sie sinddie eigentlichen Gastgeber. Sie feiern mit Begeisterungdie Siege der eigenen und der anderen Mannschaften.Sie leiden mit, sie trösten sich gegenseitig und freuensich miteinander. Wenn ich sehe, welches Potenzial anBegeisterung und Fröhlichkeit in unserem Lande steckt,wenn ich sehe, wie andere in diesen Tagen von außenauf uns schauen und begeistert sind, dann wird mir nichtbange, dass unser Land die Herausforderungen, vor de-nen es steht, nicht meistern könnte.SfLsdbdldmUrbeWsRfdmstLdsSdZgBwmtüIDBBuDWc
Ich bin ganz fest davon überzeugt, hier liegt derchlüssel für das Gelingen. Die Bürgerinnen und Bürger,ür die wir Politik machen, sind diejenigen, die unserand stark machen. Politik setzt einen Rahmen; Politikchafft Voraussetzungen; Politik muss deutlich machen,ass wir Vertrauen in die Menschen dieses Landes ha-en. Nur dann – davon bin ich überzeugt – können wirie Schwierigkeiten überwinden, vor denen wir stehen.
Das gilt auch für die Schwierigkeiten in der Außenpo-itik. Ich möchte an dieser Stelle nur erwähnen, der Bun-esaußenminister und ich haben in vielen Gesprächenit einen Beitrag dazu geleistet, dass die Europäischenion zusammen mit den Vereinigten Staaten von Ame-ika, Russland und China dem Iran ein Angebot unter-reitet hat. Ich hoffe, dass der Iran auf dieses Angebotingeht und die Chance nutzt, einen Konflikt, der dieseelt bedrückt, zu beseitigen, und zwar auf diplomati-chem Wege. Ich hoffe, dass die Vernunft siegt.
Wir haben auf der letzten Tagung des Europäischenates in Brüssel einen Beitrag dazu geleistet, Wege zuinden, wie die Europäische Union im Nahen Osten trotzer Anforderungen, die das Quartett im Nahostprozessit Recht stellt, humanitäre Hilfe leisten kann. Trotzdemagen wir der Hamas ganz deutlich: Ihr müsst das Exis-enzrecht Israels anerkennen; ihr müsst auf Gewalt alsösungsmöglichkeit verzichten; ihr müsst akzeptieren,ass der Verhandlungsprozess fortgesetzt wird.
Wir haben einen Plan erarbeitet, wie wir den Verfas-ungsprozess in der Europäischen Union trotz allerchwierigkeiten fortsetzen können. Die deutsche Präsi-entschaft wird einen Beitrag dazu leisten. Wir habeniele gesetzt, die etwas mit Wachstum und Beschäfti-ung in Europa zu tun haben. Deutschland muss seineneitrag dazu leisten: Wir müssen zum Beispiel endlichieder die Maastrichtkriterien einhalten.So, wie wir die Schwierigkeiten in der Außenpolitikeistern können, wenn unsere Politik von einem Ver-rauen in die Menschen geprägt ist, so – davon bin ichberzeugt – werden wir auch die Schwierigkeiten in dernnenpolitik meistern können, wenn wir eine Politik desialogs auf die Beine bringen, die vom Vertrauen in dieürger geprägt ist.Es ist natürlich das eine, dass eine Opposition – Herrrüderle hat es heute wieder vorgemacht – über diesennd jenen Teilaspekt diskutiert und ihn kritisiert.
as ist sicherlich auch die Funktion einer Opposition.ir alle würden hier gern über Steuersenkungen spre-hen; wir würden gern Wohltaten verkünden; wir wür-
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Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkelden gern dies und jenes versprechen. Aber ich sage Ih-nen: Ich habe eine andere Aufgabe, die Bundesregierunghat eine andere Aufgabe und auch die sie tragenden Ko-alitionsfraktionen haben eine andere Aufgabe. Sie habendie Aufgabe, das Ganze zu sehen, die Dinge im Zusam-menhang zu sehen, weil es um ganz Deutschland undseine Zukunft geht.
Wer sich mit dem Haushalt beschäftigt, wer sich mitder Realität beschäftigt – dabei geht es nicht um Schuld-zuweisungen –, der muss feststellen: Natürlich ist dasWort „Sanierungsfall“ ein hartes Wort. Ich habe aberdeutlich gemacht, dass das nicht die ganze RealitätDeutschlands ist. Ich kann mich jedoch vor den Realitä-ten dieses Haushaltes nicht drücken.
Es gibt ein strukturelles Defizit – das im Übrigen nie-mand, auch niemand von der Opposition leugnen kann,weil die Zahlen eindeutig sind – von 60 Milliarden Euro.Bei aller Detailbetrachtung, die Sie von der Oppositionin den Haushaltsberatungen angestellt haben, muss mansagen: Ihre Vorschläge sind entweder nicht redlich odersie decken nicht einmal die Maßgabe des Art. 115 desGrundgesetzes. Das heißt, wenn wir das wollen – zu die-ser Überzeugung kommt neben der großen Mehrheit desBundestages auch die große Mehrheit des Bundesrates –,dann bleibt uns nichts anderes übrig, als auch zu demMittel von begrenzten Steuererhöhungen zu greifen.
Wir wissen im Übrigen, dass wir den Menschen damitschwierige Aufgaben aufbürden. Es ist nicht einfach,den Sparerfreibetrag zu reduzieren; es ist nicht einfach,die Pendlerpauschale zu reduzieren; es ist nicht einfach,die Eigenheimlage zu streichen.
Glauben Sie nicht, dass das irgendeinem der Abgeordne-ten hier in diesem Hause leicht fällt. Das zeigt sich imGespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern. Wir habenuns in voller Verantwortung in Bezug auf mögliche Ne-benwirkungen einer Mehrwertsteuererhöhung zwi-schen Zukunftssicherung und dem, was heute zu tun ist,
und der Möglichkeit, alles unter den Tisch zu kehren undmorgen und übermorgen noch schwierigere Schritte zugehen, entschieden. Wir machen dieses Land zukunfts-fest.
Diejenigen, die sich einer sachlichen Betrachtungnicht verschließen – sei es die Europäische Kommission,sshKDtdhawwsefWfbddkWhBbdM8gt1fDsdWw
Wir haben den erfreulichen Sachverhalt, dass dieirtschaftliche Lage besser ist, als sie manches Jahrar. Wir haben den erfreulichen Sachverhalt, dass wireit Jahren – man kann fast sagen: seit einem Jahrzehnt –rstmals keine Zuschüsse mehr für die Bundesagenturür Arbeit brauchen. Wir haben weniger Insolvenzen.ir wollen genau diesen Impuls ausnutzen und mit Re-ormen und mit Investitionen die Bewegung weitertrei-en und gleichzeitig eine Konsolidierung der Haushalteurchführen. Diese Entwicklung muss fortgesetzt wer-en.Das, was wir in sieben Monaten geschafft haben,ann sich sehen lassen.
ir haben verbesserte Abschreibungsregelungen. Wiraben die Istbesteuerung so verändert, dass in den neuenundesländern besser gearbeitet werden kann. Wir ha-en ein Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz aufen Weg gebracht. Das ist etwas, was Rot-Grün überonate und Jahre nicht zustande gebracht hat.
6 Großprojekte können jetzt sehr viel schneller durch-esetzt werden. Bei 4,5 Millionen Arbeitslosen ist es na-ürlich nicht egal, ob ein Großprojekt innerhalb von5 oder 20 Jahren umgesetzt wird oder innerhalb vonünf oder zehn Jahren.
eshalb ist es ein spürbarer Fortschritt für die Men-chen, dass wir in Zukunft schneller vorankommen wer-en.
Wir haben ein Mittelstandsentlastungsgesetz auf deneg gebracht. Meine Damen und Herren von der FDP,ir sind jederzeit bereit, gute Vorschläge aufzugreifen.
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Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel– Was zum Beispiel den Bürokratieabbau anbelangt,muss ich Ihnen sagen: Die Vorschläge, die gemacht wer-den, müssen seriös sein.
Maßnahmen, die Geld kosten und erneut zu Lücken imHaushalt führen, nützen uns überhaupt nichts.
Wir haben die rechtliche Grundlage für die Bildungeines Normenkontrollrates geschaffen. Dadurch werdenwir zum ersten Mal eine systematische Betrachtung derBürokratiekosten auf den Weg bringen. Damit haben un-sere Nachbarn in Holland sehr gute Erfahrungen ge-macht. Auch die Europäische Kommission führt diesesVerfahren jetzt ein. Im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 werdenwir genau diese Art und Weise des Herangehens weiterbetreiben. Wir wollen auch auf europäischer Ebene einebessere Rechtsetzung. Weniger Rechtsetzung kann auchin Europa mehr und besser für die Bürgerinnen und Bür-ger sein. Das, was wir in unserem Lande tun, wollen wirauch auf europäischer Ebene tun.
Wir wissen: Deutschland braucht eine Unternehmen-steuerreform. Die Koalition bekennt sich dazu. DerBundesfinanzminister arbeitet an ihren Eckpunkten, dienoch vor der Sommerpause vorgelegt werden. Hier wer-den mutige Schritte gemacht. Denn wir müssen sicher-stellen, dass unsere Unternehmen international wettbe-werbsfähig arbeiten können, damit sie in DeutschlandSteuern zahlen und nicht abwandern.
Wir müssen eine vernünftige Balance zwischen klei-nen und großen Unternehmen schaffen und uns damitauseinander setzen, dass eine Abgeltungssteuer heutzu-tage in vielerlei Hinsicht eine moderne Antwort auf dieFrage der Kapitalbildung darstellt.
Wir müssen dafür Sorge tragen, dass auf der einen Seitedie Kommunen ihre Einnahmen nicht verlieren, dassaber auf der anderen Seite das gesamte Steuersystem insich schlüssig und wettbewerbsfähig bleibt. Diese Auf-gabe werden wir lösen. Dabei sind wir auf einem gutenWeg.Meine Damen und Herren, alles, was wir tun, orien-tiert sich an der Frage: Schaffen wir mehr Arbeitsplätze?Angesichts von 4,5 Millionen Arbeitslosen können wirnicht zufrieden sein. Der Rückgang der Beschäftigungist zwar in diesem Frühjahr zum ersten Mal gestoppt;aber die Situation, in der wir sind, kann uns nicht zufrie-den stellen. Wir können weder damit zufrieden sein, dassso viele junge Menschen keine Chance haben, Arbeit zubekommen, noch damit, dass so viele Menschen schonmit 50 oder 55 Jahren aus dem Arbeitsleben ausschei-daPwsukAwmndsgEdltbDbv––vdstmrWi
ber diese zwei Transfersysteme, die zusammengelegturden, haben sehr unterschiedliche Wirkungen. Daherüssen wir auch immer wieder kontrollieren: Funktio-ieren die Anreizwirkungen dieses Systems? Da wir unsas Motto „Fördern und Fordern“ auf die Fahnen ge-chrieben haben, müssen wir hinterfragen: Fordern wirenug und schaffen wir das Fördern?
Ich will an dieser Stelle sagen: Wenn die FDP bei deningliederungshilfen 3 Milliarden Euro streichen will,ann geschieht das auf dem Buckel der Langzeitarbeits-osen. Das wollen wir nicht. Wir wollen, dass diese Mit-el auf richtige und vernünftige Art und Weise ausgege-en werden.
ass das im vergangenen Jahr noch nicht gelungen ist,edeutet nichts anderes, als dass das System noch nichtoll gearbeitet hat.
Hören Sie doch zu!
Dass diese Gelder im vergangenen Jahr noch nicht inollem Umfang abgerufen wurden, bedeutet nicht, dassie Eingliederungshilfen der falsche Weg sind,
ondern, dass die Bundesagentur Anfangsschwierigkei-en hatte, was im Übrigen nicht verwunderlich ist. Dasuss in diesem und im nächsten Jahr besser funktionie-en.
ir wollen vernünftige Wege gehen, um die Menschenn Arbeit zu bringen. Das ist unsere Antwort.
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Bundeskanzlerin Dr. Angela MerkelMeine Damen und Herren, wir haben die Ich-AGskritisch auf den Prüfstand gestellt und sie durch einneues Instrument ersetzt. Mit dem Hartz-IV-Fortent-wicklungsgesetz, das noch im Juli dieses Jahres vomBundesrat beschlossen wird, wollen wir dafür sorgen,dass das Fordern besser durchgesetzt werden kann. Wermehrmals – um es ganz deutlich zu sagen: dreimal – eineangebotene Arbeit ablehnt, der bekommt im Rahmen desArbeitslosengeldes II keine Geldleistungen mehr. Dasfinde ich richtig und wichtig.
Im Herbst werden wir dann in einem nächsten Schrittweitere Probleme lösen müssen. Ich sage ganz selbstkri-tisch: Ich war sehr dafür, dass Zuverdienstmöglichkeiteneingeführt werden. Aber heute bin ich mir nicht mehr si-cher, ob diese Anreize wirklich funktionieren.Wir werden uns daran gewöhnen müssen, miteinandereine vernünftige Debatte zu führen. Wir können nichtdavon ausgehen, dass wir mit einer revolutionären Neue-rung, die wir einführen – wie der Zusammenlegung vonArbeitslosen- und Sozialhilfe –, für alle Zeiten ohne jedeÄnderung weiterkommen. Das ist moderne Politik,meine Damen und Herren: dass man aus dem lernt, wasnicht vollkommen funktioniert.
Ich bin dem Bundesarbeitsminister sehr dankbar, dass eran dieser Stelle, zusammen mit den Fraktionen, die ers-ten Änderungsvorschläge gemacht hat.Wir werden eine Initiative fortsetzen, die sich ummehr Ausbildungsplätze kümmert. Es ist nicht in Ord-nung – ich sage das auch an die deutsche Wirtschaft ge-wandt –, dass heute, in den wenigen Jahren, in denennoch mehr Schulabsolventen einen Ausbildungsplatz su-chen werden, an vielen Stellen nicht ausreichend ausge-bildet wird. Ich habe selber die 300 größten Unterneh-men in Deutschland angeschrieben, um deutlich zumachen: Es ist eine Notwendigkeit und im Übrigen aucheine Zukunftsinvestition, dass die jungen Menschen indiesem Lande eine Ausbildung bekommen, vorzugs-weise eine betriebliche Ausbildung. Ich hoffe, dass die-ser Ausbildungspakt wieder mit Leben erfüllt wird, so-dass wir am Jahresende sagen können: Jeder bekommteinen solchen Ausbildungsplatz.
Das macht der Bundeswirtschaftsminister, das macht dieBundesbildungsministerin und das macht die ganze Bun-desregierung.
– Falls Sie mitmachen würden, Herr Kuhn, wäre dasauch kein Schaden für unser Land, wirklich nicht!
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Was sind die Ziele unserer Gesundheitsreform? Dieiele unserer Gesundheitsreform sind eindeutig defi-iert: Wir wollen, dass die Menschen in diesem Landeunter den demografischen Veränderungen, aber auchngesichts besserer medizinischer Möglichkeiten – alle,nd zwar unabhängig vom Alter und unabhängig vomohlstand des Einzelnen, das medizinisch Notwendigend das medizinisch Mögliche bekommen. Wir wollenin Gesundheitssystem, in dem durch Wettbewerbachstumskräfte freigesetzt werden und in dem diejeni-en, die in den medizinischen Berufen arbeiten, diehance haben, dafür auch das entsprechende Geld zu be-ommen. Ich möchte an dieser Stelle den Ärztinnen undrzten, ob freiberuflich oder im Krankenhaus, den Kran-enschwestern und den vielen, die in den Heilberufen ar-eiten, auch einmal ein herzliches Dankeschön sagen.
enn wir dieses Gesundheitssystem mit diesen Men-chen nicht hätten, dann hätten wir große Schwierigkei-en.Ich finde, in diese Debatte gehört ein Stück Ehrlich-eit.
Ja; das ist schon mal ein guter Ausgangspunkt. – Zuieser Ehrlichkeit gehört, zu sagen, dass in unserem Sys-em an vielen Stellen mehr Wettbewerb möglich ist. Ichin der Meinung, dass wir auch Strukturveränderun-en brauchen.
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Bundeskanzlerin Dr. Angela MerkelWir werden dazu eine Reihe von Vorschlägen ma-chen, und zwar wirkliche Vorschläge. Wer aber glaubt,dass man Strukturveränderungen vornehmen kann, ohneneue Strukturelemente einzuführen, der glaubt an etwas,was wir eigentlich alle abgelegt haben: den Weihnachts-mann oder so etwas. Denn was heißt mehr Transparenz?Wo gibt es Intransparenz in unserem System? Da kannich Ihnen zwei Bereiche nennen: Die eine Intransparenzliegt darin, dass wir nicht wissen, wie sich der ambulanteBereich hinsichtlich seiner Kostenstruktur zum stationä-ren verhält. Wenn Sie das durchdenken, dann müssen Siezu dem Schluss kommen: Wir brauchen eine Gebühren-ordnung für Ärzte, damit Ärzte wissen, was sie für das,was sie tun, bekommen. Wir müssen die Preise im am-bulanten und im stationären Bereich miteinander ver-gleichen können. Das heißt in der Endkonsequenz, dasswir die gleiche Finanzierungsform brauchen, sprich:eine monistische Krankenhausfinanzierung. Dafür wer-den wir im Übrigen nicht ein Jahr brauchen und nichtzwei Jahre, sondern wahrscheinlich 15.
Nur wenn wir diese Strukturen ändern, können wir ver-nünftig entscheiden: Machen wir das besser ambulantoder in einem Krankenhaus?Zweiter Punkt. In dem heutigen System der Gesund-heitsversorgung weiß ich nicht, wie sich die Einnahmenzu den Ausgaben verhalten. Wenn ich wissen möchte,wer wo wie viel einzahlt und welche Kasse für wen wieviel ausgibt, dann muss ich ganz einfach eine Trennungzwischen den Einnahmen und den Ausgaben vorneh-men. Bis dahin ist noch nichts anderes passiert, als diesebeiden Sachen auseinander zu halten, sodass ich hinter-her feststellen kann, wer mit den Geldern effizient arbei-tet und wer das nicht tut.Nichts anderes verfolgt der Gedanke, der hinter einemsolchen Fondsmodell steht. Ich finde es schon drama-tisch, dass Sie, die Sie genau wissen, dass heute 30 bis40 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vonKrankenkassen damit beschäftigt sind, Beiträge einzu-ziehen, schlankweg behaupten, das Ganze würde büro-kratischer. Ich sage Ihnen: Wenn wir uns für einen sol-chen Fonds entscheiden sollten, dann wird nichtsbürokratischer und dann wird auch nicht mehr Personalbenötigt. Im Gegenteil, zum Schluss werden wir aufpas-sen müssen, dass wir keine Beschwerden erhalten, weildie Leute etwas anderes tun, als Beiträge einzuziehen.Das ist die Wahrheit.
Die Art der Debatte bekümmert mich wirklich einbisschen, um es einmal ganz vorsichtig zu sagen.
Schließlich schauen die Menschen immer dann, wenn esum die Gesundheit geht, besonders schnell mit Angstund Sorge auf die Diskussion.
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Es wird noch eine zweite Wahrheit geben, um die sichuch die Opposition aus meiner Sicht nicht drücken darf.iese zweite Wahrheit heißt: Auch bei noch mehr Struk-ureffizienz und noch mehr Transparenz wird dieses Sys-em der solidarischen Gesundheitsvorsorge in den nächs-en Jahren tendenziell nicht billiger, sondern teurer.uch das müssen wir den Menschen sagen und wir müs-en uns überlegen, auf welche Art und Weise wir dieserobleme lösen.
Aus diesem Grunde glaube ich, dass es sehr angezeigtst, zu überlegen, wie wir die solidarischen Systemedazu gehört vor allem das Gesundheitssystem – in Zu-unft organisieren und wie wir die solidarische Grund-age verbreitern, anstatt sie zu verschmälern.
ch füge für mich allerdings hinzu: Das kann nicht dieerschlagung von funktionierenden wettbewerblichenystemen in diesem Bereich bedeuten.
ir müssen andere Formen der Solidarität finden undor allen Dingen müssen wir – deshalb ist die Abkopp-ung von den Arbeitskosten so wichtig – unseren Anteiln den Lohnzusatzkosten unter 40 Prozent halten.
enauso wie die Einhaltung des Art. 115 Grundgesetzst das die Aufgabe dieser Regierung.
Genau unter dieser Maßgabe diskutiert die Koalitionn diesen Tagen und Wochen das Thema Gesundheitsre-orm. Angesichts der Beschwerlichkeit eines solcheneges und der Schwierigkeit eines solchen Umbaus istas übrigens keineswegs zu lang. Noch vor der Sommer-ause werden wir unsere Eckwerte dafür vorlegen, so-ass zum 1. Januar 2007 eine Gesundheitsreform inraft treten kann, die ihre Wirkungen über viele Jahrentfalten wird, weil sie sehr grundsätzliche Neuordnun-en enthalten wird. Das sind der Anspruch und die Auf-abe einer großen Koalition. Genau das werden wir auchrreichen.
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Bundeskanzlerin Dr. Angela MerkelNeben den Themen Sanieren und Reformieren wer-den wir natürlich auch das Thema Investieren miteinan-der zu bereden haben. Diese Bundesregierung hat sichtrotz des Konsolidierungskurses entschieden, weitereMittel in den Bereichen zu investieren, in denen wir dieZukunft dieses Landes sehen, um die wirtschaftlicheEntwicklung zu beleben.
Dazu gehört, dass man sich die Frage stellt: Wo kön-nen wir neue Arbeitsmöglichkeiten in einer sich verän-dernden Welt schaffen? – Aus diesem Grunde haben wirdamit begonnen, die privaten Haushalte als Arbeitge-ber zu entwickeln. Noch sind wir damit nicht fertig; aberimmerhin haben wir es bereits möglich gemacht, die Ab-setzbarkeit von Handwerkerrechnungen, von Kinderbe-treuungskosten und von haushaltsnahen Dienstleistun-gen zu verbessern. Auf diesem Weg müssen wirschrittweise vorangehen. Hier handelt es sich nämlichnicht um kleine Schräubchen, mit denen hie und da einesteuerliche Maßnahme verändert wird, sondern hier han-delt es sich um ein beschäftigungspolitisches Zukunfts-feld, das wir in den nächsten Jahren und Jahrzehntensystematisch weiterentwickeln müssen, weil es Men-schen neue Formen von Arbeit eröffnet, die wir so bishernicht kannten.
Wir haben uns entschieden, mit dem CO2-Gebäudesa-nierungsprogramm einen Schwerpunkt zu setzen. Dane-ben wollen wir die Bauinvestitionen stärken und dabeimehr für die Infrastruktur investieren. Das halte ich fürrichtig und wichtig. In einem modernen Industrielandmuss Mobilität möglich sein. Anstatt große ideologischeDebatten darüber zu führen, ob in die Bahn oder in dieStraße investiert wird, sorgen wir dafür, dass man sichauf den verschiedenen Verkehrswegen in Deutschlandvernünftig bewegen kann.
Darüber hinaus investieren wir mit dem Elterngeld indie Zukunft. Herr Brüderle, ich bin über Ihre Reaktionsehr erstaunt; das muss ich einmal sagen. Sie werdensich diese Maßnahme angeschaut haben. Eigentlichmüsste es die FDP für einen sehr modernen Weg halten,Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Natürlichgehört dazu auch die Kinderbetreuung; das ist keineFrage. Dadurch wird vor allen Dingen denen, die einebessere Qualifizierung haben, die Möglichkeit gegeben,dass die Entscheidung für Kinder von der Gesellschaftanerkannt wird. Das ist deshalb ein Paradigmenwechsel,weil wir Familienpolitik auch, aber nicht mehr nur alsTransfer- und Sozialpolitik begreifen; vielmehr als einegesellschaftspolitische Aufgabe im umfassenden Sinne,die mit Sozial- und Berufspolitik zu tun hat. Mit dieserNeuerung muss man sich wenigstens auseinander setzen.Ich halte das für einen richtigen Schritt.cfziewwgdd2EsddNkmmsWfnznHwhddmwerkmplIA–lsa
ch weiß, dass über vieles diskutiert wird und durch dienhörungen Fragen aufgeworfen wurden.
Die Föderalismusreform bedeutet eine sehr grundsätz-iche Diskussion, die nichts mit Kleinstaaterei zu tun hat,ondern in der wir der Frage nachgehen, wie unser Landm besten organisiert werden kann.
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Bundeskanzlerin Dr. Angela MerkelDabei wird immer wieder die Auffassung vertreten, dassder Zentralstaat die beste Möglichkeit ist, ein Land zuorganisieren. Wir glauben, dass ein Land mit 80 Millio-nen Einwohnern am besten in der Form organisiert ist,dass es zentrale Verantwortlichkeiten kennt und die Län-der in einem Wettbewerbsföderalismus auf Länderebeneum die beste Meinung ringen, die an vielen Stellen auchnur aufgrund der bestehenden Unterschiede ausprobiertwerden kann.
Eines der besten Beispiele ist für mich – das sage ichhier frank und frei –, dass es nach meiner Überzeugungin Deutschland heute nicht das Abitur nach zwölf Jahrengäbe, wenn wir in der Bundesrepublik Deutschland einzentrales Schulsystem hätten. Es war nur deshalb mög-lich, weil sich Sachsen und Thüringen nach der Wieder-vereinigung zu diesem Schritt entscheiden konnten, weilsie anschließend dafür geworben und bei der PISA-Stu-die gut abgeschnitten haben. Jetzt sind selbst die Bayernder Meinung, dass man das in zwölf Jahren schaffenkann.
– Damit ich auch den Beifall des Kollegen Ramsauer er-heischen kann: Die Bayern haben – im Übrigen zu Recht– darauf hingewiesen,
dass die Verkürzung der Schulzeit an sich kein Wert ist,wenn damit der Ausbildungsstand verschlechtert wird.
Nur durch die Kombination der PISA-Studie und demguten Abschneiden von Sachsen und Thüringen ist derBeweis erbracht worden, dass man auch in zwölf Jahrenetwas schaffen kann, das man andernorts – allerdingssehr gut; denn Bayern liegt in der PISA-Studie auf Platzeins – in 13 Jahren schafft. Das war der Ausgangspunktdafür, dass sich auch Bayern den anderen Ländern ange-schlossen hat. Das war nach meiner festen Überzeugungder richtige Weg.
Deshalb bitte ich, dass, wenn wir nächste Woche überdie Föderalismusreform abstimmen, in den ganzen Dis-kussionen um die vielen Einzelheiten, in denen sicher-lich auch richtige und gewichtige Argumente vorge-bracht werden, eines nicht untergeht: Wir werden beieiner Vielzahl von Gesetzgebungsvorhaben zu einerdeutlich besseren Aufteilung der Verantwortlichkeit vonBund und Ländern kommen. Wir werden – das halte ichfür wichtig – aus der Situation herauskommen, dass60 bis 70 Prozent der Gesetze zustimmungspflichtig sind,was immer wieder dazu führt, dass schließlich in einemfür die Bürgerinnen und Bürger sehr intransparentenVermittlungsverfahren von Bund und Ländern Entschei-dungen getroffen werden, bei denen sich letzten Endesjeder vor der Verantwortung drücken kann.HmnhwzASutusdkMb3IMhldsdpmstvwhzEmgp–itdndngn–bkum
Sieben Monate große Koalition! Wichtige Projekteind auf den Weg gebracht oder umgesetzt worden, dieer Konsolidierung unserer Finanzen und damit der Zu-unftsfähigkeit unseres Landes dienen, damit die jungenenschen in diesem Lande sagen können: Jawohl, wirleiben; hier wird auch an unsere Interessen in 20 oder0 Jahren gedacht. Das ist eine sehr wichtige Botschaft.Wir haben die Weichen in Richtung Forschung undnnovation gestellt. Wir haben Weichen gestellt, die dieöglichkeiten, in Arbeit zu kommen, verbessern. Wiraben Weichen für diejenigen gestellt, die in Deutsch-and investieren wollen. Wir werden das fortsetzen undie Unternehmensteuerreform wie auch die Erbschaft-teuerreform in einer Art und Weise durchführen, dassie Unternehmen etwas davon haben und ihre Vorhabenraktizieren können. Wir haben zudem die Föderalis-usreform und die notwendigen Veränderungen unsererozialen Sicherungssysteme in Angriff genommen.Alle diese Maßnahmen erfordern eine große Ernsthaf-igkeit, weil sie für die Menschen mit Veränderungenerbunden sind und weil wir in einer Zeit leben, in derir erkennbar weniger zu verteilen haben, als es in frü-eren Zeiten der Fall war. Es ist immer einfacher, Politiku machen, wenn man schöne Dinge versprechen kann.s ist manchmal sehr hart, Politik zu machen, bei deran sagen muss: Dies und jenes können wir uns im Au-enblick nicht leisten. Ich glaube aber, dass der Kom-ass, dass die Grundausrichtung der großen Koalitiondabei gibt es Dinge, die jedem schwer fallen – richtigst, weil wir uns auf die richtigen Schwerpunkte konzen-rieren: Arbeitsplätze zu schaffen, Zukunft zu sichern,ie Integration derjenigen, die in unserer Gesellschaftoch nicht ausreichend integriert sind, zu sichern sowieie Zukunft der Energiepolitik zu besprechen und zu ma-ifestieren. Das alles heißt, dicke Bretter zu bohren.In den letzten sieben Monaten haben wir schon eini-es geschafft. Aber in den nächsten Monaten haben wiroch viel vor uns. Wir wollen dies in einem Geist tundas ist jedenfalls mein Wunsch und, soweit es das Ka-inett angeht, will ich mich dafür ganz herzlich bedan-en –, wohl wissend, dass wir zwar zum Teil aus sehrnterschiedlichen Richtungen kommen, aber eine ge-einsame Verantwortung haben. Diese Verantwortung
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Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkelnehmen wir gerne für die Menschen in unserem Landewahr, weil wir Vertrauen in sie haben.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Gregor Gysi, Fraktion
Die Linke.
Frau Präsidentin! Frau Bundeskanzlerin, ich habe Ih-nen genau zugehört. Ich glaube, wir beide sollten einEingeständnis machen. Es gibt eine Gemeinsamkeit zwi-schen uns: Unser gemeinsamer Leistungsanteil an denErfolgen der deutschen Fußballnationalmannschaft istgleich null.
Wenn das stimmt, sollten Sie nicht versuchen, die Er-folge der Nationalmannschaft für die Regierung zu ver-einnahmen. Das bekommt man beim besten Willen nichthin.Ich hatte erwartet, dass Sie uns in Ihrer Rede erklären,wohin Sie mit Deutschland wollen. Aber ich habe esnicht verstanden, weder außenpolitisch noch innenpoli-tisch. Ich glaube, das ist die entscheidende Frage.Zur Außenpolitik: Sie haben über den Iran gespro-chen und gesagt, Sie strebten eine diplomatische Lösungdes Konflikts an. Das wäre tatsächlich sehr wichtig,wenn es denn gelänge. Ich hoffe darauf. Aber ich möchtein diesem Zusammenhang auf ein paar Punkte hinwei-sen:Erstens. Der Präsident des Iran macht Äußerungen zuIsrael und dem Holocaust, die in diesem Hause partei-übergreifend als völlig indiskutabel betrachtet werden.Das steht, glaube ich, fest.Zum Zweiten will er für seinen Staat die friedlicheNutzung der Atomenergie in Anspruch nehmen. Darüberkann man unterschiedlicher Auffassung sein. Aber dasProblem ist, dass sie allen Staaten erlaubt ist. Also kannman sie dem Iran nicht verbieten.Das Dritte ist: Es wird unterstellt, er wolle Atomwaf-fen. Angenommen, es stimmte, dann brächte uns das ineinen Konflikt, und zwar unter anderem deshalb, weildie fünf Atommächte noch nicht einmal das Ende desKalten Krieges genutzt haben, um den Atomwaffen-sperrvertrag zu erfüllen und schrittweise ihre Atomwaf-fen abzubauen,
weil inzwischen auch Israel, Indien und Pakistan Atom-waffen haben und weil Kriege gegen Jugoslawien, denIrak und Afghanistan geführt worden sind, immer gegenStaaten, die keine Massenvernichtungswaffen hatten.DwdmkwwgdKwWiwwddSSlvFgwtSss–szdSPDeIui
Lassen Sie mich noch eine andere außenpolitischerage ansprechen, die mir wichtig ist, weil wir darübererade so viel diskutiert haben: die EU-Verfassung. Sieollen die EU-Verfassung natürlich irgendwie in Kraftreten sehen. Ich verstehe auch, dass die EU eine besseretruktur braucht. Aber die EU-Verfassung hat eben ent-cheidende Mängel. Zwei Völker haben durch Volksent-cheid mehrheitlich Nein gesagt.
Jetzt heißt es, viele andere Länder hätten aber Ja ge-agt. In den 16 Ländern, die Ja gesagt haben, ist das inwei Fällen durch Volksentscheid, im Übrigen nur durchie Parlamente geschehen.
ie wissen, dass es leichter ist, eine Mehrheit dafür imarlament zu bekommen als in der Bevölkerung.
as gilt auch für Deutschland. Auch wir hätten hierzuinen Volksentscheid gebraucht.Abgesehen davon möchte ich wissen: Wie sieht dennhr Weg aus? Wollen Sie den Willen der beiden Völkermgehen? Wollen Sie ein anderes Annahmeverfahrennstallieren? Wollen Sie die Verfassung ändern? Wollen
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Dr. Gregor GysiSie sie sozialer gestalten, weniger neoliberal? Wollen Siesie entmilitarisieren? Wollen Sie vielleicht die Steuernharmonisieren, all das tun, was wir in der EuropäischenUnion dringend benötigten?
Damit bin ich bei der Innenpolitik. Sie haben gesterngesagt, Deutschland sei ein Sanierungsfall. Das ist einmutiges Eingeständnis.
– Okay, wir sind nicht nur ein Sanierungsfall – ich kennedie Ergebnisse der Nationalmannschaft –,
aber wir sind auch ein Sanierungsfall. Hinzuzufügen istaber: Die Regierenden haben aus Deutschland einen Sa-nierungsfall gemacht, und zwar angefangen bei der vori-gen Regierung und fortgesetzt durch die jetzige; das ge-hört zur Ehrlichkeit dazu.
Bestimmte Zahlen nennen Sie nicht. Ich will einmaldie Steigerung einer Größe von 2004 zu 2005 nennen.Die Gewinne und Einkommen aus Vermögen sind imVergleich von 2004 zu 2005 um 31 Milliarden Eurogewachsen. Im selben Zeitraum sind die Bruttolöhneund -gehälter der Bevölkerung um 5,7 Milliarden Eurogesunken. Das ist die Wahrheit im Vergleich von 2004zu 2005. Das sind die Folgen Ihrer Politik.
– Gerade Ihrer; denn da war Schröder noch Kanzler.
Was haben die Konzerne für die Steuergeschenke ver-sprochen, Frau Bundeskanzlerin? Sie haben gesagt,wenn die Kosten gesenkt würden, könnten sie Arbeits-plätze schaffen. Dann haben sie Pressekonferenzen ge-macht. Auf den Pressekonferenzen haben sie die Politikverhöhnt und gesagt: Das war sehr nett. Schönen Dank.Wir haben tolle Gewinne. Dafür bauen wir Arbeitsplätzeab. – In einem Fall waren es 8 000 und in einem anderenFall über 10 000 Arbeitsplätze. Ich habe gehofft, HerrSteinbrück, dass Sie sagen: Dann fordern wir von denenwenigstens gerechte Steuern. – Aber Sie machen es ge-nau umgekehrt.Das erklären Sie auch. Sie sagen, wir – das ist eineKritik, die sich immer an mich und meine Fraktion rich-tet – hätten nicht begriffen, dass man in Steuerkonkur-renz lebe, und weil man in Steuerkonkurrenz lebe,müsse man sich so verhalten. Sie sagen also: Man musssich im Hinblick auf diese Steuerkonkurrenz ein- undunterordnen.Selbst wenn das stimmte, muss ich noch eine Fragestellen. Haben die Urväter Wilhelm Liebknecht undAugust Bebel, als sie die Sozialdemokratie gründeten,wirklich daran gedacht, dass sie nur dafür da ist, sichekebdouEkdekgeesUlDhDInsdKatbF3jBudtU543Svw
rankreich hat eine von 33 Prozent, Großbritannien von0 Prozent. Sie schlagen 12,5 Prozent vor. Wenn es hieremanden gibt, der Steuerkonkurrenz organisiert, Frauundeskanzlerin, dann sind das Sie und Herr Steinbrücknd nicht die anderen Länder.
Dann machen Sie noch einen Vorschlag hinsichtlicher Abgeltungssteuer. Die Einkünfte aus Kapital, Ak-ien und Immobilien unterliegen der Einkommensteuer.nter Kohl hatten wir einen Spitzensteuersatz von3 Prozent, jetzt haben wir einen Spitzensteuersatz von2 Prozent. Nun schlagen Sie eine Abgeltungssteuer von0 Prozent im ersten Schritt und 25 Prozent im zweitenchritt vor. Wieder sollen die Vermögenden, die Best-erdienenden deutlich besser gestellt werden. Aberozu? Was soll dabei herauskommen, außer dass die so-
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Dr. Gregor Gysiziale Ungerechtigkeit in unserem Land grob zunimmt?Einen positiven Effekt können Sie nicht nennen.Konzerne, Bestverdienende und Vermögende habenzwei Dinge in Deutschland nicht zu fürchten: die Unionund die SPD.
Inzwischen gibt es – das muss man sich wirklich einmalüberlegen – Reiche, die selbst fordern, höhere Steuern zubezahlen. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren vonder Sozialdemokratie: Es gibt Reiche, die inzwischenlinker sind als die Sozialdemokratie! So weit haben Siees gebracht.
Die Union will an die Konzerne und die Reichen nichtheran. Das entspricht ihrer politischen Ausrichtung; daskann ich verstehen. Aber Ihnen von der SPD fehlt jederMut diesbezüglich. Darüber sollten Sie nachdenken.Deshalb haben wir keine gerechte Vermögensteuer,keine gerechte Veräußerungserlössteuer, keine gerechteKörperschaftsteuer, keine internationale Börsensteuer,nichts von dem, was wir benötigten, um Sozialabbau zuverhindern und mehr Gerechtigkeit in diesem Lande zufinanzieren.Wer soll das Ihrer Meinung nach alles bezahlen? Siewollen das über die Mehrwertsteuer finanzieren. FrauBundeskanzlerin, eines muss ich Ihnen lassen: Sie habendie Erhöhung im Wahlkampf immerhin ehrlich angekün-digt, auch wenn es Ihnen nicht viel gebracht hat
und Sie nur von 2 Prozent gesprochen haben, es aber nun3 Prozent geworden sind. Ich kann mich noch sehr gutan den Wahlkampf 1990 erinnern, meine Damen undHerren von der SPD. Ich weiß noch, dass Herr Kohl da-mals sagte, es werde im Osten keine Massenarbeitslosig-keit geben und die Einheit koste kein Geld; es gebekeine Steuererhöhungen. Ebenso kann ich mich erin-nern, dass Sie damals einen Spitzenkandidaten namensOskar Lafontaine hatten, der sagte: Erstens wird es Mas-senarbeitslosigkeit geben und zweitens wird es zu Steu-ererhöhungen kommen.
Ich sage aus Bescheidenheit nicht, dass auch andere dasausgesprochen haben; er jedenfalls hat es gesagt.
Sie wissen, wie die Wahlen ausgegangen sind. Danachkamen Massenarbeitslosigkeit und der Solidaritätszu-schlag, also eine Steuererhöhung. Was haben Sie – nurdarum geht es mir – damals gesagt? Sie haben gesagt,das sei erstens eine Steuerlüge und zweitens Wahlbetrug.Jetzt schalten wir einmal um auf das Jahr 2005. Ichbin aus ökonomischen und sozialen Gründen strikt ge-gitwAkMwilUUGdg„ejgWviDLes–nzEFnbrzfggsmsLkdrm
Jetzt frage ich Sie einmal: Hätten Sie 2005 Plakateegen Frau Merkel geklebt, auf denen gestanden hätte:Nicht 2 Prozent, sondern 3 Prozent Mehrwertsteuer-rhöhung“, was glauben Sie, wie viele von Ihnen hieretzt nicht säßen, weil Ihr Wahlergebnis viel schlechterewesen wäre?
as allerdings nicht schön wäre: Es säßen dann mehron der Union hier.Es geht mir um dieses Thema, weil das ein Vorgangst, der alle Politikerinnen und Politiker beschädigt.enn letztlich, ob Sie das wollen oder nicht, sagen dieeute: Die sind doch alle gleich; erst versprechen sie dasine und dann machen sie das andere. – Dann unter-cheiden die Leute nicht mehr zwischen uns.
Nein, leider. Aber es hat auch seinen Vorteil: Wir kön-en uns dadurch ganz gut unterscheiden.Die Mehrwertsteuererhöhung ist ökonomisch und so-ial falsch. Wir haben dadurch natürlich etwas höhereinnahmen. Aber wen treffen Sie mit dieser Erhöhung,rau Kanzlerin? Nicht sich selbst, nicht mich; wir kön-en das verkraften. Aber denken Sie einmal an die Ar-eitslosen, an die Rentnerinnen und Rentner, an die Ge-ingverdienenden. Sie alle müssen diese 3 Prozent mehrahlen und es gibt nicht eine einzige Ausgleichsleistungür sie. Damit schwächen Sie die Kaufkraft. Das hat inanz Deutschland erhebliche negative ökonomische Fol-en. Bei Unternehmen, die schon jetzt an der Grenzeind, ist die Insolvenz absehbar. Dann gibt es wiederehr Arbeitslose und Herr Steinbrück wird erneut vor-chlagen, die Unternehmensteuern zu senken und dieeistungen für Arbeitslose zu kürzen. Genau diesen Wegönnen wir nicht mehr gehen.
Seit dem Jahr 2000 hatten wir in Deutschland – auchas muss man einmal bei all dem Steuerkonkurrenzge-ede sagen – einen Exportboom. Wir sind Exportwelt-eister. Das sind wir nicht deswegen, weil hier alles so
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Dr. Gregor Gysiteuer ist, dass man überhaupt keine Produkte mehr her-stellen und verkaufen kann. Wir verkaufen weltweit pro-zentual mehr als alle anderen Länder; das muss man ein-fach sehen. Dadurch sind in Deutschland 1 MillionArbeitsplätze entstanden. Durch die Schwäche der Bin-nenkonjunktur, durch die Schwäche des Binnenmarktes,sind 1,3 Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen, so-dass wir ein zusätzliches Minus von 300 000 Arbeits-plätzen haben. Das ist die Wahrheit.Warum sind wir in der Lage, uns beim Export erfolg-reich ökonomisch zu entwickeln, und lassen bei der Bin-nenwirtschaft derart nach? Die Antwort ist ganz einfach:weil Sozialabbau herrscht, weil die Kaufkraft der Bevöl-kerung abnimmt
und weil Sie die Bevölkerung täglich neu verunsichern,sodass sie sich gar nicht mehr traut, einzukaufen, undwenn doch, dann nur noch in diesem Jahr, weil sieglaubt, es sich nächstes Jahr überhaupt nicht mehr leis-ten zu können.
Was tun Sie noch? Neben der Mehrwertsteuererhö-hung wollen Sie die Pendlerpauschale einschränken.Was heißt denn das? Sie fordern einen flexiblen Arbeits-markt und sagen, man müsse heute bereit sein, auch ein-mal 100 Kilometer weit zu fahren, um zu seinemArbeitsplatz zu kommen. Gleichzeitig kürzen Sie dieLeistungen dafür und machen es Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmern immer schwerer, darauf einzugehen.Sie kürzen den Sparerfreibetrag. Das stört dochnicht Vermögende. Dieser Freibetrag ist für die Klein-sparer, die bisher davon profitiert haben, gedacht. Vielefallen dann nicht mehr unter diesen Freibetrag und müs-sen Steuern zahlen. Das ist wieder eine Maßnahme zu-lasten der sozial Schwachen.Was machen Sie bei Hartz IV? Jeden Tag kommt einneuer Vorschlag dazu, wo man etwas kürzen kann. JedenTag kommt ein neuer Vorschlag dazu, wie man die Be-troffenen drangsalieren kann. Was ist eigentlich eine zu-mutbare Arbeit? Soll ein Ingenieur verpflichtet werdenkönnen, Schuhputzer zu werden? Ist das für Sie zumut-bar?
Ist das die Zukunft unserer Gesellschaft? Darf ich einmaletwas fragen: Wir haben kaum offene Stellen. Wohinwollen Sie die Leute vermitteln? Sie drangsalieren in derHoffnung, dass weniger Anträge auf Bezug von Arbeits-losengeld gestellt werden, um auf diese Art und WeiseGeld zu sparen. Das ist nicht in Ordnung.
Eine dreiste sozialdemokratische Sozialkürzung wardies: 36 Monate lang gab es das Arbeitslosengeld I.Diese Bezugsdauer haben Sie auf zwölf Monate, umzwei Drittel, gekürzt. Einen solchen Sozialabbau hatte esidGJfzJtVsnMsaevhssnDnsNdAHnitWgAtnAnawlSGi
an sollte nicht immer all das, was einem nach dem Ge-etz zusteht, annehmen. Er mahnte etwas Bescheidenheitn.Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Wir alle sollten sotwas nicht sagen. Man sollte von anderen Leuten nieerlangen, was wir auch von uns nicht verlangen. Wederat Herr Beck bisher an das zuständige Ministerium ge-chrieben und darum gebeten, ihm weniger als sein ge-etzliches Gehalt auszuzahlen,
och haben wir deshalb an Herrn Lammert geschrieben.as werden wir auch nicht tun. Solange wir das abericht machen, sollten wir keinem Arbeitslosen sagen, erolle nicht all das in Anspruch nehmen, was ihm zusteht.atürlich tut er das und das ist auch sein Recht.
Frau Kanzlerin, Sie haben zu Recht über die fehlen-en Ausbildungsplätze gesprochen. Es fehlen 50 000.ber es fällt Ihnen nichts anderes ein, als das zu tun, waselmut Kohl getan hat. Helmut Kohl hat jedes Jahr ei-en Brief an die Unternehmen geschrieben. Dieser warmmer ähnlich wirkungslos. Er hat nichts gebracht. Hin-erher gab es Tausende Jugendliche ohne Perspektive.enn Sie einem Jugendlichen keine Ausbildungschanceeben, was soll dann aus ihm werden? Es mag sein, dassusbildung teuer ist. Aber Jugendgefängnisse sind vieleurer. Ich verstehe nicht, mit welchem Recht meine Ge-eration meint, der nächsten Generation das Recht aufusbildung teilweise absprechen zu können.
Ich muss Ihnen sagen: Diese Bittbriefe an die Unter-ehmen helfen gar nichts. Entweder muss der Staat dannusbilden – das ist nicht das Ideale, das weiß ich; aber esäre immerhin eine Ausbildung – oder wir müssen end-ich die Ausbildungsplatzabgabe wirklich einführen.ie haben es in diesem Zusammenhang zwar zu einemesetz gebracht, es aber nicht in Kraft gesetzt. Auch dasst typisch sozialdemokratisch.
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Dr. Gregor GysiEine solche Ausbildungsplatzabgabe wäre eine Lö-sung. Ich weiß, die FDP ist strikt dagegen. Sie ist immerfür die Freiheit der Ausbeutung. Das geht uns zu weit;wenn ich das einmal so sagen darf.
Deshalb meine ich, dass wir hier einen anderen Ansatzbrauchen.Zum Elterngeld. Am Elterngeld gefällt mir natürlich,dass man den Bezug um zwei Monate verlängern kann,wenn auch der andere Sorgeberechtigte – in der Regel istdies ja wohl der Mann – zwei Monate lang zugreifenmuss. Das gefällt mir. Die Nörgelei in der Union, die esdazu gibt, werden Sie schon durchstehen. Aber was michwirklich umhaut: Eine solche verordnete Umverteilungvon unten nach oben habe ich in dieser Direktheit nochnie erlebt. Ich will zwei Beispiele nennen. Das erste Bei-spiel: Alle haben einen Anspruch auf einen Bezug dieserLeistungen bis zu 14 Monaten, aber ALG-II-Empfängerhaben nur einen Anspruch auf zwölf Monate. Das kön-nen Sie nicht erklären. Wieso bekommen sie die Leistun-gen zwei Monate weniger? Das zweite Beispiel: Sie be-kamen bisher Erziehungsgeld, und zwar zwei Jahre langmonatlich 300 Euro. Jetzt sagen Sie: Es gibt die monatli-chen 300 Euro nur ein Jahr lang. Das heißt, die Leistungwird nur für die Hälfte der Zeit gewährt. Ferner sagenSie: Besserverdienende bekommen monatlich bis zu1 800 Euro. – Es ist doch nicht hinnehmbar, dass Sie Ar-beitslosen nur noch die Hälfte geben und den Besserver-dienenden dagegen ein Elterngeld in Höhe von bis zu1 800 Euro zugestehen. Das ist nicht nachvollziehbar.Das ist eine reine Umverteilung.
Wenn wir die Steuer- und Abgabenquote Frank-reichs hätten, hätten wir im Jahr 200 Milliarden EuroMehreinnahmen und brauchten alle diese sozialen Kür-zungen nicht. Wenn wir nur den Durchschnitt der Steuer-und Abgabenquote in der EU hätten, wären unsere Ein-nahmen aufgrund von Steuern und Abgaben um 6 Pro-zent höher; das entspräche 130 Milliarden Euro. Alldiese Zahlen stammen aus der OECD-Statistik. Ich findees gut, wenn immer wieder darauf hingewiesen wird,wie die Realitäten in anderen Ländern aussehen.Sie haben auch noch die tolle Idee, die Einrichtungender öffentlichen Daseinsvorsorge zu privatisieren. Ichwarte die Ergebnisse Ihrer Gesundheitsreform ab; ichwill mich vorher nicht festlegen. Das Einzige, was ichbis jetzt verstanden habe, ist: Sie wollen eine neue großeBürokratie schaffen.
Was sie bringen soll, ist mir völlig schleierhaft. Aber,wie gesagt, ich warte die Vorschläge ab. – Nur noch Fol-gendes: Ich habe heute gelesen, sogar die Besserverdie-nenden sollen mehr bezahlen. Ich bin sehr gespannt, wasdabei herauskommt.cisftAszt–irnwkFcuGAmbljimggmkEBüddddDmzzwFouS
Hat die Privatisierung der Einrichtungen der öffentli-hen Daseinsvorsorge bewirkt, dass es billiger gewordenst, wie es immer angekündigt worden ist? Es wurde ge-agt, private Konzerne seien effektiv, es sei wunderbarür die Kundinnen und Kunden. Nichts davon ist einge-reten. Es gibt höhere Kosten für die Betroffenen, denbbau von Personal und im Falle von Wohnungsgesell-chaften auch noch höhere Mieten.Nehmen wir die Energieversorgung. Vier Stromkon-erne haben wir in Deutschland; es ist ja fast alles priva-isiert worden. Am Anfang sank der Strompreis etwasdas stimmt –, aber nur am Anfang. Inzwischen ist erns Gigantische gestiegen. Die Stromkonzerne macheniesige Gewinne und fordern, dass das von den Bürgerin-en und Bürgern und auch von der Wirtschaft bezahlterden soll. Es ist dabei also nichts von dem herausge-ommen, was Sie versprochen haben.Lassen Sie mich einen Satz zum Föderalismus sagen.rau Bundeskanzlerin, Sie haben darüber länger gespro-hen. Sie haben in diesem Zusammenhang auch Bildungnd Wettbewerb genannt. Ich bitte Sie, mir die Logik desanzen zu erklären. Die Union tritt dafür ein, dass derrbeitsmarkt flexibler wird. Das heißt, Sie sagen Elternit zwei schulpflichtigen Kindern: Wenn ihr einen Ar-eitsplatz wollt, müsst ihr auch bereit sein, das Bundes-and zu wechseln. Das sei heute nun einmal so. Ich willetzt einmal davon absehen, dass Ihre gesamte Ideologien Bezug auf Kirchenchor und Schützenverein, denenan vielleicht sogar 40 Jahre lang angehören sollte, an-esichts eines so flexiblen Arbeitsmarkts nicht mehr auf-eht; das geht alles ein bisschen durcheinander. Aber dasacht ja nichts; das ist Ihr Problem.
Ich will auf etwas ganz anderes hinaus: Die Elternönnen das alles doch nicht mehr verantworten. Wennltern mit schulpflichtigen Kindern heute zweimal dasundesland wechseln müssen, verhalten sie sich gegen-ber ihren Kindern unverantwortlich und verschlechterneren Bildungschancen. Es ist keine Strukturfrage, son-ern eine Frage der Chancengleichheit für unsere Kin-er, dass wir einheitliche Qualitätsstandards für die Bil-ung in ganz Deutschland einführen.
as Abitur in Bayern und das in Mecklenburg-Vorpom-ern müssen gleich viel wert werden. Dafür haben wiru sorgen, und auch dafür, dass der Abschluss nach derehnten Klasse und die Berufsausbildung gleichwertigerden.Ich verstehe Ihre Haltung nicht. Es ist eine einfacherage der Logik. Da muss man nicht links oder rechtsder sonst etwas sein, sondern einfach nur vernünftignd schon könnte man das anders regeln. Dann würdenie auch die Bevölkerung für das Prinzip des Föderalis-
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Dr. Gregor Gysimus begeistern können. Diese Strukturhackerei, die Ver-fahrensweise, dass die reichen Bundesländer meinen, siekönnten die Bedingungen für die armen diktieren, wirdniemandem einleuchten, und das zu Recht.Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas zur deut-schen Einheit sagen. Wir haben jetzt den Abschlusszwischen den zuständigen Landesministern und demMarburger Bund für die Klinikärzte erlebt. Ich sage Ih-nen: Das ist einfach eine Unverschämtheit; es ist wirk-lich eine Unverschämtheit.
Sie stellen sich im Jahre 16 der deutschen Einheit hinund sagen: Im ersten und im zweiten Jahr erhält eineKlinikärztin oder ein Klinikarzt in den neuen Bundeslän-dern mit Sicherheit 400 Euro weniger als eine Klinikärz-tin oder ein Klinikarzt in den alten Bundesländern. Dasist arrogant. Es ist demütigend. Es ist ökonomisch falschund sozial grob ungerecht. Das ist durch nichts mehr zuverteidigen – wirklich nicht.
Nun wollen wir einmal sehen, wie es dort weitergeht.Aber ich weiß natürlich, wer da sitzt. Ich weiß, welcheLandesminister und wer da vom Marburger Bund sitzt.Diese Arroganz müssen wir überwinden. Wir brauchennicht eine Einheit, wir brauchen eine Vereinigung. Dasheißt, wir müssen aufeinander zugehen.
Frau Bundeskanzlerin, Sie kommen aus Ostdeutsch-land; deshalb interessiert mich sehr, ob Sie diesbezüglichetwas leisten werden, ob Sie wenigstens einen Fahrplanaufstellen. Sind Sie dafür, dass man für die gleiche Ar-beit den gleichen Lohn erhält? Sind Sie dafür, dass manfür die gleiche Lebensleistung die gleiche Rente erhält?Ich weiß, Sie können das nicht zum 1. Januar 2007 ein-führen; das verlange ich auch nicht. Aber es wäre dochnicht falsch, wenn Sie Auskunft gäben und sagten: Dasist unser Fahrplan. In diesen Schritten wollen wir das er-reichen. – Wir haben diesbezüglich noch nichts vonIhnen gehört. Ich will wissen, ob Sie die Angleichungwollen oder ob sie bei dieser Bundesregierung abge-schrieben ist.
Wenn wir die Arbeitslosigkeit senken wollen, brau-chen wir einen öffentlich geförderten Beschäftigungs-sektor wie in Mecklenburg-Vorpommern. 600 Sozial-arbeiterinnen und Sozialarbeiter arbeiten dort nachmittagsan den Schulen, machen Förderunterricht und vieles an-dere. Sie erzielen Einnahmen. Diese Einnahmen reichenaber nicht aus, um sie zu bezahlen. Also zahlt das Landetwas dazu. Dadurch spart der Bund Arbeitslosengeld.Glauben Sie, wir bekommen solch eine kleine Struk-turfrage geregelt? Man könnte etwa sagen: Von dem ge-sparten Geld geht die Hälfte an Mecklenburg-Vorpom-mern, dann könnte es den öffentlich gefördertenBeschäftigungssektor erweitern. So könnte man das injmAWgsBAsnvF„hahaddedaktigcTüdtRgWf
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Uff“ möchte man sagen, wenn Herr Gysi gesprochenat. Er ist alles losgeworden, was er einmal sagen wollte,uch wenn nicht alles einen großen Zusammenhangatte.
Wenn man zugehört hat, was links außen und rechtsußen im Parlament gesprochen wurde – so ist jedenfallsie Sitzordnung von FDP und Linken –, dann hat manas Gefühl: Das sind zwei Gegensätze, die sich hier mit-inander unterhalten wollen. Die einen sagen: Das Übel,as wir in unserer Gesellschaft haben, ist der Staat. Dienderen sagen: Der Staat löst alle unsere Probleme, dannommt Manna vom Himmel und wir müssen keine Poli-ik mehr machen. – Das ist keine sinnvolle Politik, dasst nicht maßvoll. Ich glaube, dass man sich mehr Müheeben muss, wenn man das Land regieren will, als sol-he Sprüche abzulassen.
Ich glaube auch, dass sich die FDP, die eine großeradition als Regierungspartei in unserem Land hat,
berlegen muss, ob sie sich in diesem Gegensatz und mitieser extremen Positionierung in Fragen der Sozialpoli-ik richtig verortet. Sie wäre gut beraten, das zu ändern.Es ist von Herrn Brüderle und auch in vielen andereneden schon gesagt worden: Da gibt es Kontinuität. Esab sieben Jahre lang die Regierung Schröder/Fischer.enn man schaut, was jetzt passiert, dann stellt manest, dass vieles bei dem ansetzt, was schon vorher statt-
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Olaf Scholzgefunden hat. Ich frage mich immer, warum ich michdarüber ärgern soll.
Ich fand, die sieben Jahre der rot-grünen Regierung wa-ren nicht so schlecht, meine Damen und Herren.
Deshalb: Reden Sie nur weiter so! Das macht nocheinmal deutlich, dass das, was wir heute tun, was wirheute fortsetzen, was wir heute weiterentwickeln, aneine der mutigsten Reformpolitiken der letzten Jahr-zehnte anknüpft, die in der siebenjährigen Regierungs-zeit der vorherigen Regierung angefangen hat. Es istrichtig, dass wir da weitermachen und nicht aufhörenoder eine Kehrtwende beginnen.
Zum Antidiskriminierungsgesetz.
Herr Brüderle hat darüber gesprochen, Herr Westerwellewird sicherlich auch noch darüber sprechen.
– Das heißt jetzt Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz;das ist übrigens ein wirklicher Fortschritt.
– Ja, das klingt besser.Ich stelle mir immer vor – es war schon einmal so –,die FDP würde mit den Sozialdemokraten regieren.Dann müssten Sie von der FDP das Allgemeine Gleich-behandlungsgesetz, so wie es dem Deutschen Bundestagvorliegt, hier begründen.
Ich frage mich immer, was Herr Brüderle dann sagenwürde. Er würde wohl sagen: Das muss so gemacht wer-den; denn es gibt europäische Richtlinien. Wir haben garkeine große Wahl, wir müssen es so tun. – HerrWesterwelle würde wohl sagen: Das ist richtig so; dennwenn wir schon von der EU gezwungen werden, vorzu-schreiben, dass Ausländer und Frauen im allgemeinenZivilleben nicht diskriminiert werden dürfen, dann lässtsich nicht gut erklären, warum wir nicht auch alten Men-schen, Behinderten oder Homosexuellen den gleichenSchutz gewähren sollen. Das ist der Grund dafür, dasswir dieses Gesetz so beschließen wollen.
KmeltlRzWtdiErnnmdgAndsedRiZmhUkdszgd
Es ist mir nicht bekannt, dass Kurt Beck den Aus-ruck „Toleranz durch Bürokratie“ verwandt hat; dafürst er viel zu intelligent.
s ist mir aber sehr wohl bekannt, dass zum Beispiel derheinland-pfälzische Ministerpräsident und der frühereordrhein-westfälische Ministerpräsident, der jetzt Fi-anzminister dieser Republik ist – ich habe damals öfterit ihm darüber diskutiert –, dafür gesorgt haben, dasser erste Gesetzentwurf, über den wir geredet haben, sout geworden ist, dass wir jetzt auf dieser qualitätsvollenrbeit aufbauen können.
Herr Westerwelle, ich möchte mein Gedankenspieloch ergänzen. Wären Sie in der Regierung, müssten Sieen Gesetzentwurf hier rechtfertigen. Das ist eine Per-pektive, die sich eine Partei wie die Ihre gelegentlichrlauben sollte. Sie sollten darüber nachdenken: Gingeas, was ich in der Opposition sage, auf, wenn ich in deregierung wäre? Könnte ich irgendetwas von dem, wasch hier erzähle, wahr machen? Oder gibt es Umstände,wänge, gesetzliche Regelungen, die es mir gar nicht er-öglichten, die großen Reden fortzuführen, die ich vor-er gehalten habe?Ich bin ganz sicher, dass sich unsere Freunde von dernion zwar ärgern, dass sie Ihnen nicht die Rede haltenönnen, die Herr Brüderle der Union hält, sich aber mehrarüber freuen, dass sie in der Regierung sind und Ge-taltungsmacht haben, anstatt hier Reden ohne Wirkungu halten.
Seitdem sich die neue Regierung gebildet hat, ist eineanze Reihe von Reformen auf den Weg gebracht wor-en, die mit großen Schritten vorangebracht werden. Es
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Olaf Scholzist merkwürdig, was wir jetzt erleben: Der eine schreibtauf Seite 3 der Zeitung, nichts geschehe; der andereschreibt auf Seite 2, alle seien nervös, weil jetzt so großeDinge passierten. Die Wahrheit ist: Beides zugleich kannnicht richtig sein, schon gar nicht, wenn beides in einemLeitartikel steht. Es kommt aber vor, dass beides be-hauptet wird. Deshalb möchte ich ein paar Punkte nen-nen, bei denen wir große Fortschritte machen und dieeine Rolle bei dem, was wir in dieser Koalition in dernächsten Zeit voranbringen wollen, spielen.Wir sorgen dafür, dass der föderale Staatsaufbau ver-nünftig organisiert wird. Wir brauchen eine Föderalis-musreform. Franz Müntefering und Edmund Stoiber ha-ben eine große Rolle dabei gespielt, die Dinge zur Zeitder rot-grünen Koalition voranzubringen.
Wir werden die Reform jetzt realisieren; wir wollen vorder Sommerpause fertig sein.Der Gesetzentwurf, der hier zur Beratung steht, ist sogut, dass er dafür sorgen würde, dass viel weniger Ge-setze im Bundesrat zustimmungspflichtig wären, als esin der Vergangenheit der Fall war. Das zu erreichen, ha-ben wir den Bürgerinnen und Bürgern versprochen.
Wir haben ihnen auch versprochen, dass wir uns nichtnur mit uns selbst beschäftigen und wir es uns sparenwollen, darüber zu diskutieren, wer wann nachts um vierim Vermittlungsausschuss was gemacht hat.Wir wollen mit der Föderalismusreform dafür sorgen,dass die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben,zu entscheiden: Der Struck hat es gut gemacht, derWesterwelle hat es schlecht gemacht; das berücksichtigeich jetzt bei meinen Wahlentscheidungen. Das ist nichtmöglich, wenn die Verantwortung nicht zugeordnet wer-den kann. Es tut dem Föderalismus gut, wenn die Verant-wortung des Bundes und die Verantwortung der Länderauseinander gehalten werden können. Wir sind für einenföderalen Staat; wir wollen ihn stärken und nicht schwä-chen.
Natürlich muss es Verbesserungen geben. Es ist einegroße Sache, dass es uns gelungen ist, eine Verfassungs-besonderheit zustande gebracht zu haben, nämlich einegemeinsame Anhörung von Bundestag und Bundesratim Wesentlichen in diesem Saal. Wir alle wissen: Esmuss etwas geändert werden. Das ist für uns Sozialde-mokratinnen und Sozialdemokraten ganz klar. Wir wol-len diese Reform, aber wir wollen noch Veränderungen,die es in der nächsten Woche geben wird. Das wird fürjeden sichtbar sein.
Wichtig ist – das wurde schon gesagt –, dass es imBereich von Wissenschaft und Forschung möglich seinmuss, zusammenzuarbeiten. Die Bewältigung des gro-ßAuwpgaldsJKmsssusdaDdSssVgsksmwsewbogllwvdnurskmvdM
Bei der Rente sind wir aufgrund der Reformen deretzten Jahre schon sehr weit. Was noch geschehen muss,ird auch geschehen. Irgendwann kann man dann nachielen Jahren der Propaganda, in denen gesagt wurde,as Rentenversicherungssystem habe keine Zukunft,icht nur sagen: „Die Rechnung, dass sich Einnahmennd Ausgaben ausgleichen, geht auf“, sondern auch da-auf hoffen, dass die Menschen wieder an die Rentenver-icherung glauben, weil sie wissen, dass sie in die Zu-unft investieren. Ich glaube, das ist ganz wichtig. Dieeisten Menschen sind nicht so reich, dass sie sich alleier Jahre einen Systemwechsel bei der Kranken- under Rentenversicherung leisten könnten. Die meistenenschen werden nervös, wenn alle vier Jahre alles zur
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Olaf ScholzDisposition steht. Sie sind darauf angewiesen, dass wir,die Abgeordneten in diesem Haus und die Bundesregie-rung, dafür sorgen, dass der Sozialstaat funktioniert. Dasist die Aufgabe, der wir nachkommen müssen.Als Nächstes liegt die Reform der Krankenversiche-rung an. Dazu ist schon einiges gesagt worden. Ichglaube, dass wir es hinbekommen, eine Reform derKrankenversicherung auf solidarischer Basis zustandezu bringen. Das ist notwendig; denn die Menschen ver-langen von uns, dass wir Solidarität herstellen. Solidari-tät ist gut für diejenigen, die wenig verdienen und diesich ohne solidarische Strukturen etwa in der Kranken-versicherung einen vollwertigen Versicherungsschutznicht leisten könnten. Darum brauchen wir Solidaritätinsbesondere für die Menschen, die wenig verdienen.
Wir brauchen Solidarität für die Unternehmer, diediese Menschen beschäftigen wollen. Wir sprechen hierüber Lohnnebenkosten und über Kosten der Arbeit. Soli-darität bedeutet in diesem Zusammenhang Entlastungder Unternehmer; denn davon profitieren gerade Men-schen mit geringer Qualifikation und geringem Einkom-men. Die Unternehmer dürfen in einem solidarischenSystem nicht überproportional hohe Beiträge zur Kran-kenversicherung dieser Arbeitnehmer leisten müssen.Deshalb ist es richtig, dass wir das Krankenversiche-rungssystem unter Beachtung des Solidaritätsprinzips inOrdnung bringen.Sie wissen, dass darüber diskutiert wird. Über Mo-delle kann man allerdings erst dann diskutieren, wennsie endgültig da sind. Eines kann man aber als Sozialde-mokrat schon jetzt sagen: Ein Beitrag zur Solidaritätwird sein müssen, dass wir dafür sorgen, dass man sichvon der Sozialversicherung nicht verabschieden kann.Es darf nicht sein, dass man sich, wie es bei Steueroasender Fall ist – Beispiel Cayman Islands –, der Solidaritätentzieht. Das haben wir allerdings mit dem Nebeneinan-der von privater und gesetzlicher Krankenversicherung,so wie es heute organisiert ist. Wir brauchen vielmehrein Miteinander. Es gibt viele Wege, wie man das ma-chen kann. Darüber reden und streiten wir. Ich bin si-cher, dass wir einen vernünftigen Weg finden werden.Die Menschen werden dafür sein, dass es solidarisch zu-geht. Da kann die FDP sagen, was sie will.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen,dass in den Fußballstadien, die von einigen von uns be-sucht werden, gelegentlich ein sozialdemokratischesGrundsatzprogramm in Form eines Liedes vorgetragenwird. Das berührt die Frage, wie wir mit der Gesund-heits- und Rentenreform umgehen. Das Grundsatzpro-gramm, das dort vorgetragen wird, heißt: You‘ll neverwalk alone. Das ist eigentlich die richtige Überschrift fürein sozialdemokratisches Grundsatzprogramm. So sehenwir die Welt. Ich frage mich, wie Sie sie sehen.
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as ist wichtig, weil wir unser Land und den Staatshaus-alt in Ordnung bringen wollen.
Herr Gysi, Steuererhöhungen für alles und jeden sindicht die Lösung des Problems. Daher kommt auch nichtas viele Geld, das Sie sich erhoffen. Wir müssen dafürorgen, dass wir die richtige Balance finden. Wir brau-hen eine Besteuerung, die für die Menschen, für dienternehmen und international vertretbar ist. Gleichzei-ig brauchen wir eine Situation, in der der Staat die Auf-aben, die – ich wähle jetzt mal diese Reihenfolge – dienternehmen, die Bürgerinnen und Bürger, die Arbeit-ehmer, die Studierenden, die Schülerinnen und Schüler,ie alle an uns stellen, auch erfüllen kann. Der Staatuss dazu in der Lage sein. Man kann nicht eine superutobahn haben und gleichzeitig keine Steuern zahlenollen. Beides gleichzeitig geht nicht. Deshalb werdenir immer das richtige Maß finden müssen. Über diesesaß kann man streiten. Ich will gerne hinzufügen, dass
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Olaf ScholzMitte und Maß gute Tugenden des Handwerks in unse-rem Land sind.
Es ist die Sache von Außenseitern, zu behaupten, dassMitte und Maß etwas mit Mittelmäßigkeit zu tun hätten.Wir werden uns gegen diese Diskreditierung vernünfti-ger Politik immer zur Wehr setzen.
Uns ist schon etwas gelungen,
sogar eine so schwierige Operation – Herr Gysi und an-dere haben darüber geredet – wie die Erhöhung derMehrwertsteuer. Die ist ja niemandem leicht gefallen.Keiner macht das gerne, gleich ob vor oder nach Wahl-kämpfen, es bleibt schwierig, wenn man Steuern erhöht.
– Seid mal froh, dass ihr nicht mitregieren müsst, dannwäret ihr auch dafür!
Die Menschen sind nicht so aufgeregt, wie die De-batte in diesem Parlament geführt wird. Was ist uns nichtalles vorhergesagt worden? Es wurden Kampagnen inZeitungen geschaltet und für diejenigen, die das aufhal-ten wollten, wurden Orden verteilt. Jetzt wurde gesagt:Das ist die letzte Chance, das sind diejenigen, die dasaufhalten können. Wir haben es trotzdem gemacht. DieMenschen freuen sich zwar nicht, verstehen aber, warumdas geschehen ist. Deshalb sind sie mit dem Gesamter-gebnis dieser Entscheidung einverstanden.
Das wird übrigens auch für ein anderes Thema gelten,das viele aufregt. Es betrifft nicht alle, auch nicht alleMitglieder dieses Hauses. Ich bin zwar nicht über dieNebeneinkünfte eines jeden Abgeordneten informiert,glaube aber, dass mit der Reichensteuer keiner oder fastkeiner etwas zu tun haben wird.
– Oskar Lafontaine, das kann sein. – Dass sie kommt, istgut, weil das zeigt, dass wir die soziale Balance in demBesteuerungssystem dieses Landes zustande gebrachthaben. Es ist richtig, dass diejenigen, die über breiteSchultern verfügen, mitmachen.Lassen Sie mich einen letzten Punkt ansprechen. Ei-nen der größten Fortschritte machen wir auf dem Gebietder Familienpolitik. Hier gibt es eine gute Kontinuitäts-linie. Das Ganztagsbetreuungsprogramm war ein Fort-stEJg-hhNhwkLngnfMEssWSwegtubWBBRag–g
Ich bin froh, dass sich diese Linie mit dem Elterngeldortsetzt. Das ist eine ganz moderne Familienpolitik.an muss Demagoge sein, um das schlecht zu finden.s ist eine moderne Politik, weil sie bei den Bedürfnis-en der jungen Eltern ansetzt, die sich für Kinder ent-cheiden, die Beruf und Familie vereinbaren wollen.enn wir das jetzt in Deutschland umsetzen, folgen wirtaaten, die uns ansonsten als Vorbild entgegengehaltenerden, zum Beispiel Schweden und Frankreich. Das istine soziale Maßnahme, das ist eine Maßnahme für alle.Eines möchte ich in diesem Zusammenhang noch sa-en: Wer, wie Herr Gysi, jemanden, der 1 600 Euro El-erngeld bekommt, weil er sich als Vater um die Betreu-ng der Kinder kümmert, als Besserverdienereschimpft, der zeigt, dass er keine Ahnung von dieserelt hat.Schönen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Renate Künast,
ündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frauundeskanzlerin, ich habe ja geahnt, dass Sie in Ihrerede als Erstes versuchen werden, ein bisschen Honigus der jetzt laufenden Fußballweltmeisterschaft zu sau-en.
Jetzt operieren wir schon mit dem Wort Mädchen, jun-er Mann.
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Renate KünastSie haben versucht, den Fußball an dieser Stelle zunutzen. Aber wahr ist: Wir Abgeordnete haben nicht mit-trainiert und wir haben auch nicht mitgespielt. Dass indiesem Land im Augenblick gute Stimmung ist, heißtnicht, dass die gute Stimmung der Regierung geschuldetist, sondern dem Team von Herrn Klinsmann und denen,die auf diesem Feld spielen. Darüber können wir alleglücklich und froh sein. Die Leistung, die Klinsmann mitseinen Männern erbracht hat, haben Sie, Frau Merkel,erst noch vor sich.
Im Gegensatz zu Klinsmann, der das Team systematischentwickelt hat, haben wir bei der Bundesregierung imAugenblick doch wohl eher die Sorge, dass Sie mehrund mehr Ausfälle in der Truppe haben. Das werde ichIhnen begründen.Lieber Olaf, du hast gesagt, dass in den Stadien„You’ll never walk alone“ gesungen wird. Die Zu-schauer sagen: Dieses Team wird nicht alleine laufen,weil sie Solidarität empfinden und sich mitgenommenfühlen. Sie jubeln einem Team zu, dessen Trainer sagt:Jeder ist wichtig für unseren Erfolg. Diese Leistung,wirklich alle Menschen in dieser Republik einzubezie-hen, mitzunehmen, jedem eine Chance zu geben undkein Kind auf der Strecke liegen zu lassen, muss dieBundesregierung erst noch erbringen. Ich sehe sie nochnicht.
Wir werden unseren Teil dazu beitragen. Aber das än-dert nichts daran – das sage ich in Richtung SPD –, dassdie Regierung als Erstes eine Bringschuld hat, Vor-schläge zu machen. Dazu muss ich Ihnen sagen: Auf dievielen Fragen, die im Augenblick auf der Agenda sind– wie schaffen wir Arbeitsplätze inmitten einer interna-tionalen Konkurrenz, wie erhalten wir die natürlichenLebensgrundlagen, wie schaffen wir eine Energieversor-gung ohne Atomrisiko und ohne Klimazerstörung? –,habe ich hier noch keine Antworten gehört. Ich muss Ih-nen auch sagen: Die Antwort auf die Frage, wie man indiesem Land Job und Kinder vereinbaren kann, ist vonIhnen auch noch nicht gegeben worden.
– Sie sagen, Sie würden das machen. Ich sage Ihnen:Was Sie machen, sind zwei Dinge. Sie inszenieren sichals Koalition und entwickeln sich in Ihrem Streit inRichtung kleinstes Karo – man nennt das auch Pepita;das ist kleinkariert –, ohne dass Sie wirklich Lösungenanbieten. Bei der CDU/CSU habe ich darüber hinaus imAugenblick das Gefühl, dass sie sich im Wesentlichenmit sich selbst beschäftigt. Die CDU/CSU beschäftigtsich mit den Fragen, wie sie Ihnen von der SPD in denStädten die Wählerschaft abgreifen kann und wie siesich selber ein modernes Antlitz gibt.ggc–PlswDe7AunDM1tanADjEllCzb1E5m
Das ist einfach die Wahrheit, das ist kein vergifteterfeil.Aber ich sage Ihnen eines: Das Elterngeld und vor al-em die Vätermonate – wie Herr Pofalla, die junge auf-trebende Kraft in der CDU/CSU, sie nennt – zeigen,ie weit Sie, die CDU/CSU, noch von der Realität ineutschland entfernt sind. Das Elterngeld ist vielleichtin großer Schritt für die CDU/CSU, um endlich aus den0er-Jahren heraus und im Jahr 2006 anzukommen.ber dieses Geld ist kein großer Schritt für die Väternd Mütter in dieser Republik, weil es ihre Problemeicht löst.
ie Kernfrage lautet: Was macht man in diesem Land alsutter oder Vater, wenn das eigene Kind zwölf oder4 Monate alt ist? Hier lassen Sie die erwerbstätigen Vä-er und Mütter allein.
Ich gebe zu: Das, was Sie vorschlagen, sieht modernus. Aber die Leute merken, dass das Problem dadurchicht gelöst wird.
uch Ihr Familiensplitting ist ein solcher Coup.
urch das Familiensplitting werden letztlich wieder die-enigen privilegiert, die hohe Einkommen haben. Dasrgebnis ist, dass Kinder in dieser Republik unterschied-ich behandelt werden. Dadurch organisieren Sie, viel-eicht als schöner Schein, ein Stück Modernisierung derDU. Aber wahr ist: Sie zementieren eine neue finan-ielle Ungerechtigkeit zulasten der Kinder.
Wir wollen das Ehegattensplitting in eine Individual-esteuerung mit einem übertragbaren Höchstbetrag von0 000 Euro umwandeln. Das führt letztlich zu einerinsparung in Höhe von 5 Milliarden Euro. DieseMilliarden Euro sind die Antwort auf die Frage: Wasache ich mit meinem zwölf Monate alten Kind, wenn
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Renate Künastich erwerbstätig sein will bzw. muss? Mit diesen5 Milliarden Euro kann man eine Betreuung der Kindernach dem ersten Lebensjahr finanzieren. Dafür habenwir ein Konzept vorgelegt, über das wir gerne mit Ihnendiskutieren.
Unser Ziel muss immer sein, die Kinder in den Mittel-punkt unserer politischen Bemühungen zu stellen unddarauf hinzuwirken, dass jedes einzelne Kind gefördertwird. Wir alle kennen die OECD- und PISA-Studien, andenen deutlich wird, dass immer mehr Kinder aus bil-dungsfernen sowie finanziell und sozial schwachen Fa-milien – überproportional aus Migrantenfamilien –,wenn sie im Alter von sechs Jahren in die Schule kom-men, ein Entwicklungsdefizit von ein bis zwei Jahrenaufweisen. Dieses Defizit in der Entwicklung der Kindertut mir in der Seele weh. Deshalb sage ich: Wir brauchenkein Familiensplitting, sondern wir müssen das Geldumtopfen, um ganz konkret die Förderung der Kinder zugewährleisten. Jedes Kind braucht einen guten Betreu-ungsplatz und muss in jeder Hinsicht gefördert werden.Das ist deren, das ist unsere Zukunft.
Da ich von einer neuen Ungerechtigkeit gesprochenhabe, muss ich, wenn ich mir die letzten sieben Monatevor Augen führe, an dieser Stelle auch auf die Steuerpo-litik zu sprechen kommen. Frau Merkel, Sie haben es ge-schafft, die größte Steuererhöhung seit 1949 durchzudrü-cken, ohne gleichzeitig das einzuhalten, was Sieversprochen haben: tatsächlich mehr für die Haushalts-konsolidierung zu tun und die Lohnnebenkosten zu sen-ken. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Unver-frorenheit, die mich noch mehr ärgert als das unwahreSpiel der SPD, die erst Nein zur Mehrwertsteuererhö-hung sagt und dann aus der geplanten Erhöhung um2 Prozentpunkte eine Erhöhung um 3 Prozentpunktemacht.
Die Mehrwertsteuererhöhung wird die kleinen Leuteüberproportional treffen. Wir wissen, dass jeder Menschnicht nur Lebensmittel zum Leben braucht, sondern auchKleidung, Spielzeug, eine Waschmaschine, Waschpulverusw. Bei allen Produkten, die sie kaufen – sogar, wennsie Handwerkerrechnungen bezahlen –, werden sie vondiesen 3 Prozentpunkten betroffen sein.Auf der Liste der neuen Ungerechtigkeiten, die Sieproduzieren, steht auch das Thema Unternehmen-steuerreform. Alles, was man dazu bisher gehört hat,lässt in mir das Gefühl aufkeimen, dass Sie immer nochvorzugsweise auf Lobbyisten hören. Die Nettoentlastungder Unternehmen soll satte 8 Milliarden Euro betragen.Die Frage ist: Wie kann man eine solche Steuerentlas-tung gegenfinanzieren? Das entspricht 1 ProzentpunktMehrwertsteuer. Da Ihnen keine andere Einnahmequellezur Verfügung steht, bedeutet das: Sie greifen in dasPortemonnaie der kleinen Leute, um die großen Unter-nehmen steuerlich zu entlasten.DLkrbsdLmglddUmVszsasmzAeblHdSkarnlbäuAddBg
as ist der großkoalitionäre, aber kleinkarierte Konsens.etztlich einigen Sie sich immer auf den Nenner, demleinen Mann in die Tasche zu greifen.
Wir brauchen eine konsequente Unternehmensteuer-eform. Zwar muss unser Steuerrecht international wett-ewerbsfähig sein. Aber die Unternehmensteuerreformollte aufkommensneutral sein. Sie sollte weder zulastener öffentlichen Haushalte noch zulasten der kleineneute gehen, sondern mit einer Verbreiterung der Be-essungsgrundlage bei den Unternehmensteuern einher-ehen. So wird ein Schuh daraus.
Wir brauchen im Steuerrecht Mechanismen, um end-ich die Gewinnverlagerung ins Ausland an entscheiden-er Stelle zu durchbrechen. Wir brauchen eine Stärkunges Mittelstands bei der Eigenkapitalbildung; sie ist diersache für die Krisenanfälligkeit der kleineren undittleren Unternehmen. Außerdem brauchen wir eineereinfachung der Gewerbesteuer. Das sind unsere Vor-chläge und Ansätze für mehr Gerechtigkeit.
Diese Koalition ist meines Erachtens kraftlos undiellos – daran ändern all die warmen Worte, die hier ge-prochen worden sind, nichts –, weil selbst die großen,ngekündigten Reformen noch keine Linie haben undich widersprechen. Ich nehme als Erstes die Föderalis-usreform. Uns wird gesagt, endlich würde klar, weruständig ist, und die Bürger wüssten das dann auch.ber wenn es Ihnen darum geht, dann fangen Sie dochinmal da an, wo Sie es schon könnten, zum Beispieleim Antidiskriminierungsgesetz. Es ist klar, dass al-ein der Bund zuständig ist. Zeigen Sie doch, was einearke ist, anstatt das Fass aufzumachen, indem Sie aufen Bundesrat zugehen, wo es gar nicht nötig ist!
ie können uns die Föderalismusreform doch nicht alslare Trennung verkaufen und hier unnötigerweise einnderes Verfahren wählen.Frau Merkel, Sie haben hier gesagt, welche ungeheu-en Entwicklungsmöglichkeiten sich den Schulen eröff-eten, wenn man die Verfassung zugunsten der Bundes-änder änderte. Aber Sie haben das mit einem Beispielegründet, das ungeeignet ist, weil man dafür gar nichtsndern müsste. Bei der jetzigen Rechtslage, haben Siens erklärt, hat zum Beispiel Sachsen das zwölfjährigebitur angeschoben und mittlerweile hat auch Bayernavon gelernt. Wozu müssen wir den Bund dann durchiese Verfassungsreform aus der zentralen Aufgabe derildungsplanung herauskatapultieren? Das geht dochenau in die falsche Richtung!
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Renate Künast
Bildung ist einer der zentralen Gerechtigkeitspunkte.Ich weiß, dass das gerade den Sozialdemokraten auf derSeele liegt. Bildung, auch eine gute berufliche Ausbil-dung, ist der Rohstoff der Zukunft. Eine gute Bildung istdas Kapital, das jedes Kind in dieser Republik mitbe-kommen muss, um seinen Beitrag für die Gestaltung derGesellschaft leisten zu können, um sich selber entfaltenzu können, um das Geld für sein eigenes Leben verdie-nen zu können. An dieser Stelle dürfen wir kein einzigesKind zurücklassen. Deshalb, sage ich Ihnen, reicht esnicht aus, wenn Sie das Kooperationsverbot im Hinblickauf die Wissenschaft ein bisschen aufheben. Nein, esmuss auch in Zukunft möglich sein, dass der Bund mitFinanzspritzen für die Bildung hilft, dass der Bund mitallen Bundesländern gemeinsam kreativ plant, wie dieBildung in diesem Land weiterentwickelt werden soll,für alle Kinder. Das ist ein zentraler Gerechtigkeits-punkt.
Nun verstehe ich ja, dass Frau Merkel an dieser Stelleein besonderes Problem hat: Das Problem heißt RolandKoch.
– Das sagt selbst Herr Tauss. – Frau Merkel, ich versteheja, dass Sie dem Prinzip folgen, dass man seine stärkstenGegner immer einbinden sollte. Aber ich finde, es reichtaus, wenn Sie Roland Koch bei der CDU als Vize ein-binden – bei der Verfassung sollten Sie als Kanzlerin aufden Tisch hauen und sagen: Da geht es nicht um Partei-internes, sondern da geht es um die Zukunft der Kinderund deshalb machen wir das so nicht.
Diese Föderalismusreform wird keine Mutter der Refor-men, es wird möglicherweise nicht einmal ein blassesStiefmütterchen. Ich halte die Art und Weise, wie Sie andieser Stelle vorgehen, für kraftlos, mutlos und ziellos.Als Zweites warten wir auf die Gesundheitsreform.Ihre Gesundheitsreform kommt daher wie ein Wolpertin-ger, obwohl ich glaube, dass das Modell mit dem Fonds,das Sie gerade diskutieren, nicht in Bayern erfunden ist.Für die, die es nicht wissen: Ein Wolpertinger ist ein Fa-belwesen, das aus verschiedenen Tieren zusammenge-setzt ist. Ich stelle es mir vor als ein Fabelwesen mit ei-nem roten Kopf und einem schwarzen Körper.
Niemand weiß genau, was dieser Wolpertinger eigent-lich ist und wie gefährlich er ist. So ist es mit IhremModell eines Fonds für die Gesundheitspolitik.
Der Fonds ist ja erst einmal nichts anderes. Den kannman ja an sich nicht kritisieren – da haben Sie Recht,FidcdGhctfBezuccGVausgsnPöSswtsKZIRsDglwpdAnge
Wir sagen auch: Die privat Versicherten dürfen nichtnbehelligt bleiben. Man muss mindestens an die Versi-herungspflichtgrenze heran. Für uns ist klar – ich versu-he jetzt einmal, in Ihrem System zu bleiben –: Eine guteesundheitsreform darf nicht einseitig nur zulasten derersicherten gehen. Es muss mehr Wettbewerb zwischenllen produziert werden, vor allem unter den Ärzten undnter den Apotheken, und die Effizienzpotenziale müs-en endlich genutzt werden.Lassen Sie mich noch eines dazu sagen: Eine wirklichroße Gesundheitsreform braucht ein Präventionsge-etz; denn zwei Drittel der Kosten entstehen durch chro-isch-degenerative Erkrankungen, die einer ordentlichenräventionsarbeit bedürfen und die gerade die sozio-konomisch schwachen Schichten belasten. An diesertelle sage ich Ihnen: Nur dann, wenn Sie in der Lageind, dieses Gesamtpaket vorzulegen, erreichen wir eineirklich gute Umstrukturierung unseres Gesundheitssys-ems.
Frau Merkel, wenn ich mir andere Politikbereiche an-chaue, dann muss ich sagen: Anders als das Team vonlinsmann kommen Sie hier langsam in die gefährlicheone. Sie haben nämlich lauter Ausfälle in Ihrem Team.Der erste Ausfall ist der Wirtschaftsminister.
ch kann Ihnen nur sagen: Die Kabarettisten in dieserepublik machen ihn immer nach und müssen gar nichtagen, wen sie vorführen. Ein großes Gähnen genügt.iesen Mann hört man immer nur dann, wenn es darumeht, dass man die Laufzeiten der Atomkraftwerke ver-ängern müsse. Gerüchteweise – ich gebe zu: gerüchte-eise – kümmert er sich jetzt auch um Ausbildungs-lätze.Herr Glos, ich sage Ihnen: Nutzen Sie gleich das Endeer Debatte und gehen Sie dort drüben in die Arena vondidas. Bezüglich der Ausbildungsquote ist das Unter-ehmen das absolute Schlusslicht. Sie können dortleich einmal sagen: Wer hier vor diesem Hohen Hauseine Arena aufbaut, der muss die Mindestanforderung,
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Renate Künastnämlich eine entsprechende Ausbildungsquote, erfüllen.Hier könnten Sie einmal etwas tun, Herr Glos.
Herr Glos, wenn Sie dann noch Zeit haben, dann tunSie endlich auch einmal etwas für sinkende Strom-preise. Wir haben von den Monopolen die Nase voll.Die Netzagentur braucht unsere Unterstützung. Auchdort müssen Sie einfordern, dass die Preise herunterge-hen.
Wenn wir uns die Ausfälle in diesem Kabinett an-schauen, dann müssen wir natürlich auch ein Wort zuHerrn Jung sagen.
Herr Jung ist der Nächste, der in diesem Kabinett offen-sichtlich überfordert ist.
Er war beim Kongoeinsatz überfordert und beim ThemaWeißbuch setzt er jetzt ein heilloses Gemurkse in Gang.Ich sage Ihnen: Wir erwarten, dass diese Strategien zurSicherheitspolitik in diesem Parlament diskutiert werdenund dass wir darüber reden, ob diese Entgrenzung desVerteidigungsbegriffs richtig ist. Nicht jedes Sicherheits-problem in dieser Welt kann und darf man mit dem Mili-tär lösen. Das muss in einem solchen Papier auch stehen.
Zur Sicherheitspolitik gehören auch Entwicklungspo-litik und eine nachhaltige Ressourcenpolitik, damit sichdie Länder entwickeln und Arbeitsplätze schaffen kön-nen. Auf diese Art und Weise kann und muss man Kon-flikte entschärfen bzw. gar nicht erst entstehen lassen.Deshalb findet dieses Weißbuch Ihres Herrn Jung unserdefinitives Nein.
Wir erwarten, dass Sie die alltäglichen Sorgen der Men-schen ernst nehmen und darauf reagieren.Lassen Sie mich an dieser Stelle einige Worte zuHartz IV sagen. Mich stinkt an, wie Sie hier flächende-ckend eine Missbrauchsdebatte organisieren. Das ist ab-gedroschen und falsch. Es gibt für diesen Missbrauchkeine Belege, im Gegenteil.
Die Wahrheit ist, dass die Förderung überhaupt nichtstattfindet. Viele Arbeitslose warten Wochen und Mo-naWbtbWz–zmfFgeIDwHAksDkgmsHbdaltkSsdnnvffw
ir alle miteinander warten auf wirkliche regionale Ar-eitsmarktpolitik und den Wettbewerb um die besten In-egrationslösungen. Wir warten auf eine Einschränkungei den 1-Euro-Jobs, weil diese im wahrsten Sinne desortes missbraucht werden, um reguläre Arbeitsplätzeu ersetzen.
Das diskutiere ich gerne auch mit Ihnen, Sie Dauer-wischenrufer. Wir stellen Ihnen gerne unser Progressiv-odell vor. Das schafft neue Jobs bei den Niedrigquali-izierten, und zwar ohne Mitnahmeeffekte.
Sie, Frau Merkel, haben uns gerade im Blick auf dieDP bei Hartz IV Sand in die Augen gestreut, indem Sieesagt haben, Sie wollten die Gelder, anders als die FDP,ndlich für die Langzeitarbeitslosen einsetzen. Wahr ist:hre Fraktion organisiert da wieder Taschenspielertricks.iese 6,5 Milliarden Euro für aktivierende Maßnahmenollen Sie nicht entsprechend investieren, sondernaushaltslöcher damit stopfen. Die Mehrkosten beimLG II sollen aus den Fördermitteln finanziert werdenönnen. Einer solchen Regelung werden wir nicht zu-timmen.
ieses Geld gehört den Langzeitarbeitslosen und mussreativ dafür eingesetzt werden, um ihnen zu helfen.
Mein letzter Satz
ilt dem Bundesumweltminister. Die Probleme der Kli-afolgen sind von zentraler Bedeutung. Das Wasserteigt immer höher und wird uns irgendwann bis zumalse stehen. Ich muss Ihnen sagen: Trotz der wunder-aren Rhetorik des Bundesumweltministers steht auchieser Mann im Verdacht, ein Ausfall zu werden. Redenllein reicht nicht. Zu REACH hat er sich nicht als Öko-oge geäußert, sondern war in Brüssel faktisch der Ver-reter der Chemielobby. Beim zweiten Nationalen Allo-ationsplan zum Emissionshandel – das ist daschlimmste – verteilt er Gratiszertifikate. Der „Tages-piegel“ vom heutigen Tage titelt zu Recht: Hier wirder Klimaschutz aufgegeben, um die Industrie zu scho-en.Dann haben Sie noch die Dreistigkeit, anzubieten, ei-en nationalen Fahrkurs einzuführen. Ich sehe das schonor mir: Wir alle machen einen Kurs für besseres Auto-ahren, damit wir vorsichtiger anfahren, um einen Trop-en Sprit einzusparen. Ich halte eine ordentliche Fahr-eise für richtig. Aber es ist eine Schildbürgerbotschaft,
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Renate Künastzu sagen: Wir schonen die Industrie und ersparen ihrVorschriften zur Reduktion. Mutlos wie Sie sind, trauenSie sich nicht einmal, die Zertifikate zu versteigern, umendlich Wettbewerb zu erreichen. Stattdessen sollen dieAutofahrer an der Ampel nicht so scharf Gas geben. Dasist albern. Das ist keine Klimapolitik. Wenn Sie so wei-termachen, Herr Gabriel, haben Sie den Namen „Bun-desumweltminister“ nicht verdient.
Mit Blick auf den G-8-Gipfel erwarte ich von Ihnen,Frau Merkel, dass Sie dort tatsächlich eine konsistenteEnergiepolitik machen und dafür sorgen, dass in dennächsten Jahren die G-8-Staaten nicht wie bislang ge-plant Gelder in Höhe von 17 000 Milliarden US-Dollar– das ist 70 Mal so viel wie der Bundeshaushalt – fürAtomkraft und die Erschließung der letzten Öl- und Gas-reserven ausgeben. Vielmehr fordere ich Sie auf: LegenSie ein international abgestimmtes und gutes Konzeptvor, das Gelder für Investitionen in erneuerbare Ener-gien, Energieeffizienz und -einsparmaßnahmen vorsieht.Das ist für die Kunden und für die Wirtschaft bei unswegen der hohen Rohstoffkosten gut. Das schafft amEnde auch Arbeitsplätze. Genau das wollen die Men-schen.
Mein Fazit dieser sieben Monate der so genanntengroßen Koalition ist: Viel mehr als den kleinsten ge-meinsamen Nenner haben Sie nicht erreicht. Wir stellenunsere Konzepte dagegen. Ich sage Ihnen ganz klar: Fin-den Sie endlich den Mut und die Kraft, die Dinge anzu-packen! Hören Sie auf, zu lavieren und zu moderieren!Packen Sie die Dinge endlich ernsthaft an, aber machenSie das gerecht, statt neue Ungerechtigkeiten zu schaf-fen!
Das Wort hat der Kollege Volker Kauder, CDU/CSU-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Wir führen heute die zentrale Debatte über dieFrage, wie wir unser Land voranbringen können. DieRegierung hatte dafür ein Konzept. Und sie hat für die-ses Konzept einen Bundeshaushalt vorgelegt. Man darfzwar von der Opposition erwarten, dass sie sich mit die-sem Konzept und den damit verbundenen Fragen ausei-nander setzt und ein Gegenmodell vorlegt. Aber geradefür Sie, Frau Künast, gilt: Sie brauchen noch eine erheb-liche Zeit in der Opposition, um klarer erkennen zu kön-nen, was für unser Land wirklich notwendig ist.
ZdssecwaviMaz–ddwzBiWwLeHseLshdAvtmKvz
An die FDP gewandt, möchte ich kurz auf eines hin-eisen, Herr Brüderle: Sie haben in diesem Haus unduch auf Veranstaltungen außerhalb festgestellt, dass dieon uns beabsichtigte Mehrwertsteuererhöhung nichtn Ordnung sei. Man kann zwar darüber diskutieren, obehrwertsteuererhöhungen ein geeignetes Mittel sind,ber dann muss man auch sagen, welche anderen Mittelur Verfügung stehen. Wenn man die Ziele im Blick hat den Haushalt zu konsolidieren,
as Land voranzubringen und vor allem dafür zu sorgen,ass der Weg in den Verschuldungsstaat endlich beendetird –, dann gibt es dazu aus unserer Sicht keine über-eugende Alternative.
Lassen Sie mich noch einen Punkt ansprechen, Herrrüderle – wenn es nicht so traurig wäre, dann müsstech insgeheim schmunzeln –: Es ist auch keine Art undeise der politischen Arbeit, einerseits gegen die Mehr-ertsteuererhöhung zu wettern, aber andererseits in denändern, in denen Sie mitregieren, die aus dieser Steuer-rhöhung zu erwartenden Einnahmen bereits in denaushalt einzustellen.
Sie haben die Reden der Opposition gehört. Es lohntich nicht, sich weiter damit auseinander zu setzen.
Wir legen heute einen Bundeshaushalt vor, der Teiliner Gesamtstrategie ist, die darauf hinausläuft, unserand voranzubringen und bessere Chancen für die Men-chen in unserem Land zu erwirken. Dieser Bundeshaus-alt ist ein Übergangshaushalt von der rot-grünen Bun-esregierung zur jetzigen großen Koalition. Welcheusgangslage haben wir denn in der großen Koalitionorgefunden? Als Eröffnungsbilanz haben wir ein struk-urelles Defizit von 60 bis 65 Milliarden Euro überneh-en müssen.
ann ein vernünftiger Mensch glauben, dass innerhalbon sieben Monaten – diesen Zeitraum hatten wir bisherur Verfügung – ein so hohes strukturelles Defizit auf
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Volker Kaudernull gefahren werden kann, Herr Brüderle? Traumtänzersind doch Realisten dagegen.
Dieser Übergangshaushalt zeigt schon die klare Rich-tung, dass es mit der Verschuldung eben nicht so weiter-geht wie bisher; wir beginnen vielmehr sehr konsequentdamit, den Haushalt zu konsolidieren.Nun wird mir ständig – auch auf den Hauptversamm-lungen der verschiedenen Verbände – die Frage gestellt,wo eigentlich gespart worden ist.
Darauf kann ich nur antworten: Genauso wie einBlick in das Gesetzbuch die Rechtsfindung erleichtert– das habe ich als Jurastudent schon im ersten Semestergelernt –, erleichtert ein Blick in den vorliegenden Haus-haltsentwurf, zu erkennen, welche Strukturen sich be-reits verändert haben.Ich nenne ein Beispiel – es ist nur eines von vielen –,das belegt, wo wir zu strukturellen Veränderungen ge-kommen sind und wo wir sparen. So wurden wir ständig– auch von großen Industrieverbänden – aufgefordert,die Eigenheimzulage abzuschaffen, weil dann ein zwei-stelliger Milliardenbetrag eingespart werden könne. Wirhaben die Eigenheimzulage abgeschafft und werden si-cherlich einen zweistelligen Milliardenbetrag einsparen,aber nicht schon im Haushalt 2006. Die Herren habenoffenbar übersehen, dass es im ersten Jahr nur etwa250 Millionen Euro sind. Der Weg ist aber richtig.
Ich darf daran erinnern – das alles wird sonst nicht ge-sagt –, dass wir im Zusammenhang mit dem Haushalts-begleitgesetz Sparmaßnahmen beschlossen haben. Dazubekennen wir uns und dazu stehen wir, auch wenn esnicht einfach ist; denn diese Maßnahmen sind notwen-dig. Ich nenne nur die Kürzung der Pendlerpauschale alsBeispiel. Glauben Sie bloß nicht, dass uns das leicht ge-fallen ist! Wenn man aber einen stark ausgabengeprägtenHaushaltsplan hat, dann kann man die Ausgaben nichteinfach auf null reduzieren; denn ansonsten fährt manden Staat an die Wand. Schließlich haben wir es mitMenschen zu tun, die einen Teil der infrage stehendenGelder bekommen und darauf vertrauen. Vielmehr giltes, zwei Dinge zu tun. Man muss auf der einen Seite dieAusgaben langsam und sozialverträglich zurückfahrenund auf der anderen Seite die Einnahmesituation verbes-sern. Beides tun wir mit dem Haushalt 2006.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Kuhn?
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Herr Kollege Kuhn, es war völlig richtig, dass wir unsamals gegen die Streichung der Eigenheimzulage ge-ehrt haben; denn wir haben gesehen, dass Ihre Regie-ung die durch den Wegfall der Eigenheimzulage freierdenden Mittel nicht zum Einsparen, sondern zumusgeben verwenden wollte.
Herr Kuhn, ich sage Ihnen noch eines: Angesichts derröffnungsbilanz, die wir vorgefunden haben, wäre esinnvoller gewesen, wenn Sie soeben geschwiegen hät-en.
enn Sie waren im fraglichen Zeitraum nicht siebenahre in der Opposition, sondern an der Regierung undind damit auch für diese Bilanz verantwortlich.
Ich habe davon gesprochen, dass der Haushalt 2006in Übergangshaushalt ist und dass mit diesem Über-angshaushalt als Teil einer Gesamtstrategie bereits vielrreicht wurde. Wenn ich in den Zeitungen lese, was al-es über die Arbeit der großen Koalition gesagt wird,ann habe ich den Eindruck, dass viele meinen, wir seienchon über die Hälfte der Zeit hinaus. Tatsächlich regiertie große Koalition erst sieben Monate. In dieser Zeiturden bereits große Dinge geleistet und vorangebracht.
Die Mehrwertsteuererhöhung ist noch nicht einmal er-olgt, Herr Brüderle. Haben Sie das noch nicht mitbe-ommen? In welcher Realität leben Sie eigentlich?
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Volker KauderWas haben wir erreicht? Wir haben die Haushaltskon-solidierung vorangebracht. Wir haben dafür gesorgt,dass in diesem Land die Investitionen angekurbelt wer-den. Dafür haben wir ein 25-Milliarden-Programm auf-gelegt.Sie haben das Stichwort Investitionen genannt. Esgibt Investitionen in unserem Land, die nur die öffentli-che Hand tätigen kann. Diese muss die öffentliche Handauch tätigen. Wir haben einen erheblichen Nachholbe-darf bei unserer öffentlichen Infrastruktur, etwa im Stra-ßenbau. Der Straßenbau wird nicht von der privatenWirtschaft finanziert, sondern von der öffentlichenHand. Deshalb ist es richtig, dass wir gerade in diesemBereich Geld in die Hand nehmen, um beim Ausbau derInfrastruktur voranzukommen.
Ein zentrales Aufgabenfeld unseres Zukunftsprojek-tes, Deutschland voranzubringen – die Bundeskanzlerinhat es angesprochen –, sind Forschung und Wissen-schaft. Auch hier nehmen wir Geld in die Hand. Ichwarte darauf, dass die Wirtschaft sagt: An diesem Zu-kunftsprojekt, Deutschland voranzubringen, beteiligenwir uns im Bereich Wissenschaft und Forschung. Alleinkönnen dies die öffentliche Hand und die Bundesregie-rung nicht schultern.
Es gibt keinen anderen Bereich, wo ich so viele Mög-lichkeiten sehe, voranzukommen und neue Chancen zuermöglichen. Es war früher unsere Stärke, dass infolgequalifizierter Spitzenforschung auch entsprechende Pro-dukte gefertigt wurden. Das hat den hochintelligentenLeuten und denen, die dann produziert haben, Arbeit ge-geben. Das müssen wir in unserem Land wieder errei-chen. Dafür müssen Blockaden aufgehoben werden.
Wenn wir darüber reden, dass wir Chancen für diesesLand und für die Menschen in diesem Land ermöglichenwollen, reden wir natürlich auch über die junge Genera-tion. Die Bundeskanzlerin hat völlig Recht, wenn siesagt: Wir müssen dafür sorgen, dass junge MenschenAusbildungsplätze bekommen.
In diesem Zusammenhang kann ich nur an die Wirt-schaft appellieren, junge Menschen einzustellen, sie inAusbildungsverhältnisse zu übernehmen. Wir tun dies,weil wir Verantwortung dafür tragen, dass junge Men-schen in unsere Gesellschaft hineinwachsen können. Ichwerde nachher noch einige Sätze zum Thema Integrationsagen. Jetzt nur so viel: Wenn junge Menschen keinenguten Start in die Gesellschaft haben, dann tun sie sichauch mit der Integration schwer, egal ob sie Ausländeroder Deutsche sind. Deswegen ist es so wichtig, jungenMenschen Zukunftschancen in diesem Land zu geben.
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Beim Sanieren sind wir auf dem Weg. Wir haben ge-agt, dass wir den Haushalt 2007 so gestalten werden,ass nicht nur die Maastrichtkriterien erfüllt sind, son-ern dass auch die Grenze des Art. 115 Grundgesetz ein-ehalten wird. Das ist ein ambitionierter Anspruch. Da-it tun sich viele Länder, auch Länder, in denen die FDPn der Regierung beteiligt ist, sehr schwer. Diesen An-pruch zu erfüllen, bedarf der ganzen Kraft. Wir werdenen Bundesfinanzminister auf diesem Weg unterstützen.er Haushaltsentwurf wird noch in diesem Jahr vorge-egt. Ich kann Sie nur ermuntern, Herr Bundesfinanz-inister: Bleiben Sie hart! Wir stehen an Ihrer Seite.
Sanieren, investieren, reformieren: Über die Reform-ufgaben, die sich uns stellen, hat die Bundeskanzlerinereits gesprochen. Da kann ich nur sagen: Wir haben iner Koalitionsvereinbarung der großen Koalition ganzenau festgelegt, wann wir welche Reform auf den Wegringen. Wenn die Damen und Herren in den großenauptversammlungen, die im Augenblick stattfinden,ragen, was bisher passiert ist und was wir auf den Wegebracht haben, dann kann ich nur sagen: Wir haben Ih-en versprochen, dass es bis zum 1. Januar 2007 eineeform des Gesundheitssystems geben wird und dassir dann die Unternehmensteuerreform beschlossen ha-en werden, sodass Sie planen können. Nach meinerenntnis haben wir jetzt aber noch nicht den 1. Januar007, sondern gerade einmal Juni 2006.Ich kann nur sagen: Wir werden unsere Zusagen ein-alten. Alle überzogene Kritik, die jetzt erfolgt, ist we-ig hilfreich und überhaupt nicht überzeugend.
Zum Thema Gesundheitsreform hat die Bundeskanz-erin alles gesagt.
Bei der Unternehmensteuerreform sind wir geradeabei, die Eckpunkte zu formulieren. Wir werden dafürorgen müssen, dass wir eine Unternehmensteuerreformurchführen, die die Kapital- und Personengesellschaf-en, insbesondere den Mittelstand, das Rückgrat unserer
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Volker Kauderdeutschen Wirtschaft, in gleicher Weise entlastet undgleiche Situationen schafft.Ich weiß, wie schwer es ist, die Gewerbesteuer zuverändern. Auch die Kommunen haben keine leichteFinanzsituation. Im Augenblick sprudeln die Gewerbe-steuereinnahmen, was übrigens auch ein Zeichen dafürist, dass sich in unserem Land etwas bewegt. Wenn wiran diesem Punkt Probleme haben, dann können wir dieGewerbesteuer nicht weiter ausbauen und verfestigen;dann können wir nicht viel verändern. Aber eine Gewer-besteuer aufzubauen, die wieder Elemente der Substanz-besteuerung enthält, nachdem wir die Gewerbekapital-steuer gerade abgeschafft haben, ist nicht der Weg, denwir von der Union uns vorstellen.
Zur Gesundheitsreform – Herr Kollege Scholz hatsie angesprochen –: Wir, auch der Kollege Struck, wis-sen, dass wir hier eine gute Arbeit abliefern müssen, unddas werden wir auch tun. Alle können sich darauf verlas-sen, dass wir hier zu einem guten Ergebnis kommen. Na-türlich diskutieren wir offen miteinander darüber, wel-chen Beitrag jeder in diesem System leisten muss. Wirbrauchen – ich bin froh, dass wir hier dieselbe Überzeu-gung haben – mehr Wettbewerb im System. Dann – dassage ich schon jetzt voraus – wird es auch nach der Re-form eine private Krankenversicherung als Vollversiche-rung geben.
Meine Damen und Herren, die Föderalismusreformist angesprochen worden. Ich bin sicher, dass die großeKoalition auch bei diesem Thema ihre Reformfähigkeitbeweisen wird. Aber hier habe ich eine Bitte, Frau Bun-deskanzlerin. Die Föderalismusreform zeigt, dass es not-wendig ist, klar zu machen, welche Ebene was regelnmuss, damit die Transparenz gesichert ist. Sie, Frau Bun-deskanzlerin, werden im ersten Halbjahr 2007 die EU-Präsidentschaft führen. Große Projekte stehen an. Manweiß, wie schwer die Aufgabe sein wird. Wir von derUnion haben die herzliche Bitte, dass Sie das ThemaSubsidiarität während dieser Präsidentschaft erneut an-sprechen. Europa muss verstehen, dass es große Aufga-ben zu bewältigen hat, die der Nationalstaat allein nichtbewältigen kann. Ich denke beispielsweise an die Ener-giepolitik – ein großes Feld, wie man an der derzeitigenEntwicklung der Gaspreise sieht –, ich denke aber auchan die Außenpolitik und die Sicherheitspolitik. Aber esgibt Felder, um die sich Europa heute kümmert, um diees sich aber nach dem Prinzip der Subsidiarität nicht zukümmern bräuchte und nicht kümmern dürfte. Ich bitteSie, das zum Thema zu machen.
Wir wollen, dass Europa auch in den Köpfen derMenschen wieder ein Zukunftsmotor wird. Wir wollenan dem Satz festhalten können: Deutschland ist unsereHeimat, Europa unsere Zukunft. Dazu gehört aber auch,dass man das Gefühl der Menschen ernst nimmt, die denEindruck haben, dass die Europäische Union in der letz-thbRgsgsiikuiVgdsü–sc–etrhsdudsMmhidmaÜhtdA
iele Ausländer, die hierher kommen, sagen: Wir habenar nicht erwartet, dass wir so offen aufgenommen wer-en. Auch von einer Dienstleistungswüste ist nichts zupüren. Bis morgens um 3 Uhr werden die Menschenberall bedient.
Wenn Sie einen Beitrag dazu geleistet haben, danneien Sie froh. Sie müssten mir aber noch sagen, wel-hen.
Darüber können wir nachher reden. – Es herrscht alsoine super Stimmung in diesem Land.Ich sage Ihnen aber: Wir müssen uns mit der Integra-ion beschäftigen. Deswegen bin ich der Bundeskanzle-in dankbar dafür, dass sie unsere Initiative aufgegriffenat, einen Integrationsgipfel durchzuführen. Auf die-em Integrationsgipfel müssen natürlich die Themen Bil-ung und Sprache angesprochen werden; denn Bildungnd Sprache sind die entscheidenden Voraussetzungenafür, dass die Menschen Anteil an der Entwicklung un-erer Gesellschaft nehmen können. Ich bin aber auch dereinung, dass auf diesem Integrationsgipfel deutlich ge-acht werden muss, dass es um Fördern und Fordern ge-en muss, dass Integration nicht nur eine Einbahnstraßem Hinblick auf das Angebot unsererseits sein kann, son-ern dass es auch eine Annahme dieses Angebots gebenuss. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Angeboteuch angenommen werden.
Zu diesem Integrationsgipfel gehört nach meinerberzeugung auch, dass wir das Ausländerrecht darauf-in überprüfen, wo die aktuellen Bestimmungen Integra-ion erschweren. Diese müssen wir dahin gehend ändern,ass sie die Integration erleichtern.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegenddicks?
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Ich bin in meiner Redezeit schon sehr knapp und will
die Redezeit meiner Kollegen, die noch sprechen wer-
den, nicht verkürzen.
Zu den derzeitigen großen Problemen und den Hand-
lungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten sage ich:
Diese große Koalition macht ihre Aufgabe richtig. Wir
sollten von der Stimmung der Fußballweltmeisterschaft
etwas mitnehmen. Olaf Scholz hat gesagt: „you’ll never
walk alone“. Ich sage, es gilt auch ein anderer Satz, der
deutlich macht, was die Deutschen in diesem Tagen vor-
leben: „Steh auf, wenn du ein Deutscher bist! Nimm die
Sache in die Hand und bring das Land voran!“
Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Das Wort hat der Kollege Dr. Guido Westerwelle,
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Ich will an das anknüpfen, was Herr KollegeKauder am Schluss seiner Rede gesagt hat; ich glaube,das verbindet uns. Ich bin kein großer Fußballspezialist,wie alle Redner vorher es augenscheinlich sind.
Deswegen kann ich auch keine Vergleiche anstellen.Aber ich finde, Sie haben am Schluss Ihrer Rede einekluge Bemerkung gemacht. Sie haben dargestellt, wel-che Stimmung derzeit in diesem Land herrscht. Nachdiesem großen Erfolg gestern und nachdem man gesehenhat, wie bis tief in die Nacht auf den Straßen deutscheFahnen geschwenkt wurden, möchte ich an das Wort er-innern, das der Präsident des Deutschen Bundestagesgestern zur Eröffnung der Haushaltsdebatte gewählt hat:Das ist ein fröhlicher Patriotismus.Ich möchte das jetzt in einen Zusammenhang mit demstellen, was wir von Gewerkschaftsfunktionären derGEW lesen durften,
nämlich dass, wenn man die deutsche Nationalhymnesinge, man ein furchtbares Loblied singe. Heute habe ichgelesen, dass die Jugendorganisation der PDS der Über-zeugung ist, dass die schwarz-rot-goldene Fahne fürAusgrenzung stehe.
Ich empfinde es als eine wunderbare Freude, dass sichunsere Bürger von solchen linken Dämlichkeiten nichtbeeindrucken lassen.
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Ich möchte gern an das anknüpfen, was die Bundes-anzlerin, die sich ja überraschend früh zu Wort gemel-et hat, am Anfang der Debatte vorgetragen hat. Sie,rau Bundeskanzlerin, sprachen von einer „begrenztenteuererhöhung“. Das ist ja, höflich formuliert, ein Akter babylonischen Sprachverwirrung. Man könnte esuch Veräppelung nennen. Mir würden im Herrenkreiseuch andere Bemerkungen einfallen, die ich nicht sagenarf, weil mich die Bundestagspräsidentin dann zu Rechtügen würde. Bei der größten Steuererhöhung seitründung der Republik von einer „begrenzten Steuer-rhöhung“ zu sprechen, ist eine schlichte Unverschämt-eit.
Es ist ja beeindruckend, dass – gestern von Herrnampeter, heute von der Bundeskanzlerin und ebenbrigens auch von Herrn Kollegen Kauder – in Richtungeiner Fraktion gesagt worden ist: Die Regierungspar-eien haben das große Ganze im Blick und die Opposi-ionsparteien haben ja nur ihr kleines Partikularinteressem Kopf.
Dazu fällt mir ein: Arroganz der Macht ist das eine,roße Koalition heißt große Arroganz der Macht das an-ere. Denn jeder Abgeordnete ist dem ganzen deutschenolk verpflichtet. Wenn Sie nun behaupten, dass wir nurinige wenige im Kopfe hätten und Sie für Deutschlanduständig seien, so verwechseln Sie das mit der Geistes-altung eines absolutistischen Staates.
er Staat sind nicht Sie; Sie sind die Regierung. Dieerden wir auch weiterhin kritisieren.Um das auf den Punkt zu bringen: Der FDP dieegierungsfähigkeit abzusprechen, hat etwas Drolliges,enn es aus den Reihen der Union kommt. Wir regierena in den drei großen Bundesländern zusammen fast dieälfte der gesamten bundesrepublikanischen Bevölke-ung; 36 Millionen Menschen werden von uns gemein-am in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg undiedersachsen regiert. Herr Kollege Kauder, da in Ihremeimatland Schwarz-Gelb an der Regierung ist und ineinem Heimatland Schwarz-Gelb an der Regierung ist,issen wir beide: Man kann Deutschland auch anders
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Dr. Guido Westerwelleregieren als mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner dergroßen Koalition.
Schließlich möchte ich auch noch an das anknüpfen,was von Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, zu Beginn derDebatte eingeführt worden ist. Ich will Sie in diesem Zu-sammenhang einfach daran erinnern, was Sie am 30. No-vember des letzten Jahres in Ihrer Regierungserklärungausgerufen haben. Da waren Sie noch mutig; da habenSie gesagt: „Lassen Sie uns mehr Freiheit wagen!“ Icherinnere mich noch daran, dass meine Fraktion Ihnen andieser Stelle, obwohl wir ja Opposition sind, Beifall ge-spendet hat, weil dieser Satz auch unserer Haltung ent-spricht. Jetzt sind Sie etwas mehr als ein halbes Jahr imAmt, je nachdem, wie man rechnet. Eines stellen wirjetzt fest: Seitdem Sie regieren, Frau Bundeskanzlerin,hat Ihre Regierung nicht mehr Freiheit gewagt. Sie ha-ben den Bürgern mehr Unfreiheit gebracht.
Sie haben in den wenigen Monaten Ihrer Regierungs-zeit die größte Steuererhöhung in der Geschichte der Re-publik beschlossen. Sie haben die größten Schulden– darüber reden wir in dieser Woche – in Höhe von fast40 Milliarden Euro aufgenommen. Sie haben – entgegenallen Bekundungen gegen das Antidiskriminierungsge-setz, die es vor der Wahl gab – beschlossen, dieBürokratie auszuweiten.
Jetzt haben Sie sich auf den Weg gemacht, einen Kassen-sozialismus in der Gesundheitspolitik durchzusetzen
mithilfe von Fonds, mit enteignungsgleichen Eingriffenbei den privat Versicherten, mit Steuererhöhungen, mitmehr Bürokratie, mehr Schulden und Abkassieren. Dasist mehr Unfreiheit und nicht „mehr Freiheit wagen“,was Sie uns in diesem Hohen Hause versprochen haben.
Ich finde es sehr interessant, wie sehr Ihre jetzigePolitik mit dem kontrastiert, was noch bis zur Bundes-tagswahl von uns gemeinsam vertreten worden ist. Lie-ber Herr Kollege Scholz, einige Ihrer Ausführungenfand ich zwar bemerkenswert; darauf kann ich gleichnoch eingehen. Dass aber ein Sozialdemokrat in dieserDebatte die FDP kritisiert, weil wir das sagen, was Sieselber bis zum Wahltag immer gesagt haben, nämlichdass eine Mehrwertsteuererhöhung Arbeitsplätze kos-tet, ist wirklich eine Form von Schizophrenie, die Ihnenkeiner durchgehen lässt, Herr Kollege Scholz.
Jetzt wollen wir einmal Folgendes festhalten. Sie ge-hen mit dem größten Wahlbetrug der letzten Jahre andie Öffentlichkeit. Sie sagen, das sei gar nicht andersmgsSsdAuetdTvrdVwHDddwhKaEsgmzwFDswmsekDmF„e
Wir haben gestern gehört, dass der stellvertretendeorsitzende der SPD-Fraktion, Herr Kollege Poß, eine,ie ich finde, geradezu unverschämte Beschimpfung deserrn Bundespräsidenten vorgenommen hat.
as Allermindeste, das man in dieser Debatte erwartenarf, ist, Frau Bundeskanzlerin, dass Sie den Herrn Bun-espräsidenten, den wir übrigens einmal gemeinsam ge-ählt haben, vor diesen Beschimpfungen aus den Rei-en der Koalition hier öffentlich in Schutz nehmen.
oalitionsfrieden ist das eine. Unser Staatsoberhaupt istber ein Verfassungsorgan. Daher gehören sich solchentgleisungen nicht. Wenn es sich um eine andere Per-on handeln würde, dann würden Sie es genauso sehen.
Deutschland ist ein Sanierungsfall. Das ist der Aus-angspunkt Ihrer Analyse. Ich glaube, da wird Ihnenittlerweile jeder in diesem Hause zustimmen. Die Ent-ückung der Sozialdemokraten bei Ihren Ausführungen,essen Schuld dies ist, war mit den Händen greifbar.
Aber schauen wir nach vorne und denken über dierage nach, wie man dieses Problem Sanierungsfalleutschland angehen soll. Das kann auf zwei Wegen ge-chehen. Der eine Weg ist der, den Sie mittlerweile ge-ählt haben. Sie setzen in Wahrheit auf mehr Staat undehr Staatswirtschaft. Dabei kommt folgender Kon-truktionsfehler einer großen Koalition zum Tragen: Ininer großen Koalition haben nämlich die „Sozialdemo-raten“ beider großen Parteien die strukturelle Mehrheit.araus ergibt sich der eigentliche Fehler, dass niemandehr darauf achtet, dass Kompromisse in Richtung mehrreiheit, mehr Eigenverantwortung und in RichtungPrivat kommt vor dem Staat“ gezogen werden. Das ists, was in Wahrheit fehlt.
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Dr. Guido WesterwelleVor diesem Hintergrund können Sie, Frau Bundes-kanzlerin, nicht sagen, die Opposition habe keine Alter-nativvorschläge. Jedes Mal fragen Sie hier rhetorischfür die Bürger, die uns zuschauen: Wo sind denn eureAlternativen? Wir würden sie prüfen. – Was Sie dabeiverschweigen, ist, dass wir in all den unter Ausschlussder Öffentlichkeit tagenden Ausschüssen, bei denenkeine Fernsehkameras zugegen sind und somit auch nie-mand zuschauen kann, die Umsetzung unserer Alterna-tivvorschläge beantragt haben und diese dort auch aus-führlicher dargestellt haben, als wir es hier aufgrund dergeringen Redezeit als Oppositionspartei machen können.Wir haben 500 Anträge im Haushaltsausschuss gestellt.Sie sagen, das seien alles Kürzungsanträge, die aus IhrerSicht nicht seriös seien. Das müsste ich im Rahmen despolitischen Meinungsstreites so stehen lassen. Aber dassSie auch die über 70 Anträge zum Haushalt mit einemEinsparvolumen von mehreren Milliarden, die wir in denAusschüssen gestellt haben und die bis hin zu den For-mulierungen dem entsprechen, was die Union in denletzten Jahren als Opposition im Haushaltsausschuss be-antragt hat, abgelehnt haben, zeigt, dass bei Ihnen derVerstand in Wahrheit durch die Koalitionsräson domi-niert wird. Das ist schlecht für Deutschland, meine sehrgeehrten Damen und Herren.
Sie wissen das und deswegen genieren Sie sich dafür jaauch.Wo ist die CSU geblieben? Sie hatte einmal im Zu-sammenhang mit der Kandidatur von Strauß plakatiert– als junger Student bin ich, wie es sich gehört, heftigdagegen angegangen –: Freiheit statt Sozialismus! Die-ses Plakat wird eines Tages einmal gegen Sie herausge-holt.
Das wird passieren.Nein, wir haben etwas anderes gewollt. Lassen wireinmal das Geplänkel weg und konzentrieren uns auf dieSache. Ich will Ihnen einmal ein paar Beispiele nennen:
Sie, Herr Kollege Steinbrück, haben gestern in derEinbringungsrede zum Haushalt einen meiner Meinungnach ganz wichtigen Punkt angesprochen, der es auchwert wäre, hier im Bundestag besprochen zu werden. Sieforderten, den Staat nicht schlecht zu machen, und kriti-sierten, eine Allianz aus Opposition und Boulevard-presse – so haben Sie es sinngemäß formuliert – ver-greife sich an dem Ansehen des Staates, weil sie vondem gefräßigen Steuerstaat spreche.
Ich sage Ihnen, lieber Herr Finanzminister, das ist ausmeiner Sicht zu kurz gegriffen. Wir werden als Opposi-tion auch in Zukunft – das stellt die kontinuierliche LinieusffDbddsHitndhAsniafsuddDiKgmEazfJCMsStetd
Ich nenne Ihnen nun ein paar Unsinnigkeiten in Ihremaushalt, für die Sie die Verantwortung tragen. Wennch das tue, ist das keine Kritik am Staat, die man verur-eilen müsste. Nein, wir wollen einfach diese Ausgabenicht. Sie wollen diese Ausgaben aus politischen Grün-en; das ist Ihr gutes Recht. Sie haben eine große Mehr-eit in diesem Hause und können es auch beschließen.ber es muss erlaubt sein, dass wir als Opposition be-timmte Einzelpunkte aufgreifen und angreifen.
Als Beispiel nenne ich die Tatsache, dass wir immeroch Entwicklungshilfe an China zahlen. Wir habenm Haushaltsausschuss die Streichung dieser Hilfen be-ntragt und hätten uns mit Ihnen auch über Übergangs-risten und darüber, wie man dabei vorgehen kann, ver-tändigen können. Tatsache ist, China ist mittlerweilenser wichtigster Handelspartner in Asien. Es ist dierittgrößte Handelsnation der Welt. Wir aber geben hun-erte Millionen Entwicklungshilfe an China.
ie bauen den Transrapid und steigen in die Weltraum-ndustrie ein. Wir aber geben einem unserer stärkstenonkurrenten Entwicklungshilfe. Das ist Denken vonestern. Hier handelt es sich um einen Wettbewerber,eine sehr geehrten Damen und Herren.
Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass sich dientwicklungshilfe für China in den letzten drei Jahrenuf etwa 200 Millionen Euro belaufen hat. Sie haben da-wischengerufen, es seien nur 70 Millionen. Das gilt nurür einen Ansatz. Insgesamt haben wir in den letztenahren etwa 2,8 Milliarden Euro Entwicklungshilfe anhina gezahlt. Man kann natürlich so weitermachen.an kann es auch ändern. Wir sind der Meinung, manollte es ändern.
ie sind der Meinung, man solle es so lassen. Verantwor-en Sie das gegenüber der Bevölkerung. Wir vertretenine andere Meinung. Deswegen sind wir nicht schlech-ere Deutsche, Herr Finanzminister. Das möchte ich anieser Stelle klar sagen.
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3564 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006
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Dr. Guido WesterwelleIch will auf einen weiteren Punkt eingehen. Sie sagenja, Sie würden jetzt die Staatsfinanzen konsolidieren.Tatsache ist, Sie erhöhen die Steuern wie keine Regie-rung zuvor, und Tatsache ist, dass Sie das nicht zuguns-ten der jungen Generation tun nach dem Motto: Dannmachen wir weniger Schulden. Sie machen beides. Auchdie Nettokreditaufnahme ist so hoch wie nie zuvor: fast40 Milliarden Euro. Das hat es noch nicht gegeben.Große Koalition, große Schuldenmacherei – das ist es,worüber wir hier reden müssten.
Was bedeutet Ihre Politik für die Familien? Sie rüh-men sich ja so wegen des Elterngelds. Niemand ist dage-gen, dass Familienpolitik gemacht wird. Die Frage istnur, wie sie gemacht wird. Als staatliche Bevormun-dung? Eigentlich müsste dem Staat jedes Kind gleichviel wert sein. Das ist immer die klassische Haltung die-ses Hohen Hauses gewesen.
Sie machen jetzt etwas ganz anderes. Sie sagen: Es be-kommt Geld, wer das Familienmodell der Regierung inder Erziehung verfolgt. Wir sagen: weniger Bevormun-dung wäre besser. Das ist auch eine intelligente Fami-lienpolitik.
Was tun Sie stattdessen im Familienbereich? Ichmöchte in der Öffentlichkeit noch einmal Zahlen nen-nen: Eine Familie mit einem Durchschnittseinkommenvon 40 000 Euro wird nur durch die Beschlüsse der letz-ten Wochen eine Mehrbelastung in Höhe von 1 600 Euroim Jahr haben.
Ich möchte auch einmal erwähnen, was das für dasHandwerk und den Handel bedeutet, weil Sie sichdarüber wundern, dass im Augenblick so viel gekauftwird. Das ist doch kein Wunder. Viele Leute wollen derMehrwertsteuererhöhung entgehen, von der sie wissen,dass sie im nächsten Jahr kommt. Die Käufe werden vor-gezogen. Umso leerer werden die Auftragsbücher in denersten beiden Quartalen des Jahres 2007 sein. Das sagenIhnen der Bundesbankpräsident, die FDP und die Wirt-schaftsinstitute. Sie wollen es aber nicht hören und be-schimpfen stattdessen die Opposition.Ich möchte ein Beispiel anführen: Eine Familie willeinen Golf zu einem Preis von – das ist geschätzt –20 000 Euro kaufen.
– Ja, Herr Kampeter, das ist die schmale Ausgabe; ichbin sicher, dass Sie die nicht fahren.
Es gibt aber Familien, die weniger verdienen als ein Ab-geordneter. – Diese Familie wird nur durch die Erhö-hGEwdshkeedkbHgwSw–gmirsMbwEdgiWrhidBCSjdGPwcdMS
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den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten KurtBeck, der damals zugleich stellvertretender SPD-Chefwar, sprach sich dafür aus, gesetzlich nur das zu regeln,was die EU-Richtlinien zwingend vorgeben. Eigentlichwaren wir uns doch einig! Entsprechend sah auch IhreRegierungserklärung aus. Die EU-Richtlinie sollte einszu eins umgesetzt werden. Wenn Sie jetzt Bürokratiedraufsatteln, dann kritisieren Sie die FDP nicht dafür,dass sie das anprangert!
Weil Sie, Frau Bundeskanzlerin, gerade ganz Wichti-ges mit dem Bundesumweltminister zu besprechen hat-ten, komme ich auf eine Sache ganz kurz zu sprechen. Esist erstaunlich, wofür die Regierung Geld hat, zum Bei-spiel für eine Broschüre gegen die Kernkraft. Die hatjeder Zeitung beigelegen. Die kostete Geld, Tausende,vielleicht sogar Hunderttausende.
– Nach sozialdemokratischer Rechnung wären das Mil-liarden. Das ist wahr. – Da stehen Sie, meine Damen undHerren, fröhlich beieinander. Herr Gabriel, der Umwelt-minister, schreibt, wie klasse es sei, dass man aus derKernkraft aussteige,
wie notwendig das sei und dass die SPD schon seit Jah-ren dafür sei.
– Und die SPD klatscht. – Drei Tage später spricht un-sere Bundeskanzlerin auf der Hannover-Messe und sagt:Wissen Sie, ich glaube, wenn man den Klimaschutzwirklich ernst nimmt, dann kann man auf die Kernkraftnicht verzichten. –
Was gilt denn jetzt in dieser Regierung?
Gabriel grinst sich einen, was ich aus seiner Sicht verste-hen kann. Das Mindeste, was man erwarten kann, ist,dass Sie, Frau Bundeskanzlerin, dafür sorgen, dass Siewenigstens in Ihrer Öffentlichkeitsarbeit mit Rücksichtauf das Portemonnaie der Steuerzahler eine einheitlicheHaltung vertreten. Das ist das Mindeste, was man vonIhnen erwarten kann.
Ich will mit einer Bemerkung zur Gesundheitspolitikschließen. Es war eine brillante Verkleisterung, HerrKollege Kauder, die Sie uns geboten haben. Das zeigt,ddHciAdgShSltdledmNevjGSRgShjwddtssthPnwdFnwH
ber Sie, Herr Kauder, stellen sich hier hin und sagen,ie Bundeskanzlerin habe zum Thema Gesundheit allesesagt. Nichts hat sie gesagt.
ie hat gar nichts gesagt, was irgendwie Substanz gehabtätte.
ie sagte: Vor dem Sommer werden wir das alles nochösen. Da gehen wir heran. – In Wahrheit haben die Zei-ungen längst die Papiere. Oder wollen Sie sagen, dassie „Süddeutsche Zeitung“ in ihrer heutigen Ausgabeügt? Gibt es dieses Papier oder gibt es das nicht? Ist dasine Regierungsausarbeitung oder lügt etwa die „Süd-eutsche Zeitung“? Sie hätten die Gelegenheit wahrneh-en können, etwas dazu zu sagen.
ach den Plänen, die wir bisher kennen, wissen wir nurines: Nach der größten Steuererhöhung, dem Ausbauon Bürokratie und der größten Verschuldung kommtetzt in der Gesundheitspolitik noch einmal ein tieferriff in die Tasche der Bürger auf uns zu. Warum? Weilie nicht in der Lage sind, sich auf einen gemeinsameneformnenner zu verständigen. Jetzt wird eine Chimäreeboren. Ein bisschen so und ein bisschen so, wie in derteuerpolitik: Gibst du mir deine Mehrwertsteuererhö-ung, gebe ich dir die Reichensteuer. Das machen Sieetzt wieder in der Gesundheitspolitik. Sie fangen schonieder mit dem Abkassieren an. Es werden Fonds gebil-et, und an die PKVs wird herangegangen, als ob es umie Kassen ginge, dabei geht es doch um die Versicher-en; denen wird das Geld weggenommen.
Eines sage ich Ihnen: Sie hätten Mut zur Reform derozialen Sicherungssysteme zeigen müssen. Sie hättenagen müssen: Das ist mein Weg in der Gesundheitspoli-ik. Stattdessen ringen Sie um einen faulen Kompromissinter verschlossenen Türen. Die Zeitungen bekommenapiere zugesteckt, damit sich die Öffentlichkeit nachhericht so aufregt, weil nicht ganz so dramatisch abkassiertird, wie die Horrorzahlen, die heute veröffentlicht wur-en, vermuten ließen. Diese Regierung wagt nicht mehrreiheit, es ist eine Regierung, die den Staat wichtigerimmt als die Gesellschaft und die Bürger. Deswegen,egen dieser grundsätzlichen Haltung, lehnen wir denaushalt Ihrer Regierung ab, Frau Merkel.
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Nächster Redner ist der Vorsitzende der SPD-Frak-
tion, Dr. Peter Struck.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-ren! Herr Kollege Westerwelle, ich fand es mutig, dassSie hier zugegeben haben, dass Sie nichts von Fußballverstehen – im Gegensatz zu mir:
Ich war einer der tragenden Spieler in der Bundestags-mannschaft. Peter Rauen wird das bestätigen.
Ich stimme Ihnen in einem Punkt, den Sie angespro-chen haben, dennoch zu: Die Weltmeisterschaft ist füruns ein Glückfall.
Sie hat vor allem dem Land den Schleier der Miesma-cherei weggerissen.
Sie haben heute versucht, damit weiterzumachen.Deutschland ist ein freundlicher Gastgeber. Die Fan-meile in unmittelbarer Nähe zum Reichstag ist Tag fürTag und Abend für Abend ein Beweis für ein fröhlichesMiteinander von Gästen und Gastgebern. Wir könnenstolz auf unsere Deutschen sein, die unsere ausländi-schen Kameraden und Freunde betreuen und sich mit ih-nen zusammen über Siege freuen und über Niederlagentrauern. Wir freuen uns, auch bei den nächsten Spielen,mehr über Siege.
Herr Kollege Westerwelle, Sie haben von der Enttäu-schung auf der Regierungsbank gesprochen. Ich inter-pretiere das so, dass Sie enttäuscht sind, dass Sie nichtauf der Regierungsbank sitzen. Da wollten Sie ja gernehin.
Was hätten Sie eigentlich gemacht, wenn Sie regiert hät-ten? – Ich will übrigens klar sagen: Die Aussage,Deutschland ist ein Sanierungsfall, ist nicht die meine.Das möchte ich unterstreichen.
Deutschland war ein Sanierungsfall 1998.
Da haben wir zusammen mit den Grünen die Regierungübernommen. Wir haben ordentlich regiert. Trotzdemsage ich: Es gibt in diesem Land viel zu tun.Was hätten Sie eigentlich gemacht, wenn Sie nebenFrau Merkel auf der Regierungsbank gesessen hätten?IwsdsPhlh9landmdvdrdSthlnF12gKuua–wgImSbrtdwtk
Ich greife einen Punkt heraus, der mich aufgrund mei-er früheren Tätigkeit besonders beschäftigt. Die FDP-raktion sagt: Wir kürzen bei der Bundeswehr umMilliarde Euro. Die PDS-Fraktion fordert noch mehr:
Milliarden. Dazu will ich Ihnen deutlich sagen: Waslauben Sie, was die Soldaten in Afghanistan oder imongo von einer solchen Maßnahme halten? Es ist einenzumutbare Vorstellung, den Haushalt der Bundeswehrm 1 Milliarde Euro zu kürzen. Das kann man niemalskzeptieren. Das geht überhaupt nicht.
Wir haben eine internationale Verantwortung. Daseiß doch jeder und auch Sie. Sie sind doch diejenigenewesen, die, als wir regiert haben, immer gesagt haben:hr müsst mit dem Rumsfeld und dem Bush klarkom-en; gebt mehr Geld für Verteidigung aus. Jetzt wollenie kürzen.Weitere Kürzungsmaßnahmen aus Ihrem Märchen-uch: 3 Milliarden Euro wollen Sie bei den Eingliede-ungshilfen kürzen. Carsten Schneider hat schon ges-ern in der Debatte darauf hingewiesen, dass 50 Prozentieser Eingliederungshilfen in Ostdeutschland ausgeteilterden. Sind Sie dafür, dass in dem Bereich noch här-ere Kürzungsmaßnahmen durchgeführt werden? Dasann doch nicht Ihr Ernst sein.
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Dr. Peter Struck
– Wollen Sie eine Zwischenfrage stellen? Einen Augen-blick noch. Setzen Sie sich noch einen Moment, HerrFricke, es dauert noch ein bisschen.
– Ja, Sie können auch gern im Stehen warten.Ich will Folgendes sagen: Wir, CDU, SPD und CSU,haben 70 Prozent Mehrheit im Parlament. Das bedeutet,wir können zum Beispiel Verfassungsänderungen alleindurchsetzen. Im Bundesrat ist die Situation so, dass dieLänderregierungen diese Koalition tragen. Es wird im-mer Situationen geben, in denen ein Land, aus welchenGründen auch immer, beabsichtigt, den Vermittlungs-ausschuss anzurufen, oder uns sagt, dass wir noch überetwas reden müssen, bevor wir es im Bundestag be-schließen.Die jetzige Situation hatten wir seit der ersten großenKoalition von 1966 bis 1969 nicht mehr. Das heißt fürmich, dass es eine große Verantwortung ist. Wenn nichtdiese große Koalition die Zukunftsfragen der Nationlöst, wer löst sie dann? Das heißt, wir sind wirklich zumErfolg verdammt. Das gilt für jeden Punkt, über den wirzu diskutieren haben. Ich will die Opposition nicht klein-reden. Ganz im Gegenteil: Ich respektiere Ihre Arbeit.Das wissen Sie ganz genau. Aber auf uns kommt es jetztan.Was sind die Zukunftsfragen der Nation? Versetzenwir uns einmal in die Lage eines normalen Menschen,der seinem Beruf nachgeht oder einen Arbeitsplatzsucht. Was erwartet er von uns? Er erwartet von uns,dass wir folgende Probleme lösen:Erstens erwartet er, wenn er arbeitslos wird oder be-reits arbeitslos ist, dass wir ihm helfen, einen Arbeits-platz zu finden. Die Maßnahmen, die wir jetzt mitHartz IV bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen-hilfe und Sozialhilfe begonnen haben, sind absolut rich-tig. Die Debatte, die vor einiger Zeit über Hartz IV ge-führt worden ist, war falsch. Es war eine richtigeMaßnahme, zu der wir stehen. Es war keine falscheMaßnahme.
Übrigens war es im Vermittlungsausschuss so – das wis-sen auch Sie –, dass die damalige Opposition, die CDU/CSU, zugestimmt hat.
Herr Kollege Struck, besteht denn die Aussicht, dass
Kollege Fricke seine Frage noch vor dem Ende Ihrer
Rede stellen kann?
Ich verfolge gerade meinen Gedankengang. HerrFricke, Sie können es vielleicht nachher noch einmalvTeOOsbnDnMudewnAcagfwhdtdSsSjdtarscGkrwLzdmkcn
egenwärtig sind ungefähr 400 000 Menschen nichtrankenversichert. Das muss in Form eines Kontrahie-ungszwangs für die Krankenversicherungen organisierterden.Zweitens. Jeder muss die medizinisch notwendigeneistungen erhalten. Wir wollen keine Zustände wieum Beispiel in Großbritannien. Dort kommt es vor,ass man drei oder vier Monate auf einen Operationster-in warten muss oder dass sich ein 70-Jähriger dieünstliche Hüfte, die er braucht, selbst kaufen muss. Sol-he Zustände wollen und werden wir in Deutschlandicht bekommen.
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Dr. Peter StruckDie dritte Frage, die die Menschen neben den ThemenArbeitslosigkeit und Krankheit bewegt, bezieht sich aufdie Rente: Was geschieht, wenn ich alt bin? Sowohldurch die Debatten der letzten Zeit als auch durch dieDiskussionen, die wir in den letzten zehn Jahren, alsoschon zu Helmut Kohls Regierungszeit, geführt haben,weiß jeder, dass die Leistungen der gesetzlichen Renten-versicherung nicht ausreichen werden, um den Lebens-standard, den man während des aktiven Arbeitslebenshatte, im Alter zu halten. Warum das so ist, brauche ichnicht zu erläutern. Das hat unter anderem mit der demo-grafischen Entwicklung und mit der Arbeitsmarktent-wicklung zu tun. Das ist bekannt.Deshalb hat die vorherige Koalition aus SPD undGrünen die Riesterrente eingeführt. Sie wird gut ange-nommen und ist auch in der Unionsfraktion akzeptiert.Hier müssen wir noch mehr tun. Klar ist – darüber wurdein den Koalitionsverhandlungen diskutiert und das istumfangreich kommentiert worden –, dass wir länger ar-beiten müssen. Franz Müntefering hat die mutige Ent-scheidung getroffen, öffentlich darüber zu sprechen,dass bis zum Alter von 67 Jahren gearbeitet werdenmuss und ab wann diese Regelung gilt. Das hat natürlichkeinen Jubel hervorgerufen.
Das ist logisch. Dass darauf vonseiten der PDS-Fraktionmit gnadenlosem Populismus reagiert wurde, war nach-vollziehbar. Aber das ist keine Lösung. Wir müssen alsolänger arbeiten.
Welche Funktion hat eine Haushaltsdebatte? Da ichim Deutschen Bundestag schon an 25 Haushaltsdebattenteilgenommen habe – ich meine die zweiten und drittenLesungen –, kann ich Ihnen mitteilen: Die normaleFunktion dieser Debatte besteht darin, dass die Regie-rung sagt, dass sie alles eigentlich ganz gut macht – FrauMerkel, Ihr Amtsvorgänger hat immer gesagt, dass seineRegierung eigentlich sehr gut ist; Sie sind im Augen-blick noch ein bisschen bescheidener –,
und dass die Opposition sagt, dass alles, was die Regie-rung macht, falsch ist.Im Hinblick auf die Opposition muss ich feststellen:Sie sprechen immer nur von der Mehrwertsteuererhö-hung. Aber irgendwann müssen Sie dieses Thema ver-gessen, Herr Westerwelle. Dann muss Ihnen etwas ande-res einfallen. Im nächsten Jahr können Sie nicht mehrauf die Mehrwertsteuererhöhung verweisen. Dass Siedas im Moment machen, kann ich aber verstehen.Die Mehrwertsteuererhöhung ist niemandem leichtgefallen. Da wir jedoch gleichzeitig die Beiträge zur Ar-beitslosenversicherung senken und das Investitionspro-gramm finanzieren, legen wir das Geld der Bürger, daswir durch die Mehrwertsteuererhöhung einnehmen, ver-nünftig an.trcGUAkedmdbgW–bamdsDAdvgt–WgtiAivue
Nun zu den Kleinigkeiten, über die sich die Opposi-ion aufregt. Weil es in den Zeitungen steht und viel da-über geredet wird, zum Beispiel in Hintergrundgesprä-hen, ist bekannt, dass über ein Allgemeinesleichstellungsgesetz diskutiert wird. Ich weiß, dass dienionsfraktion damit Probleme hat.
ber wir haben Vereinbarungen getroffen. Die Koalitionann nur dann durchhalten, wenn diese Vereinbarungeningehalten werden. Ich bin fest davon überzeugt, dassies geschieht und dass Volker Kauder sein Wort, das erir gegeben hat, hält;
enn andernfalls könnten wir nicht mehr zusammenar-eiten. So ist das. An dieser Stelle möchte ich den Kolle-en der CDU/CSU-Fraktion dafür danken, dass sie ihrort halten.
Ja, darauf komme ich gleich noch zu sprechen.
Kollege Westerwelle weist zwar darauf hin, dass ihr,evor wir unsere Vereinbarungen getroffen haben, etwasnderes gesagt habt. Aber das ist in der Politik nun ein-al so. Natürlich habt ihr in der Vergangenheit etwas an-eres gesagt. Aber dann haben wir uns auf eine be-timmte politische Lösung geeinigt.
as hat auch etwas mit der Föderalismusreform zu tun.uch darüber wird innerhalb der Koalition diskutiert;as gebe ich gerne zu.Frau Merkel, Sie haben es angesprochen und es istöllig richtig: Man darf das große Ziel nicht aus den Au-en verlieren; ich schaue jetzt die Kritikerinnen und Kri-iker in meinen Reihen an.
Nicht nur Herrn Tauss; wir werden in der nächstenoche darüber entscheiden. – Die Zielrichtung – weni-er zustimmungspflichtige Gesetze und eine klare Ver-eilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern –st absolut richtig und dabei bleibt es auch.
ber man muss schon darüber diskutieren, ob es richtigst, manche Kompetenzen vom Bund auf die Länder zuerlagern. Wir haben – das wissen Sie genau – ein sehrmfangreiches Anhörungsverfahren durchgeführt, wies das in der Geschichte des Bundestages noch nicht ge-
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Dr. Peter Struckgeben hat: 100 Sachverständige, nicht nur von den Frak-tionen, sondern auch vom Bundesrat benannt, haben indiesem Raum manchen Punkt sehr kritisch bewertet.
Wir haben alle, soweit wir es konnten, zugehört, und un-sere Expertinnen und Experten haben uns darüber be-richtet. Es kann aber nicht sein – das will ich deutlich sa-gen –, dass wir diese Anhörung just for show gemachthaben, vielmehr nehmen wir das, was hier vorgetragenwurde, ernst.
Aber wir alle in diesem Raum wissen doch auch: Vondem, was im Hinblick auf die Föderalismusreform dis-kutiert wird, wird einiges vom Bundesrat akzeptiert wer-den können und einiges nicht; das ist so. Hier verlaufendie Grenzen doch nicht zwischen SPD und CDU/CSUeinerseits und der Opposition andererseits, sondern dieGrenzen verlaufen zwischen Bundestag und Bundesrat.
– Auch. Aber im Wesentlichen scheiden sich die Mei-nungen doch gerade an dem Punkt, über den wir hier kri-tisch diskutieren.Also: Ich weiß genau, wir bekommen nicht alle un-sere Änderungswünsche durch. Übrigens ist es nicht so,dass nur meine Fraktion gerne etwas geändert hätte – esgibt auch Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion, die gern etwas geändert hätten.
Sie verstecken sich im Moment nur hinter uns, weil siesich sagen: Lass mal die Sozis vorangehen!
Und auch in der FDP wird vieles kritisch diskutiert; dasweiß ich.Trotzdem bin ich der festen Überzeugung, dass wireine Föderalismusreform – über die wir ja in der nächs-ten Woche zu entscheiden haben – brauchen. Wir brau-chen sie, um die Regierung unseres Landes schnellerhandlungsfähig zu machen. Die Einzelheiten müssen wirnoch bereden.
– Etwas spröde, kann man sagen.
– Ich kriege das schon hin in meiner Fraktion.
– Das denke ich schon. Ich nehme meine Verantwortungals Fraktionsvorsitzender wahr und will dazu gleich ein-mal etwas sagen.–MrauCPiRs–s–dBnmwdbozefwpwmwnbMtnswrS
Ich mache das schon.
an muss natürlich auch sagen, dass wir, was die Föde-alismusreform angeht, am Freitag in einer Woche eineusführliche Debatte brauchen. Denjenigen Kolleginnennd Kollegen, die Bedenken haben, muss wirklich diehance gegeben werden, ihre Änderungswünsche imlenum darzustellen.Trotzdem muss sich am Ende jeder – ich schaue jetztn Richtung der FDP, weil ich weiß, dass es auch dortechtsexperten gibt, die viele Fragen haben – die Fragetellen: Sollen wir trotz Bedenken an einzelnen Stellendie jeder haben kann – das Gesamtpaket scheitern las-en?
Meine Position ist auch: Nein. Aber ich setze voraus,ass wir noch Gespräche zu führen haben, auch mit demundesrat, um auszuloten, was machbar ist und wasicht.
Zu Beginn der Debatte, als der Entwurf der Föderalis-usreform eingebracht worden ist, da hieß es: Nichtsird geändert, das steht im Koalitionsvertrag, der Bun-esrat hat so beschlossen. – Deshalb bedanke ich michei denjenigen, die dazu beigetragen haben, dass es eineffenere Debatte gibt und dass die harte Ablehnung in-wischen aus der Welt ist. Dafür herzlichen Dank!
Ich will noch auf den Kollegen Kauder eingehen, weilr im Zusammenhang mit der Unternehmensteuerre-orm etwas zu aktuellen Fragen wie der Zukunft der Ge-erbesteuer gesagt hat. Ich habe jahrelang Kommunal-olitik betrieben – ich war 20 Jahre im Kreistag – undill für meine Fraktion und sicher auch für den Finanz-inister deutlich machen: Ich bin nicht bereit, die Ge-erbesteuer in irgendeiner Weise aufzugeben, solange esicht eine bessere Alternative dazu gibt. Ich sehe keineessere Alternative.
an kann über vieles sprechen. Das werden wir auchun.Ich möchte eines gleich klarstellen. Herr Finanzmi-ister Steinbrück, der Herr Kollege Kauder hat Ihneneine uneingeschränkte Solidarität zum Haushaltsent-urf 2006 bekundet. Damit überhaupt kein Zweifel da-an besteht: Ich möchte mich dieser uneingeschränktenolidarität für die SPD-Bundestagsfraktion anschließen.
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Dr. Peter Struck
– Nein, das glaube ich nicht.Abschließend möchte ich sagen: Es ist der erste Haus-halt dieser großen Koalition. Der zweite Haushalt, der2007er-Haushalt, wird schwieriger. Darüber sind wir uns– das gilt für alle, die auf der Regierungsbank sitzen, undauch für uns – völlig im Klaren. Wir werden das schaf-fen, weil wir wissen, dass wir unseren Auftrag erfüllenmüssen. Wir müssen das tun, was die Menschen in unse-rem Land brauchen. Die SPD-Fraktion steht dazu bereit.
Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Otto
Fricke das Wort.
Herr Kollege, Herr Fraktionsvorsitzender Struck, Sie
hatten mir leider nicht die Möglichkeit gegeben, eine
Frage zu stellen. Deswegen muss ich jetzt diesen Weg
gehen.
Ich darf Sie als Erstes darauf aufmerksam machen,
dass die Änderungsanträge der FDP-Fraktion bezüglich
der Bundeswehr nicht die Ausstattung der Soldaten, son-
dern zum Beispiel Waffensysteme für Hubschrauber,
Waffensysteme für den Eurofighter und Ähnliches mehr
betreffen.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir diese Dinge im
Kongo brauchen. Es wäre unverantwortlich, wenn wir so
etwas tun würden. Das nur zur Klarstellung.
Zweitens. Bekomme ich von Ihnen als Fraktionsvor-
sitzenden der SPD zum Thema Eingliederungshilfe, bei
dem Sie uns den Vorwurf machen, wir würden den Leu-
ten etwas wegnehmen, hier im Parlament die klare und
deutliche Aussage, dass die 6,5 Milliarden Euro, die für
die Eingliederungshilfe etatisiert worden sind und von
denen bisher übrigens nur ein Viertel verbraucht worden
ist, obwohl bereits die Hälfte des Jahres herum ist, nur
dafür und nicht für irgendetwas anderes ausgegeben
werden? Würde das Geld für etwas anderes ausgegeben,
dann wären unsere Anträge ja durchaus berechtigt.
Zur Erwiderung, Herr Kollege Struck.
Herr Kollege Fricke, entschuldigen Sie, aber ich habe
wirklich vergessen, später noch eine Frage zuzulassen.
Das war ernst gemeint.
– Das ist jetzt also geklärt.
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Nein, U-Boote im Kongo nicht. Wie gesagt: Ich kenne
ich aus und wäre bei den Kürzungen ganz vorsichtig.
ass Sie hier Ihre Vorschläge machen müssen, ist ja
achvollziehbar.
Zur Eingliederungshilfe. Ich bin dafür nicht politisch
erantwortlich. Ich bin auch nicht in der Regierung dafür
erantwortlich, dass das, was Sie eben angesprochen ha-
en, eintritt. Ich bin aber optimistisch, dass das Problem
elöst wird. Gerade unsere Haushälter und der Herr Ar-
eitsminister werden genau darauf achten, dass wir das
hema Eingliederungshilfe so behandeln – haushaltsmä-
ig, über die Agenturen und über wen auch immer –,
ass das seine Richtigkeit hat. Ich weiß, was Sie anspre-
hen, und kenne den Hintergrund Ihrer Frage. Ich ver-
asse mich auf die Leute, die wir haben, und der Minister
st sowieso ein guter Minister.
Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Lothar Bisky,
raktion Die Linke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Regel-all lobt die Regierung ihren eigenen Haushalt und wirls linke Opposition kritisieren ihn. Das ist auch bei die-em Haushalt richtig und wichtig; denn wieder einmalollen die sozial Benachteiligten die Zeche zahlen. Abereine Regel ohne Ausnahme.Dem Kulturstaatsminister ist es gelungen, Kürzungen Kulturhaushalt abzuwenden, ja, sogar kleine Zu-ächse zu erreichen. Bundeskulturstiftung, Filmförde-ung und die Deutsche Welle profitieren mit jeweilsMillionen Euro. Der Hauptstadtkulturfonds bleibt un-eschadet. Die Unterstützung zur Sanierung des Perga-onmuseums ist in Aussicht gestellt. Auch bei dertaatsoper gehen wir davon aus, dass sich der Bund aner Sanierung angemessen beteiligen wird.
Das bestehende Niveau wurde also insgesamt gehal-en. Das ist angesichts der überall grassierenden Kürzun-en auch von uns als linker Opposition ausdrücklich zuürdigen. Nun gilt es, dieses Votum für die Kultur poli-isch zu verteidigen. Ich bin mir sicher, das wird nicht
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Dr. Lothar Biskyeinfach werden. Aber – ich bin nun dabei, etwas Wasserin den Wein zu gießen – viele Kultureinrichtungen sindaufgrund steigender Kosten und der Kürzungen vergan-gener Jahre in einer äußerst schwierigen Lage. Das istnicht zu übersehen. Wir beantragen deshalb zum Bei-spiel mehr Mittel als von Ihnen vorgesehen für die Stif-tung für das sorbische Volk.
– Ich weiß. Sie haben den Mittelansatz sogar leicht er-höht. Aber wir wollen etwas mehr. Das dürfen wir dochnoch.
– Danke. Das ist okay. Vor allem aber fragen wir: Wo istdie Investition in die Kultur, von der die Kanzlerin in ih-rer Regierungserklärung gesprochen hat? Wo ist dierichtige, wichtige und zukunftsträchtige Investition inden deutschen Film? Die dafür vorgesehenen Investi-tionen sind um 2 Millionen Euro erhöht worden; daswissen wir.Endlich gibt es sie wieder: erfolgreiche deutscheFilme von Qualität. Deren Regisseure und Produzentenhaben es verdient, dass nun auf sie gesetzt wird. DasStichwort heißt: Investitionen in die Kulturwirtschaft alsWachstumsbranche für moderne Arbeitsplätze. Da sinddie 2 Millionen Euro mehr für den deutschen Film indiesem Haushalt ein Anfang. Aber im Großen und Gan-zen sind dies wie so vieles Großkoalitionäre zögerlicheTrippelschritte; denn sie reichen keinesfalls aus. Es magja sein, dass sie eine Art Bonsai-Hollywood als Leitbildvor Augen haben. Das wird nicht reichen, um dem deut-schen Film wirkliche Wachstumsimpulse zu verleihen.
Wo bleiben zukunftsträchtige Investitionen in Städteund Regionen, die ihr industrielles Fundament verlorenhaben, aber über große Kulturschätze und damit überAnziehungskraft verfügen? Würden diese Städte bessergefördert und ihr kulturelles Potenzial innovativ genutzt,könnten sie durch Kultur zu neuer Blüte und modernemReichtum kommen, wie dies vielen ehemaligen armenStädten und Regionen in Europa gelungen ist und woranzum Beispiel auch Essen erinnert. Ist denn das für unsalle keine Herausforderung?Wie wäre es mit einem Sonderinvestitionspro-gramm des Bundes für die Kultur? 25 MilliardenEuro sind ausgelobt worden. Warum wird die Kultur da-ran nicht beteiligt? Der Kulturausschuss hat sich dafürausgesprochen, das Ressort von Herrn Neumann an die-sem Programm zu beteiligen und zum Beispiel in denDenkmalschutz und den Erhalt von Baudenkmälern zuinvestieren, vor allem übrigens in den neuen Ländern.Wir halten das für sehr sinnvoll.
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss.
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Was die Unternehmensbesteuerung anbelangt, gibtes anscheinend einen breiten Konsens darüber, die Ge-werbesteuer beizubehalten. Die CDU/CSU war immerfür die Abschaffung; die anderen haben gefordert, siebeizubehalten. Das Fatale an der gegenwärtigen Situa-tion ist aber, dass man ein Reformkonzept für alle unsereUnternehmen – auch für die kleinen und mittelständi-schen – auf den Weg bringen will, das man auch ver-nünftig finanzieren möchte, weil man sich keine riesigenSteuerausfälle leisten kann, dass aber – wie alle Ankün-digungen aus den verschiedensten Reihen, gerade auchdie Presseberichte des heutigen Tages, sehr deutlich ge-macht haben – die Finanzierung der Reformen keinenBestand mehr hat. In diesem Zusammenhang muss manschon berücksichtigen, was dabei herauskommt, wennman sich auf die Senkung der Körperschaftsteuersätzebeschränkt. Das ist keine Reform für die Zukunft; es istvielmehr der kleinste gemeinsame Nenner, auf den mansich letztlich einigt. Der BDI-Präsident Thumann hat zuRecht darauf hingewiesen, dass der kleinste gemeinsameNenner auch null sein kann. Bei den Reformen ist zu be-fürchten, dass für die Gesellschaft und vor allen Dingenhinsichtlich der Arbeitsplätze null herauskommt.
In diesem Kontext sind auch die Überlegungen be-treffend die Erbschaftsteuer zu sehen. Das ist kein klei-nes Thema. Wir, die Gesellschaft, müssen die in unsererVerfassung verankerte Sozialbindung des Eigentumssehr ernst nehmen. Man geht aber den falschen Weg,wenn man sowohl kleine und mittelständische Unterneh-men als auch Konzerne unabhängig davon, ob sie Ar-beitsplätze erhalten, über einen Zeitraum von zehn Jah-ren von der Erbschaftsteuer vollständig befreit. Dannmüssen die Bürger letztendlich die Steuerausfälle bezah-len. Wahrscheinlich ist ein solches Gesetz sogar verfas-sungswidrig. Das geht nicht.Die Sozialbindung des Eigentums ist ein ganz zentra-les Element. Wenn Sie dieses Element im Gesetzge-bungsverfahren nicht berücksichtigen, dann laufen SieGjrbStslbpHslnkbkwusCHrwWSdhSmswDwdWDwnhad
er deutsche Export boomt. Die Investitionen nehmenieder zu und die Binnenkonjunktur festigt sich.
Diese Trendwende ist natürlich auch der neuen Bun-esregierung unter Kanzlerin Merkel zu verdanken.
ir haben die Kraft zu einer stetigen Politik. Mit demreiklang „Sanieren, Reformieren, Investieren“ habenir den richtigen Ansatz gefunden, Deutschland wiederach vorne zu bringen. Vorredner haben schon daraufingewiesen, dass die große Koalition bereits konkretngepackt hat. Bezüglich der Ausgabenseite haben wiren Entwurf eines Hartz-IV-Fortentwicklungsgesetzes
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Dr. Christian Ruckverabschiedet. Das Gesetz ist nicht eine gesetzliche Re-gelung für Sozialabbau, sondern stellt eine Initiative zurKorrektur von Fehlentwicklungen im Ausgabenbereichdar. Es verhindert Leistungsmissbrauch und löst läh-mende Verwaltungsverstrickungen. Ich erinnere nur anden explosionsartigen Anstieg der Zahl von Bedarfsge-meinschaften, gegründet von jungen Leuten. Genau daswollten wir alle doch nicht haben. Wir haben des Weite-ren Steuerschlupflöcher geschlossen, fragwürdige Ge-staltungsmöglichkeiten eingeschränkt und die Ausnut-zung von Gesetzeslücken eingedämmt.Bezüglich der Einnahmeseite haben wir das Steu-eränderungsgesetz unter Dach und Fach gebracht, undzwar im Rahmen eines vernünftigen finanz- und steuer-politischen Gesamtkonzepts. Wir tun das nicht aus Juxund Tollerei. Vielmehr gibt es keine Alternativen zu die-sen Maßnahmen. Dieses Gesamtkonzept zielt darauf ab,den europäischen Stabilitätspakt und die Verschuldungs-grenze des Art. 115 des Grundgesetzes im nächsten Jahreinzuhalten. Dagegen kann niemand sein. Das Steuerän-derungsgesetz ist ein wichtiger Schritt hin zur Haushalts-konsolidierung. Mit ihm wird genau das umgesetzt, wasCDU/CSU und SPD gemeinsam im Koalitionsvertragvereinbart haben.
Ich wehre mich energisch gegen das Stichwort „Arro-ganz“, das vonseiten der FDP gefallen ist. Wir haben denMut gehabt, auch im Wahlkampf die Notwendigkeit vonSteuererhöhungen deutlich zu machen. Wir von der CSUgewinnen im Gegensatz zu den Mitgliedern der FDP un-sere Wahlkreise in der Regel direkt. Das geht nicht, in-dem wir gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, dieuns wählen, die Arroganz an den Tag legen, die Sie unsunterstellen.Unsere Familienpolitik zeigt, dass die große Koali-tion auch hier innovative Wege geht. Mit dem Elterngelderhalten die Familien eine neue finanzielle Unterstüt-zung. Mit der Ausweitung der Kinderbetreuung, dersteuerlichen Absetzbarkeit der Betreuungskosten undder Schaffung von mehr Familienfreundlichkeit am Ar-beitsplatz fördert die große Koalition die Familien. Unsging es auch darum, dass die Elternteile oder die Frauen,die die Aufgabe der Kindererziehung wahrnehmen, in-dem sie zu Hause bleiben, nicht benachteiligt werden,sondern ebenfalls gefördert werden. Das war ein festerund wichtiger Bestandteil der CSU-Politik.
Für die CSU geht Qualität vor Eile. Das gilt vor allemfür die Gesundheitsreform. Hier ist der öffentlicheDruck besonders groß, doch darf er uns nicht zu unüber-legten Entscheidungen zwingen, die wir alle dann als Pa-tienten und Beitragszahler bereuen würden.Der Finanzierungsfonds ist nicht ein Zweck an sichund gewiss auch nicht ein Grundstein für Kassensozia-lismus, wie das heute behauptet wurde; im Gegenteil, erist Mittel zum Zweck, nämlich für mehr Transparenz,mehr Wettbewerb und mehr Rationalisierung. WichtigscdtZmAursgd„ArtFBDesdRkendcsfwsdbhFSBD
Ziel bleibt: Es muss gewährleistet werden, dass derechnische Fortschritt im Gesundheitsbereich auch inukunft jedermann zugute kommt.Zweck all unserer Reformen und Haushaltsentwürfeuss letztlich die Sicherung und Schaffung vonrbeitsplätzen sein. Dazu müssen wir die Wirtschaftnd vor allem den Mittelstand ankurbeln. Dazu ist be-eits viel in Gang gesetzt, zum Beispiel das Gesetz zurteuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäfti-ung, zum Beispiel das Mittelstandsentlastungsgesetz,as in Arbeit ist, und das 6-Milliarden-Euro-ProgrammNeue Impulse für Innovation und Wachstum“.
uch das Handwerk wurde von uns durch die Einfüh-ung der steuerlichen Absetzbarkeit von Handwerksleis-ungen wieder einigermaßen aufs Gleis gesetzt.Deswegen finde ich es unfair und nicht korrekt, dassrau Künast – jetzt ist sie nicht mehr da – behauptet, derundeswirtschaftsminister würde hier zu wenig tun.
as alles sind ganz entscheidende Schritte, die in denrsten sieben Monaten aus diesem Haus gekommen sind.Der größte Treppenwitz ist, dass dem Bundeswirt-chaftsminister die hohen Strompreise angekreidet wer-en. Wenn von der grünen Politik in den sieben Jahrenot-Grün irgendetwas bleibt, dann ist es nicht die Dis-ussion um die Legehennenbatterien, sondern dann sinds die exorbitant gestiegenen Energiepreise; die habenämlich vor allem die Grünen zu vertreten.
Richtig ist, dass die große Koalition die Besteuerunger Unternehmen neu ordnet, damit Arbeitsplätze gesi-hert und geschaffen werden. Da möchte ich etwas an-prechen, was mir in der Debatte als etwas schräg aufge-allen ist. Es wird immer hin und her gerechnet, aufelchem Platz in Europa die Steuerbelastung der deut-chen Unternehmen steht. Der Kern des Problems istoch, dass wir mit einer massiven Abwanderung von Ar-eitsplätzen und Unternehmen ins Ausland zu kämpfenaben. Das hat eine ganze Reihe von Ursachen. Dieorm der Besteuerung ist eine Ursache. Es gibt einigetellschrauben, an denen wir nicht drehen wollen. Zumeispiel kommen für uns Dumpinglöhne nicht infrage.as ist für uns kein Weg.
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3574 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006
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Dr. Christian RuckDeswegen müssen wir einen anderen Weg finden. Derhat dann etwas mit steuerlicher Entlastung zu tun.Die CSU-Landesgruppe will Waffengleichheit fürKapitalgesellschaften und Personenunternehmen.
Wir wollen die Investitionskraft und die Standortbin-dung gerade der kleinen und mittleren Unternehmenstärken. Deswegen ist es für uns ganz wichtig, dass es zueiner vernünftigen Regelung bei der Erbschaftsteuerkommt, Frau Scheel. Da können wir über alles Vernünf-tige reden. Aber eine Regelung, die gerade provoziert,dass ausgelagert wird, bevor diese Regelung in Krafttritt, ist genau das falsche Rezept, um Arbeitplätze zu si-chern.Meine sehr verehrten Damen und Herren, unsere Na-tionalmannschaft – das haben wir heute schon gehört –arbeitet hart daran, die Weltmeisterschaft zu gewinnen.
Auch der Weltmeistertitel Deutschlands im Export istdas Ergebnis harter Arbeit. Wir müssen die Vorausset-zungen dafür erarbeiten, dass wir Spitze bleiben. DerExport ist der Motor unserer Wirtschaft; auch unsere so-ziale Balance im Innern hängt davon ab.
Wir leben vom Verkauf unseres international anerkann-ten Know-hows. Deswegen setzt auch die CSU auf einestarke, verbesserte Wettbewerbsfähigkeit des deutschenBildungs- und Ausbildungssystems.
Um unsere Position in der Weltwirtschaft abzusi-chern, müssen wir auch unsere Außenbeziehungen opti-mieren, verzahnen und nachhaltig gestalten. Dazu ist dieVerbesserung der transatlantischen Beziehungen ebensowichtig wie ein neuer Anlauf zur Schaffung eines poli-tisch handlungsfähigen Europas. Denn es wird immerdeutlicher, dass wir als Nationalstaat zwischen den gro-ßen ökonomischen und politischen Blöcken ohne einfunktionierendes Europa zerrieben würden.Wir benötigen als Deutschland eine gesicherte Ener-gie- und Rohstoffversorgung, ein faires Handelsregimeund breit angelegte strategische Partnerschaften mit ei-ner Vielzahl von Staaten, auch mit den neuen politischenund ökonomischen Kräften wie China, Indien, Mexikound Brasilien. Überall hier haben die Bundeskanzlerinund ihr Kabinett bereits entscheidende Akzente gesetzt.Allerdings verschärfen sich vielerorts in den Schwel-len- und Entwicklungsländern die Entwicklungspro-bleme. Sie gefährden langfristig auch Frieden und Wohl-stand in Deutschland und Europa. Deswegen ist dieRatio der Entwicklungspolitik als Teil unserer Außenbe-ziehungen nicht nur ein Element christlicher Solidaritätund Verantwortung, sondern liegt auch im Interesse un-serer eigenen Sicherheit und der Position Deutschlandsin der Welt.
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Wir brauchen bei den Reformprozessen nicht nurut, sondern auch Kompromissfähigkeit. Die Koalitionnd die Koalitionäre haben sich aus verschiedenen poli-ischen Richtungen aufeinander zubewegt und zusam-engefunden. Das ist oft ein schwieriger Prozess undeht, wie Sie sehen, nicht immer ohne Blessuren ab.
ber wir sind zum Erfolg entschlossen, zum Wohle un-eres Landes. Auch wir von der CSU, Herr Struck, wer-en uns da einbringen.Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Merkel für
ie SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebeolleginnen und Kollegen! Der Haushalt 2006, den wirn dieser Woche abschließend beraten, ordnet sich eindas kennen Sie jetzt schon – in den Dreiklang aus Sa-ieren, Reformieren und Investieren.
nter dieser Zielsetzung hat die Koalition aus SPD,DU und CSU ihre Arbeit angetreten. Der Haushalt isturch eine strikte Ausgabendisziplin geprägt. Er hat aberor allem ein Ziel: die Wachstumskräfte zu stärken undamit Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen.Die Beratungen des Haushalts 2006 wurden am. Juni im Haushaltsausschuss abgeschlossen. Dort fin-et übrigens die Kärrnerarbeit statt. Da werden ständig
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006 3575
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Petra Merkel
folgende Fragen gestellt: Sind die Ausgaben realistisch?Sind die Einnahmen richtig veranschlagt? Wo kann ge-spart werden? Welche Strukturen müssen verändert wer-den, damit weniger ausgegeben wird?Die globalen Minderausgaben in den Fachetats– das sind die pauschalen Einsparsummen, die jedesRessorts zu erbringen hat – konnten weitestgehend aufdie Einzelposten verteilt werden. Das war für viele Kol-leginnen und Kollegen eine unglaubliche Arbeit. Daswar anstrengend. Diese Arbeit ist – das können Sie sichvorstellen – nicht einfach.
Wir scheuen uns nicht vor internen Auseinanderset-zungen. Denn anders wäre es nicht dazu gekommen,dass wir die Ausgaben für die Öffentlichkeitsarbeit inallen Ressorts um insgesamt 10,2 Millionen Euro senkenwerden. Das entspricht ungefähr 10 Prozent der Gesamt-ausgaben für den Bereich Öffentlichkeitsarbeit.Wir halten auch an der pauschalen Stellenkürzungder letzten Jahre in den Bundesverwaltungen in Höhevon 1,5 Prozent fest. Das ist eine ziemlich großeSumme. Im Gegenteil: In diesem Jahr mussten wir dieseauf 1,6 Prozent erhöhen, weil wir die beschlossene Ar-beitszeitverlängerung umsetzen mussten.Allerdings stützt dieser Haushalt die politischenSchwerpunkte, mit denen Arbeitsplätze gesichert werdenund neue entstehen. So sind während der Haushaltsbera-tungen trotz der nötigen Einsparungen die Investitions-ausgaben mit 23,2 Milliarden Euro konstant geblieben.Wir starten mit dem Haushalt 2006 unser 25-Milliar-den-Investitionsprogramm, das durch circa 12 Milliar-den Euro aus den Ländern und Kommunen ergänzt wird,also circa 37 Milliarden Euro umfassen wird. Wir ver-sprechen uns von diesem Investitionsprogramm mehrArbeitsplätze und damit ein höheres Wirtschaftswachs-tum. Wir erwarten dadurch mehr Ausbildungsplätze. Wirwollen die Grundlage einer Existenz für die Jugendli-chen schaffen und das Handwerk stärken.
Zum Beispiel werden, beginnend im Jahre 2006,6 Milliarden Euro für die Förderung der Forschung be-reitgestellt. Insgesamt 9,4 Milliarden Euro werden zurFörderung des Mittelstands durch Impulsprogramme,wie zum Beispiel das CO2-Gebäudesanierungspro-gramm, eingestellt und hoffentlich die Baukonjunkturstärker bewegen. Das Solar- und das Wärmedämmpro-gramm für Hausfassaden wirken doppelt: Auf der eineSeite wirken sie energiesparend; auf der anderen Seitesetzen sie auf neue Techniken. 4,3 Milliarden Euro wer-den zusätzlich für Verkehrsinvestitionen ausgegeben und3 Milliarden Euro für die Vereinbarkeit von Familie undBeruf – das ist ein wichtiges Feld, wie Sie wissen – be-reitgestellt.Über den Haushalt versuchen wir bereits mit kurzfris-tigen Maßnahmen, das Wachstum zu stabilisieren. Wirverzichten im Haushalt 2006 bewusst auf weitergehendeEinschnitte in Sozialleistungen und Bundesinvestitionenund akzeptieren eine eigentlich immer noch zu hoheNgrnWggHsrwfsdFEausDsagddsm–MgtJm
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3576 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006
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Zum Austausch gehört die Sprache. Sprache, Spra-he, Sprache, immer wieder – zur Integration gehört dasanz notwendig dazu. Das müssen wir unterstützen, wieir alle wissen. Ich glaube aber, auch da muss man dasad nicht immer neu erfinden. Vor einigen Jahren habenie Firma McKinsey, das Bundesministerium für Bil-ung und Forschung und der Senat von Berlin einenSpracherwerbskoffer“ für Kindergärten entwickelt. Mithm kann man nicht erst mit Kindern im Kindergartenal-er, also in einem Alter ab drei Jahren, arbeiten, sondernchon viel früher, nämlich dann, wenn die Kinder anfan-en zu sprechen. Zielgruppe wären auch nicht nur dieinder mit einer anderen Sprache als Deutsch, sondernuch die deutschen. Wir stellen ja auch bei den deut-chen Kindern immer wieder fest, dass ihre Sprache im-er reduzierter wird und immer weniger in ihrer Vielfaltngewandt wird. Der Grundstein dazu wird in derrippe und in der Kita gelegt. Dieser Spracherwerbskof-er ist eine der Möglichkeiten, die wir nutzen könnennd die wir in den Gedankenaustausch mit einbringenönnen.
Die Bedingungen und Angebote für Integration müs-en definiert werden; das ist ganz klar. Es muss aberuch der Diskriminierung entgegengewirkt werden.ur Wahrnehmung neuer Aufgaben im Zusammenhangit dem Antidiskriminierungsgesetz sind die Personal-ittel im Bereich der Migrationsbeauftragten gegenüberem Vorjahr um 324 000 Euro erhöht worden.Wir erleben im Moment, wie sehr der Sport Men-chen verbindet. Das gilt aber auch für die Kultur. Derport wie die Kultur leisten tagtäglich Beiträge dazu,enschen in unserem Land zusammenzubringen. Häu-ig geschieht das unter Mitwirkung von sehr vielen Eh-enamtlichen. Sport und Kultur schaffen so Verständnis,chtung und ein gemeinsames Gefühl von Heimat unddentifikation. Damit schaffen sie die Grundlagen für In-egration und zugleich auch für Eigenständigkeit. Sportnd Kultur bauen Brücken untereinander und zu anderenändern.Sie haben sicherlich gemerkt, dass das meine Überlei-ung zu dem Haushalt des Beauftragten der Bundesregie-ung für Kultur und Medien, Herrn Bernd Neumann,ar.2006 beträgt der Haushalt für Kultur 914 Millionenuro. Daran hat die Kulturstiftung des Bundes mitortensia Völckers an der Spitze, die gerade wiederge-ählt worden ist, einen großen Anteil. Auch dort finden
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006 3577
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Petra Merkel
wir viele Projekte zur Integration als Brücke in andereeuropäische Länder. Ich nenne zum Beispiel das BüroKopernikus, das deutsch-polnische Kulturprojekte initi-iert. Übrigens wird Nikolaus Kopernikus sowohl vonden Polen als auch von den Deutschen gleichermaßenfür sich beansprucht. Ich nenne weiter das Projekt„Migration“, das etablierte Sichtweisen auf Migrationüberwinden will.Nach dem Koalitionsvertrag sind im Haushalt 2006zusätzliche Mittel für die Kulturförderung auf derGrundlage des Bundesvertriebenengesetzes in Höhe von1 Million Euro eingestellt worden.
Die finanzielle Unterstützung dient zur Wahrung der ei-genen kulturellen Wurzeln.
Sie können gleich weiterklatschen. Denn: Mit2 Millionen Euro wird die Ausstellung „Flucht, Vertrei-bung, Integration“ im Haus der Geschichte der Bundes-republik Deutschland gefördert,
die neben Bonn und Leipzig auch in Berlin gezeigt wird.Diese Ausstellung zeigt übrigens ganz deutlich, wie großdie Integrationsleistung in Deutschland nach dem Krieg,also in einer weitaus schwierigeren Zeit, gewesen ist.Auch der Bundesanteil zur Unterstützung der Wah-rung der Eigenständigkeit der Volksgruppe der Sorbenals nationale Minderheit wird in Höhe von 7,6 MillionenEuro bewilligt. Ein neues Finanzierungsabkommen zwi-schen den Ländern Brandenburg, Sachsen und demBund ist allerdings dringend notwendig.Ich weise gern auf Genshagen hin. Das Berlin-Bran-denburgische Institut für deutsch-französische Zusam-menarbeit in Europa ist zunehmend auch im Dialog mitPolen.
Auch das ist wichtig für den Brückenbau zwischenNachbarn.Nicht zuletzt die Medien bringen Menschen unter-schiedlicher Kulturen zueinander. Der neue Titel „Deut-scher Filmförderfonds“ mit 14,3 Millionen Euro setzt ei-nen kulturellen wie wirtschaftlichen Schwerpunkt. DieDeutsche Welle erhält circa 273 Millionen Euro. Sieträgt Informationen über Deutschland in viele Teile derWelt.
– Das stimmt.Ich komme noch einmal zurück auf den Kommentarvon Gerd Appenzeller:hshzdzdKRvSWMubaMkms1wamgssdHtr
Ich hoffe, dass die positive Stimmung, die hier imegierungsviertel unweit vom Parlament, aber auch anielen anderen Orten der Republik zu spüren ist, und daselbstwertgefühl auch in den Monaten nach der Fußball-M weiterwirken. Klinsmann hat gezeigt, dass einentalitätswechsel möglich ist.Ich will mich an dieser Stelle bei den Kolleginnennd Kollegen für die Beratung im Haushaltsausschussedanken. Ich spüre immer wieder, dass die Zusammen-rbeit gut funktioniert, auch wenn wir unterschiedlichereinung sind. Wenn das bei diesen Debatten herüber-ommt, dann kann es nicht schaden.Schönen Dank.
Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile,
öchte ich darauf hinweisen, dass die namentliche Ab-
timmung zum Einzelplan des Kanzleramtes in etwa
6 Minuten, also in einer guten Viertelstunde, stattfinden
ird. Das ist etwas früher, als wir zwischenzeitlich unter
nderem auch im Videotext angekündigt hatten. So
öchte ich auf diesem Wege die Kolleginnen und Kolle-
en, die nicht ohnehin schon hier sind, darauf aufmerk-
am machen, dass die namentliche Abstimmung in ab-
ehbarer Zeit aufgerufen wird.
Nun erteile ich dem Kollegen Wolfgang Börnsen für
ie CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Petra Merkel, Sie haben mit Art und Ausrich-ung Ihrer Rede genau das praktiziert, was Sie von ande-en gewünscht haben, nämlich eine positive Einstellung
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3578 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006
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Wolfgang Börnsen
zu vermitteln, ohne dabei die notwendige Differenzie-rung aus den Augen zu verlieren. Herzlichen Dank.
Mit dem Etat der Bundeskanzlerin entscheiden wirauch heute gewissermaßen über den hochkarätigen Edel-stein dieses Etats, nämlich die Kulturförderung.Deutschland hat eine der vitalsten Kulturszenen in derWelt.
Ob im Musiktheater, in der modernen Kunst, ob in derLiteratur bis hin zu Fernseh- und Filmproduktionen:Kreativ, kritisch, herausfordernd bis anmaßend präsen-tiert sich die Spitzenkultur in unserem Land. Kultur istgut für uns und Kultur tut gut.
Sie kostet zwar viel, aber Unkultur kostet noch vielmehr.
Es ist bemerkenswert um die Kulturnation Deutsch-land bestellt. Das gilt für die Qualität, das gilt auch fürdie Quantität: mehr als 110 000 Theater-, Opern- undMusicalaufführungen jährlich, mehr als 7 000 Konzerte,die von über 35 Millionen Menschen besucht werden,mehr als 6 500 Museen und Ausstellungshäuser mit über100 Millionen Besuchern. Die Bundesliga dagegenkommt gerade einmal auf 10 Millionen Zuschauer. Dakönnen Sie einmal sehen, welchen Stellenwert bei unsdie Kultur einnimmt.
Um im Bild dieser Tage zu bleiben: In einigen Kultur-bereichen sind wir sogar dabei, weltmeisterlich zu wer-den. Auf dem Weltkunstmarkt setzen wir erstklassigeAkzente. Deutsche Orchester bestimmen europaweit dieMaßstäbe in der Musik. Literatur aus unserem Land hateine internationale Reputation. Das Kulturland Deutsch-land zeigt Kraft und Kreativität.
Die Kultur ist dabei nicht nur ein Kostgänger desStaates. Sie ist zu einer beispielhaften Wachstumsbran-che geworden. Fast 800 000 Menschen arbeiten in Krea-tivberufen. Im Vergleich dazu: Die Automobilindustriebeschäftigt 620 000 Mitarbeiter. Innerhalb der letztenzehn Jahre ist die Anzahl der Kulturschaffenden bei unsum 31 Prozent gestiegen – ein jährliches Wachstum von3,4 Prozent! Jeder Zweite davon ist selbstständig. Kulturund Kunst haben sich zu einem Jobmotor gemausert. DieWertschöpfung im Kreativsektor betrug 2003 beacht-liche 35 Milliarden Euro – 5 Milliarden mehr, als dieEnergiebranche auf die Beine brachte. Kultur schafft Be-schäftigung!nnrAavoddAddWtWSSfkuMdtdnlkKJtsgSNfmwBsfGn
Das von manchen Kulturkritikern verbreitete Bild ei-es nur muffigen, kleinkarierten Landes stimmt objektivicht. Deutschland ist wieder, besonders im Kulturbe-eich, zu einem Land der Ideen geworden. Die meistennmeldungen beim Europäischen Patentamt kommenus der Bundesrepublik. Solche Erfolge kommen nichton ungefähr. Sie sind das Resultat einer an Freiheitrientierten Kulturpolitik des Bundes, der Länder under Kommunen. Hier ist ein kreativer Bodensatz entstan-en, der schöpferische Kräfte freisetzt und zu einemufbruch in der Gesellschaft führt. Glücklicherweiseiktiert nicht die Nützlichkeit maßgeblich die Kulturför-erung, sondern das Wissen um ihre identitätsstiftendeirkung. Kulturelle Bildung schafft Toleranzkompe-enz. Sie ist das Salz im Flechtwerk der Demokratie.
ir verstehen Kunst und Kultur nicht als Dekoration.ie sind existenzieller Teil unseres Staatsverständnisses.Im Einigungsvertrag nimmt dieser Gedanke einechlüsselfunktion ein. Heute, 15 Jahre später, lässt sicheststellen: Kunst und Kultur haben durch die Wirkungs-räfte der Wiedervereinigung einen dynamischen Schubnd neue schöpferische Kraft bekommen.
it ihren Finanzbeiträgen für die Kultur haben alle Bun-esregierungen diesen Prozess von Anfang an konstruk-iv und verlässlich begleitet. Fast 1 Milliarde Euro fürie Bundeskultur sind zu einer festen Größe geworden.Fast auf den Tag genau 15 Jahre nach dem hauchdün-en Hauptstadtbeschluss zugunsten Berlins lässt sich be-egen: Unser Kulturstaat ist in seiner Hauptstadt er-ennbar und erlebbar. Berlin ist zu einem erstklassigenulturschaufenster geworden.
eder zweite Euro für die Bundeskultur wird hier inves-iert. Ob allerdings alle Investitionen der Erfüllung ge-amtstaatlicher Aufgaben entsprechen, ist von den Mit-liedern des Haushaltsausschusses kritisch zu prüfen,teffen Kampeter.
Auf jeden Fall praktiziert Staatsminister Berndeumann mit Professionalität und Pragmatismus Kultur-örderung in der Kontinuität seiner Vorgänger. Für je-anden, der bedingt durch die vorgezogene Bundestags-ahl fast ein Dutzend kultur- und geschichtspolitischeaustellen aus dem Stand hat übernehmen müssen, sindeine bisherigen Erfolge anerkennenswert. Das gilt auchür die Erhöhung der Mittel des Kulturhaushalts.
Die Bundeskanzlerin hat zutreffend von einer zweitenründerzeit in der Kultur gesprochen und damit nichtur die neuen Medien gemeint. Die eindrucksvolle, wür-
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006 3579
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Wolfgang Börnsen
dige Eröffnung des Deutschen Historischen Museumsist ein Beispiel dafür. Geschichte als Mahnung, als Sinn-stiftung, aber auch als Aufforderung zur Mitgestaltungan einer weltoffenen Demokratie der Partizipation!
Für eine solch sachgerechte Ausrichtung wäre zu for-dern, dass im Rahmen der Föderalismusreform fürArt. 23 eine Formulierung gefunden wird, die unseremföderalen Staat in Brüssel eine einheitliche gesamtstaatli-che Interessenwahrnehmung garantiert. Außerdem – dasgilt auch für die EU – müssen wir uns einer Initiative an-schließen, die unser Parlamentspräsident angestoßen hat,nämlich Deutsch als dritte Amtssprache aus den Brüsse-ler Verhandlungen nicht auszuklammern.
Wer diesem Anspruch gerecht werden will, der mussauch dafür sorgen, dass die Förderung der Sprachkom-petenz eine der Kernaufgaben der Kulturpolitik bleibtund im Land praktiziert wird – das ist auch wichtig fürunsere Außendarstellung –; denn Sprache schafft Identi-tät und öffnet erst die Tür zur Integration.Ich komme zum Ende.
Ja, bitte.
Das Bildungswesen in Deutschland, das auf dem Weg
zur flächendeckenden Ganztagsschule ist, braucht ein
Bündnis mit der Breitenkultur. Die Breitenkultur ist ne-
ben der Spitzenkultur einer der kreativsten und beacht-
lichsten Bereiche in unserer Demokratie. 7 Millionen
Menschen sind in diesem Bereich ehrenamtlich tätig. Sie
sollten in einer Kulturdebatte ebenso Anerkennung und
Unterstützung finden wie die Spitzenkultur.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat nun die Kollegin Monika Griefahn von
der SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-nen und Kollegen! Ich war in der letzten Woche bei einerbemerkenswerten Veranstaltung. Es wurden drei Jubi-läen gleichzeitig gefeiert: erstens das 30-jährige Jubi-läum der Kulturpolitischen Gesellschaft, zweitens das35-jährige Jubiläum der Fabrik, einem Kulturzentrum inHamburg, und drittens das 30-jährige Jubiläum vonMOTTE, einem Kulturzentrum, das stadtteilbezogeneKultur- und Sozialarbeit macht.Alle drei verkörpern das, was uns wichtig ist, nämlichKultur für alle und Kultur so zu gestalten, dass alle teil-nehmen können, wobei sie dort abgeholt werden, wo siesind. Wir hatten in unserem Wahlprogramm die Losung:KiImKZMssdAsbRsddudlMPigdtiansögPdtlwmmttbdpAAekhwIw
ch glaube, wenn wir das mit unserer Politik deutlichachen können, dann haben wir viel erreicht.Wir haben dafür verschiedene Einrichtungen. Dieulturstiftung des Bundes erreicht 2006 erstmals dieielförderhöhe von 38 Millionen Euro. Das ist eineenge Geld. Das Wichtige daran ist, dass wir gemein-ame Projekte mit anderen Ländern, aber auch gemein-ame Projekte in den Kommunen und in den Bundeslän-ern machen können. Das ist die größte Stiftung ihrerrt in Europa, mit der sehr innovative Programme ge-taltet und Projekte unterstützt werden können. So wirdeispielsweise mit der Kulturstiftung der Länder dieestaurierung mobiler Objekte finanziert, wodurch sehreltene Handwerksberufe wieder belebt werden können,ie sonst aussterben würden. Das ist ganz wichtig; dennamit unterstützen wir den Erhalt von Arbeitsplätzennd sorgen dafür, dass Know-how erhalten bleibt.
Wir haben bei der schrittweisen Sanierung eines be-eutenden Weltkulturerbes, der Museumsinsel in Ber-in, dieses Know-how benötigt. Man sieht, dass dieenschen die Museumsinsel annehmen und diese einublikumsmagnet ist. Allein an dem einen Wochenendem letzten Jahr, an dem das Bode-Museum probeweiseeöffnet war, kamen 25 000 Besucher. Daran sieht man,ass sich die Leute informieren wollen und dass sie Kul-ur wollen. Kultur gehört zur Grundausstattung und siest ein Lebensmittel. Deswegen ist Geld, das für Kulturusgegeben wird, kein verschenktes Geld, sondern eineotwendige Investition, die gleichzeitig Arbeitsplätzechafft. Wir freuen uns, dass 2009 das Neue Museum er-ffnet werden kann. Das Geld dafür ist wirklich gut ein-esetzt.Nicht nur Berlin kommt die Tätigkeit der Stiftungreußischer Kulturbesitz zugute. Im Rahmen des fö-eralen Programms arbeitet die Stiftung auch mit Institu-ionen der Länder zusammen, um hochwertige Ausstel-ungen zu realisieren. Deswegen glauben wir, dass esichtig ist, dass es dem Bund auch nach der Föderalis-usreform weiterhin möglich ist, Kultur zu fördern undit den Ländern und den Kommunen zusammenzuarbei-en, genauso wie es mit anderen Ländern in der interna-ionalen Politik möglich ist.Die internationale Politik macht sich vor Ort bemerk-ar. Ich verweise auf das Haus der Kulturen der Welt,as nur 500 Meter von hier entfernt ist und ein Treff-unkt für viele Nationen ist. Zurzeit gibt es eine tolleusstellung über die brasilianische Kulturrevolution.uch dieses Haus wird jetzt mit Mitteln bedacht, damits renoviert werden und weiterhin ein Treffpunkt seinann. Damit kann das, was Frau Merkel im Zusammen-ang mit der Fußballweltmeisterschaft dargestellt hat,eitergehen, nämlich der Spirit des Gemeinsamen, desnternationalen, des Offenen. Deswegen ist es gut, dassir das fördern können.
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Frau Kollegin Griefahn, darf ich Sie einen Moment
unterbrechen? – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich
bitte, der Rednerin Gehör zu schenken und insbesondere
in der Mitte des Saales die Privatgespräche einzustellen.
Damit schlage ich eine Brücke vom Haushalt der
Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes zu dem
Haushalt, den wir als nächsten diskutieren werden, dem
des Auswärtigen Amts; denn die auswärtige Kultur- und
Bildungspolitik wird aus beiden Haushalten finanziert.
Ein wichtiger Bereich, der im Ressort von Herrn
Neumann angesiedelt ist, ist die Deutsche Welle. Ich bin
sehr froh, dass wir die Deutsche Welle stabilisieren
konnten und Herr Neumann angekündigt hat, sich in den
kommenden Haushaltsverhandlungen weiter für ange-
messene Mittel einzusetzen. Ich glaube, wir können im
Lande nicht einschätzen, welche Bedeutung die Deut-
sche Welle hat. Sie erreicht 90 Millionen Bürger welt-
weit.
In vielen Ländern der Welt, in denen es sonst keine In-
formationen gibt, hat sie die Funktion, Informationen zu
verbreiten. Sie hat einen Etat, der kleiner als der des
WDR ist. Wir sollten also nicht darüber diskutieren, ob
das zu viel Geld ist. Die Finanzierung muss weitergehen;
denn wir brauchen den Kontakt zu den Bürgern. Ich
freue mich, dass wir jetzt zum Beispiel das arabische
Programm haben, das noch ausgeweitet wird, dass wir
den Afghanen geholfen haben und dass das spanische
Programm weitergeht, was ebenfalls sehr kontrovers dis-
kutiert worden ist.
Zu weiteren Punkten der auswärtigen Kultur- und Bil-
dungspolitik werden meine Kollegen Lothar Mark und
Gert Weisskirchen etwas sagen.
Ein zentraler Punkt betrifft die Kulturpolitik insge-
samt: Wir müssen die Budgetierung vorantreiben. Das
gilt besonders für die Goethe-Institute, aber auch für
andere Einrichtungen, zum Beispiel den DAAD. Die
Mittel müssen flexibler einsetzbar sein, damit wir in die-
sen Bereichen weiterkommen.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem
Kollegen Hans-Joachim Otto von der FDP-Fraktion.
Liebe Frau Kollegin Griefahn, lieber Herr Kollege
Börnsen, Sie haben in gewohnter Weise sehr schöne
Worte für die Kultur und den Kulturhaushalt gefunden.
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ie waren so schön, dass ich fast geneigt gewesen wäre,
hnen zuzustimmen.
Ein Thema haben Sie aber sehr konsequent ausgespart
ich stelle fest, dass während der gesamten Haushaltsde-
atte kein einziges Wort darauf verwendet wurde –: Die
undeskanzlerin hat vorhin angekündigt, dass die Föde-
alismusreform bis zur Sommerpause durchgepeitscht
nd vom Bundestag endgültig beschlossen werden soll.
ie Konsequenzen aber, die dieses Reformwerk für die
ukünftige Kulturfinanzierung hat, sind bisher von kei-
em Redner angesprochen worden.
Sie haben mehrfach über die Kulturstiftung des Bun-
es gesprochen. Wir müssen ernsthafte Zweifel haben,
b die Kulturstiftung des Bundes angesichts des vorge-
ehenen Art. 104 b des Grundgesetzes überhaupt noch
ulässig ist, ob sie überhaupt noch weiterhin fördern
ann.
Bei den Rednerinnen und Rednern der Koalition ver-
isse ich Folgendes: Alle Kulturpolitiker haben es in
en vergangenen Wochen und Monaten versäumt, auf
ie Gefahren, Risiken und Fragen hinzuweisen, die der
ulturfinanzierung durch dieses Reformwerk in Zukunft
rohen. Die vorgesehene Änderung des Grundgesetzes
edeutet, dass es dort, wo die Länder die ausschließliche
esetzgebungszuständigkeit haben, zum Beispiel im Be-
eich der Kultur, keine Kooperation von Bund und Län-
ern mehr geben darf.
Ich halte es, gelinde gesagt, für unklug, dass die Kol-
eginnen und Kollegen von der großen Koalition hier
ehre Worte finden, obwohl in der nächsten Woche die-
er große Einschnitt in die Kulturpolitik droht. Das muss
ngesichts der Haushaltsberatungen heute mit einem
ort erwähnt werden. Hier droht Schaden für die deut-
che Kultur.
Frau Griefahn zur Erwiderung, bitte.
Erstens bin ich auf die Föderalismusreform eingegan-en. Ich habe gesagt, dass der Bund weiterhin die Mög-ichkeit haben muss, mit den Ländern und Kommunengenauso wie auf internationaler Ebene – Kulturpolitiku machen. Dafür setzen wir uns ein.
Zweitens. Der Kollege Börnsen ist darauf eingegan-en, dass wir auch auf europäischer Ebene die Vertre-ungsregelung diskutieren und schauen, wie wir das bes-er regeln können. Diese Sache müssen wir natürlich miten Ländern abstimmen. Dazu können Sie in den Län-ern, in denen Sie mitregieren, beitragen.
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Monika GriefahnFür uns ist das ein sehr wichtiges Ziel. Daran arbeitenwir – das haben wir auch immer deutlich gemacht –,auch als Kulturpolitiker.
Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt
erteile ich das Wort dem Kollegen Jörg Tauss von der
SPD-Fraktion.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich bin sehr froh,dass es im Rahmen der Beratungen des Kanzleretatsmöglich ist, auf den Etat für Kultur und Medien einzuge-hen. Wie wir gehört haben, ist es zwar ein kleiner, aberwesentlicher Bereich des Etats. Er ist der kleinste imBundeshaushalt; darum ist er besonders sensibel.Lieber Kollege Otto, uns Kultur- und Medienpoliti-kern ist es in einem schwierigen finanzpolitischen Um-feld gelungen, den Etat des Beauftragten der Bundesre-gierung für Kultur und Medien weiter zu steigern, undzwar auf 914 Millionen Euro. Im Vorjahr waren es907 Millionen Euro.In Verbindung mit den anderen Punkten mit Blick aufStellenkürzungen, die meine Kollegin Griefahn ange-sprochen hat, werden wir sicherlich noch viel zu tun ha-ben. 1,6 Prozent Stellenkürzungen in einem 10 000-Per-sonen-Ministerium sind natürlich etwas anderes als1,6 Prozent Stellenkürzungen in einem kleinen Goethe-Institut irgendwo vor Ort. Deswegen müssen wir uns umdiese Fragen kümmern.Über die auswärtige Kulturpolitik wird nachher nochgesprochen. Ich glaube, ihre Bedeutung muss noch ein-mal deutlich zum Ausdruck gebracht werden. Gerade dieheute so viel bemühte Fußballweltmeisterschaft ist eineChance, über das, was wir jetzt im sportlichen Bereicherleben, hinaus, nämlich im Bereich der auswärtigenKulturpolitik, auch weiterhin für unser Land Akzente zusetzen und für unser Land zu werben.
Ich gehe in Fußballstadien. Ich bin selbstverständlichMitglied beim KSC. Aber es gehen immer noch mehrMenschen in Museen und Theater als in Fußballstadien.Deswegen müssen wir den Sport und die Kultur in denMittelpunkt unserer Betrachtungen stellen.
Ein wichtiger Bereich der Kulturförderung ist dieFilmförderung. Es gibt gerade einen sehr schönen Filmin Deutschland: „Das Leben der anderen“. Der Film istwirtschaftlich erfolgreich, aber darüber hinaus ein her-vorragender kultureller Beitrag zu einem Thema, das unsnach der deutschen Einheit bewegt, nämlich die Bewälti-gung dessen, was der Stasiapparat und andere auch imkulturellen Bereich in diesem Lande angerichtet haben.Es wäre ganz gut, wenn die Freunde von der PDS gele-gentlich auch zu diesem Thema etwas sagen könnten.
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3582 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006
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Da meine Redezeit gleich abgelaufen ist, möchte ichfolgende Schlussbemerkung machen: Unsere Fraktionist sich mit Peter Struck völlig einig: Über ein Koopera-tionsverbot muss diskutiert werden dürfen.
Liebe Frau Bundeskanzlerin, es macht keinen Sinn, imGrundgesetz vorzuschreiben, dass im Hinblick auf dieZukunftsthemen Bildung, Wissenschaft und Forschungkeine Kooperation staatlicher Ebenen möglich sein darf.Das wäre Unfug. Meine Bitte an Sie ist, den Fraktions-vorsitzenden der SPD, die SPD-Fraktion, die vielen Ver-nünftigen in den Reihen der Union, der FDP, der Grünenund teilweise sogar der Linken hier zu unterstützen.Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
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Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 580;
davon
ja: 425
nein: 155
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Albach
Peter Altmaier
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Clemens Binninger
Carl-Eduard von Bismarck
Renate Blank
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
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änder nicht wollen, dassständig ist. Aber ich willdarüber diskutieren kön-rer misslingenden Schul-Er muss nämlich Milliar-EzdrgmFsgdstWir kommen zur Abinzelplan 04 in der Ausschuwei Änderungsanträge der Fraie wir zuerst abstimmen. Weungsantrag auf Drucksache 16egen? – Wer enthält sich? –it den Stimmen aller Fraktioraktion Die Linke abgelehnt.Wir kommen zum Änderache 16/1892. Wer stimmt daen? – Wer enthält sich? – Derem gleichen StimmenverhältnWir stimmen jetzt über den Echussfassung ab. Es ist namenragt worden.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006 3583
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsHans-Joachim FuchtelDr. Peter GauweilerDr. Jürgen GehbNorbert GeisEberhard GiengerMichael GlosRalf GöbelDr. Reinhard GöhnerJosef GöppelDr. Wolfgang GötzerUte GranoldReinhard GrindelHermann GröheMichael Grosse-BrömerMarkus GrübelManfred GrundMonika GrüttersKarl-Theodor Freiherr zuGuttenbergOlav GuttingHolger HaibachGerda HasselfeldtUrsula HeinenUda Carmen Freia HellerMichael HennrichBernd HeynemannErnst HinskenPeter HintzeRobert HochbaumKlaus HofbauerFranz-Josef HolzenkampAnette HübingerHubert HüppeDr. Peter JahrDr. Hans-Heinrich JordanAndreas Jung
Dr. Franz Josef JungBartholomäus KalbHans-Werner KammerSteffen KampeterAlois KarlBernhard Kaster
Volker KauderEckart von KlaedenJürgen KlimkeJulia KlöcknerJens KoeppenKristina Köhler
Manfred KolbeNorbert KönigshofenDr. Rolf KoschorrekHartmut KoschykThomas KossendeyMichael KretschmerGunther KrichbaumDr. Günter KringsDr. Martina KrogmannJohann-HenrichKrummacherDr. Hermann KuesAndreas G. LämmelDr. Norbert LammertKatharina LandgrafDr. Max LehmerPaul LehriederIngbert LiebingEDPDSWDDFLMHPDMCSBDHBHMDFEHRDUDSBRRDTDPEKKDFJKDDAPAHDHDDKNGBCAInDDBUduard Lintnerr. Klaus W. Lippoldatricia Lipsr. Michael Luthertephan Mayer
olfgang Meckelburgr. Michael Meisterr. Angela Merkelriedrich Merzaurenz Meyer
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Die FDP hat die Außenpolitik der Bundeskanzlerinnd der Bundesregierung in den letzten Wochen oft ge-ug gelobt, Frau Kollegin. Wir bleiben dabei: Es war gutnd richtig, dass Frau Merkel Neujustierungen vorge-ommen hat. Die deutsche Außenpolitik musste nachieben Jahren Rot-Grün dringend wieder auf Kurs ge-racht werden. Wir sind froh, dass erste Ansätze sichtbarerden.
Ein Beispiel ist die Russlandpolitik. Herr Schröderar aus lauter Freundschaft zu Präsident Putin vollkom-en unkritisch geworden. Seine Betriebsblindheit ge-enüber Russland hat ihn inzwischen sogar dazu ge-racht, ganz unmittelbar in einen Betrieb des Kremlinzusteigen.
ch finde, dieses Vorgehen ist schlicht schamlos.
Frau Merkel dagegen hat bei ihrem Moskaubesuchezeigt, Herr Kollege Tauss, dass man ein gutes Arbeits-erhältnis mit dem russischen Präsidenten durchaus mitirekter und indirekter Kritik am leider rückläufigenransformationsprozess in Russland verbinden kann.as Zusammentreffen mit Vertretern der russischen Zi-ilgesellschaft war geschickt und wirkt in Russland biseute nach. Es ist ein ermutigendes und positives Zei-hen; denn diese Zivilgesellschaft ist Russlands Zukunft.etzt bleibt nur zu hoffen, dass dies nicht nur der erstelan war, sondern dass es in der Substanz bei dieserolitik bleibt. Dazu fordert die FDP Sie auf.
eim G-8-Gipfel in Sankt Petersburg gibt es die Gele-
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Birgit Homburgernerzeit als Zusammenschluss der industrialisierten De-mokratien gegründet worden. Genau deshalb ist es sowichtig, den G-8-Gipfel in Russland auch dazu zu nut-zen, gemeinsam mit den Partnern gegenüber dem russi-schen Präsidenten und auch der russischen Zivilgesell-schaft deutlich zu machen, dass wir mit Sorge sehen,dass Russland den Weg der Demokratie und Rechtstaat-lichkeit verlassen hat.
Ich finde, wir sollten Russland nicht nur auffordern,sondern anlässlich des G-8-Gipfels von Russland auchdeutlich einfordern, Herr Bundesaußenminister, auf denWeg zur Transformation zurückzukehren. Das ist vor al-len Dingen auch deshalb so entscheidend, weil die klei-nen und mittleren Länder in der EU auf Deutschlandschauen. Eine klare Haltung Deutschlands ist entschei-dend für die Haltung Europas.Hinzu kommt, dass Deutschland zum 1. Januar nächs-ten Jahres die Präsidentschaft in der EU übernimmt. Dasheißt, die Blicke sind schon heute besonders auf dieBundeskanzlerin gerichtet. Es gibt hohe Erwartungen anDeutschland. Deshalb fordern wir, dass Deutschland inenger Abstimmung mit Finnland eine konsistente, an de-mokratischen Grundsätzen und Menschenrechten orien-tierte Russlandpolitik betreibt.
Frau Merkel ist auch in den USA sehr positiv aufge-nommen worden, und zwar trotz ihrer Kritik an Guanta-namo. Das zeigt vor allem eines: Amerika ist und bleibteine offene Gesellschaft. Die Amerikaner wissen sehrgenau, dass man einzelne Aspekte der Politik ihres Prä-sidenten kritisieren kann. Sie tun das selbst zur Genüge.Aber man sollte das in Deutschland nicht innenpolitischinstrumentalisieren und die transatlantische Freund-schaft nicht riskieren. Deshalb ist es so wichtig, dass dietransatlantischen Beziehungen wieder in Ordnung ge-bracht werden. Wir als FDP sind froh, dass wir hierbeiauf einem guten Weg sind.
Wir hoffen, Herr Bundesaußenminister, dass Sie dieseLinie übernehmen. In den ersten Monaten waren Sie javor allem mit dem Versuch beschäftigt, das Erbe Schröderszu retten, während Frau Merkel Außenpolitik gemachthat. Wir fordern die Übernahme der Politik, die FrauMerkel eingeleitet hat, und damit nicht mehr und nichtweniger als die Rückkehr zu einer werteorientierten Au-ßenpolitik, die unter Rot-Grün völlig vernachlässigtwurde.
Die FDP unterstützt nicht nur diesen Kurswechsel,sondern auch die Politik der Bundesregierung in den ak-tuellen Brennpunkten der Außenpolitik, beispielsweiseder Irankrise.
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eil sich ein militärisches Engagement im derzeitigenmfang sicherlich nicht über Jahrzehnte aufrechterhal-en lässt. So wichtig und richtig die Durchführung freierahlen war, so notwendig ist auch die Unterstützungon Präsident Karzai. Wir müssen uns aber über eines imlaren sein: Afghanistan ist nicht nur Kabul und Karzaist nicht Afghanistan. Wir brauchen neben der militäri-chen Konzeption mit den PRTs dringend ein politischesonzept, das diesem Land auch eine wirtschaftliche Per-pektive eröffnet; denn die UNO hat im Jahr 2005 fest-estellt, dass die Hälfte des afghanischen Bruttoinlands-rodukts im Drogenhandel erwirtschaftet wird. Esedarf also eines politischen Konzeptes und hier sindie, Herr Bundesaußenminister, aus unserer Sicht in be-onderem Maße gefordert.
Abschließend möchte ich noch etwas zum Kongoein-atz sagen, über den wir hier ja bereits diskutiert haben:s ist ein außenpolitischer Fehler – der erste der Bundes-anzlerin und dieser Bundesregierung –, Soldaten inine solche unsichere Mission zu schicken. Wir Liberaleppellieren an die Bundesregierung sowie an die Kolle-en von der Koalition, künftig Auslandseinsätze derundeswehr nur als letztes Mittel zu beschließen. Wirordern eine überzeugende, multilateral abgestimmtend zeitlich absehbare Rahmenkonzeption. Wir wollenor allen Dingen ein politisches Gesamtkonzept für dietabilisierung eines Landes nach einem Einsatz. Ein sol-hes Konzept beinhaltet auch das nun vorgelegte Weiß-
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Birgit Homburgerbuch nicht. Das sollte Sie, Herr BundesaußenministerSteinmeier, ganz besonders interessieren; denn schließ-lich ist dieses Dokument dann eine außenpolitischeGrundlage. Wir hoffen, dass Sie sich einschalten und aufeine intensive Überarbeitung dieses Weißbuchs drängen.In der jetzigen Fassung findet das Weißbuch jedenfallsnicht unsere Zustimmung.Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition,wer Bundeswehreinsätze zunehmend als Politikersatz inder Außenpolitik missbraucht, versündigt sich nicht nuran unseren Soldaten und deren Angehörigen, sondernbeschädigt auch massiv das Ansehen unseres Landes.Hier besteht Handlungsbedarf. Wir erwarten, dass Siedarüber öffentlich und im Parlament diskutieren.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Lothar Mark von der
SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!Liebe Kollegen! Ich möchte darauf aufmerksam ma-chen, dass die FDP mit dieser Rede die Beratungen überden Haushalt des Auswärtigen Amtes eröffnet hat.Trotzdem möchte ich kurz auf ein paar Punkte eingehen.Es wurde gesagt, dass das Auswärtige Amt auf Kurs ge-bracht werden müsse. Das bedeutet, dass die Friedens-politik, die wir die ganze Zeit betrieben haben, seitensder FDP infrage gestellt wird. Oder wie ist das zu inter-pretieren? Genauso verhält es sich, wenn gesagt wird,eine werteorientierte Außenpolitik sei vernachlässigtworden. Ich weise das ganz entschieden zurück;
denn das ist eine Unterstellung, die weder die alte Bun-desregierung noch die neue Bundesregierung verdienthaben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, DeutschlandsVerantwortung in der internationalen Politik ist in denvergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen. Erstkürzlich wurde Deutschland mit der höchsten Stim-menzahl in den neuen UN-Menschenrechtsrat gewählt,was als Zeichen der Anerkennung für eine berechenbareund ausgewogene Linie Deutschlands in der inter-nationalen Menschenrechtspolitik zu verstehen ist, FrauHomburger.
Im ersten Halbjahr 2007 werden wir – wie bereits er-wähnt – die EU-Präsidentschaft sowie ganzjährig denVorsitz der G 8 mit Ausrichtung des G-8-Gipfels über-nehmen, was neue Herausforderungen an uns alle stellenwird. Vor dem Hintergrund, dass der islamistische TerrorivgdsdsAg2DpVz7UtdwpDh–wgzzJwvgj5FeFbMndaDfdgd
ie der Auswärtige Ausschuss mit seinem Beschlussom 5. April 2006 für das Haushaltsjahr 2007 bereits an-emahnt hatte.Der Ansatz für humanitäre Hilfe konnte in den dies-ährigen Haushaltsberatungen erstmals substanziell, auf0 Millionen Euro, angehoben werden und in derinanzplanung verstetigt werden. Ich glaube, dass diesin großer Erfolg ist.Mit meinem Berichterstatterkollegen Herbertrankenhauser habe ich dafür gesorgt, dass der Ansatzeim Titel „Demokratisierungs- und Ausstattungshilfe,inenbeseitigungsprogramme, Unterstützung von Maß-ahmen zur Förderung der Menschenrechte“ gegenüberem Regierungsentwurf eine Erhöhung um 504 000 Eurouf fast 19 Millionen Euro erfährt.
ie zusätzlichen Mittel sollen zur Verstärkung der lau-enden Minenbeseitigungsprogramme dienen.Allerdings muss hier auch angemerkt werden, dassas Ottawa-Abkommen, mit dem Antipersonenmineneächtet werden, intensiver verfolgt werden muss undass nicht weiter Antipersonenminen produziert, ver-
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Lothar Markkauft und zum Schluss verlegt werden dürfen. Produk-tion und Vertrieb sind grundsätzlich einzustellen und zuächten.
Wir sollten die Länder, die in der Vergangenheit solcheMinen produziert und vertrieben haben, verstärkt heran-ziehen, wenn es um die Beseitigung dieser Minen geht.Zum Thema Ausstattungshilfe gestatten Sie mir einpaar Sätze. Wir hatten die Gelegenheit, die Ausstat-tungshilfe in Tansania zu besichtigen. Da ist uns klar ge-worden, welch segensreiche Arbeit geleistet wird. Mitdieser Ausstattungshilfe werden zum Beispiel Kranken-häuser finanziert, wird das Gesundheitswesen in Tansa-nia aufgebaut, allerdings unter Oberaufsicht der dortigenArmee. Aber wenn man um die Strukturen in diesenLändern weiß, wird man sehr schnell erkennen, dass esleider keinen anderen Akteur gibt, der in der Lage ist, si-cherzustellen, dass dies auf Dauer funktioniert.Wichtig scheint mir noch zu sein, den StabilitätspaktAfghanistan und den Stabilitätspakt Südosteuropa zu er-wähnen. Diese beiden Pakte sind mit 30 Millionen Euroausgestattet, derzeit beim BMZ etatisiert. Sie laufen indiesem Jahr aus. Ich bitte darum – und das habe ich demBundesfinanzminister bereits mitgeteilt –, dass dieseMittel auch in Zukunft bereitgestellt und beim AA etati-siert werden, weil hier auch die politische Fachverant-wortung liegt. Ich bitte darum, dass im Sinne von Haus-haltsklarheit und Haushaltswahrheit so verfahren wird.
Ich möchte einige Anmerkungen zur internationalenPolitik insgesamt machen, bevor ich auf die auswärtigeKulturpolitik eingehe. Ich habe mit sehr großer Freudezur Kenntnis genommen, dass unser AußenministerDr. Steinmeier auch eine Weichenstellung in RichtungLateinamerika vorgenommen hat. Er hat dies mit einerAuslandsreise wenige Monate nach seinem Amtsantrittdokumentiert. Ich denke, hiermit wird signalisiert, dasswir diesen Bereich stärker beobachten müssen. InLateinamerika gehen fundamentale Änderungen vorsich, die wir verfolgen müssen, wenn wir die Märktedort nicht verlieren wollen.Der Mercosur spielt in Zukunft eine große Rolle. Des-halb bitte ich, auch die Kontakte in Richtung Venezuelazu überprüfen. Ich habe bei meinem Besuch festgestellt,dass Italien, Spanien und Frankreich sehr intensiveWirtschaftskontakte und auch Regierungskontakte mitVenezuela pflegen und dort sehr stark ins Geschäft kom-men.
Ich denke, dass wir darüber verstärkt nachdenken müs-sen.Ich möchte einige kleine Hinweise geben, die viel-leicht Beachtung finden können: Es stellt sich die Frage,wieso ein Militärattaché in Lima, aber nicht in Caracasist und wieso aus dem prosperierenden Land Panama derWsdlKmarbedAFeKmdzzsawvrmnmdirstDdSbgm7pIBgpZÜ–Ztm
uch hier wird daran gearbeitet, eine Trendwende in derörderung der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitikinzuleiten.Nach den parlamentarischen Beratungen kann dasapitel „Pflege kultureller Beziehungen zum Ausland“it einem Volumen von 548 Millionen Euro im laufen-en Jahr einen leichten Zuwachs gegenüber 2005 ver-eichnen.Die Haushaltslage des Goethe-Instituts gibt Anlassur Sorge. Die Geschäftsführung ist deshalb gebeten, bispätestens Herbst 2006 ein Sanierungskonzept zu er-rbeiten, bei dem es nicht nur darum gehen kann, be-ährte Einrichtungen im alten Europa zu schließen, wieielfach in den Medien berichtet wurde. Effizienzsteige-ung durch Bündelung der Kräfte, Vernetzung und ge-einsame Unterbringung mehrerer Mittlerorganisatio-en vor Ort sind hier genauso gefragt wie Kooperationenit dem Institut Français, dem Instituto Cervantes undem British Council. Ich begrüße außerordentlich, dassn diesem Jahr in Abu Dhabi ein Goethe-Institut einge-ichtet wurde, das sich mit dem Deutschen Akademi-chen Austauschdienst und der GTZ die Räumlichkeiteneilt, um damit gegenseitig Synergieeffekte zu nutzen.ie Emirate sind inzwischen Deutschlands größter Han-elspartner in der Region. Die Nachfrage nach deutscherprache kann kaum befriedigt werden.Im Zuge der parlamentarischen Beratungen wurdeeim Goethe-Institut eine Umschichtung von Pro-rammmitteln zur institutionellen Förderung vorgenom-en, damit die Zentrale die Deckungslücke von rundMillionen Euro in diesem Jahr schließen kann; prinzi-iell sollen aber die Projektmittel verstärkt werden.Wir hatten für diesen Haushalt bereits das Pilotprojekttalien des Goethe-Instituts beschlossen, das die gesamteudgetierung für Goethe in Italien beinhaltet. Ich be-rüße, dass mit dem neuen Haushalt die Erprobungs-hase auf die Regionen Nordamerika, Osteuropa undentralasien ausgedehnt werden soll. Ich bin der festenberzeugung, dass die neuen SteuerungsinstrumenteBudgetierung und die damit verbundene strategischeielvereinbarung – dazu beitragen werden, eine effizien-ere Steuerung und größeres Kostenbewusstsein zu er-öglichen. Durch sie werden die Eigenverantwortung
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Lothar Markder Mittler gestärkt sowie eine bessere Überschaubarkeitund Kontrolle der Ausgaben sichergestellt.
Ich bin allerdings auch der Meinung, dass wir dieseBudgetierung auf das Goethe-Institut weltweit ausdeh-nen müssen und dass wir weitere Mittlerorganisationenbudgetieren sollten,
weil damit ein Weg gezeigt würde, wie man effizient mitSteuermitteln des Bundes umgehen kann.
Die Mittel für den Deutschen Akademischen Aus-tauschdienst wurden auf 119,7 Millionen Euro, die fürdie Alexander-von-Humboldt-Stiftung auf 34 Millionenund die für das Deutsche Archäologische Institut auf fast25 Millionen Euro aufgestockt.
In diesem Zusammenhang will ich darauf hinweisen,dass diese Institutionen dazu beitragen, den Ruf derBundesrepublik international zu stärken, und dass ge-rade in diesen Sektoren Zukunftsentwicklungen möglichsind.
Ich möchte den Europäisch-Islamischen Kulturdialogerwähnen. Er wird in den nächsten Jahren immer mehran Bedeutung gewinnen. Es ist uns gelungen, die Mittelhierfür auf immerhin 6 Millionen Euro anzuhäufen.
Dass hier weiterer Bedarf besteht, steht außer Frage.Das Thema Auslandsschulen kann ich nur kurz strei-fen. Auch hier ist es unabdingbar, dass ein neues umfas-sendes Konzept entwickelt wird, das uns nach Möglich-keit noch in diesem Jahr vorgelegt wird. Dass dieAuslandsschulen eine sehr große Bedeutung haben, zeigtsich am Beispiel Mexiko, wo annähernd 100 Absolven-ten der deutschen Schule in einheimischen Spitzenfunk-tionen arbeiten, einschließlich zweier Minister. Es istdarauf hinzuweisen, dass diese Absolventen natürlicheine große Affinität zu Deutschland – auch im ökonomi-schen Sinne – entwickeln.Meine Redezeit läuft mir davon. Ich möchte nur nochdarauf hinweisen, dass Kultur- und Bildungsmittel In-vestitionen in die Zukunft sind, die der Konfliktpräven-tion auch im Inland dienen.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Sie ha-
ben Ihre Zeit weit überzogen.
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Das Wort hat jetzt die Kollegin Monika Knoche von
er Fraktion Die Linke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren und Da-en! Guantanamo muss geschlossen werden. Diesenatz sollte die Bundeskanzlerin ihrem baldigen Gast,errn Präsidenten Bush, in aller Deutlichkeit sagen.
Wer politischen Gefangenen grundlegende Rechteorenthält, sie körperlicher und psychischer Gewalt aus-etzt und sie in Suizide treibt – das ist noch zu untersu-hen –, darf nicht erwarten, dass die Frau an der Spitzeeutschlands darüber hinweglächelt. Frau Merkel hatls Repräsentantin eines demokratischen Rechtsstaatesie Pflicht, deutlich zu fordern, dass dieses Lager ge-chlossen wird.Der Präsident der USA führt den Krieg gegen Terrorit all seinen Unerträglichkeiten, zum Beispiel mit be-onderen Verhörmethoden in Abu Ghureib, politisch ka-astrophalen Auswirkungen im Irak, neuen Bombarde-ents, geheimen Gefängnissen und all dem, womit derntersuchungsausschuss sich zu beschäftigen hat. Guan-anamo ist ein Schandfleck für das Völker- und das Men-chenrecht.
Nicht nur die Fraktion Die Linke, die aus tiefer Über-eugung gegen den Krieg gegen Terror ist, sieht das sond vertritt diese Einstellung. Ich denke, wir Abgeordne-en sollten es dem Europaparlament gleichtun und eineemeinsame Erklärung abgeben. Diese Realität belastetn nicht unbeträchtlicher Weise die deutsch-amerikani-chen Beziehungen.Mit Kontinuität sind die transatlantischen Bezie-ungen unter der großen Koalition meines Erachtensicht treffend beschrieben. Die Zeit nach dem Kaltenrieg währt schon 16 Jahre. Durch die Macht des Fakti-chen hat sich mehr neu definiert, als die Politik je dis-utiert hat. Die Mehrheit der Bevölkerung lehnt dieeuen Kriege des 21. Jahrhunderts ab, auch wenn sie imamen der Terrorbekämpfung geführt werden.
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Monika KnocheDie große Koalition aber löst sich in dieser Fragenicht aus der unguten Überloyalität zu den USA. Im Ge-genteil: Sie versucht, mit einer Militarisierung der EUneben der NATO einen eigenen militärischen Arm zu be-wegen.All das geschieht in völkerrechtlich nicht gesicherteroder in verfassungsrechtlich zweifelhafter Weise. Eineweltweit einsetzbare Interventionsarmee soll nach60 Jahren die Verteidigungsarmee ablösen. Das deutscheSelbstverständnis soll sich ändern. Man ändert lieber dieVerfassung, als dass man die Politik zivilisiert. Zivilisie-rend wäre es, alle Anstrengungen zu unternehmen, sichaus der Abhängigkeit von Öl und Gas zu emanzipieren.Nicht alle Konflikte dieser Welt lassen sich auf diesesSchema zurückführen. Der Konflikt Israel/Palästinabeispielsweise steht in einem anderen historischen undaktuellen Kontext. Aber auch da schlägt sich Deutsch-land nur auf die Seite Israels und der USA.Im Iran geriert sich Deutschland als diplomatischeVortruppe der US-genehmen Positionen. Der Iran hatsich keiner Verletzung des Atomwaffensperrvertragsschuldig gemacht, aber er droht in unannehmbarer WeiseIsrael. Und dennoch: Wir Linke setzen auf eine diploma-tische Lösung und eine Friedenskonferenz als Bühne da-für.
Etwas näher gerückt ist erfreulicherweise eine friedlicheBeilegung des Konflikts. Bemerkenswert bleibt aus mei-ner Sicht: Deutschland scheint über kein eigenes diplo-matisches Besteck zu verfügen. Es ist eine Außenpolitik,die sich in dem Kreis der G 8 und einer neuen Militär-macht Europa einfindet.Es mag im Einzelnen nach nicht zusammenhängen-den Außenaktivitäten aussehen, wenn überallhin Solda-ten entsandt werden. Trotzdem ergibt sich ein stimmigesBild. Deutschland will den Kampf um die Ressourcenmal mit der NATO, mal mit der EU gewinnen. Das isteine Ausrichtung, die wir Linke nicht akzeptieren.
Mitte Juli treffen sich in Sankt Petersburg die Regie-rungschefs der G-8-Staaten. Sie treffen, wie immer,Verabredungen von globaler Tragweite. Ein repräsentati-ves Gremium für solche weitreichenden Entscheidungensind sie aber keinesfalls.
Sie haben nicht das Mandat der Welt, um maßgeblichenEinfluss auf diese zu nehmen. Nur ein Siebtel der Welt-bevölkerung lebt in diesen reichen G-8-Staaten und dochwird die Geschäftspolitik des Internationalen Währungs-fonds und der Weltbank von ihnen allein bestimmt.
Mittlerweile eignet sich die G 8 immer mehr Themenan, die bei der UNO besser aufgehoben wären, zum Bei-spiel das Thema HIV/Aids. Der UN-Aids-Gipfel vordrei Wochen in New York ergab unter anderem, dassAtvtI–vgdtHonAsfuDasscGDwfvshjDsbvrHfnLSUbUgS
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Es ist nicht zuletzt ein besonderer Erfolg der Bundes-regierung – Frau Knoche, auch hier hätten Sie sich einanderes Feld für Ihre Kritik an der Bundesregierung aus-suchen müssen; Sie müssten allerdings selbst herausfin-den, welches –,
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s geht nicht nur um die Ehre des Iran, sondern auch umnsere Ehre
nd unsere Pflicht, dem Recht zur Durchsetzung zu ver-elfen. Opus iustitiae pax – der Friede ist das Werk desechts.Vor ähnlichen Herausforderungen stehen wir auch inezug auf Nordkorea. Wir haben in diesen Tagen erfah-en, dass Nordkorea vor dem Abschuss einer so genann-en Taepodong-2-Rakete steht, einer nordkoreanischenontinentalrakete, die die USA erreichen und letztlichuch uns bedrohen kann. Ein heißer, möglicherweise so-ar nuklearer Konflikt in Ostasien würde Länder treffen,ie enge Partner von uns sind, und die Weltwirtschaftuf das Schwerste erschüttern. Gareth Evans, der Präsi-ent der International Crisis Group, hat Nordostasien alsinen der gefährlichsten Brandherde der Welt qualifiziertnd das auch an der „Wiederauferstehung eines rüdenationalismus“ in der Region festgemacht.Nordkorea und Iran zeigen uns, dass unsere Sicher-eit auch durch Konflikte in weit entfernten Regionenefährdet werden kann.
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Eckart von KlaedenDeswegen ist es wichtig, dass die NATO den Dialog unddie globale Partnerschaft mit Staaten wie Japan oderAustralien sucht, die unsere Werte und unsere sicher-heitspolitischen Interessen teilen.
Auch Singapur ist ein Partner von uns und kann eventu-ell eine Vermittlerrolle übernehmen.Es ist richtig und wichtig, dass wir uns weiterhin inAfghanistan und im Kongo mit Bundeswehrsoldatenengagieren. Ich will hier ausdrücklich den Soldatinnenund Soldaten für ihren Einsatz danken.
Die Einsätze sind ein Beispiel für das breite internatio-nale Engagement und die Verpflichtung zum Völker-recht der Bundesrepublik Deutschland.
In Afghanistan müssen wir mehr dafür tun, dass dieAfghanen auch in entlegenen Gegenden von internatio-nalen Einsätzen profitieren und damit die Präsenz in-ternationaler Organisationen anerkennen. Wir müssenmehr und effektivere Maßnahmen gegen Drogenanbauund -handel treffen. Wir sollten die Kritik von LakhdarBrahimi, dem ehemaligen algerischen Außenministerund Sondergesandten der UNO, in der „FAZ“ vom6. Juni 2006 beherzigen. Er mahnte, die internationaleGemeinschaft müsse sich realistische Ziele setzen undauf das Wesentliche konzentrieren, so beispielsweise inAfghanistan auf den Aufbau der Rechtsstaatlichkeit.Nach Brahimi könne es nicht darum gehen, aus Afgha-nistan ein Schweden zu machen, und es deshalb mit800 Nichtregierungsorganisationen zu überziehen undGeld „ohne Sinn und Verstand“ zu verteilen.
Was wir im Kongo nach dem Wahlprozess unterstüt-zen wollen, muss auch heute schon eine Rolle spielenund darauf müssen wir uns stärker konzentrieren. Wirmüssen größeres Gewicht auf den Aufbau einer formel-len, transparenten und rationalen Bergbauwirtschaft, dieauch ihren Beitrag für die kongolesische Bevölkerungleisten kann, legen.
Erste richtige Schritte sind die europäische Initiative zuTransparenz in der Rohstoffindustrie sowie die geplanteEinrichtung einer Kommission zur Überwachung derRohstoffförderung im Kongo. Wir sollten die afrikani-schen Staaten viel mehr ermuntern, sich stärker demAufbau regionaler Märkte zu widmen. Das ist die besteEntwicklungszusammenarbeit. Mosambiks wirtschaftli-cher Aufschwung zum Beispiel ist mitunter auf die be-eindruckende Steigerung eines interregionalen Handelsin der SADC zurückzuführen.vsRssdEadumtibClddCdFcsvnülnvwWetpsheidsütvesSgaalBfri
Die Herausforderung gegenüber China hat nicht nurine innen-, sondern auch eine außenpolitische Dimen-ion. China stellt uns die Systemfrage. Das chinesischeystem, ein Einparteienstaat, der das Land wie ein gi-antisches modernes Wirtschaftsunternehmen führt, übtufgrund seines Erfolges eine große Anziehungskraftus. Dagegen wirken westliche Demokratien schwerfäl-ig. Andere Staaten könnten in der Einschränkung dereteiligung der eigenen Bevölkerung eine Erfolgsformelür ihre eigene Zukunft sehen. Deswegen sind wir he-ausgefordert, zu zeigen, dass unser System erfolgreichst. Die Reformen, die wir in unserem Land durchführen,
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Eckart von Klaedensind also auch Teil unserer Asienstrategie. Es geht umdie Frage, wie unser Modell auf andere Länder aus-strahlt.
Dass China eine außenpolitische Herausforderungdarstellt, zeigte sich erneut beim Treffen der Schanghai-Kooperation-Organisation in der vergangenen Woche.Die Organisation gewinnt regional auch in Abgrenzungzu den transatlantischen Partnern an Bedeutung; sie botdem iranischen Präsidenten Ahmadinedschad eine inter-nationale Bühne. Des Weiteren finden Herrscher wie diebirmanischen Generäle, Diktatoren wie Mugabe, Popu-listen wie Chávez oder islamische Führer wie Bashir Un-terstützung in Peking, weil ihre Länder über wertvolleBodenschätze verfügen. Das erschwert unsere Bemü-hungen um Förderung der Demokratisierung in diesenLändern. Zudem kann das Verhalten Chinas zum Bei-spiel gegenüber dem Sudan oder dem Iran unmittelbarunsere europäischen Sicherheitsinteressen berühren.Welche Konsequenzen müssen wir daraus ziehen?Erstens. Wir müssen alles dafür tun, dass sich Chinafriedlich und im Rahmen des internationalen Rechts ent-wickeln kann. Wir müssen China, soweit es geht, in dieinternationale, globale Ordnung einbinden. Daran mussChina selber ein Interesse haben, weil es die internatio-nale, die globale Interdependenz als eigenen Entwick-lungsweg gewählt hat.Zweitens müssen wir China ermuntern, einen eigenenBeitrag zur Regelung von Problemen zu leisten. Letzt-lich kann auch China kein Interesse an Instabilität wieim Sudan oder in Simbabwe haben.Drittens müssen wir Europäer uns sehr viel mehr umunsere natürlichen Verbündeten kümmern, um unsereGleichgesinnten in Asien, mit denen wir gemeinsamepolitische Ziele verfolgen. Ich nenne hier insbesondereJapan, aber auch Südkorea oder Singapur.Wir haben ein Interesse an einer friedlichen Entwick-lung Chinas zu mehr Wohlstand. Wir haben aber auchein Interesse daran, dass die Risiken in der EntwicklungChinas gesehen werden und alles getan wird, dass ent-sprechende Entwicklungen nicht eintreten.Das führt uns zu den Aufgaben, die wir in Europawahrzunehmen haben. Die europäische Sicherheitsstra-tegie soll dafür sorgen, dass sich Sicherheit und Wohl-stand in unserer Nachbarschaft weiterentwickeln kön-nen. Dazu gehört die Entwicklung auf dem Balkan, aberauch die Entwicklung in der Ukraine. Die Ukraine istein Schlüsselland in Osteuropa. Deswegen ist es gut,dass sich in der letzten Nacht die Parteien der orangenenRevolution auf eine Neuauflage der Koalition geeinigthaben.
Die Ukraine braucht eine klare europäische Perspektiveund wir müssen ihr diese klare europäische PerspektiveeushsrKsLWgnSlRdPndDdRnnhGgtWBsrdznsEjszrBsmS
Ein letztes Wort zu Russland. Das G-8-Treffen inankt Petersburg im Juli steht unmittelbar bevor. Russ-and steht vor ähnlichen Herausforderungen wie China.usslands Demokraten benötigen den Westen als Mo-ell. Wir wollen, dass die viel beschworene strategischeartnerschaft zwischen Deutschland und Russland nichtur eine wirtschaftliche Partnerschaft ist, sondern sichiese Partnerschaft an universellen Werten orientiert.azu gilt es die Vertrauensbasis weiterzuentwickeln. Iniesem Zusammenhang spielt auch die Frage, wie sichussland innenpolitisch entwickelt und wie es sich sei-en Nachbarn gegenüber verhält, eine Rolle. Was die in-enpolitische Entwicklung Russlands angeht, so will ichier ganz deutlich sagen, weil es dazu einen Antrag derrünen gibt, dass wir die Übergriffe auf unseren Kolle-en Volker Beck bedauern und verurteilen.
Gleichzeitig weisen wir darauf hin, dass die Delega-ion der Nichtregierungsorganisationen, die vor zweiochen auf Einladung von Andreas Schockenhoff inerlin war, zum Ausdruck gebracht hat, welche Wert-chätzung Andreas Schockenhoff bei den Nichtregie-ungsorganisationen in Russland genießt und dass ihmie demokratische Entwicklung Russlands sehr am Her-en liegt. Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen.
Bevor ich in der Rednerliste fortfahre, möchte ich Ih-en Folgendes bekannt geben: Die Fraktionen habenich darauf verständigt, dass die Beratung desinzelplans 06 wie vorgesehen heute Abend stattfindet,edoch die Abstimmungen über den Einzelplan 06 ein-chließlich der namentlichen Abstimmung erst morgenu Beginn der Sitzung erfolgen. Gleiches gilt für die Be-atung und Abstimmung über den Einzelplan 10. Dieeratung erfolgt wie vorgesehen morgen Abend, die Ab-timmungen einschließlich der namentlichen Abstim-ung finden jedoch erst am Freitag zu Beginn deritzung statt. Damit können wir abends zu der entspre-
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solmschenden Zeit auf die namentlichen Abstimmungen ver-zichten und sie morgens früh durchführen.Als nächste Rednerin erteile ich der Kollegin KerstinMüller vom Bündnis 90/Die Grünen das Wort.Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Herr Präsident! Meine Damen und Herren! AmMontag hat der neue Menschenrechtsrat der VereintenNationen erstmals getagt. Das war für die Menschen-rechte sicherlich ein guter Tag. Gleichzeitig wird damitein Teil der Reformen der Vereinten Nationen umge-setzt, leider aber nur ein Teil. Darauf will ich zunächsteinmal zu sprechen kommen. Sie, Herr von Klaeden, ha-ben den effektiven Multilateralismus angesprochen.Deshalb wundert mich, dass Sie die UN-Reform nichterwähnt haben; denn in einem Hilferuf hat Kofi Annanin diesen Tagen deutlich gemacht, dass die VereintenNationen als Ganzes scheitern, wenn nicht auch die übri-gen Reformen angegangen werden, weil sie für dieneuen internationalen Herausforderungen nicht gewapp-net sind.Die Vereinten Nationen stehen vor einem Momentder Wahrheit,so Kofi Annan. Er hat Recht. Die Selbstblockade, diewir zurzeit bei der UN-Reform erleben, ist verheerend.So notwendig die Reformen sind, der Beitragsboykottder USA ist, so meine ich, ein völlig unakzeptables Mit-tel zu deren Durchsetzung. Damit wird man nicht weiter-kommen.
Fatal ist auch – das ist die andere Seite des Konflikts –die momentane Reformverweigerung vieler Entwick-lungsländer.Herr Außenminister, die Reformvorschläge liegen aufdem Tisch. Wir brauchen jetzt eine neue Initiative zurUmsetzung der Reformen. Ich fordere Sie auf: WerdenSie als Bundesregierung endlich sichtbar aktiv. EinScheitern der UN-Reformen wäre ein verheerendesSignal.
Der Einsatz für den effektiven Multilateralismus – darinsind wir uns alle einig – gehört zu den Grundsäulen derdeutschen und der europäischen Außenpolitik.
Nirgendwo wird das deutlicher – das ist in der Tat einpositives Beispiel – als im Atomstreit mit dem Iran. VonAnfang an haben die Europäer auf eine Verhandlungslö-sung gesetzt. Herr Außenminister, ich bin sehr froh, dassSie den Kurs der alten Regierung fortsetzen und dassdem Iran jetzt ein neues Angebot der internationalen Ge-meinschaft vorgelegt wurde.DglGbdvgseahZmAgWmwpagwbfuermfaseStwndmaKrEzd
as ist der richtige Weg, auch wenn manche Äußerun-en von Präsident Ahmadinedschad wirklich unerträg-ich sind. Auch die Amerikaner sind jetzt zu direktenesprächen mit Iran bereit und unterstützen das Ange-ot. Das hat auch meine Fraktion immer wieder gefor-ert. Das ist ein zentraler und wichtiger Schritt nachorn. Das zeigt: Wenn die internationale Gemeinschaftemeinsam und entschlossen handelt, dann sind auch inchwierigen Krisensituationen Verhandlungslösungenrreichbar.Jetzt aber ist der Iran am Zuge. Wir fordern Iran auf,uf der Basis dieses Angebotes wirklich ernsthafte Ver-andlungen aufzunehmen und natürlich während diesereit die Urananreicherung zu suspendieren. Das ist – dasuss man deutlich sagen – die letzte Chance. Wir bietennerkennung und Sicherheit, einschließlich Sicherheits-arantien. Falls der Iran das Angebot ablehnt, führt dereg in die Isolation. Das sind die Alternativen.Das bedeutet aber, dass wir dem Iran auch klar-achen müssen: Falls neue Verhandlungen abgelehnterden, sind wir bereit, das gesamte Instrumentariumolitischer, finanzieller und ökonomischer Druckmittelnzuwenden, auch wenn das teilweise zu unseren Lastenehen wird. Ohne diese Konsequenz bleibt das Angebotirkungslos.Der Fall Iran weist auf ein weiteres ernsthaftes Pro-lem hin: Der Nichtverbreitungsvertrag ist inzwischenast wirkungslos. Wenn wir aber den Iran, Nordkoreand andere davon abhalten wollen, Nuklearwaffen zuntwickeln, dann müssen auch die Atommächte ihre Ab-üstungsverpflichtungen endlich ernst nehmen.
Herr Außenminister, Sie haben die Atommächte ge-ahnt. Aber auch hier ist, so glaube ich, Initiative ge-ragt. Gerade Deutschland – ich darf daran erinnern, dassuch in unserem Land noch Atomwaffen stationiert sind –ollte gemeinsam mit anderen Nichtkernwaffenstaatenine politische Initiative zur grundlegenden Reform undtärkung des Nichtverbreitungsvertrages ergreifen.
Das zeigt: Deutsche Außenpolitik bleibt Friedenspoli-ik; sie ist eingebunden in die Vereinten Nationen undir betreiben sie gemeinsam mit den europäischen Part-ern. Was heißt das für den Nahostkonflikt? Gerade iner zurzeit verfahrenen Situation müssen wir auch hierultilateral, das heißt im Rahmen des Nahostquartetts,lles versuchen, damit der Friedensprozess zwischen denonfliktparteien wieder aufgenommen wird. Die Forde-ungen an die Hamas sind klar: Ohne Anerkennung desxistenzrechts Israels und ohne einen klaren Gewaltver-icht der Hamas ist auch für uns eine Kooperation miter neuen Regierung undenkbar;
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Kerstin Müller
denn die Sicherheit des Staates Israel ist – darin stimmenwir alle überein – eine historische Verpflichtung unsererAußenpolitik. Dennoch war es überfällig, dass das Nah-ostquartett am Samstag einen Hilfsfonds für die Palästi-nenser beschlossen hat, der unter Umgehung der Hamas-Regierung zumindest eine humanitäre Krise verhindernsoll.Der Vorschlag von Präsident Abbas, notfalls eineVolksabstimmung über die Gefangeneninitiative, dasheißt, letztlich über eine Zweistaatenlösung, herbeizu-führen, ist, meine ich, ein sehr kluger Vorschlag, den wirund die EU unterstützen sollten. Wir brauchen eineschnelle Rückkehr an den Verhandlungstisch, solangePräsident Abbas noch das Vertrauen der palästinensi-schen Bevölkerung hat. Insofern ist das morgige ersteTreffen zwischen Abbas und Premier Olmert in Jorda-nien ein wichtiger Schritt.Ein Bürgerkrieg zwischen Hamas und Fatah und eineweitere Eskalation mit Israel sind noch lange nicht abge-wendet. Die EU braucht daher schnellstens eine Strate-gie, wie eine weitere Eskalation der Lage verhindertwerden kann. Die Isolation der Hamas ist richtig. Abersie ersetzt keine Politik.Zum Schluss möchte ich noch einmal zum ThemaMenschenrechte zurückkommen. Herr von Klaeden, esist sicher gut, dass Sie hier noch einmal klargestellt ha-ben, dass Sie die Übergriffe auf Herrn Beck anlässlichder Demonstration in Moskau bedauern. Aber ich meine– das muss ich hier sehr deutlich sagen –: Das reichtnicht. Man braucht sich nur die Äußerungen anzusehen,die Herr Schockenhoff, Ihr Koordinator für deutsch-rus-sische Zusammenarbeit, gemacht hat. Zum grundrechts-widrigen Verbot des Christopher Street Days in Moskauhat Herr Schockenhoff gesagt, man müsse „sich auf diepolitische Ordnung eines Gastlandes einstellen“ unddürfe nicht die russischen „Spielregeln“ unterlaufen.Den Einsatz des Kollegen Volker Beck für die Rechteder Lesben und Schwulen hat er sehr heftig kritisiert.Ich will Sie nur einmal darauf aufmerksam machen:Wenn sich die Ostdeutschen an die politische Ordnungund die Spielregeln der DDR gehalten hätten, dannstünde die Mauer heute noch. Dann wäre man nicht sehrweit gekommen.
Russische NGOs wie zum Beispiel Memorial habenausdrücklich die Teilnahme ausländischer Politiker ansolchen Aktionen begrüßt. Sie haben noch einmal deut-lich gemacht: Die russische Bürokratie zwingt NGOsmit fadenscheinigen Demonstrationsverboten zu solchennicht genehmigten Versammlungen. Sie, HerrSchockenhoff, haben sich bisher leider nicht entschul-digt. Ich meine: Wer Menschenrechtsaktivisten vom si-cheren Deutschland aus verbal in die Kniekehlen tritt,der taugt nicht mehr als Russlandkoordinator. Ich meine,der Rücktritt des Herrn Schockenhoff von seinem Amtals Koordinator ist überfällig, Herr Außenminister.Vielen Dank.
SAHdwaswGwfAbdLuSmwwdDHmuawHgBKlsmSibHdna–cdtAwrr
Das ist keine falsche Wahrnehmung. Die Wahrneh-ung ist zutreffend. Wir tragen in der Tat mehr Verant-ortung. Gleichzeitig – ich finde das richtig und not-endig – überlegen wir uns sehr genau, wo und wie wiriese Verantwortung übernehmen. Das hat die jüngsteebatte über einen Einsatz im Kongo hier im Hohenause durchaus eindrucksvoll gezeigt. Lange haben wiriteinander darüber diskutiert. Lange haben wir das Fürnd Wider einer Beteiligung an einer solchen Missionbgewogen. Ich glaube, eines wird man uns nicht vor-erfen können: Leicht hat es sich hier in diesem Hohenause in der Tat niemand gemacht. Am Ende, nach lan-er Diskussion, war sich eine übergroße Mehrheit desundestages einig, dass es richtig ist, die Wahlen imongo durch eine europäische Mission, an der wir betei-igt sein werden, abzusichern. Hier stehen wir gemein-am in einer internationalen Pflicht: in der Pflicht, ge-einsam mit unseren Partnern dafür zu sorgen, dass dietabilisierungsbemühungen der letzten Jahre, von denench berichtet habe, nach der Wahl nicht in Gefahr ge-racht werden.Meine Damen und Herren, wenn wir heute über denaushalt des Auswärtigen Amtes diskutieren, so tun wiras vor dem Hintergrund einer veränderten Situation, ei-er Situation, in der wir gewachsene internationale Ver-ntwortung tragen. Verantwortung heißt ganz praktischdas ist in vielen Reden angeklungen –: höhere Ansprü-he an unsere Kreativität und Sachkompetenz, über-urchschnittlicher Einsatz, aber auch angemessene Mit-elausstattung; darauf werde ich am Ende meinerusführungen noch einmal zu sprechen kommen.Ich möchte kurz zwei Krisenherde ansprechen, ob-ohl wir in den vergangenen Wochen und Monaten be-eits häufig genug Anlass hatten, über diese Themen zueden. Beginnen sollte ich mit Afghanistan, weil diese
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Bundesminister Dr. Frank-Walter SteinmeierRegion in den allermeisten Reden, die hier gehalten wur-den, eine Rolle gespielt hat. Zu Recht sind die Schwie-rigkeiten, die wir im Augenblick in Afghanistan haben,angesprochen worden. Aber wir sollten trotz allerSchwierigkeiten nicht vergessen, dass wir dort gemein-sam mit unseren internationalen Partnern ein Fundamentfür die Stabilisierung und den Aufbau eines demokrati-schen Staatswesens geschaffen haben.Deutschland hat dazu wichtige Beiträge geleistet. Wirtragen seit kurzer Zeit die Verantwortung für das Regio-nalkommando Nord. Wir haben für den Aufbau derPolizei in Afghanistan Verantwortung übernommen.Darüber hinaus leiten wir zwei regionale Wiederaufbau-teams. Deshalb glaube ich, dass wir – damit meine ichauch dieses Haus – selbstbewusst feststellen können:Wir haben in den letzten Monaten und Jahren vieles er-reicht.Das sage ich auch vor dem Hintergrund einer sichverändernden, weil angespannten Sicherheitslage in Af-ghanistan; auch das darf nicht verschwiegen werden.Das, was dort jetzt geschieht, verdeutlicht im Grunde ge-nommen nur das, was wir in unseren Analysen der letz-ten Jahre immer wieder festgestellt haben: Das Land istvon staatlicher Normalität noch weit entfernt. Natürlichist unsere Mission nicht ohne Risiko. Aber genau des-halb sind wir, sowohl mit zivilen als auch mit militäri-schen Kräften, so prominent vor Ort. Ich jedenfalls binfest davon überzeugt – ich bin froh, dass das auch anderefestgestellt haben –: Wir dürfen in dieser unserer Unter-stützung Afghanistans nicht nachlassen.
Meine zweite Bemerkung bezieht sich auf den NahenOsten: Die Lage bleibt kompliziert. Die Hamas-Regie-rung verweigert sich den Kriterien – sie sind heute vieleMale genannt worden –, die das Nahostquartett für einekonstruktive Zusammenarbeit mit der dortigen Regie-rung genannt hat. Gleichzeitig verschlechtert sich die Si-cherheitslage in den palästinensischen Gebieten ganz er-kennbar. Ich kann nur hoffen, dass, wie es Frau Müllerzum Ausdruck gebracht hat, die Initiative von MahmudAbbas hilft, den innenpolitischen Stillstand, den es ganzohne Zweifel gibt, aufzulösen und die vorherrschendeGewalt einzudämmen. Das habe ich dem Präsidenten derPalästinensischen Autonomiebehörde am vergangenenFreitag in einem ausführlichen Telefongespräch gesagtund ihm unsere Unterstützung für diesen Prozess zugesi-chert.Das alles hilft jedoch nicht, wenn wir gleichzeitig zurKenntnis nehmen müssen, dass sich die humanitäre Lagein den palästinensischen Gebieten verschlechtert. WieSie wissen, haben wir im Kreise der EU-Außenministerin den letzten Wochen intensiv nach Wegen gesucht, wiewir den Menschen in den palästinensischen Gebietenkonkret helfen können: bei der Nahrungsmittelversor-gung, bei der Versorgung mit Wasser und Energie undletztlich auch bei der Versorgung von Kranken.nsbosdnfuHdmusaktPgmssvSTgrimdhehiMugdehnWdsDBnRidg
nd zwar – das betone ich – unter Umgehung deramas-Regierung. Ich weiß, dass viele – vielleicht aucher eine oder andere hier im Hause – sich in dieser Frageehr Flexibilität wünschen. Ich halte all denjenigen, diensere restriktive Haltung gegenüber der Hamas kritischehen, entgegen: Wir haben eine klare Verantwortung –us unserer Geschichte – gegenüber Israel. Unser Platzann daher nie an der Seite derjenigen sein, die das Exis-enzrecht Israels infrage stellen.
Ich kann bestätigen, dass das drängendste politischeroblem der Konflikt um das iranische Atompro-ramm ist. Sie wissen, dass wir, die EU-3, gemeinsamit Russland, China und den USA dem Iran ein umfas-endes Angebot zur Kooperation vorgelegt haben. Die-es Kooperationsangebot eröffnet dem Iran Perspekti-en; wie ich finde, sogar weit reichende Perspektiven.ie wissen ebenso, dass eine Antwort bis zum heutigenage leider nicht vorliegt. Wir verfolgen natürlich mitroßer Aufmerksamkeit das, was gegenwärtig an Äuße-ungen aus der iranischen Führung zu hören ist. Wir sind Augenblick zufrieden – müssen zufrieden damit sein –,ass die iranische Führung und viele Beteiligte sich da-in gehend geäußert haben, dass man dieses Angebotrnsthaft prüfen will. Wie ich immer öffentlich gesagtabe: Das rechtfertigt noch keinen Optimismus. Aberch kenne meinen iranischen Amtskollegen, Herrnottaki, der am Wochenende wieder hier in Berlin seinnd ein Gespräch mit mir führen wird, aus früheren Be-egnungen. Deshalb sage ich ausdrücklich: Ich bin froh,ass er dieses Angebot öffentlich zumindest als einenntscheidenden Schritt nach vorn bezeichnet hat. Ichoffe natürlich, dass sich in Teheran am Ende der inter-en Beratungen die Kräfte der Vernunft durchsetzen.ir hoffen, dass der Iran die Chancen erkennt, die iniesem Angebot liegen.Dokumentiert wird in dem Verfahren, wie wir zu die-em Angebot gekommen sind, aber auch ein Zweites:ie USA haben in Gesprächen mit den Europäern ihreereitschaft bekundet, an diesen Verhandlungen teilzu-ehmen, und es besteht die begründete Hoffnung, dassussland und China diesem Beispiel folgen. Das alleinst ein großer Erfolg der internationalen Politik und wirürfen uns freuen, dass wir hier in vorderster Reihe mit-earbeitet haben.
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Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier
Wenn ich noch einen Nachsatz sagen darf: Aus meinerSicht ist das auch ein Erfolg für die europäische Außen-politik. Der Hohe Repräsentant der EU, Solana, war alsfest eingebundener, glaubwürdiger und akzeptierter Part-ner an den Gesprächen von Anfang an beteiligt. Er hatals Vertreter aller sechs Staaten, die in Wien zusammenverhandelt haben, das Angebot nach Teheran überbracht.Das ist letztlich auch ein Beweis für das Vertrauen in diegemeinsame europäische Außenpolitik, die wir viel-leicht etwas selbstbewusster vertreten sollten, als wir dasin der Vergangenheit getan haben.
Der westliche Balkan wird uns weiterhin beschäfti-gen, gar keine Frage: Es gibt viele ungelöste Probleme,denen wir uns weiterhin widmen müssen, ganz zuvor-derst natürlich die Klärung des Status des Kosovo. Ichwill dazu zum gegenwärtigen Zeitpunkt gar nichts weitersagen, weil wir diese Frage hier oft genug erörtert haben.Martti Ahtisaari hält an seinem Zeitplan fest, er hat diebeteiligten Parteien in Wien beieinander. Zur Kenntnisnehmen müssen wir allerdings, dass die Positionen nochweit auseinander liegen. Ich greife dieses Stichwort des-halb auf, um auf eine Entwicklung hinzuweisen, die sichin den letzten beiden Wochen ergeben hat, eine Entwick-lung, deren Brisanz auch in anderen europäischenHauptstädten stärker erkannt wird: Für Serbien häufensich in diesem Jahr nicht leicht zu verkraftende Entwick-lungen: Montenegro hat sich von Serbien losgelöst, Ser-bien muss befürchten, demnächst mit einer Klärung desStatus des Kosovo konfrontiert zu werden, und die Ver-handlungen mit der EU sind ausgesetzt – keine einfacheSituation. Unter den europäischen Außenministern istbesprochen worden, dass wir uns intensiver bemühenmüssen, auch Serbien auf dem Weg nach Europa zu hal-ten;
denn eines ist bei all den Bemühungen um den westli-chen Balkan ja klar: Ohne Serbien wird es keine Stabili-tät auf dem Balkan geben. Insofern müssen wir diese Be-mühungen bei aller berechtigten Kritik gegenüber derPolitik in Belgrad fortsetzen.
Meine Damen und Herren, einige wenige Sätze zurdeutschen Ratspräsidentschaft. Auch hier schauen allemit großen Erwartungen auf uns. Die Erwartungen anunsere Präsidentschaft sind groß. Es gibt viele Rat-schläge dafür, wie wir diese Präsidentschaft anlegenkönnen. Reden wir aber nicht darum herum: Auch dann,wenn wir uns darum bemühen, die Verfassung nicht sosehr in den Mittelpunkt zu stellen, wird sie ein wichtigerPunkt unserer Präsidentschaft sein. Sie wissen, dass derRat Deutschland beauftragt hat, Mitte nächsten JahresetVeIdwmilnpusrkddnefsßdDmdDwhfZsawlrzaBwsMLnunss
Meine Damen und Herren, einige wenige abschlie-ende Bemerkungen zum Haushalt selbst. Ich stehe zuen Konsolidierungsbemühungen der Bundesregierung.eshalb sage ich auch in Richtung des Bundesfinanz-inisteriums: Wir haben unsere Einsparungen gemäßem Koalitionsvertrag erbracht. Es ist gesagt worden:ieser Haushalt entsteht und steht unter etwas unge-öhnlichen politischen Rahmenbedingungen. Er ist des-alb eher so etwas wie ein Übergangshaushalt. Dies istür uns mit der Möglichkeit eines knapp 4-prozentigenuwachses verbunden. Herr Mark hat darauf hingewie-en: Das gleicht den Mehrbedarf bei den Pflichtbeiträgenus. Lothar, neben den vielen anderen Dingen, die du er-ähnt hast, möchte ich zwei Erfolge herausheben, näm-ich zum einen die humanitäre Hilfe mit einer Absiche-ung in der Größenordnung von 50 Millionen Euro undum anderen zumindest in den Bereichen Wissenschafts-ustausch und Stipendien verbesserte Möglichkeiten imereich der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik.Wenn meine Redezeit jetzt nicht vorbei wäre, dannürde ich jetzt anknüpfend an die Fußballweltmeister-chaft sagen:
it Blick auf die gelungene neue Präsentation unseresandes müssen wir gemeinsam miteinander auch eineeue Wertschätzung gegenüber der auswärtigen Kultur-nd Bildungspolitik auf den Weg bringen, und zwaricht eine, die wir nur in Sonntagsreden formulieren,ondern eine, die sich in den Haushaltsansätzen wider-piegelt.
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Meinen Dank an diejenigen, die im Parlament für denHaushalt 2006 zuständig waren – Herrn Koppelin alsHauptberichterstatter und Herrn Frankenhausen, HerrnMark, Herrn Bonde und Herrn Leutert alsMitberichterstatter –, verbinde ich deshalb mit der An-kündigung und der Bitte, bei der Diskussion über denHaushalt 2007 so etwas wie eine kleine Trendwende beiden Ansätzen für den Bereich der auswärtigen Kultur-und Bildungspolitik hinzubekommen. Ich danke Ihnenschon jetzt für Ihre Bereitschaft.Vielen Dank.
Herr Bundesminister Steinmeier, es ist zwar einerseits
richtig, dass Sie aufgrund der Verfassung jederzeit unbe-
grenzt Rederecht haben. Aber es ist andererseits üblich,
sich in einem gewissen Rahmen an die Vereinbarungen
der Geschäftsführer der Fraktionen zu halten, weil dann,
wenn Sie länger reden, dies auf Kosten der Redezeit der
Kollegen aus der eigenen Fraktion geschieht.
Ich erteile als nächstem Redner das Wort dem Kolle-
gen Jürgen Koppelin von der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Minister, ich will auch Ihnen zuerst einmal Danksagen. Sie haben eben die Berichterstatter erwähnt. Ichbin in dieser Legislaturperiode Hauptberichterstatter fürden Etat 05, Auswärtiges Amt. Ich will mich ausdrück-lich bei Ihnen und vor allem bei den Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes für die guteZusammenarbeit bedanken.Da Sie uns Berichterstatter erwähnt haben, will ichhier ausdrücklich sagen, dass wir als Berichterstatter-gruppe ein ausgesprochen gutes Team sind. Sie werden– das haben Sie erlebt – kaum eine Unterscheidung zwi-schen Regierung und Opposition finden. Das ändertnichts daran, dass natürlich jede Opposition versucht,Akzente zu setzen. Das gilt ebenfalls für Ihren Haushalt.Auch bei den Koalitionsabgeordneten hat jeder sein Ste-ckenpferd; das ist völlig in Ordnung.Als Oppositionsabgeordneter sage ich: Wir suchenzwar in jedem Etat nach Einsparmöglichkeiten. Der Etatdes Auswärtigen Amtes jedoch hat kaum Speck auf denRippen. Im Gegenteil: Nach meiner Auffassung – dassage ich ganz deutlich – ist er, wenn man ganz ehrlichist, unterfinanziert. Für einen Minister gehört es dazu,sich bei den Haushaltsberatungen nicht mit globalenMinderausgaben abspeisen zu lassen, die die Haushältererbringen müssen. Vielmehr müssen Sie dem Finanzmi-nister sagen: So geht das nicht. Wenn ich Außenpolitikmachen und über die Botschaften unserer WirtschafthhdagAsDsbAnfuadWcTdhpeUdpdattwwhdtwkmeksgdwTe–
ir haben große Erwartungen, wenn wir Politik ma-hen. Jedes Mal, wenn es darauf ankommt – bei demsunami haben wir es erlebt und erleben das auch bei an-eren Katastrophen –, merken wir, welche Leistungsfä-igkeit in den Botschaften steckt, obwohl sie teilweiseersonell ausgesprochen dünn besetzt sind. Sie leistenine hervorragende Arbeit, ohne dabei im Dienst auf diehr zu schauen. Wir müssen uns irgendwann einmalarüber unterhalten – wir haben hier eine Fürsorge-flicht und Verantwortung –, ob unsere Botschaften inieser Weise noch arbeiten können. Das trifft nicht nuruf das Personal, sondern auch auf die finanzielle Situa-ion zu. Ich finde, so geht es auf Dauer nicht mehr wei-er.
Wenn wir für die Botschaften gute Leute bekommenollen, dann muss sich ein Minister darum kümmern,as mit den Ehepartnern derjenigen, die ins Ausland ge-en, passiert, die keinen Job haben. Auch bei der Besol-ung wird gekürzt. Dadurch wird der Dienst im Auswär-igen Amt bei den Botschaften immer unattraktiver. Dasird dazu führen, dass wir kaum noch gute Leute be-ommen. Insofern ist es wichtig, sich darum zu küm-ern, an den Botschaften zum Beispiel eine Jobbörseinzurichten, damit die Ehepartner die Möglichkeit be-ommen, bei deutschen Firmen, die im Ausland tätigind, eine Stelle zu finden. Das sollten wir langfristig an-ehen. Das halte ich für dringend erforderlich.Ich will noch einen weiteren Bereich ansprechen, umen Sie sich als Minister kümmern sollten; dabei werdenir Sie gerne unterstützen. Ich staune immer über dasempo, wie hier am Potsdamer Platz die US-Botschaftntsteht.
Entschuldigung. Ich nehme die Korrektur entgegen.
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Jürgen Koppelin– Das ist nicht so entscheidend. Es geht um den Bau die-ser Botschaft. Manchmal wünsche ich mir, dass die Bau-maßnahmen des Bundes vor allem im Ausland in einemähnlichen Tempo stattfänden, anstatt Behörden zwi-schenzuschalten, die – das ist mein Eindruck – blockie-ren, sodass sich unsere Botschaften noch mit den Behör-den herumschlagen müssen. Es wäre gut, sich auchdarum zu kümmern, Herr Außenminister.
Dadurch könnten wir auch viel Geld sparen. Das istmeine Meinung.Ich habe mich auch deswegen zu Wort gemeldet, um– damit spreche ich sicherlich für alle Berichterstatter –unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an den Bot-schaften herzlich zu danken. Sie sollen wissen, dass siesich auf uns verlassen können. Wir können natürlichkein Geld drucken.
Deshalb sind wir darauf angewiesen, dass der Ministererfolgreich mit dem Bundesfinanzminister verhandelt.Herzlichen Dank für Ihre Geduld.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Veronika Bellmann
von der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Die Debatte über den Haushalt des AuswärtigenAmtes bietet traditionell auch die Möglichkeit zu einigengrundsätzlichen Ausführungen zum Thema EU. AlsSächsin aus dem Erzgebirge – der neuen geografischenMitte der EU nach der Osterweiterung – tue ich das sehrgerne.
Insbesondere nach dem Ratstreffen vom 15. bis16. Juni dieses Jahres stellt sich die Frage, ob Europa ge-rettet werden will, kann oder soll. Die Antwort ist: Esmuss gerettet werden; denn es gibt keine Alternative zurWirtschafts- und Wertegemeinschaft der EU. Es gibt erstrecht keine Alternative zu der seit fast 60 Jahren beste-henden Friedensgemeinschaft der EU.
Angesichts der Globalisierung brauchen wir die Wirt-schaftsgemeinschaft; denn nur sie verleiht uns Stärke.Ich denke zum Beispiel an die Durchsetzungsfähigkeit inder Welthandelsorganisation, bei dem Partnerschaftsab-kommen mit Russland oder demnächst bei dem Trans-atlantischen Partnerschaftsabkommen mit den USA. Wirbrauchen diese Stärke. Aber um sie wiederzugewinnen,mshpsvddsgfJohdpiAntDzgEVtpzhiznsdplterrtVdSvwvAspv
Nun sind wir an einem Punkt angelangt, an demeutschland sein Ansehen und seinen Einfluss dazu nut-en muss, die EU wieder auf den richtigen Weg zu brin-en. Es gibt jede Menge Baustellen: die Erweiterung deruropäischen Union, Wachstum und Beschäftigung, dererfassungsvertrag, die Finanzierung, die Energiepoli-ik und die Europäische Sicherheits- und Verteidigungs-olitik.Lassen Sie mich zwei Punkte herausgreifen. Zunächstur Finanzierung: Der Kampf um den neuen EU-Haus-alt für die Jahre 2007 bis 2013 hat gezeigt, dass es auchn Zukunft nicht leichter wird, ein angemessenes Budgetusammenzubekommen. Obgleich die Einigung für deneuen Förderungszeitraum gelungen ist, wird die finni-che Ratspräsidentschaft noch Einzelheiten auszuhan-eln haben. Denn wir haben immerhin über 40 Politik-rogramme, bei denen wir uns keinen Aufschub mehreisten dürfen. Das gilt vor allem für die Bereiche Struk-urpolitik, Forschung und Ausbildung.Gerade als ostdeutsche Abgeordnete will ich aber aufinen positiven Aspekt hinweisen, den die EU-Förde-ung mit sich gebracht hat. Bei der EU-Strukturförde-ung haben wir in hohem Maße von den Haushaltsmit-eln profitiert, die die Mitgliedstaaten jährlich zurerfügung gestellt haben. Ich nenne nur ein Beispiel auser Solarindustrie. In meinem Wahlkreis ist die deutscheolar-World angesiedelt. In Sachsen-Anhalt ist Q-Cellsertreten. Diese Solarfirmen sind bekanntlich mittler-eile börsennotiert. Sie haben in den 90er-Jahren mitier bis zehn Arbeitsplätzen begonnen. Die Zahl derrbeitsplätze ist inzwischen – auch dank der millionen-chweren EU-Förderung – auf 700 bis 1 000 Arbeits-lätze angewachsen. Das zeigt doch, wie man eine sinn-oll angewendete EU-Förderung in Beschäftigung
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Veronika Bellmann
– auch in Geld, Herr Löning – ummünzen kann.Wir müssen dennoch über eine Neuordnung derFinanzierung nachdenken. Ich meine damit nicht dieunsägliche Debatte über die Einführung einer EU-Steuer, sondern die solide Finanzpolitik der EU, die na-türlich auf der soliden Finanzpolitik der einzelnen Mit-gliedstaaten basiert und davon nicht abgekoppelt werdenkann. Daher ist die Forderung der Europäischen Kom-mission nach mehr Transparenz bei der Strukturförde-rung richtig. Dort gibt es erhebliche Informationsdefi-zite. So haben wir bislang kaum überblicken können, obmit EU-Mitteln zum Beispiel die Arbeitsplatzverlage-rung von einem Staat in einen anderen gefördert wordenist.
Insofern muss es dort mehr Information und Kommuni-kation sowie Kontrolle geben.Der Vorschlag Frankreichs ist zu begrüßen, die Agrar-politik zu vereinfachen. Immerhin ist der Agrarhaushaltmit einem Anteil von 40 Prozent am EU-Gesamthaus-halt ein großer Posten.Die Kanzlerin betont ständig die Themen Deregulie-rung und Entbürokratisierung und übt Aufgabenkritik.Das alles führt zu Einsparungen. Man darf nicht verges-sen: 30 Prozent der EU-Kosten sind Verwaltungskosten.Die hierfür verwendeten Mittel kommen nur in einemsehr geringen Umfang dem Bürger zugute. Ich glaube,dass wir auf diesem Gebiet hart in der Sache bleibenmüssen.
Ich komme zur Erweiterungspolitik. Auch der neuenEuropäischen Kommission ist nicht verborgen geblie-ben, dass eine gewisse Erweiterungsmüdigkeit herrscht.Es gibt eine Abkehr vom bisherigen Erweiterungsauto-matismus; das ist zu begrüßen. Wir müssen aber das,was wir in Zukunft in Bezug auf die Erweiterung ma-chen wollen, neu definieren. Das betrifft zum einen denpolitischen und den wirtschaftlichen Charakter derUnion und zum anderen die geografische Ausbreitungund den kulturhistorischen Bereich. Die Forderung desEuropäischen Parlaments an die EU-Kommission, einenZeitplan für die Neukonzeption der Erweiterungsstrate-gie vorzulegen, und die Forderung, dass zukünftigKandidatenländer bereits vor der Aufnahme von Ver-handlungen die EU-Grundsätze – Demokratie, Men-schenrechte und Rechtsstaatlichkeit – verwirklichen sol-len, sind unbedingt zu begrüßen.Ich möchte an dieser Stelle eine Metapher des serbi-schen Außenministers Vuk Drašković aufgreifen, die erkürzlich bei seinem Parisbesuch vortrug: Wenn wir dasPrinzip so fortsetzen wie bisher, dann ist das so, alswenn ein Student zu seinem Professor geht und sagt, gibmir das Diplom, ich lerne dann schon. So darf es bei derErweiterung nicht zugehen. Zuerst muss gelernt undmüssen die Aufgaben bzw. die Beitrittskriterien erfülltwnzEztddetVfsbtZHebdSnIDun
Nächster Redner ist der Kollege Michael Leutert von
er Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!eit geraumer Zeit gehört der Koalitionsvertrag zu mei-en Lieblingslektüren.
ch darf kurz daraus zitieren:Vertraglich abgesicherte Nichtverbreitung, Abrüs-tung und Rüstungskontrolle sind zentrale Anliegender deutschen Außen- und Sicherheitspolitik. Wirhalten an dem langfristigen Ziel der vollständigenAbschaffung aller Massenvernichtungswaffen fest.
iesen Punkt können auch wir als Linke unterschreibennd unterstützen.
Nun gibt es im Einzelplan des Auswärtigen Amtes ei-en Titel, in dem auch Mittel zur Minenbeseitigung be-
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Michael Leutertreitgestellt werden. Leider muss man feststellen, dassdiese Gelder von ehemals 12 Millionen Euro auf jetztknapp 9 Millionen Euro abgeschmolzen werden. ZumVergleich dazu – um die Dimension deutlich zu machen –:Der Verteidigungsetat mit einem Volumen von fast24 Milliarden Euro – das ist der zweitgrößte Etat – undmit etwas mehr als 9 Prozent des Gesamthaushalts ent-hält ein Extrakapitel – ich habe das hier schon einmal ananderer Stelle gesagt – mit der Bezeichnung „Wehrfor-schung, wehrtechnische und sonstige militärische Ent-wicklung und Erprobung“. Allein dieses Kapitel umfasstcirca 1,1 Milliarden Euro. Das sind 0,4 Prozent des Ge-samthaushalts. Der Einzelplan 05 umfasst lediglich dasDoppelte, 0,88 Prozent des Gesamthaushalts. Die Mittelin diesem Kapitel sind natürlich um 153 Millionen Euroaufgestockt worden. Hier scheinen die Schwerpunktset-zungen etwas verfehlt zu sein. Haushaltsplan und Koali-tionsvertrag passen an dem Punkt meines Erachtensnicht so ganz zusammen.
Auch die CDU/CSU war schon einmal Oppositions-partei.
Im März 2002 stellte die CDU/CSU-Fraktion einen An-trag im Bundestag, auch von Frau Merkel unterzeichnet,in dem es unter anderem heißt – ich zitiere –:Jahr für Jahr sind mehrere tausend zivile Minenop-fer zu beklagen. In allen Teilen der Welt gibt esLänder, in denen Minen in einer so großen Mengeverlegt wurden, dass sie eine immense Gefahr fürdie Bevölkerung darstellen ...Sie kommt zu der Schlussfolgerung:Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregie-rung auf, ... den nationalen Beitrag für Minenräum-projekte und die Minenopferhilfe signifikant zu er-höhen.Damals war ein Betrag von 9,5 Millionen Euro einge-stellt. Sie sprachen von signifikanter Erhöhung und nichtvon Kürzung in diesem Bereich. Ich frage Sie einfach,ob Sie mir sagen können, warum Sie jetzt, wo Sie dieChance haben, das durchzusetzen, was Sie eigentlichwollten, das nicht in die Tat umsetzen.Ich glaube auch nicht, dass das am Widerstand derSPD liegt. Immerhin meinte der ehemalige Bundestags-präsident Wolfgang Thierse – Zitat –:Über 30 000 Menschen kommen jährlich durch Mi-nen ums Leben oder werden durch sie schwer ver-letzt. Sie treffen ihre Opfer unvorbereitet und völligwahllos auf grausamste Weise. Es muss alles getanwerden, um diesem Wahnsinn ein Ende zu machen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann also hierim Hohen Hause eine breite Mehrheit feststellen – dieFDP und die Grünen haben ähnlich gelagerte Anträge inden letzten Legislaturperioden gestellt –, was die Mittelfür Minenbeseitigung betrifft. Deshalb kann ich Sie nurdarum bitten, unserem heute vorliegenden Änderungsan-tzhtSDdbdflagrwAdOSsuMunSTApfRpdsdsknÄaiaw
Nächster Redner ist der Kollege Gert Weisskirchen,
PD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!er Außenminister hat den Krisenbogen beschrieben,er uns direkt berührt, in dessen räumlicher Nähe wir le-en: die arabische Welt. Sie befindet sich in einem fun-amentalen Wandel und in einem Umbruch, der viel tie-er geht als das, was wir Europäer an Umbrüchen in denetzten 15 Jahren erlebt haben.Wenn man sich die Region genau anschaut, dann wirduch klar, warum es so einen dramatischen Unterschiedibt zwischen den Transformationsprozessen, die in Eu-opa stattgefunden haben und noch stattfinden, und dem,as der arabischen Welt bevorsteht. Dort gibt es keinennker, an dem sich die Länder festhalten können. An-ers war es bei den Ländern, die damals den Wandel insteuropa durchgesetzt haben. Sie hatten einen Anker:ie konnten in die Europäische Union, nach Westen undich dort erstens in Bezug auf Stabilität, Konsolidierungnd Demokratie und zweitens in Richtung ökonomischerodernisierung orientieren. So konnten sie den Versuchnternehmen, zivilisatorische Nachholprozesse zu orga-isieren. Das ist der Unterschied zur arabischen Welt.Unsere Aufgabe ist es, der arabischen Welt in dieserituation, die zurzeit erlebt wird und die in Angst, zumeil in Verzweiflung mündet, eine vernünftige, klugentwort zu geben. Die auswärtige Kultur- und Bildungs-olitik, der Islamdialog ist eine solche Antwort. Ich binroh darüber, dass der Außenminister am Schluss seinerede deutlich gemacht hat, dass die auswärtige Kultur-olitik einer der ganz zentralen Punkte – mit Blick aufas, was künftig zu tun ist, vielleicht sogar das Herz-tück – unserer Außenpolitik ist. Ich bin froh darüber,ass das in Ihren Händen ist. Diese Politik wird fortge-etzt und das Parlament wird Sie dabei unterstützen.
Die Angst, die man in der arabischen Welt erlebenann, sucht sich Fluchtwege. Um nur ein Beispiel zuennen: Seit 1976 ist die Hälfte aller Ärztinnen undrzte – vorwiegend Ärzte –, die in der arabischen Weltusgebildet worden sind, ausgewandert, in die USA odern die Europäische Union. Die Angst verlangt aber einendere Antwort. Diese Antwort zu finden, dazu könnenir etwas beitragen. Wir können die entwickelten
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Gert Weisskirchen
Instrumente verstärken und, wo es nötig ist, zuspitzen.Zum Beispiel halte ich es für zwingend erforderlich,dass der Islamdialog an folgendem Punkt ergänzt underweitert wird, Herr Außenminister: Wir sollten nicht al-leine – was wichtig genug ist – mit den politischen Ak-teuren, etwa Parlamentariern, in diesen Regionen Kon-takte pflegen und ausbauen, sondern darüber hinaus denJugendlichen in dieser Region die Chance zu einer Be-gegnung mit Jugendlichen der Europäischen Union ge-ben. Ich glaube, dass das eines der ganz zentralen neuenInstrumente sein muss. Damit ist schon begonnen wor-den, aber das muss ausgebaut und verstärkt werden.Denn die Begegnung zwischen jungen Menschen ist Teildessen, wonach die islamische Welt – das ist einer derGründe, warum sie sich gegenwärtig in Aufruhr befindet –geradezu sehnsüchtig sucht: Anerkennung und Achtungihrer eigenen Religion.Ich glaube, an diesem Punkt kann der Islamdialog einungeheuer vernünftiges, kluges Instrument sein, das un-verzichtbar ist und an dem wir weiterarbeiten müssen,liebe Kolleginnen und Kollegen.
Das ist auch deshalb nötig, weil die Modernisierungs-versuche, die in der arabischen Welt seit Jahrzehnten un-ternommen werden, allesamt gescheitert sind, und zwarauch deshalb, weil die Konzepte, die als Modernisie-rungsversuche überlegt worden sind, entliehene Kon-zepte waren; entliehen aus der europäischen Welt nachdem Vorbild des Kolonialismus. Der erste Versuch war,den Nationalismus zu adaptieren, zu übernehmen, ob-wohl die Europäer schon damals erkannt hatten, dass dasfalsch war. Ich nenne nur das Beispiel der PLO. Der Ver-such, den Nationalismus auf die eigene Region zu über-tragen, ist gescheitert; er musste scheitern. Schon in demMoment war klar, dass der blinde Aktionismus der PLOnur in die Leere gehen oder gar zu etwas viel Gefährli-cherem führen kann – das war schon zu Beginn zu er-kennen –: In dem Moment, wo die Enttäuschungen überdie Fehlkonzepte der europäischen Welt, wie etwa derNationalismus eines war, in dieser Region explodieren,gibt es einen Adressaten, bei dem man den Hass abladenkann, nämlich Israel.
Herr Kollege, darf ich Sie sanft an die Zeit erinnern?
Ich meine, gerade aus diesem Grunde haben wir
Deutsche und wir Europäer die Aufgabe, die Pflicht, da-
für zu sorgen, dass die Modernisierungsblockaden in der
arabischen Welt aufgelöst werden, damit Israel als Anker
der Modernisierung und der Demokratie in dieser Re-
gion eine andere und noch bessere Chance hat, als es ge-
genwärtig der Fall ist. Auch deshalb ist es wichtig, dass
der Islamdialog fortgesetzt wird.
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Nächster Redner ist der Kollege Rainder Steenblock,ündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ehr verehrter Herr Außenminister, Sie haben im außen-olitischen Teil Ihrer Rede eine ganze Reihe von Fragenngeschnitten, in denen Sie in diesem Hause über dieegierungsfraktionen hinaus sicherlich eine breite Un-erstützung haben werden.Das Wenige, das Sie heute zu Europa gesagt haben,at mich doch sehr enttäuscht. Sie haben im Grunde nururz auf die Frage des Verfassungsvertrages hingewie-en, so wie er auf dem letzten Rat behandelt worden ist. –ehr geehrte Frau Kollegin Schwall-Düren, ich sprecheerade mit dem Außenminister.
In diesem Hohen Hause ist es in der Regel so, dassan das vom Rednerpult aus macht. Es hat sich aber, ge-ade wenn ein Vertreter der Opposition redet, eingeschli-hen, dass andere als der Redner, der am Rednerpultteht, mit den Vertretern und Vertreterinnen der Regie-ung sprechen. Ich finde diesen Stil in diesem Hauseicht in Ordnung. Das will ich in aller Ruhe sagen.
Ich bin nicht derjenige, der berufen ist, irgendjeman-en zu verteidigen.
ch finde, wir haben Regularien, die wir alle einhaltenollten. Daran möchte ich in aller Ruhe erinnern.
Herr Außenminister, Sie haben zwar auf die gewach-ene Bedeutung Deutschlands und die Erwartungen, dien uns gerichtet werden, hingewiesen. Es wäre aber auchotwendig gewesen, etwas zum Inhalt der Verfassungs-ebatte zu sagen. Sie hätten darstellen können, dass wirm nächsten Jahr während der deutschen Ratspräsident-chaft nicht nur Vorschläge dazu machen wollen, wieas Verfahren weitergeht – es wäre zu wenig, diesbezüg-ich nur eine Tagesordnung aufzustellen –, sondern auchazu, wie wir in der Sache vorankommen. Diese Verant-ortung liegt zu einem ganz großen Teil bei uns. Da-über müssen wir mit unseren Freundinnen und Freun-en reden. Dieser Verantwortung sollten wir uns nichtntziehen.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006 3603
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Rainder SteenblockDas heißt natürlich auch, dass wir das Gespräch mitden Menschen in diesem Lande suchen müssen. DieEuropäische Union hat sich mit ihrer Kommunikations-strategie nicht besonders mit Ruhm bekleckert. ImGrunde findet in der EU keine Debatte über die Konse-quenzen aus den Voten von Frankreich und den Nieder-landen statt. Wir brauchen eine neue Kommunikations-initiative, um die Menschen in der EU tatsächlich wiederfür die europäischen Ideen zu begeistern. Der Internatio-nalismus, der die Herzen der Menschen in diesem Landeerobert hat – das sehen wir bei dieser Weltmeister-schaft –, ist eine gute Grundlage dafür, um europäischePolitik aus Deutschland heraus zu gestalten. Es ist wich-tig, dass die Bundesregierung intensivere Kommunika-tion betreibt, als Sie das heute dargestellt haben.Sie haben die Frage der Erweiterung so gut wie garnicht angesprochen. Auch die Energie wird ein zentralesThema auf dem Frühjahrsgipfel, den die deutsche Rats-präsidentschaft durchführen wird, sein. Sie haben dazuund zum Lissabonprozess nichts gesagt.
Die Bundesregierung wird natürlich an der Frage ge-messen, ob sie in der Lage ist, diesen Themenkatalog ab-zuarbeiten. In Bezug auf die Frage des Verfassungsver-trages stimmt mich sehr nachdenklich, dass der Ratbeschlossen hat, den Zeitplan so aufzubauen, dass erstunter der französischen Ratspräsidentschaft auf dem De-zembergipfel am Ende des Jahres 2008 eine Entschei-dung über den Verfassungsvertrag erfolgt. Ich halte die-sen Zeitablauf vor dem Hintergrund der Debatten, diewir führen, für hochgefährlich. Der vorgesehene Zeit-punkt der Entscheidung liegt wenige Wochen vor derEuropawahl.Wenn man möchte, dass die Menschen in der EU aus-reichend Zeit haben, um über diesen gegebenenfallsneuen Verfassungsvertrag zu diskutieren, brauchen wireine andere Zeitplanung, sodass sich die Menschen inder EU ernst genommen fühlen. Wir müssen die Men-schen in dieser Debatte mitnehmen.
Das Gleiche gilt für die Frage der Erweiterung derUnion. Sie haben – das unterstütze ich sehr – die Per-spektive für den Balkan angesprochen. In diesem Zu-sammenhang stellt sich auch die Frage – da gebe ich Ih-nen völlig Recht –, wie man zu Serbien steht. Auch ichhalte die Stimmung und Perspektivlosigkeit, die sich imAugenblick auf dem Balkan zusammenbrauen, für hoch-brisant. Deshalb, glaube ich, sind wir gut beraten, die Er-weiterungsdiskussion so zu führen, dass die Menschenund die Staaten dort eine Perspektive erhalten.
Es wird nicht anders gehen. Sonst drohen uns extremgroße Gefahren.Jeder, der sich dort aufhält, weiß, dass die Diskussio-nen, die derzeit dort geführt werden, fast schon ein Pul-verfass darstellen. Auch aus diesem Grunde bin ich da-für, dass die Erweiterungsverhandlungen mit KroatienvwasBevdDSiVggsmamWodAwdEMEswAsCu
Lassen Sie mich zum Schluss noch Folgendes – wasch sehr ärgerlich finde – sagen. Wenn wir angesichts derertrauenskrise der Europäischen Union, die es im Au-enblick gibt, die Menschen begeistern wollen, dannilt: Wir brauchen Transparenz. Wir müssen den Men-chen sagen, was passiert. Ein Beispiel ist der Umgangit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahlerus Deutschland. In diesen Zusammenhang gehört fürich die Frage der Transparenz entscheidend dazu.
enn dann die Bundesregierung, der Bauernverbandder wer auch immer sagen, dass sie keine Offenlegungahin gehend wollen, wo zum Beispiel Mittel aus dergrarförderung oder der Strukturförderung ausgegebenerden, dann ist das nicht nur beschämend. Vielmehr istas genau der falsche Weg, wenn man Menschen für dieU begeistern und sie mitnehmen will.
Deshalb glaube ich, dass wir an dieser Stelle mehrut brauchen. Die Menschen in Deutschland und in derU sind nicht gegen die europäische Integration. Aberie wollen wissen, was passiert. Wir haben die Verant-ortung, mit ihnen darüber zu diskutieren. Das ist eineufgabe, der sich die Bundesregierung in der Zukunfttärker als in der Vergangenheit widmen muss.Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Erika Steinbach,
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnennd Kollegen! Es ist nötig, dass wir in einer Haushalts-
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Erika Steinbachdebatte eben nicht nur über Geld reden, sondern auchüber Menschen und ihre Rechte, insbesondere beimThema Außenpolitik. Erfreulicherweise haben das jaauch alle Redner getan; die Menschenrechte haben inden Reden eine sehr deutliche Rolle gespielt.Seit Montag dieser Woche trifft sich in Genf der neugegründete Menschenrechtsrat. Mit der hochrangigenVertretung Deutschlands durch Außenminister Frank-Walter Steinmeier und den neuen Menschenrechtsbeauf-tragten der Bundesregierung, unseren früheren KollegenGünter Nooke, zeigt Deutschland, welche Bedeutung esdem Thema Menschenrechte zumisst. Es wird nicht diezweite, die dritte oder die vierte Garnitur geschickt; viel-mehr ist es gut, dass Sie, Herr Außenminister, persönlichdort teilnehmen.
Deutsche Außenpolitik kümmert sich eben nicht nurum Wirtschaftskontakte – so wichtig sie auch immersind – oder um Sicherheitspolitik, sondern auch umMenschenrechte. Finanziell ist das wohl eher eine zuvernachlässigende Größenordnung im Haushalt des Aus-wärtigen Amtes oder im gesamten Bundeshaushalt; mo-ralisch aber ist dieser Einsatz von herausragender Be-deutung. Er muss immer wieder in den Vordergrundgestellt werden.Wie nötig der Einsatz für Menschen ist, zeigt dieVielzahl von erschütternden Berichten über Menschen-rechtsverletzungen weltweit. Ein Blick nach Chinamacht das aktuell sehr deutlich. Das Schicksal des chine-sischen Regierungskritikers und Umweltaktivisten FuXiancai, der schwere Verletzungen durch brutale Schlä-ger erlitten hat, weil er um sein Recht kämpfte, und diedann unterlassene notwendige medizinische Behandlunghaben viele bei uns in Deutschland berührt; ja, es hatviele Menschen auch erschüttert. Erst die finanzielle Un-terstützung von deutscher Seite hat es am Ende ermög-licht, dass dieser Mann operiert werden konnte. Auchwenn ihm diese Operation wohl das Leben gerettet hat,wird er wahrscheinlich leider querschnittsgelähmt blei-ben und im Rollstuhl sitzen müssen. Dieses Beispiel istnur ein kleiner Ausschnitt aus dem chinesischen Alltag.Es zeigt aber, wie richtig die Bundeskanzlerin lag, als siebei ihrem Staatsbesuch in China vor Ort die Einhaltungder Menschenrechte dezidiert gefordert hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen vom Koalitionspart-ner, ich verkneife mir, zu sagen, dass ich diesen Paradig-menwechsel in der deutschen Außenpolitik begrüße;denn ich weiß, dass es Sie ein wenig treffen würde. Da-rum sage ich es ausdrücklich nicht.
Aber nicht nur im entfernten Asien, in Afrika, in Süd-amerika oder auch in Guantanamo – das sage ich mitBlick auf die Vereinigten Staaten – stellen wir tagtäglichMeSBRRHtiuidedrBkodrnSsTs§„bdldddkuSGnKTAnUdClbsrM
Ich bitte die Bundesregierung, sich weiterhin so inten-iv wie in den vergangenen Monaten für Menschen-echtsfragen einzusetzen, und danke für das in diesenonaten gezeigte Engagement.
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Das Wort hat der Kollege Michael Link, FDP-Frak-
tion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-
gen! Die Frau Bundeskanzlerin hat mit ihrem Wort vom
Sanierungsfall bewusst oder unbewusst vielleicht das
Wort der Woche, vielleicht das Wort des Monats und
vielleicht sogar mehr geprägt.
Ich will über einen anderen Sanierungsfall reden, den
Sanierungsfall Europäische Union. Ich konzentriere
mich dabei insbesondere auf die Finanzen. Ich denke,
wir sind uns da gar nicht so uneinig, denn immerhin ist
unter starker Mitwirkung der Bundeskanzlerin und des
Bundesaußenministers – wir haben das begrüßt – ein Be-
schluss herbeigeführt worden, dass die gesamten Ein-
nahmen und Ausgaben der Europäischen Union 2008
auf den Prüfstand sollen. Auch das nennt man einen Sa-
nierungsfall. Gerade weil gegenwärtig so vieles bei den
Finanzen der EU im Argen liegt, haben wir als FDP im
Europäischen Parlament genauso wie hier den im De-
zember letzten Jahres in Brüssel gefundenen Kompro-
miss bezüglich der finanziellen Vorausschau, die nicht
weniger als sieben Jahre gelten soll, abgelehnt.
Ein solcher Beschluss – das muss man sich einmal
klar machen; es ist ja auch vielen, die sich mit dieser ex-
trem komplizierten Materie EU-Haushalt befassen, nicht
klar – bindet uns hier auf sieben Jahre. Wir könnten nicht
einfach von einem Jahr zum anderen sagen, wir nehmen
unser Entscheidungsrecht wahr. Dieses Recht haben wir
nämlich nicht. Deshalb müssen wir – das ist ein ganz
entscheidender Punkt, wo das Parlament über die Frak-
tionsgrenzen hinweg endlich tätig werden muss – dazu
kommen, dass in Zukunft vor Entscheidungen, die sich
über sieben Jahre bindend auf den Bundeshaushalt aus-
wirken, wirklich eine substanzielle Befassung damit im
Parlament stattfindet und dem Bundestag auch ein wirk-
liches Mitspracherecht zukommt und nicht nur das
Recht, einen solchen Beschluss im Nachhinein abzuseg-
nen.
Das Stichwort „im Nachhinein“ möchte ich zum An-
lass nehmen, daran zu erinnern, wie spät wir beim letz-
ten und bisher einzigen Mal darüber abgestimmt haben:
Etwa zwei Jahre, nachdem die finanzielle Vorausschau
von den Staats- und Regierungschefs der Europäischen
Union beschlossen wurde, bekamen wir nämlich den so
genannten EU-Eigenmittelbeschluss zur Ratifizierung
vorgelegt. Glauben Sie im Ernst daran, dass jemand die
finanzielle Vorausschau, nachdem sie schon zwei Jahre
Basis für das Handeln war, ablehnen könnte? Es sind
beileibe auch keine Peanuts, über die wir hier reden, son-
dern es geht jedes Jahr um 21 Milliarden Euro, über die
der Bundestag eigentlich nicht wirklich mitentscheiden
darf. Das ist, meine Damen und Herren, Demokratiede-
fizit live.
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Wir haben es heute sehr stark vermisst, von Ihnen,
err Bundesaußenminister, dazu etwas zu hören. Wir
issen zwar, dass gegenwärtig die Verhandlungen über
ie Vereinbarung zwischen Bundestag und Bundesregie-
ung laufen, aber zumindest eine Absichtserklärung
äre schön gewesen. Zu einem Zeitpunkt, wo wir mer-
en, dass zurückgerudert wird, leider auch bei Punkten,
ie die Kollegen von der CDU/CSU letztes Jahr selber in
en Deutschen Bundestag eingebracht haben, wäre es
och wichtig, ein Signal zu setzen, dass der Deutsche
undestag bei Vertragsänderungen und bei Beschlüssen
ber weitere Erweiterungsschritte im Vorfeld eingebun-
en wird, und zwar auch in der Art, dass, wie es im An-
rag der CDU/CSU vom 25. Januar 2005 noch heißt, mit
em Bundestag Einvernehmen hergestellt wird.
Wenn sich die derzeitige Bundesregierung, in der ja
uch Abgeordnete der damaligen Opposition vertreten
ind, nicht an das hält, was damals gesagt wurde, und
enn auch die Frau Bundeskanzlerin in diesem Punkt
icht den Mut hat, dem Parlament die Rechte zu geben,
ie sie damals selbst eingefordert hat, dann hat die Bun-
esregierung ein Glaubwürdigkeitsproblem. Deshalb
erden wir dieses Thema weiterhin massiv propagieren.
ir als FDP sagen deshalb auch zum Bundesaußen-
inister: Trauen Sie in den Bereichen europäische Fi-
anzen und auch Mitwirkungsrechte der frei gewählten
arlamentarier dem Bundestag mehr zu. Wir sind hier
eine Populisten, die ein „race to the bottom“ veranstal-
en wollen. Wir wollen mit der Regierung Schritte für
ie EU unternehmen: beim Geld, bei der Erweiterung,
ei der Verfassung. Das geht aber nur, wenn wir nicht
ur hinterher abnicken dürfen, sondern auch mitreden
ürfen.
Danke schön.
Nächster Redner ist der Kollege Axel Schäfer, SPD-
raktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ein Bochumer Mitbürger Herbert Grönemeyer hat bei
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3606 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006
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Axel Schäfer
der WM-Fußballhymne getextet: „Zeit, dass sich wasdreht“. Das stimmt. Das stimmt, Gott sei Dank, auch fürEuropa.Das Erste. Wir bringen Soziales wieder voran. Ges-tern hat der Kommissionspräsident Barroso in seinemBericht vor dem Europäischen Parlament so häufig überdie Notwendigkeit von sozialer Verantwortung und Zu-sammenhalt geredet wie nie zuvor in seiner Amtszeit. Esist wichtig, dass wir deutlich machen: Europa wird Men-schen nur überzeugen, wenn es auch als Sozialgemein-schaft funktioniert. Es ist gut, dass sich in der Kommis-sion etwas gedreht hat, dass sie dazugelernt hat und dassdaher der kalte Marktradikalismus in Brüssel keineChance hat.
Das Zweite. Die Verfassung lebt.
Die Initiative des Außenministertreffens und des EU-Gipfels haben das deutlich gezeigt. Es hat sich auch ge-zeigt, was die Neinsager an Alternativen haben: Sie ha-ben keine. Sie haben keine konkreten Vorstellungen undsie haben keine Überlegungen, die irgendwo mehrheits-fähig sein könnten, geschweige denn konsensfähig. Des-halb ist es wichtig, dass wir das in der deutschen Rats-präsidentschaft weiterdrehen und dass wir zu gutenErgebnissen kommen. Ich glaube, das gehört genau andieser Stelle einmal gesagt.
Ein Drittes. Wir kommen mit der Parlamentarisie-rung voran. Es hat viele gute Gespräche gegeben, in diedie Obleute des Bundestages eingebunden waren und diesie vorangebracht haben. Es ist gut, dass sich auch dieBundesregierung an dieser Stelle bewegt. Ich gehe da-von aus, dass wir dort zu Ergebnissen kommen, die indiesem Hause mit breiter Mehrheit tragfähig sind.
Neben Bewegung und Änderung geht es in Europaauch immer um Kontinuität. Ein Teil dieser Kontinuitätist der Bundesaußenminister. Frank-Walter Steinmeierformuliert ja eher bescheiden; aber er spricht zu Rechtvon Selbstbewusstsein. Wir als Deutsche müssen in Eu-ropa und auch für Europa selbstbewusst auftreten.Ich habe gerade die Ticker-Meldung aus Wien erhal-ten: Beim EU-USA-Gipfel hat Präsident Bush angekün-digt, dass Guantanamo geschlossen werden soll. Das istauch ein wichtiger Erfolg für Europa. Das ist ein wichti-ger Erfolg für unsere Politik, die heißt: Wir setzen aufdie Stärke des Rechts und nicht auf das Recht des Stär-keren.
Herbert Grönemeyer hat in seiner Fußball-WM-Hymne im englischen Text geschrieben:… never stop fighting, moving as one will stillwork for all.DpsgarpCgsdsrvdumwdiltntgswdiAcamnlSDhndsHKn
Das Wort hat der Kollege Herbert Frankenhauser,
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-en! Es ist nicht sehr einfach, am Ende einer Debatte, dieich Haushaltsdebatte nennt, aber vorwiegend geprägt isturch außenpolitische Ausführungen mit sehr starkportpolitischen Inhalten, noch einmal zum Haushalt zu-ückzukommen.Zunächst kann ich mit Freude feststellen – wir habeniel über Fahnen gesprochen –, Herr Außenminister,ass wir beide heute gemeinsam noch die Farben Weißnd Blau des Freistaates Bayern hier vertreten. Das kannan auch als Symbol der Harmonie in der Koalitionerten.
Es ist darauf hingewiesen worden, dass der Haushaltes Auswärtigen Amtes ein außerordentlich schwierigerst. Das ist er wohl auch deswegen, weil in den zurück-iegenden Jahren die Aufgaben des Auswärtigen Am-es überproportional zugenommen haben, aber die dafürotwendige finanzielle Ausstattung nicht Schritt gehal-en hat. Es kam eine Menge von zusätzlichen Belastun-en insbesondere auf die Mitarbeiter zu, denen von die-er Stelle aus zu Recht schon gedankt worden ist. Auchir im Haushaltsausschuss wissen, dass vieles notwen-ig oder zumindest wünschbar wäre, insbesondere wennch an unsere Mittlerorganisationen denke, die exzellenterbeit leisten. Wir würden den Wünschen gerne entspre-hen, aber wir sind in einem gewissen Maße verpflichtet,n der Konsolidierung des Bundeshaushalts teilzuneh-en, wobei ich die Auffassung teile, dass wir im Perso-albereich, wenn die Aufgaben beibehalten werden sol-en, künftig wohl nicht mehr an der pauschalentellenkürzung teilnehmen können.
as müssen schon die ersten Beratungen für den anste-enden Haushalt 2007 zeigen. Ebenso wollen wir beimächsten Haushalt unsere Koalitionsvereinbarung überie Stärkung der deutschen Schulen im Ausland um-etzen und diese entsprechend dotieren. Es bleibt Ihnen,err Außenminister, die gütige Hilfe unseres Kollegenoppelin, der Ihnen angeboten hat, dass Sie künftig dasötige Geld selber drucken dürfen.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006 3607
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Herbert FrankenhauserEs ist schon angesprochen worden, dass es eine ge-wisse Grundskepsis der Bevölkerung gegenüber der EUgibt, die nicht zuletzt auch darin begründet ist, dass dieLeute nicht mehr erkennen können, ob mit ihren Steuer-geldern ordnungsgemäß und ordentlich umgegangenwird. Deswegen scheint mir für den Einigungsprozessaußerordentlich wichtig zu sein, der Bevölkerung die Si-cherheit zu geben, dass die Steuergelder ordentlich ver-wandt werden. Daher bitte ich Sie, Herr Außenminister,um Unterstützung bei der Offenlegung zum Beispiel derStrukturmittel des EU-Haushalts, die immerhin einDrittel des gesamten EU-Haushaltes ausmachen, der bis2013 auf sage und schreibe 308 Milliarden Euro an-wachsen soll. Ich denke, es ist im gemeinsamen Inte-resse, eine solche Offenlegung dieser Fördergelder fürdie Landwirtschaft und für die Strukturprogramme hin-zubekommen. Das muss nicht unbedingt, wie befürchtetwird, ein Datenfriedhof werden. Wer Gelder ordentlichverwendet, braucht keine Sorge zu haben, die Daten of-fen zu legen.
Ich möchte eine weitere Bitte an Sie, Herr Außenmi-nister, richten. Es werden die Zahlungen an die Auto-nomiebehörde Palästinas jetzt wieder aufgenommen,wenn auch nicht direkt an die Regierung. Ich bitte, dafürSorge zu tragen, dass der fast ausschließlich aus EU-Geldern finanzierte palästinensische Sender PA TV da-mit aufhört, weiterhin quasi mit unserem Geld zur Ver-nichtung des Staates Israel aufzurufen. Das kann nichthingenommen werden.
Vieles ist wünschenswert. Sie haben zu Recht dieSorge um die adäquate Finanzausstattung geäußert, da-mit sich Deutschland nicht nur personell – das ist durchdie Bundeskanzlerin und das Kabinett gewährleistet –während der EU-Präsidentschaft darstellen kann. Dasbedeutet, dass auch das Equipment entsprechend seinsoll. Ich glaube, für alle Kollegen in der Koalition spre-chen zu dürfen, wenn ich sage, dass dafür in ausreichen-dem Maße vorgesorgt wird. Wir haben bereits Mittel be-reitgestellt.
– Ich habe die besorgten Einwände des KollegenKampeter zur Kenntnis genommen. Wir werden dafürsorgen, dass diese Präsidentschaft nicht nur inhaltlich,sondern insgesamt ein voller Erfolg wird.Gestatten Sie mir noch ein paar Anmerkungen zu derProblematik Goethe-Institut. Ich denke, es muss auchvon dieser Stelle aus einmal deutlich gesagt werden,dass die Maßnahmen zur Konsolidierung des Bundes-haushalts nicht an einem einzigen Institut – die Zentraledes Goethe-Instituts befindet sich in der BundesrepublikDeutschland – vorbeigehen können. Wenn wir das be-rücksichtigen, müssen wir feststellen, dass die Vorge-hensweise dieses Instituts, zunächst einmal die Feuille-tons damit zu füttern, wie viele Institute wegen dermwksehAMhitZWhaddhHdBMblsuBwpHadDCDfEnBdad
altet, die das Goethe-Institut als Mittlerorganisation imusland zu erbringen hat, und die b) aufzeigt, welcheöglichkeiten der Umorganisation im Hause selbst vor-anden sind. Von der Sparsamkeit ist auch die Zentralen München nicht auszunehmen, weil das Goethe-Insti-ut die vornehmliche Arbeit im Ausland und nicht in derentrale in München vorzunehmen hat.
enn diese Informationen vorliegen, wird der Haus-altsausschuss – davon bin ich überzeugt – Verständnisufbringen und für eine vernünftige Finanzausstattungieses Instituts sorgen. Ich bitte das Goethe-Institut aberringend, von der umgekehrten Vorgehensweise abzuse-en.Ich unterstütze nachdrücklich den Vorschlag desauptberichterstatters, doch auch einmal über die Frageer Zuständigkeiten und der Ablehnungspraxis bei denauten des Auswärtigen Amtes nachzudenken.
ir schwebt in diesem Zusammenhang keine neue Bau-ehörde vor, sondern eine Einrichtung, die es ermög-icht, dass die notwendigen Botschaften im Auslandachgerecht, schnell und unkompliziert errichtet werden,nd die dafür sorgt, dass die eingesparten Mittel, zumeispiel für Schneefanggitter in Afrika, sinnvoll ver-endet werden.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzel-lan 05 – Auswärtiges Amt – in der Ausschussfassung.ierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linkeuf Drucksache 16/1863 vor. Wer stimmt für diesen Än-erungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –er Änderungsantrag ist mit den Stimmen von SPD,DU/CSU und FDP bei Gegenstimmen der Fraktionenie Linke und Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.Wer stimmt für den Einzelplan 05 in der Ausschuss-assung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Derinzelplan 05 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktio-en bei Gegenstimmen der Fraktionen Die Linke,ündnis 90/Die Grünen und FDP angenommen.Zusatzpunkt 2. Wir kommen zur Abstimmung überen Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünenuf Drucksache 16/1885 mit dem Titel „Neubesetzunges Amtes des Koordinators für die deutsch-russische
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3608 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastnerzwischengesellschaftliche Zusammenarbeit“. Die Frak-tion Bündnis 90/Die Grünen verlangt namentliche Ab-stimmung.Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, dievorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind die Plätze anden Urnen besetzt? – Sind die Schriftführer an den Ur-nen? – Das ist der Fall.Ich eröffne die Abstimmung.Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seineStimme nicht abgegeben hat? – Ich glaube, jetzt habenalle Mitglieder des Hauses ihre Stimme abgegeben.Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schrift-führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zubeginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnenspäter bekannt gegeben.1)Ich bitte all diejenigen, die sich anderweitig unterhal-ten wollen, ihre Gespräche außerhalb des Plenarsaals zuführen.Ich rufe Tagesordnungspunkt I.8 auf:Einzelplan 14Bundesministerium der Verteidigung– Drucksachen 16/1313, 16/1324 –Berichterstattung:Abgeordnete Johannes KahrsSusanne JaffkeBartholomäus KalbJürgen KoppelinDr. Gesine LötzschAlexander BondeZum Einzelplan 14 liegen zwei Entschließungsan-träge der Fraktion der FDP und ein Entschließungsantragder Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen vor, über diewir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmenwerden.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ichhöre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-gin Elke Hoff, FDP-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnenund Kollegen! Die meisten Fachpolitiker in diesemHause sind sich sicherlich darüber einig, dass der jetztvorliegende Entwurf des Verteidigungshaushaltes für dasJahr 2006 noch nicht all die Zumutungen enthält, dieschon in wenigen Wochen mit dem Entwurf desVerteidigungshaushaltes 2007 mit voller Wucht auf unszukommen werden. Aber schon der Haushaltsent-wurf 2006 entspricht nicht dem, was sich der Bundesver-teidigungsminister vorgenommen hat und was auch nureeegdh1d3UnabskniaHAgsndwMindKdSkivmdisghvuwAust1) Seite 3609 D
Tatsächlich sinkt der Verteidigungshaushalt um mehrls 20 Millionen Euro. Auch die Kosten, die durch denevorstehenden Kongoeinsatz der Bundeswehr als zu-ätzliche Belastungen auf den Verteidigungshaushalt zu-ommen, nämlich 56 Millionen Euro plus XXL, sindoch nicht berücksichtigt. Von Herrn Steinbrück habech bis heute noch nicht gehört, dass er diesen Einsatzus seinen leeren Schatullen finanzieren will, wie vonerrn Minister Jung angekündigt. Dagegen werden dieuslandszulagen unserer Soldaten im Kongo zum Ge-enstand der öffentlichen Auseinandersetzung. Es istchlimm, Herr Minister, dass Sie in der Bundeswehricht für Ruhe sorgen.
Schon bei der Verabschiedung dieses Haushaltes sindie Vorgaben des Bundeswehrplanes 2006, also desichtigsten Planungsdokumentes für die Bundeswehr,akulatur. Tatsächlich wird der ermittelte Finanzbedarfn Höhe von 24,2 Milliarden Euro um bis zu 430 Millio-en Euro unterschritten. Ein so massives Unterschreitener Finanzvorgabe des Bundeswehrplanes hat fataleonsequenzen für die zukünftige Ausrüstung der Bun-eswehr, da diese Lücke nur durch eine weitere Rundetreichen, Strecken und Kürzen geschlossen werdenann.Die Situation im Hinblick auf den Materialerhalt, diensbesondere beim Heer bereits heute dramatisch ist,erschärft sich weiter und beeinträchtigt damit zuneh-end die Einsatzbereitschaft, und zwar auch die der Sol-aten, die sich im Auslandseinsatz befinden. Es grenztnzwischen an Verantwortungslosigkeit, bestehende Ein-atzverpflichtungen weiterhin zu mandatieren undleichzeitig neue Verpflichtungen einzugehen, ohne dieierfür notwendigen Mittel bereitzustellen.
Die Bundesregierung muss, indem sie ihren Haushaltorlegt, die Frage beantworten, was ihr die Sicherheitnd die internationalen Verpflichtungen unseres Landesert sind. Nach Bekundungen von allen Seiten darf dieusrüstung der Bundeswehr keinen Kompromissennterliegen. Die Soldatinnen und Soldaten im Einsatzind mit dem besten und sichersten Material auszustat-en, welches zur Verfügung steht. Eine Erhöhung der
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Elke HoffAnzahl geschützter Fahrzeuge, aber auch die dringendnotwendige Beschaffung eines Schutzsystems gegenSprengfallen gehören an die Spitze der Agenda. Wirmüssen daher neue Spielräume schaffen, um die Bun-deswehr adäquat auszurüsten. Dies wird mittelfristig nurmöglich sein, wenn wir bei der Beschaffung des Euro-fighters und des A400M Abstriche machen.
Niemand in der Bundeswehr behauptet heute nochernsthaft, der Kauf von 180 Eurofightern sei zwingendnotwendig.
Diese Stückzahl entspricht nicht den sicherheitspoliti-schen Anforderungen. Was wir dagegen brauchen, isteine Mehrrollenbefähigung des Eurofighters. Daher hatdie FDP-Fraktion die Reduzierung des dritten LosesEurofighter sowie die Überprüfung einer Weiterveräuße-rung von Eurofightern an Drittstaaten beantragt. Glei-ches gilt für die Beschaffung von 60 Transportflugzeu-gen vom Typ A400M. Die Beschaffung des A400M un-terliegt der Prämisse, dass er zu einer Verlegeoperationfähig sein muss. Aber dazu werden selbst nach Angabendes Ministeriums nur 49 Maschinen benötigt. Um finan-ziell neue Spielräume zu gewinnen, ist es deshalb ausder Sicht der FDP geboten, den Umfang der Beschaf-fung des A400M auf 49 Stück zu begrenzen. Eine Redu-zierung der Stückzahl ist auch deshalb nötig, weil derzeitgleiche Zulauf neuer Flugzeuge bei Weiternutzungder vorhandenen zu einer Explosion der Betriebskostenführt. Schon jetzt ist absehbar, dass sich die Bundeswehrnicht einmal die für die Schulung des Personals erforder-lichen Flugstunden leisten kann. Es ist abenteuerlich,dass die Bundeswehr teures Gerät beschafft, ohne dessenBetrieb finanzieren zu können!
Ähnliche Probleme gibt es offenbar bei der Ausbildungvon Personal, das einen Auslandseinsatz vor sich hat,im Umgang mit geschützten Fahrzeugen. In Afghanistanstehen dem Vernehmen nach geschützte Fahrzeuge zurVerfügung, die, weil unsere Soldatinnen und Soldaten zuHause nicht die Möglichkeit hatten, auf diesem Gerätausgebildet zu werden, nicht eingesetzt werden können.Wenn das stimmt, wäre das ein Skandal.
Die Entwicklung der Bundeswehr weg von Streitkräf-ten, die vorrangig die Heimat schützen, hin zu einer Ar-mee im Einsatz soll nach dem Willen der jetzigen Bun-desregierung fortgeschrieben werden. Daher ist esnotwendiger denn je, die sicherheitspolitischen Interes-sen Deutschlands, aber auch die Grenzen möglicher zu-künftiger Auslandseinsätze zu definieren. Obwohl derRessortentwurf eines Weißbuches den Fraktionen desDeutschen Bundestages immer noch nicht auf einem an-gzPNBdwsgre3dismlkvcdlBcmmjwbdiRucZdbDzrmdmtZM4
Herr Minister Jung, führen Sie endlich eine eigeneesoldungsordnung für Soldaten ein, die der berufli-hen Realität gerecht wird und spürbare Verbesserungenit sich bringt! Andernfalls werden Sie aus den kom-enden geburtenschwachen Jahrgängen nicht mehr dieungen Menschen gewinnen können, die Sie für die Be-ältigung der immer anspruchsvoller werdenden Aufga-en brauchen, ganz zu schweigen von der Motivationer jetzt dienenden Soldatinnen und Soldaten.Man kann nicht immer neue Aufgaben annehmen undnternationale Verpflichtungen eingehen, die finanziellenahmenbedingungen aber unberührt lassen. Anspruchnd finanzielle Wirklichkeit klaffen gerade in der Si-herheitspolitik immer weiter auseinander. Es ist an dereit, dieses Auseinanderklaffen endlich zu stoppen, umen, wie es Außenminister Steinmeier in der vorigen De-atte betont hat, hohen internationalen Erwartungen aneutschland gerecht werden zu können.Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zurückum Zusatzpunkt 2 und gebe das von den Schriftführe-innen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der na-entlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktiones Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/1885it dem Titel „Neubesetzung des Amtes des Koordina-ors für die deutsch-russische zwischengesellschaftlicheusammenarbeit“ bekannt: Abgegebene Stimmen 557.it Ja haben gestimmt 127, mit Nein haben gestimmt10, Enthaltungen 20. Dieser Antrag ist damit abgelehnt.
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3610 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerEndgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 554;davonja: 128nein: 406enthalten: 20JaSPDMarco BülowWolfgang GrotthausOttmar SchreinerFDPJens AckermannDaniel Bahr
Angelika BrunkhorstPatrick DöringMechthild DyckmansJörg van EssenOtto FrickeHorst Friedrich
Dr. Edmund Peter GeisenHans-Michael GoldmannMiriam GrußDr. Christel Happach-KasanElke HoffBirgit HomburgerMichael KauchHellmut KönigshausJürgen KoppelinHarald LeibrechtIna LenkeSabine Leutheusser-SchnarrenbergerMichael Link
Markus LöningHorst MeierhoferPatrick MeinhardtBurkhardt Müller-SönksenGisela PiltzJörg RohdeFrank SchäfflerMarina SchusterDr. Hermann Otto SolmsDr. Max StadlerFlorian ToncarChristoph WaitzDr. Guido WesterwelleDr. Claudia WintersteinDr. Volker WissingHartfrid Wolff
Martin ZeilDIE LINKE.Hüseyin-Kenan AydinKarin BinderDr. Lothar BiskyHeidrun BluhmEva Bulling-SchröterDr. Martina BungeRoland ClausSevim DagdelenDr. Diether DehmDr. Dagmar EnkelmannKWDHLHDUJKOMDUDKKWBEPVDDFDDAJSBGKMVCBMGAEDDHKABWPPUDBTUSFRUMMAJKWBlaus Ernstolfgang Gehrckeiana Golzeeike Hänselutz Heilmannans-Kurt Hillr. Barbara Hölllla Jelpkean Korteatrin Kunertskar Lafontaineichael Leutertr. Gesine Lötzschlrich Maurerorothee Menznerornelia Möllerersten Naumannolfgang Neskovicodo Ramelowlke Reinkeaul Schäfer
olker Schneider
r. Ilja Seifertr. Petra Sitterank Spiethr. Kirsten Tackmannr. Axel Troostlexander Ulrichörn Wunderlichabine ZimmermannÜNDNIS 90/DIERÜNENerstin Andreaearieluise Beck
olker Beck
ornelia Behmirgitt Benderatthias Berningerrietje Bettinlexander Bondekin Deligözr. Thea Dückertr. Ursula Eidans Josef Fellai Gehringnja Hajdukritta Haßelmanninfried Hermanneter Hettlichriska Hinz
lrike Höfkenr. Anton Hofreiterärbel Höhnhilo Hoppete Koczyylvia Kotting-Uhlritz Kuhnenate Künastndine Kurth
arkus Kurthonika Lazarnna Lührmannerzy Montagerstin Müller
infried Nachtweirigitte PothmerKECIDRSHDJWJMNCUIPTNDGEVDOCRADJWWKMHDMGGLATMMGIDEIHDDKHDEJDHDDNrista Sagerlisabeth Scharfenberghristine Scheelrmingard Schewe-Gerigkr. Gerhard Schickainder Steenblockilke Stokar von Neufornans-Christian Ströbeler. Harald Terpeürgen Trittinolfgang Wielandosef Philip Winklerargareta Wolf
einDU/CSUlrich Adamlse Aignereter Albachhomas Bareißorbert Barthler. Wolf Bauerünter Baumannrnst-Reinhard Beck
eronika Bellmannr. Christoph Bergnertto Bernhardtarl-Eduard von Bismarckenate Blankntje Blumenthalr. Maria Böhmerochen Borchertolfgang Börnsen
olfgang Bosbachlaus Brähmigichael Brandelmut Brandtr. Ralf Brauksiepeonika Brüningeorg Brunnhuberitta Connemanneo Dautzenberglexander Dobrindthomas Dörflingerarie-Luise Döttaria Eichhorneorg Fahrenschonlse Falkr. Hans Georg Faustnak Ferlemannngrid Fischbachartwig Fischer
irk Fischer
r. Maria Flachsbarthlaus-Peter Flosbacherbert Frankenhauserr. Hans-Peter Friedrich
rich G. Fritzochen-Konrad Frommer. Michael Fuchsans-Joachim Fuchtelr. Peter Gauweilerr. Jürgen Gehborbert GeisERDJDURHMMMMKOHGUUMBEPKFAHDDADBHSABSVEJJJKMNDHTGDDJDADKDInEDPDSWDD
olker Kauderckart von Klaedenürgen Klimkeulia Klöcknerens Koeppenristina Köhler
anfred Kolbeorbert Königshofenr. Rolf Koschorrekartmut Koschykhomas Kossendeyunther Krichbaumr. Günter Kringsr. Martina Krogmannohann-HenrichKrummacherr. Hermann Kuesndreas G. Lämmelr. Norbert Lammertatharina Landgrafr. Max Lehmergbert Liebingduard Lintnerr. Klaus W. Lippoldatricia Lipsr. Michael Luthertephan Mayer
olfgang Meckelburgr. Michael Meisterr. Angela Merkel
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006 3611
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerFriedrich MerzLaurenz Meyer
Maria MichalkHans MichelbachPhilipp MißfelderDr. Eva MöllringCarsten Müller
Stefan Müller
Bernward Müller
Hildegard MüllerBernd Neumann
Henry NitzscheMichaela NollDr. Georg NüßleinFranz ObermeierEduard OswaldRita PawelskiDr. Peter PaziorekUlrich PetzoldDr. Joachim PfeifferSibylle PfeifferBeatrix PhilippRonald PofallaRuprecht PolenzDaniela RaabThomas RachelDr. Peter RamsauerPeter RauenEckhardt RehbergKatherina Reiche
Klaus RiegertDr. Heinz RiesenhuberFranz RomerJohannes RöringKurt J. RossmanithDr. Norbert RöttgenDr. Christian RuckAlbert Rupprecht
Anita Schäfer
Hermann-Josef ScharfHartmut SchauerteDr. Annette SchavanDr. Andreas ScheuerKarl SchiewerlingNorbert SchindlerGeorg SchirmbeckBernd SchmidbauerChristian Schmidt
Andreas Schmidt
Ingo Schmitt
Dr. Andreas SchockenhoffDr. Ole SchröderBernhard Schulte-DrüggelteUwe SchummerKurt SegnerBernd SiebertJohannes SinghammerJens SpahnErika SteinbachChristian Freiherr von StettenGero StorjohannAndreas StormMax StraubingerThomas Strobl
Lena StrothmannMichael StübgenAntje TillmannDAVAGMKMPGInKAKWEMDWWSDGGNInREDKSSDUKDUPLVKGDKWBEUMDCMDDKMDEGDSSHGPr. Hans-Peter Uhlrnold Vaatzolkmar Uwe Vogelndrea Astrid Voßhofferhard Wächterarco Wanderwitzai Wegnerarcus Weinbergeter Weiß
erald Weiß
go Wellenreutherarl-Georg Wellmannnette Widmann-Mauzlaus-Peter Willschilly Wimmer
lisabeth Winkelmeier-Beckeratthias Wissmannagmar Wöhrlolfgang Zöllerilli ZylajewPDr. Lale Akgünregor Amannerd Andresiels Annengrid Arndt-Brauerainer Arnoldrnst Bahr
oris Barnettlaus Barthelören Bartolabine Bätzingirk Beckerwe Beckmeyerlaus Uwe Benneterr. Axel Bergte Bergetra Bierwirthothar Binding
olker Blumentritturt Bodewigerd Bollmannr. Gerhard Botzlaus Brandnerilli Braseernhard Brinkmann
delgard Bulmahnlla Burchardtartin Burkertr. Michael Bürschhristian Carstensenarion Caspers-Merkr. Peter Danckertr. Herta Däubler-Gmelinarl Dillerartin Dörmannr. Carl-Christian Dressellvira Drobinski-Weißarrelt Duinetlef Dzembritzkiebastian Edathyiegmund Ehrmannans Eichelernot Erleretra ErnstbergerKAEGRGPSMIGRADMKGAWHBKANHRRDGPGPIFEKCLBJJJUDUCHADFKRAENVADJHUDCCDWHGarin Evers-Meyernnette Faßelke Fernerabriele Fograscherainer Fornahlabriele Frecheneter Friedrichigmar Gabrielartin Gersterris Gleickeünter Gloserenate Gradistanacngelika Graf
ieter Grasedieckonika Griefahnerstin Grieseabriele Gronebergchim Großmannolfgang Gunkelans-Joachim Hackerettina Hagedornlaus Hagemannlfred Hartenbachina Hauerubertus Heileinhold Hemkerolf Hempelmannr. Barbara Hendricksustav Herzogetra Heßabriele Hiller-Ohmetra Hinz
ris Hoffmann
rank Hofmann
ike Hovermannlaas Hübnerhristel Hummeothar Ibrüggerrunhilde Irberohannes Jung
osip Juratovicohannes Kahrslrich Kasparickr. h.c. Susanne Kastnerlrich Kelberhristian Kleimingerans-Ulrich Klosestrid Klugr. Bärbel Koflerritz Rudolf Körperarin Kortmannolf Kramernette Krammernst Kranzicolette Kresslolker Kröningngelika Krüger-Leißnerr. Hans-Ulrich Krügerürgen Kucharczykelga Kühn-Mengelte Kumpfr. Uwe Küsterhristine Lambrechthristian Lange
r. Karl Lauterbachaltraud Lehnelga Lopezabriele Lösekrug-MöllerDLCKMPUDUMDMGFDATHHCDFDMSMGDCWSRDKMOMAADMUSDHCORSEFDDRRWDJDLRCDJ
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3612 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006
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Kollege, sind Sie bereit,
ich vor drei Wochen in
abe, dass dort vier nagel-
nden haben, und dass mir
ersönlich gesagt hat, dass
ie dort auf dem Hof ste-
eil sie kein Personal ha-
nn?
PD]: Nein!)
Dr. Rainer Tabillion
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. h.c. Wolfgang Thierse
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Dr. Marlies Volkmer
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Engelbert Wistuba
Dr. Wolfgang Wodarg
Waltraud Wollf
Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
FDP
Uwe Barth
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Bevor ich dem Kollegen Kurt Rossmanith das Wort
gebe, gratuliere ich dem Kollegen Rainer Arnold recht
herzlich zu seinem heutigen Geburtstag.
Nun hat das Wort Kurt Rossmanith, CDU/CSU-Frak-
tion.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten
Damen und Herren Kollegen! Es ist schön für den Kolle-
gen Arnold, dass er heute als Sprecher der SPD-Fraktion
für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik seinen Ge-
burtstag im Plenum bei dem wunderschönen Thema die-
ses Einzelplans 14 verbringen darf. Deshalb auch von
meiner Seite und vonseiten der CDU/CSU-Fraktion
noch einmal herzliche Glückwünsche!
Der Einzelplan 14 des Haushalts hat einen Umfang
von fast 23,9 Milliarden Euro, wobei die Betriebsausga-
ben 17,2 Milliarden Euro betragen. Das heißt, wir haben
den Anteil der Betriebsausgaben von über drei Viertel
auf 72 Prozent zurückgeführt. In diesem Jahr haben wir
11,8 Milliarden Euro an Personalausgaben zu leisten.
Diese Zahl konnten wir in den vergangenen 15 Jahren
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Ich habe bei Ihrer Rede mit meinem Zwischenruf
chon gesagt, man solle nicht jeden Unfug, den irgendje-
and von sich gibt und den die Presse aufgreift, einfach
ritiklos übernehmen. Ich habe dabei den Dingo im
lick. Es ist ein Märchen, das nicht einmal zu
001 Nacht passen würde, dass wir Material für den Ein-
atz beschaffen und in den Einsatzgebieten bereitstellen,
elches niemand bedienen kann. Ich empfehle wirklich,
ies nicht weiter zu verbreiten.
Herr Kollege Rossmanith, gestatten Sie eine Zwi-
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006 3613
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Herr Kollege Stinner, ich bin bereit, zur Kenntnis zu
nehmen, dass Sie diese Frage gestellt haben und dass Sie
in Afghanistan waren.
Wenn der Kommandeur Ihnen dies wirklich so gesagt
hat, dann muss ich ein sehr großes Fragezeichen hinter
diesen Kommandeur setzen. Ich sage es Ihnen einmal
sehr vereinfacht. Selbst ich würde mir noch zutrauen,
den Dingo zu fahren.
Ich kenne ihn. Ich bin ein aktiver Reservist, aber nicht in
diesem Bereich. Vielleicht haben Sie den Kommandeur
missverstanden. Das unterstelle ich jetzt einmal für
beide Seiten. Wenn dort ein Dingo ist, dann heißt das ja
nicht, dass dieser von null bis 24 Uhr bewegt werden
muss. Die Dingos standen gerade zu dem Zeitpunkt
draußen, als Sie, lieber Kollege Stinner, sie besichtigt
haben. Vielleicht wurden sie auch extra für Sie herausge-
stellt, um zu zeigen, was an Material alles vorhanden ist.
Aber die Behauptung, niemand sei in der Lage, diese
Fahrzeuge zu fahren, weise ich zurück. Ich werde der
Sache – das können wir gerne gemeinsam machen –
nachgehen; das ist gar kein großes Problem.
Wir können uns hier noch und nöcher streiten. Aber
es wäre ein Armutszeugnis, für diese Panne die Soldaten
verantwortlich zu machen. Ich stelle mich vor die Solda-
ten, weil ich weiß, dass sie im Einsatz eine hervorra-
gende Leistung erbringen. Ich darf mich nicht nur für
meine Fraktion, sondern – davon bin ich überzeugt – im
Namen des ganzen Hauses ausdrücklich für das bedan-
ken, was unsere Soldaten von A wie Afghanistan bis Z
wie Zaire – heute heißt es wieder Kongo – leisten und
noch zukünftig leisten müssen. Sie machen eine großar-
tige Arbeit.
Ich weiß, dass sie bestens ausgebildet sind und mit
dem neuesten Gerät, das ihnen zur Verfügung gestellt
wird, bereits hier in Deutschland vertraut gemacht wer-
den. Es mag vielleicht sein, dass die eine oder andere
Gasse – lieber Kollege Stinner, da Sie dort waren, ken-
nen Sie sich aus – nicht die Breite hat, wie das bei uns
der Fall ist. Durch einige Sträßchen – da stimme ich zu –
passt ein Dingo nicht. Da kann man vielleicht noch mit
einem Fahrrad durchfahren.
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Frau Kollegin Hoff, bei einer Sache bin ich mit Ihnenöllig einig: Wir müssen eine Lösung dafür finden, wieir diese Auslandseinsätze finanzieren. Aber 1 Milliar-e Euro weniger ist angesichts des relativ schmalenudgets schon sehr viel. Wir alle wünschen uns, hierehr Mittel zur Verfügung stellen zu können, aber dieaushaltszwänge sind nun einmal so, wie sie sind. Hierüssen wir – damit beschäftigen wir uns gerade – eineerechte Lösung finden. Wir werden – davon bin ichberzeugt – auch eine Lösung finden. Auslandseinsätzend Transformationsprozesse kosten nun einmal Geld.Liebe Frau Hoff und verehrte Kolleginnen und Kolle-en von der FDP, der Kollege van Essen hat es sicher-eitshalber vorgezogen, heute gar nicht zu erscheinen.
ch frage mich schon, weshalb Sie auf der einen Seiteas schmale Budget des Verteidigungshaushaltes
eklagen – unter den gegebenen Zwängen geht das nichtnders – und auf der anderen Seite milliardenschwereürzungsanträge stellen.
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3614 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006
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Kurt J. Rossmanith
– Nein, von den Reservisten hat sie gar nichts gesagt. Ichweiß nicht, ob die vielen aktiven Reservisten der FDPdiesen Anträgen zugestimmt haben. Dass Sie gerade indem Bereich der Reservisten, die nicht nur die Verbin-dung zwischen dem zivilen und dem militärischen Be-reich schaffen, sondern sich auch an den Auslandseinsät-zen aktiv beteiligen, und zwar unter Inkaufnahmepersönlicher Unbill – schließlich brauchen wir Fachleuteund die Reservisten stellen sich gerne zur Verfügung –,einen Kürzungsantrag stellen, finde ich geradezu schä-big und völlig unangebracht.Sie hätten sich vielleicht informieren sollen, bevor Sienur deshalb einen Antrag vorlegen, weil Sie wissen, dasser ohnehin abgelehnt wird. Auch das sage ich klar unddeutlich.
An den Bundesminister der Verteidigung und die ge-samte Hardthöhe gewandt, weise ich darauf hin, dass wirgemeinsam eine Konzeption zur Neuordnung des Re-servistenwesens erarbeiten müssen, weil wir die Reser-visten dringend brauchen, und zwar nicht nur als Verbin-dung zwischen dem zivilen und dem militärischenBereich, sondern auch für den Einsatz selbst. Dabei leis-ten die Reservisten hervorragende Arbeit.Ich möchte als letzten Punkt die Kooperation mitder Wirtschaft ansprechen. Auch hier müssen wir zu ei-nem Ergebnis kommen. Wir können weder nur auf dieStreitkräfte noch allein auf die Wirtschaft setzen; auchhierbei ist ein gemeinsames Vorgehen notwendig. Daswird die gemeinsame Aufgabe des Haushaltsausschus-ses, des Verteidigungsausschusses und des Ministeriumssein. Ich bin sicher, dass wir auf diesem Weg eine geeig-nete Linie finden werden und dass wir alle in diesemHaus – vielleicht mit Ausnahme der PDS – gut ausgebil-dete Streitkräfte wollen. Wir sind stolz auf unsere Solda-tinnen und Soldaten. Deswegen bitte ich herzlich um Zu-stimmung zu diesem Haushalt.Auch mir persönlich fällt es aufgrund der Einschrän-kungen dieses Haushalts nicht leicht, ihm zuzustimmen.Aber wir wissen, dass wir mit in der Verantwortung ste-hen und dass sich die Haushaltskonsolidierung über alleBereiche erstrecken muss.Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch, Frak-
tion Die Linke.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrtenDamen und Herren! Liebe Gäste auf der Tribüne! „Esgibt nichts mehr zu verteilen“ lautet die Dauerfalschbe-hmDmddaDHdDiiDGkawsTwdDfdsEss3dTnnAfÖWvsoüw
as ist mehr, als zum Beispiel das Land Niedersachsennsgesamt für die Erfüllung seiner staatlichen Aufgabenm Jahr 2006 zur Verfügung hat.
er niedersächsische Landeshaushalt hat lediglich einesamtvolumen von 22 Milliarden Euro.Herr Schäuble hat, als er noch in der Opposition war,eine Tagung und kein Interview ausgelassen, um denus seiner Sicht bedauernswerten Zustand der Bundes-ehr zu beklagen. In den Medien wurde berichtet, dassich die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan selbst mitchibo-Ferngläsern ausrüsten müssten, weil die Bundes-ehr dafür kein Geld habe.Es ist immer das gleiche Spiel: Bei der Sicherheit under persönlichen Ausrüstung der Soldaten wird gespart.afür fließt das Geld üppig, wenn es um die Beschaf-ung von neuen Rüstungsgütern geht, die keiner braucht.Wir als Linke lehnen zum Beispiel – um das etwaseutlicher zu machen – die Anschaffung des Hub-chraubers Tiger ab.
r ist als zweisitziger Begleit- und Unterstützungshub-chrauber konzipiert und soll den Panzerabwehrhub-chrauber BO-105 ersetzen. Der Steuerzahler soll dafür80 Millionen Euro bezahlen. Welche Panzer sollenenn damit abgewehrt werden? Es ist vielleicht dieechnik, die begeistert; die Bundeswehr braucht sie abericht. Wie Sie alle wissen, werden im Rüstungshaushaltoch Projekte aus dem Kalten Krieg realisiert, die keinentwort auf die heutigen sicherheitspolitischen Heraus-orderungen geben.
Ich finde es erstaunlich, dass Rüstungsprojekte in derffentlichkeit so gut wie gar nicht diskutiert werden.ie viele andere Projekte werden solche Anschaffungenon der Koalition – häufig, wie bei MEADS, mit Unter-tützung der Grünen – durch den Bundestag gewunken,hne dass in den Medien davon Notiz genommen undber den Sinn oder Unsinn solcher Projekte diskutiertird.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006 3615
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Dr. Gesine LötzschWie lange zum Beispiel wurde öffentlich über das Fürund Wider der Angleichung des Arbeitslosengeldes IIOst an das Westniveau gestritten?
Jetzt gibt es für jeden Arbeitslosengeld-II-Empfänger imOsten 14 Euro mehr. Das macht insgesamt 120 Millio-nen Euro. Aber allein die Anschaffung der Tiger-Hub-schrauber kostet den Steuerzahler 380 Millionen Euroim Jahr 2006 und kein Mensch möchte darüber reden.
Es verwundert mich, dass sich die kritischen Medienund der Bund der Steuerzahler so gar nicht für die Ver-schwendung von Steuergeldern bei der Rüstungsbe-schaffung interessieren. In letzter Zeit hört man leiderauch wenig darüber, wenn es um Korruption in diesemBereich geht. Ich habe die Bundesregierung gefragt, wiehoch die Korruptionsschäden im Gesundheitswesen, beider Rüstungsbeschaffung und im Bauwesen geschätztwerden. War die Antwort, bezogen auf das Bauwesen,noch halbwegs informativ, habe ich über Korruption beider Rüstungsbeschaffung nichts erfahren. Dabei wissenwir alle doch seit den Geschäften, die die Bundesregie-rung Kohl mit Waffenhändlern realisiert hat, dass es hierin der Regel um sehr viel Geld geht. Wenn die Bundes-wehr eine Parlamentsarmee sein soll, dann muss auchhier offen und ehrlich über solche Fragen geredet wer-den. Doch als Parlamentarier trifft man auf eine Mauerdes Schweigens.
Wir, die Linke, fordern die Bundesregierung auf, dieHeimlichtuerei endlich zu beenden und mehr Transpa-renz bei der Rüstungsbeschaffung herzustellen.
Unsere Fraktion hat in den Haushaltsberatungen Kür-zungen beim Verteidigungsetat in Höhe von 2,6 Milliar-den Euro vorgeschlagen. Das sind ungefähr10 Prozentdieses Etats. Dieser Konsolidierungsbeitrag würde dieSicherheit der Bürgerinnen und Bürger in keiner Weiseeinschränken. Leider sind alle unsere Vorschläge abge-lehnt worden.
Deshalb werden wir gegen den Einzelplan 14 stimmen.Abschließend möchte ich Ihnen klar und deutlich sa-gen, dass wir, die Linke, der begründeten Auffassungsind, dass die Bundeswehr die Sicherheit unseres Lan-des nicht zu garantieren vermag. Wer glaubt, die Sicher-heit durch neue Waffensysteme zu garantieren, der hatdie Zeichen der Zeit nicht erkannt. Nur eine gerechtereWirtschafts- und Sozialpolitik, die Bekämpfung von Ar-mut sowie die Verhinderung bzw. die Beendigung vonKriegen können uns allen mehr Sicherheit geben.SPtEf9dUdzsvddDeo1hvvRgSAScHm
Nächster Redner ist der Kollege Johannes Kahrs,
PD-Fraktion.
Man kennt mich nicht anders. – Sehr geehrte Frau
räsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Ver-
eidigungshaushalt gehört zu den stabilen Haushalten.
r hat ein Volumen von 23,88 Milliarden Euro. Unge-
ähr auf diesem Niveau bewegt er sich seit Mitte der
0er-Jahre. Das heißt, der Verteidigungshaushalt ist in
en letzten Jahren immer stabil gewesen. Der einzige
nterschied ist, dass kein Inflationsausgleich stattgefun-
en hat, sodass die Kaufkraft abgenommen hat. Rein
ahlenmäßig ist dieser Etat allerdings stabil.
Es wird viel über die berühmte Friedensdividende ge-
prochen. 1990 hatte der Verteidigungsetat ein Volumen
on 29,42 Milliarden Euro. Nun sind es 23,88 Milliar-
en Euro. Das heißt, die Verteidigungsausgaben sind in
en letzten Jahren kontinuierlich gesunken.
ie Friedensdividende ist eingefahren worden. Aber die
ntscheidende Frage ist, wie viel man noch sparen kann,
hne die Soldaten in Gefahr zu bringen.
993 betrug der Anteil des Einzelplans 14 am Bundes-
aushalt 10 Prozent. Nun sind es rund 9 Prozent.
Die FDP hat Kürzungsvorschläge mit einem Volumen
on 350 Millionen Euro gemacht. Frau Kollegin Hoff,
or diesem Hintergrund ist es relativ schwierig, Ihre
ede zu begreifen; denn Sie haben eher das genaue Ge-
enteil gefordert. Wir geben sehr viel Geld aus, um dem
chutz der Soldaten Rechnung zu tragen.
lle Beschaffungsvorhaben der letzten Zeit dienen dazu.
ie wissen das ebenfalls. Ich muss an dieser Stelle si-
herlich nicht mehr auf die Dingos eingehen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
errn Kollegen Koppelin?
Der von mir geschätzte Kollege Koppelin kann im-er eine Zwischenfrage stellen.
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3616 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006
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Vielen Dank, Herr Kollege Kahrs. – Ich greife einmal
einen Kürzungsvorschlag der FDP heraus, der auch eini-
ges an Geld gebracht hätte. Dazu hätte ich doch gern
Ihre Stellungnahme. Sind Sie nicht mit uns der Auffas-
sung, dass man eigentlich zum Beispiel die Stelle des
Parlamentarischen Staatssekretärs streichen könnte, der
sich kaum noch im Ministerium aufhält, sondern Wahl-
kampf in Berlin macht und kaum noch Zeit für dieses
Ministerium zu haben scheint?
Geschätzter Kollege Koppelin, wie Sie wissen,schätze ich die beiden Parlamentarischen Staatssekre-täre, die wir haben, sehr. Ich glaube, dass sie ihre Arbeithervorragend machen, so wie der Minister auch, unddeswegen kann ich das leider nicht nachvollziehen.
Zu der Rede der Kollegin Hoff möchte ich noch an-merken, dass wir zum Schutz der Soldaten viel Geldausgeben. Wir priorisieren das, um dem ganz besondersRechnung zu tragen. Wenn man schaut, was im Bereichdes persönlichen Schutzes getan wird, stellt man fest,dass das sehr überzeugend ist. Uns alle eint das gemein-schaftliche Bemühen, die Soldaten, die wir ins Auslandschicken, vernünftig auszurüsten und auszustatten, damitsie da nicht in Gefahr geraten. Wir haben einen eigenenEtat für einsatzbedingten Sofortbedarf. Ich persönlichhabe mich sehr dafür eingesetzt – wie meine Fraktionund wie diese Koalition –, dass man im Notfall be-stimmte Dinge auch beschleunigt, damit die Soldaten imEinsatz das Notwendige bekommen. Dabei kann es Pro-bleme geben. Im Einzelfall muss man das dann aufklä-ren. Aber in der Sache ist dieser Koalition, dem Verteidi-gungsministerium und dem Minister nicht vorzuwerfen,irgendetwas unterlassen zu haben.In dem Zusammenhang kann ich auf das Beispiel derKollegin Lötzsch mit dem Tiger eingehen. Wir hättenden Tiger jetzt ganz gern in Afghanistan. Man könntedamit Konvois, die über lange Strecken fahren müssen,besser schützen, wobei auch insbesondere die eigenenSoldaten nicht so gefährdet wären. Deswegen hätten wirdamit kein Problem.Der 39. Finanzplan sieht eine jährliche Steigerung umcirca 300 Millionen Euro ab dem Jahr 2007 vor. Das be-deutet, dass die Preissteigerung in jedem Jahr aufgefan-gen wird. Das wiederum bedeutet, dass wir ein stabilesNiveau haben. Das bedeutet, dass der eingeschlageneWeg der Transformation der Bundeswehr so weiter-verfolgt werden kann. Das heißt wiederum, dass wir dieTransformationsziele auch erreichen können.Es gibt bei der ganzen Sache noch ein Risiko. Das istdie Mehrwertsteuererhöhung. Sie wird bei uns mit umdie 300 Millionen Euro zu Buche schlagen. Im Etat 2007wwbdslggdTtlilirfd2n7dshAnfgtbsBddbdvgFsVWdkgEB3ardzeft
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006 3617
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3618 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006
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Deswegen habe ich meine Probleme mit einem Konzept,das langfristig mehr Auslandseinsätze vorsieht als die,die wir jetzt kennen. Meine Bitte ist, dies vorsichtig zubetreiben.An dieser Stelle möchte ich mich bei meinen Kolle-ginnen und Kollegen ganz herzlich für die gute Zusam-menarbeit bedanken, insbesondere bei der KolleginJaffke, die heute aus gesundheitlichen Gründen leidernicht hier sein kann – ich wünsche ihr von dieser Stellegute Besserung –,
und dem Kollegen Bartholomäus Kalb. Insbesondere mitdem geschätzten Kollegen Koppelin, der durch seine kri-tischen Einwürfe unsere Arbeit immer wieder befruch-tet, gab es eine hervorragende Zusammenarbeit.
Ich bedanke mich auch bei dem ehemals verbündetenKollegen Bonde, mit dem wir immer gerne zusammen-arbeiten, und der Kollegin Lötzsch, die wir sehr schät-zen, was ihre konstruktiven Vorschläge und Äußerungenangeht.hAsnAmbZBEndgskfkHwawrgrHErdBlKmzsasmEjzewE
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!s ist schwierig, nach so viel Dank an die Opposition dieotwendigen Anmerkungen zu einem Einzelplan wieiesem zu machen. Ich möchte die Anregung des Kolle-en Kahrs aufgreifen, der uns alle dazu eingeladen hat,ehr intensiv über die Struktur dieses Haushaltes zu dis-utieren. Ich will festhalten, dass wir mit den Koalitions-raktionen in diesen Haushaltsberatungen in dieser Dis-ussion nicht weitergekommen sind. Denn dieseraushalt hat den Ausschuss praktisch unverändert, soie ihn uns das Ministerium vorgeschlagen hat, passiert.Alle Diskussionen, die wir heute in dieser Debatte,ber auch in der Debatte über den Einzelplan des Aus-ärtigen Amts, über die Veränderung von Einsatzszena-ien der Bundeswehr und über die konkreten Situationeneführt haben, in denen sich deutsche Streitkräfte in ih-en Einsätzen befinden, finden wir in der Struktur diesesaushalts nicht wirklich wieder. Wenn wir bei dieseminzelplan eine Diskussion über seine Gesamthöhe füh-en und uns fragen, ob er zu niedrig oder zu hoch ist,ann fehlt mir dabei die entscheidende Frage, nämlich:ekommen wir für das Geld, das wir bzw. die Steuerzah-er in diesen Einzelplan investieren, die militärischenapazitäten und Fähigkeiten, die heute eigentlich ange-essen sind und die zu der Rolle der Bundeswehr undu der Rolle der Bundesrepublik im internationalen Ge-chehen passen?
Ich will in dem Zusammenhang mit einem Totschlag-rgument aufräumen, das heute Morgen die Debatte be-timmt hat. Ich will mit Blick auf die Änderungsanträgeeiner Fraktion sagen: Wir haben in Bezug auf dieseninzelplan eine Reihe von Kürzungsanträgen gestellt;eder einzelne dieser Anträge ist umsetzbar und kein ein-iger gefährdet die Soldaten in den Einsätzen. Das ist jain Pappkamerad, der hier in den Debatten aufgebautird. Damit will man ausblenden, dass auch bei dieseminzelplan die Notwendigkeit besteht, sehr genau jede
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Alexander BondeAusgabe zu prüfen und dort, wo einer Ausgabe keine Fä-higkeit gegenübersteht, entsprechend zu kürzen.Ich will dafür Beispiele benennen. Ein Paradebeispielist eine Sonderaktion des Bundesverteidigungsministers,der über die Medien bekannt gegeben hat, er wolle, ab-weichend von den Plänen seines Vorgängers, 5 000 zu-sätzliche Wehrpflichtige einberufen.
Damit rückt er von den Planungen des Hauses ab; damitignoriert er die Vorschläge seines eigenen Hauses, undzwar an einem Punkt, bei dem es um eine ideologischeFrage geht. Denn jeder weiß, dass die Wehrpflichtigenkeine Hilfe für die Soldatinnen und Soldaten in den Ein-sätzen sind, und jeder weiß, dass sie eine Belastung fürdie Bundeswehr in Bezug auf ihre Struktur und die Res-sourcenplanung sind. Die ganze Operation kostet – wirmussten lange bohren, um eine Zahl aus dem Ministe-rium zu bekommen – den Steuerzahler 80 MillionenEuro. Diese 80 Millionen findet man in diesem Einzel-plan auch gar nicht, weil sie generalstabsmäßig verstecktworden sind. Auf langes Bohren unsererseits wurde unsgesagt: Der Verteidigungsminister will diese Stellen fi-nanzieren, indem er Einsparungen bei den Berufs- undZeitsoldaten entgegen der Personalplanung und entge-gen dem Stellenplan des Einzelplans 14 vornimmt.Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit finden bei die-sem Minister also nicht statt. Wir sind gespannt, wie ergegenüber der Truppe diese Abweichung vom Plan inden nächsten Jahren begründen will; wir sind gespannt,wie er diese Gesamtzahl haushaltsrechtlich absichernwill.Es wären auch noch weitere Fragen zu stellen, etwa:Werden die Beschaffungsprioritäten mit Blick auf dieEinsatzszenarien richtig gesetzt? Welches Ausgangsbildund welche Bedrohungslage werden unterstellt? DerEntwurf des Weißbuches, der auf dem Tisch liegt – aucheine Geheimoperation des Ministers –, sorgt eher füreine Verunklarung, als dass er eine klarere Priorisierungbei der Beschaffung deutlich macht.Ich will auf zwei dieser Beschaffungsmaßnahmeneingehen:Der Eurofighter wurde ja bereits genannt. Wir wis-sen alle: Keiner braucht 180 Stück. Wir wissen aberauch, dass dieser Minister nicht in der Lage ist, hier einePriorisierung vorzunehmen und in Gespräche über eineStückzahlreduzierung einzutreten. Das wäre aber derrichtige Weg. Wir sehen im Gegensatz zur FDP den rich-tigen Weg nicht in der Weiterveräußerung, sondern inVerhandlungen zur Reduzierung der Stückzahlen.
Das nächste Rüstungsprojekt wird uns in der nächstenWoche auf den Tisch gelegt werden. Es ist PARS 3, einePanzerabwehrwaffe, die man sich Anfang der 80er-Jahreausgedacht hat, die Mitte der 80er-Jahre konzeptioniertwurde, der in den 90er-Jahren der Feind abhanden ge-kommen ist und die wir nun, 2006, beschaffen sollen.Sie ist ein typisches Beispiel dafür, dass in diesem Hausdie Auslastung der Kapazitäten der RüstungsindustriewcRghgdsedbwanzfwpcffAwdvsoandmpDgHnGcwc
Wir reden hier über ein Projekt, aus dem die europäi-chen Partnernationen längst ausgestiegen sind, weil sierkannt haben, dass es die Bedrohung mit Panzern ausem Osten nicht mehr gibt. Wir reden über ein System,ei dem jeder Schuss eine halbe Million Euro kostenird. Knapp 400 Millionen Euro sollen für ein Projektusgegeben werden, das ungefähr zu einer Zeit begon-en wurde, als ich auf die Welt kam. Wir reden über Pan-erabwehrwaffen und Bunkerbekämpfungswaffen, dieür keinen Einsatz gebraucht werden, den die Bundes-ehr heute durchführt.Dieser Einzelplan leidet darunter, dass in ihm keineolitische Priorität gesetzt wird. Die alten Auftragsbü-her werden von Jahr zu Jahr weitergeführt. Aber esehlt der politische Mut, einen Schnitt vorzunehmen. Esehlt ein klares Verständnis, was Priorität haben muss.ußerdem fehlt die Überlegung, bei welchen Szenarienir militärische Gewalt einsetzen müssen und wie wirafür unsere Soldatinnen und Soldaten verantwortungs-oll ausrüsten können.Sie haben unsere Unterstützung, wenn es darum geht,innvolle internationale Einsätze unter UN-Mandat zurganisieren und die Soldatinnen und Soldaten adäquatuszurüsten. Aber Sie bekommen unsere Unterstützungicht dafür, den Kalten Krieg fortzuführen, als hätte sichie Welt nicht verändert.Dieser Einzelplan ist in dieser Form nicht zustim-ungsfähig. Legen Sie einen vor, der ins Jahr 2006asst! Dann können wir ihn ernsthaft beraten.Vielen Dank.
Das Wort hat der Bundesminister der Verteidigung,r. Franz Josef Jung.
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidi-ung:Frau Präsidentin! Meine sehr verehrte Damen underren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich will zu-ächst festhalten, dass mit dem Haushalt 2006 dierundlage geschaffen wird, dass die Bundeswehr die Si-herheit und Freiheit unserer Bürgerinnen und Bürgereiterhin gewährleisten kann, dass sie ihre friedensi-hernde Funktion in den Auslandseinsätzen wahrneh-
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Bundesminister Dr. Franz Josef Jungmen kann und dass die Soldatinnen und Soldaten dienotwendigen Rahmenbedingungen für die erfolgreicheErfüllung dieser Aufträge vorfinden.
Ich bin den Berichterstattern und auch der Mehrheitim Haushaltsausschuss für die Unterstützung sehr dank-bar. Frau Kollegin Hoff, ich habe mich aber schon sehrgewundert, als ich Ihre Ausführungen gehört habe. Ichhätte mir gewünscht, dass das, was Sie hier gesagt ha-ben, auch Ihren Taten entsprochen hätte. Denn Ihre Aus-führungen stehen schon im Widerspruch zu den Kür-zungsanträgen, die Ihre Fraktion im Rahmen dieserHaushaltsberatungen gestellt hat.Frau Kollegin Lötzsch, wenn Sie hier den Eindruckerwecken, es sei erheblich draufgesattelt worden, nurweil wir bei 27 Milliarden Euro landen, dann muss ichsagen, dass Sie verkannt haben, dass es eine neue Ver-sorgungsregelung gibt – Herr Kollege Kampeter hatgestern darauf hingewiesen – und dass wegen der Be-rücksichtigung der neuen Versorgungsbezüge der Etat-ansatz bei 27 Milliarden Euro liegt. Dieser Anstieg hataber nichts mit einem Aufwuchs im Rüstungsbereich zutun, wie Sie kritisiert haben.Lassen Sie mich einen weiteren Punkt erwähnen. Wirsind mittlerweile mit rund 6 500 Soldatinnen und Solda-ten in den Auslandseinsätzen tätig, sei es in Afghanis-tan, am Horn von Afrika oder auf dem Balkan. Wir stel-len teilweise die stärksten Kontingente. Im Rahmen derIFOR-Mission in Bosnien-Herzegowina stellen wir dasstärkste Kontingent. In Afghanistan sind wir bei einemnicht einfachen Einsatz mit 2 800 Soldatinnen und Sol-daten vertreten. Im Kosovo stellen wir ebenfalls ein gro-ßes Kontingent.Ich will einmal festhalten, dass sich unsere Soldatin-nen und Soldaten in gefährlichen Einsätzen beispielhaftverhalten. Deshalb möchte ich auch ihnen für diesenEinsatz im Rahmen friedenssichernder Missionen herz-lich danken.
Weil im Rahmen dieser Debatte schon viel von derFußballweltmeisterschaft gesprochen worden ist,möchte ich erwähnen, dass ich Jürgen Klinsmann undder deutschen Nationalmannschaft sehr dankbar bin,dass am Montag auf der Pressekonferenz zu unseren Sol-daten nach Afghanistan geschaltet wurde. Damit wurdeein Stück Verbundenheit mit ihnen zum Ausdruck ge-bracht. Ich denke, dass unsere Soldaten dies verdient ha-ben, wo sie doch in solch einer schwierigen Situationihre Aufgabe erfüllen.
Ich will noch eine Anmerkung zu dem machen, wasFrau Künast heute Morgen gesagt hat. Sie hat Punktevorgetragen, die mit der Realität überhaupt nicht in Ein-klang stehen.NrlbfmgBAtdznwmedzwpdParin6sdsdnwemds–gfpupkrgsdUad
atürlich leisten wir in Afghanistan einen Stabilisie-ungs-, aber auch einen Wiederaufbaubeitrag. Natürlicheistet die Bundeswehr diesen Beitrag, aber wir betrei-en dort eine vernetzte Sicherheitspolitik. Jeden Montagindet nämlich eine Schaltung zwischen Bundesaußen-inisterium, Bundesinnenministerium, Bundesverteidi-ungsministerium, Bundesentwicklungsministerium undundeswirtschaftsministerium statt, um entsprechendektivitäten abzustimmen. Zur Frage der Sicherheitspoli-ik auch und gerade in Afghanistan gehört ja mit dazu,ass auch andere Bereiche entwickelt werden, sei es imivilen Bereich der Ausbau der Polizei, seien es Maß-ahmen im Bereich der Entwicklungspolitik, sei es imirtschaftlichen Bereich, dass man den Bauern, die jetztit der Drogenszene zusammenarbeiten, Alternativenröffnet, damit sie nicht zu ihrem Überleben zwingendarauf angewiesen sind, Mohn und andere Drogenpflan-en anzubauen. Unsere vernetzte Sicherheitspolitik ist,ie ich glaube, notwendig, um einen positiven Aufbau-rozess in Afghanistan zu bewirken. Sie ist auch richtig,enn mit dieser Arbeit haben wir auch und gerade in denRTs Erfolg.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchteuch darauf hinweisen, dass wir gerade jetzt vor weite-en Herausforderungen stehen. Es ist meines Erachtensn der Öffentlichkeit noch viel zu wenig bekannt, dass abächsten Monat – ich wiederhole: ab 1. Juli –600 deutsche Soldaten in der NATO Response Forcetehen. Das ist die schnelle Eingreiftruppe der NATO,ie innerhalb von fünf Tagen einsatzfähig sein soll. Dasind neue und weitere Herausforderungen, die hier aufie Bundeswehr zukommen. Weiterhin steht ab 1. Januarächsten Jahres die EU-Battle-Group. Diskussionen,ie wir sie etwa im Zusammenhang mit dem Kongo-insatz hatten, finden dann in der Art und Weise nichtehr statt, weil wir an dieser ersten EU-Battle-Group,ie ebenfalls innerhalb von fünf Tagen einsatzfähig seinoll, mit 1 200 Soldaten beteiligt sein werden.
Nicht ohne die Zustimmung des Deutschen Bundesta-es. Aber wir sind dort, Kollege Kahrs – das sollteairerweise auch berücksichtigt werden –, schon Ver-flichtungen eingegangen, bevor ich in dieses Amt kam,nd wir müssen im Rahmen der internationalen Ver-flichtungen unsere Verantwortung wahrnehmen. Wirönnen dann konkret über die einzelnen Dinge diskutie-en. Darüber, dass wir für Einsätze ein Mandat brauchen,ibt es überhaupt keine Diskussion. Ich halte es aberchon für richtig, den Deutschen Bundestag und auch dieeutsche Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, in welchemmfang wir internationale Verpflichtungen im Hinblickuf Sicherheitspolitik eingegangen sind, damit sie sicharüber bewusst sind, welche weiteren Herausforderun-
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Bundesminister Dr. Franz Josef Junggen gegebenenfalls auf die Bundeswehr zukommen kön-nen, wenn solche Einsätze bevorstehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Siemich noch einen zweiten Gesichtspunkt vortragen. Wirleisten einmal unseren Beitrag im Rahmen von frieden-stiftenden Missionen im Ausland. Wir leisten aber, wieich finde, auch einen effektiven, positiven und gutenBeitrag für den Schutz Deutschlands. Ich denke nur andie Handlungs- und Leistungsfähigkeit der Bundeswehrbei der Schneekatastrophe in Bayern, an die Handlungs-und Leistungsfähigkeit bei der Bekämpfung der Vogel-grippe auf Rügen und an die Handlungs- und Leistungs-fähigkeit beim Hochwasserschutz, der von Sachsen überSachsen-Anhalt bis Niedersachsen hohe Anforderungenan die Bundeswehr gestellt hat. Oder denken Sie daran,wie leistungsfähig die Bundeswehr jetzt während derFußballweltmeisterschaft ist. Ich halte es schon für posi-tiv, auf welche Art und Weise unsere Sicherheitskräfte– da beziehe ich selbstverständlich ausdrücklich diePolizei ein – die Sicherheit bei dieser Fußballweltmeis-terschaft gewährleisten. Ohne sich aufzudrängen oder ei-nen falschen Eindruck in der Öffentlichkeit zu bewirken,wird dezent im Hintergrund Sicherheit gewährleistet.Die 2 800 Soldaten, die jetzt im Einsatz sind, schaffenalso die Voraussetzungen dafür, dass diese Weltmeister-schaft in einer so fröhlichen und friedlichen Stimmungstattfinden kann. Das ist eine positive Leistung, die dieBundeswehr erbringt. Auch das wollte ich in diesem Zu-sammenhang gerne erwähnen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, angesichtsdessen, was wir von unseren Soldatinnen und Soldatenfordern, müssen wir auch daran denken, dass die sozia-len Rahmenbedingungen stimmen. Ich bin dankbar da-für, dass wir im Rahmen dieses Haushaltes die Möglich-keit haben, jetzt beispielsweise eine erhebliche Anzahlvon Beförderungen von Feldwebeln und von Soldatenmit Mannschaftsdienstgraden vorzunehmen. Ich findenämlich schon, dass es ein Stück dazugehört, dass guteLeistung berücksichtigt und auch belohnt wird. Wennich es richtig sehe – auch das möchte ich in dieser De-batte erwähnen –, ist die Bundeswehr die einzige Institu-tion des öffentlichen Dienstes, in der es als Einstiegsge-halt die Besoldungsgruppe A 3 gibt.
Das dürfen wir nicht ganz aus den Augen verlieren,wenn wir über strukturelle Fragen sprechen. Deshalb binich dankbar, dass wir im Rahmen dieses HaushaltesMöglichkeiten der Beförderung für die Mannschaftenund für die Feldwebeldienstgrade haben.
Herr Kollege Bonde, Sie haben etwas kritisch ange-sprochen, dass wir an der Wehrpflicht festhalten. Siehaben eine andere Einstellung zur Wehrpflicht. Das habeich nicht zu kritisieren. Ich halte diese Einstellung nurfgBhwInraatnsnWdzshhdunWsfdfmdsndhtfaittadGF
ch glaube, es ist wichtig – auch für die Entwicklung ei-er Armee und im Zusammenhang mit der inneren Füh-ung –, dass wir an der Wehrpflicht festhalten. Wenn ichber an der Wehrpflicht festhalten will, dann muss ichuch in der Lage sein, dem Anspruch der Wehrgerech-igkeit bzw., wie wir sagen, Einberufungsgerechtigkeitachzukommen. Sie wissen, dass beim Bundesverfas-ungsgericht ein Vorlagebeschluss liegt. Ich möchteicht, dass wir in der Koalition sagen, dass wir an derehrpflichtarmee festhalten wollen, dann aber nicht iner Lage sind, ausreichend viele Wehrpflichtige einzu-iehen, sodass uns dann das Bundesverfassungsgerichtagt, das entspreche nicht der Wehrgerechtigkeit und wirätten keine Chance mehr, die Wehrpflicht aufrechtzuer-alten. Deshalb habe ich entschieden, dass wir die Zahler Grundwehrdienstleistenden auf 35 000 stabilisieren,m dem Anspruch der Einberufungsgerechtigkeit Rech-ung tragen zu können.
Ich möchte noch erwähnen, dass wir etwa 60 000ehrpflichtige im Jahr einziehen. Davon verpflichtenich 25 000 weiter, was eine gute Entwicklung ist. Inso-ern wird auch die Strukturentwicklung der Bundeswehrurch die Wehrpflicht positiv beeinflusst. Ich denke, dasindet eine sehr gute Resonanz in der Öffentlichkeit.
Da ich sehe, dass die vereinbarte Zeit abgelaufen ist,öchte ich nur noch zusammenfassend sagen, dass ichenke, dass die Bundeswehr ihre Aufgaben – wir müs-en damit rechnen, dass wir noch mehr Aufgaben wahr-ehmen müssen; wir sehen das im Zusammenhang miter Mission im Kongo – gut und im Interesse der Sicher-eit unserer Bevölkerung ausübt und dadurch dazu bei-rägt, dass wir unsere internationalen Verpflichtungen er-üllen. Unser Ziel muss es sein, die Bundeswehr souszustatten, dass die deutschen Streitkräfte weiterhinhre Aufträge erfüllen können und unser Land seinen in-ernationalen Verpflichtungen nachkommen kann, im In-eresse der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger,ber auch im Interesse der friedenssichernden Funktioner Bundeswehr. Dafür ist dieser Haushalt eine guterundlage. Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung.Besten Dank.
Das Wort hat nun der Kollege Jürgen Koppelin für dieDP-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Der Einzelplan 14, der Haushalt des Verteidigungsminis-ters, ist wohl der Haushalt, der mit Haushaltswahrheitund -klarheit überhaupt nichts zu tun hat. Das ist keinVorwurf an den Verteidigungsminister; das will ich aus-drücklich sagen. Darauf hätte der Finanzminister achtenmüssen.Wer in der Situation des Verteidigungsministers ist,müsste ähnlich verfahren, wie es der Verteidigungs-minister macht. Wenn Sie sich den Etat anschauen, dannwerden Sie an vielen Kostenstellen die Bemerkung fin-den, dass die Mittel, wenn sie nicht ausgegeben werden,dem Einzelplan 14 zufließen. Es gibt überall Spardosen.Warum? Wenn hier ein Auslandseinsatz beschlossenwird, dann muss der Verteidigungsminister einsammeln.Und wo sammelt er ein? An diesen vielen Kostenstellen.Deswegen haben wir als FDP gesagt: Wir müssen einenehrlichen Haushalt aufstellen und sagen, was für jedeKostenstelle notwendig ist. Das Geld für Auslandsein-sätze hat gefälligst der Bundesfinanzminister über denEinzelplan 60 zur Verfügung zu stellen. – Das ist Haus-haltswahrheit und Haushaltsklarheit, deswegen unsereAnträge.
Die einzigen echten Zahlen in Ihrem Haushalt, HerrMinister – es tut mir Leid, das sagen zu müssen –, sindwahrscheinlich Ihr Gehalt und die Gehälter der Staatsse-kretäre. Da sind wir schon auf den Gedanken gekom-men, dass man das Gehalt des Staatssekretärs Pflügereinsparen könnte. Im Ministerium würde ihn kaum einervermissen.
Das ist jedenfalls unsere Auffassung.Herr Minister, ich hätte mir schon gewünscht, dassSie etwas zu den Beschaffungsmaßnahmen sagen. Wirhaben 1994 den Eurofighter bestellt – damals in einerKoalition aus CDU/CSU und FDP, mit teilweiser Zu-stimmung bei den Sozialdemokraten. Nach zwölf Jahrenwird man solche Beschaffungsmaßnahmen ja wohl aufden Prüfungstand stellen dürfen. Man muss sagen kön-nen, ob die Zahlen noch stimmen und ob die FirmaEADS ihre Verträge bisher erfüllt hat. Dazu hätte ich mir– das sage ich auch mit Blick auf die momentane Krisebei EADS – schon eine Bemerkung von Ihnen ge-wünscht.Unsere Bundeswehr ist einer der größten Auftragge-ber für EADS. Ich finde, dazu kann der Verteidigungs-minister, der diese vielen Aufträge unterschreiben muss,schon einmal ein Wort sagen. Wie ist es möglich, dassdie Briten die Zahl ihrer bestellten Flugzeuge reduzierenkönnen, was früher angeblich nicht machbar war? Sieverkaufen die Flugzeuge an das Ausland und wir dürfendas nicht. Wir müssen uns an alle Regeln halten, aber dieBriten machen etwas ganz anderes. In den Verträgenstand etwas anderes. Ich finde, darüber darf man ganzoffen sprechen.m–afnmnlEdsSmSbIpegdZDFwzbSuDengDsGPsdSksnAdkIümsw
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Ein wesentlicher Faktor der Transformation der Bun-eswehr ist nicht zuletzt das Personalstrukturmodell010, das Minister Jung von seinem Vorgänger Petertruck übernommen hat und konsequent weiterführt. Mit
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Ulrike Mertenden bereits vollzogenen Strukturmaßnahmen konntenwir im letzten Jahr die Personalausgaben erstmals beiunter 50 Prozent des Gesamthaushalts veranschlagen.Das ist wichtig, weil wir zunehmend Spielräume für dienotwendigen Beschaffungsvorhaben brauchen. An die-ser Stelle sind wir um ein Erhebliches vorangekommen.Allerdings dürfen wir in unseren Anstrengungen nichtnachlassen. Das fordert den Soldatinnen und Soldaten,aber auch den Zivilbeschäftigten ein hohes Maß an Ver-ständnis ab. Sie immer wieder einzubinden und ihnendeutlich zu machen, dass sie sich auf das, was geplantist, auch verlassen können, dass der Mensch im Vorder-grund des Transformationsprozesses steht, das muss vonhier aus unsere Botschaft sein. Ich meine, das sind wirden Soldatinnen und Soldaten schuldig. Auch die Zivil-beschäftigten müssen sich darauf verlassen können.Herzlichen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Katrin Kunert,
Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Sehr geehrte Gäste! Wäre der Bundeshaushalt einkommunaler Haushalt, wäre er stark genehmigungsge-fährdet. Nur: Leider gibt es keine übergeordnete Geneh-migungsbehörde für den Bundeshaushalt. Mehrheitenersetzen Haushaltsrecht und Mehrheiten bestimmen da-rüber, was für den Bund Pflicht ist und was Kür. DieseHaushaltspolitik ist weder seriös noch nachhaltig.
Der Verteidigungshaushalt, der Einzelplan 14, ist derdrittgrößte Einzelplan und rangiert noch vor dem Haus-halt für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, dem Be-reich, der eigentlich so wichtig ist für die Entwicklunggleicher Lebensverhältnisse in Ost und West. In der ges-trigen Debatte zum Einzelplan Finanzen hat ein Kollegegesagt, dass dieser Haushalt dazu beitragen wird, dassjetzt noch sachgerechter mit öffentlichen Mitteln umge-gangen wird. Nun frage ich: Wie ist denn bisher mit öf-fentlichen Mitteln umgegangen worden und wann gehtein Staat sachgerecht mit öffentlichen Mitteln um?Orientiert er sich an den Aufgaben, die er erfüllen willoder muss, oder erledigt er Aufgaben nach Kassenlage?Der uns vorliegende Haushaltsentwurf orientiert sich ander Kassenlage; darauf weisen Sie immer wieder hin.Nur beim Einzelplan 14 gibt es eine gewisse Stetigkeit.Aus unserer Sicht ist dieser Etat einfach zu hoch.
Der Kalte Krieg ist seit Jahren vorbei und so viele Be-drohungen können gar nicht herbeigeredet werden, umdiesen Etat mit rund 28 Milliarden Euro zu rechtfertigen.Die klassische Aufgabenstellung der Bundeswehr ist füruns nach wie vor die Landesverteidigung. Eine Bun-dnFPBsLtedarIgUwAlhbbDwdDiddHpzKtwiVdNuT2AAdAMd
ach wie vor werden Soldatinnen und Soldaten aus Ostnd West unterschiedlich bezahlt. Die Angleichung derarife wird für 2009 in Aussicht gestellt. Warum erst009? Wir haben im Verteidigungsausschuss auch denntrag gestellt, die Tarife ab 2006 anzugleichen. Diengleichung der Tarife der Berufssoldatinnen und -sol-aten auf Zeit würde 33 Millionen Euro ausmachen, diengleichung der Tarife der zivilen Mitarbeiterinnen unditarbeiter 36 Millionen Euro, also circa die Summe,ie der Kongoeinsatz kosten wird.
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Katrin Kunert
Auch diesen Antrag haben Sie leider abgelehnt.An dieser Stelle möchte ich Ihnen eines ganz deutlichsagen: Wenn Sie die Soldatinnen und Soldaten in Zu-kunft loben und ihnen Ihren Dank und Ihre Anerkennungaussprechen, sollten Sie daran denken, dass sich Lob,Dank und Anerkennung auch im Geldbeutel bemerkbarmachen müssen.
Mit Blick auf die Ausgestaltung des Verteidigungs-haushaltes sei mir abschließend noch eine Bemerkunggestattet: Die Haushaltstitel weisen den gewünschtenWeg für die Bundeswehr aus. Herr Minister Jung, lassenSie uns doch gemeinsam über die künftigen Aufgabender Bundeswehr reden.
Wie man den Zeitungen entnehmen kann, steht es um IhrWeißbuch im Moment nicht ganz so rosig.
– Hören Sie doch bitte bis zum Schluss zu!Ich hoffe, dass sich die Genossen in der SPD wiederauf die klassischen Aufgaben der Bundeswehr besinnen.Die Grundausrichtung auf eine globale Einsatztruppemit neuen Angriffswaffen, wie im Haushalt festgeschrie-ben, und die Ausweitung der Einsätze der Bundeswehrim Innern lehnen wir weiterhin ab.Schönen Dank.
Das Wort hat nun der Kollege Winfried Nachtwei für
die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wir stehen kurz vor der Sommerpause. Aber in der Si-cherheitspolitik wird es garantiert keine Sommerpausegeben, im Gegenteil. Aus diesem Anlass und angesichtsder vor uns liegenden Monate möchte ich etwas zu denBundeswehreinsätzen und zum Weißbuch sagen.Erstens. Was den Kongoeinsatz angeht, sei auf Fol-gendes hingewiesen: Beim Kongoeinsatz und bei derBeteiligung Deutschlands an der EU-Truppe kommt esso sehr auf Glaubwürdigkeit an, wie es bei früheren Ein-sätzen selten der Fall war. Damit meine ich Glaubwür-digkeit sowohl im Hinblick auf die eingesetzten Einhei-ten als auch hinsichtlich der zentralen Botschaften. HierkzmhnPrRvVgzddgwcSnBDTshdvonmsGtmtzScDegBddH
tattdessen findet eine verschärfte und aggressive Ver-ichtung der Anbaufelder statt. Die Folge ist, dass dieauern ihre Existenz verlieren.
ie Bauern suchen Schutz. Wer bietet ihnen den? Diealiban. Im Süden – das ist deutlich festzustellen – ent-teht das, wovor wir schon vor geraumer Zeit gewarntaben: eine Drogenvolksfront. Dadurch wird die Spiraleer Gewalt enorm angetrieben.Hinzu kommt, dass „Enduring Freedom“-Einsätzeor allem im Süden und Südosten offenkundig viel zuft kontraproduktiv wirken. Die Folge ist, dass die inter-ationale Gemeinschaft und die Zentralregierung immerehr die Herzen der Afghanen verlieren. Das ist eineehr bedrohliche Entwicklung. Das heißt, es besteht dieefahr, dass die ISAF, die internationale Sicherheitsun-erstützungstruppe, in der Wahrnehmung von immerehr Menschen nicht mehr als Friedensunterstützungs-ruppe, sondern als Besatzungstruppe wahrgenommenu werden droht. Eine Besatzungstruppe ist aber keinetabilisierungstruppe mehr. Das ist eine äußerst gefährli-he Entwicklung.
ie Konsequenz daraus ist, dass es bei dem Afghanistan-insatz nicht um neue Konzepte gehen muss – Konzepteibt es sehr viele –, sondern darum, die Strategie, die amoden praktiziert wird, in den nächsten Monaten, vorer Verlängerung der Mandate, zu überprüfen.
Zum Weißbuch. Seit einigen Wochen ist der Entwurfes Weißbuchs im Umlauf. Es soll laut Ihren Aussagen,err Minister, sicherheitspolitisch und strategisch eine
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Winfried NachtweiStandortbestimmung bringen. Dieser Anspruch ist völligrichtig; doch er wird mangelhaft eingelöst.Erstes Beispiel: Nach mehr als zehn Jahren deutschenKrisenengagements bzw. Einsätzen der Bundeswehr istes an der Zeit, zu einer systematischen und offenen Aus-wertung dieses Teils deutscher Außenpolitik zu kom-men. Das ist dringend erforderlich. Tätigkeitsberichte al-lein reichen nicht; wir brauchen eine Auswertung.Hierüber steht im Weißbuch nichts. Dabei wäre das eineenorme Chance. Es wäre auch zwingend notwendig, umabschätzen zu können, was Militär, was Bundeswehr anAußenpolitik leisten kann und was nicht. Das ist daserste wichtige Versäumnis.Zweitens. Der Verteidigungsbegriff ist diffus formu-liert. Aber die Andeutungen gehen in Richtung einerAusweitung des Verteidigungsbegriffes, sowohl nach in-nen – dass eine Terrorattacke dem Verteidigungsfall ver-gleichbar sei – als auch nach außen, Ressourcenschutzusw. Dazu müssen wir kurz und knapp feststellen: Dasbringt kein Mehr an Sicherheit, sondern eindeutig mehrUnsicherheit.Drittens. Der Anspruch umfassender und Gewalt vor-beugender Sicherheitspolitik bleibt leider in der Ansagestecken. Herr Minister, Sie haben selbst darauf hinge-wiesen, dass die Bundeswehr in den Einsatzgebieten mitden anderen Kräften vernetzt ist und mit ihnen gut zu-sammenarbeitet, mit einigen Lücken zwar, aber insge-samt gut. Doch diese besondere Zusammenarbeit mitden verschiedenen Kräften schlägt sich nicht im Weiß-buch nieder.Hier gibt es also ganz deutlich eine Unausgewogen-heit der militärischen, polizeilichen und zivilen Krisen-managementfähigkeiten. Vorprogrammiert ist dabei Fol-gendes: Immer mehr Bundeswehreinsätze und immerlängere Bundeswehreinsätze mit immer weniger Wir-kung.
Herr Kollege, denken Sie an Ihre Redezeit!
Ja, ich komme zum Schluss. – Diese Schlüsselfragen
können nicht per Kabinettsbeschluss über ein Weißbuch
sozusagen erlassen werden. Sie brauchen eine breite De-
batte. Ob diese breite Debatte blockiert wird oder ob sie
zustande kommt, dafür tragen Sie, Herr Minister, eine
sehr große Verantwortung. Ich appelliere an Sie – ich
glaube, ich spreche hier, ausgesprochen oder unausge-
sprochen, im Namen aller Kollegen –: Tragen Sie bitte
Ihren Anteil dazu bei, dass wir eine solche Debatte be-
kommen!
Danke schön.
Das Wort hat nun der Kollege Thomas Kossendey für
die CDU/CSU-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!iele Zahlen sind heute genannt worden; manches vonem, was im Haushalt verankert werden soll, ist ange-prochen worden. Dies ist der erste Haushalt der großenoalition. Deswegen möchte ich einige Aspekte heraus-reifen, die noch nicht erwähnt worden sind.Was bleibt? Was wird anders? Was bleibt, ist dieirkliche Enge in diesem Verteidigungshaushalt. Er isto knapp auf Kante genäht wie alle in den Jahren zuvor.ir haben allerdings – das finde ich positiv – eine Per-pektive der Verlässlichkeit bekommen. Was uns in denetzten Jahren immer wieder geärgert hat, waren dienkalkulierbaren Eingriffe in den laufenden Haushalt,
ie eine Planungssicherheit gar nicht erst haben aufkom-en lassen.
Es gibt allerdings schon jetzt zwei Punkte, die in die-em Zusammenhang anzusprechen sind – der Kollegeohannes Kahrs hat das bereits getan –: Ohne dass wiras vorher planen konnten, müssen wir aus dem Vertei-igungshaushalt den Kongoeinsatz und unseren Anteiln den israelischen U-Booten finanzieren. Beides sindichtige Aufgaben, aber nicht jede wichtige Aufgabe,ie wir in diesem Land zu lösen haben und die außenpo-itische Akzente hat, muss aus dem Verteidigungshaus-alt bezahlt werden.
eswegen habe ich eine sehr große Sympathie dafür,ass wir uns im Parlament, im Verteidigungsausschussnd auch im Haushaltsausschuss darüber verständigen,ie wir diese unwägbaren Eingriffe für die Zukunft aus-chließen.Ich will nicht wieder auf den Einzelplan 60 zurück-ommen, aber ein vergleichbares Verfahren wie dortrauchen wir dringend, um eine Verlässlichkeit in derlanung zu erreichen. Hier sollten uns auch Leertitel undlobale Minderausgaben nicht helfen. Nein, wir brau-hen eine wirkliche Etatisierung von unvorhergesehenenusgaben, durch die der Verteidigungshaushalt weitge-end geschützt wird.Verlässlichkeit ist das Thema. Ich will dazu noch ei-en Vorschlag wiederholen, den ich hier vor einigen Jah-en gemacht habe und der mir politisch immer nochichtig erscheint. Wir müssen aus meiner Sicht dreiaushalte zusammen betrachten: den Verteidigungs-aushalt, den Haushalt für das Auswärtige und denaushalt für das Bundesministerium für wirtschaftliche
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Thomas KossendeyZusammenarbeit und Entwicklung. Alle drei haben näm-lich eine außergewöhnlich wichtige Ausstrahlung nachdraußen und sind für die Bedeutung und den Stellenwertunseres Landes in der Völkergemeinschaft wichtig. Ichdenke, deshalb sollten wir versuchen, ein Agreement da-hin gehend zu schaffen, dass wir diese drei Haushaltevor die Klammer ziehen, wenn es wieder einmal darumgeht, mit dem Rasenmäher zu kürzen, weil wir den Rufunseres Landes nicht aus haushalterischen Gründen un-nütz aufs Spiel setzen sollten.Wenn ich von Verlässlichkeit spreche, dann meine ichden Investivbereich; insbesondere aber meine ich dieMenschen in der Bundeswehr, die eine Verlässlichkeitder Planung verdient haben. Wir haben bei diesem Haus-halt zum ersten Mal notieren können, dass der Personal-anteil auf unter 50 Prozent gefallen ist. Das klingt zu-nächst sehr gut, aber ist teuer erkauft, nämlich durch denVerzicht auf Zulagen, Weihnachtsgeld und anderes – unddas in einer Zeit, da wir unsere Soldaten in den nächstenWochen in einen sehr schwierigen Auftrag schickenwerden.Ich bin deswegen dankbar, dass die Frau KolleginMerten angesprochen hat, dass wir nach dem Einsatzver-sorgungsgesetz nun auch eine gesetzliche Grundlage da-für schaffen wollen, dass Soldaten, die im Einsatz ver-letzt worden sind, mehr Möglichkeiten haben, hinterherihre berufliche Perspektive bei der Bundeswehr zu fin-den. Was nutzt es dem Zeitsoldaten auf vier Jahren näm-lich, wenn er im Einsatz auf eine Mine tritt, ein Bein ver-liert und wir ihm nach vier Jahren sagen: Tschüss, daswar es! – Das kann nicht die Fürsorge unseres Landesgegenüber denjenigen sein, die für uns und in unseremAuftrag ihr Leben riskieren. Deswegen ist das, was derMinister dort vorhat, sehr wichtig.
Wir müssen uns auch noch mehr als bisher um dieMotivation und die Attraktivität des Dienstes in derBundeswehr kümmern. Der Erfolg eines Einsatzes hängtin einer Zeit, in der ein Einsatz in internationalen Gebie-ten eigentlich der tägliche reale Dienst ist, nicht nur vonder Zahl der Soldatinnen und Soldaten, sondern auchvon der Motivation der Soldatinnen und Soldaten ab. Esist viel wichtiger als vieles andere, was wir in der Bun-deswehr zu beobachten haben, dass wir diesen Dienstattraktiv gestalten; denn in absehbarer Zeit wird dieBundeswehr mit vielen anderen Arbeitgebern um Nach-wuchs kämpfen müssen. Wenn dann der Dienst nicht at-traktiv ist und der Verdacht besteht, dass wir unsere Für-sorgepflicht nicht ernst nehmen, dann wird es schwerwerden, diejenigen zu finden, die wir bei der Bundes-wehr brauchen.Ich will hier ein Stichwort ansprechen, das mir sehram Herzen liegt. Wir haben fast 7 500 weibliche Solda-ten. Das SOWI hat untersucht, dass 75 Prozent dieserFrauen ihren Dienst bei der Bundeswehr mit einem Kin-derwunsch angetreten haben. Was tun wir eigentlich fürdiese Frauen?
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as tun wir bereits vereinzelt; es ist auch richtig und gut.ir sollten das aber viel besser organisieren.Der heute schon mehrfach erwähnte Staatssekretärr. Pflüger
at im Verteidigungsausschuss dazu einen sehr intensi-en Bericht vorgelegt, den ich dringend zur Beratung iniesem Ausschuss empfehle. Ich meine, wir sollten innsere Überlegungen auch diejenigen einbeziehen, dien internationalen Einsätzen entsprechende Störungenavongetragen haben und zwischenzeitlich aus demienst ausgeschieden sind. Eine so verstandene Fürsor-epflicht kann möglicherweise in der Einrichtung einesehazentrums ihren Ausdruck finden.Wenn ich von den Menschen bei der Bundeswehrpreche, dann bleiben die Zivilbediensteten sozusagentwas im Schatten. Die Zahl von 75 000 Zivilbedienste-en, die wir bis 2010 erreichen wollen, ist aus haushalte-ischen Gründen festgelegt worden. Ihr lag keine Struk-ur zugrunde, liebe Frau Kollegin Merten. Ich binankbar, dass Staatssekretär Dr. Wichert diese Strukturis zum Jahresende schafft. Denn nur mit einer Struktur,ie bis zum letzten Standort ausgeplant ist, können wiren Menschen, die versetzt werden müssen, helfen, Al-ernativen im Bereich der Bundeswehr zu finden. Dannört endlich das Elend auf, dass keine Stelle mehr nach-esetzt wird und die Menschen nur um den Preis voneitverträgen bei der Bundeswehr beschäftigt werden.as kann nicht richtig sein.Deswegen ist meine dringende Bitte, Herr Minister:orgen Sie dafür, dass der Bericht über die Struktur
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Thomas Kossendeymöglichst schnell erscheint und dass wir zügig umset-zen, was wir mittlerweile in die Kern- und Nichtkern-aufgaben der Bundeswehr aufgeteilt haben! Wann be-kommen wir zum Beispiel eine Übersicht, welcheLiegenschaft aus militärischen Gründen dringend not-wendig ist und welche vielleicht in die Verwaltung derBImA abgegeben werden kann? Wir brauchen dabeiKlarheit, um auch für das Personal eine Perspektive zuschaffen.Lassen Sie mich noch etwas zum Thema Dussmannausführen, das vom Kollegen Koppelin angesprochenworden ist. Mich ärgert es sehr, dass der Versuch inMünchen in die Hose gegangen ist, weil Dussmann denVertrag gekündigt hat.
Es ärgert mich deswegen, weil ich nach wie vor glaube,dass die Übertragung von Aufgaben, die bislang inner-halb der Bundeswehr erledigt wurden, an Private einePerspektive bieten kann, die sowohl für die Soldaten gutals auch hinsichtlich des Haushalts richtig sein kann.
Das von uns festgestellte Unvermögen eines Auftrag-nehmers, den Auftrag zur Zufriedenheit der Soldatenauszuführen,
darf nicht dazu führen, dass wir das Thema grundsätz-lich von der Tagesordnung nehmen. Wir müssen sehr ge-nau prüfen, wo die Gründe für das Versagen lagen. Wirmüssen prüfen, ob sie einseitig bei dem Unternehmer la-gen oder ob vonseiten der Verwaltung oder des Ministe-riums Vorgaben gemacht wurden, die nicht umzusetzenwaren.Ich glaube, wenn wir uns in diesen Tagen über denFall aufregen, der 13 Küchen betrifft, dann sollten wirauch berücksichtigen, dass allein bei den Küchen derBundeswehr, die wir noch selber verwalten, ein Investi-tionsbedarf in Höhe von 300 Millionen Euro besteht, umsie so weit instand zu setzen, dass ein Veterinär sie beieiner Inspektion nicht gleich schließt. Das müssen wirim Haushalt berücksichtigen.An dem Standort in meinem Wahlkreis Oldenburggibt es drei Truppenküchen. Alle drei Küchen sind vomVeterinär geschlossen worden, weil der bauliche Zustandes nicht zuließ, Essen zu kochen, das für den menschli-chen Verzehr bestimmt ist. Die Luftlandebrigade 31– eine der Brigaden, die wir als erstes in den Einsatzschicken wollen – wird, weil kein Geld für eine neueKüche vorhanden ist, in den nächsten fünf Jahren aus ei-ner containerisierten Küche in Zelten verpflegt werden.Das ist keine Fürsorge, wie wir sie uns vorstellen.
Lassen Sie mich noch etwas zum Thema Materialund Investitionen ausführen. Wir haben die Betriebs-kufsdSadmrDbdzvh2whhwkWmtUBenlzksWsDllspcwdßwagdWdd
nd schließlich müssen wir darauf achten, dass wir imereich der Luftwaffenwerften und des Marinearsenalsigene Kompetenz und Expertise erhalten, damit wiricht den Preisen, die uns die Wirtschaft diktiert, wahl-os ausgeliefert sind.Lassen Sie mich zum Schluss noch auf das Weißbuchu sprechen kommen. Ich habe selten eine solche Dis-ussion über ein noch nicht veröffentlichtes Buch undolche detaillierten Forderungen erlebt, wie es beimeißbuch der Fall ist. Ich glaube, dieses Weißbuch hatchon jetzt einen wichtigen Teil seiner Aufgabe erfüllt.as vom Bundespräsidenten angesprochene wohlwol-ende Desinteresse, das der Bundeswehr in der Öffent-ichkeit entgegenschlägt, ist einer engagierten Diskus-ion gewichen. Was kann einem Weißbuch Besseresassieren, als dass darüber schon vor seiner Veröffentli-hung so intensiv diskutiert wird? Das halte ich fürichtig.Wir haben in Deutschland drei Sicherheitsbereiche:ie soziale Sicherheit, die innere Sicherheit und die äu-ere Sicherheit. Über die soziale Sicherheit diskutierenir jeden Tag. Die innere Sicherheit liegt uns deswegenm Herzen, weil uns die Menschen fragen, was wir ei-entlich tun. Aber die äußere Sicherheit hat längst nichten gleichen Stellenwert. Ich wünsche mir, dass daseißbuch dafür sorgt, dass die äußere Sicherheit wiederen Stellenwert in der öffentlichen Diskussion bekommt,en sie verdient.Vielen Dank.
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Thomas Kossendey
Das Wort hat nun für die SPD-Fraktion der Kollege
Andreas Weigel.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Der von mir sehr geschätzte Kollege Alexander Bondehat in seiner Rede die Frage gestellt, ob wir für das in-vestierte Geld das Optimum bekommen. Ich will dieseFrage aufgreifen. Entscheidend ist, wie wir das Opti-mum definieren. Das ist eine sehr subjektive Bewertung.Das Optimum kann sein, dass der Einzelplan 14 an drit-ter Stelle steht, was ja von der PDS kritisiert wird. DasOptimum kann sein, dass alles drin ist, was wir auf dergroßen „Wünsch dir was“-Liste aufgeführt haben. DasOptimum kann aber auch sein, dass die Einsatzbereit-schaft und die Sicherheit der Truppe gewährleistet sind.Ich glaube, dass der heute zur Diskussion stehendeEinzelplan 14 dieses Kriterium auf alle Fälle erfüllt. Ver-ehrter Herr Kollege Kossendey, wir stehen damit in derguten Kontinuität der Haushalte in den vergangenen Jah-ren und sorgen für Verlässlichkeit. Die Einsatzbereit-schaft und die Sicherheit der Truppe sind gewährleistet.
Als letzter Redner in dieser Debatte will ich kurz dreiThemen ansprechen, die nicht nur den hier zur Beratunganstehenden Haushalt betreffen, sondern auch die kom-menden Haushalte. Das sind die Themen Anpassung derBundeswehrverwaltung an die Herausforderungen derTransformation, die Kooperation der Bundeswehr mitder Wirtschaft und die Kooperation im Rüstungsbereichauf europäischer Ebene.Meine sehr geehrten Damen und Herren, 17 Prozentdes Verteidigungsetats, ungefähr 4 Milliarden Euro,nimmt Jahr für Jahr die Finanzierung des Zivilpersonalsder Bundeswehr in Anspruch. Ungefähr 250 000 Solda-ten – einschließlich der Wehrpflichtigen – stehen annä-hernd 120 000 Zivilbeschäftigten gegenüber. Wir habenuns das Ziel gesetzt, bis 2010 die Zahl der Zivilbeschäf-tigten auf 75 000 zu reduzieren. Aber wir werden diesesZiel – ich glaube, das bestreitet niemand ernsthaft –wohl nicht erreichen. Was bedeutet das und was folgtdaraus?Wir kommen in der Haushaltsplanung nicht darumherum, die Betriebskosten zu reduzieren und Zivilperso-nal sozialverträglich abzubauen. Der jetzige Zustand istfür das Zivilpersonal in vielerlei Hinsicht unbefriedi-gend. Jeder weiß, dass es Veränderungen geben wird.Aber niemand weiß, wie sie sich auswirken werden. DieZivilbeschäftigten sorgen sich um ihre Arbeitsplätze undihre berufliche Zukunft. Die mittelfristige Entwicklungist ungeklärt. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir über dasvkElpdeJDdrfBsrgvemSndgedTiaaPslrVDhdlwnhpmanwFFbws
rivatisierungsprojekte sind wichtig. Wir alle gemein-am müssen sicherlich aus dem, was wir derzeit erleben,ernen und unsere Lehren für weitere Projekte ziehen.Wir müssen darüber hinaus überlegen, ob wir im Be-eich der Kameralistik und des Rechnungswesens zueränderungen kommen. Sparen muss sich lohnen.ienstbereichs- und dienststellenbezogene Globalhaus-alte müssen Standard werden. Flexible Budgetierung iner Verantwortung und Zuständigkeit des jeweiligen mi-itärischen und zivilen Leiters sollte in Zukunft die Normerden. Sie sollte für alle Anreize bieten.
Schließlich werden wir im Bereich der Streitkräfteeue Wege gehen müssen. Die Festlegung auf Kernfä-igkeiten und die Bereitschaft zur Integration auf euro-äischer Ebene sind hier wichtige Stichworte. Dasuss wesentlich stärker als bislang seinen Niederschlaguch im Haushalt finden. Die Bundeswehr ist als Bünd-isarmee konzipiert und die europäischen Streitkräfteachsen zusammen. Deshalb ist es geboten, über neueormen einer verstärkten gemeinsamen europäischeninanzierung nachzudenken. Dies könnte mit dem Aus-au der Europäischen Verteidigungsagentur zu einemesentlichen Instrument bei der Vernetzung europäi-cher Streitkräfte gekoppelt werden.
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Andreas WeigelDie Bundesregierung geht hier mit gutem Beispielvoran. Ich glaube, dass wir in Europa auf einem gutenWeg sind. Wir sollten das im nächsten Haushalt, den wirsehr bald diskutieren werden, berücksichtigen.Ich glaube, dass der vorliegende Haushalt es wert ist,mit Zustimmung bedacht zu werden.Ich danke.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 14 – Bundesministerium der Verteidigung – in der
Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer ist dage-
gen? – Enthaltungen? – Dann ist der Einzelplan 14 mit
den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stim-
men der Fraktionen von FDP, Bündnis 90/Die Grünen
und Die Linke angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.9 auf:
Einzelplan 23
Bundesministerium für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung
– Drucksachen 16/1319, 16/1324 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Alexander Bonde
Jochen Borchert
Iris Hoffmann
Jürgen Koppelin
Michael Leutert
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre dazu
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Bevor ich das Wort dem
Kollegen Hellmut Königshaus für die FDP-Fraktion
gebe, bitte ich darum, dass die Gespräche nicht hier im
Plenum, sondern vor dem Saal geführt werden, damit
wir dem Redner aufmerksam zuhören können. – Herr
Kollege Königshaus.
Ich bedanke mich sehr herzlich, Frau Präsidentin! –Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, ichkönnte es mir leicht machen und meine Rede zur erstenLesung des Einzelplans hier noch einmal wiederholen;denn am Sachverhalt hat sich leider nichts geändert.Wenn wir deshalb nachher – was Sie wahrscheinlichnicht sehr überraschen wird – Ihren Haushalt ablehnenwerden, können Sie die Gründe dort nachlesen.Ich will mich auf zwei Kernpunkte konzentrieren, diemir besonders dringlich erscheinen. Mein KollegeDr. Addicks wird nachher noch einiges ergänzen.Erstens zur politischen Konzeption. Frau Ministerin,wann erhalten wir von Ihnen ein klares und nachvoll-ziehbares Konzept, in welchem Verhältnis die verschie-denen Felder unserer Entwicklungszusammenarbeit – bi-lWudUdMrgIrmpwcwddvvEmDüNsMgGwkhsnhbnnw9riaJaHEcgsw
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Das Wort hat nun für die SPD-Fraktion die Kollegin
Iris Hoffmann.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Fast das ge-samte öffentliche Leben steht im Moment im Zeichender Fußballweltmeisterschaft. Viele der Länder, derenNationalteams zurzeit bei uns zu Gast sind, sind unserePartner im Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeitund Entwicklung. Ich denke beispielsweise an Ghana,die Elfenbeinküste, an Ecuador oder Paraguay, aber auchan Serbien-Montenegro oder die Ukraine.Diese Länder bauen nicht nur während der Fußball-weltmeisterschaft auf unsere Zusammenarbeit und Un-terstützung. Deshalb freut es mich, dass die wirtschaftli-che Zusammenarbeit und die Entwicklungspolitik einenbedeutenden Stellenwert in der Arbeit der Bundesregie-rung einnehmen. Das wird auch in der Mittelausstattungdes Einzelplans 23 sehr deutlich.Ich möchte Sie nicht mit zu vielen Zahlen nötigen.Aber in einer Haushaltsdebatte kommt man natürlichnicht umhin, die wichtigsten Eckpunkte und Entwick-lungslinien des Etatentwurfs zu skizzieren. Der Haus-haltsansatz des Bundesministeriums sieht Gesamtausga-ben von rund 4 Milliarden Euro vor. Lässt man dieDezentralisierung der Versorgungsausgaben, also diePensionen, einmal außen vor, beträgt die Steigerung imVergleich zu 2005 circa 300 Millionen Euro.Ich finde aber, noch bedeutender als der nominaleAufwuchs ist die Tatsache, dass der Einzelplan 23 damitprozentual wesentlich deutlicher wächst als der Gesamt-haushalt. Auch der Anteil der Mittel für die Entwick-lungszusammenarbeit am Bundeshaushalt und an denGgdsdDwsahaWmnmENgEMdOtdwdVcegelvm1HilEvldtntOKDZh–dz
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Nach meiner Meinung ist aber eine Reduzierung derVerpflichtungsermächtigungen bei der bilateralen Zu-sammenarbeit das falsche politische Signal. Theoretischhätte man die Höhe der Barmittellücke und die der Ver-pflichtungsermächtigungen dadurch in Einklang bringenkönnen, dass man die Barmittel stärker erhöht, anstattdie Verpflichtungsermächtigungen selbst zu reduzieren.
Ich weiß, dass dies angesichts der Gesamthaushalts-lage schwer zu realisieren und damit illusorisch ist.
Wenn die Bundesregierung ihre internationalen Ver-pflichtungen ernst nimmt – davon bin ich überzeugt –und die ODA-Zusage erfüllen möchte, muss dies nebenadnHgaZssdgnDzgd0cwGddulbbarmFKldtiMftlT
In 2005 hat die Bundesrepublik nach den vorläufigenahlen ihre ODA-Zusage sogar übererfüllt. Auch in die-em Jahr werden wir das Ziel mit allergrößter Wahr-cheinlichkeit erreichen. Es ist kein Geheimnis, dass unsies nicht zuletzt aufgrund eines Schuldenerlasses gelun-en ist bzw. gelingt. Das ist legitim; man muss sich dafüricht schämen.
ieses Instrument, ODA zu generieren, wird jedoch inukünftigen Jahren nur noch eingeschränkt zur Verfü-ung stehen.Bis 2010 fehlen nach heutigem Stand etwa 7 Milliar-en Euro, um das zugesagte ODA-Zwischenziel von,51 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu errei-hen. Was ich mir persönlich in diesem Zusammenhangünsche, ist ein abgestimmtes und in sich tragfähigesesamtkonzept der Bundesregierung im Hinblick aufie Frage, in welchen Schritten und mit welchen Mittelnie ODA-Zusage bis zum Jahr 2015 erfüllt werden soll.Ich denke, der Haushalt 2006 des Bundesministeri-ms für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-ung lässt sich mit einem Fußballvergleich auf den Punktringen: Die Vorrunde ist erfolgreich überstanden, aberis zum Titel ist es noch ein weiter Weg. Doch wenn wirlle in der Entwicklungszusammenarbeit als Team agie-en, können wir hierbei einen großen Schritt vorankom-en.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat nun die Kollegin Heike Hänsel für die
raktion Die Linke.
Danke, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen undollegen! Gestern, am 20. Juni, war der Tag des Flücht-ings. Frau Wieczorek-Zeul hat eine Presseerklärungazu herausgegeben. Sie hat darin vor allem auf die Si-uation der Flüchtlinge in Darfur hingewiesen. Das haltech für sehr wichtig; denn die Situation ist für sehr vieleenschen katastrophal. Mia Farrow war gestern eben-alls anwesend und hat darüber sehr eindrücklich berich-et. Ich begrüße diese Initiative.Allerdings vermisse ich, dass Sie am Tag des Flücht-ings kein Wort zu den Flüchtlingen gesagt haben, dieag für Tag an den Außengrenzen der Europäischen
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Heike HänselUnion ankommen, und dass Sie sich nicht dazu geäußerthaben, wie wir mit diesen Flüchtlingen umgehen. Wiereagiert die EU auf diese Flüchtlinge? Wir schicken jetztsogar mobile Eingreiftruppen auf die Kanarischen In-seln. Man muss sich das einmal vorstellen: Wo Touristenihren Urlaub verbringen, werden Flüchtlinge mit Schif-fen abgefangen, um sie dann in ihr Heimatland zurück-zubringen.Es gab vor kurzem einen sehr guten und eindrückli-chen Bericht in der „tageszeitung“ über die Situation vonKleinfischern im Senegal, deren Existenzgrundlage zu-nehmend bedroht ist. Sie haben keine Einnahmequellenmehr, weil große EU-Fischereiflotten für eine enormeÜberfischung im Hoheitsgebiet dieses Landes sorgenund schwimmende Fischfabriken in dieser Region Tagfür Tag Fisch verarbeiten.Was unternehmen diese Fischer nun? Sie vermietenihre Boote, mit denen sie früher Fisch gefangen haben,an Flüchtlinge für die Überfahrt Richtung Europa. Damitkommen Menschen an unseren Außengrenzen an. Wasist unsere Antwort darauf? Zunehmend haben wir daraufeine militärische Antwort parat. Da stellt sich die Frage,warum wir Entwicklungspolitikerinnen und Entwick-lungspolitiker keine andere Antwort haben und warumwir vor allem keine grundsätzlichen Debatten führen.
Es stellt sich außerdem die Frage nach den Strukturenunserer Wirtschaftsordnung. Wir haben auch heute ge-hört, dass wir sie im Zuge der EU-Verfassung weiterent-wickeln wollen. Das neoliberale Modell soll ausgebautwerden, obwohl es sehr viele Probleme verursacht, fürdie wir keine Lösungen haben. Trotzdem entwickeln wirdiese Politik konsequent weiter.Wir müssen uns weiterhin die Frage stellen: Kann mitder jetzigen Weltwirtschaftsordnung das durch die Ver-einten Nationen verbriefte Recht der Menschen auf Ent-wicklung gewährleistet werden? Die Antwort lautet ganzklar Nein. Deshalb müssen wir grundsätzliche Alterna-tiven dazu entwickeln.
Bei dieser und bei der letzten Debatte ist mir aufgefal-len, dass wir die Millenniumsziele, die wir verabschie-det haben, überhaupt nicht thematisieren. Den ganzenTag über gab es kein Wort dazu, wie die Armutsbekämp-fung angegangen werden soll. Was sind unsere Antwor-ten und wo setzen wir der Armut etwas entgegen?
– Sie können gerne eine Zwischenfrage stellen. Aberhalten Sie sich ansonsten bitte zurück!
– Ja, genau.aidatDwmtdserfblechgEgcidh12ddtAAldttdddbdifsO
Erster Punkt. Es ärgert mich schon, dass bei derDA-Quote Entschuldungsmaßnahmen und die
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Heike HänselTsunamihilfe angerechnet wurden. Das halte ich nichtfür seriös.
Es handelt sich um Extraposten, die nicht dafür benutztwerden dürften, die ODA-Quote zu erhöhen.
Statt sie durch einmalige Zahlungen zu erhöhen, müss-ten vielmehr feste Ausgabeposten im Haushalt einge-plant werden. In dieser Frage gibt es auch überhauptkein Gegenargument; das räumt selbst die Ministerinein.Zweiter Punkt ist, dass keine neuen Finanzierungsme-chanismen wie zum Beispiel die Flugticketabgabe, de-ren Einführung auch wir unterstützen, vorgesehen wer-den. Frau Ministerin, wenn Sie sich dafür einsetzen,sichere ich Ihnen unsere Unterstützung zu. Ich finde, dieFlugticketabgabe ist längst überfällig.Ein aus unserer Sicht interessanter Punkt ist es, dasses in Ländern auf anderen Kontinenten Alternativengibt. Ich denke da zum Beispiel an Lateinamerika. Esgab den EU-Lateinamerika-Gipfel. Dort haben wir unsdafür engagiert, dass kein Freihandelsabkommen zu-stande kommt. Wir glauben nämlich, dass es in Latein-amerika nun vermehrt zu selbstbestimmter Entwicklungkommt. Wir halten zum Beispiel die Verstaatlichung derErdgas- und Erdölreserven in Bolivien für einen der bes-ten Beiträge zur Entwicklungspolitik der letzten Jahre.
– Es gibt dort weitere neue Ansätze, von denen Sie keineAhnung haben. Sie beziehen mittlerweile völlig altba-ckene Positionen, weil Sie in keiner Weise für eineselbstbestimmte Entwicklung eintreten.
Sie sitzen hier im Parlament, machen schlaue Sprüche,aber sind nicht bereit, in Gesellschaften zu investieren,um neue Prozesse anzustoßen.
Beispielsweise über regionale Integration wird anderswoversucht, neue Antworten zu geben.
– Das ist eine andere Frage. – Was Sie machen, ist imGrunde genommen überholt. Sie kommen mit alten Ant-worten, obwohl es neue Ansätze gibt. An diese wollenwir anknüpfen. Wir werden die Menschen in Lateiname-rika unterstützen und sehen uns als Teil einer Bewegung,die für die Umsetzung solcher Ansätze in Europa eintritt.Herzlichen Dank.CDdsMA–nvdhhJmsdlHdwdsiddDwmdD0gngEHeEZftg
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!er Bundeshaushalt 2006 steht im Zeichen der Konsoli-ierung einerseits und notwendiger Reformen anderer-eits. Das Ziel ist klar: Wir müssen und wir wollen dieaastrichtkriterien und gleichzeitig die Vorschriften desrt. 115 des Grundgesetzes einhalten.
Sie müssen etwas lauter zwischenrufen; ich habe Sieicht verstanden. – Dabei steht der Einzelplan 23 als in-estiver Einzelplan in einer besonderen Verantwortung;enn neben der Konsolidierung des Bundeshaushaltesaben wir uns im Koalitionsvertrag auch auf eine Erhö-ung der ODA-Quote verständigt. Das bedeutet, dass imahr 2010 0,51 Prozent unseres Bruttonationaleinkom-ens für Entwicklungsaufgaben aufgewendet werdenollen. Meine Damen und Herren, das ist unser Anteil aner Armutsbekämpfung, das ist unser Anteil zum sozia-en Frieden und das ist unsere internationale Zusage.Es galt für die Bundesregierung, schon in diesemaushalt Zeichen zu setzen. Dies ist, wie ich denke, ein-rucksvoll gelungen. Für das Bundesministerium fürirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bringties eine Erhöhung des Etats um 320 Millionen Euro mitich. Das entspricht einer Erhöhung von fast 8,2 Prozentm Vergleich zum Vorjahresetat. Damit werden die Bun-esregierung und die Koalitionsfraktionen, wie ichenke, ihrer Verpflichtung aus der ODA-Zusage gerecht.as stärkt auch das Ministerium bei der Bewältigung derachsenden Aufgaben. Wir setzen diese Erhöhung – da-it halten wir unsere Zusage ein – in einem Haushalturch, in dem zugleich intensiv gespart wird.
ie nächsten Ziele lauten: eine ODA-Quote von,51 Prozent im Jahr 2010 und 0,7 Prozent im Jahr 2015.Bevor ich einen Ausblick gebe, wie wir dieses Zielemeinsam erreichen wollen, lassen Sie mich noch ei-ige Worte zu den Haushaltsberatungen dieses Jahres sa-en. Nach der parlamentarischen Beratung hat derinzelplan 23 knapp 320 Millionen Euro mehr in diesemaushaltsjahr. Diesen Aufwuchs benötigen wir auf derinen Seite für unsere Verpflichtungen im Europäischenntwicklungsfonds und auf der anderen Seite, um unsereusagen für die vom Tsunami betroffenen Regionen er-üllen zu können und diese Regionen nachhaltig zu un-erstützen.Herr Kollege Königshaus, wir haben den Anforderun-en aus dem EEF natürlich mit Erhöhungen Rechnung
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Jochen Borchertgetragen. Wir haben aber auch – mit Zustimmung derFDP – im Haushaltsauschuss beschlossen, dass demHaushaltsausschuss in Zukunft vor internationalen Zusa-gen frühzeitig – ehe die Bundesregierung Verpflichtun-gen eingeht – entsprechende Informationen vorgelegtwerden, damit wir die Auswirkungen auf kommendeHaushalte genau überprüfen können. Das heißt, wir le-gen Wert darauf, dass hier in Zukunft keine Risiken auf-wachsen. Ich denke, wir werden in den nächsten Jahrenmit den Verpflichtungen im EEF den Zusagen gerechtund werden das auch umsetzen können.Mit den 150 Millionen Euro für die vom Tsunami be-troffenen Regionen unterstützen wir vor allen Dingenbilaterale Partner in der deutschen Entwicklungszusam-menarbeit. Sie können ihr Engagement vor Ort nachhal-tig fortführen. Die Stärkung unserer deutschen Partner inder Entwicklungszusammenarbeit ist uns ein besonderesAnliegen. Daher war in den Haushaltsberatungen dieUmschichtung zugunsten bilateraler Entwicklungszu-sammenarbeit, soweit dies in diesem Etat möglich war,für uns wichtig. Wir konnten dies auch mit großer Mehr-heit im Haushaltsausschuss beschließen.Vor allem die politischen Stiftungen und die Kirchenprofitieren von dieser Umschichtung. So kann auch demKoalitionsvertrag Rechnung getragen werden, der denStiftungen, aber auch den Kirchen eine besondere Rollebei der Entwicklungszusammenarbeit zuweist.Dies gilt auch für die internationale Agrarfor-schung. Gerade unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit istes wichtig, unseren Partnerländern das erforderlicheWissen zur Verfügung zu stellen, damit sie selbstständigErnährungssicherung durchsetzen und selbstständig Ar-mutsbekämpfung betreiben können. Ich sehe in der Un-terstützung der internationalen Agrarforschung nicht nureinen wesentlichen Beitrag zur Bekämpfung des Hun-gers und dadurch zur Armuts- und Krankheitsbekämp-fung, sondern auch einen wesentlichen Beitrag zumSchutz der natürlichen Ressourcen. Ich denke, dies giltfür alle Bereiche der Land-, Forst- und Fischereiwirt-schaft. Diese Bereiche wollen wir auch in Zukunft inten-siv unterstützen.Meine Damen und Herren, in den letzten Wochen istviel darüber diskutiert worden, dass deutliche Zeichengesetzt werden müssen. Die Bundesregierung und dieKoalition haben das Ziel der Erhöhung der ODA-Quoteauf 0,51 Prozent bis 2010 bzw. auf 0,7 Prozent bis 2015ernst genommen. Eine Etaterhöhung um 8,2 Prozent isthier ein richtiger und wichtiger Schritt und ein deutlichesZeichen.Die deutliche Steigerung der Barmittel hat auch einenpositiven Nebeneffekt, auf den die Kollegin Hoffmannbereits hingewiesen hat: Damit kann die Barmittellückein diesem Jahr abgebaut werden. Wir werden dann imnächsten Jahr über die Erhöhung der VE und der Barmit-tel diskutieren können.Um die ODA-Quote zu steigern, werden wir nebender Barmittelsteigerung noch über andere Instrumenteder Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeitdiskutieren müssen. Erstens werden wir das InstrumentddwkZdumdmguwtzeKSAwkqdtnidzurswsSeddhdßdwienddfdUSrSs
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– Das ging auch an Ihre Adresse. – Niemand bestreitet,dass die Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung inChina immens ist. Gerade erst wurde aber das Weißbuchzur Umweltsituation in China vorgestellt. Es deckt er-schreckende Mängel auf. 200 Milliarden US-Dollar kos-tet die Umweltzerstörung pro Jahr. Das entspricht einemgroßen Teil des Bruttosozialprodukts und frisst damitfast das gesamte Wirtschaftswachstum dieses Landesauf.
– Herr Kollege Kampeter, die deutsche Entwicklungs-hilfe setzt genau da ein, um diese Umweltschäden zuvermeiden.
Ich bin gerne bereit, Ihnen das in einem Vieraugenge-spräch intensiv zu erläutern.
Die Umweltsünden dieses Landes sind nicht nur fürChina, sondern weltweit eine Bedrohung, der wir unsstellen müssen. Deshalb muss die Zusammenarbeit mitChina fortgesetzt werden und es müssen Konzepte ge-funden werden, die nachhaltig den Energiebedarf desLandes gewährleisten, aber gleichzeitig die Umwelt unddie natürlichen Ressourcen schonen.
– Ich bedanke mich besonders für diesen Beifall.
– Das ist nicht so wichtig. – Es entspricht unserer globa-len Verantwortung, dass wir uns nicht aus dieser Ent-wicklungszusammenarbeit zurückziehen.Die Bundesregierung hat mit dem vorgelegten Ent-wurf ein deutliches Zeichen in Richtung der ODA-Quotevon 0,7 Prozent gesetzt. Dies ist ein erster, ein wichtigerSchritt in einer schwierigen Haushaltssituation. Ichmöchte diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen,oZtadBBddAadumslSIEud2gtdmSWeegMFnUribbKhaj
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006 3637
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Zweitens. Sie wissen alle, dass es zur Erreichung derODA-Ziele nicht ausreichen wird, wie bisher Haushalts-mittel umzuschichten oder mit dem manchmal auchfragwürdigen, bisher eingesetzten Mittel des Schul-denerlasses zu operieren, sondern dass wir neue Finanz-instrumente brauchen.
Insofern freue ich mich, dass in den Reihen der Koali-tionsfraktionen die Frage zusätzlicher Finanzierungsinst-rumente thematisiert wird. Gleichzeitig müssen wir andieser Stelle aber sagen, dass diese neue Koalition auchauf diesem Gebiet nichts auf die Reihe bringt. Was istmit dem französischen Vorschlag der Ticket-Tax? Wennman genau hinhört, erkennt man in der Regierung einStimmengewirr, hört aber keine klaren Bekenntnisse.Teilweise herrschte auch ein peinliches Schweigen beiden Auftritten auf internationalen Konferenzen. Sie wis-sen, dass meine Fraktion hierzu klar positioniert ist. Wirerahnen, dass auch Sie, Frau Ministerin, klar positioniertsind. Eine klare Position der Bundesregierung und derKoalitionsfraktionen zu dieser Frage steht aber noch auswie bei so vielen Dingen.Drittens. Man fragt sich, mit welcher Strategie dasimmer wieder propagierte Ziel, das von uns ausdrücklichunterstützt wird, umgesetzt werden soll. Auch dazuherrscht im Ministerium Schweigen.Spätestens ab 2008, wenn der Schuldenerlass keineWirkung mehr zeigt, steht die Antwort auf die Frage an,wie die große Koalition das Ziel eigentlich ernsthaft ver-folgen will, ob die Festlegung im Koalitionsvertrag mehrals ein Lippenbekenntnis ist. Wir sind sehr gespannt.Unsere Fraktion hat bei den Haushaltsverhandlungenbelegt, dass man im Rahmen dieses Einzelplans mehr fürdie Entwicklungszusammenarbeit tun kann. Wir habenunsere Vorschläge gegenfinanziert und haben belegt, wieman bereits in diesem Haushalt 100 Millionen Euromehr in den Bereich der ODA-Mittel hätte umschichtenkönnen, und zwar sowohl im Bundesministerium fürwirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit wieauch im Auswärtigen Amt oder anderen beteiligten Mi-nisterien. Wir haben vor allem belegt, wie man 445 Mil-lionen Euro an Verpflichtungsermächtigungen hätte um-schichten können. Sie als Koalition haben sich dazunicht durchringen können.gwfMZgprBdlgwlShsWpDdsiddmvesusatIpahdsPkm
Ich finde, diese Blockade des Finanzministeriums ge-enüber dem BMZ steht in einer Kontinuität, die zeigt,ie in dieser Regierung der Entwicklungsbereich ange-asst wird, welche Priorität er hat.
an hat manchmal den Eindruck, dass es kein völligerufall ist, dass das Entwicklungsministerium auf der Re-ierungsbank in die dritte Reihe gerückt ist. Denn in denolitischen Feldern spielt sich das häufig auch so ab.
Ich will einmal aktuelle Debatten aufgreifen und da-an erinnern, was wir gerade in der Debatte mit demundesverteidigungsminister erlebt haben. Wir erleben,ass der Bundesverteidigungsminister in den großen po-itischen Linien all das, was wir, Frau Wieczorek-Zeul,emeinsam als Rot-Grün im Zusammenhang mit dem er-eiterten Sicherheitsbegriff entwickelt haben – den Stel-enwert, den Entwicklungszusammenarbeit auch in dericherheitskonzeption und politisch für die Regierungatte –, in seinem Weißbuch abräumt. In diesem Grund-atzdokument für deutsche Sicherheitspolitik fällt keinort mehr zur Entwicklungszusammenarbeit. Sämtlicheräventive Maßnahmen werden an den Rand gedrückt.ie Remilitarisierung des Sicherheitsbegriffes wird inieser Koalition zur Sicherheitsdoktrin.Frau Ministerin, wir kennen Sie nicht als sehrchweigsame Ministerin. Wir warten noch darauf, dassn Verteidigung der gemeinsamen rot-grünen Position inieser Koalition endlich einmal ein Aufschrei kommt,er diesem Zurückdrängen von Entwicklungszusam-enarbeit, diesem Zurückdrängen von konfliktpräventi-en Maßnahmen und von zivilen Maßnahmen endlichin Ende setzt. Denn das ist eine Frage des Selbstver-tändnisses von Entwicklungspolitik in dieser Regierungnd in dieser Koalition.Wenn ich das alles zusammennehme, dann kann ichagen, dass wir uns über leichte Erhöhungen freuen, unsber nicht sicher sind, ob diese wirklich vom Herzen ge-ragen sind.
n den großen Linien der Koalition findet Entwicklungs-olitik nicht statt. Wir warten gespannt auf die Stimmenus der Koalition, die in diese Debatten eingreifen. Bis-er herrscht, wenn es zum Schwur kommt, noch immeras Schweigen. Sie protestieren hier nun schon so laut-tark. Wir warten mit Spannung darauf, dass Sie Ihremrotest Taten folgen lassen. Erste selbstkritische Anmer-ungen aus den Koalitionsreihen in dieser Debatte neh-en wir mit Wohlwollen entgegen.
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Alexander Bonde
Wenn dem nun auch Zustimmung zu unseren Ände-rungsanträgen gegenüberstünde, wäre unser Wohlwollennoch viel größer. Aber darauf werden wir wohl nocheine Weile warten müssen.Vielen Dank.
Nun hat das Wort der Kollege Dr. Sascha Raabe für
die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! Lieber Herr Kollege Bonde, Sie habendas angebliche Schweigen beklagt. Manchmal ist es so:Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Ihre Rede bietetdafür ein ganz gutes Beispiel. Denn es geht nicht darum,wer hier am lautesten redet, wie die Kollegin Hänsel,oder wer am lautesten Beifall klatscht, wie die KolleginKoczy.
Wir wollen nicht an unseren Worten, sondern an unserenTaten gemessen werden. Die können sich beim Haushalt2006 mit über 300 Millionen Euro Steigerung sehen las-sen.
Es fällt Ihnen ja auch erkennbar schwer, diesen Haus-halt wirklich sachlich schlechtzureden.
Wenn Sie selbst einräumen müssen, dass wir mit über8 Prozent Steigerung und einer historischen Steigerungder ODA-Quote von 0,28 Prozent im Jahr 2004 auf0,35 Prozent im letzten Jahr einen Riesenaufwuchs fürEntwicklungspolitik und -zusammenarbeit gehabt ha-ben, dann kann ich schon verstehen, dass Sie dann da-rauf zurückgreifen müssen, zu sagen: Na ja, diese300 Millionen Euro kommen vielleicht nicht von Her-zen. Also, den Menschen in Afrika und Lateinamerikaist es egal, ob das Geld von Herzen kommt oder nicht,sondern ihnen ist wichtig, dass sie durch das Geld einselbstbestimmtes Leben führen können. Das ist für dieMenschen wichtig. Wir sind stolz darauf, dass wir einenHaushalt mit solchen Steigerungsraten vorgelegt haben.
Es geht bei der finanziellen und technischen Zusam-menarbeit nicht um Almosen, sondern es geht um Hilfezur Selbsthilfe. Wir wollen die Millenniumsentwick-lungsziele, die die Vereinten Nationen gesetzt haben, un-ter anderem die Halbierung von Hunger und Armut biszEbutvA–idzeswulwSsD–izdrEgsmtewshAÄWSgPwbeg
ann hätten wir viel erreicht.
Dieser Haushalt, Frau Hänsel, ist ein wichtiger Schrittn diese Richtung. Immerhin haben wir eine fast 10-pro-entige Steigerung zu verzeichnen. Das wollen wir inen nächsten Jahren mit dem ODA-Stufenplan fortfüh-en.
Aber natürlich muss die Erhöhung der Mittel für dientwicklungszusammenarbeit von der Gesellschaft mit-etragen werden. In diesem Zusammenhang werden wiricherlich noch über andere Instrumente diskutierenüssen. Herr Bonde, Sie haben zum Beispiel die Flug-icketabgabe angesprochen. Wir werden den Menschenrklären müssen, warum sie noch mehr Geld für die Ent-icklungszusammenarbeit aufbringen sollen.Ich glaube, dass die Menschen in Deutschland bereitind, Geld für die Ärmsten auf der Welt auszugeben; dasaben sie beim Tsunami und in anderen Fällen bewiesen.ber sie müssen das Gefühl haben, dass es wirklich denrmsten zugute kommt. Deswegen legen wir großenert auf gute Regierungsführung und setzen einenchwerpunkt unserer Arbeit bei Antikorruptionspro-rammen und Demokratisierungsprozessen. Es darf keinardon mit Despoten und korrupten Eliten in den Ent-icklungsländern geben.
Aber die Forderung, die Entwicklungszusammenar-eit mit jedem Land, das nicht ganz lupenrein arbeitet,inzustellen – wahrscheinlich wird Herr Addicks dasleich ansprechen –,
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Dr. Sascha Raabeist natürlich auch problematisch. Wir müssen schon da-rauf achten, dass wir die treffen, die die Mittel verant-wortungslos in den Sand setzen, dass wir aber nicht dieÄrmsten der Armen treffen. Deshalb werden wir auchweiterhin differenziert vorgehen, wenn es um die Zu-sammenarbeit mit nicht staatlichen Organisationen undum die anderen Instrumente im Hinblick auf die staatli-chen Institutionen geht.Wir brauchen gute Regierungsführung nicht nur inden Entwicklungsländern, sondern auch in den Indus-trieländern. Oft ist es leider so, dass viele Industrieländerdurch ihre Agrar- und Handelspolitik das kaputtma-chen, was sie zuvor im Rahmen der Entwicklungszu-sammenarbeit aufgebaut haben. Deswegen brauchen wirbeim Welthandel gerechtere Regeln. Es muss Schlusssein mit den zerstörerischen Agrarsubventionen welt-weit.Auch die Schaffung eines besseren Marktzugangsfür die Entwicklungsländer ist sehr wichtig. Hier müssenwir gute Regierungsführung beweisen. Unsere Regie-rung bzw. unsere Ministerin hat bei der WTO schon oftgute Initiativen auf den Weg gebracht, um zum Beispielden Baumwollfarmern in Westafrika, aber auch anderenKleinbauern auf aller Welt Chancen zu geben. In dernächsten Woche wird sich auf der Mini-Ministerkonfe-renz der WTO in Genf zeigen, ob auch die EU und dieUSA zu guter Regierungsführung bereit sind.Wir haben schon früh als Kernbestandteil unsererEntwicklungszusammenarbeit erkannt, dass Entwick-lungspolitik auch globale Strukturpolitik ist. Deshalb istder Einzelplan 23 auch in Kohärenz zu den Haushaltenanderer Ministerien zu sehen. Aber auch der Haushaltinsgesamt macht Mut, dass es möglich ist, auf der Weltbessere und gerechtere Bedingungen zu schaffen. Des-wegen sollte das Motto „Die Welt zu Gast bei Freunden“auch nach der WM gelten. Wir wollen für die Welt guteFreunde sein und allen Menschen ein selbstbestimmtesund gerechtes Leben ohne Hunger und Armut ermögli-chen.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Nächster Redner ist nun der Kollege Dr. Karl Addicks
für die FDP-Fraktion.
Danke, Frau Präsidentin. – Meine sehr verehrten Da-men und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Esfällt mir wirklich nicht ganz leicht, einen Haushalt fürEZ abzulehnen. Denn das Thema Entwicklungszusam-menarbeit eignet sich nicht für einen deftigen Haushalts-streit. Deutschland hat nun einmal bindende Zusagen ge-genüber der Völkergemeinschaft abgegeben. Aber ichhabe ein kleines Problem damit, die ODA auf Pump zufinanzieren, auch wenn es für einen guten Zweck ist. Ichfrage Sie, ob wir nicht erst einmal die Wirkungen unddie Qualität unserer EZ verbessern sollten, bevor wirnach immer mehr Geld rufen. Ich denke, es gibt einigeMnnDzsinBwcDuzMAkEckld„OawwtstdNrnWwAfim2gwWw2lMhzfsw
er gute Zweck allein heiligt nicht die Mittel. Sie verlet-en die Stabilitätskriterien, Sie türmen einen giganti-chen Schuldenberg auf, Sie ziehen die Steuerschraubemmer weiter an; gerade haben wir wieder etwas von ei-er Ticketsteuer gehört. Erstens sind das alles schlechteeispiele für unsere Partnerländer und zweitens würgenir damit das Wirtschaftswachstum ab, das wir brau-hen, wenn wir eine substanzielle Zusammenarbeit aufauer finanzieren wollen.
Aber zurück zur EZ – ich habe hier nur drei Minutennd muss haushalten; deshalb komme ich lieber wiederum Thema – und gleich zu den MDGs: Von den achtDGs beziehen sich drei auf den Gesundheitsbereich.ids ist dort namentlich genannt worden. Jeder von unsennt die verheerenden Auswirkungen, die Aids auf dientwicklung gerade der Länder Afrikas hat, wo die Seu-he am allerschlimmsten wütet: Ganze soziale Gefügeommen durch diese Krankheit ins Wanken. Im entwick-ungspolitischen Teil der Koalitionsvereinbarung kommtas Wort „Profilschärfung“ zweimal vor, das WortAids“ aber kein einziges Mal, nicht einmal unter demberbegriff „Gesundheit“. Ich weiß nicht, wie so etwasuf unsere Partner wirkt. Vielleicht ist es ja vergessenorden. Das hätten wir gutmachen können, wenn Sieenigstens unserem Änderungsantrag zugestimmt hät-en, für die Bekämpfung von Aids Mindestmittel anzu-etzen. Aber auch das haben Sie nicht getan. Dabei hät-en wir hier ein Signal setzen können, wie wichtig unsie Bekämpfung von Aids ist.
ach dem, was uns bisher an Daten vorliegt, wird ausge-echnet bei der Aidsbekämpfung das Haushaltsziel 2006icht erreicht. Könnte mir das bitte jemand erklären?ir müssen unsere Anstrengungen noch viel mehr, alsir das bisher getan haben, auf die Bekämpfung vonids, Malaria und Tbc richten; denn bei der Gesundheitängt die Entwicklungszusammenarbeit an. Wie effektivst die Prävention, wenn wir erfahren müssen, dass inanchen Ländern Afrikas 75 Prozent aller 15- bis5-Jährigen immer noch nicht wissen, wie Aids übertra-en wird? Thailand hat hier große Erfolge vorzuweisen;ir sollten versuchen, dies auf Afrika zu übertragen.ie effektiv ist die Behandlung von HIV-Infizierten,enn wir erfahren müssen, dass gerade einmal0 Prozent aller Infizierten in den Genuss einer Behand-ung kommen, wenn wir erfahren müssen, dass proann und Jahr ganze vier Kondome zur Verfügung ste-en? Was stimmt nicht am deutschen Konzept, wennum Beispiel in Südafrika, dem am schlimmsten betrof-enen Land, Präventionsmethoden abenteuerlichster Artelbst von Ministern propagiert werden?Meine Damen und Herren, je länger wir in diesemichtigen Bereich der Entwicklungszusammenarbeit mit
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Dr. Karl Addicksentschlossenem Handeln warten, desto schwieriger wirdes werden: Was wir heute nicht leisten, das können wirin Zukunft selbst mit der zwei- bis dreifachen Anstren-gung nicht erreichen. Deshalb mein Appell an Sie: Be-vor wir den EZ-Haushalt auf Pump weiter aufblähen,bitte noch einmal genau prüfen, wie man die knappenMittel wirkungsvoller einsetzen könnte!Ich danke Ihnen.
Nun hat das Wort der Kollege Hartwig Fischer für die
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Auch in Zeiten, in denen wir vor der Herausforderungstehen, unseren eigenen Haushalt zu konsolidieren, ste-hen wir gleichzeitig in der Verantwortung für viele Men-schen anderer Kontinente; auch dies liegt im deutschenInteresse. Deutschland hat sich dem Ziel der Völkerge-meinschaft verschrieben, die Armut bis 2015 zu halbie-ren. Jochen Borchert hat aufgezeigt, wie wir multilateralVerpflichtungen eingehen und ihnen nachkommen undwie wir bilateral Schwerpunkte setzen können; er hatgleichzeitig klare Aussagen zu den Schwellenländerngemacht. Im Zeitalter der Globalisierung kommt nach-haltiger Entwicklungszusammenarbeit eine entschei-dende Rolle zu, wenn wir eine Weiterentwicklung der ar-men Länder erreichen wollen.Sauberes Wasser ist Lebensgrundlage, doch 1,1 Mil-liarden Menschen verfügen nicht über sauberes Wasser.Die Menschen müssen sich eigenverantwortlich Ernäh-rungsquellen schaffen können, wenn wir den Hunger be-kämpfen wollen. Bildung für Mädchen wie für Jungenist der Schlüssel für die Lösung der Probleme der armenLänder, sie versetzt sie in die Lage, ihre Zukunft eigen-verantwortlich zu gestalten. 785 Millionen Menschenkönnen weder lesen noch schreiben. 100 Millionen Kin-der haben keine Chance, eine Schule zu besuchen. Dabeiist Bildung auch die Grundlage für die Bekämpfung vonAids. An Unterstützung bei Gesundheitsvorsorge undGesundheitsversorgung besteht in den Entwicklungs-ländern dringender Bedarf. Diese Länder brauchenChancen für ihre Infrastruktur, um Güter, insbesondereNahrungsmittel, in Eigenversorgung herzustellen oder,wenn möglich, auf dem Weltmarkt zu verkaufen.Herr von Klaeden hat vorhin in der außenpolitischenDebatte deutlich gemacht, dass der Aufbau einer formel-len, transparenten und rationalen Nutzung von Rohstof-fen notwendig ist – und zwar nicht nur im Kongo –, da-mit sie in die Wertschöpfung der jeweiligen Haushalteder Länder einfließen kann. Meine Damen und Herren,gerade um die Lebensgrundlagen nicht nur für die Men-schen in ihrem eigenen Land zu erhalten, sondern auch,weil dies Auswirkungen auf unsere Lebensbedingungen,auf das Großklima in unserer Welt und auf das Wasserhat, brauchen wir in Bezug auf die Biodiversität und dieEweKluwrdBfnkpdbkDMfwwAbkbegEnaIihletSsv3üwSKEGm
n diesem Zusammenhang habe ich eine Bitte, die ichnsbesondere an die Tribüne der Journalisten richte, dieeute Abend nicht besetzt ist: Auch über die Entwick-ungspolitik brauchen wir eine nachhaltige Bericht-rstattung, um in der Bevölkerung eine höhere Akzep-anz für die Entwicklungspolitik zu erreichen. Lassenie uns gemeinsam dafür arbeiten.
Ich möchte das aufgreifen, was Herr Raabe eben ge-agt hat. Es geht darum, was im Bewusstsein unserer Be-ölkerung nicht vorhanden ist. Als es beim Tsunami00 000 Tote gab, war die Weltbevölkerung entsetztber diese Naturkatastrophe und die Spendenbereitschaftar unglaublich. Meine Damen und Herren, in diesertunde der Debatte sterben 1 250 Kinder von Millionenindern dieser Welt, die leiden, weil sie eine mangelndernährung, kein sauberes Wasser und eine mangelndeesundheitsversorgung haben und Kriege mitmachenüssen. 1 250 sterbende Kinder in einer Stunde bedeu-
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Hartwig Fischer
tet, dass 30 000 Kinder an einem Tag und 10,5 MillionenKinder im Jahr sterben. Das ist so viel, als wenn die Ge-samtbevölkerung von Niedersachsen und Schleswig-Holstein innerhalb eines Jahres von der Landkarte ver-schwinden würde – und das jedes Jahr.Deshalb bitte ich um Verständnis dafür, dass ich Fol-gendes heute auch einmal sage: Wir sprechen inDeutschland manchmal über Armut – ich weiß, dass esArmut durch Vereinsamung gibt und dass nicht alle aufder Sonnenseite des Lebens leben –, aber Armut inDeutschland ist nicht mit dem täglichen Kampf umsÜberleben, um sauberes Wasser und um Ernährung zuvergleichen. Deshalb bitte ich, dass wir unser politischesKoordinatensystem bei manchen Diskussionen einmalzurechtrücken.
Ein Euro sichert eine ganze Tagesration Noternährungfür ein hungerndes Kind.
Acht Euro genügen, um eine Hirseernte für eine ganzeFamilie zu sichern. Acht Euro für zwei imprägnierteMoskitonetze helfen, dass Kinder vor Malaria geschütztwerden. 9 Euro kosten 1 000 Tabletten, um in einemKrisengebiet 5 000 Liter Wasser zu entkeimen.Ich bin dankbar, dass es nach Jahren der Stagnationeinen klaren Aufwuchs in der Entwicklungspolitik gibt.Ich setze darauf, dass diese Koalition, die meine Kolle-ginnen und Kollegen und ich gewollt haben, den Auf-wuchs so fortsetzt, dass wir uns den Millenniumzielennicht nur rhetorisch, sondern auch materiell verpflichtetfühlen.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat nun für die Bundesregierung die Bun-desministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul.
Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin fürwirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich bedanke mich bei allen, die sich an den Beratungenbeteiligt haben, aber auch bei allen, die in den Ausschüs-sen – vor allem im Haushaltsausschuss – dazu beigetra-gen haben, dass die Mittel in einem solchen Umfang er-höht werden konnten. Mit über 300 Millionen Euro istdas der höchste Aufwuchs, den wir in den letzten Jahrenerreicht haben. Ich verspreche Ihnen – das gilt insbeson-dere für diejenigen, die daran zweifeln –, dass wir essUsdisuslzvnbsvtDmplwsr–rEtebnaBdieanCmwüdWegemR
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Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 23 – Bundesministerium für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung – in der Ausschussfassung.
Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? –
Dann ist der Einzelplan 23 mit den Stimmen der Koali-
tionsfraktionen bei Gegenstimmen von der FDP-Frak-
tion, der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen und der
Fraktion Die Linke angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I. 10 auf:
Einzelplan 15
Bundesministerium für Gesundheit
– Drucksache 16/1324 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Ewald Schurer
Norbert Barthle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich
höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlos-
sen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der
Kollegin Dr. Claudia Winterstein von der FDP-Fraktion.
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as System muss mit Altersrückstellungen arbeiten. Dereistungskatalog muss konzentriert werden.
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Dr. Claudia WintersteinDie Kernforderung aus liberaler Sicht ist: Wenn der Bür-ger für seine Gesundheitsversorgung künftig mehr zah-len muss, dann muss er auch mehr Gestaltungsfreiheitbekommen,
nämlich freie Entscheidung für alle Bürger darüber, obsie sich in der gesetzlichen oder in der privaten Kranken-versicherung versichern lassen wollen;
freie Entscheidung über den Umfang des Versicherungs-schutzes, Pflicht zur Versicherung nur für den Grundleis-tungskatalog; freie Wahl des gewünschten Tarifs, zumBeispiel mit oder ohne Selbstbehalt; mehr Transparenzim System durch Rechnungen.
Wir wollen, dass die Patienten wissen, was Gesundheits-leistungen kosten, und wir wollen auch, dass die Ärztefür ihre Leistungen feste Preise bekommen.Der Fonds kann das alles nicht leisten. Ich zitiere dasUrteil des Vorsitzenden der Wirtschaftsweisen, BertRürup:Der Fonds ist ein „Reform-Alibi, das vor allem derGesichtswahrung der beiden politischen Partnerdient“.
Weiter sagt er:Wenn man nicht mehr zustande bringt als denFonds, sollte man die Strukturreform lieber abbla-sen...
Da der Haushalt des Gesundheitsministeriums 2006knapp 4,6 Milliarden Euro umfasst und 4,2 MilliardenEuro davon als Zuschuss für die gesetzliche Krankenver-sicherung bestimmt sind, fallen die restlichen Ausgabe-posten mit circa 382 Millionen Euro im Vergleich be-scheiden aus. Das heißt aber noch lange nicht, dass indiesem Haushalt alles in Ordnung wäre. Zu viel fließt ingewohnte Strukturen. Unseren Antrag, einen von zweiParlamentarischen Staatssekretären abzuschaffen, habenSie abgelehnt.
Zu viel fließt in die Selbstdarstellung. Unseren An-trag, die Mittel für Öffentlichkeitsarbeit zu kürzen, ha-ben Sie abgelehnt. Im Gegenteil, Sie erhöhen diesenPosten in Ihrem Etat um 20 Prozent auf 6,1 MillionenEuro. Da lässt sich die 10-prozentige Kürzung, die dieKoalitionshaushälter jetzt tatsächlich beschlossen haben,natürlich leicht hinnehmen. Ganz schön trickreich.Aber nicht nur das. Frau Ministerin, Sie geben in die-sem Haushalt außerdem noch 3,6 Millionen Euro füreine Präventionskampagne aus. Sie begründen das mitdnDsadduhem2jNDdMdhlhVSEdwigFKtgb
iese 3,6 Millionen Euro für die Präventionskampagneind in Wahrheit Gelder, die unter „Öffentlichkeits-rbeit“ verbucht werden müssten,
ie Sie in diesem Jahr einfach auch sparen könnten.Hinzu kommen in diesem Haushalt die Kosten, dieurch die Neustrukturierung von Arbeits-, Wirtschafts-nd Gesundheitsministerium entstehen. Das Gesund-eitsministerium hat es doch tatsächlich geschafft, alsinziges dieser drei Häuser eine deutliche Stellenver-ehrung vorzunehmen.
002, als das Haus den gleichen Zuschnitt hatte wieetzt, waren es 462 Stellen, jetzt sind es 499 Stellen.
Der Haushalt des Gesundheitsministeriums wird denotwendigkeiten nicht gerecht.
ie Arbeit der Gesundheitsministerin wird den Notwen-igkeiten ebenfalls nicht gerecht. Mit dem von derinisterin verfochtenen Gesundheitsfonds betrügen Sieie Bevölkerung um die nötige Sicherung der Gesund-eitsversorgung in der Zukunft. Die „Zeit“ hat es in deretzten Woche auf den Punkt gebracht: Diese „Gesund-eitsreform hilft der großen Koalition, nicht aber denersicherten“.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Ewald Schurer von der
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Derinzelplan 15 – Gesundheit – steht natürlich im Zeichener vor uns liegenden Gesundheitsreform; keine Frage.Ich möchte damit starten, dass ich auf Folgendes ver-eise: 1994 hat die „Süddeutsche Zeitung“ in Münchenn einem Leitartikel zu den damaligen Reformbemühun-en in der Gesundheitspolitik von einem „verminteneld“ gesprochen. Die Autorin wies darauf hin, dass sichassen, Kassenärztliche Vereinigungen, Pharmaindus-rie, Apotheker und die weiteren Akteure unversöhnlichegenüberstünden. Ich denke, „vermintes Feld“ war einisschen übertrieben. Aber auch heute stellen wir noch
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Ewald Schurerfest, dass gewisse Akteure Schwierigkeiten haben, überInteraktion und Kommunikation zusammenzufinden.Damals wurde unterstellt, dass man nicht in der Lagesei, das System strukturell – die Kollegin Winterstein hates gerade vorweggenommen – zu reformieren, dass manstattdessen nach mehr Geld im System suchen oder miteiner zweiten Variante den Versuch machen würde, dieKosten zu deckeln. Soweit die Analyse der Situation1994 als Rückblick auf vergangene Gesundheitsdebattenin Deutschland.Heute, zwölf Jahre später, können wir feststellen, dassdie Frontstellung der Akteure im Gesundheitswesennach wie vor existiert, wenn auch vielleicht nicht mehrganz so ausgeprägt wie damals. Ganz aktuell geht es umeine echte Strukturreform im deutschen Gesundheitswe-sen. Ich denke, dass es zwischen allen Fraktionen denMinimalkonsens gibt – auch wenn sich Frau Wintersteinhier sehr negativ und nicht überzeugt geäußert hat –,dass wir eine nachhaltige Reform brauchen, die über denCharakter einer Finanzreform hinausgehen und einewirkliche Strukturreform darstellen sollte.
Man muss dazusagen, liebe Kolleginnen und Kolle-gen: Die Menschen haben eine Erwartung. Die Debattezum Thema Gesundheit ist wichtig angesichts des Ver-trauens der Bürgerinnen und Bürger in die Fähigkeit desStaates, die Sozialsysteme im Sinne von Leistungsfähig-keit und Solidarität zu reformieren. Das ist die Erwar-tungshaltung von Menschen, die ein Leben lang lernen,leisten und Beiträge zahlen.
Deswegen steht die Koalition in einer riesigen Verant-wortung. Ich bin überzeugt, dass wir dieser Verantwor-tung gerecht werden.
Meine erste These heißt: Ausgangsposition ist dievolkswirtschaftliche Wertschöpfung. Dieses Land hattrotz Stagnation bei den binnenwirtschaftlichen Zuwäch-sen in den letzten Jahren und bei einem weltmeisterli-chen Export eine volkswirtschaftliche Wertschöpfungentwickelt, die so groß ist wie nie zuvor. Als Gesund-heitsökonom kann man da, wenn man ideologische Ver-satzstücke einmal weglässt, nur feststellen: Die volks-wirtschaftliche Wertschöpfung ermöglicht es durchaus,die Finanzierung eines solidarischen Gesundheitssys-tems ohne Wenn und Aber auch künftig sicherzustellenund zu garantieren. Das ist ein wichtiger Punkt.Meine zweite These ist: Dieses Land ist trotz allerwirtschaftlichen Probleme ein hochproduktives Land. InIndustrie, Gewerbe und Dienstleistung sind wir, was dieProduktivität angeht, Weltspitze. Das brachte allerdingsunter anderem das Problem mit sich, dass aufgrund dertechnischen Systeme immer weniger Menschen immermehr produzieren und deswegen bei uns die versiche-rungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse in denletzten zehn Jahren leider zurückgegangen sind. Das iste1rnramwsakilrGbzzhdwhseHDLwfdaAtrbGWaEsavsDmdOdm
ir wissen, dass es keine Alternative dazu gibt, gezieltn die Ineffizienzen im System heranzugehen. Ich sage:s gibt keine Alternative für uns.Wir müssen dafür sorgen, dass die integrierte Ver-orgung, also eine bessere Verzahnung des Vorhaltensmbulanter und stationärer medizinischer Leistungen,orangebracht wird. Die integrierte Versorgung zwi-chen den niedergelassenen Ärzten und den Kliniken ineutschland ist für mich ein ganz wichtiger Punkt. Sieuss künftig ganz gezielt entwickelt werden, weil iniesem Bereich Reserven in Milliardenhöhe stecken.
ECD-Gutachten besagen seit Anfang der 90er-Jahre,ass diese Schnittstelle, dieses doppelte Vorhalten vonedizinischen Leistungen in Deutschland weder von der
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Ewald SchurerLeistungsseite noch von der finanziellen Darstellung herzu rechtfertigen ist. Das müssen wir beachten; das istvon großer Bedeutung.
Auch der Pharmabereich darf nicht tabuisiert wer-den. Ich erkenne an, dass die Pharmaindustrie gerade immittelständischen Bereich eminente Leistungen in Wis-senschaft und Forschung erbringt. Aber ich sehe über-haupt keine Rechtfertigung dafür, dass wir in Deutsch-land einen Pharmamarkt haben, in dem teilweise einDrittel oder sogar 40 Prozent höhere Marktpreise fürMedikamente bzw. Arzneimittel als im europäischenDurchschnitt verlangt werden. Wir liegen bei diesenPreisen sogar signifikant höher als das nicht arme Nach-barland Schweiz. Das kann man so nicht lassen. Ich binüberzeugt davon, dass mit einer Gesundheitsstrukturre-form – in Ergänzung zum Gesetz zur Verbesserung derWirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung, daswir erst kürzlich, nämlich am 17. Februar 2006, verab-schiedet haben – die Situation im pharmazeutischen Be-reich deutlich verbessert werden muss.Meine vierte These lautet – das ist bei aller fachlichenLiebe zu diesem Thema für einen Haushälter der SPD-Fraktion, aber auch für die Haushälter der CDU/CSU-Fraktion, so denke ich, nicht verwunderlich –, dass dasNachschießen von frischem Geld in das Gesundheits-system – das klingt ein bisschen polemisch; das gebe ichzu – ohne ein gleichzeitiges Nutzen der in Milliarden-höhe vorhandenen Reserven schlicht und einfach nichtgoutiert werden kann. Wenn wir künftig versuchen, inErgänzung zum Faktor Arbeit über einen Fonds entspre-chend Geld bereitzustellen, dann müssen wir auch die inMilliardenhöhe vorhandenen Reserven nutzen. Dies istmeine Meinung zu diesem Bereich. Das heißt ganz kon-kret: Zusätzliches Steuergeld sollte nur unter der Bedin-gung einer höheren Effizienz, also bei Nutzung derReserven und nach Einführung eines stärkeren Wettbe-werbs im Gesundheitssystem zur Verfügung gestelltwerden.
Die Zielmarke ist, dadurch auch weiterhin ein solida-risches Gesundheitssystem zu garantieren, zu dem ganzbewusst Junge und Alte, Gesunde und Kranke und– jetzt kommt es – gesetzlich und privat Versicherteihren sozial gerechten Anteil leisten. Meine Lieblings-vorstellung ist immer noch, dass auch die privat Ver-sicherten – man möge es mir verzeihen – mit in denRisikostrukturausgleich eingebunden werden, um dieSolidarität im System entsprechend hoch zu halten.
Wir müssen mit dieser Strukturreform dazu kommen,dass wir auf der Kostenseite effizient werden. In ein-schlägigen Gutachten steht dazu, wir seien in Deutsch-land, was eine effektive medizinische Versorgung an-gehe, Weltspitze. Wir seien aber auf der Kostenseitenicht effizient genug. Wir sollten versuchen, die gutenLeistungen kostenmäßig effizienter darzustellen.iaZwdvhmKöDwRvdmVwsVwmefgmzehzhhavbavgdzdzvGsslsasdd
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Das Wort hat der Kollege Frank Spieth von der Frak-
ion Die Linke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es warchon beeindruckend, wie Herr Schurer eben als Haus-älter das Thema Gesundheit sachkundig bearbeitet hat.
ch muss sagen: Respekt. Viele Thesen, die Sie hier vor-etragen haben, kann ich als Abgeordneter der Linkenuch im Namen meiner Fraktion dick unterstreichen:enn es um Solidarität, um neue Versorgungsformennd um bessere Qualität im Gesundheitswesen geht.
Sie werden noch Anlass für weitere Ahnungen haben,err Bahr. – Ich habe aber Bedenken, dass hier genauieder das geschieht, was wir in den letzten Monatentändig erleben mussten: Sie blinken links und biegennschließend in der großen Koalition mit der CDU/CSUach rechts ab.
ch habe daher hinsichtlich dessen, was Sie in Bezug aufen Gesundheitsfonds angedeutet haben, große Beden-en.Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in dieesundheitspolitik nimmt in den Zeiten der großen Ko-lition dramatisch ab. Das ist das Ergebnis einer aktuel-en Studie des Kölner Marktforschungs- und Beratungs-nstituts psychonomics AG, die vom April bis zum Mai500 Bundesbürger befragt hat. Nicht einmal ein Dritteler Befragten, genau nur 29 Prozent, traut der Bundesre-ierung noch zu, die gesundheitliche Versorgung der Be-ölkerung langfristig sicherstellen zu können. Das ist einramatisches Testat.Dieses Ergebnis hat übrigens seine Ursachen. Unterilly Brandt war Reform das Schlüsselwort für Demo-ratisierung. Menschen mit geringem Einkommen habenamit die Hoffnung verbunden, am sozialen Staat und
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Frank Spietham gesellschaftlichen Reichtum auch durch Umvertei-lung beteiligt zu werden. Aber diese Zeiten sind langevorbei. Dieser Anspruch ist schon unter Rot-Grün unterdie Räder geraten und wird durch die gegenwärtigen ge-sundheitspolitischen Planspiele der großen Koalitionquasi wie mit der Dampframme unter die Erde ge-stampft.Keine Wählerin und kein Wähler der Union werdensich darüber wundern, dass die CDU/CSU getreu ihremBundestagswahlprogramm den Weg über den Gesund-heitsfonds mit Elementen der Kopfpauschale bis zurendgültigen Privatisierung des Gesundheitsrisikos be-schreitet. Die Wählerinnen und Wähler der SPD werdensich allerdings an den Kopf fassen angesichts des zentra-len Wahlversprechens der Sozialdemokraten. Sie wolltendie Einführung der Bürgerversicherung. Jetzt aber ma-chen Sie einen Gesundheitsfonds, aller Voraussichtnach verbunden mit einer Kopfpauschale.In Ihrem Aufruf zur Bundestagswahl 2005 haben Sieunter der Überschrift „Vertrauen in Deutschland –Gerhard Schröder muss Kanzler bleiben!“ unter anderemgesagt:Wir kämpfen auch für die kommende Legislaturpe-riode für eine sozialdemokratisch geführte Bundes-regierung. Doch wir wollen mehr: 1. Wir sind be-reit, unsere Fehler einzugestehen. Das einseitigeSetzen auf die Senkung der Lohnnebenkosten hatden Menschen vieles zugemutet: die Rentenreform,die Gesundheitsreform und auch die Arbeits-marktreform werden in der Bevölkerung primär alssozial ungerecht wahrgenommen – auch weil dieseReformen nicht in der Lage waren, dem Arbeits-markt die dringend notwendigen Impulse zu geben.Damit hatten Sie absolut Recht. Diese Selbsterkenntnishat dann anschließend offenkundig bei den Bürgern Ein-druck gemacht und dazu geführt, dass Sie ein überra-schend gutes Wahlergebnis einfahren konnten.Sie haben den Bürgerinnen und Bürgern versprochen– ich zitiere noch einmal wörtlich –:Wir führen die solidarische Bürgerversicherung inder Gesundheitspolitik ein. Vergleichbar soll dieLösung bei der Pflegeversicherung sein. Wer leis-tungsfähig ist, muss auch stärker zur Solidarität bei-tragen. Das gilt in den sozialen Sicherungsystemenund in der Steuerpolitik.Es ist Ihnen gelungen, mit dem Hinweis auf Ihre ur-sprünglichen Fehler bei den Wählern den Eindruck zuvermitteln, ab sofort werde wieder sozialdemokratischePolitik gemacht.Ich kann Ihr Versprechen allerdings nicht in der Ko-alitionsvereinbarung und schon gar nicht in der derzeiti-gen Gesundheitspolitik wiederfinden. Sie beantwortenmit den bisher bekannt gewordenen Vorschlägen zumGesundheitsfonds keine der strukturellen Fragen, diesich bezüglich der gesetzlichen Krankenversicherungstellen. Sie wollen zwar weiterhin die Arbeitgeber zurBeitragszahlung heranziehen, aber nur noch mit einemgedeckelten Satz von 6 Prozent. Die KostensteigerungenimwdfrnuddnEwcEsptUnAGkinWWhtwFhkPcrVdfddwdzv1tdhz
Mit Ihrem Gesundheitsfonds errichten Sie nur eineeue Geldverteilungsmaschine ganz nach der Methode:enn ich kein Ziel habe, dann ist jeder Weg der richtige.enn Sie schon nicht zu einer sozial gerechten Gesund-eitsreform in der Lage sind, dann machen Sie wenigs-ens Ihre Hausaufgaben, indem Sie das für 2007 zu er-artende Finanzdebakel in der GKV angehen. Dieinanzprobleme und die Strukturprobleme im Gesund-eitswesen werden durch Errichtung einer neuen Büro-ratie nicht gelöst, sondern vergrößert.Sie haben durch die von Ihnen zu verantwortendeolitik Verschiebebahnhöfe geschaffen, die zu erhebli-hen Einnahmeverlusten bei den Krankenkassen füh-en: Die Absenkung der Beiträge für Arbeitslose, dieerkürzung der Anspruchszeiten beim Arbeitslosengeld,ie nun geplante Abschaffung der durch die Tabaksteuerinanzierten Mutterschaftsleistungen, die Verpflichtunger Kassen zur Entschuldung bis zum Dezember 2007,ie Einführung der elektronischen Gesundheitskarte so-ie die Mehrwertsteuererhöhung sind unter anderem mitafür verantwortlich, dass wir nach unserer Einschät-ung im kommenden Jahr in der gesetzlichen Kranken-ersicherung ein Finanzloch von mindestens5 Milliarden Euro haben werden. Selbst mein geschätz-er Kollege Lauterbach spricht davon, dass im kommen-en Jahr über 10 Milliarden Euro fehlen werden. Wiralten es deshalb für dringend erforderlich, dass Sieunächst einmal zur Sicherstellung der Krankenversi-
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Frank Spiethcherungsleistungen unverzüglich ein Vorschaltgesetz zurGewährleistung der Gesundheitsversorgung der Bevöl-kerung einbringen.Die sozialen Sicherungssysteme, meine Damen undHerren, sind dazu da, im Bedarfsfall frei von Diskrimi-nierung und sozialer Ausgrenzung Versicherten in jederLebensphase alle erforderlichen Leistungen bereitzustel-len. Dazu wurden sie geschaffen. Dies gilt insbesonderefür die gesetzliche Krankenversicherung. Mir erzähltekürzlich eine Frau bei einer Veranstaltung in Hannover,dass eine Ultraschalluntersuchung, die in ihrem Fall er-forderlich war, nur gemacht wurde, weil sie diese privatbezahlte. Am Montag dieser Woche erzählte mir einRentner auf einer Veranstaltung in Dresden, dass er zumEnde des Quartals regelmäßig zur privaten Finanzierungvon Medikamenten aufgefordert werde, weil das Budgeterschöpft sei. Eine Arbeitslosengeld-II-Empfängerin inWeimar schilderte mir vor einigen Tagen an ihrem Bei-spiel auf bedrückende Art und Weise, dass sie schonmehrfach vor der Entscheidung gestanden habe – hörenSie gut zu –, für sich und ihre Tochter entweder Lebens-mittel zu kaufen oder die Eintrittsgebühr beim Arzt zuzahlen. Dies sind Einzelbeispiele, die man beliebig er-gänzen könnte.Es kann nicht sein, dass durch Zuzahlungen, durchLeistungsausgrenzungen, durch Eintrittsgebühren beiÄrzten, durch Sonderbeiträge
und – jetzt offenkundig beabsichtigt – durch endgültigeAbschaffung des Krankengelds und die Abschaffung derVersicherung privater Unfälle die Versicherten immerweniger Leistungen erhalten, dafür aber zusätzlich zurKasse gebeten werden, wie Frau Merkel heute Morgengesagt hat.Die Grundprinzipien der gesetzlichen Krankenversi-cherung, nämlich Solidarausgleich, Parität, umfassendeSachleistungen, Umlageverfahren und Kontrahierungs-zwang haben sich nach unserer Auffassung bewährt. Siefinden in der Bevölkerung eine breite Akzeptanz. Arbeit-nehmer, Arbeitslose, Rentnerinnen und Rentner sowiebisher beitragsfrei mitversicherte Angehörige erwartenvon uns, dass wir ein Gesundheitssystem anbieten, mitdem die vorgenannten Ansprüche erfüllt werden können.Die Bürgerversicherung findet in der Bevölkerunggroße Zustimmung.
Die Wählerinnen und Wähler haben bei ihrer Stimm-abgabe auch eine parlamentarische Mehrheit für dieseBürgerversicherung geschaffen. Die Linksfraktion, dieFraktion der Bündnisgrünen und die Sozialdemokraten,die sich eindeutig dafür ausgesprochen haben, haben,wenn sie es wollen, die Mehrheit in diesem Haus, alseinzig notwendige und richtige Reformalternative eineBürgerversicherung einzuführen. Wir werden Sie dabeiunterstützen. Nehmen Sie das Angebot ernst!Danke.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenamen und Herren! Wir beraten hier heute abschließenden Etat des Gesundheitsministeriums. Zieht man dieuschüsse zur Krankenversicherung ab, dann verbleibenoch ganze 381 Millionen Euro oder auch schlanke,5 Promille des Gesamtetats – ein, wie ich immer sage,leiner, aber feiner Etat, dessen Volumen in krassem Ge-ensatz zur gesellschaftlichen Bedeutung dieses Res-orts steht.Dass man aber auch über die richtige Ausgabe von81 Millionen Euro konstruktiv nachdenken und beratenann, haben die Berichterstattergespräche gezeigt. Ichill deshalb an dieser Stelle, gleich zu Anfang, allen Be-eiligten aus Opposition und Koalition und vor allemuch Ihnen, Frau Ministerin, und Ihrem Hause ganzerzlich für diese Beratungen und deren konstruktivenerlauf danken.
Wir Großkoalitionäre, mein Kollege Ewald Schurernd ich, waren uns einig, dass es auch mit diesem klei-en Etat durchaus möglich ist, Schwerpunkte zu setzen.ereits zu Beginn dieses Jahres erschreckte uns dashema Vogelgrippe und machte uns darauf aufmerk-am, dass Deutschland auf eine Pandemie vielleichtoch nicht ganz so gut vorbereitet ist, wie wir alle ange-ommen haben. Bislang ist das Virus zwar noch nichterart mutiert, dass es von Mensch zu Mensch über-pringen kann, aber wir sollten uns nicht nur mit demb, sondern auch mit dem Wenn beschäftigen.Auch das Thema HIV/Aids bedarf wieder verstärktnserer Aufmerksamkeit; denn auch wenn die Zahl dernfizierten in Deutschland auf einem erfreulich niedrigeniveau liegt, macht es uns doch besorgt, dass die Zahler Neuinfektionen binnen eines Jahres um 20 Prozentestiegen ist. Also fragen wir uns: Stimmt die Aufklä-ungskampagne noch? Erreichen wir die entsprechendenielgruppen? Müssen wir nicht unsere Anstrengungen iniesem Bereich verstärken?Wir haben uns als große Koalition auf die Fahnen ge-chrieben, die Haushaltskonsolidierung als oberstes Zielu verfolgen. Deshalb müssen alle Mehrmittel, die wirinsetzen wollen, sauber gegenfinanziert sein. Wir wa-en uns da einig, dass die Öffentlichkeitsarbeit ein mög-icher Bereich ist. Aber nachdem sich der Haushaltsaus-chuss darauf geeinigt hat, dass wir rund 10 Millionenuro als globale Minderausgabe im Einzelplan 60 reali-ieren wollen, die eigentlich schwerpunktmäßig über Öf-entlichkeitsarbeit erbracht werden soll, blieb für dieseegenfinanzierungsmöglichkeit kein Spielraum. Des-alb sage ich an dieser Stelle: Das wird eine Aufgabe für
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Norbert Barthledie kommenden Jahre sein. Frau Kollegin Winterstein,ich verspreche Ihnen: Wir bleiben am Ball.Wir müssen feststellen, dass die Spielräume sehr engsind. Im Einzelplan 15 sind 140 Millionen Euro desEtats alleine für Personalausgaben vorgesehen. Ich fragemich manchmal schon, ob zum Beispiel das Robert-Koch-Institut mit der bestehenden Mittel- und Perso-nalausstattung die Aufgaben tatsächlich bewältigenkann.
Wir haben im Koalitionsvertrag mit guten Gründen for-muliert:Die gesundheitspolitische Schlüsselstellung desRobert-Koch-Instituts insbesondere im Hinblickauf die wachsenden potentiell erheblichen Gesund-heitsgefährdungen der Bevölkerung … soll ausge-baut und institutionell gefördert werden.Wenn ich bedenke, dass bei diesem Institut seit demJahr 2000 mehr als 20 Prozent der etatisierten Stellen ab-gebaut wurden, dann haben wir noch eine Menge Arbeitvor uns. Andererseits sind wir Haushälter immer daraufbedacht, Aufwüchse bei den Personalkosten zu vermei-den und Einsparungen vorzusehen. Deshalb wird es füruns alle eine schwierige Aufgabe sein, einen entspre-chenden Weg zu suchen.Lassen Sie mich kurz auf das „Sparbuch“ der FDPeingehen. Ich gehe davon aus, dass wir damit auch inden kommenden Jahren wieder traktiert werden sollen;denn das Austauschen und Fortschreiben von Zahlen istnicht besonders schwer, auch wenn die Idee an sichschon ziemlich abgegriffen ist.
Das Ganze wirkt etwas antiquiert wie ein abgegriffenesTelefonbuch. Vielleicht können Sie Herrn Westerwelleden Rat geben, er möge eine CD vorlegen, wenn Sie einemoderne Partei sein wollen. Dann müssen die Kollegin-nen und Kollegen nicht immer das schwere Buch herum-tragen.
Frau Kollegin, Sie selbst haben die Kürzung der Ausga-ben für die Prävention um mehr als die Hälfte angespro-chen. Ich bleibe dabei: Jeder Euro, den wir für Präven-tion ausgeben, ist gut angelegtes Geld. Wir könnenhinterher bei der Behandlung von Erkrankungen garnicht so viel einsparen wie vorher durch eine wirksameund gezielte Prävention.
Wenn ich zum Beispiel im aktuellen Mikrozensus lese,dass jeder zweite Deutsche übergewichtig ist und sogar1cHWdavblTsAbkrnsDcDdhezDkISslwswrhuVRNtaIMad
er hier mit spitzer Feder kürzt, der handelt falsch. Wasie Anwesenden anbelangt, so trifft diese Analyse sicheruch auf diese zu.Lassen Sie mich eine zweite Kritik aufgreifen, dieon der Opposition immer wieder vorgetragen wird: Sieetrifft die Kürzung der Zuschüsse für die GKV. Natür-ich ist es richtig, dass wir in Zukunft einen größereneil der Kosten unserer Sozialsysteme über das Steuer-ystem finanzieren wollen.
nders werden wir die notwendige Trendwende am Ar-eitsmarkt nicht realisieren können. Das ist vollkommenlar. Aber die reine Umschichtung zur Steuerfinanzie-ung ergibt keinen Sinn. Das haben wir aus der rot-grü-en Rentenreform gelernt; denn die Mittel aus der Öko-teuer sollten die Rentenbeiträge auf Dauer stabilisieren.as Ganze hielt nur sehr kurze Zeit. Anschließend versi-kerten die Mittel in einem Fass ohne Boden.
a wir aber alle kluge Menschen sind – jedenfalls die iner Koalition –, haben wir aus den Fehlern gelernt. Des-alb wird es die angekündigte Umsteuerung ohne einechte Strukturreform nicht geben.Damit bin ich bei der aktuellen Gesundheitsreform,u der ich mich nicht im Detail äußern will.
afür haben wir unsere Experten, die mit großer Sach-unde und mit großem Enthusiasmus zu Werke gehen.ch will nur zwei Punkte ansprechen, die aus meinericht wichtig sind. Einerseits sollten wir die Ausgaben-eite mutig angehen. Wenn in einem Bereich 240 Mil-iarden Euro jährlich ausgegeben werden, dann ist dasie eine Mine, in der noch so manche Goldreservechlummert. Da sind noch Milliardenbeträge zu heben,enn man mit dem notwendigen Mut an das System he-angeht und für zusätzliche Effizienz sorgt. Effizienzeißt wirtschaftlicher Einsatz der vorhandenen Mittelnd steht nicht im Gegensatz zu einer bedarfsgerechtenersorgung. Das hat nichts mit Rationalisierung oder garationierung zu tun.Andererseits muss jede Gesundheitsreform, die ihrenamen wirklich verdient, eine zentrale Frage beantwor-en, nämlich wie wir die steigenden Gesundheitskostenuffangen können, ohne die Arbeitskosten zu belasten.ch bin dankbar, dass unsere Bundeskanzlerin Angelaerkel diese Tatsache heute früh mit großer Ehrlichkeitngesprochen und auf den Punkt gebracht hat. Sie haten Dreiklang benannt: Mit mehr Transparenz, mehr
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Norbert BarthleEffizienz und mehr Konkurrenz wäre dieses Problem zulösen.
Lassen Sie mich noch auf das viel diskutierte ThemaGKV und PKV eingehen und dazu ein schönes Bild an-führen: Wenn man die GKV als einen leckgeschlagenenTanker betrachtet, dann sind die PKVen die schwimmfä-higen Rettungsboote. Es macht schlicht keinen Sinn, dieRettungsboote noch enger an den Tanker zu ketten; denndann würden sie durch den Strudel mit in die Tiefe geris-sen. Ich bin mir sicher und sehr zuversichtlich, dass diegroßkoalitionären Verhandlungsführer den Mut aufbrin-gen, sich an das Schließen des Lecks im Tanker zu ma-chen, und dabei die Rettungsboote schwimmfähig erhal-ten. Das ist, so denke ich, der richtige Weg. Alles andereführt auf Dauer zu einem Unglück für beide.
Deshalb wünsche ich mir, dass die großkoalitionärenVerhandlungsführer – ich spreche ihnen Mut zu – tat-sächlich an das Thema Eigenverantwortung herange-hen. Eine gesunde Lebensführung, eine Lebensführung,die Gesundheitsrisiken vermeidet, muss letztendlich be-lohnt und darf nicht bestraft werden. Das muss der Dreh-und Angelpunkt aller Überlegungen sein, bei denen esdarum geht, mehr Eigenverantwortung zu realisieren. Eskann nicht angehen, dass man nur einzelne Risikoberei-che benennt und womöglich wieder auf die berühmtenRisikosportarten, die auch sehr umstritten sind, zu spre-chen kommt. Es ist wesentlich sinnvoller, zu sagen: Werdurch eigenverantwortliches Handeln zu einer gesundenLebensführung beiträgt, der soll auch entsprechend be-lohnt werden. Das muss der Weg sein. Einzelne Bereichedürfen nicht ausgegrenzt werden.In diesem Sinne herzlichen Dank und gute weitereBeratungen.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Birgitt Bender von
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es warschon die Rede davon, dass nach einer aktuellen Um-frage nur noch 29 Prozent der Bevölkerung der Regie-rungskoalition zutrauen, die strukturellen Probleme desGesundheitswesens zu lösen.
Ich füge hinzu: Im letzten Jahr waren es noch37 Prozent. Wie das wohl kommt?! Im letzten Jahr warin den Medien des Öfteren zu lesen, eine große Koalitionsei das, was das Land braucht. Eine große Koalitionkann große Probleme lösen und gerade im Gesundheits-wmuKbmnvSW–dHrAVoVSdtwWafnVeDzvgL–lwa
Vorhin haben wir von dem Kollegen Haushälter, demollegen Schurer, eine zutreffende Problembeschrei-ung des Gesundheitswesens gehört. Er hat einen Pfadit möglichen Lösungswegen aufgezeigt. Nur, der sitzticht am Verhandlungstisch. Was hören wir stattdessenon denen, die eben dort sitzen, von den politischenpitzen der Koalition? Hören wir da etwas von mehrettbewerb auf der Anbieterseite und den Wegen dahin?
Herr Zöller, hören wir etwas von mehr Effizienz, undavon, was man tun könnte, um sie zu erreichen?
ören wir etwas davon, wie eine nachhaltige Finanzie-ung all dieser möglichen Wege aussähe?
ber nein! Sie reden lediglich über eine neue Behörde.ielleicht nennen Sie sie Bundesagentur für Gesundheitder so ähnlich. Die Behörde hat einen unglaublichenorteil: Die einkommensabhängigen Beiträge, die diePD vorsieht, gehen vorne rein und die Kopfpauschaleer CDU kommt hinten raus. Da kommt bei den Koali-ionsfraktionen Freude auf, weil alle sehen, sie haben et-as realisiert.
as haben Sie damit aber geschaffen? Eine „Reform-ttrappe“, wie „Die Zeit“ zuletzt zu Recht schrieb. Ichüge hinzu: eine Reformattrappe, die viel Bürokratieach sich zieht.
on der Bundeskanzlerin mussten wir heute früh leiderrfahren, dass Sie sich tatsächlich darauf geeinigt haben.as ist der Stand der Dinge.Nun geht es noch um die Ausgestaltung im Einzelnen,um Beispiel um die Frage, wie die Beteiligung der pri-aten Krankenversicherung aussieht. Ich werde gele-entlich gefragt, wie es eigentlich mit dem Einfluss derobbyisten im Gesundheitswesen sei.
Wenn ich mir die Union so anhöre, muss ich feststel-en, dass das ein gutes Beispiel ist. Das ist in den Sprech-erkzeugen der Politik schon angekommen, jedenfallsuf der Unionsseite.
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Birgitt BenderHerr Barthle, wenn die PKV das Rettungsboot ist,dann lassen Sie die Boote doch zu Wasser und setzen Siedie PKV dem Wettbewerb aus!
Aber gerade das tun Sie nicht, weil Sie sich weigern, deneinheitlichen Versichertenmarkt einzuführen. Das wäredoch der richtige Weg, wenn Ihr Bild stimmen würde.
Ich sage Ihnen: Wenn Sie das nicht machen, wenn diePKV völlig ungeschoren hinter ihrem Schutzzaun bleibt,dann wird es wieder so sein, dass die Gesunden und dieEinkommensstarken von dieser Reform, die größere Be-lastungen mit sich bringen wird, nicht berührt werden.Ich sage Ihnen: Solidarität ohne die Stärksten – das hältkein Sozialsystem auf Dauer aus.
– Ja, das weiß ich recht gut, Herr Zöller. Viele von unshier zum Beispiel.
Wir könnten etwas dazu beitragen, dass Solidarität ge-stärkt wird, anstatt Schutzzäune zu erhalten.
Nächste Frage, über die Sie diskutieren: die so ge-nannte kleine Kopfpauschale.
Wenn die zusätzlich zu den Beiträgen erhoben wird,dann ist das erstens eine erhebliche Wettbewerbsverzer-rung zulasten der Kassen, die viele kranke Menschenversorgen. Das ist schon Grund genug, sie nicht einzu-führen. Zweitens belastet eine Kopfpauschale Gering-verdiener mehr als Gutverdienende. Deswegen ist sie so-zial ungerecht.Jetzt muss mir einmal jemand von der SPD eine Fragebeantworten.
Wir, Rot-Grün, haben im letzten Jahr die kleine Kopf-pauschale für den Zahnersatz in Höhe von 5 bis 8 Euro,die uns die Union aufgedrückt hatte, gekippt. Warum?Weil wir gesagt haben, dass sie sozial ungerecht sei.Kann mir jetzt jemand erklären, warum der sozialdemo-kratische Parteivorsitzende Beck die kleine Kopfpau-schale, die bis zu 40 Euro betragen soll, für sozial ver-träglich hält?
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Es ist doch nachzulesen, dass er das in eurer Sitzunges Parteirats und ich weiß nicht wem vorgetragen hat.
Nächste Diskussion: Sie wollen den Arbeitgeberbei-rag einfrieren. Wenn Sie den auf 6 Prozent reduzierengegenwärtig zahlen die Arbeitgeber im Durchschnitt,65 Prozent –, dann bedeutet das schon einmal mehr alsin halbes Prozent, das von den Versicherten zusätzlichetragen werden muss. Das Einfrieren bedeutet auch,ass jede zusätzliche Belastung im Gesundheitswesen,ie auch immer sie entstehen wird, einseitig zulasten derersicherten geht. Das nenne ich eine soziale Schieflage.
ch weiß nicht, was eine große Koalition bewegt, diesun zu wollen.Nächste Frage: Steuerfinanzierung im Gesundheits-esen. Davon ist oft die Rede. Nun kann man unter-chiedlicher Meinung sein, wie wichtig der Schritt wäre,atsächlich mehr Steuern für die Sozialversicherung auf-ubringen. Gerade wurde das Beispiel Ökosteuer ge-annt. Das ist, wie ich finde, ein erfolgreiches Beispiel.
insichtlich des Gesundheitswesens bin ich eher etwaskeptisch. Wenn etwas meine Skepsis befördert hat,ann ist es der jüngste Schritt der großen Koalition. Sieaben sich daran gemacht, die 4,2 Milliarden Steuerzu-chuss, die wir gemeinsam verabredet hatten, erst einmalieder einzukassieren. Da sieht man, wie es mit denteuern gehen kann.Aber wenn man das jetzt einmal ernst nimmt undagt, dass Steuern ein Teil dieser Finanzierung sein sol-en, dann braucht man dafür ein Konzept. Ich sage nur:iskutiert wird immer über 15 Milliarden Euro für dieinanzierung der Gesundheitsversorgung der Kinder.o ist denn die Gegenfinanzierung dafür? Ich habe gele-en – das steht übrigens auch in der Zeitung; das sage ichn die Adresse der SPD –, der sozialdemokratische Par-eivorsitzende sei der Meinung, dass 30 bis 45 Milliar-en Euro Steueranteil in der Krankenversicherung eineute Sache seien.
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Birgitt BenderDazu kann ich nur sagen, Herr Spieth: Wenn die PDS soetwas vorschlagen würde,
dann würden hier alle sagen, dass die PDS glaube, dasGeld komme aus der Steckdose, und dass sie mit einemsolchen Vorschlag zeige, dass sie nicht regierungsfähigist. Wie nennt man dann so etwas bei der großen Koali-tion?
Sie haben gleich am Anfang zwei große Fehler ge-macht. Sie haben das 5-Milliarden-Euro-Loch selbstgeschaffen. Die Steuerzuschüsse in Höhe von 4,2 Mil-liarden Euro haben Sie herausgenommen und die Mehr-wertsteuer erhöht. Dadurch haben Sie für Zusatzbelas-tungen von 900 Millionen Euro gesorgt. Zur Verdeckungdieser Missetat – als Juristin weise ich darauf hin, dassdie Verdeckungsabsicht im Strafrecht straferhöhendwirkt – hat die Kanzlerin in schöner Eintracht mit derGesundheitsministerin gesagt: Gesundheit wird teurer.Als Gründe wurden die Alterung der Bevölkerung undder medizinische Fortschritt angeführt. Aber Gesundheitwird nur teurer, weil Sie selbst dieses Milliardenloch ge-schaffen haben.
Die Alterung unserer Bevölkerung führt nicht not-wendigerweise dazu, dass Gesundheit teurer wird; denndie Menschen haben die Chance, gesünder alt zu wer-den. Auch der medizinische Fortschritt hat nicht notwen-digerweise die Folge, dass sie teurer wird; denn eine In-novation wie zum Beispiel die Schlüssellochchirurgiebietet auch Potenzial zum Sparen. Der medizinischeFortschritt kann also auch in dieser Richtung wirken.
Sie haben gesagt: Gesundheit wird mehr Geld kosten.Wozu hat das geführt? Dadurch haben Sie bei allen, dieihr Geld im Gesundheitswesen verdienen, die Hoffnunggeweckt, dass es frisches Geld gibt und dass baldSchluss ist mit den lästigen Diskussionen über Struktur-reformen. Wie können Sie das nun wieder rückgängigmachen? Gar nicht.
Sie müssen erst einmal frisches Geld organisieren.Hier haben die Versicherten, so fürchte ich, nichts Guteszu erwarten. Denn wenn man Ihre Diskussionen ver-folgt, kommt man zu dem Ergebnis: Demnächst zahlendie Versicherten erstens einkommensabhängige Bei-träge, zweitens eine Kopfpauschale und drittens nochhöhere Steuern. Alles wird also teurer, ohne dass da-durch auch nur ein einziges strukturelles Problem desGesundheitswesens gelöst würde.
Frau Widmann-Mauz, die einzige Meinungsverschie-enheit, die es bei Ihnen noch gibt, betrifft die Frage, beiem das meiste Geld zu holen ist.
ie einen denken, dass dies bei den Geringverdienerner Fall ist, weil sie durch die Kopfpauschale am meis-en belastet werden.
ann sagen die anderen: Holen wir das Geld doch beien Gutverdienern, und zwar durch eine höhere Bei-ragsbemessungsgrenze! Hier möchte ich Ihnen ironischmpfehlen: Kombinieren Sie doch beides;
ann sind Sie alle wieder glücklich.
Ich komme zum Ende. Gelegentlich heißt es, wennine Reform nicht zustande kommt: Der Berg kreißt undebiert eine Maus. Ich würde sagen: Hier kreißen zweierge mit zahlreichen Untergipfeln. Was dabei heraus-ommt, ist eine Maus mit Schwimmflossen, mit der nie-and etwas anfangen kann. Anders gesagt: Die großeoalition ist nicht reformfähig. Das schätzt die Bevölke-ung völlig richtig ein.
Das Wort hat jetzt die Bundesministerin Ulla
chmidt.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnennd Kollegen! Liebe Kollegin Bender, ich habe gedacht:ein Gott, was schreibt man sich nur auf, wenn manicht weiß, worüber man spricht.
ie haben sich an jegliche Kritik angeschlossen, die der-eit in diesem Lande geäußert wird. Wir haben immeresagt, dass wir die Eckpunkte zu Beginn des Sommers,lso Anfang Juli,
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Bundesministerin Ulla Schmidt
vorlegen. Dieser Termin liegt noch vor uns. Da könnenSie noch so lange fragen, welche Vorschläge vorliegen.Auch Sie selbst haben einmal an solchen Verhandlun-gen teilgenommen.
Wir werden die Präsentation der Ergebnisse erst machen,wenn alles vereinbart ist. Ich kann verstehen, dass Sieneugierig sind.
Ich kann auch verstehen, dass Sie sehr ungeduldig sind.Allerdings heute – das sei ganz nebenbei erwähnt – habeich kein einziges Konzept, wie man die Probleme im Ge-sundheitswesen lösen kann, gehört,
weder von der Linken noch von der FDP noch von Ih-nen, Frau Bender.Aber es scheint üblich zu sein, dass man, ohne zu wis-sen, worüber man redet, sagt: Wir sind dagegen. – Es istja immer gut, gegen etwas zu sein. Da befinden Sie sichin guter Gesellschaft mit den Verbänden, mit verschiede-nen Organisationen und mit Professoren, die beleidigtsind, weil sie nicht beteiligt wurden, und deswegen alleVorschläge für falsch halten.Ihnen haben die Wählerinnen und Wähler keinen Re-gierungsauftrag erteilt. Sie haben so gewählt, dass diegroße Koalition den Auftrag bekommen hat, die entspre-chenden Reformen auf den Weg zu bringen und die Pro-bleme in diesem Land zu lösen.
Zur Prävention gehört auch, sich nicht immer so auf-zuregen. Warten Sie doch einfach ab, bis wir Ihnen dasKonzept vorlegen, und lassen Sie uns, nachdem Sie esgelesen haben, in aller Ruhe Stück für Stück darüber re-den, ob diese Vorschläge geeignet sind, den wachsendenHerausforderungen der demografischen Entwicklungund der Veränderung der Erwerbsbiografien zu begeg-nen. Herausforderungen entstehen aber auch durch denmedizinischen Fortschritt; dabei geht es darum, zu ent-scheiden, was zur Bekämpfung von Krankheiten tatsäch-lich nutzt bzw. was die Lebensqualität der Menschenwirklich erhöht. Wir müssen diesen HerausforderungengGdnamMBAiusiMadItanWGSddrWwfbwbsSdwt
an kann dabei über vieles reden.Herr Kollege Spieth, Sie sind doch für eine AOK ver-ntwortlich,
och das bereitet Ihnen schon genügend Probleme.
ch sage Ihnen: Auf dem Posten, den ich jetzt im sechs-en Jahr innehabe, würden Sie es keine einzige Wocheushalten! Sie würden kein einziges Problem lösen kön-en; da können Sie sicher sein.
enn wir darüber reden, wie wir die Finanzierung deresundheitsversorgung sichern können und wie dietrukturen im Gesundheitssystem aussehen müssen,ann sind das zwei Seiten einer Medaille. Wir werdenie Strukturveränderungen, die wir mit der Gesundheits-eform 2003 begonnen haben, konsequent fortsetzen:ir werden die integrierte Versorgung weiterentwickeln,ir werden die medizinischen Versorgungszentrenördern, wir werden die starre Grenze zwischen dem am-ulanten und dem stationären Sektor überwinden, wirerden die Patientenbeteiligung und die Prävention aus-auen und wir werden für mehr Wettbewerb im Systemorgen – weil wir eines wissen: Ehe neues Geld in diesesystem fließt, muss der Topf wasserdicht gemacht wer-en, damit das Geld nicht irgendwo unnütz eingesetztird, wo es für die Versorgung von Patientinnen und Pa-ienten gar nicht nötig ist. Das ist der erste Punkt.
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Bundesministerin Ulla SchmidtDer zweite Punkt ist: Wir wissen, dass die Bindungder Beiträge an sozialversicherungspflichtige Beschäf-tigungsverhältnisse die Achillesferse unseres Gesund-heitssystems bleibt. Diese Bindung trägt nicht mehr,weil wir in den letzten Jahren – leider – einen großenAbbau von sozialversicherungspflichtigen Beschäfti-gungsverhältnissen hatten. Auch wenn ich froh bin, dassdas jetzt gestoppt ist und wir langsam wieder einen Zu-wachs haben, weiß ich sehr wohl, dass diese Bindungauf Dauer nicht ausreicht. Schon in den letzten 20 Jahrenist die Entwicklung der Beitragseinnahmen um 31 Pro-zent hinter der Entwicklung des Bruttoinlandsproduktszurückgeblieben.
Darauf brauchen wir eine Antwort. Jetzt reden wir überden Fonds, Herr Kollege Spieth.
– Das ist klar.
Für die Kritikaster in diesem Land – ich habe sie ebenschon genannt –, die immer nur darüber reden, wieschlecht alles ist, ist schon, dass es ein neues Wort gibt,Grund genug, erst einmal Nein zu sagen.
Hier könnte sich einmal etwas positiv verändern; dochdas würde vieles erfordern. Gehen Sie doch mit einer an-deren Sichtweise an diesen Fonds heran – auch Sie vonder FDP – und überlegen Sie, wie wir – Herr Spieth, Sieals AOKler müssten das kennen – das, was in § 1 Satz 1des Sozialgesetzbuches V steht – die Krankenkassen alsSolidargemeinschaft –, umsetzen können.Wenn wir einen Fonds hätten – wir reden gerade überihn und seine Ausgestaltung –, in den die Beiträge derArbeitgeber, der Versicherten, der Rentner und der Ar-beitslosen sowie Gelder der Bundesagentur für Arbeitund Steuern einfließen, dann könnten wir sagen: In die-sem Land findet ein 100-prozentiger Einkommensaus-gleich statt.
– Haben wir nicht, es sind 92 Prozent.
– Herr Kollege Spieth, wir wollen nicht, dass es für eineKrankenkasse einen Unterschied macht, ob dort einEmpfänger von Arbeitslosengeld II oder ein Bankdirek-tor versichert ist. Wir wollen, dass alle Krankenkassen indiesem Land den gleichen Anteil je Versicherten an denGesamteinnahmen aller gesetzlichen Krankenkassen er-hckapdghssdwmeHKcevAcsiSgdncsHdsdmadMsMetdn
uch dafür, dass alle Menschen in diesem Land versi-hert sind, soll dieser Fonds dienen. Wir müssen dafürorgen, dass jede Kasse und jede Krankenversicherungn diesem Land jeden versichern muss. Wir wollenchluss damit machen, dass die großen Risiken bei denesetzlichen Krankenkassen abgeladen werden und sichie Privaten auf Dauer aussuchen können, wen sie auf-ehmen. Wir wollen einen Weg finden, dass jede Versi-herung jeden aufnehmen muss. Das ist ein Riesenfort-chritt gegenüber dem, was wir heute haben.
err Kollege Barthle, das wird vielleicht dazu führen,ass die Rettungsboote ihrer Bestimmung nach einge-etzt werden. Es gehört zu diesem System, dass man je-en rettet, der eine solche Rettung nötig hat, und nichtanche außen vor lässt.
Neben den notwendigen Strukturreformen werden wiruch dafür sorgen – das ist mir ein ernstes Anliegen –,ass nicht nur die Ärzte und Ärztinnen, sondern auch dieenschen, die Tag für Tag in nicht ärztlichen medizini-chen Berufen arbeiten und für kranke Menschen undenschen, die Hilfe benötigen, da sind, eine Perspektiverhalten. Wir wollen zu einer angemessenen und gerech-eren Finanzierung kommen, als das heute der Fall ist;enn ich sage Ihnen eines: Wir reden nicht nur über dasächste Jahr, sondern wir müssen uns heute schon Ge-
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Bundesministerin Ulla Schmidtdanken darüber machen, wie wir dafür sorgen können,dass junge Menschen wieder eine Perspektive in Pfle-geberufen und auch in ärztlichen Berufen haben. Auchdas wollen wir mit dieser Reform anpacken.
Ich finde es sehr gut und es spricht für die Qualität derdeutschen Mediziner und Medizinerinnen, dass sie auchim Ausland gefragt sind. Wir möchten aber auch, dasssie hier bleiben und hier ihre Arbeit machen. Wir werdenuns darum kümmern.Frau Kollegin Winterstein, wir sehen Perspektiven inunserem Land und wir gehören nicht zu denen – so, wieIhre Partei –, die immer glauben, dass die Probleme bes-ser lösbar sind, wenn man alles dem internationalen Ka-pitalmarkt aussetzt.
Wir glauben zum Beispiel, dass die Rentnerinnen undRentner in diesem Land, die ihr Leben lang in die solida-rische Kasse eingezahlt haben, auch einen Anspruch da-rauf haben, im Alter Solidarität zu genießen. Auch da-rum werden wir uns kümmern.Lassen Sie mich noch ein Thema ansprechen, das mirwichtig ist. Wir haben heute schon viel über Aids,Aidsprävention und unsere Aufgaben in diesem Zusam-menhang gehört. Wir werden auf Dauer mehr tun müs-sen als bisher und wir werden auch mehr Mittel in denHaushalt einstellen müssen. Darüber werden wir in denkommenden Haushaltsberatungen diskutieren. Die Kol-legen Barthle und Schurer haben es bereits angespro-chen.Aids ist nicht nur ein gesundheitliches, sondern auchein soziales, gesellschaftspolitisches und ökonomischesProblem. Die internationale Staatengemeinschaft wieauch die Europäische Union würden sehr schlecht darantun, dieses Thema nicht als globales Problem zu behan-deln. Es geht um viel mehr als das, was unser Land be-trifft. In unserem Land müssen wir in die Prävention in-vestieren, weil sie das einzige Mittel ist, mit dem Aidsbekämpft werden kann. Wir haben aber auch die Verant-wortung, in einem geeinten Europa – dazu gehört auchOsteuropa – dafür zu sorgen, dass Menschen Zugang zurBehandlung erhalten. Es ist ein Skandal, wenn von welt-weit über 40 Millionen infizierten Menschen nur gut1,3 Millionen Zugang zur Behandlung haben.
Das ist nicht nur ein entwicklungspolitisches Thema,sondern es geht uns alle an.Aids ist zunehmend ein Armutsproblem. Es steht ineinem engen Zusammenhang mit der Armutsbekämp-fung, dem Zugang zur Bildung und ganz massiv mit demKampf um Menschenrechte und Frauenrechte.DHsdtwnIeMMzAnaalutwalst„OdmdmlwJzgsgnf
eswegen haben wir entschieden, Aids zu einem derauptthemen während der deutschen EU-Ratspräsident-chaft im kommenden Jahr zu machen und uns endlichamit auseinander zu setzen, wie durch die Verantwor-ung der Politik und der Zivilgesellschaft dafür gesorgterden kann, dass die notwendigen Strukturen für eineachhaltige Aidspolitik geschaffen werden.Ich bin dankbar, wenn Sie das alles mit unterstützen.ch glaube, dass das Thema unterschätzt wird. Es ist aberines der wichtigen Themen der Menschheit, das mehrenschen betrifft als die, die wir zum Beispiel durchaßnahmen zur Bekämpfung einer Pandemie schützenu müssen glauben. Deshalb muss der Kampf gegenids unser gemeinsames Anliegen sein.Meine Redezeit nähert sich dem Ende. Ich kann leidericht näher auf andere Themen eingehen. Wir werdenber die Pflege reformieren und das Präventionsgesetzuf den Weg bringen. Wir werden unseren Kampf gegenegale und illegale Drogen fortsetzen.Insofern werden wir auch in den kommenden Wochennd Monaten noch sehr viel Gelegenheit haben zu strei-en. In zwei Wochen sind wir etwas weiter. Dann redenir nicht nur darüber, wie die Dinge heißen, sondernuch mehr über Inhalte.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Daniel Bahr, FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kol-egen! Sie von der schwarz-roten Koalition verhaltenich drollig: Sie debattieren hier und wenn die Opposi-ion Kritik übt, regen Sie sich auf, frei nach dem MottoWir wissen noch nicht, wo es hingeht, also hat auch diepposition kein Recht, das zu kritisieren“. Ein Realist,er die Probleme benennt, ist aber noch lange kein Mies-acher. Es ist auch nicht so, dass die Vorschläge, die inen Medien kursieren, aus dem luftleeren Raum kom-en. Sie sind doch von Teilnehmern aus der Verhand-ungsgruppe gezielt an die Medien gegeben worden. Eserden doch gezielt Papiere aus den Ministerien anournalisten weitergegeben, um sie in der Öffentlichkeitu debattieren.Es ist insofern notwendig, dass wir hier über die an-eblich in der Verhandlungsgruppe behandelten Vor-chläge diskutieren, die derzeit kursieren. Es ist doch dasute Recht der Opposition, sich mit Vorschlägen ausei-ander zu setzen.
Ich finde Ihr Verhalten übrigens zutiefst beschämendür den Parlamentarismus.
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Daniel Bahr
Am heutigen Abend – es ist jetzt 20.08 Uhr – soll dasgroße Thema Gesundheit mit einem der größten Etats imHaushalt beraten werden. Dass die Vorschläge unter demDeckmantel der Fußball-WM-Euphorie
klammheimlich noch vor dem Endspiel in die Öffent-lichkeit gelangen und dass diese Debatte quasi unterAusschluss der Öffentlichkeit stattfindet, zeigt doch nur,dass Sie Angst vor der Reaktion der Öffentlichkeit unddamit der Wählerinnen und Wähler haben. Sie werden esaber noch bereuen, wenn die Öffentlichkeit davon er-fährt.
– Dass Sie sich so aufregen, zeigt nur, dass ich einenwunden Punkt getroffen habe.
Es war richtig, was eben gesagt wurde: Wer sich aufregt,schadet seiner Gesundheit.Ich teile viele Kritikpunkte der Kollegin Bender. Mandarf aber nicht vergessen, dass die letzte große Gesund-heitsreform einer vermeintlich großen Koalition nochgar nicht so lange her ist. Im Sommer 2003 sollte eineJahrhundertreform auf den Weg gebracht werden, diedas Gesundheitswesen stabilisieren und zu sinkendenBeitragssätzen führen sollte. Nach Ihren Versprechun-gen, Frau Schmidt, müsste der durchschnittliche Bei-tragssatz heute bei 13,0 Prozent liegen. Tatsächlich liegter bei 14,2 Prozent.
Ich vertraue Ihren Aussagen und der großen Koalitionim Gesundheitswesen nicht mehr, genauso wenig wiedie Versicherten.Nun spricht Herr Beck, der SPD-Vorsitzende, schonnicht mehr von einer Jahrhundertreform. Vielmehr sagter, sie solle 15 Jahre halten. Damit geht er schon ein biss-chen realistischer an die Sache heran. Ich sage Ihnen vo-raus, dass Ihre geplante Reform möglicherweise nochnicht einmal die ganze Legislaturperiode halten wird. Zudiesem Schluss bin ich gekommen, als ich mich mit Ih-ren Vorschlägen auseinander gesetzt habe.Frau Bundeskanzlerin Merkel hat gesagt: „Wir wer-den es grundlegend anders machen, damit es grundle-gend besser wird.“ Nach dem, was ich bislang gehörthabe, muss ich feststellen, dass es teurer wird, ohne bes-ser zu werden. Sie machen es grundlegend anders und eswird grundlegend teurer. Die Kanzlerin hat sicherlichRecht, wenn sie sagt, dass das Gesundheitssystem in dennächsten Jahrzehnten aufgrund der alternden Bevölke-rung tendenziell teurer wird. Aber ich kann nicht erken-nen, dass die Fragen betreffend die Nachhaltigkeit unddie Demografieanfälligkeit des Umlageverfahrens in dergesetzlichen Krankenversicherung überhaupt eine Rollein Ihren Verhandlungen spielen. Zumindest ist das bis-lang nicht festzustellen.
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viel kritisieren, sich viel mit Begriffen auseinander set-zen – Sie haben sich gerade als Realist bezeichnet –,muss ich sagen: Problemlöser waren Sie am heutigenfrühen Abend wieder einmal nicht.
Das trägt nicht dazu bei, dass wir über die gesetzlicheKrankenversicherung den Menschen in unserem LandSchutz bieten.Dass Sie vor Kameras beklagen, dass wir um dieseUhrzeit debattieren, ist schön;
nur da, wo Sie es hätten tun müssen – im Ältestenrat hät-ten Sie widersprechen und fordern müssen, dass wir die-ses wichtige Thema und diesen wichtigen Etat zu ande-rer Zeit debattieren –, haben Sie geschwiegen.
So kann man Politik nicht betreiben.Das Fußballfieber in unserem Land steigt von Spielzu Spiel. Wie unsere Mannschaft so kommen auch wirbei den Gesundheitsreformgesprächen von Runde zuRunde dem Finale näher.
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Der Wandel der Erwerbsbiografien – ich denke nur andie Erwerbstätigkeit der Frauen, Beschäftigungsunter-brechungen durch Schwangerschaft, Arbeitslosigkeit,geringfügige Beschäftigungsverhältnisse oder Selbst-ständigkeit – und die abnehmende Bedeutung von Er-werbseinkommen als Ausdruck der wirtschaftlichenLeistungsfähigkeit führen zu Veränderungen in derStruktur der Einkommen und damit eben der Einnahme-basis der gesetzlichen Krankenversicherung.
Wir beobachten seit Jahren, dass die Schere zwischenden Einnahmen und den Ausgaben immer weiter ausein-ander klafft. Die Lösung dieser Problematik erforderteine stärkere Berücksichtigung der wirtschaftlichenLeistungsfähigkeit. Dies ist im Hinblick auf zukünftigeGenerationen per se schon ein wichtiger Beitrag zurNachhaltigkeit.
Starke Schultern müssen sich stärker an der Finanzie-rung der Solidarlast beteiligen als schwache. Eine bes-sere Abbildung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeitlässt sich am einfachsten und ohne größeren bürokrati-schen Aufwand über das Steuersystem organisieren.Deshalb begrüße ich, dass in der Führung der SPD, wennman einem Bericht der „Zeit“ Glauben schenken darf,die Einsicht gewachsen ist, dass die Solidarlasten ausdem Steuersystem zu finanzieren sind.
Denn die größte Solidargemeinschaft ist die Gemein-schaft der Steuerzahler. Dabei können auch privat Versi-cherte durchaus mit einbezogen werden, ohne dass dasauf verfassungsrechtliche Hindernisse stößt.Wenn es der SPD-Vorsitzende mit der Finanzierungüber das Steuersystem ernst meint, dann müsste erauch einen zweiten Schritt machen und die Gesundheits-kosten von den Sozialkosten trennen. Das tut die SPDaber nicht. Wenn sie es nicht tut, dann droht die Steuerfi-nanzierung wie bei der Rente zu einer ausschließlichenSubventionsspritze zu werden. Hier haben wir Vorbe-halte.Wir wissen nun, dass eine Steuerfinanzierung der ge-setzlichen Krankenversicherung in dem Haushalt, denwir heute beraten, nicht zu realisieren ist. Vielmehr wirdim Haushalt 2007 der Zufluss aus der Tabaksteuer auf1,5 Milliarden Euro gekürzt und im Jahre 2008 wohlgänzlich gestrichen werden.Wir, die Gesundheitspolitiker der Unionsfraktion,sind über diese Entwicklung alles andere als erfreut. Dasgehört zur Ehrlichkeit dazu. Ebenso gehört zur Wahrheit,dass wir den Bundeshaushalt erst konsolidieren müssen,um wieder Handlungsfähigkeit und Gestaltungsfähigkeitzu erlangen und damit auch auf dem Feld des Gesund-hfKWcaiMtesabkzAsEvkBMVeuwdsneldddDFKtwVabtsNmbnasfW
So wie der Wettbewerb bei den Beiträgen schon heuteach bestimmten Regeln abläuft, muss dies in Zukunftuch beim Wettbewerb um Qualität und Leistung ge-chehen. Auch dieser muss nach bestimmten Regeln er-olgen. Dabei dürfen zum Beispiel Art und Umfang desettbewerbs nicht zur Entsolidarisierung oder gar zur
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Annette Widmann-MauzRisikoselektion führen. Das heißt, insbesondere der Zu-gang zu medizinischer Versorgung und Mindeststan-dards müssen gewährleistet bleiben. Daneben findet derWettbewerb seine Grenzen im Wettbewerbs- und Kar-tellrecht. Das heißt, es darf weder ein Nachfragemono-pol zum Beispiel einer in einer Region dominierendenKasse noch ein Monopol eines großen Anbieters, zumBeispiel eines Krankenhausriesens, geben.
Die Mitglieder der Unionsfraktion und auch die Mit-glieder unserer Verhandlungsdelegation sind der Auffas-sung, dass wir mehr Freiheit im System der gesetzli-chen Krankenversicherung brauchen.
Aus Sicht der Versicherten bedeutet dies klar mehrWahlmöglichkeiten hinsichtlich des Leistungsumfangs.
Wir brauchen nämlich keine paternalistische Zwangsbe-glückung,
sondern attraktive Angebote für mündige Versicherte.
Aus Sicht der Leistungsanbieter und der Kostenträgerbedeutet dies, mehr Vertragsfreiheit zu haben und damitmehr Verantwortung zu übernehmen. In den Verhand-lungen drängen wir auf die Durchsetzung gerade dieserPunkte. Intransparente Strukturen werten Leistungsan-strengungen ab und befördern damit mangelndes Kos-tenbewusstsein. Sie schwächen geradezu die Wahrneh-mung der jeweiligen Verantwortung. Dies darf nichtsein.Ich erwähne diese Punkte, um deutlich zu machen,worauf es bei der anstehenden Gesundheitsreform an-kommt. Wir wollen nicht nur eine weitere Kostendämp-fungsmaßnahme betreiben, das heißt, nicht lediglich not-wendige Verbesserungen auf der Ausgabenseite erzielen,um uns dann mit dem Stopfen der Löcher zu beschäfti-gen, die wir selbst hineingerissen haben. Dies ist keinenachhaltige und zielgerichtete Politik.
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich komme dann auch zum Schluss.
Bitte gleich.
Wir dürfen nicht ständig Ausgaben bejammern, wenn
wir nicht bereit sind, Kosten, die auf uns zukommen, zu
vermeiden. Ich nenne nur das Stichwort „Nichtraucher-
schutz“. Auch diesen nehmen wir sehr ernst.
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ür Schnellschüsse ist die Reform nicht geeignet.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen; an-
onsten geht das noch mehr auf Kosten Ihrer nachfolgen-
en Redner.
Wir werden über die Sommerpause die notwendigen
aßnahmen beraten und vorbereiten.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Kollege Max Straubinger, CDU/
SU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!ür alle Schlechtredner in diesem Land und vielen Un-enrufen zum Trotz möchte ich vorausschicken: Unserand verfügt über ein großartiges und modernes Ge-undheitssystem.
ies sollte wieder einmal in Erinnerung gerufen werden.ch glaube, das gerät ob der Diskussionen, die darübereführt werden, vielfältigst aus dem Blickwinkel.In punkto Versorgungsqualität und -intensität isteutschland absolute Weltspitze. Viele Menschen imusland würden es sich wünschen, dieses System in An-pruch nehmen zu können, ein System, in dem unabhän-ig von Alter, Geschlecht, sozialer Herkunft und Ein-unftslage alle Bürgerinnen und Bürger behandelterden. Darauf können wir alle stolz sein.Weil wir nicht nur in Zeiten der WM, sondern auchurz vor der Urlaubssaison sind: Ich weiß, dass vieleenschen in Deutschland, wenn sie in ferne Länder rei-en und dort krank werden oder einem Unglück anheimallen, so schnell wie möglich wieder zu Hause sein wol-en, weil sie im deutschen Gesundheitssystem versorgterden wollen. Auch dies ist ein wichtiger Punkt.
Dieses qualitativ hochwertige Gesundheitswesen hateinen Preis. Wir alle profitieren von moderner Diagnos-ik, modernen Therapien, pharmazeutischer Forschungnd modernster Medizintechnik. Unsere steigende Le-enserwartung wäre ohne diese Fortschritte – sie ist ein
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Max Straubingersichtbares Zeichen dafür – nicht denkbar. Wer meint,dass diese Errungenschaften und Herausforderungen zu-künftig ohne Steigerungen der Kosten für die Bürgerin-nen und Bürger zu bewältigen sind, streut den BürgernSand in die Augen.Ich versuche, die Worte des Kollegen Bahr und dieDebatte des Tages insgesamt zu verinnerlichen. Die FDPfordert auf der einen Seite steuerliche Erleichterungen,was natürlich zu Einnahmeverlusten führen würde. Aufder anderen Seite beklagt die FDP, dass der Zuschuss ausdem Bundeshaushalt, der an die gesetzlichen Kranken-versicherungen gezahlt wird, abgesenkt und langfristiggestrichen werden soll.
Man kann nicht alles haben: einerseits den Zuschuss, an-dererseits den Abbau von Steuern, der zu niedrigerenEinnahmen im Bundeshaushalt führt. Es ist meines Er-achtens wichtig, darauf hinzuweisen.Sieht man von der Bürgerversicherung ab, wurdenheute kaum Vorschläge gemacht. Es wurde weder vonden Kolleginnen und Kollegen von den Grünen nochvom Kollegen Spieth von der PDS, von der Linken oderwie Sie sich gerade nennen, verdeutlicht, wie eine Bür-gerversicherung aussehen soll.
Diese Partei steht in der Tradition eines staatlichen Ge-sundheitssystems,
das bis zum Gehtnichtmehr marode war. Dieses sozialis-tische Gesundheitssystem war Ausdruck einer Zweiklas-senmedizin: Die Funktionäre hatten Medikamente ausdem Westen zur Verfügung; die anderen Bürgerinnenund Bürger darbten in dieser Hinsicht. Es ist entschei-dend, dass die große Koalition es schafft, ein modernes,hochwertiges Gesundheitssystem, das auch die Bürge-rinnen und Bürger im Osten kennen und schätzen gelernthaben, weiterzuentwickeln und zukunftsfest zu gestal-ten.
Die solidarische Finanzierung der gesetzlichenKrankenversicherung ist für uns eine weitere Heraus-forderung. Trotz aller Kostendämpfungsmaßnahmen inder jüngeren Vergangenheit sieht sich die GKV der Ent-wicklung eines ansteigenden Defizits gegenüber. Selbstunter Ausnutzung der vielen Wirtschaftlichkeits- und Ef-fizienzreserven ist derzeit wahrscheinlich nicht glaub-haft darzulegen, dass mit der jetzigen Form die Finanzie-rungsbasis dauerhaft gesichert ist. Wir haben das auchim Koalitionsvertrag dargelegt.wakHticdGFsduwsFLPGntR4sVwrdaazhldigssuugLgdf
or 20 Jahren waren es noch 70 Prozent. Diese Fragenerden natürlich von der jungen Generation an uns he-angetragen.Ich möchte betonen: Die ältere Generation hat trotzer steigenden Lebenserwartung die größten Vorteileufgrund des medizinischen Fortschritts. Ich weiß dasus eigener Erfahrung; denn es trifft auf meine Mutteru. Wenn sie ihre Krankheit vor 20 Jahren bekommenätte, dann würde sie heute möglicherweise nicht mehreben. Durch modernste Medizintechnik ist es möglich,en Patienten die bestmögliche Versorgung zu geben. Esst wichtig, dies den Bürgerinnen und Bürgern darzule-en und darüber mit ihnen zu diskutieren.Es stellt sich auch die Frage, was insgesamt gesehenozial ist. Wir erheben den Anspruch, dass alle Men-chen an unserem Gesundheitssystem teilhaben können,nabhängig von ihrer Herkunft, von ihrem Einkommennd von ihrem Gesundheitszustand. In Zuge der vergan-enen Gesundheitsreform haben wir Instrumente mitenkungswirkung wie die Praxisgebühr und wie Ei-enbeteiligung in einzelnen Bereichen eingeführt. Miter Einführung einer Überforderungsklausel haben wirür eine sozial ausgewogene Ausgestaltung gesorgt: Es
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Max Straubingergibt die 2-Prozent-Regelung für die chronisch Krankenund die 1-Prozent-Regelung für anderweitig Kranke.
Es ist sozial verantwortbar, unter Umständen einestärkere Eigenbeteiligung einzufordern; denn damitkönnen wir den Menschen gewährleisten, auch zukünf-tig von der Spitzenmedizin zu profitieren. Alles anderewürde zu einer Rationierung führen, was wir letztendlichnicht wollen.Ich möchte nur noch folgenden Punkt ganz kurz an-sprechen. Wir legen Wert darauf, dass die private Kran-kenversicherung auch weiterhin im Wettbewerb beste-hen kann. In vielen Diskussionen wird die privateKrankenversicherung als die Versicherung der Reichenabgetan. Das ist aber beileibe nicht so. Nur 20 Prozentder privat Krankenversicherten verdienen über der Bei-tragsbemessungsgrenze. 80 Prozent liegen mit ihremVerdienst darunter. Sehr viele, die eine Ich-AG gegrün-det haben und sich privat krankenversichert haben, ver-fügen über kein hohes Einkommen.
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.
Wir müssen auch Solidarität mit Beitragszahlern
üben, die nur über ein geringes Einkommen verfügen.
Unter diesem Gesichtspunkt wird die große Koalition
– davon bin ich überzeugt – die kommenden Aufgaben
sehr zielorientiert angehen. Es ist wie immer vor Weih-
nachten: Viele können es nicht erwarten. Aber Sie kön-
nen sicher sein: Bis zur Sommerpause werden die Eck-
punkte stehen. Sie müssen nur noch ein wenig darauf
warten.
Besten Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 15,
Bundesministerium für Gesundheit, in der Ausschuss-
fassung. Wer möchte diesem Einzelplan zustimmen? –
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist der Einzel-
plan mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen
der gesamten Opposition angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.11 auf:
Einzelplan 06
Bundesministerium des Innern
– Drucksachen 16/1306, 16/1324 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Bettina Hagedorn
Dr. Michael Luther
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Wenn das infrage gestellt oder wie von der GEW zumnlass genommen wird, über die Nationalhymne zu de-attieren
ich weiß, dass sie es schon zurückgenommen hat –,ehe ich mich schon veranlasst, zu fragen, wer alles iniesem Lande etwas sagen darf und wie lange mancherauchen, etwas Unpassendes zurückzunehmen.
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Gisela Piltz
– Entschuldigung, wir debattieren hier nicht über Bil-dung; aber wenn sich die Lehrergewerkschaft in einersolchen Art und Weise äußert, dann darf man auch ein-mal sagen, dass man das nicht für akzeptabel hält, wenndie Lehrer unsere Kinder in einem solchen Geist erzie-hen. Darüber brauchen Sie sich gar nicht aufzuregen.
Mehr als die Hälfte der Spiele haben wir jetzt vor demFernseher oder im Stadion gesehen. Mein besondererDank gilt heute insbesondere denen, die dazu beitragen,dass diese Spiele so friedlich und erfolgreich verlaufen.Ich danke nicht nur der Elf von Jürgen Klinsmann, son-dern vor allen Dingen den Polizistinnen und Polizisten,dem THW, dem Roten Kreuz und vielen anderen ehren-amtlichen Helfern,
ohne die das überhaupt nicht möglich wäre.
Es zeigt sich aber auch, dass der Einsatz der Bundes-wehr im Innern nicht nötig gewesen wäre und die ganzeDebatte nur eine Scheindebatte darstellte. Die FDP kannhier und heute nur nochmals bekräftigen: Wir haben denEinsatz der Bundeswehr im Innern immer abgelehnt, wirlehnen ihn auch heute ab und werden das auch in Zu-kunft tun.
Wir sind froh, dass die beiden Panzer am SowjetischenEhrenmal an der Fanmeile hier in Berlin die einzigenPanzer sind, die in der Nähe von Orten stehen, an denenman sich in Deutschland die Fußball-WM anschaut.
Bei der Fußball-WM fällt einem noch ein anderesStichwort ein, nämlich BOS-Digitalfunk. Herr Minister,Sie können nichts dafür, dass Ihr Vorgänger, der andereSchily – Kollege Schily, verzeihen Sie mir das –, uns im-mer wieder versprochen hat, dass bis zur Fußball-WMder BOS-Digitalfunk eingeführt sein wird.
Wir hoffen, dass er jetzt zügig eingeführt wird und wirnicht bis zur nächsten Fußball-WM warten müssen, son-dern dass dieses Vorhaben jetzt zeitnah umgesetzt wird.
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Weiterhin bedauern wir, dass wir uns beim Punktntegrationskurse nicht durchsetzen konnten. Hier warie Bundesregierung nämlich nicht bereit, sich zu bewe-en. Die vorgesehenen Kürzungen in diesem Bereichind nicht nachvollziehbar.
Herr Wiefelspütz, wenn Sie das für so unglaublich hal-en, hätten Sie sich einmal durchsetzen sollen, statt auser zweiten Reihe Zurufe zu machen. – Das durch diesentscheidung gegebene Signal ist aus unserer Sicht völ-ig falsch. Meine Damen und Herren aus den Koalitions-raktionen, Ihre eigene Integrationsbeauftragte, Fraurofessor Böhmer, die ja hier auch anwesend ist, hat mitatum vom 3. Mai 2006 ausführlich ihre Eckpunkte zurualitativen Verbesserung der Integrationskurse vorge-tellt: mehr Stunden, bessere Finanzausstattung und zumeispiel auch kostenlose Teilnahme von Bedürftigen.
arum tun Sie da nichts, nachdem Ihre Integrationsbe-uftragte das schon eindeutig festgestellt hat? Warumarten Sie bis zum nächsten Haushalt?
achen Sie es jetzt. Das wäre überhaupt kein Problem.Migration und Integration sind wichtige Themen.eshalb erneuern wir noch einmal unsere Forderung, inieser Legislaturperiode dazu eine Enquete-Kommissioninzusetzen. Wir hoffen, dass Sie dabei alle an unserereite sind; ich denke, das dürfte die Zustimmung desanzen Hauses finden.
ie werden uns fragen, woher denn das Geld dafür kom-en soll. Das ist aus unserer Sicht wie immer auch einerage der richtigen Verteilung. Nach dem 11. Septemberurden zum Beispiel die Tabak- und die Versicherung-teuer erhöht, um mehr Mittel zur Bekämpfung des Ter-orismus ausgeben zu können. Der Bürger glaubt, er seietzt geschützt. Im ersten Jahr haben Sie auch einen Be-icht über die Mittelverwendung vorlegen können. Aberuf unsere Kleine Anfrage haben Sie dann geantwortet
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006 3663
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Gisela Piltz– ich darf zitieren –: Die finanziellen Auswirkungen desGesetzes zur Finanzierung der Terrorbekämpfung kön-nen ex post nicht aus dem Kassenaufkommen hergeleitetwerden. Die Vielzahl an Einflussfaktoren, die auf daskassenmäßige Steueraufkommen wirken, wie zum Bei-spiel die dreistufige Tabaksteuererhöhung ab demJahr 2004, macht es uns unmöglich, die Effekte der ein-zelnen gesetzlichen Maßnahmen zu separieren.Wenn das Ihre Antwort auf eine Steuererhöhung ist– nach vier Jahren wissen Sie nicht, wo das Geld her-kommt und wo es hingeht –, dann habe ich ganzschlimme Ahnungen, was mit den 3 Prozent Mehrwert-steuererhöhung passiert, die Sie uns allen als Bürgerjetzt aufbrummen. Das ist keine solide Kassenführung.Das ist, finde ich, eine Unverschämtheit.
Sie könnten aus meiner Sicht auch beim Innenminis-terium einsparen, nämlich beim Neubau. Es wird ge-plant und geplant – dafür wird bereits Geld ausgegeben.Sie haben einen teuren Mietvertrag und Sie planen einenteuren Neubau. Im Innenausschuss ist gesagt worden,das sei zusammen wirtschaftlich. Wenn Sie das hinbe-kommen, also wenn es wirklich so wäre, dass ein Neu-bau und der bestehende Vertrag wirtschaftlich vertretbarwären, müssten wir uns um den Haushalt keine Sorgenmachen. Ich kann das nicht erkennen. Von daher hoffeich, dass Sie da etwas ändern.Aber es gibt natürlich auch Sachen, die Sie nichtskosten würden und die Sie locker tun könnten. Das be-trifft zum einen die Frage, wie wir mit dem Datenschutzumgehen. Wir haben hier heute einen Antrag betreffenddie Weitergabe der Passagierdaten an die USA einge-reicht. Wir erwarten, dass Sie die Kommission daranhindern, diese Daten weiterhin unmittelbar zu übertra-gen. Wir brauchen eine Diskussion in den Landesparla-menten zu diesem Thema. Wir sind im Übrigen auch derAnsicht, dass seit 2003 genügend Zeit verstrichen ist, umdas Ganze jetzt zu evaluieren. So etwas darf man nichtdurchpeitschen, so etwas muss man diskutieren. Ge-nauso müssen wir aus unserer Sicht das Bundesdaten-schutzgesetz dringend überarbeiten. Es ist weder in derPraxis für den Verbraucher noch was neue Technologienangeht einigermaßen nachvollziehbar. Deshalb setzenwir uns für eine Überarbeitung ein.
Zur Pressefreiheit. Dabei geht es nicht nur um dieDurchsuchung von Büros von Journalisten. Dabei gehtes auch darum, was wir uns bei der Pressefreiheit eigent-lich leisten und wie wir dieses Thema behandeln. Wennein Beamter eine Information weitergibt und dafür be-straft wird, dann ist das eine Sache. Die andere aber ist:Wie gehen wir mit dem Journalisten um, der diese Datenverwertet? Herr Minister, Sie haben in einem „Spiegel“-Interview vor einigen Wochen dazu Stellung genommen.Die FDP hat dazu einen Gesetzentwurf eingebracht. Siehaben das zumindest inhaltlich positiv begleitet. Wirwürden uns freuen, wenn Sie uns auch bei diesem Ge-setzentwurf weiterhin positiv begleiten könnten.UDVhfgtSwgrmidCKHmsdidtnwPrr–lsagtdd
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3664 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006
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Ein weiteres Themenfeld war für uns das Technischeilfswerk, das zum Gelingen der Fußballweltmeister-chaft ebenfalls maßgeblich beiträgt. Tausende freiwil-ige Helfer kümmern sich in ihrer Freizeit ohne finanziel-en Ausgleich darum, dass die Spiele gut ablaufen. Dasachen sie nicht nur jetzt – das ist ein aktueller Anlass –,ondern auch bei vielen anderen Gelegenheiten. Ichenke zum Beispiel an den Tsunami oder das Hochwas-er in Sachsen. Diese Ereignisse liegen noch nicht allzuange zurück. Sie sind wirklich sehr aktiv.Das THW verfügt über eine ehrenamtliche Basis vonirca 41 000 Helfern. Ich bin der festen Überzeugung,ass es sich nicht lohnt, um Ehrenamtler zu werben,enn wir nicht in der Lage sind, sie ordentlich auszubil-en, adäquat auszurüsten und einsatzfähig zu halten.eshalb haben wir innerhalb des Etats des Bundesinnen-inisteriums Mittel zugunsten des THW umgeschichtet,as heißt, mehr Geld für Aus- und Fortbildung sowie fürie Ortsverbände zur Verfügung gestellt.
Noch ein Wort zu dem Antrag, der zur namentlichenbstimmung gestellt wird, zum Thema Integration. Wir
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006 3665
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Dr. Michael Luthersind uns alle einig, dass Integration ein wichtiges Themaist. Die jüngsten Vorgänge, wie zum Beispiel die an derBerliner Rütli-Schule, haben uns gezeigt, dass Spracheund Sprachförderung von entscheidender Bedeutungsind, wenn Integration gelingen soll.
Nun wird kritisiert, dass dafür im vorliegenden Haus-halt weniger Mittel als 2005 eingestellt sind.
Fakt ist: Die Mittel für Integration wurden im vergange-nen Jahr nicht in vollem Umfang abgerufen. Über dieUrsachen dafür kann man philosophieren. Es macht aberkeinen Sinn, Geld in den Haushalt einzustellen, das vo-raussichtlich wieder nicht abgerufen wird.
Unser Haushaltsansatz für die Sprachförderung istseriös und bezieht sich auf die Zahlen, die sich in diesemJahr anzeigen.
Außerdem haben wir für alle Eventualitäten einen Haus-haltsvermerk eingebracht, der sicherstellt, dass bei ei-nem eventuellen finanziellen Mehrbedarf das entspre-chende Geld auch zur Verfügung steht.
Damit ist ausreichend Vorsorge getroffen.Wir wollen die Integrationsmaßnahmen verbessern.
Wenn das geschehen ist, folgt dem auch das Geld. Ein-fach nur Geld zu fordern, ohne konkrete Planungen vor-zulegen und die entsprechenden Rahmenbedingungen zuschaffen, ist aus meiner Sicht nichts weiter als billigerPopulismus. Das bringt die Integration nicht voran.
Lieber Kollege, ich nehme an, Sie kommen zum
Schluss.
Ein letzter Satz von mir. – Der Innenausschuss des
Bundestages tagt zu dem Einzelplan heute aus aktuellem
Anlass unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ich bedanke
mich dafür, dass Sie mir trotzdem aufmerksam zugehört
haben.
Schönen Dank.
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Das Wort hat die Kollegin Ulla Jelpke, Fraktion Die
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Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!uf den Repressionsapparat werde ich noch zu sprechenommen. Keine Angst.
Die Integrationspolitik ist eine der größten Aufga-en, vor denen die Bundesrepublik steht. Wenn wir aberie Politik der Bundesregierung in Sachen Integrationnschauen, dann kann man eigentlich nur feststellen,ass sie darauf ausgerichtet ist, keine Angebote zu ma-hen und vor allen Dingen zu schikanieren.So wird re-elmäßig die Bedeutung von guten Deutschkenntnisseneschworen. Doch die meisten Kurse sind so überfüllt,ass auf die individuelle Ausgangssituation der Teilneh-er nicht eingegangen werden kann. Die Kritik, die dieräger der Kurse an der schon bestehenden Unterfinan-ierung üben, Herr Luther, stößt bei der Bundesregie-ung auf taube Ohren. Vollmundig wurde versprochen,eine Kürzungen bei den Mitteln für Sprachkurse vorzu-ehmen. Doch genau diese Kürzungen sind weiter imaushalt vorgesehen.Im Juli will die Bundeskanzlerin einen Integrations-ipfel abhalten. Herr Faruk Sen, der Leiter des Zentrumsür Türkeistudien, hat dazu erklärt, diese Veranstaltungllustriere lediglich die Konzeptionslosigkeit der Integra-ionspolitik der Bundesregierung. Eine fundierte Vorbe-eitung habe es nicht gegeben, Migrationsorganisationeneien weitgehend nicht repräsentiert. Faruk Sen kommtu dem Schluss, der Gipfel habe nur eine Feigenblatt-unktion. Ich muss ihm da leider Recht geben.Integrationspolitik – das können die Minister deranzlerin bestellen – erschöpft sich eben nicht darin,inwanderer unter Strafandrohung in überfüllteeutschkurse zu zwingen. Sprache zu erlernen, ist wich-ig; das betone ich hier. Aber eine gescheiterte Integra-ion können Sie nicht nur auf fehlende Sprachkenntnisseurückführen.
ie nehmen hier eine, gelinde gesagt, unterkomplexe Be-rachtung vor. Migranten sind in vielen Bereichen unse-er Gesellschaft benachteiligt. Der letzte Bericht zurage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschlandat gezeigt: Von den negativen Entwicklungen am Ar-eitsmarkt und in der Sozialpolitik sowie von der zuneh-enden sozialen Selektion im Bildungssystem sindenschen mit Migrationshintergrund besonders betrof-en.
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Ulla JelpkeGute Integrationspolitik ist unserer Auffassung nachin erster Linie eine gute Sozialpolitik. Für diese Bundes-regierung sind freilich beides Fremdworte. Sie be-schränkt sich in beiden Politikbereichen darauf, nochmehr Kürzungen, noch mehr Repressionen und nochmehr Kontrollen einzuführen. In die Zukunft weisendeVorstellungen hat sie leider nicht.Das gilt insbesondere, aber leider nicht nur fürEdmund Stoiber, den Prokonsul aus München. Als Si-gnal für eine ernst gemeinte Integrationspolitik will erjetzt den so genannten Gotteslästerungsparagrafen,§ 166 des Strafgesetzbuches, verschärfen. Auf eine He-rausforderung der modernen Gesellschaft reagiert er mitdem Rückgriff auf einen Zensurparagrafen des Kaiser-reichs. Das zeigt exemplarisch die Ratlosigkeit der Re-gierungsparteien. Das zeigt aber auch, was Sie unterLeitkultur verstehen: Repression statt Freiheit.Dass Migranten von der Bundesregierung im Kampfgegen den Terrorismus als Bedrohung beschrieben wer-den, hat fatale Folgen. In den letzten Wochen häufensich gewalttätige Angriffe auf Menschen, die ihren Pei-nigern nicht weiß und nicht deutsch genug sind. Der Ver-fassungsschutz gibt an, dass die Zahl der rechtsextremis-tischen Gewalttaten um 23,5 Prozent und die derStraftaten insgesamt sogar um 27,5 Prozent gestiegenist. Die Zahlen sind erschreckend. Sie sind eine Heraus-forderung für die Demokratie.Auch hier fehlt der Bundesregierung jedes Konzept.Sie will den Verfassungsschutz umbauen und die Abtei-lung für den so genannten Linksextremismus mit derAbteilung für Rechtsextremismus zusammenlegen.Dazu fällt mir nur ein: Wenn zwei Dumme sich zusam-mentun, sind sie auch nicht schlauer als vorher.
– Sie können sich gerne darüber aufregen. Aber ich kanndie Einseitigkeit, die hier immer wieder zur Schau getra-gen wird, wenn es um den so genannten Extremismusgeht, wirklich nicht anders bezeichnen.Die Unzulänglichkeit des Verfassungsschutzes istschon eine Legende. Er fasst in seinem Bericht lediglichDaten zusammen, die wir im Übrigen bereits durch dasBundeskriminalamt kennen.Der Bundesverfassungsschutz malt ständig das Ge-spenst vom Linksextremismus an die Wand und bezeich-net Friedensgruppen und Überlebende des NS-Regimesals Verfassungsfeinde.Auf der anderen Seite kann man im Verfassungs-schutzbericht 2005 lesen, wie sehr verharmlost wird. DerBericht betont – ich zitiere – „die grundsätzlich vorhan-dene Gewaltaffinität der Szeneangehörigen“. Es seienwiederholt Waffen gefunden worden, auch fände para-militärisches Training statt. Aber Anhaltspunkte für ter-roristische Absichten von Rechtsextremisten lägen nichtvor.Da werden also Waffen und Sprengstoff gefunden. Dawerden Wehrsportübungen durchgeführt. Da hat dieGmRrmMsTnenazdd–DsDmGeWhtumt„wcda
Nehmen Sie meine Kritik trotzdem zur Kenntnis! –er Haushaltsansatz für die Bundeszentrale für politi-che Bildung verharrt allerdings auf niedrigem Niveau.ie Stärkung des demokratischen Bewusstseins erreichtan nicht durch Repression und durch den Abbau vonrundrechten im Kampf gegen die vermeintlichen oderchten Feinde der Demokratie. Das ist genau der falscheeg.Wir brauchen eine detaillierte Analyse der Bedro-ungen der Demokratie und der Grundrechte. Die Frak-ion Die Linke fordert deswegen die Einrichtung einernabhängigen Beobachtungsstelle für Rechtsextremis-us, Rassismus und Antisemitismus, die vom Bundes-ag im Übrigen schon einmal beschlossen wurde.
Frau Jelpke, kommen Sie bitte zum Schluss.
Vor allen Dingen fordern wir, dass Projekte wie die
Opferperspektive“ und die „Mobilen Beratungsteams“
eiterhin, also auch im Jahre 2007, finanziert werden.
Im Übrigen möchte ich auf eines aufmerksam ma-
hen:
Frau Jelpke, Sie müssen zum Ende kommen.
Wenn die Bundesregierung durch ihre Politik endlichafür sorgen würde, dass deutsche Polizisten die Nazisuf der Straße nicht mehr schützen müssten, dann wären
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Ulla Jelpkewir, was die Bekämpfung der Übergriffe und Angriffevon Neonazis angeht, schon viel weiter.
Das Wort hat die Kollegin Bettina Hagedorn, SPD-
Fraktion.
Verehrtes Präsidium! Liebe Kolleginnen! Liebe Kol-legen! Als zuständige Hauptberichterstatterin kann ichheute feststellen: Die Schularbeiten sind gemacht.
Stärker, als es in anderen Etatbereichen der Fall war, ha-ben wir Abgeordnete in den letzten Wochen den Haus-haltsentwurf des Bundesinnenministeriums gestaltet undverändert. Dabei haben wir als Koalitionsfraktion imHaushaltsausschuss sage und schreibe – ich habe nach-gezählt – 180 Anträge gestellt und über sie abgestimmt.Zum Teil haben wir unpopuläre Einsparungen durchge-setzt, dabei Druck erzeugt und ausgehalten. Das war für-wahr oft keine vergnügungssteuerpflichtige Aufgabe.Insbesondere die Tatsache, dass im Regierungsent-wurf dieses Haushalts, der ohne Versorgungslasten ins-gesamt eine Größenordnung von gut 4 Milliarden Eurohat, pauschal eine globale Minderausgabe von 132 Mil-lionen Euro veranschlagt war, von der wir um der Haus-haltswahrheit und -klarheit willen immerhin die Hälfteauflösen und damit gut 66 Millionen Euro einsparenwollten, stellte uns vor schwierige Herausforderungen.Da mehr als die Hälfte des gesamten Etats, nämlichüber 2,1 Milliarden Euro, allein für Personal, nämlichfür circa 54 000 Mitarbeiter, aufgewendet wird, konntenwir die Einsparung in Höhe von 66 Millionen Euro nichterbringen, ohne auch im Personalbereich zu kürzen.Kein Bereich und keine der 18 Verwaltungsbehörden desBundesinnenministeriums blieben davon verschont. Dasist die schlechte Nachricht.Uns ist bewusst, dass die beim Personal vorgenom-menen Einsparungen in Höhe von 20 Millionen Euro,die vom Ministerium dauerhaft erbracht werden sollen,nur durch strukturelle Änderungen zu erreichen sind.Wir Berichterstatter erwarten gespannt die Konzepte, diedas Ministerium dazu entwickeln wird.Aber es gibt auch eine gute Nachricht: Im Schwer-punktbereich der inneren Sicherheit, bei der Bundes-polizei, wird es im mittleren Polizeivollzugsdienst trotz-dem 1 190 neue Planstellen geben. Bereits 2002beschloss die damalige Bundesregierung im Rahmen desAntiterrorpakets die Einstellung und Ausbildung dieserAnwärter für den Polizeivollzugsdienst. Sie sind nun mitihrer Ausbildung fertig und werden 2006 fest in denDienst übernommen. Den Bürgerinnen und Bürgern ge-ben wir damit das klare Signal, dass die Sicherheit imLAPb5gSZtbdiFdsddzrwzshDhDstlBASlezawtmcDdswDEbPnh
Zum Thema Beamte, zu den Personalkosten und denensionen. Wie wir im Koalitionsvertrag vereinbart ha-en, hat der öffentliche Dienst allein in diesem Jahr mit00 Millionen Euro zu den Sparbemühungen beizutra-en; davon betroffen sind 372 000 aktive Beamte undoldaten und 710 000 Pensionäre. Angesichts dieserahlen kann sich jeder ausmalen, dass die Pensionslas-en für den Bundeshaushalt kein Pappenstiel sind. Sieetragen genau 8,5 Milliarden Euro; das ist mehr alsoppelt so viel wie der gesamte Haushalt des Bundes-nnenministeriums. Man muss nicht mit besonders vielantasie ausgestattet sein, um sich vorstellen zu können,ass diese Pensionslasten angesichts der demografi-chen Entwicklung künftig beängstigend steigen wer-en.Bisher waren die Pensionslasten im Einzelplan 33, füren ich auch zuständig bin, zentral veranschlagt. Dieseentrale Veranschlagung hat natürlich in allen Ministe-ien weder bei der Personaleinstellung noch bei der Be-illigung von Frühpensionierungen oder Altersteilzeitu einem Problembewusstsein beigetragen, welche Kon-equenzen solche pensionsrelevanten Entscheidungenaben.
eshalb bin ich besonders stolz, dass wir es im Haus-altsausschuss in diesem Frühjahr – nach jahrelangeriskussion und gegen erheblichen Widerstand aller Res-orts – endlich geschafft haben, den Einzelplan 33 prak-isch aufzulösen und zu veranlassen, dass die Pensions-asten künftig dezentral, in den Haushalten der einzelnenundesministerien, veranschlagt werden müssen.
llein für das Ministerium des Innern bedeutet dieserchritt zu veranschlagende Mehrkosten von gut 298 Mil-ionen Euro. Zusätzlich richten wir einen Pensionsfondsin, in den künftig durch die Ministerien Einzahlungenu leisten sind, damit die Versorgungslasten nicht längerllein auf die Schultern künftiger Generationen geladenerden. Das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Rich-ung.18 Verwaltungsbehörden gehören zum Bundesinnen-inisterium; die meisten von ihnen spielen in der Si-herheitsarchitektur unseres Landes eine zentrale Rolle.azu gehört natürlich insbesondere die Bundespolizei,ie mit über 2 Milliarden Euro allein die Hälfte des Ge-amtetats ausmacht. Rund 87 Prozent des Gesamtetatserden für diese 18 Verwaltungsbehörden verausgabt.eswegen konnte bei unserer Kürzung um 66 Millionenuro keine dieser Behörden ein Tabu sein. Dennoch ha-en wir Parlamentarier den finanziellen Bedarf wichtigerolitikbereiche anders eingeschätzt als das Bundesin-enministerium und deshalb in den überaus harten Haus-altsverhandlungen an den politisch entscheidenden
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Bettina HagedornStellen gegenüber dem Regierungsentwurf kleine, aberwirkungsvolle Korrekturen vorgenommen.Im Ergebnis setzen wir mit diesem Haushalt einerseitsklar auf Haushaltskonsolidierung durch strukturelle Ein-sparungen. Andererseits ist er ein Bekenntnis zu wichti-gen gesellschaftlichen Schwerpunkten.Mein Kollege Michael Luther hat das Beispiel„THW und Katastrophenschutz“ schon angesprochen.Auch dieser Bereich konnte von Einsparungen nicht völ-lig ausgenommen werden. Aber es gibt eindeutig einenGewinner im Bereich des Katastrophenschutzes. Das istdas Ehrenamt, das sind die Helferinnen und Helfer, dassind die Ortsverbände, wo die erfolgreiche und wichtigeJugendarbeit geschieht. Das THW schreibt gerade in derJugendarbeit bereits seit Jahren eine Erfolgsstory: DieAnzahl der freiwilligen jugendlichen THWler ist seit2002 von über 12 300 auf jetzt über 15 000 angestiegen;das ist ein Plus von 22 Prozent. Das verdient einerseitsunseren Beifall und andererseits unsere massive finan-zielle Unterstützung.
Die verbesserte Grundlage haben wir jetzt geschaffen,indem die zuständigen Ortsverbände und die Helferver-einigung des THW insgesamt 3,6 Millionen Euro mehrals im Regierungsentwurf vorgesehen erhalten. Zusätz-lich haben wir die Mittel für die Aus- und Fortbildungum 1,5 Millionen Euro erhöht. Den Ortsverbänden desTHW stehen damit 23,5 Millionen Euro zur Verfügung.Das ist ein Aufwuchs um satte 14,5 Prozent. Das istwahrlich eine gute Nachricht.
Anlässlich der Fußballweltmeisterschaft werden dieEhrenamtlichen des THW zahlreiche zusätzliche Ein-sätze in erheblichem Umfang absolvieren und damit zurSicherheit der Sportereignisse beitragen. In den letztenJahren hat sich die Zahl der Einsätze des THW vor allemin Katastrophengebieten im Ausland massiv erhöht. Wa-ren es 2004 noch 42 Einsätze, so kam das THW 2005schon 71-mal zu Hilfe. Bei dieser Arbeit hat sich dasTHW weltweit einen ausgezeichneten Ruf erworben.THWler sind vorbildliche Botschafter Deutschlands.
Auch die Zahl der Einsätze der Bereitschaftspoli-zeien der Länder steigt bundesweit an. Auch sie habenim Moment mit Urlaubssperren und explodierendenÜberstundenkonten zu kämpfen. Die Mittel für die Fahr-zeugbeschaffung im Regierungsentwurf wurden gegen-über den Vorjahren dennoch gekürzt. Ich bin froh, dasses im Haushaltsausschuss auch in diesem Bereich ge-lang, eine Erhöhung von 1,5 Millionen Euro durchzuset-zen, um dringend notwendige Modernisierungen imFahrzeugpark vorzunehmen; denn klar ist: Wir wollendie Polizisten in ihrer oft schwierigen Arbeit durch ver-stärkte Investitionen in ihre Ausstattung unterstützen.Bei der Programmarbeit der Bundeszentrale für po-litische Bildung sollten laut Regierungsentwurf 5 Mil-lwnjgdSgkIakwcg15tNrüalgWsEwhVIvhzikfmDbdwADTDIB
Ich muss allerdings zugeben, dass mich eine schlechteachricht bedrückt: Die Mittel für den wichtigen Be-eich der Sprachkurse für Zuwanderer werden gegen-ber dem Soll von 2005 faktisch um 67 Millionen Euro,lso um ein Drittel des Gesamtetats, auf 140 Mil-ionen Euro gekürzt. Mein Kollege Luther ist darauf ein-egangen: Das Innenministerium hat auf unserenunsch hin mehrfach Berichte vorgelegt, aus denen des-en Prognose hervorgeht, dass das Geld angesichts derrfahrungen aus dem Vorjahr im Jahre 2006 reichenird. Der Innenausschuss ist dieser Kalkulation mehr-eitlich gefolgt.Ich persönlich fürchte aber, dass wir aufgrund der imorjahr verspätet angelaufenen Sprachkurse kurz nachn-Kraft-Treten des Zuwanderungsgesetzes, aufgrunderzögerter Abrechnungen der Träger bis in dieses Jahrinein und aufgrund der viel zu langen Fristen von bis zuwei Jahren für das Einlösen der Berechtigungsscheinen Wahrheit eine Bugwelle an nicht absolvierten Sprach-ursen für Zuwanderer aus 2005 vor uns herschieben,ür die dringend zusätzliche Mittel zur Verfügung stehenüssen.
as Innenministerium versicherte uns, dass Mehrausga-en durch einen vorsorglichen Haushaltsvermerk ge-eckt würden und dass in diesem Jahr kein integrations-illiger Zuwanderer und kein Träger Abstriche beimngebot von Sprachkursen machen muss.
arauf, Herr Minister, werde ich pochen.Der geplante Integrationsgipfel wäre ein zahnloseriger, wenn die Mittel für eine verbesserte Integration ineutschland nicht kassenwirksam zur Verfügung stehen.m Zuwanderungsgesetz vorgesehene Spezialkurse zumeispiel für Frauen mit Betreuungsangeboten für ihre
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Bettina HagedornKinder, für Jugendliche und für Analphabeten wurdenbisher bundesweit noch viel zu wenig angeboten.Ich freue mich, dass eine kleine Gruppe in meinerHeimat, im deutsch-dänischen Grenzland in Schleswig-Holstein, bereits in diesem Jahr von einer wichtigenKurskorrektur profitiert. Dabei handelt es sich um denBund der Nordschleswiger. Immerhin konnten wir dievorgesehene Kürzung in Höhe von 100 000 Euro zu-rücknehmen, Herr Bergner. Wie Sie wissen, hat das imNorden zu großer Zufriedenheit geführt.Auch in einem anderen Bereich hat eine vergleichs-weise kleine Summe große Wirkung erzielt. DemAbraham-Geiger-Kolleg stehen als jüdischer Bildungs-einrichtung mit Sitz an der Universität Potsdam 200673 000 Euro mehr zur Verfügung. Das ist ein Signal inAnerkennung der Leistungen der ersten Rabbinerausbil-dungsstätte in Deutschland.
Zum Schluss möchte ich noch auf das 6-Milliarden-Euro-Programm für mehr Forschung und Entwick-lung und das im Koalitionsvertrag festgelegte Ziel ein-gehen, diese Ausgaben bis 2009 auf 3 Prozent des Brut-toinlandsproduktes zu steigern. Das ist für mich einesder Kernziele dieser großen Koalition. Ich gehöre zudenjenigen, die schon in der Vergangenheit mit ganzerSeele für die Aufstockung der Mittel für Bildung undForschung gekämpft haben. Ich hätte mir schon in derletzten Wahlperiode gewünscht, dass der Bundesrat dieAbschaffung der Eigenheimzulage zugunsten des Bil-dungs- und Forschungsbereiches nicht, wie geschehen,blockiert hätte; denn dann wären wir in Deutschland indiesem Bereich vielleicht schon weiter. Aber den Blicknicht zurück, sondern nach vorne zu richten, soll auchmeine Parole sein.Ich freue mich, dass das Bundesinnenministerium andem 6-Milliarden-Euro-Programm der Bundesregierungteilhaben wird. Allein 2006 sind 20 Millionen Euro zu-sätzlich für fünf Projektbereiche vorgesehen. Bis 2009sollen insgesamt 80 Millionen Euro Bundesmittel bereit-gestellt werden.Dennoch muss ich gestehen, dass die Haushälter dieseMittel vorerst komplett gesperrt haben. Ich will gernekurz den Grund dafür erläutern. Ich erinnere an dieWorte der Bundeskanzlerin bei der ersten Beratung desHaushaltes im März. Sie sagte damals, dass die Frage– ich zitiere –, „an welcher Stelle wir diesen Betrag inHöhe von 6 Milliarden Euro ausgeben müssen, damit amEnde der Legislaturperiode Deutschland insgesamt3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Forschung undEntwicklung ausgibt“, noch genau geklärt werdenmüsse. Diese Sache sei „noch nicht in trockenenTüchern, weil auf jeden Euro der öffentlichen Hand2 Euro privater Investitionen der Wirtschaft folgen müs-sen“. Ich gebe der Kanzlerin ausdrücklich Recht. Weil esnoch keine Gesamtstrategie gibt und weil es vor allemnoch keine Zusagen der Bundesländer und der Wirt-schaft gibt, ihren jeweiligen Anteil zur Steigerung derF-und-E-Mittel beizutragen, bleiben diese Mittel vorerstgEsn84wakdDUAhnmndbnsEpSKKzOdgCsSuDw
Das Wort hat der Kollege Wolfgang Wieland, Bünd-
is 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächstöchte auch ich mich als Fachpolitiker bei den Kollegin-en und Kollegen aus dem Haushaltsausschuss, insbeson-ere bei den Berichterstatterinnen und Berichterstattern,edanken. Ich füge aber hinzu, dass die Schlussdebatteach meinem Verständnis eher eine Stunde der politi-chen Auseinandersetzung als der Buchhalter sein sollte.s sollte eher eine Stunde der Generalabrechnung mit derolitischen Linie der Regierung sein. Hier fängt unserechwierigkeit an. Wo ist eigentlich die Linie der großenoalition im Bereich des Innern? Was man sieht, lieberollege Wiefelspütz, ist eine Art Waffenstillstandsliniewischen SPD und CDU/CSU, die sich ständig ändert.der um es in der Sprache des Fußballs auszudrücken,amit Sie es verstehen: Zu sehen ist eine Mannschaft, dieegeneinander spielt, in der der eine Teil stürmt – dieDU/CSU stürmt immer gegen Bürgerrechte und rechts-taatliche Fundamente an –, während ein großer Teil derPD verteidigt und einige an der Außenlinie irrlichternnd nicht wissen, ob sie stürmen oder verteidigen sollen.as ist ziemlich amüsant anzusehen, aber Weltmeisterird eine solche Mannschaft nicht.
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Wolfgang Wieland
Eigentlich müsste der Trainer, der Bundesminister desInnern, sagen, welchen Kurs die Regierung steuern will.Er hat ja eine unnachahmliche Art. Er kommt ohne Ma-nuskript oder legt es beiseite, schüttelt dann Grundsätzli-ches aus dem Ärmel und sagt im Plauderton, wie erdenkt, dass sich die Innenpolitik entwickeln sollte. Sohat er es auch im Innenausschuss gemacht, als er seinVierjahresprogramm vorlegen sollte und zu der Eva-luation der Sicherheitsgesetze, der Nutzung von Auto-bahnmautanlagen zu Fahndungszwecken, der Heraufset-zung des Nachzugsalters von Ehegatten und dem Einsatzder Bundeswehr im Innern, seinem Steckenpferd, Stel-lung genommen hat. Auf die Frage, ob das alles mit demKoalitionspartner abgesprochen sei, ob das wirklich Re-gierungspolitik wird, antwortete er nicht und schautestattdessen wie ein Auto nach dem Motto „Dann hätteich hier doch gar nichts sagen können“. In der Pädagogikgibt es den unterforderten bzw. den sich unterfordertfühlenden Schüler. Bei diesem Innenminister habe ichständig den Eindruck, dass wir nun den sich unterfordertfühlenden Innenminister erleben, der eigentlich gerne et-was ganz anderes machen möchte, aber tatsächlich nurdasitzt und die Welt beobachtet, genauso wie im Augen-blick.
– Danke für das Kompliment.Lieber Herr Schäuble, Sie wählen die passive Rolle,und zwar auch bei der Föderalismusreform, obwohlSie als Verfassungsminister für die Beziehungen zu denLändern und – last, but not least – für die Angelegenhei-ten der Beamten zuständig sind. Selbst bei dieser alsJahrhundertwerk titulierten Reform haben Sie nur dieRolle eines Zaungastes gespielt. Sie haben lediglich ei-nen Anstandsbesuch am ersten Tag der Anhörungen ge-macht. Sie haben aber nicht in die Debatte eingegriffen.Sie haben nichts dazu gesagt, dass das Versammlungs-recht auf 16 Bundesländer aufgeteilt und so zersplittertwerden soll, genauso wenig wie zu der geplanten BKA-Allzuständigkeit. Das ist sicherlich ganz in Ihrem Sinne.Aber eine aktive Politikgestaltung sieht anders aus. WerSie noch aus Ihrer ersten Amtszeit kennt – ich nenne alsBeispiele nur das Ausländergesetz, an dem Ihr Vorgän-ger, Herr Zimmermann, gescheitert ist, und die Verhand-lungen über den Einigungsvertrag –, der hat einen Ma-cher in Erinnerung, der wirklich herangeht.Was aber passiert heute? Morgen und übermorgenwird Politik gemacht; so lauten die Versprechungen.Man ist fast versucht, zu sagen: Vielleicht ist es gut, dassSie diese Form der Arbeitsverweigerung zurzeit noch anden Tag legen; denn Ihre Langzeitprojekte, die Ver-schmelzung von Militär und Polizei sowie von Polizeiund Geheimdiensten – auf die AuseinandersetzungendsZht–SIgdSBrDdnnidsGVLgzBwwagzmndwAKgübsAfEls
Es ist schön, wenn Sie sich gruseln. Dann hat sie ihreninn erfüllt.
Da sich hier die Redezeit reziprok proportional zu dennhalten verhält, die die Rednerinnen und Redner vortra-en, möchte ich ohne Hader noch ein deutliches Wort zuen Integrationskursen sagen. Das ist wirklich eintück aus dem Tollhaus. Der Kollege Grindel hat eineildungsreise zu einem solchen Kurs gemacht. Als er zu-ückkam, sagte er im Innenausschuss – Reisen bildet –:as muss anders gemacht werden. Hier ist eine Binnen-ifferenzierung notwendig. Eine Analphabetin darf nichteben einer Studentin sitzen. Zudem müssen wir das Ho-orar heraufsetzen und die Zeiten verlängern. – Das allesst richtig. Gleichzeitig war man sich einig, dass nicht nurie Neuzuzügler, sondern auch die so genannten Be-tandsausländerinnen solche Kurse besuchen sollten.leichzeitig sagte uns das Statistische Bundesamt bei derorstellung des Mikrozensus 2005: Wir haben in diesemand 15,3 Millionen Menschen mit Migrationshinter-rund. – Das ist fast ein Fünftel der Bevölkerung. Gleich-eitig sagt der ebenfalls Ihnen zugeordnete Leiter desundesamts für Migration und Flüchtlinge: Das Geldird nicht reichen. – Sie wollen die Kurse verbessern, wirollen das auf Bestandsausländerinnen und -ausländerusdehnen und dann werden die Gelder um ein Drittelekürzt. Das passt nicht zusammen. Deswegen haben wiru unserem Änderungsantrag eine namentliche Abstim-ung gefordert. Ihnen zuliebe, den Kollegen zuliebe, dieicht da sind – die können Fußball gucken –, wollen wirie Abstimmung darüber nicht jetzt. So freundlich sindir.
ber wir erwarten als Gegenleistung, Kolleginnen undollegen der SPD, dass Sie Ihren Worten hier Taten fol-en lassen und zustimmen.Abschließend zum Thema Integration. Weil so gernber Fußball geredet wird, will ich noch sagen: Wir ha-en in den letzten Tagen gerade in Berlin erfreut festge-tellt – als Innenpolitiker soll man den Tag nie vor dembend loben; das weiß ich –, dass die WM bisher einröhliches Fest war. Wir hoffen, dass es so bleibt.
rfreulich war auch, dass viele junge Türken hier in Ber-in mit der Deutschlandfahne durch die Straßen gelaufenind und sich entsprechend bemalt haben.
Herr Kollege!
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Das ist mein letzter Satz. – Das ist ein Signal. Sie
wollen dazugehören. Sie wollen mit dabei sein. Das soll-
ten wir ernst nehmen
und in Zukunft sagen: Bei der Integration brauchen wir
einen Quantensprung und keine Mittelkürzung.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Bundesminister des Innern,Dr. Wolfgang Schäuble.Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister des In-nern:Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Ich will zunächst einmal eine Bemerkung zu Ih-nen machen, Herr Kollege Wieland. Natürlich müssenwir über die Sache der Innenpolitik intensiv diskutieren.Aber wer die sorgfältige Wahrnehmung des Budget-rechts des Parlaments als Buchhalterei bezeichnet, verrätein unzureichendes Verständnis von der Notwendigkeit,mit knappen Steuergeldern verantwortungsvoll umzuge-hen.
Ich will mich in der gebotenen Konzentration zu-nächst beim Haushaltsausschuss und bei den Bericht-erstattern herzlich für die intensive Beratung bedanken;Frau Kollegin Hagedorn hat es gerade beschrieben. Wirhaben seit Beginn der Haushaltsberatungen gestern Mor-gen darüber geredet, dass dieser Haushalt ein Stück weitein Haushalt des Übergangs ist. Wir haben im Einzel-plan 06 – gewissermaßen als Erblast – eine relativ hoheglobale Minderausgabe vorgefunden. Die ist nicht jetztentstanden. Die Probleme bei ihrem Abbau und die Kon-sequenzen daraus haben Sie liebenswürdigerweise sehrpräzise beschrieben; ich brauche das gar nicht zu wieder-holen. Ich bin jedenfalls dankbar dafür, dass wir sie ab-bauen; ich unterstütze das ausdrücklich.Insbesondere bei Frau Hagedorn und Herrn Luthersowie den anderen Berichterstattern bedanke ich michdafür, dass wir einen großen Schritt vorangekommensind, sowie auch für die Bereitschaft, zu akzeptieren,dass wir diese globale Minderausgabe nicht in einemSchritt abbauen können, sondern dass wir zwei Schrittebrauchen und dass wir das auf die nächsten Haushalts-jahre bis 2008 verteilen müssen; sonst kommen wirüberhaupt nicht zurande. Ich sage Ihnen zu, das mitNachdruck zu unterstützen und meinen Beitrag dazu zuleisten. Ich bedanke mich so, wie Sie sich bei den Mitar-beitern des Hauses für die Zusammenarbeit bedankt ha-ben. Ich sehe auch gar keine grundsätzlichen Meinungs-unterschiede.irgwDmnGbadzhmimlhsugDml–seckwmHibBradOsrdwrRgE
a müssen Sie sich irgendwie entscheiden. Aber esacht ja Spaß.Meine Aussage, dass es nichts Schöneres gibt, als Ih-en zuzuhören, war natürlich nur eine Aussage für dieegenwart. In dem Moment, in dem Sie gesprochen ha-en, hat es für mich nichts Schöneres gegeben, als Ihnenufmerksam zuzuhören. Aber das Ende der Redezeit istann auch wieder schön. Jetzt ist es schön, dass Sie miruhören.Aber Spaß beiseite. Ich möchte in diesem Zusammen-ang eine Bemerkung zum Thema BOS machen, dasehrfach, angefangen bei Frau Piltz, erwähnt wordenst. Ich finde, dieses Thema zeigt beispielhaft – dasöchte ich, verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit al-em Nachdruck sagen –, dass es in diesem Land, unab-ängig davon, wer welche Mehrheit hat, wahnsinnigchwierig ist, Entscheidungen zustande zu bringen undmzusetzen. Das Thema BOS hat ja eine lange Leidens-eschichte. Bis die nächste Fußballweltmeisterschaft ineutschland stattfindet, sind Sie wahrscheinlich nichtehr Mitglied des Innenausschusses und ich bin vermut-ich nicht mehr Mitglied des Deutschen Bundestages.
Es wird auf jeden Fall eine Zeit lang dauern.Ich füge hinzu: Ich fürchte, dass die Haushaltsvor-orge – bisher steht im Haushalt eine Verpflichtungs-rmächtigung – nicht ganz ausreichen wird. Wir brau-hen sie aber dringend. Ich mache zurzeit Druck, dasseine überzogenen Anforderungen gestellt werden; aberir müssen eine funktionsfähige Regelung haben. Wirüssen übrigens berücksichtigen, dass wir bei jedemandeln im Bereich der inneren Sicherheit – davon binch im Grundsatz sehr überzeugt – auf die Zusammenar-eit mit den prioritär verantwortlichen und zuständigenundesländern angewiesen sind. Das macht die Einfüh-ung des BOS-Digitalfunks noch komplizierter. Es istber gesamtstaatlich richtig. Ich bekenne mich als Bun-esinnenminister und Verfassungsminister zur föderalenrdnung. Deswegen befürworte ich die prioritäre Zu-tändigkeit der Bundesländer, wo sie gegeben ist.Ich habe übrigens auch als Mitglied der Bundesregie-ung großen Respekt vor den Verfassungsorganen Bun-estag und Bundesrat, Herr Kollege Wieland. Deswegeneise ich als Mitglied des Bundestages die Kritik zu-ück. Der Deutsche Bundestag hat die Kommission zureform des Föderalismus vor vier Jahren zu seiner ei-enen Sache gemacht. Da waren doch auch Sie dabei.ntstanden ist eine gemeinsame Kommission von Bun-
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Bundesminister Dr. Wolfgang Schäubledestag und Bundesrat. Da können Sie doch jetzt nicht sa-gen, die Bundesregierung hätte dafür sorgen sollen, dassBundestag und Bundesrat nicht das umsetzen, was sieselber in schwierigsten Verhandlungen als richtig er-arbeitet haben! Entweder – oder! Sie sollten der Bundes-regierung nicht Respekt vor dem Parlament vorwerfen.
– Wir haben uns an den Beratungen intensiv beteiligt.Aber da Sie ja das Gefühl haben, ich sei unterfordert,werde ich Ihnen bei Gelegenheit einmal meinen Tages-ablauf schildern.Eine Bemerkung zur Fußballweltmeisterschaft. Esherrschen große Freude und Erleichterung, dass – jeden-falls bis jetzt – alles so gut läuft; wir befinden uns wirk-lich am oberen Rand jeder denkbaren Erwartung. Wenndie Weltmeisterschaft zu Ende ist, werden wir vielGrund haben, uns bei den Zehntausenden von Polizeibe-amtinnen und -beamten, bei den Helferinnen und Hel-fern der Hilfswerke, des Technischen Hilfswerks – ichbedanke mich übrigens für das hier geäußerte große Lobfür das THW – und bei vielen anderen sehr für den tollenEinsatz zu bedanken. Das gilt auch für die vielen ehren-amtlichen Helfer und die Bevölkerung insgesamt, die eingroßes Maß an Gastfreundschaft und Aufnahmebereit-schaft gezeigt hat. Unsere ausländischen Gäste sind ein-fach begeistert von diesem Land. Am Ende glauben wirselber noch, dass wir gar nicht so schlecht sind.
Trotzdem füge ich in dieser Stunde auch der Erleich-terung darüber, dass bisher alles gut gelaufen ist, hinzu:Hätten wir nicht einen so ungeheuer großen präventivenSicherheitsaufwand betrieben,
würde es vielleicht nicht so gut laufen. Deswegen darfaus den Erfahrungen dieser Fußballweltmeisterschaft umHimmels willen nicht abgeleitet werden, dass wir dieAnforderungen an die innere Sicherheit in Zukunft nichtmehr so ernst zu nehmen brauchen.Ich füge hinzu: Wir werden auch in Zukunft dringendleistungsfähige Nachrichtendienste brauchen, weil wirsonst in der Prävention, in der Gefahrenabwehr verratenund verkauft und nicht in der Lage sind, unserer Verant-wortung gerecht zu werden.
Auch diese Bemerkung mache ich mit großem Ernst undmit aller möglichen Eindringlichkeit.Ich will zu dem Thema Integration in aller Kürze et-was sagen. Was den Integrationsgipfel anbelangt, wartenSie ihn doch erst einmal ab! Lassen Sie ihn erst einmalstattfinden, bevor Sie ihn schlechtreden! Ich jedenfallshöre bei den betroffenen Bevölkerungsgruppen positiveReaktionen und erkenne durchaus die Bereitschaft, damitzumachen. Wir sind entschlossen, das Menschen-mglmlruslgaJsbaMKtmgwelnWD–bmehidVGmsWnmVWDu
Die sind leider so, dass ich den Haushaltsausschussitten müsste, die Mittel für diesen Bereich nicht nurarginal zu erhöhen, sondern zu verdoppeln. Wir habeninmal nachgerechnet, was deren Umsetzung kostet.Von der Opposition habe ich übrigens gestern undeute Kritik dazu gehört – ich habe der Haushaltsdebatten weiten Teilen aufmerksam zugehört –, die Verschul-ung sei zu hoch. Sie können nicht den ganzen Tag dieerschuldung als zu hoch kritisieren, dann ständig mehreld ausgeben wollen und nicht sagen, woher es kom-en soll. Das geht nicht.
Wir müssen bei begrenzten Mitteln die Effizienz ver-tärken. Deswegen muss erst einmal evaluiert werden.enn eine Sache erst ein Jahr in Kraft ist, macht es kei-en Sinn, blind etwas Neues zu sagen. Man muss viel-ehr bereit sein, unvoreingenommen zu prüfen, wo eserbesserungsnotwendigkeiten und -möglichkeiten gibt.enn es welche gibt, dann setzen wir diese auch um.ies aber vorher zu wissen, ist ideologisches Handelnnd keine verantwortliche Politik.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006 3673
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Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
Deswegen meine Bitte: Lassen Sie uns im Ausschussoder wo auch immer über die Fragen dieser Politik inten-siv diskutieren! Heute ist die Stunde der Beratung desEinzelplans – im Rahmen der begrenzten Redezeit, diewir für Haushaltsberatungen festgelegt haben. Ich be-danke mich dafür, dass wir bei insgesamt begrenztenMitteln mit diesem Haushalt das Notwendige für die prio-ritären Aufgaben im Geschäftsbereich des Bundesminis-ters des Innern zur Verfügung gestellt bekommen. Ichbedanke mich für die gute Zusammenarbeit und bitteSie, dem Einzelplan 06 zuzustimmen.
Das Wort hat der Kollege Gerold Reichenbach, SPD-
Fraktion.
Frau Präsidentin, ich möchte mir außerhalb der Rede-
zeit, solange das Rednerpult hochfährt, eine kurze Infor-
mation erlauben: Das Spiel Argentinien gegen Italien
steht 0 : 0.
– Entschuldigung, Niederlande. Für den Überblick ha-
ben wir ja einen Innenminister.
Die Mitglieder des Sportausschusses sind nicht da;
vielleicht lag daran Ihr Versehen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!Wir Sozialdemokraten haben uns bereits in den letztenbeiden Legislaturperioden als Garant von Sicherheit undFreiheit in diesem Lande begriffen. Dies werden wir inder neuen Konstellation fortsetzen.Der Etat, der heute zur Verabschiedung ansteht, istdavon getragen. Wir haben das Notwendige getan. Wirwerden es auch weiterhin tun, um in unserem Lande einHöchstmaß an Sicherheit gegenüber den neuen Heraus-forderungen zu bieten. Wir werden dabei aber auch da-rauf achten, dass die Freiheitsrechte der Bürger und dieGrundentscheidung unserer Verfassungsväter nicht unterdie Räder kommen. Der Satz: „Freiheit ohne Sicherheitist nichts“ ist richtig; aber er gilt auch umgekehrt.Wir wissen, dass insbesondere die Prävention und dieBekämpfung des Terrorismus und der internationalenKustuDKcADbBtwgszdeamPwbdTVdllmhmTludBeVagdwadi
Wir werden darauf achten – und haben dies auch imoalitionsvertrag festgehalten –, dass die grundgesetzli-he Trennung zwischen polizeilichen und militärischenufgaben gewahrt bleibt.
ie Verschränkung von innerer und äußerer Sicherheitedeutet, dass unsere Polizei – die Bundespolizei, dasKA, aber auch die Landespolizeien – verstärkt interna-ionale Verantwortung wahrnimmt. Schon heute spielenir international eine wichtige Rolle, wenn es darumeht, in Krisenregionen eine verlässliche und rechts-taatliche Polizei aufzubauen. Der Wert dieses Beitragsur Bekämpfung des internationalen Terrorismus under internationalen Kriminalität kann nicht hoch genugingeschätzt werden. Wir Sozialdemokraten werden unsuch in Zukunft der Verantwortung stellen. Lassen Sieich an dieser Stelle den Männern und Frauen bei derolizei, die dafür vor Ort den Kopf hinhalten, danken.
Wir werden unsere Sicherheitsarchitektur dort, woir Mängel erkannt haben, weiterentwickeln. Dabei ha-en Sozialdemokraten Impulse gesetzt. Wir wollen, dassas Bundeskriminalamt auch bei der Bekämpfung deserrorismus die Möglichkeit erhält, selbstständig imorfeld Ermittlungen zu tätigen. Das ist insbesondereann wichtig, wenn es darum geht, Hinweisen von aus-ändischen Stellen vertieft nachzugehen.
Auch an anderer Stelle halten wir eine Weiterentwick-ung unserer Sicherheitsarchitektur für notwendig. Icheine hier den Schutz der Bevölkerung. Grundsätzlichaben wir ein gutes Notfallversorgungssystem. Ich freueich sehr, dass wir mit dem Mittelaufwuchs für dasHW dort, wo der Bund Verantwortung trägt, ausdrück-ich den Einsatz der ehrenamtlichen Helfer würdigennd sie unterstützen. Für den Fall von länderübergreifen-en Katastrophen und Terroranschlägen fehlt es demund aber an Möglichkeiten, korrigierend und steuerndinzugreifen. Die Flutkatastrophe an der Elbe und dasersagen der FEMA in den USA haben uns das deutlichufgezeigt. Wir wollen diese Sicherheitslücke beseiti-en. Wir brauchen eine gesetzliche Grundlage dafür,ass der Bund in solchen Fällen tätig werden kann.Die Fußball-WM hat in der Vorbereitungsphaseichtige Impulse für den Sicherheitsbereich gegeben,uf denen wir aufbauen werden. Ich möchte mich aus-rücklich dem Dank an diejenigen anschließen, die nachntensiver Vorbereitung rund um die Uhr im Einsatz
Metadaten/Kopzeile:
3674 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. Juni 2006
(C)
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Gerold Reichenbachsind, um eine sichere WM zu gewährleisten: den Polizis-tinnen und Polizisten, den Helfern vom THW, von derFeuerwehr und den Rettungsdiensten sowie den anderenehrenamtlichen Helfern. Sie alle leisten tolle Arbeit.Danke!
Wir zeigen in diesen Tagen ein weltoffenes Deutsch-land. Junge Menschen ziehen mit Fahnen durch die Ge-gend, nicht, wie im Vorfeld befürchtet, mit Baseball-schlägern. Das überlassen sie den Spielern der New YorkYankees.
Menschen aus allen Erdteilen werden offen und vorur-Wie Menschen, gerade junge Menschen, reagieren,wenn sie keine Chance erhalten – egal ob es sich umAusländer oder Inländer handelt –, ist bekannt: Perspek-tivlosigkeit ist auch eine Quelle von Gewalt und letztlichvon Terrorismus.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich komme zum Ende.
Wir Sozialdemokraten wollen, dass das sichere und
weltoffene Bild, das unser Land in diesen Tagen der
Weltöffentlichkeit zeigt, auch im Alltag von Dauer ist.
teilsfrei empfangen; ihre Teams werden auch von den
einheimischen Schlachtenbummlern unterstützt. Wir
werden alles dafür tun, dass dies so bleibt, dass Frem-
denfeindlichkeit in unserem Land keine Chance hat.
Deswegen werden wir unsere Anstrengungen bei der Be-
kämpfung von Rechtsradikalismus fortsetzen.
Wir wollen Zukunftsperspektiven für das Zusammen-
leben mit den Menschen, die als Migranten zu uns ge-
kommen sind – auch mit denen, die schon länger mit uns
leben –, aufzeigen. Zum Thema Integrationskurse ist ge-
nügend gesagt worden. Integration bedeutet mehr: Sie
umfasst auch Bildungschancen, Arbeit und Wohnen. Wir
können zu Recht fordern, dass Migranten die Werte un-
seres Grundgesetzes akzeptieren. Wir müssen ihnen aber
im Gegenzug die Chance zur gesellschaftlichen Teilhabe
eröffnen. Um im Bild dieser Tage zu bleiben: Wir dürfen
die Menschen nicht auf den Elfmeterpunkt stellen und
ihnen dann den Ball vorenthalten. Es nutzt nichts, mit
Platzverweis zu drohen, wenn sie nicht auf das Tor
schießen können. Wir müssen ihnen Chancen und
Perspektiven eröffnen.
Das betrifft auch die rund 300 000 Menschen, die von
Kettenduldungen betroffen sind. Auch sie benötigen eine
Perspektive; sonst gibt es keine Integration.
M
I
d
w
s
g
A
n
S
e
o
d
R
Ich schließe die Aussprache.
In Übereinstimmung mit den Parlamentariergruppen,
ie für die Niederlande und Argentinien zuständig sind,
urde zwischen den Fraktionen vereinbart – das ist wahr-
cheinlich auch mit Rücksicht auf die Sicherheitskräfte
eschehen, die das Viertelfinale betreuen werden –, die
bstimmungen zu diesem Tagesordnungspunkt, auch die
amentliche Abstimmung, auf morgen früh zu Beginn der
itzung zu vertagen. Ich gehe davon aus, dass Sie damit
inverstanden sind. – Dann ist das so beschlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf Donnerstag, den 22. Juni 2006, 9 Uhr, ein.
Genießen Sie die gewonnenen Einsichten und den
est des Abends.
Die Sitzung ist geschlossen.