Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 145. Sitzung des Deutschen Bundestages und begrüße die anwesenden Abgeordneten.
Ich bitte um ihre Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der entschuldigten Abgeordneten.
Der Herr Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Hagge, Dr. Schäfer, Revenstorff. Für längere Zeit suchen um Urlaub nach der Abgeordnete Feldmann für vier Wochen wegen dienstlicher Verhinderung und der Abgeordnete Dr. Brill für sechseinhalb Wochen wegen Krankheit. Weiter sind entschuldigt die Abgeordneten Wagner, Gockeln, Ribbeheger, Rische, Frau Strohbach, Görlinger, Dr. Kather.
Meine Damen und Herren! Zur Tagesordnung von heute möchte ich folgendes mitteilen. Wir beginnen, wie gestern vorgesehen, mit der dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes. Danach folgen die erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teiles der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1951 und die erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung des Art. 108 Abs. 1, 2 und 4 des Grundgesetzes. Dann soll die Tagesordnung von heute, Donnerstag, für die 145. Sitzung, wie sie gedruckt vorliegt, erledigt werden, und anschließend sollen die weiterhin nicht erledigten Punkte der Tagesordnung von gestern, nämlich die Punkte 9 und 10 beraten werden. Ich darf das Einverständnis des Hauses mit dieser Regelung unterstellen.
Ich rufe also zunächst den Punkt 2 der für Mittwoch gedruckten Tagesordnung auf:
Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes (Nrn. 1982, 2212, zu 2212 der Drucksachen); Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung (Umdruck Nr. 186).
Ich darf das Einverständnis des Hauses, insbesondere der Herren des Hauses damit voraussetzen, daß die Erörterung über § 1 Ziffer 10 a, d. h. die gemeinsame Veranlagung von Eheleuten, erst dann stattfindet, wenn die Damen des Hauses, die zur Zeit einen Empfang mit Vertretern amerikanischer Frauenverbände haben, hier eingetroffen sind.
Zunächst rufe ich also § 1 auf.
— Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Mellies!
Meine Damen und Herren! Weder der Finanzminister noch der Staatssekretär sind bis jetzt hier im Hause erschienen. Ich halte es für unmöglich, daß wir mit der Generaldebatte der
dritten Lesung beginnen, solange nicht diese beiden Herren anwesend sind oder wenigstens einer von ihnen da ist. Ich bitte deshalb, diesen Punkt zunächst zurückzustellen.
Ich darf annehmen, daß das Haus mit dieser Regelung einverstanden ist.
— Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Schröter!
Meine Damen und Herren! Wir erfahren soeben von dem Vertreter des Herrn Bundesfinanzministers, daß der Minister und ebenso sein Staatssekretär jeden Augenblick kommen werden. Ich schlage unter diesen Umständen vor, daß wir doch in der Tagesordnung fortfahren, wie sie vom Herrn Präsidenten vorgeschlagen ist.
Meine Damen und Herren! Es liegt der Antrag vor, den Punkt der Tagesordnung bis zum Eintreffen des Herrn Ministers oder des Herrn Staatssekretärs zurückzustellen. Dart ich fragen, wer für Zurückstellung ist. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit; die Zurückstellung ist abgelehnt. — Im übrigen betritt der Herr Staatssekretär in diesem Augenblick den Saal.
— Ich stelle fest, daß der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums mit Beifall begrüßt worden ist.
Meine Damen und Herren, ich rufe also die dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes auf und eröffne darüber die allgemeine Aussprache im Rahmen der Ihnen vom Ältestenrat vorgeschlagenen Redezeit von 120 Minuten. — Ich darf annehmen, daß das Haus mit dieser Regelung einverstanden ist.
Wer wünscht im Rahmen der allgemeinen Aussprache das Wort zu nehmen? — Herr Abgeordneter Dr. Koch!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit der Vorlage dieses Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes sind fast drei Monate vergangen. Wir haben dieses Gesetz in erster Lesung am 7. März 1951 besprochen. Die Beratungen im Finanzausschuß hätten wesentlich abgekürzt werden können, und wir hätten uns in zweiter und dritter Lesung wesentlich früher mit diesem Gesetz beschäftigen können, wenn wir nicht immer bei unserem Beratungen durch stets neue Pläne, Vorschläge und Entwürfe auf dem Gebiet des Wirtschafts- und des Finanzrechts gehemmt und unterbrochen worden wären. Meine Damen und Herren, es herrscht ein unedler Wetteifer leider nicht nur bei den zuständigen Ministerien, sondern zwischen allen möglichen unzuständigen Stellen, Kommissionen und Ratgebern der Regierung, uns mit neuen Plänen zu überschütten, weil eine vollkommene Konzeptionslosigkeit auf dem Gebiet des Wirtschafts- und des Finanzrechts herrscht. Das ist leider nicht nur auf wirtschaftspolitischem Gebiet so; das ist auch auf finanzpolitischem Gebiet so.
Wenigstens auf wirtschaftspolitischem Gebiet versucht man, diese Planlosigkeit durch ständig
neue Pläne zu überbrücken. Ich erinnere an das Niederbreisiger Gutachten der Wirtschaftsexperten der Regierungsparteien. Ich erinnere an das Stratus-Gutachten des bundeskanzlereigenen Wirtschaftsministeriums. Ich erinnere auch an das Memorandum der Bundesregierung, das den ominösen Namen trägt: „für stabile Preise und sozialen Lebensstandard".
Wir wissen, daß aus dem Wirtschaftsministerium selbst nur ein einziger Plan hervorgegangen ist: der Plan über die Baby-Bonds, der nicht gerade sehr originell ist, weil er schon im Jahre 1949 in der Verwaltung für Wirtschaft zu den Akten genommen wurde. Das Finanzministerium hat uns im vergangenen Jahre mit dem Vorschlag einer Luxussteuer und einer sehr differenzierten Spesenabgabe die ersten Überraschungen gebracht. In diesem Jahre haben wir uns hier, d. h. das ganze Volk und die Wirtschaft mit den Vorschlägen über eine Süßwarensteuer beschäftigen müssen, die lediglich Beunruhigung in das ganze Volk getragen haben.
Jetzt hat man uns die Pläne für eine Sonderumsatzsteuer vorgelegt, eine Sonderumsatzsteuer, die, wie der Herr Finanzminister immer wieder begründet hat, das Brot der Armen sicherstellen soll. Wie wir jetzt hören, soll auf diese Sonderumsatzsteuer ganz verzichtet werden. Wir sind uns über folgendes klar — jedenfalls sollten wir alle uns darüber klar sein —: daß man ohne ein grundlegendes Wirtschaftsprogramm unter den heutigen Umständen keine Steuer- und keine Finanzpolitik machen kann.
Ich möchte nur auf ein einziges Beispiel für die Hilflosigkeit dieser Bundesregierung hinweisen, nämlich auf die Vorschläge für die Investitionszwangsanleihe, die wir am 7. März bereits im Bundestag gefordert haben. Wir wiesen dabei auf das Beispiel Schwedens hin und sagten: wir brauchen Mittel aus der Wirtschaft für die Wirtschaft, damit wir den Engpaßindustrien — also Kohle, Eisen, Stahl, Energie, Verkehr u. a. — helfen können. Besonders auf dem Gebiete der Kohlewirtschaft ist diese Hilfe dringend notwendig. Wir verlassen uns auch nicht auf die Versprechungen des Bundeswirtschaftsministers, daß wir im kommenden Winter zwar „nicht üppig, aber immerhin ausreichend" Kohlen auch für den Hausbrand haben sollen. Die Finanzpolitik muß hier helfen, und die Investitionsanleihe, so wie wir sie vorgeschlagen haben, wäre eine Aufgabe nicht so sehr für das Wirtschaftsministerium wie für das Finanzministerium gewesen.
Was ist nun in diesen drei Monaten, in denen doch die Notwendigkeit, etwas zu tun, immer dringender geworden ist, geschehen? Trotz unserer Vorschläge, also der Vorschläge der Opposition, trotz der sehr wohl durchdachten Vorschläge des Herrn Abs — ich denke an den sogenannten AbsPlan —, die doch beide die Regierungen aufforderten, eine Initiative auf diesem Gebiet zu ergreifen, trotz der immer dringender werdenden Notstände ist von seiten der Regierung nicht mehr geschehen, als daß die Spitzenverbände der Wirtschaft aufgefordert worden sind, sich nun wegen der Investitionsanleihe zusammenzuraufen. Das ist in unseren Augen, in den Augen der Opposition, eine völlige Bankrotterklärung einer eigenen Wirtschafts- und einer eigenen Finanzpolitik dieser Bundesregierung.
Auf der einen Seite ist man bedenkenlos bereit,
immer wieder neue Belastungen auf den Verbraucher abzuwälzen — ich denke an die Sonderumsatzsteuer, auf die man jetzt anscheinend verzichten will; ich denke an die Erhöhung der Umsatzsteuer —, auf der andern Seite läßt man derartige Anregungen — wie die für die Investitionsanleihe — fallen, verzichtet auf eine eigene Initiative und schaut zu, schaut drei Monate lang zu, wie sich die Spitzenverbände der Wirtschaft so nach und nach zusammenraufen. Ich glaube, bei dem allgemeinen, ich möchte beinahe sagen: schon polizeiwidrigen Ausverkauf des Wirtschaftsministeriums hätte sich auch das Finanzministerium mitbeteiligen sollen, besonders nachdem die Bank deutscher Länder sich schon die besten Dinge weggeschnappt hat.
Vor der Größe dieser Aufgabe, meine Damen und Herren, ist das vorliegende Gesetz — auch in der Fassung, wie wir sie heute beschließen sollen — ein lächerlicher Torso. Ein Teil der Änderungen, die wir beschließen werden, ist längst überfällig und kommt zu spät. Ich denke da an die Beseitigung oder die Einschränkung der sogenannten SiebenerGruppe, also die Einschränkung der steuerlichen Begünstigung der Selbstfinanzierung.
In der Zwischenzeit, nämlich seit dem Tage, an dem wir die Aufhebung dieser Bestimmung gefordert haben — es war im März des vergangenen Jahres —, sind Milliarden fehlinvestiert worden,
sind Milliarden für die Engpaßindustrien verlorengegangen.
Erlauben Sie mir, meine Damen und Herren, daß ich aus dem sogenannten Sonne-Gutachten, das uns allen als eine Drucksache der Bundesregierung zugegangen ist und das über die Eingliederung der Flüchtlinge in die deutsche Gemeinschaft spricht, über die Steuervergünstigungen zur Selbstfinanzierung einen Satz vortrage. Über diese Steuervergünstigungen sagt das Sonne-Gutachten: „Sie bedeuten, daß die tatsächlich bezahlten. höchsten Steuersätze ungefähr 50 vom Hundert betragen. Große Vermögen haben sich gebildet. Die hohen Einkommensgruppen haben relativ weniger zu dem Steueraufkommen beigetragen als ähnliche Gruppen in anderen Demokratien." Das, meine Damen und Herren, ist genau das, was wir im letzten Jahr zur Begründung unserer Anträge, die Siebener-Gruppe schon im Frühjahr 1950 zu streichen, vorgetragen haben.
Die Bundesregierung brüstet sich damit, daß im vergangenen Jahr 20 Milliarden in der deutschen Wirtschaft und in den Jahren seit der Währungsreform 60 Milliarden in der deutschen Wirtschaft investiert worden seien. Gut, — wir freuen uns über dieses Ausmaß an Investierungen, das den Lebenswillen des deutschen Volkes bekundet. Aber es ist eine unerhörte Unterlassungssünde der Bundesregierung, daß sie für eine Lenkung dieser Investierungen auch in die Engpaßindustrien nichts getan hat. Wäre etwas geschehen_ — meinetwegen für die Kohlewirtschaft oder für die Eisen- und Stahlwirtschaft —, dann hätten wir im vergangenen Winter nicht diese Not gehabt, und wir hätten heute nicht die Not, mit der die deutsche Wirtschaft auf dem Gebiete der Belieferung mit Rohstoffen kämpft.
Zu spät, meine Damen und Herren, kommt auch die Beseitigung der §§ 10 a und 32 a über die Begünstigung des nichtentnommenen Gewinnes. Diese Bestimmungen hätten an dem Tage beseitigt werden müssen, an dem die erheblichen Tarifsenkungen durch die Mehrheit dieses Bundestages beschlossen worden sind.
I Zu spät kommt auch die Bestimmung des § 9 a über die Beschränkung der steuerlichen Anerkennung der Geschäftsfreundeausgaben, eine Beschränkung, die wir ebenfalls schon im Frühjahr des letzten Jahres verlangt haben.
Wir überlassen es Ihnen, sich auszurechnen, wie viele Milliarden dem Bund für seine sozialen Aufgaben, für Arbeitsbeschaffungsprogramme, meinetwegen auch zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit, wie viele Milliarden dem Kapitalmarkt zur Pflege der Engpaßindustrien verlorengegangen sind, weil man nicht schon im vergangenen Jahre die Beschlüsse gefaßt hat, die uns nun — zu spät, müssen wir leider sagen — vorgelegt werden.
Die vorgeschlagenen und in der zweiten Lesung verabschiedeten Änderungen betrachten wir nur als ein Flickwerk an diesem Gesetz
gegenüber den großen Aufgaben, die wir zur Änderung dieses Gesetzes vor uns hätten. Darum wiederholen wir — und ich möchte mich auch mit Rücksicht auf Ihre Wünsche kurz fassen — immer wieder die Forderungen, die wir bei den letzten Lesungen dieses Gesetzes und auch bei den anderen Steuervorlagen der Bundesregierung wiederholt vorgetragen haben. Wir dürfen es bei diesem Flickwerk nicht bewenden lassen. Wir brauchen eine grundlegende Steuerreform, oder ich möchte, da das Wort Reform ja nunmehr durch die beiden Frühlingsreformen dieser Bundesregierung geradezu diskreditiert worden ist, lieber sagen: Wir wünschen eine Neuordnung unseres Steuerwesens,
eine Vereinfachung der Erhebung und der Verwaltung der Steuern und einen grundlegenden Tarifumbau. Unser Steuerrecht, vor allen Dingen der Tarif unseres Einkommensteuergesetzes, sollte Rücksicht darauf nehmen, meine Damen und Herren, daß von 22 Millionen Erwerbspersonen in der deutschen Bundesrepublik mehr als 6 Millionen ein Einkommen von unter 100 DM monatlich haben.
Welche Not und welches Elend sich hinter diesen Ziffern verbergen, darüber brauche ich in diesem Hause, glaube ich, kein Wort zu verlieren.
Wir verlangen immer wieder die Neuordnung des Verhältnisses zwischen den direkten und den indirekten Steuern, und darum haben wir zu diesem Gesetz wieder den völligen Tarifumbau verlangt. Ich möchte gerade Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, auf die außerordentlich verdienstvollen Berechnungen und Ausführungen unseres Kollegen Bodensteiner hinweisen, erschienen in der „Welt der Arbeit" vom 8. Mai 1951, von denen ich nur einen einzigen Satz vortragen möchte:
Eine genaue Nachprüfung der Steuereinnahmen ergibt, daß im Jahre 1950 nur 32 % einschließlich der Erbschaftsteuer Steuern vom Einkommen und Besitz waren, während die Steuer vom Verbrauch 63 % ausmacht.
Der Anteil der Steuern vom Einkommen und Vermögen ist im Jahre 1950/51 sogar 7 % geringer als im Jahre zuvor.
Das, meine Damen und Herren, ist eine Steuerpolitik, die dieses Haus auf die Dauer nicht mitmachen dürfte.
Wenn wir auf diese Millionen und aber Millionen von Menschen in Deutschland Rücksicht nehmen, die monatlich weniger als 100 DM zum Leben haben, dann müssen wir das Schwergewicht unserer Steuerpolitik auf die 'direkten Steuern legen und nicht, wie es immer wieder geschieht, auf die indirekten Steuern.
Meine Damen und Herren, wir erwarten vom Bundesfinanzministerium — und das muß im Zusammenhang mit diesem Gesetz gesagt werden — eine viel schärfere Erfassung der direkten Steuern. Es ist ein unerträglicher Zustand, daß die Lohn- und Gehaltsempfänger ihre Steuern auf Heller und Pfennig bezahlen müssen,
während bei den gewerblichen Einkünften in der Regel Hunderte von Ausweichmöglichkeiten bestehen,
so daß, wie das Sonne-Gutachten es uns gesagt hat, bei diesen Einkünften kaum jemals ein Steuersatz von 50 % überschritten wird.
Im vergangenen Jahre, Herr Finanzminister, haben wir die großen Ausfälle aus Ihrer sogenannten Steuerreform gehabt. In diesem Jahre werden wir mit sehr großen Ausfällen auf Grund der Tatsache rechnen müssen, daß die D-Mark-Eröffnungsbilanzen sich auswirken. Es müßte die Aufgabe Ihres Ministeriums sein, jetzt schleunigst die Richtlinien herauszubringen, die für die Aufstellung der D-Mark-Eröffnungsbilanzen notwendig sind. Wir haben uns von unseren Finanzministern aus den Ländern Beispiele erzählen lassen, daß es Unternehmen gibt, die in den D-Mark-Eröffnungsbilanzen Wirtschaftsgüter, meinetwegen Werkzeuge, aktivieren, die sonst nie aktiviert zu werden pflegen. Es gibt dort Betriebe, die Werkzeugkonten auf der Aktivseite der D-Mark-Eröffnungsbilanz eingesetzt haben, die über eine Million betragen. Das sind Wirtschaftsgüter, die sonst in aller Regel schon im Jahre der Anschaffung abgeschrieben zu werden pflegen. Also auf dem Gebiet der Erhebung der Steuern von diesen Steuerpflichtigen könnte wesentlich mehr geschehen, und wir erwarten hier eine ganz andere Initiative des Bundesfinanzministeriums, als sie bisher entfaltet wurde.
Wir verlangen in diesem Zusammenhang auch, wie wir es schon in der ersten Lesung am 7. März als erste hier im Bundestag getan haben, eine Bundesfinanzverwaltung, weil nur sie uns die Gleichheit und Gerechtigkeit der Steuererhebung garantieren kann, ganz abgesehen davon, daß wir wahrscheinlich, schon weil wir Verwaltungsarbeit sparen, Hunderte von Millionen im Jahre durch eine Vereinheitlichung der Finanzverwaltung einsparen können. Wir stehen auch auf dem Standpunkt, daß eine solche Bundesfinanzverwaltung mit einem Bundesbetriebsprüfungsdienst zu verbinden ist, der uns Milliardenbeträge einbringen könnte, wenn die Betriebsprüfungen gleichmäßig und gerecht in allen Teilen des Bundesgebietes durchgeführt werden.
Solange diese Forderungen nicht erfüllt sind, muß jede Reform an diesem Gesetz — das Wort Reform ist vielleicht etwas hochtrabend für die Arbeit, die wir hier leisten — Stückwerk bleiben. In diesem Gesetz lägen die Möglichkeiten für eine soziale Gestaltung unseres Steuerrechts und für eine Gesundung unserer Finanzen. Wir müssen
uns, glaube ich, den Vorwurf machen, daß diese Möglichkeiten nicht wirklich genutzt worden sind. Denn Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, sehen den letzten Ausweg immer in der Erhöhung der indirekten, der unsozialen indirekten Steuern, meinetwegen der Umsatzsteuer oder der Verbrauchsteuern wie für Kaffee, Tee und Tabak, die die Ärmsten der Armen treffen, die gerade auch diese Millionen treffen, die keine direkten Steuern zu bezahlen haben.
— Das Biersteuergesetz ist in disem Zusammenhang, Herr Kollege Wellhausen, wie ich glaube,
nicht so wichtig, da diese sechs Millionen Menschen
mit ihren 100 DM monatlich wahrscheinlich gar
nicht so sehr viel Biersteuer zu zahlen brauchen;
die interessieren sich mehr für die Umsatzsteuer.
Gerade beim Einkommensteuergesetz, meine Damen und Herren, können Sie beweisen, wieweit es Ihnen damit ernst ist, die Worte in der Regierungserklärung, „so sozial wie möglich" handeln zu wollen, wahrzumachen. Schon im letzten Jahre, als wir zu der ersten Steuerreform des Bundesfinanzministers Stellung nahmen — und wir als Opposition können sagen: sie bekämpften —, haben wir auf diese Worte hingewiesen. Ich bitte Sie namens der Opposition, heute keine Anträge zu stellen, durch die etwa Beschlüsse der zweiten Lesung aufgehoben werden könnten,
wenn diese Beschlüsse der Hebung der Steuermoral dienen sollten. Denn nur dann, meine Damen und Herren, wenn wir die Steuermoral heben, werden wir die Steuergerechtigkeit wiederherstellen können, ohne die keine Finanzverwaltung in irgendeinem Lande dieser Erde auskommen kann. Darum bitten wir Sie, die Anträge der letzten Lesung unter keinen Umständen zu verändern.
Wir werden Gelegenheit nehmen, unsere zusätzlichen Anträge zu stellen
und Ihre Stellungnahme dazu abwarten.
Das Wort hat für den Bundesrat der Herr Staatssekretär Dr. Ringelmann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich für den Bundesratsfinanzausschuß einige Ausführungen zu dem Ihnen vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes mache.
Der Bundesrat hat bekanntlich bereits am 16. Februar 1951 zu dem Gesetzentwurf Stellung genommen. Seine Stellungnahme liegt Ihnen als Anlage 2 der Drucksache Nr. 1982 vor. Mit den nunmehr in Drucksache Nr. 2212 enthaltenen Anträgen Ihres Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen hat sich der Bundesratsfinanzausschuß in der letzten Woche befaßt. Er vertritt folgende Anschauung. Wenn der Gesetzentwurf in der im Umdruck Nr. 186, also in der neuesten Zusammenstellung vorliegenden Fassung angenommen wird, wird die Einkommen- und die Körperschaftsteuerveranlagung nicht vereinfacht, sondern zum Teil noch erschwert, so daß der Entwurf wohl nicht mehr als ein Gesetzentwurf zur „Vereinfachung" des Einkommen- und des Körperschaftsteuergesetzes bezeichnet werden kann.
Er vertritt weiter die Anschauung, daß das auch im Interesse der Finanzen des Bundes und der Länder erwartete Mehraufkommen an Einkommen- und an Körperschaftsteuer nicht erreicht werden wird. Ich darf hierzu bemerken, daß dieses Mehraufkommen bereits bei einer Reihe von Verhandlungen in Rechnung gestellt wurde. Der Bund und die Länder stehen insbesondere vor sehr großen Erhöhungen ihrer Besoldungs-, Vergütungs- und Lohnausgaben. Ich komme soeben von den Verhandlungen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, die sich mit der Frage der Neuregelung der Angestelltenbezüge und der Erhöhung der Arbeiterlöhne befaßt. Nach der bisherigen Entwicklung der Verhandlungen kann ich berichten, daß mit ganz erheblichen Mehrbeträgen zu rechnen ist, für die zumindest die Länder — auch die reichen Länder — voraussichtlich keine ausreichende Deckung haben werden.
— Die Verringerung der Zahl der Angestellten würden wir sehr gern vornehmen, wenn sie möglich wäre.
Auch die Aufgaben, die diese Angestellten wahrzunehmen haben, würden wir gerne gleichzeitig verringern. Unser Bestreben geht ja — das darf ich wohl für alle Länder sagen — dahin, die Aufgaben so rasch als möglich abzubauen. Auf der anderen Seite müssen wir aber die Wahrnehmung machen, daß uns fast täglich neue Aufgaben überbürdet werden, zu deren Erfüllung wir einen Apparat brauchen, für den das derzeit vorhandene Personal unter Umständen nicht einmal ausreicht. Ich denke nur daran, welche Personalvermehrungen für die Intensivierung der Steuerveranlagung, der Steuerprüfung und der Steuerfahndung notwendig sind. Wenn man alle diese Ausgaben berücksichtigt, so besteht kein Zweifel, daß die Finanzdecke für die Länder nicht zureicht.
Ich darf nun nach diesem Exkurs auf die Ihnen im Umdruck Nr. 186 vorliegende Zusammenstellung zurückkommen. Hierzu darf ich folgendes bemerken.
Trotz Ablehnung durch den Bundesrat ist § 1 Nr. 3 des Entwurfs, der eine Neufassung des § 7 a des Einkommensteuergesetzes bringt, nicht nur beibehalten, sondern durch Einfügung eines Abs. 3 in § 7 a noch erweitert worden. Der Bundesrat hat von der völligen Streichung des § 7 a mit seinen Bestimmungen über die Bewertungsfreiheit für Ersatzbeschaffung beweglicher Wirtschaftsgüter eine wirksame Vereinfachung der Veranlagung und auch eine ganz erhebliche Verbesserung des Steueraufkommens erwartet. Er erachtet auch ein Bedürfnis für die von der Bundesregierung vorgesehene teilweise Aufrechterhaltung der Bewertungsfreiheit für die politisch und rassisch Verfolgten sowie für die Heimatvertriebenen als nicht gegeben. Aber selbst wenn man sich mit § 7 a Abs. 1 und 2 in der Fassung der Regierungsvorlage abfinden könnte, so kann man doch nicht verschweigen, daß der vom Bundestag eingefügte Abs. 3 auch in der Fassung, die er durch die Umdrucke Nr. 179 Ziffer 1 und Nr.
178 erhalten soll, vom Standpunkt der Vereinfachung der Gesetzgebung und Verwaltung als außerordentlich bedenklich erscheint. Zunächst muß betont werden, daß dieser Abs. 3 einen Ausgleich für Schäden vorsieht, deren Regelung ausschließlich dem Lastenausgleich vorbehalten bleiben sollte. Die Einfügung dieses Ausgleichs in die Bestimmungen der Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzgebung über die Bewertungsfreiheit für bewegliche Wirtschaftsgüter zugunsten der Kriegs- und der Demontagegeschädigten würde die Lastenausgleichsgesetzgebung weiterhin komplizieren. Der Abs. 3 brächte aber auch gegenüber dem früheren Zustand eine weitere Komplizierung der Steuerveranlagung.
Der § 7a mit seinen Absätzen 1, 2 und 3 würde endlich den durch § 7 a — bisherige Fassung — bedingten Steuerausfall so wenig herabmindern, daß es wohl überhaupt keinen Zweck hätte, den neuen Paragraphen durch komplizierte Vorschriften zu ersetzen. Der Bundesrat glaubt nicht, daß es zweckmäßig ist, diesen § 7a — neue Fassung — überhaupt in das Gesetz aufzunehmen. Er hält es aber für ganz bedenklich, nunmehr auch diesen Abs. 3 bezüglich der Fliegerschäden und der Demontagegeschädigten aufzunehmen; denn praktisch ist das, wie gesagt, nichts anderes als eine teilweise Vorwegnahme des Lastenausgleichs, die sich bei der Lastenausgleichsgesetzgebung zweifellos durch eine Erschwerung der Verhandlungen rächen wird.
Auch gegen die vom Bundestag eingefügte Bestimmung des § 7 c Buchstabe e, d. h. gegen die zusätzliche Vergünstigung für solche freie Wohnungsunternehmungen, die wirtschaftlich vom Steuerpflichtigen unabhängig sind und sich hinsichtlich der Verwendung der empfangenen Zuschüsse und Darlehen der Prüfung durch einen wohnwirtschaftlichen Verband unterwerfen, hat der Bundesratsfinanzausschuß Stellung genommen. Nach dem noch in Kraft befindlichen § 7 c Buchstabe e des Einkommensteuergesetzes ist die Hingabe von Zuschüssen oder von verzinslichen Darlehen zur Förderung des Wohnungsbaues auch dann begünstigt, wenn der Zuschuß- oder das Darlehen an andere als gemeinnützige Unternehmen einschließlich der privaten Bauherren gegeben Wird. Der Regierungsentwurf wollte diese Vergünstigung dadurch einschränken, daß er die Abzugsfähigkeit nur noch dann zuläßt, wenn die geförderten Wohnungen für den Steuerpflichtigen selbst, seine Arbeitnehmer oder für seine Angehörigen bestimmt sind. Auf diese Weise sollten die bisher beobachteten zahlreichen Mißbräuche beseitigt werden. Der 11. Ausschuß des Bundestags hat aber nunmehr eine zusätzliche Vergünstigung für die soeben genannten freien Wohnungsunternehmungen vorgesehen. Wenn in der zweiten Lesung nach Umdruck Nr.
179 Ziffer 2 noch nähere Bestimmungen einer Rechtsverordnung vorbehalten wurden, durch die die zu befürchtenden Mißbräuche in gewissem Umfang eingeschränkt werden könnten, so kann doch von der vom Bundesrat vertretenen Anschauung nicht abgewichen werden, daß kein Bedürfnis anerkannt werden kann, privaten Bauunternehmungen, die nach ihrer Stellung im Wirtschaftlichen Leben als reine Erwerbsunternehmungen anzusprechen sind und ihre Tätigkeit nicht auf soziale Zwecke, sondern auf Gewinnerzielung" abstellen, steuerliche Vergünstigungen zu gewähren. Die von den freien Wohnungsunternehmungen handelnde Bestimmung, die dem §7 c als Buchstabe e eingefügt werden soll, bitte ich namens des Bundesrats daher zu streichen.
Nach dem neu eingefügten § 10b sind für Ausgaben zur Förderung der mildtätigen, kirchlichen, religiösen und wissenschaftlichen Zwecke und der als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke bis zu 5% der Einkünfte abzugsfähig. Nach dem Beschluß des Bundestages in Umdruck Nr. 167 Ziffer 1 erhöht sich der zulässige Abzug von Spenden für wissenschaftliche Zwecke um weitere 5 % der Einkünfte. Dieser Beschluß hätte zur Folge, daß auf dem Gebiet der Sonderausgaben entgegen dem ursprünglichen Entwurf . der Bundesregierung überhaupt keine Erhöhung des Steueraufkommens mehr zu erwarten wäre, sondern daß sogar mit einer Verminderung des Steueraufkommens gerechnet werden müßte. Die erwartete Beschneidung der Abzugsfähigkeit für Sonderausgaben ist nicht eingetreten. Infolge Wegfalls einiger Höchstbeträge ist die Abzugsfähigkeit vielmehr sogar erweitert worden. Selbst die mit der Herausnahme der Spenden aus den für die anderen Sonderausgaben maßgebenden Höchstbeträgen und mit der einheitlichen Behandlung aller Spenden beabsichtigte Vereinfachung der Veranlagung wird durch die Sonderbehandlung der Spenden für wissenschaftliche Zwecke wieder hinfällig. Auf diese Weise würden die §§ 10 und 10 b ein Musterbeispiel dafür sein, wie die von den Finanzverwaltungen angestrebten Beschränkungen der Sonderausgabenabzüge und die Verwaltungsvereinfachung, die man anstrebt, sich gegenteilig auswirken.
Was nun den § 26 Abs. 3 über die Haushaltsbesteuerung anlangt, so muß ich darauf verweisen, daß nach dieser Bestimmung die Ehegatten zusammenveranlagt werden, solange beide unbeschränkt steuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben. Bei der Zusammenveranlagung werden die Einkünfte der Ehegatten zusammengerechnet. Entgegen dieser gesetzlichen Regelung hat nun § 43 der Einkommensteuerdurchführungsverordnung bestimmt, daß Einkünfte nichtselbständiger Art der Ehefrau in einem dem Ehemann fremden Betrieb bei der Zusammenveranlagung ausscheiden. Diese Bestimmung der Durchführungsverordnung ist in einer Zeit entstanden, in der der Staat ein Interesse daran hatte, daß möglichst viele Ehefrauen in den Produktionsprozeß eingeschaltet wurden. Die Finanzverwaltungen der Länder und auch das Bundesfinanzministerium schlugen vor, den § 43 wegen des Widerspruchs zu § 26 des Gesetzes und auch wegen des damit verbundenen Steuerausfalls so bald wie möglich zu beseitigen. Der 11. Ausschuß des Bundestags schlug demgegenüber vor, die bisher nur in der Durchführungsverordnung enthaltene Bestimmung nunmehr auch gesetzlich zu verankern. Dies soll durch Einfügung eines Abs. 3 in den § 26 des Gesetzes geschehen. Der Finanzausschuß des Bundesrates hat beschlossen, diesen Abs. 3 aus den vorerwähnten Gründen aus dem Entwurf wieder zu streichen. Es wurde darauf hingewiesen, daß ein Bedürfnis nach einer derartigen Regelung, die nur als Kriegsmaßnahme gerechtfertigt war, nicht mehr besteht. Außerdem wurde ausgeführt, daß die Vorschrift ein Privileg für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit darstelle, während Einkünfte aus freier Berufstätigkeit zusammengerechnet werden müßten. Endlich wurde darauf hingewiesen, daß der Steuerausfall bei der Annahme des Abs. 3 im Rechnungsjahr 1951 40 Millionen, im Rechnungsjahr 1952 rund 100 Millionen DM betragen würde.
Was schließlich noch den § 32b des Einkommensteuergesetzes anlangt, der die Anwendung des
0 Körperschaftsteuergesetzes auf Einkommensteuerpflichtige vorsieht, so ist hervorzuheben, daß nach übereinstimmender Auffassung des Finanzausschusses und der von ihm gehörten Steuersachverständigen die Durchführung des vom 11. Ausschuß vorgeschlagenen § 32 b sowohl für die Finanzverwaltung als auch für den Steuerpflichtigen mit großen Schwierigkeiten verbunden sein würde. Ob sich bei der Bindung auf drei Jahre und bei der vorgesehenen Nachversteuerung der nichtentnommenen Gewinne für den Steuerpflichtigen tatsächlich ein Anreiz ergibt, von diesen schwer zu handhabenden Vorschriften Gebrauch zu machen, erscheint dem Bundesratsfinanzausschuß fraglich. Auch die Festsetzung einer angemessenen Vergütung für die Tätigkeit im Unternehmen würde zweifellos zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Es tritt hier sofort die Frage auf, wer entscheiden soll, und die weitere Frage, nach welchen Grundsätzen diese Streitigkeiten im Rechtsmittelverfahren weiterbehandelt werden sollen.
Ein besonderes Bedenken besteht noch darin — auch das ist im Interesse der Steuervereinfachung beachtlich —, daß für die Zwecke der Gewerbesteuer in diesen Fällen eine besondere Veranlagung erfolgen müßte. Anderseits muß noch berücksichtigt werden, daß bei der kurzen Lebenszeit der heutigen Steuergesetzgebung nicht damit zu rechnen ist, daß derartige Vorschriften wirklich drei Jahre bestehen bleiben. Dann werden sich aber aus der Abwicklung der einzelnen Fälle weitere Komplikationen ergeben. Die Durchführung des bisherigen § 32 a des Einkommensteuergesetzes hat beispielsweise einen Fragebogen von vier Seiten erforderlich gemacht. Der neue § 32b würde bestimmt nicht weniger verwickelt sein.
Es wurde ferner darauf hingewiesen, daß gegen den vorgeschlagenen § 32 b auch sozialpolitische Gründe sprechen, weil dadurch nur Steuerpflichtige mit einem Einkommen von mehr als 300 000 DM begünstigt würden. Der Finanzausschuß des Bundesrates ist deshalb einstimmig der Auffassung, daß § 32 b des Entwurfs schon im Interesse der Finanzverwaltung zu streichen sei und daß gleichzeitig der Beschluß des Bundesrates auf Streichung des § 32 a aufrechterhalten bleiben solle. Hierbei wurde im Bundesrat auch zum Ausdruck gebracht, daß, wenn dieser § 32 b bestehen bleiben sollte, wohl damit zu rechnen ist, daß der Bundesrat Einspruch einlegen und damit sich nun leider wieder eine Verzögerung in der weiteren Behandlung des Gesetzentwurfes ergeben würde. Die Länder haben aber alles Interesse daran, daß dieses Änderungsgesetz zum Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz möglichst bald verabschiedet wird. Man darf sagen: jeder Tag bringt Steuerausfälle,
bzw. die Erhöhung des Steueraufkommens zieht sich hinaus.
Es liegt dem Bundesrat fern, in dieser Angelegenheit irgendwelche Schwierigkeiten zu machen, aber sein Grundgedanke ist — das wurde im Bundesratsfinanzausschuß von allen Seiten betont —: wir müssen einmal nach einer Vereinfachung unserer Steuergesetzgebung streben; die Behörden sind sonst nicht in der Lage, mit der gebotenen Schnelligkeit die Steuergesetze zu vollziehen. Wir müssen aber unter dem Druck der Finanznot in Bund und Ländern zum anderen auch darnach streben, daß das Aufkommen aus diesen wichtigen Steuern so groß wie möglich wird. Unter dem Druck dieser
Not müssen wir alles beiseite stellen, was nicht geeignet ist, die Mehrung des Steueraufkommens, die die Bundesregierung in dankenswerter Zusammenarbeit mit dem Bundesrat anstrebt, auch tatsächlich zu gewährleisten.
Das Wort hat der Abgeordnete Müller.
Meine Damen und Herren! Bei der Einbringung der jetzt zur Beratung stehenden Vorlage stellte sich Herr Finanzminister Schäffer drei Aufgaben, die insbesondere in dem Memorandum der Bundesregierung zu der Änderung des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes zum Ausdruck gekommen sind. Diese drei Aufgaben möchte ich dahingehend charakterisieren: erstens alles zu unternehmen, auch im Zusammenhang mit diesem Gesetz, um eine weitere Belastung der Massen durchzuführen; zweitens die im vergangenen Jahre durch die Änderung des Einkommensteuergesetzes den Besitzenden und den Reichen bereits gemachten Steuergeschenke in Höhe von etwa 800 Millionen DM zu erhalten und drittens die 'Grundlage dafür zu schaffen, wie es in dem Memorandum heißt, daß weitere -Mittel für die Investierung in den Grundindustrien bereitgestellt werden sollten. Ich glaube, man wird feststellen müssen, daß dieser Plan des Herrn Schäffer zweifellos gelungen ist.
Wenn ich zu dem ersten Punkt zum Ausdruck bringe, daß eine ganz vorsichtige, überschlägige Berechnung der durch dieses Gesetz herbeigeführten neuen Massenbelastungen die Grenze von annähernd 250 Millionen DM erreicht hat, dann ist das nur ein Beweis für die von mir aufgestellte Behauptung und getroffene Feststellung. Auf die einzelnen Punkte werde ich noch zurückkommen.
Zweitens steht einwandfrei fest — das wurde in dem Memorandum der Regierung zum Ausdruck gebracht —, daß die Regierung in dem vorliegenden Gesetz alles unterläßt, was geeignet wäre, die annähernd 300 neuen Millionäre im Gebiet der Bundesrepublik steuerlich zu erfassen bzw. steuerlich noch schärfer heranzuziehen.
Ich komme nun zu der dritten Frage. Ich glaube, daß eine Zusammenstellung nach den Gesichtspunkten, die der Herr Finanzminister selber in dem Memorandum niedergelegt hat, ergibt, daß rund 550 Millionen DM auf dem Wege über diese Steuergesetzgebung für die Investierung in den Grundstoffindustrien neu bereitgestellt werden sollen. Ohne auf diesen Fragenkomplex im einzelnen näher einzugehen, möchte ich nur eine Feststellung treffen. Die immer wieder aufgestellte Behauptung, daß es sich hier um Engpässe handle, trifft nicht zu. Wir widersprechen ihr mit aller Entschiedenheit. Es ist Tatsache, daß sowohl im Kohlen- wie auch im Eisenbergbau und in der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie alle Voraussetzungen gegeben sind, um den Bedarf der deutschen Wirtschaft und der deutschen Bevölkerung durch die eigene Kohle- und Stahlerzeugung absolut zu decken. Wenn sogenannte Engpässe eingetreten sind, dann sind sie lediglich durch die Unterstützung und Förderung der Kriegs- und Rüstungsindustrie in den anderen Ländern und auch bei uns selbst entstanden.
Um auf die Frage zurückzukommen, inwieweit und in welchem Umfange dieses Gesetz eine weitere Belastung der Massen mit sich bringt, möchte ich auf einzelne Punkte eingehen. Zunächst
) wenden wir uns deshalb gegen dieses Gesetz, weil durch die Begrenzung der Steuerfreiheit für die Wohnungsbauzuschüsse und -darlehen auf 7 000 DM eine Reduzierung und in ihrer Auswirkung eine Minderung der Bauvorhaben eintreten wird. Die zum Teil durch die bisherigen Bestimmungen bewirkte und mit Recht kritisierte Vergeudung und unrichtige Lenkung dieser Gelder wird durch das Gesetz selbst weitgehend eingeschränkt. Dadurch allein wird nach den eigenen Erklärungen der Regierung eine Mehreinnahme von 50 Millionen DM herbeigeführt.
Durch den Wegfall der Pauschalierung für die freien Berufe will der Herr Finanzminister weitere 20 Millionen DM in seinen Staatssäckel, d. h. in den Etat für die Besatzungskosten vereinnahmen. Wir wenden uns dagegen. Wir sind der Meinung, daß die bisherige Pauschalsumme — dahin zielen auch unsere Anträge — wiederhergestellt werden sollte. Wir möchten bitten, auch diesen unseren Anträgen Rechnung zu tragen.
In der zweiten Lesung hat die Frage der Bestrafung . der mitarbeitenden Ehefrau eine sehr wesentliche Rolle gespielt. Wenn ich mir die Begründung, wie sie die Gesellschaft für Bürgerrechte in Frankfurt in ihrer Eingabe dargelegt hat, daß durch diesen Beschluß gegen den Art. 3 des Grundgesetzes verstoßen wird, insoweit zu eigen mache, so möchte ich doch mit wenigen Worten auf die Begründung eingehen, die der Herr Abgeordnete Wuermeling hier vorgebracht hat. In seinen Ausführungen kam doch nichts anderes zum Ausdruck, als daß er mit der Zielsetzung, die steuerliche Gleichstellung der mitarbeitenden Ehefrau zu beseitigen, nichts anderes bezweckte, als — wie er sagte — das Doppelverdienertum zu beseitigen. Daraus spricht eine so reaktionäre, absolut teutsche, nationalsozialistischem Gedankengut entsprechende Auffassung
— ich glaube, ein anderer Kollege hat hier schon den Nachweis erbracht, warum diese Bestimmung eingeführt worden ist —, daß wir uns — das werden auch die arbeitenden, werktätigen und mitarbeitenden Frauen draußen absolut verstehen — gegen eine solche Auffassung mit aller Entschiedenheit zur Wehr setzen. Wir anerkennen und müssen mit aller Entschiedenheit den Grundsatz verfechten, daß die Frau absolut gleichberechtigt ist, gleichen Anspruch auf Arbeit und Lohn hat und infolgedessen auch gleichbewertet werden muß. Deswegen wenden wir uns gegen diese Bestimmungen und fordern in unseren Anträgen die Wiederherstellung des alten Zustandes.
Eine weitere Frage ist die der Beseitigung des doppelten Freibetrages. Der Herr Finanzminister hat es j a ausgezeichnet verstanden, solche in der Öffentlichkeit im ersten Augenblick nur geringfügig erscheinenden Änderungen des Gesetzes herbeizuführen, die in ihren Auswirkungen in erster Linie wiederum die arbeitenden Menschen treffen. Wir sind der Meinung, daß die bisherigen Bestimmungen bezüglich der Erhöhung des Freibetrages auf den doppelten Betrag unter allen Umständen wiederhergestellt werden müssen.
In diesem Zusammenhang eine Bemerkung zu den abzugsfähigen Betriebsausgaben. Ich möchte hier eine Frage auch an den Herrn Finanzminister einschalten. Sie werden sich erinnern, daß seiner Zeit bei der Sammlung für Herrn Adenauer immerhin eine anständige Summe zusammengekommen
ist und daß die Regierung damals in einer Anfrage interpelliert wurde, ob diese Spenden zu der Sammlung für Herrn- Adenauer als abzugsfähige Betriebsausgaben absetzbar sind. Die Antwort von Herrn Dr. Lehr läuft in einer absolut bejahenden Richtung. Nun möchte ich dem eine andere Tatsache gegenüberstellen, nämlich die, daß der bayerische Finanzminister, ein Sozialdemokrat, es fertiggebracht hat, anzuordnen, daß Zeitungsannoncen, die für die kommunistische Presse von Geschäftsleuten usw. aufgegeben werden,
nach den Steuerrichtsätzen für Geschenke besteuert werden sollen.
Ich glaube also — und das charakterisiert die Finanzpolitik, die im bayerischen Finanzministerium durchgeführt wird —,
daß hier eine absolut entgegengesetzte Bewertung erfolgt. Auf der einen Seite handelt es sich um die aus den Steuergroschen und aus den geringen Löhnen der Arbeiterschaft Herrn Dr. Adenauer zur Verfügung gestellten Summen, auf der andern Seite um Beträge, die der Geschäftsmann im Interesse seines Geschäfts für Zeitungsannoncen verausgabt.
Eine andere Frage ist die Frage der Beseitigung der fünfprozentigen Besteuerungsgrenze für Mehrarbeitslohn. Während bisher ein Arbeiter, der in der Woche 52 Stunden, d. h. 4 Überstunden, gemacht hat, bei einem Stundenlohn von 1,20 DM in Steuerklasse I 3,99 DM Steuern zahlen mußte, soll er nach der neuen Vorlage 4,51 DM zahlen. Das Ergebnis für Herrn Schäffer ist, daß er dadurch 50 Millionen DM mehr für seinen Staatssäckel vereinnahmt.
Meine Damen und Herren, wir haben weiter die Frage aufzuwerfen, inwieweit der geltende Steuertarif der tatsächlichen Lage der arbeitenden Bevölkerung überhaupt noch Rechnung trägt. Ich brauche wohl nicht im einzelnen auseinanderzusetzen, daß der Reallohn durch die Preis- und Steuerpolitik so weit abgesunken ist, daß der Arbeiter, der schaffende Mensch damit nicht mehr auskommen kann. Wir sind infolgedessen der Meinung, daß in dem Steuertarif eine wesentliche Änderung für die Einkommen bis 3 600 DM bzw. bis 6 000 DM durchgeführt werden muß.
In dieser Richtung laufen unsere Anträge. Wir haben außerdem bei den Bestimmungen des Körperschaftsteuergesetzes zu fordern,
daß vor allen Dingen die Versorgungs- und Verkehrsbetriebe der kommunalen Unternehmen und der kommunalen Verbände steuerbegünstigt und aus der Körperschaftsteuer herausgenommen werden; denn in der Konsequenz der jetzigen Fassung dieses Gesetzes liegt es, daß die Tarife erhöht werden müssen.
Meine Damen und Herren, noch eine Bemerkung! Sie bezieht sich auf die Frage der Versteuerung der Weihnachtszuwendungen. Wir sind der Meinung, daß die in der Vorlage vorgesehene Grenze von 100 DM nicht ausreicht. Wenn wir auch grundsätzlich den Standpunkt vertreten, daß der Arbeiter und der Angestellte ein ausreichendes
Einkommen haben muß, um nicht auf Gratifikationen angewiesen zu sein, so ist es doch tatsächlich so, daß er darauf angewiesen ist. Deswegen muß nach unserer Meinung eine Erhöhung dieses Betrages auf 300 DM erfolgen.
Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich bemerken, daß diese Vorlage der Regierung, wie ich schon vorhin gesagt habe, keinen anderen Zweck hat als den, durch neue Massenbelastung, durch neues Abschöpfen gerade aus dem Einkommen der arbeitenden Menschen der Regierung für ihre Politik, für die Politik der Besatzungskosten und der Aufrüstung die Mittel zur Verfügung zu stellen und die Lasten dem Volk aufzubürden, damit es den Krieg vorfinanzieren und letzten Endes mit seinem Blut bezahlen soll.
Meine Damen und Herren! Ich mache darauf aufmerksam, daß im Plenarsaal ein Schlüsselbund in einem Lederetui gefunden worden ist. Das Etui ist an das Tagungsbüro weitergeleitet worden. Ich bitte die Damen und Herren, die einen Verlust feststellen, sich dessen zu erinnern.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mich zunächst mit den Ausführungen des Herrn Vertreters des Bundesrats, des Staatssekretärs Ringelmann, beschäftigen. Von dem Herrn Abgeordneten Koch ist nicht zu Unrecht gesagt worden, es 'wäre besser gewesen, wir hätten mit unseren Beratungen über dieses Gesetz etwas schneller gemacht. Ein wenig wurde ich, als ich die Einsprüche des Bundesrats hörte, daran erinnert; denn die Finanzausschüsse beider Gremien, des Bundestages und des Bundesrates, haben sich große Mühe gegeben, diese Punkte aufzuklären und eine Verständigung herbeizuführen, zu unserm Bedauern in Abwesenheit des heutigen Redners des Bundesrats. Vielleicht wären wir doch zusammengekommen, wenn wir noch etwas länger geredet hätten.
Was zunächst § 7 a betrifft, so schlägt der Bundesrat vor, auch die Reste, die von der bisher für alle Steuerpflichtigen zulässigen Abschreibungsfreiheit übriggeblieben sind, zu beseitigen und statt dessen den Weg der Subventionen zu gehen. Ja, das ist ein Wort, das langsam einen schlechten Geschmack hervorruft. Auch ich habe einen schlechten Geschmack auf der Zunge, wenn ich mir überlege, daß ein Fliegergeschädigter oder ein politisch Verfolgter nun, statt sich seine Abschreibungen durch eigene Leistungen zu verdienen und dann bei dem Finanzamt zu beantragen, daß ihm ein gewisser Prozentsatz abgesetzt wird, einfach hingeht und mit dieser oder jener Hilfe — über diese Hilfen will ich im Augenblick nicht weiter sprechen; es wäre sehr verlockend, über Hilfen, die besonders in Bayern erfolgt sind, Ausführungen zu machen — anfängt, Subventionen zu erbitten. Das ist ein schlechter Weg; den lehnen wir ab.
Ich mache darauf aufmerksam, daß wir den bisherigen Umfang des § 7 a ganz außerordentlich eingeschränkt haben. Es ist schwer, Prozentsätze anzugeben. Ich glaube aber, daß die Anwendungsmöglichkeit mindestens um drei Viertel, wenn nicht gar um vier Fünftel seines Anwendungsgebiets verkürzt worden ist.
Wenn Herr Staatssekretär Ringelmann besonderen Anlaß nimmt, sich über den eingefügten Abs. 3
zu beklagen, der in der Tat über einige Bestimmungen des Regierungsentwurfs hinausgeht, so darf ich doch seinem Einwand: „wir sollten doch auf den Lastenausgleich warten" eine sehr grundsätzliche Bemerkung gegenüberstellen. Wir wollen eben nicht warten, Herr Staatssekretär, und wir haben schon im Wirtschaftsrat nicht gewartet. Es bleibt ein Verdienst dieser ersten gesetzgebenden Körperschaft der Nachkriegszeit, daß sie diesen § 7 a unter damals ganz anderen Voraussetzungen eingeführt und damit einen Motor in die Wirtschaft gebracht hat, ohne den wir heute in der Wirtschaft nicht da ständen, wo wir stehen.
Ich darf zu diesem Punkte noch eine weitere Bemerkung machen. In dem Abs. 3 ist auch die Demontage erwähnt. Für die demontierten Betriebe, Herr Staatssekretär, tut der Lastenausgleich überhaupt nichts, sondern die demontierten Betriebe gehören in den berühmten § 325 des Gesetzentwurfes unter „Ferner liefen". Da laufen eine ganze Menge, viel zuviel. Da wollen wir nicht noch mehr hineintun, Herr Staatssekretär, sondern wir wollen heute handeln und heute helfen im Rahmen dessen, was uns möglich ist.
Ich komme zu § 7 b. Ich glaube, dem Herrn Vertreter des Bundesrats ist leider nicht mitgeteilt worden, daß wir in unserem letzten Beschluß im Finanzausschuß und auch in der Vorlage hier an dieses Haus die Berücksichtigung der freien Wohnungsunternehmen nicht nur sehr eingeschränkt haben, sondern sogar eine Rechtsverordnung vorgesehen haben — wir haben diese Rechtsverordnung als zulässig in das Gesetz aufgenommen —, durch die alle Einschränkungen und alle Bedingungen möglich sind, die vielleicht über die schon vorgeschriebene Prüfung hinaus noch erforderlich sein sollten.
Ganz besonders hat uns der Einwand des Bundesrates gegen die Erhöhung der 5 % auf 10 % bei der Förderung der wissenschaftlichen Zwecke gewundert. Ich glaubte — und wohl auch Herr Koch, der den Antrag hier begründet hat und den ich dann unterstützt habe —, wir würden damit auch dem Bundesrat eine Freude machen; denn diese Förderung der wissenschaftlichen Zwecke ist ja in erster Linie Sache des Staates, also auch der Länder.
Ich glaube nicht, daß es nach der ziemlich ausführlichen Debatte hierüber bei der zweiten Lesung nötig ist, noch etwas hinzuzufügen.
Ich komme zum Punkt der Haushaltsbesteuerung. Hier teilen wir die Auffassung des Bundesrats. Aber ich fürchte, es wird beim § 26 hinreichend Gelegenheit sein, diesen Punkt hier noch weiter zu erörtern.
Nun § 32 b! Ich spreche etwas im Telegrammstil, da wir ohnehin schon betrübt sind, daß sich die dritte Lesung so ausweitet. Der § 32 b wird von vielen Sachverständigen als eine Verbesserung von 32 a angesehen. Er ist ein gewisser Weg zu der Betriebssteuer, auf die wir alle — soviel ich weiß, auch der Bundesrat — hinzielen. Damit kann ich meine Bemerkungen zu den Ausführungen des Vertreters des Bundesrats beenden.
Einige wenige Worte noch zu den Ausführungen von Herrn Dr. Koch. Wir haben den Haushalt des Finanzministeriums besprochen, wir haben den Haushalt des Wirtschaftsministeriums besprochen, und wir glauben nicht, daß nun jede Gelegenheit
ergriffen werden muß, um in einem pêle-mêle Wirtschafts- und Finanzpolitik dieses Bundes anzugreifen. Wir finden auch nicht — und das soll meine einzige Bemerkung dazu sein —, daß wir einen Ausverkauf des Bundeswirtschaftsministeriums erleben in einem Augenblick, in dem die Produktion nach wie vor steigt, in' dem unser Export ganz erheblich steigt, in dem unsere Arbeitslosenziffern, wenn auch in allerletzter Zeit betrüblich wenig, heruntergehen, in dem wir die Devisenbilanz gegenüber dem Stande vom Februar wieder sehr wesentlich verbessert haben. Ich bin nicht angestellt oder beauftragt, hier Herrn Erhard zu verteidigen; das lehne ich auch ab. Aber ich wüßte nicht, wie man in diesem Augenblick von einem Ausverkauf des Wirtschaftsministeriums sprechen könnte.
Vergessen Sie doch bitte nicht: Es handelt sich hier — und diesen Punkt hat ja auch der Bundesrat immer besonders hervorgehoben - um ein Gesetz zur Vereinfachung und zur Änderung, und zwar nur auf einem Teilgebiet, nämlich: Verringerung der bisherigen Abschreibungsfreiheiten. Es handelt sich nicht um eine Reform der Einkommensteuer im großen. Das haben wir nie behauptet.
Sie haben nun weiter gesagt, Herr Koch: die Regierung schaut zu. Nun, wenn Sie die Zeitung lesen, dann werden Sie nicht so ganz den Eindruck bekommen, daß die Regierung nur zuschaut. Sie haben ja gesehen, daß sich die Regierungsparteien in den letzten Wochen in einem sehr intensiven Meinungsaustausch mit der Regierung befunden haben. Und wenn das nun nicht unbedingt einen Niederschlag in Gesetzesvorlagen findet, so kann man sich darüber ia vielleicht auch gelegentlich mal freuen; denn diese Gesetzesvorlagen würden ja Steuervorlagen sein.
Ich will nur noch auf eins eingehen, nämlich auf Ihre Bemerkung: Uns fällt nichts Besseres ein, als die indirekten Steuern zu erhöhen. Es bestehen keine Absichten — ich kann natürlich nur für meine politischen Freunde sprechen, das übrige muß der Herr Finanzminister sagen -, die indirekten Steuern, nein: die Verbrauchsteuern - von denen haben Sie gesprochen — zu erhöhen. Im Gegenteil, wir haben in der letzten Zeit nicht nur die Biersteuer — entschuldigen Sie, ich versuche, mich an Bayern zu akklimatisieren —, wir haben auch die Zuckersteuer und die Zigarrensteuer heruntergesetzt.
Das sollte doch eigentlich hinreichend sein, um Ihnen einen Begriff dafür zu geben, daß wir diese Steuern nicht erhöhen wollen, sondern daß wir sie im Gegenteil zu senken beabsichtigen. Ich erinnere Sie an die Tabaksteuer, über die wir im Finanzausschuß sehr ausführlich gesprochen haben. Aber ich wiederhole: wir halten es nicht für unsere Aufgabe, in diesem Augenblick und in der dritten Lesung dieses auf beschränkte Ziele gerichteten Gesetzes über die Einkommensteuer die Finanz- und Wirtschaftspolitik der Regierung im großen zur Diskussion zu stellen. Wir wenden uns aber gegen Ihre Verallgemeinerungen und, wie ich leider sagen muß, auch Übertreibungen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Das Wort hat Herr Staatssekretär Dr. Ringelmann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich ganz kurz fassen. Ich begrüße es, daß der Herr Abgeordnete Wellhausen anerkannt hat, daß Bundestag und Bundesrat bestrebt sind, möglichst flotte und gute Arbeit auf dem Gebiete der Änderung des Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetzes zu leisten. Aber ich muß pflichtgemäß darauf hinweisen, daß insbesondere Abs. 3 des § 7 a für die Länder keinerlei Mehreinnahmen bringt und die Veranlagung, die Verwaltung der Steuer außerordentlich erschwert. Denken Sie daran, daß nach diesem Abs. 3 nicht nur die Demontagegeschädigten, sondern auch alle diejenigen, die Kriegsschäden erlitten haben, welche einen gewissen Vermögensverlust überschreiten, berechtigt sind, nunmehr weiterhin die Bewertungsgrundsätze in Anspruch zu nehmen. Hierin liegt eine Gefahr für die Veranlagung, die nicht unterschätzt werden darf. Sie müssen berücksichtigen, daß jeder einzelne Antrag, der an das Finanzamt herankommt, geprüft werden muß, auch wenn er von vornherein unbegründet erscheint. Das bedeutet eine Mehrbelastung, die die Finanzämter im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vertragen können.
Wenn der Herr Abgeordnete mich ferner darauf hingewiesen hat,, daß die Rechtsverordnung, die in § 7 c Buchstabe e eingeführt werden soll, doch die Möglichkeit gebe, Mißbräuche einzuschränken, so möchte ich zunächst einmal die Frage aufwerfen, wie diese auch von mir erwähnte Rechtsverordnung überhaupt aussehen soll. Ich bin der Meinung, daß man praktisch mit einer derartigen Rechtsverordnung nicht weiterkommen wird. Abgesehen davon darf doch nicht übersehen werden, daß durchaus kein Anlaß besteht, Unternehmungen, die ausschließlich als Erwerbsunternehmungen auf Gewinn arbeiten, eine Steuervergünstigung zu geben. Denn diese Vergünstigung wird sich nicht fördernd für den Wohnungsbau auswirken, sondern ein ausschließliches Benefiz für diese Unternehmungen sein.
Was die zusätzlichen 5 % für Spenden zu wissenschaftlichen Zwecken angeht, so würde auch ich mich freuen, wenn die Länder davon den Vorteil hätten. Aber es ist nicht so. daß diese Spenden für Einrichtungen gewährt werden, die die Länder zu unterhalten haben. sondern sie werden regelmäßig wieder für neue Zwecke gewährt. Das bedeutet praktisch eire Fehlleitung von Geldern, die nach meiner Anschauung in der gegenwärtigen Zeit unbedingt vermieden werden muß.
Außerdem wurde noch — da ich das Wort habe, darf ich vielleicht kurz darauf hinweisen - auf eine Anordnung des bayerischen Finanzministers Bezug genommen, wonach Anzeigen, die in die kommunistische Presse offensichtlich zum Zweckt der Unterstützung dieser Presse gegeben werden, als Spenden behandelt und steuerlich herangezogen werden. Ich glaube. es ist ganz selbstverständlich, daß die Steuergesetze nicht mißbraucht werden dürfen, um einer einzelnen Partei, der Kommunistischen Partei, hier Vorteile zuzuwenden.
Herr Abgeordneter Müller, Ihre Redezeit in der allgemeinen Aussprache ist weit überschritten worden und verbraucht. Es
steht Ihnen frei, in der besonderen Aussprache das Wort zu nehmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe die allgemeine Besprechung.
Wir kommen zur Einzelbesprechung in der dritten Beratung. Ich rufe auf Abschnitt I, § 1 Ziffer 1 a. Dazu liegt ein Abänderungsantrag der Fraktion der KPD auf Umdruck Nr. 195 Ziffer 1 vor, die Worte „100 Deutsche Mark" durch „300 Deutsche Mark" zu ersetzen. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist offenbar nicht der Fall; ich schließe die Besprechung.
Ich komme zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Fraktion der KPD auf Umdruck Nr. 195 Ziffer 1. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Abänderungsantrag ist bei einigen Enthaltungen gegen drei Stimmen abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über Ziffer 1 a in der Fassung der zweiten Beratung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist angenommen.
Ich rufe weiterhin auf Ziffer 1, — Ziffer 2, — Ziffer 3. Liegen Wortmeldungen vor? — Das ist nicht der Fall; ich schließe die Einzelbesprechung.
Ich bitte die Damen und Herren, die den Ziffern 1, 2 und 3 von § 1 des Gesetzentwurfs zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf Ziffer 4. Zu Ziffer 4 liegt ein Abänderungsantrag der Fraktion der KPD Umdruck Nr. 195 Ziffer 2 vor. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Besprechung.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Abänderungsantrag Umdruck Nr. 195 Ziffer 2 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen gegen 3 Stimmen abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über Ziffer 4 des § 1 in der Fassung der Beschlüsse der zweiten Beratung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf Ziffer 5, — Ziffer 6. — Keine Wortmeldungen. Ich komme zur Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf Ziffer 7. — Zu Ziffer 7 liegen folgende Abänderungsanträge vor: Antrag der Fraktion des Zentrums Umdruck Nr. 196 Ziffer 1 und Antrag der Fraktionen der CDU/CSU; FDP und DP Umdruck Nr. 197, ebenfalls Ziffer 1. Wird das Wort dazu gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Bertram!
Meine Damen und Herren! Durch die Abstimmung in der vorigen Woche sind Gerechte und Ungerechte in einen Topf geworfen worden. Notwendige Betriebsausgaben sind ebenso betroffen wie höchst schädliche und absolut überflüssige. Die Abstimmung ist auch deshalb etwas vom grünen Tisch aus gemacht worden, weil die notwendige Unterrichtung von seiten der Praxis nicht vorgelegen hat. Das Beispiel einer Sektfirma, das hier gebracht wurde, war ein ganz extremes, einseitiges und kein Beispiel, das die Gesamtheit der Wirtschaftsbedürfnisse irgendwie zutreffend geschildert hätte.
Die Tatsachen, "aus denen heraus derartige Betriebsausgaben zu Bewirtungszwecken erwachsen, sind im Wirtschaftsleben vielfältig und müssen auch weitgehend anerkannt werden. Die Fraktionen der Regierungsparteien haben nun einen Antrag eingebracht, wonach dem Finanzminister bei der Bestimmung der Betriebsausgaben freie Hand gegeben werden soll. Wir haben schon im Ausschuß über die Frage der Betriebsausgaben im einzelnen gesprochen und haben uns auch vortragen lassen, wie schwierig die Abgrenzung sein wird. Ich glaube nicht, daß eine solche Blankovollmacht an den Bundesfinanzminister das Rechte treffen wird. Die Frage, in welchem Umfange hier Mißbräuche abgestellt werden sollen, muß letzten Endes vom Parlament entschieden werden. Wir müssen der Exekutive Richtlinien geben, nach denen sie dann eine Rechtsverordnung erlassen kann. Wir können uns aber nicht unserer Verantwortung entziehen, indem wir sagen: bestimme du willkürlich, was notwendige Betriebsausgaben sind und was nicht.
Deshalb haben wir uns von der Zentrumspartei entschlossen, einen entsprechend spezifizierten Antrag vorzulegen. In diesem Antrag haben wir die einzelnen Fälle zu treffen versucht, in denen derartige Bewirtungsspesen notwendig zu sein scheinen. Es kann sein, daß sich in einer Branche durch die Betriebsvergleiche, die von der Finanzverwaltung durchgeführt werden, ergibt, daß tatsächlich ein bestimmtes Mindestmaß von Spesen üblich ist und auch notwendig ist. Wir haben deshalb vorgeschlagen, daß bei Spesen, die den Durchschnitt der jeweiligen Branche nicht übersteigen, eine entsprechende Freigabe durch die Bundesfinanzverwaltung erfolgen kann.
Herr Abgeordneter Dr. Bertram, darf ich Sie unterbrechen. Ich bitte, daß sich Personen, die nicht Mitglieder des Hauses sind, nicht auf den Plätzen der Abgeordneten aufhalten.
Ich darf bitten, fortzufahren.
Ferner kommt es häufig vor, daß einzelne Firmen, statt Vertreter zu beschäftigen und für diese Vertreter Provisionen zu bezahlen, selbst die Verkaufstätigkeit übernehmen und ihre Geschäftsfreunde natürlich bei der Tätigung von größeren Abschlüssen einladen müssen. Dabei wird die Provision, die sonst über Unkosten abgebucht werden müßte, eingespart. Wenn in diesem Falle Spesen durch die Bewirtung von Geschäftsfreunden entstehen, so ist der tatsächliche Effekt für die Bundesfinanzverwaltung wahrscheinlich nur vorteilhaft, weil die gesamten Unkosten der Bewirtung geringer sind als die Unkosten im anderen Fall.
Der dritte Punkt, den wir vorgeschlagen haben, ist die Ziffer 3, wenn an Stelle von brancheüblichen anderweitigen Werbungskosten Spesenkosten entstehen. Maschinenfirmen, Automobilfirmen eröffnen z. B. Verkaufsausstellungen, laden zu diesen Verkaufsausstellungen die Kunden aus ihrem ganzen Verkaufsgebiet ein und zeigen ihnen die Neuerungen. Man wird derartige Aufwendungen als betriebsnotwendige Ausgaben anzuerkennen haben.
Endlich ist es durchaus notwendig und üblich, daß ausländische Geschäftsfreunde, die ihre Geschäftsfreunde in Deutschland besuchen, hier von diesen bewirtet werden. Sie wissen alle, das insbesondere auf dem Balkan die Bewirtungssitten sehr weitgehend sind. Wenn Türken oder Geschäftsfreunde aus anderen Gegenden des Balkans nach Deutschland kommen, erwarten sie, daß auch wir etwas Entsprechendes tun. Es würde einen mehr als merkwürdigen Eindruck machen, wenn sich unsere Vertreter einladen ließen, aber ihrerseits diese ausländischen Käufer in Deutschland nicht einladen würden.
Ich bitte deshalb das Hohe Haus, unserem Antrag zuzustimmen, um diese notwendigen Fälle von Betriebsausgaben durch die Bundesfinanzverwaltung anerkennen zu lassen. Es ist selbstverständlich, daß auf der andern Seite die ungerechten Fälle, von denen ich im Eingang meiner Ausführungen sprach, nicht betroffen werden sollen. Aber gerade die Finanzämter, die die Verhältnisse der einzelnen Firmen an Ort und Stelle überprüfen können, würden mit dieser Bestimmung eine Richtlinie an die Hand bekommen, von der aus sie alle Auswüchse der Betriebsausgaben- und Spesenwirtschaft wirksam bekämpfen können und mit der tatsächlich auch der Boden des Rechtes gewahrt bliebe.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Müller.
Meine Damen und Herren! Auf meine Ausführungen hat vorhin der Vertreter des bayerischen Finanzministeriums geantwortet bzw. er hat zu ihnen Stellung genommen. Ich möchte nur folgendes feststellen: In der gestrigen Debatte trat nicht nur die Spitze dieser Regierung hier an das Rednerpult, um gegen die Zustände im Saargebiet, die Maßnahmen der Unterdrückung und des Terrors Sturm zu laufen, — —
Herr Abgeordneter Müller,
wir sind bei der Einzelbesprechung der Ziffer 7!
Das gehört zur Beweisführung!
Ich darf Sie bitten, dazu zu sprechen!
Die Herren bzw. die Vertreter, die dazu sprachen, saßen im Glashaus und warfen mit Steinen.
Heute hat der Vertreter des bayerischen Finanzministeriums den Beweis dafür erbracht, indem er noch verteidigen zu müssen glaubte, daß gegenüber der Begünstigung von Spenden für Herrn Adenauer Annoncen für kommunistische Zeitungen steuerlich schlechter behandelt werden.
Herr Abgeordneter Müller, ich rufe Sie zum zweitenmal zur Sache und mache Sie auf die Folgen eines dritten Rufs zur Sache aufmerksam.
Dagegen wenden wir uns. Ich möchte zudem noch feststellen, daß diese Methoden nur die „Freiheit" und die „Demokratie" hier bei uns illustrieren.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Neuburger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Koalition habe ich den Antrag Umdruck Nr. 197 einzureichen. Ich will die Begründung' kurz halten. Wir haben in der vorigen Sitzung bei dieser Sache sozusagen das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Wir wollen diese Dinge revidieren. Der Antrag geht daher dahin, daß Aufwendungen dieser Art nur nach Maßgabe einer Rechtsverordnung absetzbar sind. Die Rechtsverordnung ist gemäß § 51 — darauf kommen wir nachher noch — mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen. Wir können also gewiß sein, daß in dieser Rechtsverordnung dann alle zu diesem Punkte vorgetragenen Wünsche und berechtigten Forderungen Berücksichtigung finden. Vorhin wurde gesagt, es genüge nicht, wenn hier nur stehe „nach Maßgabe einer Rechtsverordnung", denn nach Art. 80 des Grundgesetzes müßten Inhalt, Zweck und Ausmaß einer solchen Rechtsverordnung näher bestimmt sein. Nun, ich glaube, dem ist Rechnung getragen. Inhalt der Rechtsverordnung ist, daß die Aufwendungen nur mit dieser Maßgabe absetzbar sein sollen, und Zweck und Ausmaß ergeben sich aus der Stellung dieser Bestimmung im Rahmen des Gesamtgesetzes.
Ich bitte daher das Hohe Haus, den vorhin von Herrn Dr. Bertram gestellten Antrag, der an sich das gleiche Ziel hat, abzulehnen und dafür diesen Antrag anzunehmen, weil er der einfachere ist und in der Praxis auch einfacher zu handhaben sein wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure es, daß, nachdem in der zweiten Lesung auf Grund unseres Antrages eine sehr einfache und klare Regelung dieser Angelegenheit getroffen worden ist, nunmehr wieder zwei Änderungsanträge eingebracht worden sind. Ich bedaure das ganz besonders deshalb, weil die von uns vorgeschlagene Regelung eine sehr günstige Reaktion in der Öffentlichkeit gefunden hat. Ich verweise nur auf die Zeitung „Die Welt", die diesen Tag den „schwarzen Tag der Spesenritter" genannt hat.
Ich möchte deshalb die Koalitionsparteien fragen, ob sie etwa die Absicht haben, jetzt die „Spesenritter" wieder in den Sattel zu heben.
Im übrigen möchte ich mich auch auf die Ausführungen von Herrn Staatssekretär Ringelmann beziehen, der wiederholt darauf hingewiesen hat, daß zum Zwecke einer Verringerung der Belastung der Finanzämter eine wirklich einfache Lösung notwendig ist.
Nun zu den einzelnen Anträgen, zunächst zu dem Antrag des Zentrums, Umdruck Nr. 196. Ich anerkenne die Liebe, mit der sich Herr Dr. Bertram diesem Thema gewidmet hat; er hat sozusagen eine
wahre Doktorarbeit über die Spesenverrechnung verfaßt. Aber, meine Damen und Herren, gerade das Einfache, hier eine Lösung zu finden, die die Finanzverwaltung mit einem Minimum an Arbeit belastet, hat er mit seinem Vorschlag bestimmt nicht getroffen. Es würde mich daher außerordentlich interessieren, einmal den Standpunkt des Bundesfinanzministers zu dieser Frage zu hören, der doch auch immer so sehr für wirklich einfache Lösungen eintritt.
Im einzelnen ist zu dem Antrag des Zentrums folgendes zu sagen. Wenn er von dem Durchschnitt der jeweiligen Branche spricht, so möchte ich darauf hinweisen, daß ja leider gerade durch den umfangreichen Mißbrauch dieser Institution der Durchschnitt viel zu hoch liegt.
Zum andern ist in dem Antrag von ausländischen Geschäftsfreunden die Rede. Auch der Deutsche Industrie- und Handelstag hat sich berechtigt gefühlt, gerade im Interesse des Exports hierzu etwas zu sagen. Aber, meine Damen und Herren, ich kenne diese Dinge nun wirklich aus der Praxis. In einem vernünftig geleiteten Unternehmen der Exportindustrie betragen diese Aufwendungen den Bruchteil eines Prozents des Umsatzes. Wenn gestern im Finanzausschuß beschlossen worden ist, nun endgültig dem Plenum das Gesetz zur Förderung der Ausfuhr vorzulegen, und wenn man überschläglich heute schon sagen kann, daß die Exportindustrie auf Grund dieser Bestimmungen ungefähr 10 % ihres Umsatzes auf diesem Wege zurückbekommen wird, dann wird man sich ja wohl auf den Standpunkt stellen müssen, daß diese ganz geringfügigen Aufwendungen für die Bewirtung von ausländischen Geschäftsfreunden, immer bezogen auf den Umsatz, aus diesen 10 % bestritten werden können, wenn sie vernünftigerweise nur einen Bruchteil eines Prozents betragen.
Nun zu dem Antrag Umdruck Nr. 197 der Koalitionsparteien! Dieser Antrag bringt eigentlich überhaupt keine Lösung des Problems. Er beauftragt sozusagen nur den Finanzminister, dieses Problem an Stelle des Bundestages zu lösen, und wir müssen nach wie vor ebenso wie auch bei der Regierungsvorlage beanstanden: Wir sehen noch nicht, wie eine Begrenzung der Ausgaben nach oben "vorgenommen werden soll, und wir sehen zweitens noch nicht, wie eine Kontrolle erfolgen soll, daß diese Ausgaben wirklich für die Zwecke, für die sie vorgesehen sind, ausgegeben werden. All das bleibt offen, und die Formulierung der Koalitionsparteien stellt also eine völlige Blankovollmacht an den Finanzminister dar. Nach den bisherigen Erfahrungen, die wir mit den Vorschlägen gemacht haben, welche von dieser Seite gekommen sind, haben wir mit Recht die Vermutung, daß auch der Bundesfinanzminister auf dem Wege der Rechtsverordnung mit Vorschlägen herauskommen wird, die unsere Billigung nicht finden werden.
— Das genügt uns nicht; wir wollen selber dabei mitwirken. Wir beanstanden, insbesondere, daß diese Vollmacht in keiner Weise eingeschränkt ist. Das zum Sachlichen.
Wir sind darüber hinaus der Meinung, daß der
Antrag auf Umdruck Nr. 197 sogar Art. 80 des Grundgesetzes widerspricht. In Art. 80 des Grundgesetzes ist bezüglich der Rechtsverordnungen ausdrücklich gesagt: „Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden." Über das Ausmaß, wie hier von der Ermächtigung Gebrauch gemacht werden soll, ist überhaupt nichts gesagt. Wir stehen also auf dem Standpunkt, daß die von den Regierungsparteien gewählte Formulierung dem Grundgesetz widerspricht, und bitten Sie daher, beide Anträge abzulehnen.
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf ganz kurz zu den Anträgen, die zu § 9 a gestellt worden sind, Stellung nehmen. Ich schicke voraus: Es ist gerade das Bundesministerium der Finanzen gewesen, das sich zu seinem Bedauern gezwungen gesehen hat, in der Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, daß mit der Verrechnung von sogenannten Bewirtungsspesen als steuerlichen Abzügen in der Vergangenheit ein grober Unfug getrieben worden ist
und daß dies Unwesen einen Umfang angenommen hat, der schon um des öffentlichen Ärgernisses willen nicht mehr geduldet werden konnte.
Ich bedauere, daß es infolgedessen überhaupt notwendig geworden ist, zu gesetzgeberischen Maßnahmen zu schreiten. Ich bedauere, daß die deutsche Wirtschaft in ihren Organisationen nicht so viel Einfluß auf ihre Mitglieder hatte, daß sie diesen Unfug auf dem Wege der Selbstdisziplin unterbunden hätte.
Nun sieht sich der Gesetzgeber zum Eingreifen gezwungen. Die Regierungsvorlage hat einen bestimmten Rahmen eingehalten. Im Laufe der Debatte ist es dann zu einem Radikalschnitt gekommen und sind die gesamten Anrechnungen für Spesen unmöglich gemacht worden. Ich gestehe zu, daß vom verwaltungstechnischen Standpunkt aus dieser radikale Schnitt selbstverständlich der einfachste und für die Verwaltung der wünschenswerteste wäre.
Ich muß aber auf der andern Seite auch zugeben, daß damit wieder Härten auch gegenüber den Gerechten verbunden sind, weil es nun einmal bestimmte Kreise gibt, in denen sich solche Spesen nicht vermeiden lassen. Ich würde es jedoch für sehr unglücklich halten, wenn man diese Ausnahmen dann wieder mit einem Katalog und mit Voraussetzungen umfaßt, die es der Verwaltung unmöglich machen, überhaupt zú erfahren, was der Gesetzgeber eigentlich will.
Ein Durchschnitt der jeweiligen Branchen, branchenübliche Werbungskosten und dergleichen, das sind Begriffe, die für die Verwaltung einfach unmöglich sind
und die auch in einer Rechtsverordnung gar nicht umrissen werden können.
Da geht der Antrag auf Umdruck Nr. 197 einen klareren Weg. Es ist eben von dem Herrn Vorredner der Einwand erhoben worden, daß dieser Antrag dem Art. 80 des Grundgesetzes, wonach Rechtsverordnungen nach Inhalt, Zweck und Ausmaß umschrieben sein müssen, widerspreche. Ich kann diese Ansicht nicht teilen. Aus diesem Antrag ergibt sich ohne weiteres, daß er nach seiner Entstehungsgeschichte im Rahmen der Regierungsvorlage, wie sie vorgelegt worden ist, im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen gedacht ist, an deren Stelle sie tritt, daß sie also lediglich eine Ermächtigung enthält, eine Regierungsvorlage zu dem Zweck zu machen, zwar die Anrechenbarkeit dieser Spesen nicht ganz zu unterbinden, aber einzuschränken und jeden Mißbrauch, soweit es menschenmöglich ist, unmöglich zu machen. Damit sind meiner Überzeugung nach Sinn, Zweck und Ausmaß der Rechtsverordnung bestimmt, und die Bundesregierung wird — das kann ich in ihrem Namen erklären —, wenn dieser Antrag vom Hohen Hause angenommen wird, sie nur in dem Sinne handhaben, daß sie, ausgehend von dem Grundgedanken der Regierungsvorlage — also einen technisch möglichst einfachen Weg zu beschreiten und ohne vermeidbare Härten für die wirklich notwendigen Fälle -, das Ziel hat, diesen Mißbrauch einzuschränken und nach Möglichkeit nur in den Fällen, in denen es unbedingt notwendig ist, die Anerkennung auszusprechen.
Meine Damen und Herren, inzwischen ist mir ein Eventualantrag der Fraktion des Zentrums zu Umdruck Nr. 197 zugegangen, nach- welchem in Ziffer 1 vor den Worten „abgesetzt werden" die Worte „mit Zustimmung des Bundesrats" eingefügt werden sollen. Wenn ich das Grundgesetz in Art. 105 Abs. 3 und in Art. 80 Abs. 2 richtig verstehe, so ist das aus dem Grundgesetz bereits zu entnehmen und bedarf keines besonderen Antrages.
Ich frage die Fraktion des Zentrums, ob sie ihren Antrag aufrechterhält.
— Der Antrag wird zurückgezogen. Wortmeldungen liegen weiter nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Ich komme zunächst zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion des Zentrums auf Umdruck Nr. 196 Ziffer 1, dessen Annahme eine endgültige Lösung bedeuten würde. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck Nr. 197 Ziffer 1. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit.
— Bitte? — Meine Damen und Herren, es werden Zweifel geltend gemacht. Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen. Wer für den Antrag auf Umdruck Nr. 197 Ziffer 1 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen. Damit sind die Abänderungsanträge zu Ziffer 7 durch Abstimmung erledigt.
Ich bitte die Damen und Herren, die der Ziffer 7 unter Berücksichtigung der eben angenommenen Abänderung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ziffer 7 ist angenommen.
Ich rufe auf die Ziffern 8, — 9, — 10. Keine Wortmeldungen. — Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Ziffern zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Weiter liegt ein Antrag der Fraktion der KPD auf Umdruck Nr. 195 Ziffer 3 vor, zwischen Ziffer 10 und Ziffer 10 a eine neue Ziffer 10 aa einzufügen. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Besprechung.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrage der Fraktion der KPD auf Umdruck Nr. 195 Ziffer 3 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist abgelehnt.
— Der Vorstand ist einmütig der Auffassung; es
gibt keine Anzweiflung dagegen!
Ich rufe Ziffer 10 a auf und mache darauf aufmerksam, daß zu dieser Ziffer folgende Anträge vorliegen: der Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 192 Ziffer 1 und ein Eventualantrag auf Umdruck Nr. 199, ein Antrag der Fraktion der KPD auf Umdruck Nr. 195 Ziffer 4 und ein Antrag der Fraktion des Zentrums auf Umdruck Nr. 196 Ziffer 2. Zunächst hat sich Frau Abgeordnete Wessel zum Wort gemeldet. Ich bitte sie, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie in der zweiten Lesung des Einkommensteuergesetzes wendet sich die Zentrumsfraktion gegen die Zusammenveranlagung der Eheleute, gegen die Zusammenlegung der beiderseitigen Einkünfte zur Haushaltsbesteuerung. Unsere grundsätzliche Haltung zu dieser Haushaltsbesteuerung ist bereits von Herrn Kollegen Dr. Bertram in der zweiten Lesung dargelegt worden. Zu den Begründungen, die Frau Abgeordnete Dr. Weber und Herr Kollege Dr. Wuermeling in der zweiten Lesung für die Haushaltsbesteuerung gegenüber dem Zentrumsantrag gegeben haben, möchte ich insbesondere vom Standpunkt der Familie und auch der verheirateten Frau folgendes sagen.
Ganz abgesehen von der grundsätzlichen Frage, ob durch die Zusammenveranlagung der Art. 3 des Grundgesetzes, der Grundsatz der Gleichberechtigung der Frau, mißachtet wird, scheint uns im Vorhaben der Regierung alles andere zu liegen als eine Förderung von Ehe und Familie. In Wirklichkeit wird die verheiratete Frau und damit die Familie dafür bestraft, daß die Frau noch mitverdient. Es muß doch auf die zur Zeit ungesunden wirtschaftlichen Verhältnisse vieler Familien hingewiesen werden. Es gibt nur wenige Familien, die nicht durch den Krieg erhebliche Schäden erlitten haben. Man darf doch nicht die verhältnismäßig kleine Zahl von berufstätigen Frauen sehen, die aus innerer Berufung ihren Beruf ausüben, wie z. B. die Ärztinnen oder die Rechtsanwältinnen, sondern muß die große Zahl von Frauen sehen, die aus wirtschaftlichen Gründen darauf angewiesen sind, mitzuverdienen. Wir haben eine solche soziologische und soziale Umschichtung durch den Krieg und die Kriegsfolgen erlebt, daß heute der normale
Zustand der ist, daß die Frau zum mindesten in den ersten Jahren mitverdienen muß, um überhaupt zum Heiraten zu kommen und sich eine Wohnung — und wenn es nur ein oder zwei Zimmer sind — einrichten zu können. Welche Eltern sind heute noch in der Lage, wie es besonders in den Kreisen des Mittelstandes und der gehobenen Berufe möglich war, ihren heiratenden Kindern eine Aussteuer mitzugeben. Was sie ihnen heute mitgeben können, ist eine gute Berufsausbildung. Welcher Arzt ist heute in der Lage zu heiraten, wenn er nicht eine Frau bekommt, die so lange mitverdient, bis er ein ausreichendes Gehalt bezieht? Das kann bei unserem heutigen Ärzteüberschuß eine Reihe von Jahren dauern.
Ähnlich sieht es auch in anderen Berufen aus. Welcher jüngere Beamte — mag er unterer, mittlerer oder höherer Beamter sein — ist in der Lage, von seinem Gehalt eine Wohnungseinrichtung zu beschaffen, wenn seine Frau nicht mitverdient? In den weitaus meisten Fällen ist es heute so, daß die Frau aus wirtschaftlichen Gründen ihren Beruf weiter ausübt, vielfach auch, um die durch den Krieg verlorengegangene Einrichtung zu ersetzen, weil das normale Einkommen des Mannes nicht ausreicht.
In der Praxis wird sich die Haushaltsbesteuerung so auswirken, daß man entweder sehr spät heiraten kann, was aus bevölkerungspolitischen Gründen nicht erwünscht ist, oder daß man in freien Verbindungen lebt, was in moralischer Beziehung nicht erwünscht sein kann. Meine Damen und Herren, wer in der Fürsorgearbeit steht, weiß zur Genüge, in wievielen Fällen Frauen deshalb in freien Verbindungen leben, um zum Beispiel nicht auf ihre Rente zu verzichten oder, wenn sie arbeitslos sind, die Unterstützung weiter zu beziehen. In keiner Weise wird die Haushaltsbesteuerung dem Art. 6 des Grundgesetzes Rechnung tragen, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates stellt. Vielmehr greift sie die Möglichkeit der Eheschließung, überhaupt die wirtschaftliche Existenz vieler Familien an, die heute häufig nur durch die Mitarbeit der Frau gewährleistet ist. In vielen Fällen ist es heute auch so, daß nur durch die berufliche Mitarbeit der Frau das berufliche Weiterkommen der Kinder ermöglicht wird. Das ist in der Arbeiterfamilie wie in der Familie des Mittelstandes wie auch in der Familie des Akademikers der Fall.
Nicht zuletzt sollte man auch daran denken, daß durch die Haushaltsbesteuerung der Wille, aus eigener Kraft die Nöte der Familie zu überwinden, untergraben wird. Es gibt eine sehr erhebliche Anzahl verheirateter Frauen, die deshalb auch mitarbeiten, um durch ihren Verdienst Angehörige zu unterhalten, die durch die Kriegsschicksale mittellos geworden sind. Wenn Mann und Frau außer der Sorge um ihre eigene Familie sich auch für mittellos gewordene Eltern oder für andere Angehörige verpflichtet fühlen, dann gibt es, damit diese nicht nur von der Wohlfahrtsunterstützung zu leben haben, in den meisten Fällen keine andere Lösung, als daß die Frau mitverdient.
Meine Damen und Herren, die gemeinsame Veranlagung wäre doch nur dann gerechtfertigt, wenn man sagen könnte, daß die Berufstätigkeit der verheirateten Frau ein Luxus wäre, den sie sich deshalb erlaubt, um sich durch ihren Verdienst zusätzliche Annehmlichkeiten zu verschaffen. Es ist aber doch so, daß die mitarbeitende verheiratete Frau auf vieles verzichten muß und statt dessen neben ihrer Berufsarbeit noch die zusätzliche Arbeit in
der Familie zu leisten hat. Ich glaube, der weitaus größte Teil der verheirateten mitverdienenden Frauen würde gern auf die außenhäusliche Arbeit verzichten und sich nur der Familie widmen; und wie mancher Mann würde seine Frau auch lieber zu Hause und in der Familie sehen und für den Unterhalt der Familie nicht auch auf das Mitverdienen der Frau angewiesen sein, die abends müde und abgearbeitet nach Hause kommt!
Aus all diesen Gründen halten meine politischen Freunde und ich besonders im Interesse von Ehe und Familie die vom Herrn Bundesfinanzminister vorgesehene gemeinsame Veranlagung der Eheleute für nicht gerechtfertigt. Wir sind vielmehr der Meinung, man sollte von dieser unsozialen, den Ehe- und Familiengedanken nicht gerade fördernden Haushaltsbesteuerung, einem Überbleibsel aus der nationalsozialistischen Gesetzgebung von 1934, abrücken, statt den Vorschlag zu machen, sie noch einzuführen. Aus diesen Gründen bitten wir Sie, dem Zentrumsantrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Greve.
Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion ist der Auffassung, daß sich eine Zusammenveranlagung von Mann und Frau, gleichviel, ob das Einkommen aus selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit herrührt, nach Art. 117 des Grundgesetzes überhaupt nur bis zum 31. März 1953 aufrechterhalten läßt, soweit sie zur Zeit geltendes' Recht ist.
Es ist zuzugeben, daß die derzeitige gesetzliche Regelung bis zu einem gewissen Grade die Möglichkeit gibt, an ihr bis zum 31. März 1953 festzuhalten. Wenn aber jetzt eine Änderung dieses derzeitigen gesetzlichen Zustandes vorgenommen werden soll, darf sie in keiner Weise dem Grundgesetz, in diesem Falle den Artikeln 3 und 6 widersprechen. Das, was die Bundesregierung dem Bundestag zur Annahme vorschlägt, ist eine Änderung des gegenwärtigen gesetzlichen Zustandes. Diese muß sich also im Rahmen des Grundgesetzes halten. Das ist die Auffasung meiner Fraktion.
Ich sagte schon, daß Art. 3 und möglicherweise auch Art. 6 die Vermeidung einer Gesamtveranlagung fordern, gleichviel ob das Einkommen aus selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit stammt, und daß jede andere gesetzliche Regelung gegen Art. 3 und Art. 6 des Grundgesetzes verstößt. Unsere Auffassung unterscheidet sich insofern grundsätzlich von derjenigen der Bundesregierung.
Da die Bundesregierung ihre Gesetzesvorlage in der zweiten Lesung gegen die nach unserer Auffassung eindeutigen Bestimmungen des Grundgesetzes durchgesetzt hat, waren meine politischen Freunde gezwungen, den Versuch zu machen, in dem uns oktroyierten Rahmen herauszuholen, was herauszuholen ist. Nach der Haltung, die von Ihnen in der zweiten Lesung eingenommen wurde, können wir leider nur im beschränkten Maße versuchen, noch etwas herauszuholen. Dies zu tun, ist der Sinn unseres Antrags Umdruck Nr. 192 Ziffer 1. Wenn Sie der von uns vertretenen Auffassung zustimmen sollten, bitten wir Sie, unseren Antrag Umdruck Nr. 192 Ziffer 1 anzunehmen. Wenn sich das Haus dazu nicht verstehen sollte, was ich nicht hoffe, diesen Antrag anzunehmen, dann bitte ich
daß Sie unter allen Umständen unserem Eventualantrag Umdruck Nr. 199 zustimmen.
Ich betone: wir sind uns dessen bewußt, daß alle diese Bestimmungen, die auf Änderungen des gegenwärtigen gesetzlichen Zustandes hinauslaufen, eine Verletzung des Grundgesetzes bedeuten. Aber Sid haben uns durch Ihr Verhalten dazu gezwungen, so vorzugehen, um im Interesse der Ärmsten und Allerärmsten zu tun, was notwendig ist.
— Ja, wenn Sie die Anträge zu lesen verstehen, meine Herren, werden Sie das wohl begreifen; denn bis zu 600 DM geht nicht das Einkommen der Reichen, sondern der Armen.
Jedenfalls werden wir, sofern die Frage nicht durch eine höchstrichterliche Entscheidung seitens des Bundesfinanzhofes in unserem Sinne entschieden werden sollte, gezwungen sein, das Bundesverfassungsgericht anzurufen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Lockmann.
Herr Präsident! Mein
Herren und Damen! Ich freue mich außerordentlich, daß Frau Wessel die von mir in der zweiten Lesung vorgebrachten Argumente heute so außerordentlich gut unterstützt hat. Wir wiederholen heute unseren Antrag mit Nachdruck. Ich hatte das vorige Mal versäumt zu sagen, daß dieser Antrag im Finanzausschuß bereits angenommen war. Der Bundestag konnte sich aber zur Annahme nicht entschließen.
Ich möchte annehmen, daß die Diskussionen, die in der vorigen Lesung geführt wurden, noch in der Erinnerung der Abgeordneten lebendig sind. Sie haben in der Öffentlichkeit — nicht etwa nur bei den Frauen, sondern ebenso bei den betroffenen Männern — einen außerordentlich lebhaften Protest ausgelöst.
Soweit bekanntgeworden ist, besteht in der Öffentlichkeit — einschließlich der Frauen der politischen Parteien — die einhellige Meinung, daß die Aufhebung des § 43 der Einkommensteuerdurchführungsverordnung nicht nur einen Schritt zurück zum Kochtopf, sondern auch, wie das hier in der zweiten Lesung schon ausgeführt wurde, einen Schlag gegen die Gleichberechtigung der Frau bedeutet. Man werfe nur einen Blick in die Leserbriefe und Leitartikel der Tageszeitungen! Ich beziehe mich auch auf die Resolutionen und Telegramme der Frauenorganisationen, der Gewerkschaften, ja sogar der Bürgervereine, die inzwischen auch dem Bundestag, dem Bundeskanzler und dem Herrn Bundesfinanzminister zugegangen sind.
Meine Herren und Damen, Sie werden mir doch zugeben, daß nicht alle diese Kreise, die Protest eingelegt haben, der Sozialdemokratie unbedingt nahestehen.
Die allgemeine Meinung geht dahin, daß Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit oberster Grundsatz des Steuerrechtes sein müssen, daß aber in diesem Falle der Grundsatz verletzt wird.
Was können denn die Befürworter dieser Maßnahme an Argumenten vorbringen? Die CDU, die durch Frau Dr. Weber vertreten wurde, ließ vortragen, daß die Voraussetzung für eine christliche Ehe die Haushaltsbesteuerung sei.
In der Zusammenveranlagung glaubt man also eine bessere Grundlage für die christliche Ehe zu haben
Es ist nachzuweisen, daß sich aus der Zusammenveranlagung gerade ein Zustand entwickelt, den niemand von den in diesem Hause vertretenen Parteien begrüßen könnte und den herbeizuführen sich auch niemand anschicken sollte.
Dann würde nämlich die billigere Lebensgemeinschaft vor der Ehe bevorzugt, also die Lebensgemeinschaft, die im Volksmunde die wilde Ehe genannt wird. Man würde also bereit sein, auf die Ehe zu verzichten, weil diese andere Lebensgemeinschaft nicht dem gleichen steuerlichen Druck wie die Ehe ausgesetzt wäre, obgleich die erstere wirtschaftlich keine geringere Stärke hätte.
Ein zweiter Gesichtspunkt wäre, aus steuerlichen Gründen, besonders bei wirtschaftlicher Notlage, eine Scheinscheidung herbeizuführen, die sich schon in wenigen Monaten bezahlt machen würde.
— Herr Wuermeling, die Praxis! — Der Herr Finanzminister hat in einem mir bekanntgewordenen Brief vom 29. August 1950 gesagt, die Zusammenveranlagung erkläre sich ideell durch das Wesen der Familiengemeinschaft, wirtschaftlich durch die erhöhte Leistungsfähigkeit. Ich muß jetzt den Herrn Minister fragen: Hält er denn die andere Gemeinschaft, die Lebensgemeinschaft, im Volksmund „wilde Ehe" genannt, etwa für ideell oder gar für ideal? Als Beweis dafür nehme ich auf einen Leserbrief Bezug, aus dem ich eine Stelle wörtlich vortrage:
Wie tröstlich ist es doch, daß der Staat, der vor 10 Jahren die Eheleute steuerlich so brutal getrennt hat, sie nun nach den Opfern und Verlusten des Krieges in trauter ehelicher Steuereinheit wieder verbindet.
Welch ein Symbol!
Auf die Ungerechtigkeit der Zusammenveranlagung habe ich in der zweiten Lesung hingewiesen. Die Öffentlichkeit hat auch folgerichtig darauf reagiert. Steuerlicher Gerechtigkeit kommt das amerikanische Steuerrecht am nächsten, weil es zu einer echten Begünstigung der Ehe führt. In den USA werden die Eheleute getrennt veranlagt. Wenn sich aber der amerikanische Steuergesetzgeber durch eine gesunde Steuergesetzgebung in die Lage versetzt, über so ausreichende Steueraufkommen zu verfügen, daß davon über die Mittel des Marshallplans erhebliche Gelder an Deutschland gegeben werden können, so wäre es Pflicht
des deutschen Gesetzgebers, sich gleichfalls einer gesunden und vor allem gerechten fortschrittlichen Besteuerung zu befleißigen.
Wenn in der Debatte gesagt worden ist, daß steuerpolitisch gesehen gar kein Interesse daran bestünde, die Ehefrau zu begünstigen, da noch so viele Arbeitslose vorhanden seien, dann dokumentiert die Regierung damit, daß sie sich selbst als unfähig erkennt, die Arbeitslosen von der Straße zu bringen, und andere werden dafür bestraft.
— Es kommt auf das Maß an, das man anlegt,
Herr Wuermeling!
Die Vergangenheit lehrt, daß man so weitgehende Ermächtigungen nicht geben soll, wie sie in § 51 vorliegen, die die Auslegung von Gesetzen in das Ermessen der Verwaltung stellen, anstatt sie, wie es der rechtsstaatliche Gedanke verlangt, der Rechtsprechung zu überlassen. Wir haben es 1934 schon einmal erlebt, daß durch eine unüberlegte Gesetzesermächtigung Rechtsprechung, Verwaltung und Gesetzgebung praktisch in eine Hand gelegt wurden. Gerade aus diesen Gründen, um dieser Unsicherheit zu begegnen, beantragen wir, daß der § 43 der Einkommensteuerdurchführungsverordnung nicht etwa nur aufrechterhalten wird, sondern darüber hinaus Gesetzesfunktion erhält.
Es ist anzunehmen, daß, wenn unser Antrag nicht angenommen wird, beherzte Vertreter einer gerechten und gleichmäßigen Besteuerung einmal den Versuch unternehmen werden, einen Musterprozeß beim Finanzgericht anzustrengen. Darüber hinaus — das hat mein Freund Greve schon vorgetragen — wird sich auch das Bundesverfassungsgericht mit der Frage zu beschäftigen haben.
Ich habe daher im Namen aller berufstätigen Frauen hier vorzutragen.
daß diese Steuervorlage nur die Ärmsten und Begabtesten, nämlich diejenigen trifft, die aus innerem oder aus äußerem Zwang arbeiten, d. h. aus Liebe zum Beruf. Ich appelliere daher an die männlichen Kollegen der CDU und der Parteien weiter rechts, die ja durch ihre Mehrheit in diesem Hause die Entscheidung herbeiführen. Die fortschrittlichen Kollegen sitzen auf der linken Seite!
Meine Herren der Rechten, die Ablehnung unseres Antrags — glauben Sie es mir — könnte dazu führen, daß Sie einen großen Teil von Frauensympathien in Deutschland einbüßen werden.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst muß ich eine sachliche Berichtigung vornehmen. Aus den Vorreden hat es so herausgeklungen, als ob die Reden gegen böse Vorschläge einer bösen Bundesregierung gehalten werden müßten. Ich stelle zunächst fest, daß zu diesem Punkt überhaupt keine Vorschläge der Bundesregierung vorliegen.
Ich stelle fest, daß lediglich im Laufe der Debatte davon gesprochen worden ist, ob § 43 der Steuerdurchführungsverordnung beibehalten werden soll, und daß ich erklärt habe, daß nach meiner Überzeugung der § 43 der Steuerdurchführungsverordnung nicht beibehalten werden kann. Er wird für dieses Jahr noch laufen, aber eine Änderung vom Jahre 1952 ab muß erfolgen.
Nun bitte ich, bei Steuergesetzen nicht sofort in allgemeine Debatten über allgemeine Prinzipien einzutreten, sondern sich zu überlegen, was die Steuergesetze wollen und wieweit sie eine wirkliche Anwendung auf diese Prinzipien darstellen.
Ich bin mit der Rednerin des Zentrums wohl darin einig, daß wir uns in unserem politischen Leben die Aufrechterhaltung von Ehe und Familie als Ziel setzen sollten.
Das Grundprinzip der Ehe und das, was sie heiligt, ist 'das Kind.
Wenn wir die Ehe aufrechterhalten wollen, müssen wir überlegen, ob die Steuergesetze, die auf die Eheleute Anwendung finden, die kinderreichen Familien benachteiligen oder nicht.
Die jetzige Handhabung des § 43 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung führt dazu, daß ein Ehepaar mit 5 Kindern, wo der Mann verdient, weil die Frau ihre mütterlichen Pflichten erfüllt und nicht in Arbeit gehen kann, mehr Steuern zahlt als zwei Doppelverdiener, die kinderlos sind, wenn sie getrennt veranlagt werden.
Wenn ich also die Ehe aufrechterhalten will und wenn ich in der Ehe den Zweck sehe, das Kind großzuziehen, und wenn ich an die kinderreiche Familie denke, dann müssen Sie mir zugeben, daß eine solche steuergesetzliche Bestimmung revisionsbedürftig ist.
Ich darf weiter daran erinnern, daß der Hinweis auf die Vereinigten Staaten von Amerika weder vom sozialen Standpunkt noch vom Standpunkt der Ehe und Familie glücklich gewählt gewesen ist.
Er ist vom Standpunkt der Ehe und Familie nicht glücklich gewählt, weil Amerika zu diesem System nur gekommen ist, da einzelne Staaten — insbesondere im Süden der Vereinigten Staaten — ein Güterrecht kennen, das unserer Auffassung von der Ehe vollkommen widerspricht, indem nicht wie bei uns in der Ehe nach dem Grundsatz unseres bürgerlichen Güterrechts alles, was die Eheleute an gemeinsamem Vermögen haben, in Verwaltung und Nutznießung als eine Einheit gilt, sondern dort der Grundsatz der reinen Trennung des Vermögens der beiden Eheteile ausgesprochen ist. Um hier die Durchführung in allen Ländern einheitlich
zu gestalten, haben sich die Vereinigten Staaten zu diesem System des splitting entschlossen. Und wer läuft dagegen Sturm in den Vereinigten Staaten? Es sind die Gewerkschaften, die Trade Unions, die dagegen Sturm laufen und mit Recht dagegen Sturm laufen, weil sie sehen — es würde sich übrigens auch bei uns so auswirken —, daß den Vorteil des splitting nicht die Wenig-Verdienenden, sondern die Hoch-Verdienenden haben. Denn es wirkt sich um so mehr aus, je höher die Steuerprogression ist.
Wenn ich den Eventualantrag im Umdruck Nr. 199 ansehe, dann scheint mir darin schon eine Erkenntnis über das Zutreffende des eben Gesagten zu liegen, weil ja hier schon davon ausgegangen ist, daß die Trennung nur für die Fälle aufrechterhalten bleiben soll, in denen ein bestimmtes Mindesteinkommen nicht überschritten wird. Darin liegt doch wohl die Erkenntnis, daß bei den höheren Einkommen der Vorteil ungerechtfertigt hoch ist.
Weiter darf ich noch sagen — weil vom Art. 3 des Grundgesetzes gesprochen worden ist —: Wir haben ja heute schon praktisch den Zustand, daß zwei nur Lohnsteuerpflichtige, die nicht veranlagt werden, wenn sie verheiratet sind und Kinder haben, beide die Kinderermäßigung genießen. Das Grundgesetz Art. 3 geht gewiß von der Gleichberechtigung der Frau aus, es geht aber nicht von der Behauptung aus, daß sowohl Mann wie Frau Kinder kriegen würden.
Diese Änderung des Naturgesetzes bringt auch unser Grundgesetz nicht zustande.
Ich muß also feststellen, daß der Art. 3 des Grundgesetzes mit dieser Handhabung sehr wenig zu tun hat.
Ich halte es für notwendig, daß wir den § 43 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung mit seinen verschiedenen Nachteilen — insbesondere für die kinderreiche Familie — einer Revision unterwerfen. Die Bundesregierung würde dabei daran denken, für die in nichtselbständiger Arbeit Stehenden unter einer bestimmten Einkommensgrenze, insbesondere soweit sie nicht veranlagungspflichtig sind, die getrennte Veranlagung beizubehalten, aber über eine gewisse Grenze hinaus besteht keine Veranlassung dazu, und vor allem muß die Benachteiligung der kinderreichen Familien aufgehoben werden.
Damit Sie aber der Bundesregierung die Möglichkeit geben können, diese Einkommensteuer-Durchführungsverordnung § 43 zu ändern; müssen Sie ihr die Freiheit lassen. Deswegen bitte ich, die Abänderungsanträge abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete. Farke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann die Haushaltsbesteuerung nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Gefährdung der Ehe, des Doppelverdienertums oder des im Grundgesetz verankerten Prinzips der Gleichberechtigung
von Mann und Frau sehen, sie ist einzig und allein
vom Standpunkt der Gerechtigkeit aus für alle Familienhaushalte zu beurteilen. In der Mehrzahl aller Familien gibt es nur einen Ehepartner als Verdiener, in der Minderheit deren zwei. Eine Steuerbevorzugung einer Minderzahl von Haushalten wie bisher ist ungerechtfertigt und kann aus Gerechtigkeits- und Billigkeitsgründen nicht gut aufrechterhalten werden. Noch ungerechter wird aber diese getrennte Steuerveranlagung von Ehegatten, wenn man an die Millionen Haushalte denkt, für die nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch und den daraus resultierenden Steuergesetzen die getrennte Steuerveranlagung untersagt ist. Das ist in allen landwirtschaftlichen, gewerblichen und handwerklichen Berufen der Fall.
In diesen Berufen kann die Frau als verpflichtete Mitarbeiterin kein Gehalt bekommen, der Haushalt durch eine getrennte Steuerveranlagung der Ehegatten einkommensmäßig nicht verbessert werden. Gerade in diesen Berufen hat die Ehefrau durchweg die schwerste Arbeitslast zu tragen, die mit der Arbeit der Frau gar nicht zu vergleichen ist, für die das Recht der getrennten Steuerveranlagung in Anspruch genommen werden soll.
Wenn ich nur daran erinnere, daß nichtbuchführenden Landwirten dafür, daß ihnen die Ehefrau als Mitarbeiterin angerechnet wird, 600 DM zugeschlagen werden, die vermehrt zu versteuern sind, so muß man doch sagen, daß es ungerechtfertigt ist, wenn man für einen kleineren Kreis sogar eine Bevorzugung haben will.
Aus Gründen der gleichen Rechte aller Ehefrauen und aus Gründen der Gerechtigkeit im besonderen wünschen wir die Haushaltsbesteuerung auch für den Kreis, der bisher eine ungerechtfertigte Bevorzugung genoß. Wenn es so weit kommen kann, daß die Haushaltsbesteuerung für alle praktisch nicht in Frage zu kommen braucht, das heißt, daß wir überall eine getrennte Besteuerung durchführen können — dazu wäre aber eine Änderung des BGB notwendig, die nicht durchführbar ist —, dann wären wir damit einverstanden. Da aber hier nur ein Teil zu dieser Bevorzugung herangezogen werden soll, können wir den Anträgen der SPD-Fraktion und der übrigen Fraktionen nicht zustimmen. Wir wünschen aus Gerechtigkeit und aus allgemeinen Rechtsgründen, daß die Haushaltsbesteuerung für alle gelten soll.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Weber.
Herr' Präsident! Meine Herren und Damen! Ich glaube, diese Debatte nimmt eine Linie an, die wir erst verfolgen können, wenn über die große Steuerreform gesprochen wird und wenn dann untersucht werden muß, ob eine Haushaltsbesteuerung gegen Art. 3 des Grundgesetzes verstößt. Darauf gehe ich nicht ein. Aber ich möchte Frau Lockmann sagen: lesen Sie doch meine Ausführungen nach! Ich habe nichts von einer christlichen Ehe gesagt, sondern ich habe von der Familiengemeinschaft gesprochen und von den Frauen, die arbeiten. Ich weiß, daß viele Frauen in der Ehe arbeiten müssen, leider viel zuviele. Frau Wessel hat darüber Dinge gesagt, die selbstverständlich sind. Es ist nur immer falsch, wenn
man annimmt, daß der andere sie nicht wüßte. Viele Frauen müssen arbeiten. Wenn sie das — so habe ich damals gesagt — tun, dann tun sie es nicht für sich. Ich kenne die guten Frauen, die arbeiten. Wenn Sie sie nach dem Grund ihrer Arbeit fragen, dann sagen sie: das tun wir vor allem für unsere Kinder. Sie denken dabei selbstverständlich auch an ihren Mann, dessen Einkommen, vor allem in gewissen Schichten — ich muß das heute einmal betonen — viel zu klein ist.
Wir vertreten den Grundsatz, daß eine soziale Ausgestaltung des Lohnes und auch gewisser Gehälter kommen müßte. Ich will aber darüber hier kenne grundsätzliche Rede halten. Ich will nur darauf hinweisen, daß ich im zweiten Teil meiner kurzen Ausführungen am 23. Mai erklärt habe: es werden Härten entstehen, und wir werden dafür sorgen müssen, daß, wenn der § 43 fällt und wenn die Haushaltsbesteuerung eingeführt wird, diese Härten beseitigt werden. Ich erkläre das noch einmal. Ich hätte damals schon
— passen Sie doch darauf auf, was ich gesagt habe; warten Sie erst einmal ab, was ich sagen will! — Vorschläge gemacht, aber ich wollte erst mit meiner Fraktion sprechen. Die Fraktion weiß, was ich ihr gesagt habe, und der Herr Finanzminister weiß es auch.
Im Namen unserer Freunde darf ich Ihnen folgendes sagen. Wir sind sehr mit dem einverstanden, was der Bundesfinanzminister hier erklärt hat. Wenn er jemals daran denkt, diese Verordnung aufzuheben, dann darf sie nicht einfach aufgehoben werden, sondern es müssen dann für die jungen Ehen und Haushaltungen, die erst aufbauen, und auch für die Minderbemittelten Vergünstigungen erreicht werden.
Für diese Schichten und auch für die kinderreichen Familien setzen wir uns ein. Wir wollen, daß in die Steuergesetzgebung ein sozialer Gedanke und ein sozialer Gehalt hineinkommt und daß die Lasten vor allem diejenigen tragen, die sie tragen können, und daß die Kleinen und Minderbemittelten — Herrn Finanzminister, wir werden Sie an Ihre Ausführungen und an Ihr Versprechen erinnern; wir haben mit Ihnen verhandelt —, die kinderreichen Familien, die jungen Ehen und Haushalte, die erst aufbauen, sowie berufstätige Frauen, die zu dem Familieneinkommen tatsächlich beitragen, berücksichtigt werden. Wir sind nicht nur theoretisch für einen Familiengedanken, sondern wir sind vor allem für einen sozialen Familiengedanken: im Interesse von Mann und Frau und Kindern und im Interesse unseres ganzen deutschen Volkes.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Loritz.
Meine Damen und Herren! Ich möchte an die Worte der Frau Vorrednerin anknüpfen. Sie sagte, sie und ihre Fraktion wünschten eine soziale Gestaltung der Besteuerung. Dazu können wir nur sagen: davon verspüren wir in dieser Steuervorlage keinen Hauch oder fast keinen Hauch.
Deswegen lehnen wir eben die neue Einkommensteuervorlage grundsätzlich ab, und zwar wegen ihrer Ungerechtigkeit! Aber innerhalb dieser allgemeinen Ungerechtigkeit ist besonders ungerecht die Zusammenveranlagung, gegen die heute von manchen Seiten des Hauses sehr treffende Worte gesprochen worden sind.
Herr Bundesfinanzminister! Sie sagten soeben, daß ein Ehepaar mit fünf Kindern mehr Steuern zu zahlen hätte, wenn unsere Vorschläge durchgingen, als ein kinderloses Ehepaar. Nun, ich habe mir die Mühe gemacht, mir die Sache im Kopf durchzurechnen.
— Meine Damen und Herren! Ich glaube, schon über Einkommensteuerfragen sprechen zu können; denn als Rechtsanwälte kennen wir diese Bestimmungen ziemlich genau, jedenfalls besser als neun Zehntel der Lacher hier im Hause. Wir müssen als Juristen das Einkommensteuergesetz kennen.
Ich kann Ihnen nur eins erklären: wir können dem Herrn Bundesfinanzminister nicht beipflichten.
Es würde mich sehr interessieren, von ihm im Detail vorgerechnet zu bekommen, inwiefern ein kinderloses Ehepaar besser stünde als ein Ehepaar mit fünf Kindern, wenn die Anträge des Zentrums und von anderer Seite, die von uns vollinhaltlich unterstützt werden, in diesem Hause durchgingen.
Meine Damen und Herren! Gerade die Zusammenveranlagung hat schon außerordentlich viel böses Blut bei der Bevölkerung draußen erregt. Es ist immerhin ein kleiner Fortschritt zu verzeichnen. Vielleicht haben die beredten Argumente, die von einigen Damen dieses Hauses vorgetragen wurden, beim Herrn Finanzminister doch nicht ganz ihre Wirkung verfehlt, da er in Aussicht stellte, die Steuerdurchführungsverordnung für das kommende oder das übernächste Jahr entsprechend abändern zu lassen. Ich kann aber nur sagen: „Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube", Herr Finanzminister! Mir fehlt der Glaube daran, daß Sie sich nach einem Jahr oder nach zwei Jahren noch daran erinnern werden. Das Parlament muß Ihnen zeigen, daß diese Zusammenveranlagung eine einzige Ungerechtigkeit sowohl aus sozialen Gründen wie auch aus Gründen der christlichen Moral ist.
Sowohl aus sozialen Gründen wie aus Gründen der christlichen Moral ist es erforderlich, daß diese Zusammenrechnung sofort fällt!
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram. — Meine Damen und Herren! Darf ich um eine gewisse Ruhe bitten! Wir erleichtern uns dadurch das Geschäft sehr.
— Selbstverständlich kommt es darauf an, welches Einkommen Sie nehmen. — Ein Monatseinkommen von 395,25 DM ergibt bei einer Familie mit fünf Kindern eine Steuer von 25 Pfennig. Bei einem Einkommen von zweimal 170 DM — —
Ich will die einzelnen Beispiele nicht vorrechnen. Ein Schnitt der beiden Linien ergibt sich erst bei einem Einkommen von 1400 DM.
Bis dahin ist die Benachteiligung durch die Zusammenveranlagung von Mann und Frau eklatant. Der Herr Bundesfinanzminister will uns doch wohl nicht weismachen, daß die große Zahl von Familien, für die er hier kämpft, ein Einkommen von über 1400 DM im Monat hätte.
Wenn er gesagt hat, die Grundlage der Familie sei das Kind, so muß ich die Frage aufwerfen: an wem liegt es denn, daß die Zuweisungen für das dritte, vierte und fünfte Kind, die wir immer und immer gefordert haben, bisher noch nicht durchgeführt sind? Warum ist die Gleichstellung der Familie mit vielen Kindern noch nicht durchgeführt worden? Warum sind die Ausgleichszahlungen noch nicht geleistet worden, die von allen Parteien dieses Hauses wiederholt gefordert worden sind? Doch deshalb nicht, weil seitens der Bundesregierung entsprechende Finanzvorlagen noch nicht gemacht worden sind und vielleicht nicht gemacht werden konnten; ich weiß es nicht.
Jedenfalls ist eines richtig: die Ungerechtigkeit, die darin liegt, daß gerade die Familien mit vielen Kindern zu hoch besteuert werden, wird von allen Seiten anerkannt. Man kann doch nicht aus der Tatsache, daß darin eine Ungerechtigkeit liegt, nunmehr einen Schluß auf eine ebenso große, wenn nicht noch größere Ungerechtigkeit an einer anderen Stelle ziehen. Darf man denn sagen: weil hier die Steuergesetze schlecht sind, deswegen müssen wir an einer anderen Stelle auch schlechte Steuergesetze machen? Das ist aber der Gedankengang, von dem der Herr Bundesfinanzminister ausgeht.
Sodann hat der Herr Bundesfinanzminister uns etwas von dem Güterrecht erzählt. Entschuldigen Sie, wenn ich darauf hinweisen muß, daß ich Jurist bin. Ich tue das sonst nicht gern. Jedenfalls die Auffassungen des Herrn Bundesfinanzministers von dem in Deutschland maßgebenden Güterrecht stimmen mit dem BGB nicht überein. Ich will mir Einzelheiten ersparen.
— Nein, das ist nicht besser, aber es würde wohl etwas neben der Sache liegen, um die es heute geht. — Ich wollte nur nicht verfehlen, diesen unrichtigen Hinweis des Herrn Bundesfinanzministers kurz niedriger zu hängen.
Der Herr Bundesfinanzminister hat zum Ausdruck gebracht, daß der Vorteil der Hochverdienenden größer sei als der der Niedrigverdienenden. Das ist selbstverständlich. Einen Steuervorteil können natürlich die Hochverdienenden in höherem Maße
in Anspruch nehmen als die Niedrigverdienenden. Aber — und das ist doch das entscheidende Argument — hier handelt es sich darum, daß Arbeitseinkommen zusammengerechnet wird. Es handelt sich nicht um Kapitaleinkommen, von dem irgendwelche Abzüge gemacht werden können. Hier sind keine Abschreibungen möglich. All die tausend Vergünstigungen, die unser Steuerrecht dem Kapitaleinkommen bietet, sind hier nicht gegeben, sondern es handelt sich nur um eine Vergünstigung für echtes Arbeitseinkommen. Diese Vergünstigung für echtes Arbeitseinkommen müßte längst in unserem Steuerrecht stärker ausgebaut sein. Gerade aus diesem Gesichtspunkt haben wir auch diesen Antrag gestellt.
Wenn er darauf hingewiesen hat, daß eine Grenze eingeführt werden soll, offenbar aus fiskalischen Gründen, dann wäre es ja für uns außerordentlich wichtig, zu wissen, welche Grenze er einführen will. Führt er nur eine sehr hohe Grenze ein, sagen wir 1000 DM, dann ist die Sache offenbar von dem gegenwärtigen Rechtszustand nur sehr wenig verschieden; denn die Lohnsteuerpflichtigen, die mehr als 1000 DM Einkommen haben, sind in einer ganz geringen Minderzahl. Will er also einen fiskalischen Effekt erzielen, dann muß er tatsächlich die Grenze so niedrig setzen, daß er schon in die große Zahl der Lohnsteuerpflichtigen hineinkommt. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, zu wissen, welche Grenze der Bundesfinanzminister, der sich ja selber als Vorkämpfer dieser Bestimmung hinstellt, hier einführen will. Wir können uns nicht mit derartigen leeren Redensarten vertrösten lassen, daß uns erklärt wird: es wird einmal eine Grenze eingeführt werden!
Das ist nicht die richtige Art, Steuergesetze zu machen, indem man sich durch leere Versprechungen einer Regierungsstelle vertrösten läßt,
sondern es ist unsere Pflicht, — —
— Aber entschuldigen Sie, den Ausdruck „Demagogie" können Sie vielleicht hier oben sachlich begründen. Solche Zwischenrufe sind hier für mich nicht weiter wichtig.
Dann wird erzählt, in der Landwirtschaft sei es auch nicht anders, in der Landwirtschaft müsse auch bei den nicht buchführungspflichtigen Landwirten eine Hinzurechnung von Arbeitseinkommen deshalb erfolgen, weil die Vergleichsbetriebe mit fremden Kräften berechnet worden seien. Aber — und das ist ja das Entscheidende — die Landwirtschaft hat zur Zeit einen Freibetrag von 1000 DM, in dem diese Begünstigung mit drinsteckt. Sie hat früher einen Freibetrag von 3000 DM gehabt, und Sie wissen alle, daß wir, jedenfalls was unsere Fraktion anlangt, bestrebt sind, diesen Freibetrag der Landwirtschaft gerade mit Rücksicht auf die Mitarbeit von Ehefrau und Kindern wieder auf die alte Höhe von 3000 DM hinaufzusetzen, weil wir auch hier einen Fehler der Steuergesetze entdeckt zu haben glauben. Man kann nicht mit einem Feh-
ler der Steuergesetze hier einen anderen Fehler begründen.
Ich glaube deshalb, die sachlichen Richtigstellungen des Bundesfinanzministers waren in tatsächlicher Hinsicht keine Richtigstellungen, sondern sie waren nur die gefärbte Meinung einer Partei und können deshalb hier nicht als die zuverlässige Unterlage für eine Urteilsbildung gelten,
Das Wort hat der Abgeordnete Pelster.
Meine Damen und Herren, es liegt außerhalb meiner Möglichkeit, vier Rednern gleichzeitig das Wort zu geben. Ich bitte, dafür Verständnis zu haben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen Bertram veranlassen mich, einen Vergleich zu ziehen. Vor Jahren, vor langen Jahren war es stets das Parlament, das vielleicht die Bewilligungsfreudigkeit der Regierung bremsen mußte. Heute ist es oft so, daß die Regierung die Bewilligungsfreudigkeit des Parlaments bremsen muß. Ich möchte dazu eines sagen: Man hat bald das Gefühl, als wenn wir im Überfluß Geld hätten, als wenn wir jetzt versuchen müßten, die Staatseinnahmen möglichst herunterzudrücken.
Das nur dazu; und jetzt zur Einkommensteuer. Der Herr Kollege Bertram und der Herr Kollege Loritz haben im Kopf überrechnet, welche Steuer bei der Familienbesteuerung und bei der Einzelbesteuerung zu zählen ist. Sie bezweifeln das, was der Herr Minister gesagt hat.
Ich habe genaue Zahlenbeispiele einmal durchgerechnet. Wenn bei einem kinderlosen Ehepaar der Mann 300 DM und die Frau 200 DM verdient, also das Einkommen insgesamt 500 DM beträgt, wird eine Steuer von 19,80 DM gezahlt, getrennt veranlagt nach der Lohnsteuer. Jetzt nehmen Sie die Familie, in der die Ehefrau nicht tätig ist. Dann zahlt bei 500 DM Einkommen dieses Ehepaar 46 DM. Wenn dieses Ehepaar vier, fünf Kinder hat, dann zahlt es mit vier Kindern 15,50 DM Steuer, während das kinderlose Ehepaar, von dem beide Teile arbeiten, nur 19,80 DM bezahlt.
Nehmen Sie ein anderes Beispiel — die Zahlen sind ja nicht aus der Luft gegriffen, Sie können sie jederzeit haben —: 500 DM der Ehemann, 300 DM die Ehefrau, das sind 800 DM Einkommen. Die Steuer, die beide nach der Steuertabelle zu zahlen haben, beträgt 74,05 DM. Wenn jetzt dieselbe Familie ohne die Mitarbeit der Ehefrau 800 DM Einkommen hat, dann muß dieser Steuerpflichtige 160,40 DM zahlen. Wenn er fünf Kinder hat — und dann kann die Ehefrau nicht mehr mitarbeiten —, dann zahlt er 72,50 DM Steuer, während das kinderlose Ehepaar, von dem beide Teile arbeiten, 74,05 DM zahlt.
Nehmen Sie ein Einkommen von je 500 DM, für beide zusammen 1000 DM; dann zahlen sie zusammen 117 DM Steuer. Wenn der Ehemann allein arbeitet und 5 Kinder vorhanden sind, zahlt dieser
Steuerpflichtige mit 1000 DM Einkommen monatlich 140,40 DM Steuer, während das kinderlose
Ehepaar, beide in Arbeit, nur 117 DM Steuer zahlt.
Nehmen Sie ein Beispiel aus den freien Berufen, wo wir ja die Haushaltsbesteuerung haben. Wenn der Ehemann 40 000 DM und die Ehefrau 20 000 DM verdient, zahlen die Eheleute bei getrennter Veranlagung zusammen 24 600 DM Steuer. Wenn die Ehefrau nicht mitarbeiten kann und 6 Kinder vorhanden sind, dann zahlt dieser Eheman mit 60 000 DM Einkommen 27 195 DM Steuer, das kinderlose Ehepaar 24 600 DM. Die Familie mit 6 Kindern zahlt 2 595 DM mehr .als das kinderlose Ehepaar. Dann davon zu reden, daß die Haushaltsbesteuerung kinderfeindlich, familienfeindlich war, das geht über das hinaus, was ein vernünftiger Mensch noch fassen kann.
Meine Damen und Herren, ich wäre sehr dankbar, wenn die Auseinandersetzungen zu dieser Frage in den geschäftsordnungsmäßigen Formen hier vorn am Rednerpult und nicht hinten im Saal in etwas schwierigerer Form ausgetragen würden.
Das Wort hat der Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte an sich keinen weiteren Beitrag zur Diskussion liefern, weil ich der Meinung bin, daß die Gemüter allmählich erhitzt genug sind. Die Frage hat wie alle Dinge in der Tat ihre zwei Seiten. Ich möchte davor warnen, die Argumente nach der einen oder nach der andern Seite zu überspitzen.
Ich habe mich aus folgendem Grunde zu Wort gemeldet. Bei der sehr eingehenden Diskussion über diese Frage in unserer Fraktion hat der Herr Bundesfinanzminister zu der Frage der Rechtsverordnung, die, wenn der Beschluß der zweiten Lesung aufrechterhalten wird — wie es ja vorhin auch gesagt wurde —, bis auf weiteres noch besteht, ausdrücklich erklärt, daß er, wenn er beabsichtigen würde, diese Rechtsverordnung zu ändern, dies nur im Benehmen mit dem Parlament tun würde. Ich bedaure, daß aus der vorherigen Erklärung des Herrn Bundesfinanzministers diese Zusicherung nicht zu entnehmen gewesen ist. Ich möchte deshalb den Herrn Bundesfinanzminister von dieser Stelle aus fragen, ob er nach wie vor an dieser Zusicherung festhält oder ob er inzwischen anderer Meinung geworden ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Koch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie werden nicht von mir erwarten, daß ich die Beispiele, die uns der Kollege Pelster genannt hat, sofort habe nachrechnen können. Ich habe aber selber ähnliche Beispiele in dem gleichen Moment, in dem sie hier vorgetragen wurden, gebildet und möchte Ihnen aus der Monatslohnsteuertabelle, die mir hier vorliegt, diese Beispiele einmal vor Augen führen. Bei einem Einkommen von 1 000 DM zahlt ein Steuerpflichtiger, der 5 Kinder hat — und damit kommen wir auf die völlig verfehlten Beispiele des Herrn Finanzministers zurück — 142 DM Steuer. Nun lassen Sie mich diese 1 000 DM einmal auf das Ehepaar aufteilen. Wenn ich zweimal 500 DM Einkommen des Mannes und der Frau annehme, dann bezahlen beide zusammen
196 DM Steuer, also 50 DM oder mehr als 30 % mehr. Wenn ich einmal anders aufteile und davon ausgehe, daß der Mann 800 DM und die Frau 200 DM verdient, dann bezahlen sie zusammen immer noch 19'0 DM Steuer, obwohl der Steuersatz bei 200 DM verhältnismäßig klein ist. Ich habe die Beispiele des Kollegen Pelster auf ihre Richtigkeit nicht nachrechnen können. Aber diese Beispiele hier sind in diesem Augenblick richtig berechnet.
Wir verweisen auf unseren Antrag — wir werden ihn nachher noch begründen —, daß die Freibeträge für die Ehegatten und für die Kinder aus sozialen Gründen und auch im Interesse der Vereinfachung des Steuerrechts wesentlich erhöht werden. Nehmen Sie unseren Antrag an, und Sie werden ganz große Ungerechtigkeiten aus unserem Steuerrecht beseitigen können.
Der Herr Bundesfinanzminister hat bedauerlicherweise nur sehr wenig zu dem Prinzip der Gleichberechtigung von Mann und Frau gesagt. Die Scherze, mit denen er hier über dieses Problem hinweggegangen ist, vermögen wir ihm nicht abzunehmen. Wir verweisen auf das Grundgesetz, das in diesem Punkt eine klare Sprache spricht; und über die Artikel des Grundgesetzes können wir nicht scherzhaft hinweggehen.
Der Herr Bundesfinanzminister hat von den amerikanischen Gewerkschaften gesprochen. Bedauerlicherweise pflegen die Hinweise auf das Ausland und die Vergleiche mit dem Ausland bei dem Herrn Bundesfinanzminister in der Regel zu verunglücken. Hier im Saale sitzen Vertreterinnen der großen amerikanischen Gewerkschaften AFL und CIO. Sie haben uns in diesem Moment bestätigt, daß die amerikanischen Gewerkschaften gar nicht daran denken, den augenblicklichen Zustand zu beseitigen,
daß sie für die Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Zustandes sind, wonach der steuerpflichtige Ehepartner das Wahlrecht hat, ob er getrennt oder zusammen veranlagt werden will. Und wenn einer ein Wahlrecht hat, dann wird er sich in jedem Falle das Günstigste auswählen. Zum mindesten stehen die amerikanischen Gewerkschaften auf dem Standpunkt, daß Arbeitseinkommen niemals zusammen veranlagt werden dürfen. Dieser Standpunkt wird, wie ich sagte, heute noch aufrechterhalten, so daß der Hinweis des Herrn Bundesfinanzministers auf das Ausland bedauerlicherweise wieder einmal ins Leere traf.
Der Herr Bundesfinanzminister fordert uns auf, nicht über Prinzipien zu sprechen. Ich habe das Gefühl, daß es gerade der Herr Bundesfinanzminister ist, der immer wieder auf Prinzipien zurückkommt. Auch er hat heute von der Heiligkeit des Ehestandes gesprochen. Warum bestraft man denn dann diejenigen, die jetzt zweifach verdienen, wenn sie sich in der Ehe zusammentun? In irgendeiner der Kritiken an dem Beschluß des Bundestags aus der zweiten Beratung habe ich gelesen, daß dieser Beschluß des Bundestags eine „fiskalische Aufforderung zur wilden Ehe" gewesen sei.
Noch ein anderes Wort aus der vergangenen Lesung muß angeprangert, festgenagelt werden, nämlich das Wort, das der Abgeordnete Dr. Wuermeling hier gesprochen hat, wenigstens dem Sinne nach, daß die Regierungsparteien aus arbeitspolitischen Gründen „gar kein Interesse" an dieser Steuererleichterung hätten.
Meine Damen und Herren! Wollen Sie dadurch, daß Sie die mitverdienende Ehefrau steuerlich bestrafen, den Arbeitsmarkt regeln? Soll das ein Ersatz für die fehlenden Arbeitsbeschaffungsprogramme sein? Soll uns das darüber hinweghelfen, daß wir auf Grund der Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung heute noch mehr als eine Million Arbeitslose haben?
Meine Damen und Herren! Wenn Sie diese arbietspolitischen Gründe nicht anerkennen wollen, dann sprechen wir einmal von den finanzpolitischen Gründen. Der Herr Bundesfinanzminister kämpft um 40 Millionen in diesem Rechnungsjahr, um 100 Millionen in jedem weiteren Rechnungsjahr. Ich bedaure, daß ich auf die Steuerreform des vergangenen Jahres zurückkommen muß. Damals haben Sie für einen überschaubaren Kreis von Steuerpflichtigen Hunderte von Millionen übrig gehabt,
und Sie weigern sich heute, diese Steuersenkung rückgängig zu machen.
Ich möchte aus meinen Ausführungen zu unserem nächsten Antrag ein Beispiel vorwegnehmen, das in diesen Zusammenhang paßt. Wir haben 118 000 Steuerpflichtige, die ein Einkommen von über 25 000 DM haben. Nach den Berechnungen des wirtschaftswissenschaftlichen Institutes der Gewerkschaften beträgt das Durchschnittseinkommen dieser 118 000 Menschen 48 000 DM.
Die Steuersenkungen des Vorjahres, die auch heute noch gelten, machen bei jedem dieser Einkommen 6500 DM aus, d. h. bei 118 000 Steuerpflichtigen 767 Millionen DM, genau ausgerechnet.
Diese Steuersenkungen werden nicht rückgängig gemacht; aber 100 Millionen wollen Sie aus den Ehen herausholen, in denen die Ehefrau häufig aus der Not heraus, aber auch weil man sich nach all den Verlusten des Krieges etwas anschaffen möchte, zur Doppelarbeit gezwungen ist.
Ich habe vor mir liegen zwei Abschnitte aus einer Zeitung. Ich bin nicht so vermessen, zu sagen, daß sie uns nahesteht, sie steht Ihnen näher; es ist das Handelsblatt. Der eine Artikel ist überschrieben „Die unsittliche Ehefrau". In ihm wird auf die Äußerungen des Abgeordneten Dr. Wuermeling Bezug genommen. Ich darf zitieren:
Ist das nicht ein Schlag ins Gesicht der Frau,
die ein geruhsames häusliches Dasein opfert
und mitschafft am finanziellen Fundament
ihrer Familie? ... Die Vermutung liegt nahe,
daß man im Bonner Plenum alle diese Überlegungen gar nicht erst angestellt hat.
An anderer Stelle ist von einer „oberflächlichen Betrachtungsweise" die Rede. Wir sollten uns diese Worte dieser Zeitung zu Herzen nehmen.
Meine Damen und Herren! Der Herr Finanzminister und Frau Abgeordnete Weber verweisen uns auf die Zukunft. Wir und diejenigen, für die wir hier kämpfen, wünschen keinen Wechsel auf die Zukunft.
Wir wollen eine Entscheidung haben: hier und heute!
Wir stellen den Antrag, daß wir namentlich abstimmen. Wir möchten diejenigen kennenlernen, die gegen diese Anträge stimmen.
Darf ich vermuten, daß Sie zu Ihrem Antrag Nr. 192 namentliche Abstimmung beantragen?
Herr Bundesminister der Finanzen, wünschen Sie zunächst das Wort zu nehmen? — Bitte!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Abgeordneter Horn hat eine Frage an mich gerichtet, die ich von hier aus beantworten möchte und die mir Gelegenheit gibt, auf einige freundliche Bemerkungen, ,die mir gewidmet worden sind, gleichzeitig einzugehen.
Ich möchte zunächst bestätigen: von den Beispielen, die der Herr Kollege Pelster in diesem Hause erwähnt hat, sind einzelne mir bekannt und nachgerechnet, und bis auf den Unterschied von wenigen Pfennigen muß ich bestätigen, daß diese Beispiele im Zahlenergebnis richtig sind.
Zweitens ist mir vorgehalten worden, daß ich Unglück mit meinen Behauptungen über die Einstellung fremder Organisationen hätte. Ich habe aber das Glück, das, was ich behaupte, sehr häufig und auch in diesem Falle insofern beweisen zu können,
als in meinem Hause eine Denkschrift über diese Frage der amerikanischen Trade Unions liegt, die von mir freundlichst der Opposition dieses Hauses zur Verfügung gestellt wird. Daraus möge sich die Opposition dieses Hauses darüber vergewissern, wie die offizielle Einstellung der amerikanischen Gewerkschaften zu dieser Frage ist.
Ich freue mich sehr, Ihre Aufmerksamkeit auf mich bezogen zu sehen.
Es wird immer — auch von- dem Herrn Vorredner der SPD — von der „Strafe" der Ehe gesprochen. Ich bitte, doch einmal die Dinge so zu betrachten, wie sie sind.
Die Ehe als solche wird im Steuerrecht in die Steuerklasse II eingerechnet. Die Tatsache der Ehe hat von sich aus also eine steuerliche Begünstigung zur Folge. Die wirtschaftliche Tatsache der gemeinsamen Haushaltführung wird unbestritten bei all den Ehen, in denen nicht etwa der eine Teil nicht selbständig, sondern die Ehefrau etwa als Ärztin selbständig arbeitet, nach den wirtschaftlichen, güterrechtlichen, tatsächlichen Verhältnissen als eine Einheit behandelt.
Aus arbeitsmarktpolitischen Gründen ist seinerzeit im Jahre 1925 und dann im Jahre 1943 eine Ausnahme geschaffen worden, die sich heute in dem § 43 der Steuerdurchführungsverordnung findet. Man meint heute — und das ist auch der Sinn des Antrages auf namentliche Abstimmung —, jetzt muß entschieden werden, sofort muß entschieden werden. Es geht jetzt gar nicht um die Entscheidung!
Es ist j a von der Regierung gar nicht beabsichtigt,
den § 43 der Steuerdurchführungsverordnung
j et z t aufzuheben! Die Regierung hat ausdrücklich erklärt, daß 'der § 43 der Steuerdurchführungsverordnung für dieses Jahr, schon aus rein technischen Gründen, nicht berührt werden wird, also so bleibt, wie er heute ist. Die drohende Gefahr, von der hier gesprochen wird und die mit einer spfortigen Abstimmung abgewehrt werden müsse, ist somit gar nicht gegeben. Was ich gesagt habe, war, daß die Bestimmung des § 43 der Steuer-durchführungsverordnung revisionsbedürftig ist, und zwar gerade unter dem Gesichtspunkt, daß sie eine tatsächliche Benachteiligung und Schlechterbehandlung der kinderreichen Familie gegenüber den getrennt arbeitenden und infolgedessen auch steuerlich getrennt behandelten kinderlosen Ehegatten bedeutet. Das habe ich festgestellt, und dieses Revisionsbedürfnis muß von jedem zugegeben werden.
Nun bin ich gefragt worden, ob ich bei der Durchführung dieser Revision das Parlament zu beteiligen bereit sei. Selbstverständlich! Ich stelle mir das in der Form vor, daß ich rechtzeitig dem Haushaltsausschuß oder dem Finanzausschuß dieses Hauses, je nach Gelegenheit, von den Grundsätzen, nach denen an eine Revision des § 43 der Steuerdurchführungsverordnung herangegangen werden soll, Kenntnis gebe und damit die Möglichkeit habe, auch die Meinung der politischen Parteien zu hören. Abgesehen davon würde ich diese Meinung aber auch dadurch hören, daß jede Durchführungsverordnung, die sich auf Fragen gerade der Länder bezieht, im Benehmen mit dem Bundesrat erlassen werden muß, infolgedessen sämtliche Länderregierungen in ihren verschiedenen parteipolitischen Einstellungen sogar positiv zu dem Problem Stellung nehmen müssen. Es kann also gar kein Gedanke daran sein, daß man heute eine Gefahr abwehren müsse, weil der böse Bundesfinanzminister Pläne habe, bei denen er die politischen Parteien im Bundestag etwa ausschließen wolle.
Meine Damen und Herren, es liegen noch drei Wortmeldungen vor. Ich darf an Sie 'appellieren, daß es damit genug ist und daß wir nicht mit weiteren Zahlenbeispielen aufwarten; sonst werden wir noch zu Sachverständigen gegenüber den Finanzämtern!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Neuburger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann Ihrem Wunsche, Herr Präsident, leider nicht entsprechen. Ich wollte nicht gern noch einmal hier heraufgehen. Aber da namentliche Abstimmung verlangt wird, muß ich Ihnen doch der Klarstellung wegen folgende Beispiele zu überlegen geben mit der Frage, ob Sie das Fortbestehen dieses Zustandes — ganz abgesehen davon, ob der Zustand überhaupt geändert wird — für steuerlich gerecht ansehen würden.
Vor mir liegt die Lohnsteuertabelle. Ich will nicht mit großen Einkommen rechnen, denn hier geht es ja um den Schutz der Kleinen. Nehmen wir nur einmal ein Einkommen von 150 DM pro Monat! Wenn der Ehemann 150 DM pro Monat verdient, die Ehefrau ebenfalls 150 DM, und beide werden nach der derzeitig bestehenden Regelung des § 43 der Durchführungsverordnung veranlagt,
dann zahlt jeder dieser beiden nach dieser Tabelle monatlich an Steuern 1,25 DM. Nun gibt 150 und 150 300.
— Danke! Sie wissen genau, warum ich das sage; Sie' brauchten daher nicht zu klatschen! Wenn der Mann allein verdient oder wenn die Ehefrau mitarbeitet — ich erinnere an die gesamte gewerbliche Wirtschaft, an Handwerk, Einzelhandel usw., in denen ein oder gar zwei Millionen Arbeitskräfte beschäftigt sind —, dann zahlen beide bei einer gleichen Veranlagung mit 300 DM bei einem Kind 9,15 DM statt 2,50 DM, bei zwei Kindern noch 7 DM, also das Zweineinhalbfache, und bei drei Kindern 4 DM, also beinahe 200 %.
— Ich sagte: nach der derzeitigen Regelung wird ein kinderloses Ehepaar, wenn es getrennt veranlagt wird, mit je 1,25 DM besteuert. Hat es Kinder, dann haben nach der derzeitigen Regelung beide die Steuervergünstigung, auch noch für die Kinder. Es besteht also die Ungleichheit gegenüber denjenigen Ehegatten, die genau so von morgens bis abends im Betrieb stehen — ich erinnere nochmals -an die gewerbliche Wirtschaft, ich erinnere an die gesamte Landwirtschaft — und die ein Vielfaches bezahlen müssen, und zwar beginnend schon mit den kleinsten Einkommen, die überhaupt steuerpflichtig sind. Wenn Sie das, meine Herren, gerecht finden, wenn Sie dann der Auffassung sind, daß diese Dinge nicht einmal revisionsbedürftig sind, dann freuen Sie sich Ihrer Gerechtigkeit!
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bertram.
Meine Damen und Herren! Die Zahlenbeispiele gehen von einer falschen Voraussetzung aus, und zwar insofern
— das können Sie ja noch gar nicht wissen, weil Sie gar nicht wissen, was ich sagen will! —, und zwar insofern, als bei der getrennten Veranlagung von der Steuerklasse II ausgegangen wird, während nach unserem Antrag bei der getrennten Veranlagung der Ehegatten jeder einzelne nach der Steuerklasse I veranlagt werden soll.
Man kann deshalb doch auch nur die Steuerbeträge der Steuerklasse I, nämlich für Nichtverheiratete, zusammenrechnen und nicht einen ganz anderen Antrag zugrundelegen, der überhaupt nicht gestellt worden ist. Hier wird so getan, als wenn zusammengerechnet werden sollte die Begünstigung, die die Ehegatten in der Steuerklasse II genießen, auch dann noch, wenn unser Antrag angenommen werden sollte. Insofern liegt eben ein grundsätzlicher Rechenfehler vor, und dieser wirkt sich, wie ich das schon dargelegt habe, dahin aus, daß sich erst bei einem Einkommen von 1400 DM eine Überschneidung ergibt.
Wir haben schon in der zweiten Lesung darauf hingewiesen, daß unseres Erachtens die geltende Rechtslage — die geltende Rechtslage wohlgemerkt!
— gegen Art. 6 des Grundgesetzes verstößt. Art. 6 des Grundgesetzes ist in Art. 117 nicht aufgeführt,
Es ist deshalb erforderlich, daß, um der geltenden Rechtslage nach dem Grundgesetz nachzukommen, unser Antrag angenommen wird, d. h. daß die getrennte Veranlagung durchgeführt wird, daß Mann und Frau getrennt veranlagt werden, weil wir sonst gegen das Grundgesetz verstoßen. Es ist in Art. 117 nur Art. 3 aufgeführt, nicht Art. 6, und eine Übergangszeit für Art. 6 gibt es gar nicht. Ich bitte deshalb, die Ausführungen des Bundesfinanzministers, die darauf hinauslaufen, die Sache sei ja nicht so wichtig, richtig zu verstehen, d. h. also, daß nur das nicht selbständige Arbeitseinkommen der Ehefrau noch für das laufende Jahr von der Zusammenveranlagung befreit sein würde. Aber, meine Damen und Herren, ist das denn richtig? Wenn die Ehefrau einen Betrieb hat und der Mann irgendwo als Buchhalter arbeitet, dann tritt jetzt schon der kuriose Zustand ein, daß beide zusammen veranlagt werden. Was halten Sie von diesem merkwürdigen Gleichheitsprinzip, daß zwar die Ehefrau gemäß § 43 der Durchführungsverordnung zum Einkommensteuergesetz nicht zusammen veranlagt wird, wenn sie in einem dem Mann fremden Betrieb in nicht selbständiger Arbeit tätig ist, daß aber im umgekehrten Falle, wenn der Mann in nicht selbständiger Arbeit tätig ist, die Zusammenveranlagung erfolgt? Daß das nicht Gleichheit vor dem Gesetz ist, liegt doch auf der Hand, und selbst der kühnste juristische Haarspalter kann nicht behaupten, das sei Gleichheit vor dem Gesetz.
Ich glaube, ich brauche die Beispiele nicht auszuführen. Auch für den Fall der selbständigen Arbeit, wenn zwei in selbständiger Arbeit stehen, ergeben sich natürlich die gleichen Folgerungen. Ich will das hier nicht wiederholen, um die Debatte nicht auszudehnen.
Es ist deshalb von entscheidender Bedeutung, daß Sie bereits jetzt unserem Antrag zustimmen, der meiner Ansicht nach der einzige ist, der mit den Bestimmungen des Grundgesetzes vereinbar ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Höpker-Aschoff.
Meine Damen und Herren! Ich vermag beim besten Willen nicht einzusehen, aus welchen Gründen eine Haushaltsbesteuerung gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung verstoßen sollte.
Es liegt auf der Hand, daß eine Haushaltsbesteuerung zwei Ehegatten härter trifft als eine getrennte Besteuerung. Aber wenn diese härtere Wirkung der Haushaltsbesteuerung von dem Gesetzgeber verfügt ist, so trifft sie sowohl den Mann wie die Frau.
Es kann also gar nicht die Rede davon sein, daß hier eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichberechtigung vorliegt.
Meine Damen und Herren, unser Grundgesetz enthält aber noch einen anderen Grundsatz, nämlich den, daß gleiches Recht für alle gelten soll;
und wenn gleiches Recht für alle gelten soll, dann kann die Entscheidung in dieser uns berührenden Frage nur so lauten: Entweder gibt es überall eine Haushaltsbesteuerung oder überall eine getrennte Besteuerung.
Es kann aber nicht so sein, daß die getrennte Besteuerung nur für bestimmte Steuerschuldner vorgesehen ist, wie dies jetzt der Fall ist. Es gibt Hunderttausende von Bauern, es gibt Hunderttausende von Handwerkern, es gibt Hunderttausende von Einzelhändlern und eine große Zahl von selbständigen Unternehmern, die sich jahraus, jahrein mit ihren Frauen in gemeinsamer Arbeit plagen.
Niemand denkt daran, hier einen Strich zu machen und das Einkommen in zwei Teile aufzuteilen und eine getrennte Veranlagung durchzuführen.
Also, meine Damen und Herren, wenn Sie gerecht sein wollen, dann können Sie nur auf der ganzen Linie eine getrennte Besteuerung durchführen, oder Sie müssen auf der ganzen Linie die Haushaltsbesteuerung haben. Wenn Sie auf der ganzen Linie die getrennte Besteuerung durchführen wollten, würde das zur Zeit einen Schnitt bedeuten, den niemand vertragen kann.
Das müssen wir bis zu einer grundsätzlichen Reform des Steuerrechts überhaupt zurückstellen. Aus allen diesen Gründen bitten meine Freunde Sie dringend, an den Beschlüssen der zweiten Lesung festzuhalten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Koch. Weitere Wortmeldungen liegen bisher noch nicht vor.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister ist noch einmal auf seinen Hinweis bezüglich der amerikanischen Gewerkschaften zurückgekommen.
Dazu können wir im Moment keine Stellung nehmen.
Wir können aber Stellung nehmen zu einer anderen Bemerkung des Herrn Bundesfinanzministers, der erklärt hat, die Bundesregierung habe nicht die Absicht, den § 43 der Durchführungsverordnung über die Zusammenveranlagung aufzuheben, und es sei außerdem unmöglich, etwas Derartiges während des Rechnungsjahres zu machen. Diese Erklärung können wir auf ihren Gehalt prüfen, und zwar an Hand der Drucksache Nr. 1982, die das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes enthält und in der Anlage das Memorandum der Bundesregierung zur Begründung der Entwürfe von Steuerveränderungsgesetzen enthält. Auf Seite 28 lesen Sie: „Voraussichtliches Mehraufkommen an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer im Rechnungsjahr 1951 — Ziffer 10 — Aufhebung des § 43 EStDV
(mitverdienende Ehefrau) im Laufe des Rechnungsjahres 1951: 40 Millionen DM".
Aus diesem Grunde bitten wir Sie, meine Damen und Herren, unseren Anträgen zuzustimmen, die wir gestellt haben, da wir im Moment nicht recht wissen, welche dieser Erklärungen des Herrn Finanzministers nun für uns Gültigkeit haben soll.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es hat folgende Erklärung Gültigkeit. Die Ände-rung des § 43 der Einkommensteuerdurchführungsverordnung, wenn sie beabsichtigt wäre, könnte immer nur erfolgen für ein K a 1 e n d e r j a h r. Das war das, was ich sagen wollte. Sie kann also nur erfolgen vom 1. Januar zum 1. Januar und kann nicht erfolgen im Laufe des Kalenderjahres 1951, sondern frühestens für das Kalenderjahr 1952.
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung. Ich darf unterstellen, daß alle Mitglieder des Hauses sich über die vorliegenden Anträge im klaren sind.
— Ich weise noch einmal darauf hin: es liegen vor der Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 192 unter Ziffer 1, der Eventualantrag auf Umdruck Nr. 199, der Antrag der Fraktion der KPD auf Umdruck Nr. 195 unter Ziffer 4 und der Antrag der Fraktion des Zentrums auf Umdruck Nr. 196 unter Ziffer 2. Der Antrag der Fraktion der KPD ist der weitestgehende.
Ich lasse über diesen Antrag abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag auf Umdruck Nr. 195 unter Ziffer 4 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Weiterhin liegt der Antrag der Fraktion des Zentrums auf Umdruck Nr. 196 unter Ziffer 2 vor. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
— Herr Abgeordneter Loritz, wenn Sie das Präsidium übernommen haben, werden S i e darüber bestimmen; im Augenblick aber nicht.
— Der Vorstand ist im Gegensatz zu Herrn Abgeordneten Loritz der Auffassung, daß die Abstimmung zweifelhaft ist. Ich bitte, die Abstimmung in der Form des Hammelsprunges durch-zu führen.
Meine Damen und Herren, darf ich bitten, soweit Sie abstimmungsberechtigt sind, den Saal zu verlassen.
— Bestimmen Sie doch eine der Damen oder einen der Herren, Herr Kollege Matzner! —
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich bitte, die Abstimmung zú schließen.
Meine Damen und Herren, das Ergebnis der Abstimmung über den Antrag der Fraktion des Zentrums ist folgendes: Ja 152, Nein 163, Enthaltungen 6. Der Antrag ist abgelehnt.
Hinsichtlich des Antrags der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 192 Ziffer 1 ist vom Herrn Abgeordneten Dr. Koch namentliche Abstimmung beantragt worden. Ich darf annehmen, daß dieser Antrag auf namentliche Abstimmung hinreichend unterstützt wird. Ich bitte die Damen und Herren, die für namentliche Abstimmung sind, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit. Der Antrag auf namentliche Abstimmung ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 192 Ziffer 1. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. —Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Die Fraktion der SPD hat einen Eventualantrag — Umdruck Nr. 199 — gestellt. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Eventualantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? —.Meine Damen und Herren, es ist dem Sitzungsvorstand unmöglich, zu erkennen, welches die Mehrheit ist. Ich bitte, die Abstimmung in der Form des Hammelsprungs vorzunehmen. Für eine Beschleunigung der Abstimmung wäre ich Ihnen dankbar.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich bitte, die Abstimmung zu schließen.
Meine Damen und Herren! Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung über den Eventualantrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 199 bekannt. Mit Ja haben 159 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 158. 4 Enthaltungen. Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf Ziffer 11.
— Da wir uns nun die ganze Zeit seit einigen Stunden über 10 a unterhalten, würde ich vorschlagen, das nicht weiter fortzusetzen, Herr Abgeordneter Dr. Koch. — Zu Ziffer 11 liegen vor ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 192 Ziffer 2, ein Eventualantrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 192, ein Antrag der SPD auf Umdruck Nr. 193 und ein Antrag der Fraktion der KPD Umdruck Nr. 195 Ziffer 5. — Wird das Wort gewünscht?
— Herr Abgeordneter Dr. Koch, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit unseren Anträgen auf Umdruck Nr. 192 Ziffer 2 und Nr. 193 wiederholen wir zwei Anträge, die wir schon bei der Beratung der Einkommensteuerreform im Frühjahr 1950 gestellt hatten und bei der zweiten Beratung dieses Gesetzes wieder gestellt haben.
Unsere Anträge enthalten vier Kernstücke. Wir wünschen erstens die Rückgängigmachung der Tarifsenkungen des Vorjahres bei allen Einkommen über 6000 DM jährlich, sodann zweitens die Zerlegung der Einkommensteuer in eine Normalsteuer und eine Zusatzsteuer. Drittens wollen wir die Schaffung wesentlich höherer Freibeträge, als wir sie heute kennen, für Ehegatten und Kinder und
für den Steuerpflichtigen selbst, und schließlich die Beseitigung der Steuertabelle B.
Zu Punkt 1 — Rückgängigmachung der Tarifsenkungen des Vorjahres bei allen Einkommen über 6000 DM jährlich — möchte ich kurz das Beispiel wiederholen, das ich in der Diskussion zu Ziffer 10 a vortragen durfte. Wir haben darauf hingewiesen, daß wir neuerdings 118 000 Steuerpflichtige mit einem Einkommen von über 25 000 DM jährlich haben. Vor mehr als einem Jahr waren es nach den uns vorliegenden Berechnungen erst 86 000 Steuerpflichtige. Inzwischen sind es mehr geworden. Unsere neue Ziffer stammt aus dem Mai 1950. Wir könnten wahrscheinlich bei der Steigerung der Nominaleinkünfte und Nominallöhne mit wesentlich höheren Ziffern rechnen, als wir es jetzt in unserer Berechnung zur Begründung unserer Anträge tun. Ich gehe also von diesen 118 000 Steuerpflichtigen mit einem Einkommen von mehr als 25 000 DM im Jahr aus. Sie haben ein Durchschnittseinkommen von 48 000 DM.
Die Steuersenkung beträgt 6500 DM für jeden Steuerpflichtigen; d. h. Sie haben durch Ihre Beschlüsse vom vergangenen Jahr nunmehr Jahr für Jahr auf einen Steuerbetrag von mehr als 700 Millionen DM bei nur 100 000 Steuerpflichtigen verzichtet. Dafür gibt es keine durchschlagenden Gründe.
Der Herr Bundesfinanzminister hat uns bei der Beratung der Steuerreform im Jahre 1950 selbst erklärt, daß er mit ganz beträchtlichen Steuerausfällen rechne. Diese Steuerausfälle sind im letzten Jahre eingetreten, und in diesem Jahre werden noch wesentlich mehr Ausfälle kommen. Wenn der Herr Bundesfinanzminister im vergangenen Jahr mit einem Steuerausfall von 900 Millionen DM rechnete, dann berücksichtigte er dabei nicht den Trend der Einkommensteuer, die allgemein steigende Tendenz. Wir behaupten, daß uns die Steuerreform des vergangenen Jahres jährlich 11/2 bis 2 Milliarden DM kostet.
Die Rückgängigmachung dieser Tarifsenkungen begründen wir auch damit, daß sich die Hoffnungen, die man an diese Tarifsenkungen seinerzeit geknüpft hat, nicht erfüllt haben. Diese Tarifsenkungen haben zu unnützen Selbstfinanzierungen in einem allzugroßen Maße geführt. Sie haben nicht zu einer Hebung des Kapitalmarktes beigetragen, dessen wir so dringend bedürfen, insbesondere für die Engpaßindustrien. Sie haben vor allen Dingen auch nicht — und das wird heute ein jeder anerkennen — zu einer Hebung der Steuermoral beigetragen, sondern sie haben die gegenteiligen Folgen gehabt. Sie haben einen unnötigen Luxuskonsum gefördert; sie haben zu einer allgemeinen Kapitalverschwendung durch Selbstfinanzierung geführt, obwohl wir dringendst die Mittel gebrauchten, um Kohle und Eisen, Energie und andere Engpaßindustrien zu finanzieren.
Was die Hebung der Steuermoral angeht, so ist es doch wohl ein offenes Geheimnis, daß diese Steuergeschenke nicht dazu beigetragen haben, die Steuermoral irgendwie zu heben. Ich verweise auch in diesem Zusammenhang auf das Sonne-Gutachten, das uns am 21. März 1951 von der Bundesregierung zugänglich gemacht worden ist und in dem es ausdrücklich heißt:
Steuerermäßigung als Anreiz für Steuerzahlen
ist niemals ein Ersatz für eine gute Verwaltung.
Das ist ein Satz, den wir hundertprozentig unterstreichen möchten.
Wenn man von den Steuersenkungen eine Förderung des Kapitalmarktes erwartete, so ist festzustellen: auch diese Hoffnung ist fehlgeschlagen; denn im Jahre 1950 war das Sparaufkommen wesentlich geringer als im Jahre 1949. Die durch Ihre Steuerreform begünstigten Kreise pflegen die Steuergeschenke, die man ihnen gemacht hat, in ihren eigenen Betrieben anzulegen. Diese Beträge kommen dem Kapitalmarkt nicht zugute. Sie haben sich zu einem großen Teil in Fehlinvestitionen verwandelt. Hätte man unseren Vorschlägen Folge geleistet, seinerzeit schon die Freibeträge zu erhöhen, dann hätte man gerade den Kreisen, aus denen sich die klassischen Sparer rekrutieren, die Möglichkeit gegeben, sich wieder Sparkonten zuzulegen. Dann wäre wahrscheinlich eine Hebung des Kapitalmarkts zu verzeichnen gewesen.
Dieses Sonne-Gutachten, das „zur Eingliederung der Flüchtlinge in die deutsche Gemeinschaft" erstattet worden ist — da wende ich mich insbesondere an die Flüchtlinge und Vertriebenen in den Reihen der Regierungsparteien —, sagt auf Seite 282 das folgende:
Drei aufeinanderfolgende Ermäßigungen haben seit der Währungsreform 1948 ernsthaft die persönliche Einkommensteuer als eine verläßliche Einnahmequelle unterhöhlt, und die großzügige Ermäßigung für Ersparnisse, die 1949 eingeführt wurde, machte es reichen Leuten möglich, Abgaben bis zu einem Grad von 50 vom Hundert zu vermeiden. Gegenwärtig scheint die Belastung der hohen Einkommensgruppen unverantwortlich gering zu sein.
Mit diesen Ausführungen eines neutralen Beobachters, meine Damen und Herren, begründen wir
auch unseren Antrag.
Aus den Schlußfolgerungen dieses Gutachtens auf Seite 289 nur einen Satz noch:
Erhöhungen sollten in erster Linie auf die oberen Einkommensgruppen fallen; die niederen
Einkommensgruppen tragen zurzeit mehr als
einen gerechten Anteil an der Steuerlast. Hiermit deckt sich ein mir vorliegendes Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung aus Berlin, das ausdrücklich darauf hinweist, daß „der restliche Fehlbetrag des öffentlichen Haushalts grundsätzlich durch neue Steuern oder Steuererhöhungen ausgeglichen werden sollte, wobei allerdings wichtig ist, daß von diesen Maßnahmen vor allem die hohen Einkommen betroffen werden." Denn die niederen Einkommen werden ja in allererster Linie auch durch die indirekten Steuern getroffen, und zwar verhältnismäßig wesentlich schärfer und drückender als die hohen Einkommen durch die direkten Steuern.
Das zweite Kernstück unseres Antrages enthält den alten Antrag auf die Zerlegung der Einkommensteuer in eine Normalsteuer und in eine Zusatzsteuer. Diesen Antrag haben wir häufig begründet. Wir wünschen diese Normalsteuer mit einem einheitlichen, die Zusatzsteuer mit einem progressiven Steuersatz. Alle steuerlichen Begünstigungen und Abzugsfähigkeiten wären lediglich bei der Normalsteuer anzurechnen, so daß alle sozialen Ungerechtigkeiten entfallen. Ich darf folgendes Beispiel nennen. Der Staat schießt zu bei einem Einkommensteuerpflichtigen, der im Monat 230 DM verdient, 7.90 DM für ein Kind, aber bei einem Steuerpflichtigen, der 2000 DM verdient, 50 DM für ein Kind. Ich glaube, daß auch diese Gegenüberstellung unseren Antrag rechtfertigt.
Das dritte Kernstück unseres Antrages ist die
Schaffung wesentlich höherer Freibeträge, als wir sie heute haben, nämlich einen Freibetrag von 1500 DM für jeden Steuerpflichtigen ohne Rücksicht auf sein Einkommen und 1000 DM für die Ehefrau und jedes Kind.
Nun komme ich auf einen Vergleich zurück, den der Herr Bundesfinanzminister im letzten Jahr angestellt hatte, nämlich auf den Vergleich mit England. Wir haben diesen Vergleich schon seinerzeit aufgegriffen und darauf hingewiesen, daß in England eine dreiköpfige Arbeiterfamilie — überhaupt eine dreiköpfige Familie — erst dann Steuern zu bezahlen braucht, wenn sie ein Einkommen von 3600 Mark im Jahr hat. Dieser Betrag ist jetzt in der letzten Steuerreform des englischen Schatzkanzlers, obwohl er wegen der Rüstungsausgaben die Einkommensteuer auf allen anderen Gebieten erhöhen mußte, noch erhöht worden, so daß jetzt in England die dreiköpfige Familie einen Steuerfreibetrag von 3900 Mark hat. An diese Beispiele sollten wir uns halten, und ich darf noch einmal den Satz aus dem Sonne-Gutachten wiederholen: ,,... die niederen Einkommensgruppen tragen zurzeit mehr als einen gerechten Anteil an der Steuerlast." — Darum unser Antrag auf die erhöhten Freibeträge.
Ich komme noch einmal zurück auf die verdienstvollen Ausführungen des Kollegen Bodensteiner in der „Welt der Arbeit". Er hat folgendes berechnet: Während bei einem Einkommensteuerpflichtigen vor der Steuerreform die Lohnsteuer 31 DM im Jahr betrug, betrug sie nach der Steuerreform 7 DM. Die ganze Senkung machte also 24 DM aus. Aber die Verbrauchssteueränderungen, rechnet er aus, haben dazu beigetragen, daß der Einkommensteuerpflichtige im Jahre 1949/50 238 DM seines Einkommens für indirekte Steuern aufbringen mußte, im Jahre 1951/52 aber 372 DM. Diese kleine Steuerschenkung von 24 DM bei diesen Einkommen wird also durch eine Erhöhung der indirekten Steuern um etwa 150 DM vollauf aufgehoben. Der Grund liegt eben darin, daß sich das Verhältnis der indirekten Steuern zu den direkten Steuern im letzten Jahr wesentlich zuungunsten der indirekten Steuern verändert hat. Im Jahr 1949 betrugen die Steuern vom Einkommen 48 %, im Jahre 1949/50 43 % und im dritten Vierteljahr 1950 35 %, während sich in derselben Zeit die Steuern vom Verbrauch von 52 % auf 65% erhöht haben. Wenn der Herr Bundesfinanzminister in einer seiner Reden zu den Steuerreformen erklärt hat, daß „der unbekannte Steuerzahler die Grundlage unserer Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik sein müsse und moralisch und leistungsmäßig betrachtet im Zusammenbruch begriffen sei", dann liegt die Richtigkeit dieser Bemerkung weniger an den direkten Steuern als vor allen Dingen- an dieser Belastung durch die indirekten Steuern.
Von unserem Antrag versprechen wir uns — das ist auch wichtig, wir begründen ihn also nicht nur mit diesen sozialen Gesichtspunkten — eine wesentliche Verwaltungsersparnis. Wir hätten Millionen von Steuerpflichtigen weniger. Die Steuerverwaltung sollte sich mit wichtigeren Aufgaben beschäftigen als mit der Veranlagung von Steuerpflichtigen, die geringe Wochen- und Monatslöhne haben. Ich darf Ihnen einmal ein Beispiel nennen: Wochenlohn von 50 DM;
bei 2 Kindern beträgt die Steuer sage und schreibe
43 Pfennig. Bei einem Wochenlohn von 60 DM
und 3 Kindern beträgt die Steuer sage und schreibe 28 Pfennig. Bei einem Monatslohn in Höhe von 140 DM beträgt die Steuer bei Verheirateten ohne Kinder 55 Pfennig, bei einem Monatslohn von 200 DM bei 2 Kindern 80 Pfennig. Die Finanzbeamten sollten andere und wichtigere Aufgaben erfüllen, als sich mit diesen Pfennigbeträgen zu beschäftigen. Die Tausende von Finanzbeamten, die wir sparen könnten, wenn wir von der Besteuerung dieser kleinen Einkommen durch eine Erhöhung der Freibeträge, wie sie unser Antrag verlangt, abgingen, könnten sich mit den großen und größeren Einkommen beschäftigen. Sie könnten dazu übergehen, nun endlich einmal die Steuererklärungen der Jahre 1949 bis 1950 zu prüfen, während sie heute noch mit der Prüfung der Steuererklärungen für die Jahre 1947 bis 1948 beschäftigt sind und noch nicht einmal an die Prüfung der so wesentlichen D-Mark-Eröffnungsbilanzen herangehen konnten.
Wir haben, wie ich vorhin schon einmal sagte, von 22 Millionen Erwerbspersonen 6 Millionen, die im Monat unter 100 DM verdienen. Sie zahlen keine Steuern. Das ist in Ordnung; denn sie haben einen Anspruch auf die Hilfe dieser Bundesrepublik. Nun kommt aber die zweite Gruppe. Wir haben 8,3 Millionen Erwerbspersonen, die zwischen 100 und 250 DM verdienen. Ich will einmal unterstellen, daß von diesen etwa 4 Millionen Steuern zahlen, aber in Pfennigbeträgen, wie ich Ihnen vorgerechnet habe. Wir haben 5 Millionen Steuerpflichtige, die ein Einkommen zwischen 250 und 400 DM haben. Wenn wir die von uns vorgeschlagenen Freibeträge in das Gesetz einbauen, dann würden etwa 5 Millionen Steuerpflichtige überhaupt nicht mehr Steuern zu bezahlen brauchen. Eine derartige Steuervereinfachung können wir gar nicht hoch genug anschlagen.
Ich möchte Sie auch auf ein Schreiben des Bundes der Steuerzahler verweisen, in dem mitgeteilt wird, daß man für das Steuerzahlen, vor allem bei der Lohnsteuer, nicht nur die Finanzämter, sondern auch die Verwaltungen der Betriebe in der gewerblichen Wirtschaft gebraucht. Der Bund der Steuerzahler gibt uns von einem Gutachten des Professors Dr. Schmölders Kenntnis, in dem ermittelt worden ist, daß man die Belastung der Wirtschaft durch diese Steuereinziehung mit etwa 300 bis 350 Millionen DM jährlich veranschlagen kann, eine Belastung der Wirtschaft, weil sie der Helfer der Bundesfinanzverwaltung ist, sich aber bedauerlicherweise vor allem damit beschäftigen muß, in einem allzu großen Umfang lächerlich kleine Beträge von den Steuerzahlern einzubehalten.
Wir bitten Sie also, aus sozialen Gründen wie auch aus Gründen der Steuervereinfachung unserem Antrage zuzustimmen. Schätzen Sie den Ausfall an Steuern meinetwegen auf eine halbe Milliarde Mark oder auf noch mehr; aber setzen Sie dagegen die Ersparnis in der Bundesfinanzverwaltung oder in den Länderfinanzverwaltungen und in der Wirtschaft. Die Möglichkeiten, die Sie erhalten, wenn Sie alle Steuerbeamten ansetzen können, um dafür zu sorgen, daß die Einkommensteuern ehrlich bezahlt werden und die Steuermoral sich hebt, werden dann zu dem Ergebnis führen, daß der Ausfall nicht gleich Null ist, sondern daß sich dann noch ein wesentliches Plus erwirtschaften läßt.
Zum letzten Punkt, zur Beseitigung der Steuertabelle B, haben wir schon wiederholt unsere Begründung angegeben. Diese Steuertabelle B ist vielleicht das Unsozialste in unserem ganzen Steuerrecht. Es ist fast völlig unbekannt, daß diese Steuertabelle seinerzeit - ich glaube, schon im Jahre 1932 oder 1933 — eingeführt wurde, weil man die Bürgersteuer in das Einkommensteuerrecht einbauen und diese Bürgersteuer auch bei den kleinen Einkommen erhalten wollte. Wir schleppen mit der Steuertabelle B also auch heute die alte Bürgersteuer in der Einkommensteuer — gerade bei den kleinsten Einkommen — fort. Aus diesem Grunde sollten wir die Steuertabelle B, die wahrscheinlich fast nichts einbringt und lediglich Arbeit macht, beseitigen. Auch das liegt auf der Linie unserer Anträge über die Freibeträge.
Aus all diesen Gründen, aus sozialen Gründen, aber auch aus Gründen der Steuervereinfachung, bitten wir, unseren Antrag anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Müller.
Meine Damen und Herren! Ich hatte schon letzthin Gelegenheit darauf hinzuweisen, daß die Entwicklung des Verhältnisses zwischen den direkten und indirekten Steuern immer mehr zu einer Belastung der Massen auf dem Wege der indirekten Besteuerung führt, und ich habe an Hand der Zahlen, die von der Regierung für das Jahr 1950 veröffentlicht worden sind, den Nachweis geführt, daß die Einnahmen, die im vergangenen Jahr im Bund und in den Ländern eingekommen sind, zu 82 % auf dem Wege der Massenbesteuerung aufgebracht wurden. In diese Zahlen hatte ich auch 'die Lohnsteuer mit einbegriffen. Es ist j a erwiesen, daß gerade die Lohnsteuer eines der Mittel ist, die der Regierung die Finanzierung ihrer Politik ermöglichen soll. Dabei muß man — das wurde bereits vor kurzem von meinem Freunde Renner hier ausgeführt — berücksichtigen, daß es im Bereich der Bundesrepublik ungefähr 6,7 Millionen Menschen gibt, die ein monatliches Einkommen von weniger als 100 Mark haben, und rund 8,7 Millionen Menschen, deren Einkommen zwischen 100 und 200 Mark beträgt. Bei diesen Zahlen muß natürlich berücksichtigt werden, daß diese Einkommen eine sehr relative Bedeutung haben, weil die fortgesetzten Preissteigerungen und die indirekte Steuerbelastung zu einer immer schärferen Abwertung der realen Kaufkraft dieser Einkommen führen mußten.
Nun hat Herr Schäffer von dieser Stelle aus vor kurzem zum Ausdruck gebracht, daß auch nach seiner Meinung ein monatliches Einkommen von 300 Mark das Mindeste dessen sei, was unter den heutigen Verhältnissen zum Lebensunterhalt erforderlich sei. Er und auch die hinter ihm stehenden Parteien hätten daraus die Schlußfolgerung ziehen müssen, bei der Gestaltung der Tarife für die Einkommen- und Lohnsteuer den Tatbestand insgesamt zu berücksichtigen. Das hat er natürlicherweise nicht getan, und das werden logischerweise auch wohl die Regierungsparteien nicht tun, weil ihre Politik ja darauf abgestellt ist, auf dem Wege der Massenbesteuerung die Mittel für die Politik der Bonner Regierung für den Petersberg zu schaffen.
Die Schlußfolgerung aber ziehen wir in unserem Antrag, in dem wir zum Ausdruck bringen, daß
wir sämtliche Einkommen bis zu 300 DM monatlich oder 3 600 DM jährlich steuerfrei gestellt wissen wollen, die Einkommen von 3 600 DM bis 6 000 DM in der Höhe besteuert wissen wollen, wie es bis jetzt für die Einkommen bis zu 3 600 DM gilt. Das wäre wenigstens ein Schritt in der Richtung einer Entlastung der Massen. Wir bitten deshalb, diesem unserem Antrage die Zustimmung zu geben.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Lockmann.
Meine Herren und Damen! Ich habe Ihnen jetzt einen Fragenkomplex vorzulegen, der wesentlich friedlicher ist als der vorherige. Wir haben beantragt, die Frauen über 50 Jahre aus der Steuergruppe I generell in die Steuergruppe II zu überführen. Diesen Antrag begründen wir damit, daß wir sagen: Die Frauen über 50 Jahre sind durch diesen Krieg schwer benachteiligt und haben keine Möglichkeit mehr, sich zu verheiraten; denn es ist nicht anzunehmen, daß eine ältere Frau sich überhaupt noch verheiraten kann, da auf 100 Männer 130 Frauen kommen. Diese Frauen sind also um ein gut Teil dessen gekommen, was das Leben der Menschen um ein wesentliches verschönen könnte. Dabei haben sie die Sorgen ganz allein zu tragen. Darüber hinaus haben die Frauen über 50 Jahre — und das ist biologisch bedingt — im Berufsleben weit mehr Schwierigkeiten zu überwinden, als es allgemein beim Mann der Fall ist. Es ist doch so, daß eine Frau mit 50 Jahren im Berufsleben so zu werten ist wie ein Mann mit 60 Jahren, dem ja die Steuerermäßigung der Steuergruppe II ohnehin zusteht. Ich denke, daß ich Sie mit diesen Argumenten von der Richtigkeit unseres Antrages überzeugt habe. Außerdem muß ich Ihnen noch sagen, daß die Frauen über 50 Jahre gar nicht allein stehen im eigentlichen Sinne, sondern daß sie irgendwie eine Verpflichtung und Verantwortung für diejenigen zu tragen haben, die aus dem Krieg unversorgt geblieben sind, seien es nun Kinder ihrer Familienmitglieder, seien es die alten Eltern usw. Ich denke doch, daß Sie diesem unserem Antrage ohne Bedenken Ihre Zustimmung geben können.
Das Wort hat der Abgeordnete Neuburger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob es der Arbeit und auch dem Ansehen dieses Hohen Hauses angemessen ist, wenn nun bei jeder Lesung und bei jedem Antrag immer wieder die gleichen Ausführungen gemacht werden, die wir schon x-mal hier gehört haben.
Dafür ist die erste Lesung da. Wenn man die Arbeit ernst nimmt, dann kann man nicht immer wieder die Zeit des Hohen Hauses in dieser Weise in Anspruch nehmen, um stets die gleichen Ausführungen zu machen, die größtenteils propagandistischen Charakter haben.
Das ist wenigstens meine Auffassung. Die dritte Lesung ist eine Arbeits- und Sachlesung. Ich erspare es mir daher, weitere Ausführungen zu diesen Anträgen zu machen, weil sie längst widerlegt sind,
und bitte das Hohe Haus, bei der Abstimmung ent- I sprechend zu verfahren.
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe die Besprechung.
Wir kommen zur Abstimmung. Der weitestgehende Antrag ist der Antrag der Fraktion der KPD auf Umdruck Nr. 195 unter Ziffer 5. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrage der Fraktion der KPD zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 192 unter Ziffer 2. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Letzteres war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Sodann liegt ein Eventualantrag der Fraktion der SPD vor, in § 32 Abs. 3 Ziffer 2 hinter dem Wort „verwitwet" die Worte „oder als Frau unverheiratet" einzufügen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Eventualantrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Letzteres war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Der Antrag auf Umdruck Nr. 193, Herr Abgeordneter Koch, ist damit wohl erledigt?
Dann kommen wir zur Abstimmung über die Ziffer 11 in der Fassung der zweiten Beratung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Nunmehr rufe ich auf Ziffer 12. — Anträge und Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die der Ziffer 12 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Angenommen. Ferner liegt vor ein Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 192 unter Ziffer 3, § 1 Ziffer 12 a zu streichen. Ich rufe dazu also auf Ziffer 12 a des § 1. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Koch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir schließen uns in der Begründung unseres Antrages den Ausführungen des Herrn Staatssekretär Ringelmann an, die er zu dem neuen § 32 b des Gesetzes gemacht hat. Diese Bestimmung — Sie brauchen sie sich nur einmal anzusehen — ist für die Verwaltung unerträglich. Wenn unser Gesetz heißt „Gesetz zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes", so kann man nur sagen, daß der § 32 b nicht einer solchen Vereinfachung des Gesetzes dient, sondern eine wesentliche Erschwerung oder sogar eine Verballhornung des Gesetzes bedeutet. Der begünstigte Personenkreis ist viel zu klein, als daß die alte Fassung des § 32 b bestehen bleiben könnte. Der § 32 b ist ein reines Sondergesetz für Steuerpflichtige, die Einkünfte von mehreren 100 000 DM und diese Einkünfte aus Personalgesellschaften haben. Es zieht unseres Erachtens auch nicht, was der Herr Kollege Wellhausen vorhin in seinen Ausführungen gesagt hat: daß diese neue Bestimmung ein Vorläufer für eine Betriebssteuer sei. Wenn Sie eine Betriebssteuer wünschen — und wir alle wünschen sie —, dann beeilen Sie sich mit der großen Steuerreform, dann können wir die Betriebssteuer schaffen. Dieser § 32 b paßt weiter-
L) hin in keiner Weise in das augenblickliche System der Körperschaft- und Einkommensteuer.
Alles das sind im wesentlichen auch die Begründungen, die der Bundesrat uns gegeben hat, als er sich gegen den neuen § 32 b aussprach. Ich glaube, wenn wir Wert darauf legen, daß dieses Gesetz bald verabschiedet wird, sollten wir diesen Paragraphen aus dem Gesetz hinauswerfen; denn der Bundesrat hat ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die weitere Aufrechterhaltung des § 32 b allein schon die Anrufung des Vermittlungsausschusses rechtfertigen würde. Stimmen Sie daher unserem Antrage zu und werfen Sie diesen systemlosen Paragraphen aus dem Gesetz hinaus.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 192 Ziffer 3, §1 Ziffer 12a des Gesetzes zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Letzteres ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über Ziffer 12 a in der Fassung der Beschlüsse der zweiten Beratung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ziffer 12 a ist angenommen.
Ich rufe auf Ziffer 13. Dazu liegen Änderungsanträge vor von der Fraktion der FDP auf Umdruck Nr. 191 und von der Fraktion der KPD auf Umdruck Nr. 195 Ziffer 6.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dr. Nöll von der Nahmer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Es ist immer etwas mißlich, in der dritten Lesung noch einmal einen sehr schwierigen und schwerwiegenden Antrag zu begründen, der in der zweiten Lesung abgelehnt worden ist. Wir haben uns entschlossen, diesen Antrag hier noch einmal vorzubringen, weil es bei diesem anscheinend so bedeutungslosen Antrag in Wirklichkeit um einen fundamentalen Grundsatz unseres ganzen Steuersystems geht und weil wir den Eindruck haben, daß die Ausführungen, die in der zweiten Lesung hier gegen unseren Antrag vorgebracht wurden, an den Dingen vorbeigehen, ja offensichtlich auf schwerwiegenden Irrtümern beruhen.
Wenn es sich hier bei dem § 33 a irgendwie um ein Steuerprivileg handelte, wie das in der zweiten Lesung behauptet worden ist, dann würden sich meine Freunde - und ich am allerwenigsten - kaum dazu hergeben, den Antrag hier noch einmal vorzubringen. Hier handelt es sich jedoch ganz und gar nicht um die Beseitigung irgendeines Steuerprivilegs. Es ist ganz unmöglich, diesen Antrag etwa mit der 7er-Gruppe usw. zusammenzubringen, nein, es geht hier um die Frage, ob der fundamentale Grundsatz des Steuerrechts gewahrt bleibt, nämlich die steuerliche Gleichberechtigung für alle. Das ist das Entscheidende.
Der Herr Finanzminister hat, wie ich in irgendeinem Aufsatz gelesen habe, neulich einmal gesagt: Dieselbe Last ist nicht dieselbe; es kommt immer darauf an, ob die Schultern stark genug sind, diese Last zu tragen. Ich glaube nicht, daß hier in diesem .Hause irgendein Kollege oder irgendeine Kollegin ist, die bestreitet, daß bei unseren Heimatvertriebenen und Ausgebombten die steuerliche
Leistungsfähigkeit erheblich schwächer ist als bei den Mitbürgern mit nominal gleichem Einkommen, die aber nicht in der unangenehmen Lage sind, sich nun nach der Währungsreform ihren Hausrat und ihre Kleidung allmählich wieder beschaffen zu müssen. Ich glaube, darüber herrscht hier gar kein Streit. Man sagt nun: Das ist ja auch nach wie vor anerkannt; dafür sind ja die Pauschbeträge da, und diese Pauschbeträge sind ja sogar noch erhöht worden, — als douceur für die Tatsache, daß die weitergehende bisherige Regelung nun wegfallen soll. Wir leiden unter dem weitverbreiteten Glauben, 'wir hätten schon ein so fortgeschrittenes Geldwesen, das mit einer gleichbleibenden Geldeinheit arbeitet und D-Mark 1950 sei gleich D-Mark 1951. Das ist bedauerlicherweise nicht der Fall. Wenn Sie sich einmal ansehen, wie der Index gestiegen ist—im letzten Jahre gerade der Index für Hausrat auf
186 —,
dann werden Sie sehen, daß die Erhöhung der Pauschbeträge kaum wesentlich mehr ist als ein entsprechender Ausgleich für die Tatsache, daß sich eben die Hausratsartikel wesentlich verteuert haben.
Aber das ist nicht allein das Entscheidende. In der Finanzwissenschaft besteht kein Zweifel darüber, daß die progressiven Tarife richtig sind. Das hat die Grenznutzenlehre ja bewiesen. Aber wenn man sich auf den Standpunkt stellt, daß der progressive Steuer-Tarif der einzig gerechte ist, der wirklich der Leistungsfähigkeit voll entspricht, dann muß man aber auch die Konsequenz ziehen, die die Finanzwissenschaft zieht: Wenn auf der anderen Seite eine unterschiedliche Leistungsfähigkeit ausgeglichen werden muß, wie das hier im Grundsatz an sich gar nicht bestritten ist, dann 1 kann man das nicht mit gleichbleibenden Pauschbeträgen machen. Wenn ich sage, hier ist ein Einkommensbezieher mit einem Einkommen von sagen wir, 5000 DM, und wenn ich der Ansicht bin, daß er durch den Verlust seines Hausrats eine solche Schwächung seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit erfahren hat, daß ich ihm dafür einen abzugsfähigen Betrag in Höhe von etwa 600 DM gewähren muß, kann ich mich nicht, wenn ich den Grundsatz der steuerlichen Gleichberechtigung aufrechterhalten will, auf den Standpunkt stellen, daß derjenige, der 10 000 DM Einkommen hat, auch keinen höheren Pauschbetrag zu haben braucht. Damit leugne ich, die Richtigkeit und Angemessenheit des progressiven Steuertarifs. Das ist der eine große finanzpolitische Gesichtspunkt, aus dem sich meine Freunde mit der vorgesehenen Regelung, nach der zusätzliche Aufwendungen nicht mehr anerkannt werden sollen, nicht einverstanden erklären können.
Nun kommt das andere Problem. Ich habe vorhin in der Rede des Herrn Vertreters des Bundesrats gehört, daß er bei irgendeiner Bestimmung — ich glaube, es war bei § 7, Herr Staatssekretär — meinte, hier handele es sich um Fragen, die durch den Lastenausgleich geregelt werden müßten; man solle aber in der Steuergesetzgebung nicht Dinge regeln, die in den Lastenausgleich hineingehörten. Herr Staatssekretär, hier kann ich Ihnen nicht folgen! Es ist für mich gar kein Zweifel daran möglich, daß der Sinn der modernen Finanzpolitik doch, gerade der ist, mit finanzpolitischen Mitteln volkswirtschaftliche Effekte zu erreichen und die volkswirtschaftlichen Aufgaben mit zu lösen. Auf Grund meiner Kenntnis des Lastenausgleichsproblems unterliegt es für mich auch nicht dem geringsten
Zweifel, daß wir dieses Problem nur lösen können, wenn wir auch in der Steuergesetzgebung auf das Vorhandensein der Geschädigtengruppen Rücksicht nehmen.
Hier geht es um das schwierigste Problem, das wir augenblicklich im Lastenausgleichsausschuß zu behandeln haben, nämlich die Frage der Hausratsentschädigung. Wer von den Kollegen mit im Lastenausgleichsausschuß ist, weiß ja, vor welch ungeheuren Schwierigkeiten wir hier stehen. Wir sind uns alle darüber klar, daß die Hausratsentschädigung eine der Grundfragen ist. Daran hängt das Herz der Hausfrauen, und weitgehend ist auch die Erhaltung der Arbeitsfreudigkeit von dem Heim abhängig. Wir müssen danach trachten, den Geschädigten irgendwie wieder zu Hausrat zu verhelfen, und können den verlorenen Hausrat nicht einfach als unwichtige Nebenfrage behandeln.
Auf der anderen Seite entsteht die Frage, woher die Mittel zu nehmen sind, um die enormen Hausratsverluste entsprechend zu entschädigen. Mit dieser Frage wird sich das Hohe Haus noch sehr eingehend beschäftigen müssen, wenn wir das Lastenausgleichsgesetz vorlegen. Für mich ist eines sicher: wir können den Menschen, die ihren Hausrat verloren haben, nicht allein mit Leistungen aus dem Lastenausgleichfonds helfen, einfach deshalb nicht, weil diese Mittel zum mindesten in den ersten Jahren dafür einfach nicht ausreichen. Wir werden hier, sosehr gerade ich das bedaure, wahrscheinlich zu unzulanglichen Summen Kommen, ob war wollen oder nicht. um so wichtiger ist es aber — und ich möchte noch einmal sehr stark das unterstreichen, was schon mein Kollege Trischler bei der zweiten Lesung hier hervorgehoben hat —, daß wir dann wenigstens denjenigen, die sich selber helfen müssen — weil wir einfach nicht in der Lage sind, die entsprechende Betrage aus dem Ausgleichsfonds aufzubringen —, mit Rücksicht auf die in diesen Anschaffungen liegende Schwächung ihrer sonstigen Kaufkraft eine Hilfestellung geben, indem wir die bisherige Regelung, die wohlüberlegt war und die ja dieses Hohe Haus nicht ohne Grund voriges Jahr angenommen hat, unbedingt beibehalten.
Ich kann mich mit dem, was zur Begründung für die Streichung der Steuerfreiheit der Mehranschaffungen in der amtlichen Bedingung angeführt worden ist, nicht einverstanden erklären. Es wird gesagt, dadurch entstehe einbesonderer Verwaltungsaufwand. Ach, da gibt es doch ganz andere Fälle, z. B. die schon erörterten Ausgaben für die Bewirtung von Geschäftsfreunden! Da sind große Verwaltungsvereinfachungen möglich, wenn man da nicht immer wieder alle Ausgaben nachprüfen muß. So zahlreich sind die Fälle des § 33 a gar nicht, daß hier wirklich ein ins Gewicht fallender Aufwand entsteht. Ich bin durchaus der Ansicht, daß wir alles tun müssen, um den Verwaltungsaufwand einzuschränken. Ich selber habe über diese Dinge wiederholt gearbeitet und publiziert. Diese Einsparungen mussen aber in einem richtigen Verhältnis zu dem Zweck stehen, der erreicht werden soll. Wenn es hier um fundamentale Fragen des Steuerrechts, um die Wahrung des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung geht, dann kann ich einen solchen Fundamentalgrundsatz unmöglich einfach mit der Begründung aufgeben: Das macht mir zu viel Verwaltungsarbeit. Sie ist im übrigen gar nicht vorhanden.
Wenn in der Begründung weiter gesagt wird, daß gerade bei den Sonderanschaffungen viel Mißbrauch getrieben würde, so muß ich diesen Vorwurf — ich glaube, im Namen all der Millionen
Ausgebombten und Heimatvertriebenen — ganz entschieden zurückweisen. Meine Damen und Herren, wo ist ein Steuergesetz, das nicht umgangen werden kann? Leider Gottes haben wir das noch nicht. Es gibt viele Fälle im Steuerrecht — ich erinnere nur an die ominösen Kosten der Bewirtung von Geschäftsfreunden usw. —, bei denen viel mehr betrogen wird und mehr Umgehungen möglich sind, als hier in diesem Fall, wo es sich um Millionen von Mitbürgern handelt, die durch diesen wahnsinnigen Weltkrieg draußen alles verloren haben und denen der Staat bis heute noch keinen einzigen Pfennig hat zukommen lassen. Darum geht es doch hier. Gerade die Kreise, die von dieser Bestimmung betroffen werden, sind bisher außerhalb der Soforthilfe und praktisch ohne jede Hilfe und Entschädigungszahlung des Staates geblieben.
Wir gehen in unserem Antrag gar nicht so weit, daß wir die bisherige Verdoppelung der Pauschalbeträge beibehalten wollen. Nein, wir wollen uns nur — so ist der Antrag formuliert — dagegen zur Wehr setzen, daß in den Nominalbeträgen eine Verschlechterung gegenüber der bisherigen Regelung erfolgt. Daß durch die Indexsteigerung sowieso eine tatsächliche Verschlechterung vorhanden ist, das nehmen wir sogar noch in Kauf.
Ich darf also im Interesse all derer, die bisher noch keinerlei Entschädigung bekommen haben und die jetzt vor der unendlich schwierigen Aufgabe stehen, sich ihren verlorenen Hausrat und ihre verlorene Kleidung mit eigenen Mitteln, unter Einsatz ihres eigenen Einkommens wiederbeschaffen zu müssen, das Hohe Haus bitten, diesen Kreisen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, nicht aber ihnen Privilegien zu gewähren; davon ist gar keine Rede. Es geht um den Grundsatz der steuerlichen Gleichberechtigung auch für diese Kreise. Ich darf bitten, dem Umdruck Nr. 191 zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte doch gegenüber dem Herrn Vorredner einige Feststellungen treffen, bevor ich auf das engere Thema selbst eingehe.
Erstens, daß die Millionen der Heimatvertriebenen und Kriegsgeschädigten noch keine oder zu wenig Hausratshilfe erhalten hätten, davon kann man wirklich nicht reden. Ich bitte, die Rechnungen des Soforthilfefonds nachzurechnen. Für Hausratshilfe ist allein ungefähr ein Betrag von 400 Millionen aus dieser Quelle gegeben worden.
Zweitens handelt es sich bei dieser Spezialbestimmung nicht um Millionen von Heimatvertriebenen, sondern um eine relativ kleine Schicht der Heimatvertriebenen, und zwar diejenigen, die jetzt bereits in besseren wirtschaftlichen Verhältnissen sind, um diejenigen, die über das normale Maß hinaus in der Lage sind, sich Hausrat zu beschaffen, die jährlich so viel erübrigen können, daß sie über die normalen Anschaffungen hinaus weitere Anschaffungen machen können.
Ich darf aber daran erinnern, die Reform des Einkommensteuergesetzes hat den Sinn der Vereinfachung der Gesetzgebung.
Um der Vereinfachung der Gesetzgebung willen ist
gerade die Bestimmung einer allgemeinen Erhöhung des Freibetrages vorgenommen worden. Die
Klagen aus der Verwaltung über diese Sonderbestimmung wegen der Überlastung und wegen der Notwendigkeit der Überwachung, weil nun einmal Mißbrauch getrieben worden ist, haben sich immer mehr gehäuft, so daß wir uns gezwungen gesehen haben, eine Erhöhung des Freibetrages vorzunehmen, um 'diese Sonderbestimmung wegfallen zu lassen.
Nun ist das Bestreben, die allgemeine Erhöhung des Freibetrages zu behalten und praktisch mit dem Vorzug für eine kleine Schicht der Heimatvertriebenen und Kriegsgeschädigten die Sonderbestimmung mit der Verwaltungsarbeit beizubehalten. Dagegen muß sich die Bundesregierung aussprechen. Ich bitte, wenn schon dem Gedanken der Vereinfachung nicht Rechnung ,getragen wird, wenn schon nicht an die große Zahl, sondern an einen kleinen Ausschnitt gedacht werden sollte, dann nicht zu verlangen, daß eine für den Staat schwer tragbare Erhöhung der Steuervergünstigung noch dazu mit der Beibehaltung dieser erschwerenden Bestimmung kumuliert wird. Ich bitte daher, den Antrag abzulehnen.
Liegen zu dem Antrag Nr. 191 Wortmeldungen vor? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen dann zur Begründung des Antrags der KPD Umdruck Nr. 195 Ziffer 6. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Dann ist die Aussprache über die Ziffer 13 geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zunächst über den Antrag der KPD abstimmen, nach dem der Buchstabe b in Ziffer 13 gestrichen werden soll. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Antrag der FDP auf Umdruck Nr. 191. Wer für Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich darf bitten, die Abstimmung zu wiederholen. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Wer ist dagegen? — Das ist unzweifelhaft die Mehrheit. Dann ist dieser Antrag abgelehnt.
Wer für die Annahme von Ziffer 13 in der Fassung der Beschlüsse der zweiten Lesung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Ziffer 14! Es liegt ein Antrag der KPD in Urn-druck Nr. 195 Ziffer 7 vor. Er wird wohl nicht begründet? — Er geht auf Streichung der Ziffer 14. Keine Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen.
Wer für die Annahme dieses Antrages der KPD ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wer für Annahme der Ziffer 14 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Ziffer 15, — Ziffer 16, — Ziffer 17. — Wer für die Annahme dieser drei Ziffern ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Bei Ziffer 17 a sind Anträge angekündigt. Nach dem Antrag in Umdruck Nr. 197 Ziffer 2 soll Ziffer 17a gestrichen werden. Diese Ziffer 17 a ist ein Beschluß der zweiten Lesung. Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Lausen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß gestehen, ich bin etwas überrascht, daß hier stillschweigend ein Antrag auf Streichung des § 50 a über die Offenlegung der Steuerlisten eingebracht wird, ohne daß er begründet wird.
Deshalb halte ich es für notwendig, daß ich zu diesem Fragenkomplex nun doch noch einige Bemerkungen mache. Ich darf feststellen, daß die Durchbringung dieses Antrages in der zweiten Lesung den Erfolg gehabt hat, daß wir ganz offensichtlich in ein Wespennest gestoßen sind.
Ich habe die Vermutung, daß die Wespen auf die Regierungsparteien losgestochen haben mit der Wirkung, daß nunmehr stillschweigend dieser Antrag auf Aufhebung des § 50 a eingebracht worden ist.
Es ist sehr interessant, wie die Diskussion über dieses Thema in der Öffentlichkeit und in der Presse verlaufen ist. Ich habe hier eine Darstellung des Deutschen Industrie- und Handelstages. Es ist höchst bemerkenswert, wie der Deutsche Industrie-und Handelstag versucht, dieses ausgesprochen politische Thema auf d'as verwaltungstechnische Gleis abzuschieben und bei dieser Gelegenheit die ganze Frage stillschweigend abzuwürgen. Wenn der Industrie- und Handelstag beispielsweise feststellt, daß jetzt erst die Veranlagung zur Einkommensteuer für 1948/49 erfolgt und daher die Steuerlisten überholt sein würden, so möchte ich dazu sagen: Ausgezeichnet, daß die Steuerlisten, wenn der Paragraph bestehen bleibt, für diese seltsam zwielichtige Zeit 1948/49 bekanntgegeben werden!
Ich glaube, es wird sehr viele Politiker in Deutschland geben, die gerade den wirtschaftlichen Niederschlag bzw. die steuerliche Auswirkung jener Zeit mit größtem Interesse zu untersuchen gern bereit sind. Die bisherige Diskussion, soweit sie in der Presse geführt wurde — auch darauf möchte ich hinweisen —, hat nicht oder kaum geleugnet, daß mit der Offenlegung der Steuerlisten eine größere Steuerehrlichkeit und eine bessere Steuererfassung erzielt werden. Es ist nicht bestritten worden, daß es sich dabei um einen durchaus gerechten Akt handelt.
Das einzige Argument, und zwar ein, wie mir scheint ernsthaftes Argument, mit dem man sich auseinandersetzen muß, ist dieses: Es wird gesagt, wenn die Steuerlisten offengelegt würden, werde der Denunziation Tür und Tor geöffnet.
— Gut! Dazu sage ich folgendes'. Erstens: Die Länder, die die Offenlegung der Steuerlisten seit langem betreiben — ich erwähne hier besonders Schweden, dessen Verhältnisse ich ein bißchen kenne —, haben über die Frage der Denunziation oder darüber, daß es sich um Denunziationen in erheblichem Umfang handle, bisher kein Wort verlauten lassen. Das ist doch seltsam! Zweitens: Ich gebe gern zu, daß die Einführung einer solchen Neuerung zunächst ganz selbstverständlich all die Aasgeier und sonstigen dreckigen Elemente aufrühren wird.
Aber, meine Herren, das wird nach kurzer Zeit vergehen.
,
Und drittens: Wir bekennen uns in' der großen
Mehrheit dieses Hauses zu der demokratischen Organisation der Menschen im Staate. Wir tun das,
obwohl wir wissen, daß sich in der Demokratie Demagogen, Hetzer, unverantwortliche Kritiker bemerkbar machen können, daß z. B. durch ein loses Wort die Mitglieder dieses Parlaments in den Augen der Öffentlichkeit als bestochene Elemente hingestellt werden können. Trotzdem bekennen wir uns nach wie vor dazu, daß diese gesellschaftliche Ordnung die relativ beste ist und daß ihr ein pädagogischer Wert innewohnt. Und, meine Damen und Herren, dieses letzte, der pädagogische Wert, ist das, was auf die Offenlegung der Steuerlisten zutrifft.
Aber es gibt noch einen anderen Punkt, der in der Diskussion näher erörtert wird. Das ist die Behauptung, die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens könnte unter Umständen Schaden leiden, wenn die Steuerlisten offengelegt würden.
— „Sehr gut!" sagen Sie! Ich habe den Eindruck, daß Unternehmungen, die Angst davor haben, daß die Steuerlisten offengelegt werden, selbst nicht kreditwürdig sind.
In Schweden z. B. ist es heute eine Selbstverständlichkeit, daß sich ein Geschäftsmann, der mit einem anderen eine geschäftliche Beziehung eingeht, in der Steuerliste informiert: ist mir der Mann gut?! Die Frage der Bonität findet ihre Lösung in dem Studium der Steuerlisten. Das, werte Anwesende, wollen wir erreichen. Die Veranlagungspflichtigen werden dadurch in einen Zwiespalt gebracht zwischen dem Bedürfnis, sich vor der Steuerzahlung möglichst zu drücken, und der Notwendigkeit, sich in den offengelegten Steuerlisten als anständige Geschäftsleute zu zeigen. Wenn sie ihre Steuererklärung so zwischen Scylla und Charybdis hindurchwinden müssen, wird das nach unserer Überzeugung dazu führen, daß diese Steuererklärung der Wahrheit erheblich näherkommen wird als bisher.
Es gibt natürlich auch andere Methoden, die Steuerhinterziehungen der letzten Jahre für die Zukunft unmöglich zu machen oder zum mindesten einzudämmen. Und jetzt bitte ich einen Augenblick um Gehör für ein Zitat aus der amerikanischen „Neuen Zeitung" vom 30. Mai dieses Jahres in der Erwartung, daß der Herr Präsident mir gestatten wird, dieses Zitat vorzulesen:
Nach der Meldung von Sachkennern
— heißt es hier —
wachsen die Möglichkeiten, Steuerhinterziehungen zu entdecken, im Laufe der Zeit beträchtlich, vor allem deshalb, weil die Steuerhinterzieher meistens nicht umhin können, ihre verschwiegenen Gewinne anderweitig anzulegen. Der größte Teil dieses schwarzen Geldes wird nicht auf Banken deponiert. Diese solchermaßen in der Bundesrepublik angehäuften „Strumpfgelder" werden von sachverständiger Seite auf 2 bis 3 Milliarden geschätzt. Einem Vorschlag
— und jetzt kommt das Entscheidende — des Bundeswirtschaftsministeriums, das Bankgeheimnis zu erweitern, damit diese Kapitalien nutzbringend für wichtige Institutionen verwendet werden könnten, widersetzten sich die Finanzministerien der Länder energisch
mit dem Argument, eine derartige Regelung würde praktisch einer Belohnung des Steuerbetrugs gleichkommen.
Auf diese Weise kann man allerdings das Problem der Steuerhinterziehung auch lösen. Ich muß gestehen: wenn diese Darstellung — was ich bis jetzt noch nicht glauben möchte — richtig wäre, dann allerdings könnte mir bange werden vor dem Schicksal Deutschlands; dann könnte das eintreten, was als ernste Mahnung im Sonne-Bericht ausgeführt wurde: Möge die Bundesregierung nicht an der Geschäftsgier und an der Gewinnsucht zugrunde gehen! Dann würde diese ernste Mahnung in der Tat den Unterton einer düsteren Prophezeiung bekommen.
Meine Damen und Herren, wenn Sie sich heute nochmals über das zur Debatte stehende Thema schlüssig werden wollen, dann bitte ich Sie, sich vor Augen zu halten, um was es dabei geht. Ich lese jetzt erst in einer Zeitung — est ist ebenfalls die „Neue Zeitung" — eine Notiz, daß ein Mann, der immerhin zu den besten Sachverständigen auf dem Gebiete der Finanzpolitik gehört, der Herr Oberfinanzpräsident Ellinger von Württemberg-Baden, eine Schätzung der entzogenen Steuern vorgenommen hat, die sich auf 4,5 Milliarden DM beläuft.
Ich gehöre zu denen, die gegenüber solchen Zahlen sehr skeptisch sind. Ich habe manchmal das Gefühl, daß mit Milliarden hin und hergeschoben wird. Aber bitte sehr, wenn ein Mann wie der Oberfinanzpräsident Ellinger solche Schätzungen nennt, dann hat er sie nicht aus dem hohlen Bauch gesprochen, dann hat der Mann seine Unterlagen.
Wenn wir jetzt über die Frage zu entscheiden haben, ob wir bei der Offenlegung der Steuerlisten bleiben wollen oder nicht, dann bitte ich Sie, auf der einen Seite an die Leute zu denken, die als Sozialrentner mit 60, 70, 80, 90 Mark ein Leben im Schatten führen; dann denken Sie an die Flüchtlinge, die in hinterwäldlerischen Dörfern ihr Leben in Bodenkammern fristen müssen; dann denken Sie an die Millionen braver, fleißiger Arbeiter in Deutschland, die ihre Lohnsteuer auf Heller und Pfennig abführen müssen und keine Gelegenheit haben zu mogeln, wie es bei den Veranlagungspflichtigen immerhin möglich ist; und denken Sie auf der Gegenseite auch daran, daß in den Jahren 1945 bis 1951 in Deutschland Vermögen entstanden sind, Einkommen sich gebildet haben, wie wir es in Deutschland vielleicht ein einziges Mal, nämlich in den Gründerjahren erlebt haben. In fünf Jahren haben sich Vermögen und Einkommen gebildet, wozu früher ein anständiger Mensch die fleißige Arbeit eines Lebens gebraucht hat.
Denken Sie daran, daß diese Fragen mit der abschließenden Behandlung der Offenlegung der Steuerlisten zur Debatte stehen.
Ich glaube, es wäre fehl, wenn man den Mantel der christlichen Nächstenliebe über die Elemente decken wollte, die heute zu den Steuerhinterziehern zählen und wahrscheinlich noch nicht einmal wissen, daß sie diese Steuern nicht dem Staat, sondern den Armsten der Armen unter unseren Mitbürgern entziehen.
Und darum sage ich Ihnen, meine Damen und Herren: der § 50 a muß bleiben, und der Antrag auf seine Streichung muß abgelehnt werden!
Das Wort hat der Abgeordnete Neuburger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe den Antrag auf Streichung des § 50 a unterschrieben und habe auf die Begründung verzichtet, weil wir ja schon in der zweiten Lesung über diesen Passus debattiert haben und ich mich nicht wiederholen wollte.
Zunächst: Die Fraktionen, die hinter diesem Antrag stehen, haben in keiner Weise irgend etwas zu verbergen.
Sie sind mindestens so eifrig wie Sie selbst bestrebt, daß den Steuerhinterziehern
endlich einmal Halt geboten wird.
Wir konnten weder aus der Begründung, die Herr Kollege Lausen beim letzten Mal noch aus der, die er heute gegeben hat, irgendwie erkennen, daß mit der Offenlegung der Steuerlisten auch nur der geringste Beitrag geleistet werden könnte im Kampf gegen die Steuerhinterziehung.
— Jawohl, ich wiederhole es: Die Offenlegung der Steuerlisten ist kein Mittel und trägt in nichts dazu bei, die Steuersünder irgendwie zu treffen.
Ich habe mir erlaubt, die Begründung, die Herr Kollege Lausen beim letzten Mal vorgetragen hat, noch einmal nachzulesen. Er hat dort wörtlich gesagt: Die Offenlegung der Steuerlisten wird zur Feststellung der hohen Einkommen führen. Ich frage: Was hat die Steuerhinterziehung mit hohen Einkommen zu tun?
Meine Damen und Herren, ich bitte, den Redner in Ruhe anzuhören.
Jawohl, oder wollen Sie behaupten, daß jeder, der ein hohes Einkommen bezieht, ein Steuerbetrüger ist? Also was hat dann die Feststellung des hohen Einkommens mit der Steuerhinterziehung zu tun?
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe!
Man will mit der Offenlegung der Steuerlisten denjenigen, der ein höheres Einkommen kraft seiner Leistung erzielt, diffamieren oder wenigstens der Möglichkeit aussetzen, daß er diffamiert wird.
Das ist der wahre Grund!
Herr Kollege Lausen hat weiter ausgeführt, daß mit der Offenlegung der Steuerlisten der Steuerbetrüger noch vorsichtiger werde. — Ja, nämlich noch vorsichtiger in der Tarnung seiner Steuerhinterziehungen. Da gebe ich ihm voll recht. Auf jeden Fall: die Offenlegung der Steuerlisten bringt keinen unehrlichen Steuerzahler dazu, nun steuerehrlich zu werden.
Ich habe die Presse der letzten Tage gelesen, und es sind mir viele Zuschriften zugegangen.
Eine davon möchte ich verlesen.
Ich kenne den Mann nicht, der sie mir geschrieben hat.
Er schreibt:
Ich darf mir vielleicht die Frage erlauben, ob die betreffenden Abgeordneten mal zu Ende gedacht haben, was bei einem solchen Gesetz herauskommen würde. Für den gewünschten Zweck so gut wie nichts, da sich gerissene Steuerhinterzieher, die selbst das Finanzamt nicht entlarvt, auch dadurch nicht schrecken lassen würden. Auf der anderen Seite aber würde eine allgemeine Bespitzelung und Beschnupperung anheben, daß schließlich kein Einkommensteuerpflichtiger seiner Haut mehr sicher wäre.
Mißgünstige Verwandte, Nachbarn, Geschäftspartner, Kunden, Klienten und andere — sie alle würden sich eine Freude daraus machen, in die Einkommensverhältnisse anderer Menschen Einblick zu nehmen, die normalerweise fremden Augen verschlossen zu sein pflegen. Es würde eine unübertreffbare Atmosphäre von Mißgunst, Intrigen, Verleumdungen geschaffen, die einem geordneten Staatswesen gewiß nicht förderlich sein wird.
Ich habe dieser Charakterisierung der Wirkung der
Offenlegung der Steuerlisten nichts hinzuzufügen.
Im übrigen, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir für die Mitwirkung der Öffentlichkeit Sorge getragen. Wir haben im August bzw. im Juli vergangenen Jahres ein Gesetz über Finanzverwaltung erlassen, veröffentlicht am 6. September 1950. Wir haben bei der Beratung dieses Gesetzes uns damals auch über die Offenlegung der Steuerlisten unterhalten und sind zu dem Ergebnis gekommen, daß sie ein untaugliches Mittel darstellen und ein verwerfliches Mittel noch dazu.
Wir haben -damals die Steuerausschüsse gebildet. Diese sind bei der Festsetzung zuständig. Der Steuerausschuß hat das Recht, jederzeit beratend mitzuwirken bei der Festsetzung der Steuern vom Einkommen und bei der Festsetzung der Vermögensteuer usw., also Einsicht zu nehmen. Ausgenommen sind diejenigen, die dem regelmäßigen Steuerabzug unterliegen, d. h. die Lohnempfänger. Gerade bei der veranlagten Einkommensteuer und bei der Vermögensteuer haben wir demnach bereits die Mitwirkung der berufenen Öffentlichkeit. Die Steuerakten von jedermann können durch die Mitglieder dieses Ausschusses eingesehen werden, und bei der Festsetzung der Steuer können diese Männer mitwirken. Die Steuerausschüsse sind aus Männern zusammengesetzt, die gewählt werden und die ortsbekannt sind, die also das Vertrauen
der Parteien, das Vertrauen der Öffentlichkeit genießen. Die Öffentlichkeit ist also durch ihre berufenen Vertreter in vollem Umfange bereits durch das Gesetz über die Finanzverwaltung vor einem Jahre eingeschaltet worden. Die Steuerakten eines' jeden können überprüft werden. Das ist richtig und das ist ausreichend. Alles andere ist schädlich, schädlich für das Volksleben und insbesondere schädlich für den sozialen Frieden
und trägt in nichts dazu bei, die Steuerhehlerei und die Steuerhinterziehungen auch nur um ein Jota zu bekämpfen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Offenlegung der Steuerlisten ist eine, ich darf sagen, uralte sozialdemokratische Forderung, mit der man sich durchaus sachlich auseinandersetzen kann. Im Gegensatz zu meinem verehrten Herrn Vorredner ist mir in der Tat zweifelhaft, ob nicht eine Offenlegung einen gewissen Aufschwung der Steuerehrlichkeit bedeuten könnte,
so daß man in Zeiten, in denen diese Unehrlichkeit übermäßig grassiert, zu diesem Problem aus sachlichen Gründen erneut Stellung nehmen sollte. Ich möchte hier diejenigen Momente betonen, die wir von unserem Weltbild aus — „Weltanschauung" ist mir ein zu starkes Wort —, von der Gesamtauffassung von Staat und Persönlichkeit aus, nach der wir unsere Politik einzurichten wünschen, gegen diese Methode der Erfassung der Steuersubjekte, nämlich der verdienenden Mitmenschen, einzuwenden haben.
Daß der Staatsbürger im modernen Staat die unendlichen Bedürfnisse der öffentlichen Hand aus seinen Einkünften mit befriedigen muß und dazu in progressiver Weise herangezogen wird, ist ein allgemeingültiger Satz; darüber ist kein Zweifel möglich. Daß jeder Staatsbürger — ich nehme auch kein Mitglied dieses Hauses aus — dieser Verpflichtung nur widerstrebend genügt und jener „freudig Steuern zahlende Mitbürger" noch nicht entdeckt worden ist, dürfte ebenfalls außer Streit sein. Andererseits aber wollen wir doch bei all diesen Notwendigkeiten nicht vergessen, daß das, was einer mit seiner Hände oder seines Kopfes Arbeit verdient, schließlich sein persönliches Verdienst ist. Deswegen war z. B. in den alten Hansestädten das Hauptbuch des Kaufmanns sozusagen seine Bibel. Vorn stand „Mit Gott!" darauf, und Einblick bekam niemand.
— Darüber brauchen Sie nicht zu lachen; darin liegt ein starkes Ethos.
Deswegen in erster Linie stellt die Offenbarungseidpflicht — es ist ein Offenbarungseid! —, nach deren Einführung es jedermann gestattet sein würde, sich irgendwo zu erkundigen, was der und der verdient, einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Mitbürgers dar, den wir — aus diesem ethischen Grunde zunächst einmal — für unmöglich halten
und der nur in Notzeiten vielleicht einmal erwogen werden kann, nämlich dann, wenn die Steuerunehrlichkeit so groß wird, daß der Staat wegen dieses allgemeinen katastrophalen Moralrückgangs nicht mehr leben kann. Dieser Zustand war meines Erachtens vor der Währungsreform gegeben. Hätte es damals eine anständige Währung gegeben, so hätte man es nicht mehr mit ansehen können; denn die Konfiskation, die damals angesichts des Schwarzen Marktes versucht, aber nicht erfolgreich betrieben wurde, war ja moralisch vollkommen unerträglich. Heute jedoch haben wir zwar nach wie vor eine bedauerliche Steuerunehrlichkeit, und unser Wunsch hier im Hause ist, daß die Methoden, die der Finanzminister entwickelt, um die Steuerprüfungen durchzuführen, dazu führen werden, daß sich jeder kluge Mensch von selbst schützt und sichert, indem er ehrlich wird; denn hinter seine Schliche wird man schon kommen können.
Nun bedenken Sie aber, in welchem Lande wir die Offenlegung einführen würden! Wir sind weder Nordamerika noch sind wir England, und ganz und gar nicht sind wir Schweden, jenes saturierte Land, daß in 150 Jahren durch keine Schicksalsnot hindurchgegangen ist. Wir dagegen leben in einem Staate, in dem seit 1933 die Denunziation zwar mit Worten bekämpft, in der Sache aber zu einem Heiligtum geworden ist,
zu jener Möglichkeit, durch die allein die Staatsführung den Überblick über die Untertanen haben konnte. Wir wollen doch wohl nicht behaupten, daß die Verhältnisse nach der Kapitulation dazu beigetragen haben, dieses Erbübel etwa auszurotten. Wir haben ja seit 1945 — und das wollen wir zunächst im Auge behalten — an Denunziationen z. B. bei der Entnazifizierung fast noch mehr erlebt als früher.
Ich glaube, da kann keiner ernstlich widersprechen. Jedenfalls ist in dieser Beziehung noch gar nichts Wesentliches gebessert. Deswegen würden wir durch diese Methode die Steuerunehrlichkeit nur dann beseitigen, wenn zur Offenbarungspflicht des einen die Anzeige eines anderen kommt, der etwas anderes weiß und es zur Anzeige bringt. Ohne solche Denunziation wäre die Offenlegung vollkommen belanglos.
Aber außer dieser einen Gefahr muß weiter bedacht werden: wir leben in Deutschland, und darüber sollten wir uns doch einmal einig sein: Eines der größten Erbübel der Deutschen ist der Neid,
diese Scheelsucht zu dem hinauf, dem es besser geht. Das ist etwas, was man in England z. B. überhaupt nicht kennt,
weswegen in England z. B. der monarchische Gedanke außerhalb jedes Streites ist.
Dieser Neid, diese Scheelsucht würde durch die Offenlegung geradezu großgezogen. Es kommt hinzu, daß man ja vielfach gar nicht aus Steuergründen, sondern aus sonstigen, vielleicht sogar
strafbaren Erpressungsgründen diese Steuerlisten einsehen würde.
und bei Sammlungen oder bei Unterstützungen Verwandter oder bei sonstigen Anlässen zum Anlaß nimmt, zu sagen: „Du schäbiger Geizhals, du verdienst ja in Wirklichkeit das und das; ich habe es gestern eingesehen". Das alles sind Trübungen der persönlichsten Sphäre der Menschen. Jeder Staat, der nicht nur als Staatsmaschinerie fungiert und der nicht jeden Staatsbürger als Sklaven behandelt, als einen, der diesem Staat fronen muß, muß sich dreimal besinnen, ehe er die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen so sehr entwertet, daß er von diesem Einzelnen fordert, durch seine Steuererklärung einen Offenbarungseid abzulegen, und zwar vor der breitesten Öffentlichkeit.
Das sind die im wesentlichen ethischen Gründe, die jedenfalls meine Freunde auch dann veranlassen würden, unter allen Umständen gegen eine Offenlegung der Steuerlisten zu stimmen, wenn diese Methode mit Sicherheit auch ohne Denunziation die Steuerehrlichkeit heben könnte. Das letztere aber bezweifeln wir. M i t Denunziation ist diese Methode ein vorzügliches Mittel für .den bequemen Steuerstaatsanwalt, etwas zu erfahren, indem er stillschweigend dazu auffordert: wer etwas weiß, teile es mir mit. — Nehmen Sie an: ein Mann habe angegeben, sein Einkommen sei 10 000 DM. Dann kommt morgen Herr Müller, Herr Meyer oder Herr Schulze und sagt: nein, er hat an einem Geschäft allein das und das verdient. — Derartige Erscheinungen wollen wir nicht. Wir wollen eine sehr fein ausgearbeitete Steuerüberprüfung. Bekanntlich ist sie dann am feinsten, wenn sie weitentlegene Steuerakten heranzieht, um geheimen Vorgängen geschäftlicher Transaktionen auf die Spur zu kommen. Das wird jetzt, wovon ich überzeugt bin, unter der kundigen Obhut unseres Finanzministers ausgebaut und wird dann hoffentlich von selbst zu dem führen, was wir allerdings alle wünschen, nämlich zu einer größeren Steuerehrlichkeit aller oder, richtiger gesagt, aller höher verdienenden Staatsbürger, also derer, die über dem Durchschnitt verdienen. Den Durchschnittsverdienst haben die Arbeitnehmer. Diese aber haben gar keine Möglichkeit, Steuern zu hinterziehen; das können nur diejenigen, die in freien Berufen, also hauptsächlich in der Großwirtschaft arbeiten; denen bieten sich Möglichkeiten, die sie nicht ausnutzen sollten. Ich freue mich insbesondere darüber, daß wir heute eine dieser Gepflogenheiten beseitigt haben, nämlich die Absetzung von Ausgaben für die Bewirtung von angeblichen Geschäftsfreunden, bei denen ja bisher niemand nachgeprüft hat, ob es auch wirklich „Geschäftsfreunde" und nicht etwa nur persönliche Freunde waren.
Ich komme zum Schluß. Unsere Ablehnung dieser sozialdemokratischen Forderung beruht auf dem Gefühl für die Ehre und Würde des Einzelmenschen,
die auch wir nicht dem Steuerschieber zuschreiben, die wir aber zunächst einmal, bis zum Beweis des Gegenteils, jedem deutschen Staatsbürger zuerkennen.
Ehe ich das Wort weiter erteile, habe ich bekanntzumachen, daß die Sitzung des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität um 18 Uhr beginnen soll.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Koch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Kollege Neuburger hat die Offenlegung der Steuerlisten mit den hohen Einkommen in Verbindung gebracht. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß wir dies nicht getan haben; ich will Ihnen aber ein Beispiel nennen, das vielleicht klarlegt, daß es berechtigt wäre, etwas Derartiges zu tun. Ich habe dieses Beispiel aus der „Deutschen Zeitung und Wirtschaftszeitung". Der Oberbürgermeister einer westdeutschen Großstadt hat sich von den Finanzamtsleitern, die die Steuern seines Bezirks verwalten, die Steueraufkommen der Jahre 1946 und 1950 nennen lassen. Da ist folgendes Interessante' zutage gekommen: Das Lohnsteueraufkommen hat sich von 1946 bis 1950 um 130% erhöht. Das ist in Ordnung. Die Nominaleinkommen sind gestiegen, und es werden heute wahrscheinlich mehr Menschen beschäftigt sein als 1946. Das Körperschaftsteueraufkommen ist um 2100 % gestiegen. Auch das mag in Ordnung sein; denn 1946 wurden bei den Körperschaften kaum Gewinne gemacht, weil man im Wiederaufbau war; alle Ausgaben waren Betriebsausgaben. Nun kommt es aber: das Aufkommen der veranlagten Einkommensteuerpflichtigen ist in derselben Zeit, also von 1946 bis 1950, um 10 % gestiegen.
Und nun, meine Damen und Herren: die Veranlagten pflegen ja die Bezieher größerer Einkommen zu sein. Dar um wünschen wir die Offenlegung der Steuerlisten. Wir wollen hier in einigen Jahren nicht mehr 10%, sondern 50 und 100 % Steigerung zählen, zumindest in dem Umfange wie bei dem Aufkommen aus der Lohnsteuer.
Der Abgeordnete Kollege Neuburger hat davon gesprochen: die Offenlegung der Steuerlisten bedeute eine Diffamierung. Bedeutet sie denn in den Vereinigten Staaten oder in England oder in Schweden eine Diffamierung? Meine Damen und Herren, der amerikanische Steuerzahler betrachtet es als eine Selbstverständlichkeit, daß jeder andere Staatsbürger einsehen kann, wieviel er verdient und vor allem: wieviel er für seinen Staat aufbringt. Außerdem muß jeder amerikanische Steuerzahler — und nun ein sehr ernstes Wort, meine Damen und Herren! — erhebliche Beträge für den Wiederaufbau in Europa zahlen.
Es sollte unsere selbstverständliche Anstandspflicht sein,
daß wir uns denselben Maßnahmen unterwerfen, die für den amerikanischen Steuerpflichtigen eine Selbstverständlichkeit sind.
Meine Damen und Herren, heute abend sind Exemplare der „Abendpost" verteilt worden. Sie finden auf der zweiten Seite einen Aufsatz, der überschrieben ist „Herr Theobald schnüffelt bald"! Dieser Artikel nimmt auf unseren Antrag, daß die Steuerlisten offengelegt werden sollen, Bezug. Wer hat denn Angst vor Theobald? möchte ich da fragen.
Doch nur diejenigen, die nach außen hin ein üppiges Leben führen, aber an ihren Staat sehr wenig Steuern abführen.
Unser Antrag, meine Damen und Herren, richtet sich nicht gegen die tüchtigen Leute, die ein anständiges Einkommen haben. Es ist keine Schande, anständig zu verdienen, wenn man tüchtig ist; aber es ist eine Schande, dem Staat das vorzuenthalten, was er auf Grund der bestehenden Gesetze von Rechts wegen von dem Steuerpflichtigen verlangen kann.
Den Lohnsteuerpflichtigen, den Gehaltsempfängern, dem Heer der Beamten und Angestellten können Sie auf Grund der Tariflöhne oder auf Grund der Besoldungsordnung jeden Pfennig nachrechnen, den sie verdienen. Jeder Staatsbürger, der sich dafür interessiert, weiß oder kann wissen, was der Leiter seines Finanzamts, was sein Oberbürgermeister oder Minister verdient. Warum wollen wir denn in diesem Punkte zwei Kategorien von Staatsbürgern schaffen?! Warum wollen wir eine Kategorie schaffen, der wir die Möglichkeit geben, ihre Einkommen zu verschleiern? Dabei interessieren uns gar nicht so sehr die Einkommen wie das, was aus diesen Einkommen für den Staat geleistet wird.
Will sich dieses Hohe Haus, so frage ich, vor der Tatsache beugen, daß es Neid und Mißgunst gibt? Herr Kollege Ewers, ist es ethisch — Sie sprachen von ethischen Gründen —, sich vor diesen schlechten Eigenschaften zu beugen? Dann wäre es ja auch ethisch gewesen, daß sich die Bundesregierung im vergangenen Jahr von der Steuerunmoral gebeugt hat!
Keine Angst, meine Damen und Herren, vor Theobald Schnüffler! Es sollte lieber jeder helfen, daß es in unserem Staate keine mißgünstigen Menschen und keine Neider gibt.
Meine Damen und Herren, es gibt ein sehr gutes Wort, das vielleicht in diesen Zusammenhang paßt: Man soll die Menschen nicht so behandeln, wie sie sind, sondern soll sie so behandeln, wie man sie haben will.
Wir wollen Anständigkeit und Ordnung. Meine
Fraktion wird sich dem Neid und der Mißgunst und
auch der Steuerunmoral jedenfalls nicht beugen.
Nun noch ein persönliches Wort an Herrn Neuburger. Er hat leider einen sehr scharfen Mißton in die Diskussion gebracht, als er uns vorwarf, wir brächten unsere Anträge aus propagandistischen Gründen ein.
Die Anträge, die wir stellen, meine Damen und Herren, können wir glücklicherweise innerhalb und außerhalb des Hauses begründen. Wir haben es nicht nötig, zu unseren Anträgen so lange zu schweigen, bis wir von den anderen Parteien zum Sprechen gereizt worden sind.
Wir werden unsere Anträge so lange stellen, bis wir Ihr schlechtes Gewissen aufgerüttelt haben.
(Rufe von den Regierungsparteien: Unerhört! — Lärm. — Glocke des Präsidenten.
— Anhaltender Lärm. — Abg. Dr. Weber
[Koblenz] : Wir brauchen uns keine Moralpredigt halten zu lassen!)
Meine Damen und Herren, ich erinnere Sie an das
Schicksal unseres Antrags bezüglich der mitverdienenden Ehefrau. Wenn wir unseren Antrag nicht
wiederholt hätten, wo wären wir dann hingekommen? Da ist es uns ja schon gelungen, Sie etwas
aufzulockern; der Antrag ist angenommen worden.
Und wenn wir ihn nicht wiederholt hätten, dann müßten alle bezahlen, die zum großen Teil aus Not zur Doppelarbeit gezwungen sind.
Aus diesem Grunde lehnen wir auch Ihren Antrag auf die Streichung der Bestimmung über die Offenlegung der Steuerlisten ab. Wir haben auch diesen unseren Antrag in diesem Jahre wiederholt, obwohl wir ihn auch im letzten Jahr gestellt hatten. Wir haben die Freude gehabt, daß er in der zweiten Beratung angenommen worden ist. Wir denken nicht daran, nach dem Rezept zu handeln, das uns Herr Kollege Neuburger vorschreiben möchte.
Wir beantragen zu dieser Abstimmung, daß namentlich abgestimmt wird.
Weitere Wortmeldungen zur Sache? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache über diesen Punkt.
Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich nehme an, daß dieser Antrag die erforderliche Unterstützung hat. — Das ist der Fall.
Dann lasse ich abstimmen. Wer für die Durchführung der Abstimmung im Wege der namentlichen Abstimmung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe!
Letzteres ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
- Meine Damen und Herren, können Sie Ihren Gefühlen auch auf eine weniger störende Weise Ausdruck geben? — Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Antrags auf Umdruck Nr. 197 Ziffer 2 ist, nämlich § 1 Ziffer 17 a zu streichen, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! —
Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
§ 1 Ziffer 17 a wird gestrichen.
Ich rufe auf Ziffer 18. Zu Ziffer 18 liegt ein Antrag auf Umdruck Nr. 197 Ziffer 3 vor. Wird der Antrag begründet? —
— Der Antrag wird nicht begründet; es handelt sich nur um einen technischen Verbesserungsvorschlag.
— Es soll Buchstabe h in Abs. 1 Ziffer 2 des § 51 gestrichen werden. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. —Gegenprobe! — Der Antrag ist angenommen.
Ich lasse abstimmen über Ziffer 18 in der nunmehrigen Fassung. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Die Ziffer ist angenommen.
Auf Bitte des Vorsitzenden des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität habe ich noch bekanntzugeben, daß dieser Ausschuß nach der Schlußabstimmung zusammentreten wird.
Ziffer 19, — § 2. — Angenommen.
Zu § 3 liegt ein Änderungsantrag in Umdruck Nr. 195 Ziffer 8 vor. Keine besondere Begründung. Keine weiteren Wortmeldungen? — Dann schließe ich die Aussprache. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit. — Der Antrag ist abgelehnt. § 4. — Keine Änderung. Angenommen.
Zu § 5 a liegt ein Antrag Dr. Bucerius und Genossen Umdruck Nr. 200 vor. Wird der Antrag begründet?
— Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bucerius.
Schon die bisherige Fassung des § 5 a bedeutete ein besonderes Entgegenkommen gegenüber Berlin. Auf besonderen
) Wunsch der Berliner Wirtschaft, der Gewerkschaften und auch des Senates ist diese Vergünstigung, die bisher nur für die produzierenden Betriebe galt, auf den Handel und das Transportgewerbe ausgedehnt worden. Das ist der Sinn der jetzigen Fassung des § 5 a, die wir anzunehmen bitten.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Dann schließe ich die Aussprache.
Wer für die Annahme dieses Antrags ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Der Antrag ist angenommen.
Dann lasse ich über Ziffer 19 in der nunmehr beschlossenen Fassung abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Nunmehr Abschnitt IV § 6, Schlußvorschrift, Einleitung und Überschrift. — Anträge liegen nicht vor.
Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Damit ist die Einzelberatung in dritter Lesung abgeschlossen. Wir kommen nunmehr zur Schlußabstimmung.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Koch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokratische Partei hat beschlossen, sich bei der Schlußabstimmung der Stimme zu enthalten. Sie begründet das mit der folgenden Erklärung, die ich im Namen der sozialdemokratischen Fraktion abzugeben die Ehre habe:
Das vorliegende Gesetz zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes erfüllt nur zu einem
geringen Teil die auch im Bundestage immer wieder aufgestellten Forderungen der sozialdemokratischen Fraktion auf eine soziale und gerechte Gestaltung unseres Steuersystems und insbesondere der Einkommensbesteuerung.
Die Beschränkung der steuerlichen Begünstigung der Selbstfinanzierung und die Aufhebung der §§ 10 a und 32 a des Einkommensteuergesetzes entsprechen zwar den Anträgen der sozialdemokratischen Fraktion zur sogenannten Steuerreform des Jahres 1950; diese Änderungen kommen aber zu spät, nachdem die nunmehr geänderten Bestimmungen zusammen mit der planlosen Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu unübersehbaren Kapitalfehlleitungen und Fehlinvestitionen geführt haben, durch die dem Kapitalmarkt und einer dringend notwendigen Investitionspolitik zugunsten der Engpaßindustrien und damit zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit Milliardenbeträge schuldhaft entzogen wurden.
Die erneute Ablehnung der sozialdemokratischen Anträge auf eine soziale Umgestaltung des Einkommensteuertarifes und auf Rückgängigmachung der — wie die Erfahrungen gezeigt haben — durch nichts mehr gerechtfertigten Tarifsenkungen des Vorjahres, soweit das Einkommen 6000 DM im Jahre übersteigt, zeigt die Absicht der Bundesregierung und der Regierungsparteien, fortzuschreiten auf dem 1950 so unheilvoll begonnenen Wege, die wohlhabenden Schichten des Volkes zu Lasten der mittleren und kleinen Einkommen zu entlasten.
Statt einer planvollen Wirtschafts- und Finanzpolitik, die eine Einheit sein müßten, beunruhigt die Bundesregierung Volk und Wirtschaft seit Monaten durch unfertige Pläne gerade auch auf steuerlichem Gebiete, Uneinigkeit und Kopflosigkeit in die Parteien tragend, die für die Regierungspolitik verantwortlich sind. Die Kosten aber für diese Planlosigkeit auf allen Gebieten trägt das ganze Volk, soweit es nicht zu den Nutznießern der unsozialen Steuerpolitik gehört, tragen insbesondere Millionen Kriegsopfer, Vertriebene, Arbeitslose, Sozialrentner und die Empfänger kleiner Einkommen.
Aus allen diesen Gründen stellt die sozialdemokratische Fraktion die folgenden dringenden Forderungen an eine gesunde Finanz- und Steuerpolitik.
— Wir- begründen mit dieser Erklärung unsere Enthaltung.
Die sozialdemokratische Fraktion fordert, wie sie es sowohl im Parlamentarischen Rat als auch als erste im Bundestag getan hat, eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung, die allein die gerechte und gleichmäßige Erhebung der Steuern sicherstellen kann.
Herr Abgeordneter, das ist keine Erklärung mehr zur Abstimmung.
— Das festzustellen, ist meine Angelegenheit.
— Nein, es ist nicht Ihre Angelegenheit, Herr Abgeordneter, das festzustellen!
Die sozialdemokratische Fraktion fordert entscheidende Taten gegen die Steuerhinterziehungen, Sparsamkeit in allen Zweigen der Verwaltung — —
Herr Abgeordneter!
Ich fasse zusammen: Solange diese Forderungen nicht erfüllt sind, lehnt die sozialdemokratische Fraktion alle Erhöhungen unsozialer, ungerechter, wirtschaftsschädigender indirekter Steuern ab. Die sozialdemokratische Fraktion kann auch nicht Teillösungen zustimmen, die wie das vorliegende Gesetz Einzelfragen regeln, ohne das System im Sinne der sozialdemokratischen Forderungen grundlegend zu ordnen.
Aus diesem Grunde wird sich die sozialdemokratische Fraktion bei der Abstimmung der Stimme enthalten.
Vizepräsident Dr. Schmid: Keine weiteren Erklärungen zur Abstimmung mehr?
— Als Erklärung zur Abstimmung? — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller.
Ich habe Sie noch nie so geistreich gehört, Herr Zwischenrufer!
Meine Damen und Herren! Im Hinblick auf die Tatsache, daß diese Regierung mit dem vorliegenden Gesetz einen weiteren Schritt in der Richtung der Massenbelastung vollzieht,
um aus den arbeitenden Schichten im Sinne der Politik des Petersberges die Mittel für die Remilitarisierung herauszupressen,
angesichts der Tatsache, daß diese Regierung mit diesem Steuergesetz eine weitere Vergünstigung aber auch für die Reichen schafft, erklärt die kommunistische Fraktion, daß sie gegen dieses Gesetz stimmen wird.
Weitere Erklärungen sollen nicht abgegeben werden. — Dann komme ich zur Abstimmung. Wer für die Annahme der Vorlage im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Mehrheit ist für die Annahme des Gesetzes. Das Gesetz ist beschlossen.
Ich habe noch über den Ausschußantrag Drucksache Nr. 2212 Ziffer 2 abstimmen zu lassen. Das sind Petitionen, die zu dieser Materie eingegangen sind. Sie sind durch die Abstimmung für erledigt zu erklären. Kein Widerspruch? — Es ist so beschlossen.
Ferner ist der von der Fraktion der FDP eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Körperschaftsteuergesetzes, Drucksache Nr. 1864, für erledigt zu erklären. Auch hier ist kein Widerspruch. — Es ist so beschlossen.
Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Herr Abgeordnete Freudenberg.
Mit Zustimmung der Fraktionen der CDU/CSU, DP, FDP und Zentrum bitte ich, Punkt 4 der Tagesordnung vorzuziehen, um sofort zur Beratung dieses Punktes: Fortsetzung der zweiten Beratung über die steuerlichen Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr, Nr. 2061 der Drucksachen, zu kommen.
Darf ich die Frage an das Haus richten: Ist es richtig, daß wir jetzt mit Punkt 4 der heutigen Tagesordnung beginnen? Wir haben von gestern noch den Punkt 3:
a) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund;
b) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung des Artikels 108 Absätze 1, 2 und 4 des Grundgesetzes.
Es ist Sache des Hauses, zu beschließen, was den Vorrang haben soll.
Meine Damen und Herren! In der Sitzung des Ältestenrates heute morgen ist eine Vereinbarung über die heutige Tagesordnung getroffen worden, und zwar in dem Sinne, wie der Herr Präsident es eben vorgetragen hat. Ich glaube, alle Dinge, die auf der Tagesordnung stehen, sind gleichermaßen eilbedürftig. Es ist nicht gut möglich, jetzt einen neuen Tagesordnungspunkt vorzuziehen. Vor allen Dingen sollten wir Wert darauf legen, daß wir auch endlich einmal mit der zweiten Beratung der Einzelpläne des Haushalts fertig werden, damit wir in der übernächsten Woche die dritte Lesung vornehmen können. Derartige Umstellungsanträge, die übrigens im Ältestenrat heute morgen in gar keiner Weise zur Sprache gekommen sind, bedingen doch nur, daß die Arbeit des Hauses wieder verzögert wird. Wir könnten den nächsten Tagesordnungspunkt beinahe zur Hälfte erledigt haben.
Ich bitte deshalb, diese Anträge abzulehnen und in der heute morgen vereinbarten Tagesordnung fortzufahren.
Das Wort hat der Abgeordnete Schröter.
Meine Damen und Herren! Es entspricht den Tatsachen, daß der Ältestenrat heute so vorzugehen beschlossen hat, wie es Kollege Mellies eben auseinandergesetzt hat. Trotzdem besteht für das Haus immerhin noch die Möglichkeit, eine Umstellung vorzunehmen. Herr Kollege Mellies, es ist doch nicht so, daß wir darin eine Verzögerung erblicken können. Es wird eine kurze Zeit —• nicht lange — darüber debattiert werden. Infolgedessen hat meine Fraktion keine Bedenken getragen, der Anregung der FDP-Fraktion zuzustimmen. Wir werden also für die Änderung stimmen.
Dann lasse ich abstimmen. Wer für die Änderung der bisher festgestellten Tagesordnung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste ist die Mehrheit. Die Tagesordnung ist geändert.
Dann rufe ich auf Punkt 4 der für heute festgesetzten Tagesordnung:
Fortsetzung der zweiten Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP, BP, Z eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung
der Ausfuhr ; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nrn. 2213, 2286 der Drucksachen).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Povel als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der letzten Behandlung des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr ist, nachdem die Berichterstattung vor sich gegangen war, der Antrag gestellt worden, dieses Gesetz an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen erneut zu überweisen, weil verschiedene Änderungsanträge gestellt worden waren und weil bei vielen Kollegen Bedenken _aufgetaucht waren, ob zu weitgehende steuerliche Vergünstigungen es nicht erforderlich machten, die Dinge noch einmal zu überprüfen. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat dieses Gesetz gestern und heute beraten und im wesentlichen noch folgende Änderungen angebracht.
Der Ausschuß war fast einmütig der Ansicht, daß es zweckmäßig sein würde, eine Klausel anzubringen, nach der der Gewinn aus dem Ertrag über einen Satz von 50 % hinaus `nicht gemindert werden soll. Wenn also jemand einen Gewinn von beispielsweise 100 000 DM hat, so darf er nicht mehr als 50 000 DM ertragsteuerliche Vergünstigungen aus seinen Exportumsätzen in Anspruch nehmen.
Eine zweite Änderung ist insofern vorgenommen worden, als der Termin des Inkrafttretens des Gesetzes geändert worden ist. Im Gesetz war vorgesehen, daß der 1. Januar 1951 als Stichtag für das Anlaufen des Gesetzes gelten sollte. Die Fraktionen der Regierungskoalition hatten bereits einen Änderungsantrag vorgelegt, nach dem das Gesetz am 1. Juli dieses Jahres anlaufen soll. Der Ausschuß ist, um die Überbrückung des Monats Juni zu ermöglichen, der Ansicht, daß die ertragsteuerlichen Vergünstigungen ab 1. Juni anfangen müßten, während die Umsatzsteuerrückvergütung, die ja nach den Eingängen erfolgt, ab 1. Juli vor sich gehen soll.
Nach der Ihnen vorliegenden Drucksache Nr. 2286 ist ein weiterer Paragraph, § 7 a, eingefügt worden, nach welchem dieses Gesetz auch für Berlin gelten soll, sobald das Land Berlin die Anwendung dieses Gesetzes in Berlin beschließt.
Ferner ist bestimmt worden, daß Naturerzeugnisse, wie Sämereien, Hopfen, Butter, Schinken usw., soweit es von der Verwaltung als wünschenswert angesehen wird, ebenfalls steuerlich gefördert werden können.
Die Drucksache, die Sie zur Hand haben, muß noch abgeändert werden. Diese Änderung ist heute morgen beschlossen worden. Sie konnte Ihnen als Drucksache noch nicht allgemein zugeleitet werden. Ich bitte, unter § 4 b nach dem Komma zwischen den Worten „sich" und „vor Anwendung" die Worte „im Wirtschaftsjahr" einzufügen.
Ferner bitte ich, unter Ziffer 5, die die Änderung der Fassung des § 8 Abs. 1 bringt, den letzten Satz, beginnend mit den Worten „§ 5 gilt für Lieferungen" bis „erfolgt sind" zu streichen und dafür als Abs. 2 einzufügen:
§ 5 gilt für die Entgelte für Lieferungen, die nach dem 30. Juni 1951 und vor dem 1. Januar 1954 vereinnahmt sind. Dies gilt nicht, soweit für die gleichen Lieferungen die Vergütungen nach dem vereinbarten Entgelt gewährt worden sind oder gewährt werden.
Absatz 2 wird Absatz 3.
Ich habe mich kurz fassen können, weil die Berichterstattung über das Gesetz selbst schon vorgenommen worden ist. Namens des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen bitte ich, das Gesetz in der jetzt vorliegenden Form zu genehmigen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir sind in der zweiten Beratung. Es wird also keine allgemeine Aussprache stattfinden.
Ich rufe die einzelnen Paragraphen auf: § 1. —Zu § 1 hat das Wort der Herr Abgeordnete Mertins.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 1 dieses Gesetzes gibt das Ziel des ganzen Gesetzes an, und ich nehme daher Veranlassung, einige grundsätzliche Ausführungen zu machen. Das Ziel des Gesetzes soll die Förderung des Exports sein. Meine politischen Freunde erklären sich mit diesem Ziel vollständig einverstanden. Auch wir sind der Meinung, daß Deutschlands Export gesteigert werden kann und gesteigert werden muß, daß die Steigerung des Exports vielleicht sogar eine Lebensfrage für Deutschland ist. Es erhebt sich hier allerdings gleich die Frage: Müssen in diesem Augenblick angesichts der Finanzlage des Bundes noch Aufwendungen in einer Gesamthöhe von mindestens 400 Millionen DM gemacht werden, um dieses Ziel zu erreichen? Wir haben festgestellt, daß der Exportüberschuß bereits 77 Millionen DM beträgt, und wir haben weiter festgestellt, daß Lieferaufträge fremder Staaten, vielleicht im Zusammenhang mit der Koreakrise, vorliegen, die eine Ausweitung des Exports unbedingt zwangsläufig erscheinen lassen. Ja, es ist uns sogar bekannt, daß bei Exportaufträgen Vorkassa geleistet wird. Wir sind daher der Meinung, daß dieses Gesetz in der heutigen Situation nicht so dringend notwendig ist, wie es vielleicht vor einem Jahr gewesen wäre.
Aber selbst wenn wir diese Frage im Sinne der Antragsteller und im Sinne des Herrn Bundesfinanzministers bejahen würden, müssen wir die andere Frage stellen: Wird dieses Gesetz dem gesteckten Ziel, den Export zu fördern, gerecht? Die Anlage des Gesetzes zeigt ganz deutlich, daß nicht die Steigerung des Exports, sondern auch schon die j e t z i g e Exporthöhe steuerbegünstigt wird. Dieses Gesetz stellt also in seinen Auswirkungen ein Geschenk für bereits abgewickelte Geschäfte dar, und diese abgewickelten Geschäfte haben sicher ihren lohnenden Verdienst schon gebracht. Der Erfolg des Gesetzes wird daher sein, daß wir wieder Kapitalfehlleitungen zu verzeichnen haben werden und daß die Vermögensvermehrung bestimmter Kreise einen ungeahnten Fortschritt macht.
Dieser üble Tatbestand wird noch deutlicher durch das Fehlen jeder Lenkung des zu bildenden Kapitals. Wir haben in dem ganzen Gesetz eine Zweckbestimmung der gewonnenen Beträge vermißt. Welche Exporteure — das ist die weitere
Frage — haben die Vorteile aus diesem Gesetz? Heute morgen hat im Ausschuß, in dem noch einmal über dieses Gesetz gesprochen wurde, der Vertreter des Wirtschaftsministeriums erklärt, daß die Exportlage im Augenblick durchaus zufriedenstellend ist, ja daß der Sog aus dem Ausland zum Exportieren so stark geworden ist, daß Lieferfristen über viele Monate, ja über Jahre hinaus vereinbart werden. Dagegen ist uns bekannt, daß in einem bestimmten Bezirk unserer Republik etwa 110 Kleinexporteure in den Kreisen des Handwerks insgesamt, eine Exportsumme von 12,5 Millionen DM erreichen, daß der einzelne also nach diesem Exportförderungsgesetz eine Vergütung von 3000 DM erhalten würde, die natürlich zur Exportsteigerung, also zur Investition für Anlagen der Exports, für Lagerhäuser, für Errichtung von Niederlassungen usw. keine besondere Rolle spielen. Auf der anderen Seite ist uns bekannt geworden, daß ein einzelnes chemisches Werk ohne Mühe von 45 Millionen Gesamtumsatz 30 Millionen Exportumsatz gehabt hat. Für dieses chemische Werk würden natürlich die Auswirkungen des vorliegenden Gesetzes ein Geschenk ersten Ranges bedeuten. Es ist heute leichter — ich möchte da ein Wort meines Kollegen Harald Koch zitieren —, eine Schiffsladung chemischer Erzeugnisse zu exportieren als ein Postpaket Schmuckwaren. Das Gesetz bringt also nur Vorteile für Großverdiener, nicht aber eine wirkliche Hilfe für die Exporteure, die vielleicht sogar aus den Kreisen der Vertriebenen stammen und sich Tag für Tag in mühseliger Handwerksarbeit mühen, ihren Export wieder zu gewinnen, den sie durch den Krieg verloren haben.
Auch bei den Koalitionsfraktionen haben wir große Bedenken gegen dieses Gesetz in letzter Zeit feststellen können. Ich erinnere daran, daß der Herr Abgeordnete Pelster in der vergangenen Sitzung den Antrag auf Rückverweisung an den Ausschuß stellte. Ich erinnere daran, daß auf seinen Antrag hernach im Ausschuß gegen unsere Stimmen der § 4 b eingefügt worden ist, der schon eine wesentliche Minderung des Steuergeschenks mit sich bringt. Ich erinnere daran, daß der Herr Abgeordnete Dr. Wellhausen im Ausschuß den Ausdruck gebraucht hat, dieses Gesetz komme zu spät. Auch wir sind der Meinung, daß dieses Gesetz, vor einem Jahr eingebracht, sinnvoll gewesen wäre, daß es aber jetzt, nachdem der Export sich auf Grund der verschiedensten internationalen Umstände von selbst in Deutschland steigert, unverantwortlich ist. Die heutige Ausschußsitzung hat ganz deutlich gezeigt, daß es den Koalitionsfraktionen gar nicht so wohl bei der Beratung dieses Gesetzes ist und daß sogar von Rückverweisung an den Ausschuß gesprochen worden ist.
Aber ich habe noch eine andere Frage aufzuwerfen. Kann denn der Herr Bundesfinanzminister dieses Gesetz überhaupt verantworten? Ich wäre sehr begierig, seine Antwort zu hören.
Wir haben heute bei der Beratung der Novelle zum Einkommensteuergesetz eine Haltung des Herrn Bundesfinanzministers und dieses Hauses erfahren, die ganz dahin tendiert, denjenigen Kreisen, die zu den Großverdienern gehören, immer weitere Erleichterungen zu gewähren und die Massen von diesen Erleichterungen auszuschließen. Ich denke nur an das beschämende Beispiel, das die Abstimmung über unseren ersten Antrag, die getrennte Besteuerung von Mann und Frau, hier im Hause geboten hat. Aber wir wissen darüber hinaus, daß der
Herr Finanzminister neue Massenbelastungen durch Erhöhung der Umsatzsteuer verlangt. Wir wissen auf der andern Seite, daß er kein Geld für die dringendsten sozialen Aufgaben hat. Wir wissen, daß er sogar zur Drosselung wichtiger Produktionszweige schreiten muß, indem er durch die Mineralölsteuererhöhung Landwirtschaft und 'Fischerei in einem Maße belastet, das kaum noch erträglich ist. Wir wissen, daß zur Stunde Tausende von Fischkuttern nicht mehr auslaufen können, weil ihre Besitzer die erhöhten Preise für Mineralöle nicht mehr bezahlen können.
Wenn wir all diese Dinge zusammenfassen, dann erinnern wir uns auch in diesem Zusammenhang an die Einkommensteuernovelle vom vorigen Jahre, von der mein Kollege Harald Koch hier heute gesagt hat, daß sie einer dünnen Schicht von Großverdienern fast ein Milliardengeschenk gemacht hat. Auch bei dem vorliegenden Gesetz scheint es uns so zu sein, daß man wieder einer dünnen Schicht ein Geschenk von insgesamt 400, vielleicht sogar 500 oder 600 Millionen DM machen will, ohne daran zu denken, daß es Not in Deutschland gibt, daß man nicht weiß, wie man die miserable Kassenlage bessern kann, daß man nicht weiß, wie man den Haushalt in Ordnung bringen soll.
Die sozialdemokratische Fraktion wäre durchaus damit einverstanden gewesen, wenn der Herr Finanzminister etwa 100 Millionen DM zur Förderung von Exportfirmen aus Vertriebenen- oder aus Handwerkerkreisen bereitgestellt hätte. Aber diese 100 Millionen DM müßten individuell auf bestimmte Betriebe verteilt werden und nicht pauschal auf alle diejenigen, die jetzt im Export tätig sind. Eine individuelle Exportförderungshilfe statt der Pauschalhilfe, die hier durch diesen Gesetzentwurf vorgesehen ist, würde auf jeden Fall unsere Unterstützung finden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Anlage des Gesetzentwurfes gestattet es uns nicht, wie ich schon im Ausschuß gesagt habe, Abänderungsanträge einzubringen. Es ist ein Entwurf, der aus Interessentenkreisen zu kommen scheint. Wir warnen Sie davor, diesen Entwurf Gesetz werden zu lassen. Nicht Exportförderung ist das Ziel dieses Gesetzes, sondern, wie ich schon einmal im Ausschuß sagte, die Vermehrung des Vermögens für Großverdiener ist der Sinn und der Erfolg dieses Gesetzes, wenn es angenommen wird.
Ich möchte in diesem Stadium der Verhandlungen nicht mehr den Antrag auf Rückverweisung an den Ausschuß stellen. Die Koalitionsfraktionen sind, wie ich im persönlichen Gespräch gehört habe, entschlossen, dieses Gesetz in dieser Form anzunehmen. Ich hatte nur die Aufgabe, Ihnen einmal das vor Augen zu führen, was wir von unserer Warte aus zu diesem Gesetz zu sagen haben. Das ist kurz gesagt folgendes. Hier wird wieder ein Geschenk pauschal und unverdient an Leute gegeben, die heute schon zu' denen gehören, die man als Großverdiener bezeichnen kann.
Dagegen, daß die dritte Lesung heute stattfindet, erhebe ich jetzt schon Einspruch. Wir werden das Gesetz in dieser Form ablehnen.
Keine weiteren Wortmeldungen zu § 1. — § 1, — § 2, — § 3, — § 4, —§ 4 a. — Angenommen.
Bei § 4 b wären nach dem Bericht des Herrn Berichterstatters in der vierten Zeile nach dem Worte „sich" die beiden Worte „im
Wirtschaftsjahr" einzufügen. — Das Haus ist einverstanden.
Dann § 5, — § 6 mit der vom Berichterstatter beantragten redaktionellen Änderung, — § 6 a —, § 7, — § 7 a, — § 8 ! Dort ist zwischen den bisherigen Absätzen 1 und 2 ein neuer Abs. 2 einzufügen, den der Herr Berichterstatter verlesen hat. Ist das Haus einverstanden? — Kein Widerspruch.
Einleitung und Überschrift! — Wer in der zweiten Beratung für die Annahme dieser einzelnen Bestimmungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Die zweite Beratung ist damit erledigt.
Dann rufe ich von der gestrigen Tagesordnung Punkt 3 auf:
a) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1951 ;
b) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung des Artikels 108 Absätze 1, 2 und 4 des Grundgesetzes .
Ich nehme an, daß die beiden Gesetze zusammen begründet werden und daß auch die allgemeine Aussprache über beide zusammen und nicht getrennt erfolgt. — Das Haus ist einverstanden.
Ich habe noch mitzuteilen, daß der Vorsitzende des Vermittlungsausschusses, Kollege Kiesinger, bekanntzugeben bittet, daß die Sitzung des Vermittlungsausschusses um 18 Uhr auf Zimmer 12 begonnen hat.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, der Ihnen vorgelegt wird, ist äußerlich unscheinbar. Er besteht nur aus drei kurzen Paragraphen. In seiner Bedeutung dagegen ist dieses Gesetz vielleicht eines der entscheidendsten Gesetze, die Ihnen vorgelegt wurden. Dieses Gesetz regelt auf einer neuen Grundlage das finanzpolitische Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Wir haben bisher das System der Interessenquoten gehabt. Es wäre mir an sich eine innere Befriedigung gewesen, wenn das System der Interessenquoten hätte beibehalten werden können. Das System der Interessenquoten hätte vielleicht ein Problem lösen können, das unser Grundgesetz aufwirft, nämlich das große Problem, daß der Bund derjenige ist, der insbesondere für soziale Zwecke Milliarden von D-Mark zur Verfügung stellt und diese Milliarden D-Mark von den Ländern verwaltet sieht. Durch das System der Interessenquoten, das seinerzeit im Einverständnis mit den Ministerpräsidenten der Länder erdacht worden ist, ist versucht worden, die Gefahr zu vermeiden, daß die Verwaltung dieser Gelder dadurch, daß sie ein Fremder hat, nicht zweckmäßig und sparsam genug erfolgt. Es hat sich jedoch herausgestellt, daß der Unterschied in der finanziellen Auswirkung unter den Ländern relativ groß ist und daß die steuerschwachen Länder, die mit besonders hohen sozialen Lasten überbürdet sind — und meistens trifft die soziale Überbürdung mit der Steuerschwäche der Länder zusammen —, dadurch, daß die Interessenquoten notwendigerweise auf der Höhe des Anfalls der Ausgaben in den einzelnen Ländern aufbauen mußten und von der Steuerkraft der Länder getrennt waren, finanziell in Nachteil geraten sind. Nachdem sich nunmehr mit dem Steigen der sozialen Ausgaben die Anforderungen, die der Bund auf diesem Gebiet erheben I muß, auch wieder steigern, verstärken sich die Unterschiede unter den Ländern.
Infolgedessen war es nicht mehr möglich, das alte System der Interessenquoten beizubehalten. Es mußte nunmehr der Weg beschritten werden, den das Grundgesetz in Art. 106 Abs. 3 vorschreibt. Es mußte also eine unmittelbare Beteiligung des Bundes an dem Steueraufkommen der Länder geschaffen werden. Das ist der Grundgedanke dieses Gesetzes. Dabei ergibt sich, daß der Anteil des Bundes entsprechend Art. 108 des Grundgesetzes — auch darüber liegt Ihnen ein entsprechender Gesetzentwurf vor — eine Beteiligung des Bundes an der Steuerverwaltung der Länder zur notwendigen Folge hat. Es war selbstverständlich klar, daß einmal die Beteiligung des Bundes am Aufkommen von Landessteuern — Einkommensteuer und Körperschaftsteuer — und zweitens die Beteiligung des Bundes an der Verwaltung dieser Steuern große staatspolitische Fragen aufwerfen und damit auch die Gefahr eines Konfliktes zwischen Bund und Ländern herbeiführen kann. Ich glaube, daß es ein günstiges Vorzeichen .für das Zusammenarbeiten zwischen Bund und Ländern ist, daß diese beiden Gesetzentwürfe in ihren Grundgedanken die Zustimmung des Bundesrates gefunden haben und daß gerade der schwerwiegende Gesetzentwurf nach Art. 108 des Grundgesetzes bisher sogar die einstimmige Zustimmung des Bundesrates gefunden hat. Ich hoffe, daß auf diesem Wege all das, was in der Öffentlichkeit bisher über das Verhältnis zwischen Bund und Ländern gesprochen ist, einer ruhigeren Betrachtung unterzogen wird und daß die Gefahr, um gewisser Theorien willen in einen Konflikt zwischen Bund und Ländern zu kommen, vermieden werden kann. In meiner Eigenschaft als Bundesfinanzminister kann ich sagen, neben dem Einfluß, den der Bund notwendigerweise auf eine gleichmäßige Gebarung der Steuerverwaltung in allen elf Ländern und darauf haben muß, daß der Kampf gegen die Steuerunehrlichkeit in allen elf Ländern gleichmäßig geführt wird, erhält der Bund nunmehr, da er schon vom Standpunkt der Bundessteuern aus an diesem Kampf beteiligt ist, auch dadurch eine Einflußnahme, daß seine Überwachung in der Form der Betriebsprüfung sich auch auf die Landessteuern erstreckt. Dadurch wird vieles, was heute in der Öffentlichkeit debattiert wird und mit mehr oder weniger Recht oder Unrecht dem Konto der Länder zugeschrieben wird, behoben werden, und diese beiden Gesetzentwürfe werden, wenn sie die gesetzgebenden Körperschaften passiert haben und Gesetz geworden sind, eine gewisse Basis für die gesamte finanzpolitische Entwicklung zwischen Bund und Ländern bilden können.
Es gibt ein altes Gesetz von der Anziehungskraft des größten Lasten- und Steuerträgers. Der Bund ist nunmehr im Verhältnis zu den Ländern in ihrer Gesamtheit der größere Bruder geworden. Der größere Teil der Steuereinnahmen und der größere Teil der Lasten gehen auf den Namen des Bundes. Es wäre eine natürliche Entwicklung, die von den Ländern wohl vorausgesehen und von den Ländern in diesem Sinne wohl auch gefürchtet wird, daß diese Anziehungskraft des größeren Lastenträgers dazu führt, den Ländern das, was sie als ihr natürliches Recht beanspruchen, auch wegzunehmen. Es gilt aber letzten Endes in all diesen Fragen der Satz: Im Notwendigen die Einheit, im Zweifel die Freiheit und in allem — um ein stolzes
Wort zu nehmen — die Liebe und — ich will hier sagen — in allem ein brüderliches Zusammenarbeiten. Von diesem Grundsatz gehen die beiden Gesetzentwürfe aus. Eine einheitliche Steuerverwaltung, ein einheitliches Handhaben der Steuergesetze ist eine Notwendigkeit für das gesamte deutsche Volk. Die Frage z. B. der Einrichtung der Behörden, um es nun einmal im kleinen zu sagen, die Frage, ob ein Finanzamt in Sonthofen oder in Immenstadt errichtet wird, ist keine Frage, die das gesamte deutsche Volk berührt. Das ist eine Frage, die ruhig den regionalen Wünschen und den regionalen Verhältnissen überlassen werden kann. Der Kampf gegen die Steuerunehrlichkeit ist eine gemeinsame Frage aller Beteiligten. Wenn es gelungen ist, die Länder zur Zustimmung zu bewegen, daß die Betriebsprüfung, auf die wir künftig entscheidenden Wert legen müssen, in einem 'gemeinsamen Zusammenarbeiten erfolgt, daß der Bund, der seine eigene Betriebsprüfung braucht, diese Betriebsprüfung gleichzeitig in allen diesen Fällen, allerdings möglichst im Zusammenwirken mit den Ländern, auf die Landessteuern und deren Nachprüfung erstrecken kann, so ist dem Notwendigen Rechnung getragen. Wenn wir keine Vereinheitlichung im Personal in den Behörden angestrebt haben, so haben wir hier der regionalen Freiheit ihre Bahn gelassen, weil wir sagen, das ist ein Zweifelsfall. Wenn der Geist, in dem die Gesetze im Bundesrat behandelt worden sind, auch das Vorzeichen für den Geist ist, mit dem diese Gesetze gehandhabt werden, dann wird die Garantie für das brüderliche Zusammenarbeiten, das in allen Fragen, in den notwendigen und in den zweifelhaften, erfolgen muß, gegeben sein. Von diesem Gesichtspunkt aus begrüße ich die Entwicklung, die diese beiden Gesetzentwürfe bisher gefunden haben und die die Abstimmung des Deutschen Bundesrates gekennzeichnet hat.
Ein schwerer Punkt bleibt noch offen, das ist ein Punkt, der nicht im Prinzipiellen, nicht im Verhältnis zwischen Bund und Ländern, sondern in den rauhen Tatsachen, in der finanziellen Enge liegt, in der sich sowohl der Bund wie die Länder befinden. Ich möchte fast sagen, ich glaube, daß die finanzielle Enge des Haushalts im Bund heute und in absehbarer Zeit vielleicht stärker fühlbar ist als wenigstens in einem Teil der Länder.
Wir haben uns wohl über den Grundsatz geeinigt, daß der Bund nach Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes einen Teil der Einkommen- und Körperschaftsteuer in Anspruch nimmt. Wir haben uns wohl über das Prinzip, nach welchem die Inanspruchnahme erfolgt, geeinigt. Über die Höhe des Prozentsatzes konnten wir uns bisher noch nicht einigen.
— Es wäre ein Wunder gewesen, Herr Kollege, wenn wir uns in der ersten Stunde auch über die Höhe des Prozentsatzes schon hätten einigen können.
Aber ich muß sagen, es ist ein Fortschritt, daß wir eine Einigung wenigstens auf 80% unserer Forderung erreicht haben; denn der Vorschlag des Bundesrates erfüllt zu 80% die Wünsche, die die Bundesregierung wohl auch in Ihrem Namen an die Länder gestellt hat.
Wenn die Bundesregierung diese Forderung gestellt hat, so ist sie dabei von einer Überlegung ausgegangen, die auch, sagen wir einmal, auf die Lebensnotwendigkeiten der Länder Rücksicht nimmt. Wir dürfen nicht in einen Streit zwischen Bund
und Ländern geraten, ich habe das oft betont. Wir müssen hinter beiden das deutsche Volk sehen und müssen daran denken, daß die Länder ihre besonderen Aufgabengebiete gegenüber dem deutschen Volk haben. Ich sage nur, daß das gesamte kulturpolitische Gebiet, die gesamte Erziehung der deutschen Jugend eine Aufgabe ist, die vom Grundgesetz den Ländern übertragen ist und für die den Ländern die Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen.
Wir haben auch an die Bestimmung des Art. 109 des Grundgesetzes gedacht, nach der der Bund sowohl wie die einzelnen Länder in die Lage versetzt sein müssen, selbständig, unbeeinflußt von dem anderen ihre Haushalte aufzustellen und durchzuführen. Die Berechnung, die die Bundesregierung angestellt hat, war folgende: Wir hoffen, daß durch die neuen Steuergesetze, von denen das wichtigste eben in diesem Hause in dritter Lesung verabschiedet worden ist, den Ländern so viel mehr Aufkommen zufließt, daß sie sich ohne Gefährdung ihrer bisherigen Aufgaben und mit den Mitteln, die schon bisher diesen Aufgaben zugewendet worden sind, auch weiter diesen Aufgaben widmen können. Die Grenze, die die Bundesregierung bei der Inanspruchnahme der Länder gezogen hat, ist die Grenze gewesen, wo das Mehraufkommen sich auf Grund der Bundesgesetzgebung errechnet, so daß also die bisherige Haushaltsgebarung von den Ländern trotz Inanspruchnahme des Teils der Einkommen- und Körperschaftsteuer weiter ausgeübt werden kann. Deshalb hat Art. 109 des Grundgesetzes in seinem ganzen Sinn und Geist eine besondere Bedeutung.
Wir müssen die Verhältnisse zwischen Bund und Ländern immer für ein Haushaltsjahr voraus und endgültig regeln.
Während des Jahres, weil der eine Teil vielleicht mehr ausgibt und sich nunmehr eine Deckung sucht, auf den anderen Teil zurückzugreifen und damit die laufende Haushaltsgebarung des anderen Teiles grundlegend zu stören, würde meiner Überzeugung nach dem Sinn und Zweck des Art. 109 des Grundgesetzes widersprechen.
Der Bund bestimmt in gemeinsamer Gesetzgebung mit dem Bundesrat, was er für das laufende Jahr von den Ländern in Anspruch nimmt. Aber an diese Grenze, die er in diesem Gesetz sich selbst setzt, ist er für dieses laufende Jahr auch gebunden, weil jede andere Handhabung dem Grundsatz des Art. 109 des Grundgesetzes widersprechen würde. Ich glaube, daß wir das schwere Problem der finanzpolitischen Zusammenarbeit und gleichzeitig Bereinigung zwischen Bund und Ländern lösen werden, wenn die Länder das Vertrauen in die Loyalität des Bundes, aber auch der Bund das Vertrauen in die Loyalität der Länder haben wird. Ich hätte aus diesem Gesichtspunkt gewünscht, daß eine Vereinbarung mit den Ländern hätte erzielt werden können, die auch für die ersten Monate des Jahres, wo das Gesetz nach Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes und Art. 108 des Grundgesetzes noch nicht in Kraft getreten ist, im Vorgriff auf das, was der Gesetzentwurf bereits vorsieht, wenigstens den Teil, für den die Billigung des Bundesrates bereits ausgesprochen worden ist, dem Bund zur Verfügung stellt. Ich gestehe Ihnen offen, daß es hier noch Schwierigkeiten gibt, die aber in der Auswirkung zu Lasten der Länder gehen werden. Denn wenn das Gesetz in Kraft tritt und die Bun-
desregierung dann auf Grund dieses Gesetzes und des berechneten Anteils an Einkommen- und Körperschaftsteuer, den der Bund gegenüber den Ländern hat, die Beiträge auch einfordert und Monate vergangen sind, in denen die Beiträge nicht in der bisherigen Höhe geleistet worden sind,
— weil bisher noch kein gesetzlicher Zwang bestand —, dann sind es die Länder, die in kassenmäßige Schwierigkeiten geraten würden.
Ich hoffe, daß das, was ich Ihnen sage und was, ja weniger an die Adresse des Deutschen Bundestages als an die Adresse der Länder gerichtet ist, von den Ländern auch gehört wird, daß es mir hilft, gewisse Schwierigkeiten, die augenblicklich vielleicht für den Monat Juni aufgetaucht sind, überwinden zu können, und daß ich Ihnen, wenn die Ausschußberatungen beginnen, sagen kann, daß trotz der finanziellen Enge, die vielleicht die großen Gesichtspunkte allzu sehr untergehen und nur an die kleineren Gesichtspunkte des Augenblicks denken läßt, wie über den ganzen Gesetzentwurf so auch über diese Übergangsschwierigkeit eine gute Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Länderregierungen, zwischen Bundesfinanzminister und Länderfinanzministern gefunden worden ist.
Zusammenfassend möchte ich sagen: Wenn Bund und Länder vor der deutschen Öffentlichkeit den Beweis erbringen, daß sie die finanzpolitischen Schwierigkeiten im Geist der Zusammenarbeit zu lösen verstehen, so werden das Grundgesetz und der Aufbau der deutschen Bundesrepublik sich bewähren. Ich möchte an die Länder und deren Parlamente wie auch an den Bund und sein Parlament den Appell richten, im Geist dieser Zusammenarbeit dazu beizutragen, daß unser notleidendes und durch viele Probleme zerrissenes deutsches Volk nicht durch neue Probleme, durch Prinzipienstreite in einen Konflikt gestürzt wird. Dadurch würden die Schwierigkeiten für das deutsche Volk nur vergrößert werden.
Dem Sinn dieses Zusammenarbeitens gelten die beiden Gesetzentwürfe, um deren beschleunigte Behandlung ich Sie bitten muß, damit die Übergangsschwierigkeiten auf gesetzlicher Grundlage baldigst behoben werden können.
Die Aussprache ist eröffnet. Zunächst muß das Haus die Redezeit festsetzen. Der Ältestenrat hat geglaubt, eine Redezeit von 120 Minuten empfehlen zu sollen.
— Kann man sich nicht auf einen Mittelweg einigen, auf 60 statt 120 Minuten, wobei den kleinen Fraktionen auf Disposition des Präsidenten hin wesentlich zugegeben werden wird? Ist das Haus damit einverstanden?
— Gut, also Redezeit 60 Minuten. Die kleinen Fraktionen bekommen mehr als ihren quotalen Anteil an dieser Frist.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Etzel.
Das Angebot des Herrn Präsidenten, das durchaus den Grundsätzen eines gentleman entspricht, nehme ich gern entgegen.
Von den föderalistischen Grundgedanken des
Grundgesetzes aus erschien einmal die Hoffnung berechtigt, daß der Bund von den ihm in Art. 106 Abs. 3 eröffneten Möglichkeiten keinen Gebrauch machen würde, jedenfalls nicht ohne durch die Lage dazu gezwungen zu sein und nicht schon so bald nach 'dem Inkrafttreten des Grundgesetzes. Dieses unschuldsvoll föderalistische Paradies droht uns immer mehr abhanden zu kommen, nicht nur, weil in der kühnen rechten Mitte dieses Hohen Hauses der atavistische Hang zur zentralistischen Erbsünde
in bedenklicher Weise zunimmt,
sondern weil sogar im Verfassungshimmel der Bundesregierung selbst Lust und Neigung zu wachsen scheinen, sich an einem solchen Sündensturz zu beteiligen.
Daß der Bund glaubt, seine Finanzbedürfnisse nicht auf anderem Wege als dem des Einbruchs in die an sich grundgesetzlich geschützten Steuerreservationen der Länder decken zu können, ist bedauerlich. Ich glaube, hier irrt der Bund. Aber ich möchte diese Fragen im einzelnen; die die Ausgabenseite betreffen und die, weil sie auf außenpolitischem Gebiet liegen, von höchster Delikatesse sind, jetzt nicht weiter berühren. Wenn nun aber schon eine unausweichliche Zwangslage des Bundes angenommen und unterstellt werden will, dann darf sie der Bund nicht dazu mißbrauchen, um auch bei dieser Gelegenheit zentralistische Vorstöße zu unternehmen. Das geschieht jedoch in § 2, der unmittelbar die Finanzämter, die bekanntlich Landesbehörden sind, unter Umgehung der obersten Landesbehörden zur Abführung der Anteile an den Bund verpflichtet oder glaubt verpflichten zu können. Ein solches Verfahren verstieße gegen das Grundgesetz und erweckte den Verdacht, daß hier probiert wird, die Finanzhoheit der Länder auf eine schleichende Manier auszuhöhlen. Es können nur die Länder selbst zu den Abführungen verpflichtet werden.
Auch das Verfahren, den Bund mit einem Durchschnittssatz an dem Aufkommen zu beteiligen, erscheint nicht angebracht. Der Bundesrat hat einen sehr zweckmäßigen und sachlich begründeten, von der Bundesregierung zunächst allerdings abgelehnten Vorschlag gemacht, den Vorschlag nämlich, die Anteile mit 20% des Aufkommens von 1950 und mit 40% des Mehraufkommens im Jahre 1951 festzusetzen. In kassentechnischer Hinsicht halten wir die tägliche Abführung nicht für annehmbar. Schließlich sind die Länder keine Unternehmer wie etwa der Besitzer eines Karussells oder eines Zirkus, der gewohnt und gehalten ist, jeweils am Abend die Tageskasse zu stürzen.
Das Gesetz sieht zunächst eine Beschränkung der Geltungsdauer auf das Jahr 1951 vor. Wir hoffen, daß es bei diesem Charakter eines vorübergehenden Gesetzes sein Bewenden hat und daß die Spuren nicht nur hinein-, sondern auch wieder herausführen werden. Der Herr Bundesfinanzminister hat der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß es in einer loyalen und vertrauensvollen Zusammenarbeit des Bundes und der Länder als finanzieller Partner möglich sein wird, dieses Gesetz in einer wirklich fairen Weise durchzuführen, die dem Bund das gibt, was ihm zugehört, und den Ländern alles beläßt, ohne das sie nicht zu leben und zu bestehen
vermögen. Aber gerade weil eine solche Atmosphäre des Vertrauens, als deren Garanten wir den Herrn Bundesfinanzminister ansehen möchten, auch uns am Herzen liegt, wünschen wir, daß dieser Gesetzesvorlage auf Drucksache Nr. 2245 alle Giftzähne ausgebrochen werden, die einer solchen löblichen Absicht des Herrn Bundesfinanzministers entgegenstehen könnten. Darum möchten wir auch, daß vor allem das Gesetz, dessen Entwurf als Drucksache Nr. 22 68 vorliegt, in den Ausschußberatungen sehr sorgfältig daraufhin geprüft wird, daß solche Konfliktsmöglichkeiten von vornherein ausgeräumt werden, und wir möchten insbesondere, daß der § 3 Über die Betriebsprüfung eine Fassung erhält, nach der darauf verzichtet wird, den Bund sozusagen zum Generalinspekteur der Einkommen- und der Körperschaftsteuer der Länder zu machen, daß überhaupt Abstand davon genommen wird, Möglichkeiten, die an sich vielleicht in Art. 85 Abs. 4 und in Art. 106 Abs. 4 enthalten sein können, voll auszuschöpfen, gerade im Hinblick auf die, ich wiederhole es, von uns allen aufrichtig gewünschte vertrauensvolle und reibungslose Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern als finanziellen Partnern.
Das Wort hat der Abgeordnete Lausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat uns eine sehr optimistische Situationsdarstellung gegeben; aber der casus belli kam gleich hinterher; denn es geht bei der Differenz zwischen der Bundesregierung und dem Bundesrat immerhin zunächst um rund eine halbe Milliarde D-Mark. Wir stimmen dem Herrn Bundesfinanzminister darin zu, daß er mit den beiden uns gemachten Vorlagen einen kräftigen Vorstoß in der Richtung auf eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung unternommen hat, und wir vermuten, daß er bei seinen prinzipiellen föderalistischen Freunden — Herr Kollege Etzel hat es in seinen Ausführungen schon leise angedeutet — nicht gerade sehr viel Freude erwecken wird. Aber ich glaube, es ist ganz gut, daß harte Tatsachen auch einen von Hause aus föderalistischen Finanzminister zu Erkenntnissen zwingen, und so bitter ernst wir alle miteinander die Haushaltssorgen des Bundes zu nehmen haben; so förderlich scheinen uns diese Sorgen dafür zu sein, daß ein Weg in der Richtung zur Länderneuordnung und zu einer einheitlichen Bundesverwaltung beschritten wird. Es ist ein Ding, die Angelegenheit von der verfassungsrechtlichen Seite her aufzugreifen; es ist ein ander Ding, die Sache, solange das Grundgesetz in der gegenwärtigen Form besteht, so zu gestalten, daß wir das Bestmögliche der Richtung auf eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung herausholen können.
Der Herr Bundesfinanzminister, der seit Jahr und Tag die harte Kritik von unserer Seite gewöhnt ist, darf heute ausnahmsweise einmal die grundsätzliche Zustimmung der sozialdemokratischen Fraktion zu seinen beiden Vorlagen erwarten.
Wir begrüßen jeden Sünder, der zur Erkenntnis seiner Sünden kommt.
Im übrigen wird der Herr Bundesfinanzminister
uns nicht böse sein, wenn wir ihm ausdrücklich
bestätigen, daß sich an unserer Kampfhaltung ihm
gegenüber in den Steuerfragen nichts ändern wird.
Dazu war sein Sündenfall im Frühjahr vorigen Jahres zu groß, und die Buße, die er bisher getan hat, reicht uns noch nicht aus.
Die Länder — und das sage ich, der ich von Hause aus Unitarier bin — kommen mir in der Tat bei dem Vorschlag, den der Herr Bundesfinanzminister uns unterbreitet, doch etwas seltsam davon. Der Herr Bundesfinanzminister hat es sich sehr einfach gemacht. Er sagt: Das Mehraufkommen an, Steuern nehme ich, und die Länder dürfen genau das behalten, was sie im Jahre 1950, gehabt haben. Dabei hat er uns eben sehr gute Worte darüber gesagt, daß die Länder eine ganze Reihe von wichtigen Aufgaben, insbesondere kultur- und schulpolitische Aufgaben, zu erfüllen haben. Herr Minister, die Länder stehen auch vor dem Problem — das haben wir heute morgen aus dem Munde des Herrn Staatssekretär Ringelmann gehört —, die Frage der Erhöhung der Beamtengehälter irgendwie zu lösen, und ich muß hinzufügen: In der Frage der Schulpolitik sind wir in unseren Ländern gegenüber der Zeit vor dem Kriege noch so rückständig, daß wir hier gewaltig aufzuholen haben und daß wir den Ländern einige Bewegungsfreiheit geben müssen, damit sie diese Aufgaben leidlich erfüllen können. Wir habèn es auch in den Ländern mit einer Reihe von Haushalten mit beachtlichen Defiziten zu tun, und das sind nicht, wie der Herr Bundesfinanzminister in seiner schriftlichen Begründung erklärt hat, etwa nur die schwachen Länder. Das Land Württemberg-Baden, das im Jahre 1949 beim Finanzausgleich ein bißchen über den Löffel balbiert wurde, weist heute immerhin einen Ist-Fehlbetrag für das Jahr 1950 in Höhe von rund 120 Millionen D-Mark auf. Den Ländern müssen hier also etwas mehr Möglichkeiten gegeben werden zu atmen. Wenn wir auch die Aufgabe haben, hier in erster Linie die Interessen des Bundes zu vertreten, so sollten wir immer daran denken, daß wir auf allen drei Ebenen unseres politischen Lebens existieren können und nicht nur existieren, sondern auch wirklich arbeiten können. Auch dann, wenn ich bei der Schilderung der Sorgen der Länder die Tatsache berücksichtige, daß jeder Finanzminister aus Berufsgewohnheit grau in grau malt, bleibt immerhin noch so viel, daß wir der Regelung, die das Bundesfinanzministerium vorschlägt, in dieser Form nicht ganz zustimmen können.
Nun hat der Bundesrat einen anderen Vorschlag gemacht. Er hat vorgeschlagen, daß 20% des bisherigen Aufkommens an Einkommensteuern — ich glaube, alle 14 Tage — dem Bund zugeführt werden sollen und daß 40% des Mehraufkommens in größeren Abständen dem Bund zugeführt werden sollen. Das ist vom Standpunkt der Länder aus sehr geschickt gemacht. Die Länder haben den Vorteil, daß sie auf einer zuverlässigen Grundlage arbeiten können, und der Bund hat dabei den Nachteil, daß er seine 40% sehr spät und — das ergibt sich aus einem Blick auf die Kassenlage der Länder — in vielen Fällen wahrscheinlich überhaupt nicht bekommt.
Hier möchten wir uns mit einem Vorschlag zur Güte einschalten, mit einem Vorschlag, der nach unserer Kenntnis auch in den Kreisen des Bundesrats schon ventiliert wurde, Wir glauben, daß es
möglich ist, sich in der Richtung zu verständigen, daß 25 % des gesamten Steueraufkommens abgeführt werden und daß diese 25%, um dem Kassenbedürfnis des Bundes gerecht zu werden, in Abständen, nicht gerade täglich, aber ich könnte mir vorstellen, zweimal in der Woche oder einmal in der Woche an den Bund zu überweisen sind. Dadurch bekommt der Bund jedenfalls seine Mittel, die ihm laut Vorschlag der Länder zur Verfügung stehen sollen, bestimmt in regelmäßigen Abständen und braucht nicht allzulange darauf zu warten. Meine politischen Freunde sind bereit, in dieser Richtung bei der Beratung der Gesetze mitzuwirken.
Nun wird der Herr Bundesfinanzminister sagen: Ja, was wird mit meinem Defizit in Höhe von einer halben Milliarde DM, das mir dabei entsteht? — Nun, in einer Richtung, Herr Bundesfinanzminister, werden Sie sich bei uns nicht beklagen können: Wir haben uns loyal bemüht, die Gesetze über die Umsatzsteuer und die Einkommen- und Körperschaftsteuer rechtzeitig zu verabschieden. In diesem Punkte dürften Sie sich den Rat für die Deckung des zusätzlichen Ausfalls bei den Regierungsparteien holen.
Die Länder haben uns erzählt, daß nach Schätzungen ihrer Sachverständigen das Mehraufkommen an Einkommensteuer um 678 Millionen DM höher sein werde als das, was uns der Herr Bundesfinanzminister als seine Schätzung vorgetragen hat. Hier liegt also zumindest ein Teil dieses Fehlbetrags, mit dem auch bei einer Verständigung auf 25 % zu rechnen wäre. Ferner hat uns der Herr Bundesfinanzminister bisher noch mit keinem Wort verraten — und ich habe Verständnis dafür —, wie hoch er das Mehraufkommen durch eine schärfere Steuererfassung schätzt. Ich habe im Verlauf der vorigen Debatte schon auf die Ausführungen des Herrn Oberfinanzpräsidenten Ellinger hingewiesen, dessen Schätzung sich auf 4,5 Milliarden belief, die aber, wie ich von vornherein weiß, nicht und niemals bis zur Gänze flüssig gemacht werden können. Aber immerhin liegt hier eine Reserve, über die uns der Herr Finanzminister doch etwas konkretere Angaben machen sollte, damit wir in der Lage sind, den weiteren Verlauf der Dinge zu beobachten.
Es gibt noch eine andere Reserve. Der Herr Bundesfinanzminister hat uns in seinem Kalkül aufgezeigt, daß mit einem Mehraufkommen an Zöllen von schätzungsweise 25 Millionen DM zu rechnen sei. Er hat uns ferner ausdrücklich gesagt: Meine Herren, das ist sogar sehr optimistisch kalkuliert! — Ich unterstelle, daß der Herr Bundesfinanzminister damals die Zollnovelle nicht berücksichtigt hat; denn die Zollnovelle sieht eine Umstellung vom Gewichtszoll auf den Wertzoll vor, und zwar per Status 1938. Dazu kommen nun noch die Preissteigerungen, die sich in der Zwischenzeit ausgewirkt haben, so daß hier von fachlicher Seite auf ein Mehraufkommen von bis zu 400 Millionen DM geschätzt wird. Es wäre uns ganz interessant, zu wissen, wieweit dieser Posten im Kalkül des Herrn Bundesfinanzministers berücksichtigt worden ist.
Dann möchte ich noch etwas in diesem Zusammenhang bemerken. Die Feststellungen zu den D-Mark-Bilanzen machen es dringend erforderlich, daß vom Bundesfinanzminister unverzüglich klare Richtlinien für die Abschreibungen geschaffen werden. Denn hier wird mit der Methode der Abschreibungen ein derartiger Unsinn angerichtet, daß dem
Bund und den Ländern auf diese Weise möglicherweise sehr viel Steuergelder entgehen.
Ich möchte zumindest eine Frage angedeutet haben, die doch im Laute der nächsten Zeit diskutiert werden muß das ist die Frage der Erfüllung des Verfassungsbefehls laut Art. 107 des Grundgesetzes. Nach der jetzt vorgesehenen Regelung wird der Bund die Verbrauchsteuern haben, und er wird sich an der den Ländern zufließenden Einkommensteuer beteiligen. Das scheint uns eine falsche Risikenverteilung zu sein. Es geht nicht an, daß der Bund allein die sofort tragenge und dem Rhythmus der wirtschaftlichen Entwicklung unverzüglich folgende Verbrauchsteuer für sich beschlagnahmt und die Länder hingegen die schwerfallige, dein Rhythmus der wirtschaftlichen Entwicklung nachhinkende Einkommensteuer erhalten.
Es ist im Laufe der nächsten Zeit zu diskutieren, ob nicht ebenso, wie der Bund sich an den Einkommensteuern beteiligt, die Länder sich an der Umsatzsteuer beteiligen, natürlich bei einer anderen Verteilung der Zahlen, als sie jetzt vorgesehen sind. Der Parlamentarische Rat hat nach meiner Kenntnis im Finanzausschuß eine derartige Regelung bereits vorgesehen; sie erschien dann auch in der ersten Lesung des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat, verschwand aber bei der zweiten Lesung. Ich glaube, wenn wir die Diskussion in diese Richtung treiben und zu einem Erfolg führen, wird das dem politischen Leben im Bund und in den Ländern in gleicher Weise nur dienlich sein.
Zum Schluß: Der Herr Bundesfinanzminister reitet, seitdem er Minister geworden ist, ein unitarisches Roß, — auch wenn er es nicht wahrhaben will! Dieses Roß wittert den Hafer in den Ländern und bekomt dadurch sehr temperamentvolle Anwandlungen. Wir sind bereit, den Regelungen, wie sie in diesen beiden Gesetzentwürfen vorgesehen sind, im Grundsätzlichen zuzustimmen. Wir sind bereit, bei der zweiten Vorlage noch weiter nach vorne zu drücken, um möglichst viel von einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung zu realisieren. Aber bei alledem haben wir darauf zu achten, daß den Ländern, solange sie bestehen und solange hier noch keine verfassungsrechtlichen Änderungen getroffen worden sind, die Möglichkeit bleibt, ihr Dasein in erträglicher Form zu fristen.
Das Wort hat der Herr Finanzminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte doch zu einigen Behauptungen, die aufgestellt worden sind, grundsätzlich einmal Stellung nehmen. Was Herr Kollege Dr. Etzel von der Bayernpartei ausgeführt hat, scheint mir eine Tatsache zuwenig zu betonen. Das Gesetz nach Art. 106 Abs. 3 ist nicht nur mit der Zustimmung gerade der steuerschwachen Länder, sondern — ich möchte fast sagen — mit auf Anregung der steuerschwachen Länder entworfen und ausgearbeitet worden. Das Gesetz nach Art. 108 Abs. 2 ist in seinen ausschlaggebenden Bestimmungen — insbesondere in § 3, Betriebsprüfung — mit Zustimmung aller Länder begutachtet und angenommen worden. Der Verdacht, daß das Bundesfinanzministerium etwa einer unitarischen Entwicklung ohne Not die Tür und das Tor öffnet, ist also bestimmt nicht richtig. Ich glaube, mich mit den Ländern in einer Linie zu finden, wenn ich betone, daß die notwendige Entwicklung geachtet werden muß, die Entwicklung, die darin
besteht, daß nun einmal das finanzpolitische Gewicht mit dem Wachsen des Aufgabenkreises des Bundes auf den Bund überwandert, daß aber beide Teile dabei das Bestreben haben müssen, die föderative Struktur der Bundesrepublik aufrechtzuerhalten.
Nun darf ich mich den Ausführungen des Herrn Vorredners zuwenden und darf sagen: man erlebt manchmal Überraschungen. Ich habe mich mit den Länderfinanzministern über die Steuerschätzungen doch lebhaft unterhalten müssen. Es ist richtig, daß eine Differenz in der Steuerschätzung bezüglich der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer für das nächste Jahr zwischen Bundesfinanzministerium und den Länderregierungen bestanden hat. Aber es ist genau umgekehrt. Die Länder haben das vermutliche Aufkommen an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer um 600 Millionen DM niedriger geschätzt, als es der Bundesfinanzminister getan hat.
Nun liegen bei den Steuerschätzungen die Dinge so. Ich kann Steuerschätzungen niemals nach dem Wunsch machen. Steuerschätzungen, bei denen der Wunsch der Vater des Gedankens ist, werden immer falsch sein und werden dem Grundsatz der Wahrhaftigkeit in der Aufstellung eines Haushalts immer widersprechen. Wer' sein Amt verantwortlich ausübt, muß sich bemühen, eine Schätzung nach bestem Wissen und Gewissen zu finden, ob sie ihm gefällt oder nicht, und zwar so, wie sich die Dinge nach menschlicher Voraussicht entwickeln werden. Das Bundesfinanzministerium war auch im Vorjahr in der schweren Lage, eine Steuerschätzung auf relativ unbekannten Größen aufbauen zu mussen. Das Bundesfinanzministerium kann für das yergan) gene Jahr darauf verweisen, daß die Schätzung des Solls und das Ergebnis des Ist bis auf einen ganz kleinen Prozentsatz tatsächlich übereingestimmt haben.
Es handelt sich hier zunächst um die Frage: Nach welchen Grundsätzen stelle ich meine Steuerschätzungen auf? — Meine Damen und Herren, ich habe schon öfter betont: Die besten und angenehmsten und sorglosesten und populärsten Zeiten eines Finanzministers sind die ersten Zeiten einer infla- tionären Entwicklung, wenn nämlich die Löhne steigen und damit seine Lohnsteuer und wenn damit hiernach die Preise steigen und der Unternehmergewinn und damit die Einkommensteuer.
— Und die Umsatzsteuer erst recht! — Das sind die angenehmsten Zeiten.
Wenn aber ein Finanzminister sich ein politisches Ziel setzt und seine Aufgabe darin besteht, keine inflationäre Entwicklung zuzulassen, so muß er gewisse Erschwernisse zunächst auf sich nehmen. Die Lohnbewegung ist nun einmal eingetreten und muß kalkuliert werden. Aber eine weitere Preisbewegung will er verhindern. Er muß infolgedessen damit rechnen, daß die Unternehmergewinne nicht in dem Maße steigen können, ' wie er es fiskalisch wünschen würde; denn die Lohnbewegung soll eine Erhöhung des Unkostenfaktors mit sich bringen und nicht eine Erhöhung des Gewinns.
Wenn der Finanzminister diesen Standpunkt vertritt, dann muß er in seiner ganzen Steuerschätzung von diesem Grundsatz ausgehen, und er darf nicht — fiskalisch gesehen — den Wunsch, es sich leicht zu machen, zum Vater des Gedankens werden
lassen. Wenn die Länder die Entwicklung der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer ungünstiger beurteilt haben als das Bundesfinanzministerium, so mag wohl der Wunsch mit der Vater des Gedankens gewesen sein, weil ja die Gefahr einer großen Quote dann vermindert ist, wenn die Länder darauf verweisen können, daß sie einen viel größeren Prozentsatz des absolut geringeren Aufkommens an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer für ihre unvermeidbaren Aufgaben benötigen. Manchmal höre ich in der Öffentlichkeit, wo wieder ein anderer Wunsch der Vater des Gedankens ist, etwas anderes. Wenn ich die Schätzungen des Bundesfinanzministeriums mit denjenigen vergleiche, die von den beiden Interessentengruppen gemacht werden, glaube ich, daß die Schätzungen des Bundesfinanzministeriums auch für dieses Jahr im großen und ganzen wohl richtig sein werden.
Ich darf auf einen andern Punkt eingehen; das ist die Fabel von der Unerschöpflichkeit der Zölle beim Übergang zum Wertzoll. Meine Damen und Herren, bei diesen Schätzungen werden leider Gottes einige Tatsachen übersehen. Wenn ich eine Berechnung für das nächste Haushaltsjahr machen will, muß ich davon ausgehen, daß die neuen Wertzölle legal vielleicht am 1. Oktober in Kraft treten. Nach dem ganzen System der Zolleinhebung wird sich angesichts der Tatsache, daß der sogenannte Zollaufschub einen Zeitverlust von drei Monaten bringt, die Auswirkung der neuen Wertzölle praktisch lediglich auf den vierten Teil des Haushaltsjahrs erstrecken. Ich muß weiter berücksichtigen, daß 62 Vo des gesamten Zollerträgnisses aus den Finanzzöllen kommen und daß die Finanzzölle von der neuen Zollgesetzgebung bekanntlich überhaupt nicht berührt werden; dafür bleibt es beim alten System. Nur für den Rest von 38 % und nur für den vierten Teil eines Jahres kann überhaupt die durch die neuen Wertzölle denkbare Steigerung Platz greifen. Wer die Verhältnisse genauer kennt, weiß, daß die Steigerung der Wertzölle sehr verschieden ist, je nachdem ob es sich um Fertigwaren der gewerblichen Wirtschaft oder um Nahrungsmittel, ob es sich um Rohstoffe oder Halbwaren der gewerblichen Wirtschaft handelt. Um mir ein Urteil bilden zu können, muß ich nicht nur eine Schätzung des künftigen Einfuhrvolumens und des künftigen Einfuhrwertes anstellen, wobei ich von den Devisenverhältnissen ausgehen muß, die für die deutsche Bundesrepublik heute bestehen, sondern ich muß auch die Art der einzelnen Einfuhrwaren und ihre Unterteilung einrechnen. Darauf kann ich dann eine Schätzung gründen.
Ich glaube, daß das Bundesfinanzministerium, wenn es alle diese Berechnungen berücksichtigt, an den Schätzungen festhalten muß, die es bezüglich der Steuereinnahmen angestellt hat. Der Wunsch, keinen Fehlbetrag ausweisen zu müssen und all den Schwierigkeiten auszuweichen, die die Deckung eines Fehlbetrages bereitet, darf nicht dazu führen, in den Steuerschätzungen unwahrhaftig zu sein.
Ich bitte, auch vor etwas zweitem warnen zu dürfen. Das Bundesfinanzministerium kann darauf verweisen, daß es von sich aus das Thema der Steuerehrlichkeit und -unehrlichkeit aufgegriffen hat. Es hat auch einen Appell an die deutsche Wirtschaft, an die deutschen Steuerzahler gerichtet, doch gemeinsam zu begreifen, daß Steuervergehen keine Kavaliersvergehen, sondern eine Versündigung am deutschen Volk und innerhalb der Wirtschaft ein unlauterer Wettbewerb schlimmster Art sind. Darüber hinaus hat es bisher getan, was es tun konnte. Ich hoffe, Ihnen demnächst noch eine Reihe von Gesetz-
entwürfen und Verwaltungsmaßnahmen unterbreiten zu können, die nur dem Zwecke dienen, die Möglichkeiten für die Steuerunehrlichkeit zu beschneiden, soweit das überhaupt geht.
Auch die Gesetze, über die wir hier sprechen, insbesondere das Gesetz zum Vollzug des Art. 108 Abs. 3 — so klein und unscheinbar auch diese Bestimmung des Abs. 3 von Art. 108 aussieht —, dienen in erster Linie dem Zweck, einen gemeinsamen Kampf gegen die Steuerunehrlichkeit aufzunehmen, der von den Steuerverwaltungen der Länder und der Betriebsprüfung des Bundes geführt wird.
Ich darf in diesem Zusammenhang noch folgendes sagen. Ich glaube nicht alles, was in der Presse steht. Daß Herr Oberfinanzpräsident Ellinger, den ich als einen klugen und ruhigen Mann kenne, die Behauptung aufgestellt hat, daß sich der Steuerausfall heute auf 4,5 Milliarden berechnet, das glaube ich der Presse bisher nicht. Es wird aber das einfachste sein, mich mit Herrn Oberfinanzpräsident Ellinger ins Benehmen zu setzen. Ich werde das tun und hoffe, der Öffentlichkeit dann mitteilen zu können, was er wirklich gesagt hat und was in der Berichterstattung aus seinen Ausführungen gemacht worden ist.
Eine schwierige Frage haben Sie, Herr Vorredner, angeschnitten. Das ist die Frage der etwaigen Anwendung des Art. 107 des Grundgesetzes. Es handelt sich dabei um ein Zustimmungsgesetz. Es kann nur im Benehmen zwischen Bund und Ländern geschaffen werden. Ich glaube, Ihnen sagen zu dürfen, daß sich sowohl beim Bund wie bei den Ländern schon gewisse Richtlinien abzeichnen. Ich hoffe, daß diese ohne jede Vergewaltigung, ohne Kommando, sondern im gegenseitigen Einvernehmen einmal Wirklichkeit werden können. Wir müssen uns darüber klar sein, daß diese Trennung, die das Grundgesetz geschaffen hat — auf der einen Seite die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel, auf der andern Seite die in den Händen der Länder liegende Verwaltung —, zu sich steigernden Schwierigkeiten führen kann und voraussichtlich auch führen wird. Es wird wahrscheinlich notwendig sein, daß sowohl hinsichtlich der Steuerquellen als auch hinsichtlich der Verwaltung — ich darf einmal den Ausdruck gebrauchen — eine Art Verbundwirtschaft von Bund und Ländern gefunden wird. Aber was ich persönlich wünsche, ist, daß, wie die Entwicklung auch läuft, sowohl der Bund wie die Länder sich bemühen, diese Entwicklung so zu leiten und zu lenken, daß sie sich zum Besten des gesamten deutschen Volkes auswirkt — das, wenn ich es so heißen darf, ein Bundesvolk in elf Ländern ist und daß die Arbeit für dieses Bundesvolk ohne Konflikte und in brüderlichem Geiste geleistet wird. Föderalismus heißt bei mir: nicht befehlen, sondern sich gegenseitig verstehen!
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf fordert der Bund von den Ländern die Abgabe von 31,3 Vo der den Ländern zustehenden Einnahmen aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Das macht für das laufende Etatjahr den Betrag von 2,1 Milliarden DM aus, vielmehr soll es ausmachen. Nach dem Grundgesetz ist der Bund an und für sich zu einer solchen Maßnahme berechtigt. Im Art. 106 des Grundgesetzes heißt es in Abs. 3, daß der Bund durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, einen Teil der Einkommen- und Körperschaftsteuer zur Deckung seiner durch andere Einkünfte nicht gedeckten Ausgaben in Anspruch nehmen darf. Es heißt aber dann in demselben Absatz — und das scheint uns eine sehr weitgehende Einengung dieses Rechtes des Bundes zu sein —, daß der Bund von diesem Recht dann Gebrauch machen darf, wenn es sich „insbesondere" um die Deckung von Zuschüssen handelt, die der Bund den Ländern zur Deckung von Ausgaben auf den Gebieten des Schulwesens, des Gesundheitswesens und des Wohlfahrtswesens zu gewähren verpflichtet ist. Nun, im vorliegenden Fall werden — das zeigt die Begründung, die die Bundesregierung ihrer Vorlage gegeben hat — diese Zuschüsse, die der Bund von den Ländern verlangt, keineswegs verwendet, um an finanzschwache Länder zur Förderung des Schulwesens, des Gesundheitswesens und des allgemeinen Wohlfahrtswesens Zuschüsse zu zahlen. In der Regierungsvorlage steht ganz eindeutig, daß diese Anforderungen an die Länder zur „Gewährleistung der inneren und äußeren Sicherheit des Bundes" gebraucht werden.
Der Herr Finanzminister sprach von dem wachsenden Aufgabenbereich des Bundes. Er stellte fest, daß im Zuge der Entwicklung der stärkere Lastenträger so zwangsläufig den kleineren an sich zieht. Er wollte wahrscheinlich damit sagen, dab der stärkere Lastenträger dem kleineren Lastenträger im Zuge der Entwicklung seine Bedingungen aufzwingt, daß er dem kleineren Lastenträger so langsam an die Brust drückt, bis dem der Atem ausgeht. Die „wachsende Aufgabe", die vor dem Bund und dieser seiner derzeitigen Regierung steht, ist eben die Vorbereitung des Krieges. Da in der Frage der Vorbereitung des Krieges die Länderregierungen und die Bundesregierung — von Nuancen abgesehen — einig sind, ist auch der Widerspruch der Länderregierungen im Bundesrat gegen diese Vorlage der Regierung nicht allzu groß.
Der Streitpunkt ist, wie gesagt, eine halbe Milliarde DM. Der Herr Bundesfinanzminister sagt: Das Mehraufkommen aus Einkommen- und Korperschaftsteuer nehme ich an mich. Er sagt dazu: Die Schätzungen über die Steuereinnahmen im vorigen Jahr, die ich aufgestellt habe, haben mir recht gegeben.
Ich bin der bescheidenen Meinung, daß die elf Landesfinanzminister, die der Auffassung sind, daß die derzeitigen Schätzungen des Herrn Bundesfinanzministers weit über das reale Ergebnis hinausgehen, mindestens so viel an Erfahrung und an Urteilskraft mitbringen wie der eine Herr Bundesfinanzminister.
Der bescheidenen Meinung bin ich. Ich mag mich irren. Aber fest steht, daß die Länderregierungen behaupten, diese Schätzungen des Bundesfinanzministers seien übersteigert. Sie behaupten darüber hinaus, daß die Schätzung von einer Milliarde Entlastung, von der der Bundesfinanzminister als Folge der Auswirkungen des zweiten Überleitungsgesetzes redet, ebenfalls übersteigert ist.
Aber sehr viel klarer, als die Länderregierungen ihre Bedenken gegen die Zahlen und das ganze Prinzip, das in diesem Entwurf verankert wird, zum Ausdruck bringen, tun das die Städte. Vor mir liegen einige Daten aus einer Stellungnahme des Deutschein Städtetages vom 19. April 1951. Ich
nehme an, daß sie den meisten Damen und Herren in diesem Hause bekannt sind. Dort heißt es: Die Steigerung der Einnahmen der Gemeinden aus Steuern von 1949 auf 1950 beträgt nicht einmal ganz 100 Millionen DM. Ferner heißt es darin: Es ist nicht ersichtlich, worauf der Bundesfinanzminister seine Schätzungen stützen zu können glaubt, der die Steigerung des Steueraufkommens von 1950 auf 1951 doppelt so hoch ansetzt wie im vergangenen Jahr.
Aber wer die Finanzlage der Gemeinden kennt, der weiß, daß die Kassenlage der Städte im Augenblick außerordentlich angespannt, j a teilweise katastrophal ist. Von einer Etatehrlichkeit bei den diesjährigen Haushaltsplänen, in der Hauptsache in einer großen Anzahl der Großstädte, kann überhaupt nicht mehr geredet werden. Dort ist genau so mit fiktiven Zahlen operiert, wie das in den Haushalten gewisser Länderregierungen und auch nach Behauptung der Länderregierungen im Haushalt des Bundesfinanzministeriums der Fall ist.
Fest steht, daß die Gemeinden selber aber die Belastungen, die Mehrausgaben, die sich ergeben aus der Erhöhung etwa der Besoldung der Beamten und Angestellten, der Löhne der Arbeiter, aus den Mehraufwendungen für die Pensionszahlungen, aus dem Ausgleichsbetrag nach dem Gesetz zur Durchführung des Art. 131 des Grundgesetzes, aus der Steigerung der Sachausgaben infolge des allgemeinen Preisauftriebes, auf 588 Millionen DM schätzen. Hinzu kommen aber auch die Mehraufwendungen — sie sind heute in ihrer Höhe noch nicht übersehbar -, die durch die geplante Einbeziehung der Kommunalbetriebe in den Lastenausgleich den Gemeinden entstehen werden.
Wie schlecht die Finanzlage der Länder im Augenblick ist, das geht doch wohl aus der Tatsache eindeutig hervor, die wir Mitte Mai in der „Welt" lesen konnten. Da stand, daß heute die Länder dem Bund 428 Millionen DM schulden. Wir wissen auch — der Herr Finanzminister hat das sehr zart angedeutet —, daß die Länderfinanzminister im Augenblick dabei sind, zu beraten, wie sie sich zu der Forderung des Herrn Bundesfinanzministers stellen sollen, der von ihnen bekanntlich die Nachzahlung der Beträge fordert, die 'auf Grund des neuen Gesetzes die Länder zu zahlen verpflichtet sind. Wir wissen z. B., daß die Länderfinanzminister mit der Erfüllung ihrer Zahlungsverpflichtung 'aus dem Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz dem Bund gegenüber im Rückstand geblieben sind, daß die Quote für April und Mai nicht gezahlt ist, daß sich 'der Bundesfinanzminister mit einem Eilschreiben an die Länder gewandt und die Zahlungen angemahnt hat. Wir wissen, daß am kommenden Sonntag die Länderfinanzminister zusammenkommen werden, um sich über die Auswirkung dieser Forderung zu unterhalten. Aber fest steht, daß die Landesfinanzminister heute erklären, die Forderungen des Bundes müßten einfach zur Zahlungsunfähigkeit der Länder — wenigstens zu einer vorübergehenden Zahlungsunfähigkeit — führen.
Wie sieht das nach unten aus? Heute steht in der Frankfurter Presse ein Bericht über die Verabschiedung ides Etats des Landes Hessen. Dieser Etat wird offiziell als ein Not-Etat angesprochen. In dem Bericht ist zu lesen, daß die Zuwendungen des Landes an die Gemeinden in dem laufenden Etatsjahr um 5 Millionen DM gekürzt werden. Wenn man in den Gemeinden das Problem durchdiskutiert, dann stößt man auf die Tatsache, daß
die Gemeinden erklären, sie seien außerstande, die notwendigen sozialen und kulturellen Ausgaben zu finanzieren, sie seien außerstande, Schulhausreparaturen, Schulhausneubauten durchzuführen, sie seien außerstande, die dringend notwendige Erhöhung der Wohlfahrtsleistungen zu finanzieren. Also Not an allen Ecken und Enden für das Volk. Die Gemeinden sagen auch ganz offen, daß sie gezwungen sein werden, diesen Abbau an Landeszuwendungen dadurch in etwa aufzufangen, daß sie die Tarife für Gas, Strom, Wasser und die ihrer Beförderungseinrichtungen erhöhen müssen. Wir haben also da den Prozeß, daß die gesteigerten Ansprüche des Bundes an die Länder zwangsläufig zu einer Abdrosselung der Zuschüsse der Länder an die Gemeinden führen und in den Gemeinden zu einem katastrophalen Abbau der Ausgaben für kulturelle und 'soziale Zwecke ausgenutzt werden. Das ist der Circulus vitiosus, vor dem wir hier stehen.
Wenn wir dann hier ganz offen gesagt bekommen, daß diese Anforderungen an die- Länder gestellt werden müssen zur Sicherung der Leistungen auf dem Gebiet der sogenannten Sicherheit, wenn wir also gesagt bekommen, daß diese Ansprüche an die Länder gestellt werden, um Deckung zu erhalten für die 9,3 Milliarden Besatzungskosten, für die 140 Millionen DM, die für die Bundesgrenzschutzpolizei verausgabt werden, für die 50 Millionen DM Bundeszuschuß für die Bereitschaftspolizei, wenn wir also sehen, daß diese Gelder, die der Bund an sich reißt, ausschließlich verwendet werden, um den Krieg, die Aufrüstung vorwärtszutreiben — —
— Ja, jetzt sind wir beim Thema! Ganz recht, Herr Strauß, wir sind jetzt beim Thema. Darum werden die Gelder eingetrieben. Darum wird die Politik betrieben, nach unten zu treten und die Massen des notleidenden Volkes neu steuerlich und neu durch Abbau der sozialen und kulturellen Leistungen in den Gemeinden zu belasten. Wer den Krieg vorbereitet — diesen dreckigen, erbärmlichen Krieg, den Sie vorbereiten —, der ist auch verantwortlich für die Auswirkungen dieser Politik.
— Jawohl, der ist verantwortlich für diese Politik.
Da wir die Zwecke genau erkennen, die den Bundesfinanzminister und diese Regierung veranlassen, diese Forderungen gegen die Länder durchzusetzen, darum lehnen wir den Anspruch des Bundes ab. Wir lehnen es ab, einer Politik zuzustimmen, die darin besteht, die breiten Massen des Volkes zu belasten und ihre Not zu vergrößern, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, Ihren amerikanischen Krieg auftragsgemäß vorzubereiten und durchzuführen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich nehme an, daß sich keine weiteren Redner melden. — Ich schließe damit die Aussprache.
Die Gesetzentwürfe werden wohl an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen sein. Ein anderer Ausschuß wird wohl kaum zusätzlich in Frage kommen.
Wir überweisen also nur an den Ausschuß für
Finanz- und Steuerfragen? — Es ist so beschlossen.
— Nein. Da es sich um eine Überweisung an einen Ausschuß handelt und da Sie dem Hause erklärt haben, daß Sie schlechthin gegen die Gesetze seien, habe ich angenommen, daß sich eine Abstimmung erübrigt, da die übrigen Damen und Herren des Hauses ihre Zustimmung zum Ausdruck gebracht haben.
Wir kämen damit zu Punkt 1 der für heute aufgestellten Tagesordnung: Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950.
— Die sollten vereinbarungsgemäß erst nach Abschluß der Haushalte beraten werden; das wären der Haushalt des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts. Vielleicht überschreite ich aber, meine Damen . und Herren, meine Befugnisse, wenn ich Ihnen meine Zweifel daran äußere, ob es sinnvoll ist, vor einem so besetzten Hause den Haushalt des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts zu besprechen und zu beraten.
— Ein Antrag auf Absetzung wird also nicht gestellt. Herr Abgeordneter Mellies, haben Sie sich zum Wort gemeldet?
— Ich wiederhole: Wird kein Antrag gestellt?
— Bitte, Herr Abgeordneter Strauß hat das Wort zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der Besetzung des Hauses und der Dringlichkeit des unter Punkt 1 der Tagesordnung stehenden Gegenstandes stelle ich den geschäftsordnungsmäßigen Antrag, die Sitzung um 30 Minuten zu unterbrechen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Mellies.
Meine Damen und Herren! Es scheint also Einmütigkeit darüber zu bestehen, daß die Beratung weiter fortgeführt werden soll. Wenn diese Einmütigkeit besteht, dann sollten wir aber auch die Sitzung jetzt nicht unterbrechen. Es wird wahrscheinlich genügen, wenn die Klingel in Bewegung gesetzt wird und wenn sich vielleicht auch die Fraktionen etwas bemühen, ihre Mitglieder in den Saal zu bekommen. Denn wenn jetzt die Sitzung wieder unterbrochen wird, ist es sehr schwer, wieder neu anzufangen. Das würde eine Verzögerung bedeuten. Wir haben aber doch alle ein Interesse daran, daß diese Haushaltspläne noch heute verabschiedet werden.
Herr Abgeordneter Strauß, ich nehme dann an, daß Sie Ihren Antrag auf Unterbrechung zunächst zurückziehen.
Dann rufe ich auf Punkt 1 a der Tagesordnung: Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 ;
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Einzelplan IV — Haushalt des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts .
Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Dr. Blank als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich halte es für nicht ausgeschlossen, daß das eine oder andere zur Zeit hier anwesende Mitglied dieses Hohen Hauses noch die Drucksache Nr. 1904 vorliegen hat. Sie enthält den Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses über den Einzelplan IV und trägt das Datum vom 2. Mai 1951. Die Gründe, warum dieser schon seit langem fällige Mündliche Bericht erst heute erstattet werden kann, brauche ich, wie ich glaube, dem Hohen Hause nicht zu erklären. Der heutige Tag war ein neuer Beweis dafür, daß mit des Parlamentes Mächten ein ewiger Bund so leicht nicht zu flechten ist. Sollte aber das eine oder andere Mitglied des Hohen Hauses diese Drucksache tatsächlich noch vorliegen haben, so darf ich empfehlen, sie zur Hand zu nehmen, weil ich im Hinblick auf den großen Umfang des Mündlichen Berichts, den ich zu erstatten habe, mir vorgenommen habe, möglichst wenig Zahlen zu bringen, da die Zahlen ohnehin in der Drucksache und im beigefügten Material stehen, auf das ich im Laufe meines Berichts verschiedentlich werde Bezug nehmen müssen.
Meine Damen und Herren! Während der Haushaltsausschuß in seinen Beratungen über den Voranschlag für das Haushaltsjahr 1950/51, das gerade heute vor zwei Monaten zu Ende gegangen ist, im allgemeinen nach der Nummernfolge der Einzelpläne vorgegangen ist, konnte er den Einzelplan IV 'aus Gründen, auf die ich nachher noch zu sprechen kommen muß, erst sehr spät, nach Abschluß des Haushaltsjahres, beraten. Als Folge der, wie ich glaube, sehr praktischen technischen Handhabung der zweiten Lesung des Haushaltsplanes 1950/51 sind jeweils die vom Haushaltsausschuß durchberatenen Einzelpläne dem Plenum unterbreitet und in zweiter Lesung behandelt worden. Die besondere Bedeutung des Einzelplans IV brauche ich hier nicht besonders zu unterstreichen. Er trägt die Bezeichnung „Haushalt des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts". Diese Bezeichnung ist aber gerade nach dem heute erreichten Stadium in keiner Weise erschöpfend. Ich darf Ihnen noch einmal ins Gedächtnis rufen, daß dieser Einzelplan fünf Kapitel umfaßt, die ich einzeln aufzählen möchte: Kap. 1, Bundeskanzler und Bundeskanzlei; Kap. 2, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung; Kap. 3, Dienststelle für Auswärtige Angelegenheiten; Kap. 4, Konsularisch-wirtschaftliche Vertretungen des Bundes im Ausland; Kap. 5, Sonstige allgemeine Haushaltsausgaben.
Schon diese Aufzählung läßt erkennen, daß sich auf den hier behandelten Gebieten im Laufe des Haushaltsjahres und bis in die jüngste Zeit hinein wesentliche organisatorische und zuständigkeitsmäßige Änderungen vollzogen haben. Der im November vorigen Jahres von der Bundesregierung dem Hohen Hause vorgelegte Einzelplan IV und der Einzelplan IV, wie ihn der Haushaltsausschuß
dem Hohen Hause jetzt unterbreitet, sind deshalb nur noch bedingt vergleichbar. Sie ersehen aus dem ersten Blatt des Materials — vorausgesetzt, daß Sie die Drucksache vorliegen haben —, daß insgesamt 101/2 Millionen DM weniger erforderlich sind, als seinerzeit von der Bundesregierung veranschlagt worden war. Dies sind aber nicht echte, vom Haushaltsausschuß beschlossene Ersparnisse, sondern es kommt in diesem geringeren Betrag in erster Linie zum Ausdruck, daß die Ansätze den tatsächlichen, im Laufe des Haushaltsjahres entstandenen Ist-Ausgaben angepaßt werden konnten. Daß die Bundesregierung zunächst einen um 10,5 Millionen DM höheren Betrag eingesetzt hatte, war in erster Linie darauf zurückzuführen, daß man damit rechnete, den Auswärtigen Dienst in schnellerem Tempo wieder aufbauen zu können, als es dann tatsächlich der Fall gewesen ist. Gerade bei diesem Einzelplan und besonders bei den Kapiteln 3 und 4 wird sich also aus den Zahlen für 1950/51 ein Schluß auf die für das neue Haushaltsjahr erforderlichen Beträge nicht ziehen lassen.
Die an sich unerwünschte und unerfreuliche Verspätung in der Vorlage gerade dieses wichtigen Einzelplanes, die vom Haushaltsausschuß verschiedentlich beklagt wurde, erklärt sich in erster Linie aus dem Umstande, daß die Bundesregierung Schwierigkeiten hatte, über die Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten, nämlich das Kap. 3 des Einzelplans IV, zu einer Einigung zu gelangen. Es hat nicht unerheblicher Pressionen bedurft, um schließlich überhaupt einen Vorschlag zu bekommen, über den der Haushaltsausschuß dann Beschluß fassen konnte. Gerade die sehr verspätete Vorlegung des Kap. 3, dessen Behandlung im Haushaltsausschuß dann auch wieder dadurch verzögert wurde, daß der Herr Außenminister und der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amtes dienstlich im Ausland sein mußten, ist der Grund für die stark verspätete Vorlegung des Mündlichen Berichts. Natürlich war auch der 2. Mai schon ein sehr spätes Datum. Ich darf mir vorbehalten, auf Einzelheiten in der Beratung über das Kap. 3 — Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten — im Laufe meines Berichts noch zurückzukommen.
Es erscheint zweckmäßig, nunmehr die einzelnen Kapitel in der Nummernfolge nacheinander zu behandeln. Gegenüber der Vorlage hat sich beim Kap. 1 relativ wenig geändert. Dies gilt insbesondere für das beschäftigte Personal. Lediglich bei den Tit. 31 und 32 sind Änderungen eingetreten, zu denen einige Worte zu sagen sind. Beim Tit. 31 war entsprechend der vorjährigen Regelung vorgesehen, daß von dem Betrage von 400 000 DM „bis zu 200 000 DM unter Genehmigung des Bundeskanzlers dem Bundespressechef zur Verfügung stehen" sollten. Der Haushaltsausschuß hat es für zweckmäßig gehalten, von dieser Regelung abzugehen und unter einem besonderen Titel entsprechende Mittel für die Förderung des Nachrichtenwesens auszubringen, so daß der bisherige Ansatz beim Kap. 1 auf die Hälfte, nämlich auf 200 000 DM herabgesetzt werden konnte. Damit soll einmal eine bessere Übersicht über die zur Verfügung stehenden Fonds und ihre Verwendung gemäß ihrer Zweckbestimmung erreicht werden, und zum andern gehören auch die für das Nachrichtenwesen aufzuwendenden Mittel nicht in einen zur Förderung allgemeiner Zwecke zur Verfügung des Bundeskanzlers stehenden Fonds. Bei Kap. 2 komme ich noch näher auf diesen neu eingerichteten Titel zu sprechen.
Der Tit. 32 entfällt deshalb, weil es nach eingehender Überlegung für richtiger gehalten wurde,
die Bundeszentrale für Heimatdienst in den Zuständigkeitsbereich des Bundesinnenministeriums zu übertragen. Diese Maßnahme ist im Einvernehmen mit der Bundesregierung getroffen worden.
Ich darf dann auf die einmaligen Ausgaben zu sprechen kommen. Zum Bedauern des Ausschusses war es leider notwendig, die vorgesehenen Mittel für die Erstanschaffung von Einrichtungsgegenständen und Geräten für die Repräsentations- und Gästezimmer der Bundesregierung im Hause Schaumburg zu erhöhen, da sich im Laufe der Beratungen herausstellte, daß der angeforderte Betrag nicht ausreicht, um die noch notwendigen Anschaffungen zu machen. Der ursprünglich vom Haushaltsausschuß vorgesehene Rahmen mußte überschritten werden. Um zu vermeiden, daß das nächste Haushaltsjahr mit weiteren Nachforderungen belastet wird, hat der Haushaltsausschuß nach Uberprüfung der auf seine Anforderung hin vorgelegten spezifizierten Bedarfsnachweisungen vorgeschlagen, den endgültig erforderlichen Betrag in diesen Haushaltsplan einzusetzen.
Es läßt sich nicht vermeiden, nun noch im Rahmen des Kap. 1 auch auf eine in der Öffentlichkeit vielfach, aber nicht immer sachlich diskutierte Angelegenheit einzugehen. Ich meine den Garten des Bundeskanzleramts, für dessen erste Ausgestaltung in diesem Einzelplan Mittel nicht ausgebracht sind; denn sie erscheinen in dem Ansatz zum Einzelplan XXIII bzw. in der zweiten Ergänzungsvorlage, well der Neu- und Umbau von Dienstgebäuden in Bonn in diesem Einzelplan enthalten ist. Meine Damen und Herren! Ich kann sagen, daß der Haushaltsausschuß sich mit fast leidenschaftlicher Hingabe mit diesem Komplex befaßt hat. Das Bundesfinanzministerium hatte seinerzeit für den Ausbau des Gartens einen Betrag von 67 000 DM bewilligt mit dem ausdrücklichen Hinweis, daß die Summe ausreichen müsse, um die Gartengestaltung vollständig durchzuführen und trotz der Vereinfachung die Wünsche des Herrn Bundeskanzlers zu berücksichtigen. Ich zitiere hier den genauen Wortlaut der Anweisung des Bundsfinanzministeriums. Es stellte sich aber heraus, daß die vorgesehenen Limitierungen in den Aufwendungen für den Garten nicht eingehalten werden konnten. Das hat nach einer Darstellung des Bundesfinanzministeriums verschiedene Ursachen. Ende April wurde es im Zusammenhang mit der Verlegung der Einfahrt an der Görresstraße und der dabei aus verkehrstechnischen Gründen notwendigen Höherlegung der Auffahrt erforderlich, erhebliche Mehrkosten aufzuwenden. Weitere Kosten sind beispielsweise entstanden und werden noch entstehen durch die Errichtung einer Scheinwerfer- und Alarmanlage, die die Organe der öffentlichen Sicherheit für erforderlich halten, durch den Einbau eines elektrisch betriebenen Spezialschiebetors für die große Einfahrt und für Abschlußarbeiten im rückwärtigen Teil des Gartens, für die Verlegung einer Ringleitung mit. acht Zapfstellen, um den ausgedehten Garten auch entsprechend pflegen zu können. Der Haushaltsausschuß hatte die Bundesbaudirektion beauftragt, eine gründliche Überprüfung sämtlicher mit der Ausgestaltung des Gartens zusammenhängenden Vorgänge vorzunehmen. Das Ergebnis wurde dem Ausschuß in umfassenden Aufstellungen vorgelegt, und der Ausschuß hat sich nach gründlicher Prüfung der Kostenvoranschläge und der Abrechnungen in seiner Mehrheit entschlossen, die entstandenen Mehrkosten in Höhe von 114 000 DM zu bewilligen. Mit dieser Bewilligung wird, wie der Haushaltsaus-
schuß feststellen konnte, die Angelegenheit endgültig erledigt sein.
Neu eingefügt in den Einzelplan IV wurde das Kap. 1 a, das den Haushalt des Beauftragten des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen enthält. Im neuen Vorwort zum Einzelplan IV ist zu Kap. 1 a das folgende gesagt:
Der New-Yorker Beschluß der alliierten Außenminister, die alliierten Truppenkontingente in der Bundesrepublik Deutschland zu verstärken, hat den Bundeskanzler veranlaßt, am 23. Oktober 1950 einen Beauftragten zu bestellen, der als Vertreter der Bundesregierung mit der Alliierten Hohen Kommission sich den Fragen der Beschaffung von Unterkünften für die neuen Truppeneinheiten, der Anlage von Flugplätzen, der Errichtung von Unterkünften für die weichende Bevölkerung und der Verlegung von Betrieben und Behörden widmen sowie die von den Alliierten behandelten sonstigen technischen Fragen, die die äußere Sicherheit der Bundesrepublik betreffen, betreuen soll.
Die Länge dieses Satzes ist amtlich, nicht etwa von mir erfunden.
Der Beauftragte ist dem Bundeskanzler unmittelbar unterstellt. Die Notwendigkeit der Einrichtung einer solchen Dienststelle ergibt sich aus dem vorher Gesagten. Der Beauftragte des Bundeskanzlers, der weder Beamter noch Angestellter des Bundes ist, erhält für seine Tätigkeit eine Entschädigung, die den Bezügen eines Staatssekretärs entspricht und die unter Tit. 1 veranschlagt ist.
r Haushaltsrechtlich ist diese Lösung keineswegs ideal. Sie mußte aber nach Ansicht des Haushaltsausschusses vorerst gewählt werden, weil der Beauftragte des Bundeskanzlers sein Mandat als Abgeordneter des Deutschen Bundestages beibehält. Während zunächst daran gedacht war, die Dienststelle vorwiegend mit Angestellten zu besetzen, hat es sich nach kurzer Zeit wegen des besonderen Charakters der in der Dienststelle zu leistenden Arbeit als notwendig erwiesen, für eine Reihe wichtiger Positionen Beamte vorzusehen. Es handelt sich dabei für den' Haushaltsplan 1950/51 um 7 Planstellen für Beamte. Außerdem waren im abgelaufenen Haushaltsjahr 17 Angestellte und 8 Arbeiter beschäftigt.
Die Titel 1 bis 30 dieses Kapitels weisen die zwangsläufig entstehenden Ausgaben auf.
Beim Tit. 31, der einen Betrag von 90 000 DM enthält, handelt es sich nicht um Dispositionsmittel im Sinne der Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung, sondern vielmehr um einen Betrag, der zur Aufrechterhaltung des Informationsdienstes der Bundesregierung benötigt wird. Infolgedessen ist es auch nicht erforderlich gewesen, die Verfügungsgewalt dem Bundeskanzler als dem parlamentarisch verantwortlichen Vorgesetzten vorzubehalten. Einer Anregung, diesen Betrag bei den entsprechenden Verfügungfonds des Bundesinnenministeriums auszubringen, ist die Mehrheit des Ausschusses im Interesse einer möglichst einfachen Verwaltung und mit Rücksicht auf die eindeutige Zweckbestimmung für diese Mittel nicht gefolgt.
Die gegenwärtige Organisationsform der Dienststelle mußte der Natur der Sache nach den Charakter eines Provisoriums tragen. Die Dienststelle mußte seinerzeit mit größter Beschleunigung eingerichtet werden. Im Haushaltsplan des neuen Haushaltsjahres wird sie als Kap. 3 des Einzelplans IV erscheinen. Ein gewisser Ausbau gegenüber dem im Haushaltsjahre 1950 ausgewiesenen Umfang hat sich inzwischen bereits als erforderlich erwiesen. Gestern hat der Haushaltsausschuß im Wege der Vorwegbewilligung eine Vermehrung der Stellen um 14 Beamte, 25 Angestellte und 5 Arbeiter genehmigt, nachdem er sich von der unabweisbaren Notwendigkeit überzeugt hatte. Es wird gerade hinsichtlich dieser Dienststelle aller Wahrscheinlichkeit nach vorläufig bei der provisorischen Organisationsform bleiben müssen. Das gilt auch für die Stellung des Leiters der Dienststelle, unseres Kollegen Blank, nachdem bis zur Stunde das Problem der Einsetzung von sogenannten parlamentarischen Staatssekretären nicht gelöst werden konnte.
Bezüglich der nunmehrigen Ausgestaltung des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, das unter Kap. 2 veranschlagt ist, darf ich zunächst auf die Fassung des Vorwortes verweisen, wie sie nunmehr formuliert ist, abgedruckt auf Seite 6 des Ihnen wahrscheinlich nicht vorliegenden Materials. In seinen Beratungen über den Stellen- und Organisationsplan des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung hat sich der Ausschuß zunächst einmal mit den Aufgaben dieses Amtes befaßt und hierbei festgestellt, daß die bisherige Tätigkeit dieser Dienststelle nicht immer als zufriedenstellend bezeichnet werden konnte, insbesondere in der Zusammenarbeit zwischen dem Amt und den einzelnen Bundesministerien, die in der Zur-Verfügung-Stellung von Informationsmaterial etwas zurückhaltend gewesen sein sollen. Eine in Vorbereitung befindliche Geschäftsordnung soll hier die erforderliche Klärung bringen. Als einer der Hauptgründe für das bisherige Versagen der Dienststelle ist die unzureichende Besoldung der Angehörigen dieser Stelle genannt worden. Dem hat der Haushaltsausschuß dadurch abzuhelfen versucht, daß er, wie sich aus der Drucksache Seite 7 ergibt, eine ausreichende Ausstattung sowohl in der Anzahl als auch in der Dotierung der Stellen vorschlägt. Die jetzt vorgesehene Anzahl von Arbeitskräften wird sich im Laufe der Zeit bei Fortbestand der gleichen Aufgaben verringern lassen. Dies bezieht sich insbesondere auf den sogenannten Aufnahmedienst, der durch die Einrichtung von diplomatischen Vertretungen im Auslande und durch einen stärkeren Ausbau der Beziehungen zu den Nachrichtenagenturen in der Nachrichtengewinnung entlastet und somit wird verringert werden können.
Offen geblieben ist die Frage der Einsetzung eines parlamentarischen Staatssekretärs für dieses Amt sowie die Klärung des endgültigen Verbleibs der Auslandsabteilung des Presse- und Informationsamtes, nachdem nunmehr ein Auswärtiges Amt entstanden ist. Dabei wird zu prüfen sein, ob sich die frühere Praxis der Abordnung von Angehörigen des auswärtigen Dienstes zur Presseabteilung der Bundesregierung auch heute empfiehlt.
Hinsichtlich der Veränderung von Ansätzen gibt das Material nähere Aufklärung auf den Seiten 14 und 15. Um diesen Bericht nicht übermäßig anschwellen zu lassen, muß ich verschiedentlich dazu übergehen, nur diese Hinweise zu geben.
Einige Worte zu Tit. 31. Ich beziehe mich auf die bereits zu Kap. 1 gemachten Ausführungen. Der Haushaltsausschuß hat es für richtig und notwendig befunden, einen gut dotierten Fonds für die
Förderung des Nachrichtenwesens bereit zu stellen. Zu den aus Kap. 1 übernommenen 200 000 DM sind weitere 250 000 DM hinzugefügt worden, so daß nunmehr die Genehmigung eines Ansatzes von 450 000 DM vorgeschlagen wird. Da es sich hier um Dispositionsmittel im Sinne der Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung handelt, war es notwendig, die Verfügungsgewalt dem Herrn Bundeskanzler persönlich zu übertragen.
Die Erweiterung der einmaligen Ausgaben dient der Vervollkommnung der büromäßigen und der sonstigen technischen Ausstattung des Amtes.
Das Kap. 3, auf das ich nun zu sprechen komme, ist in seiner Bezeichnung „Dienststelle für Auwärtige Angelegenheiten" durch die inzwischen eingetretene Entwicklung überholt. Für 1951 wird daher auch das jetzige Auswärtige Amt in einem besonderen Einzelplan veranschlagt werden. Wie ich eingangs schon andeutete, ist die Geburt dieser Dienststelle keine leichte gewesen. Das lag an den zu klärenden äußerst schwierigen Fragen, die viele Verhandlungen bedingten. Es sollte ja nicht ein bald wieder überholtes Provisorium geschaffen werden, sondern die Grundform des Auswärtigen Amtes nach Organisation und Personalausstattung festgelegt werden. Den Verhandlungen lagen zugrunde ein Gutachten des Bundesrechnungshofs über die künftige Gestaltung des Auswärtigen Amtes, eine Stellungnahme der Dienststelle für Auswärtige Angelegenheiten zu diesem Gutachten, der vom Auswärtigen Ausschuß gebilligte Bericht eines Unterausschusses des Auswärtigen Ausschusses zur gleichen Frage sowie Berichte und Memoranden der Dienststelle für Auswärtige Angelegenheiten zu zahlreichen Einzelfragen. Es war für den Ausschuß nicht einfach, sich durch diesen Berg von
0 Material hindurchzuarbeiten. Aber schließlich ist doch ein Ergebnis erzielt worden, dessen haushaltsmäßige Konsequenz in der Drucksache Nr. 1904 auf den Seiten 9 ff. ihren Niederschlag gefunden hat. Nähere Erläuterungen zu den einzelnen Ausgabeansätzen sind wiederum im Material zu finden.
Das Amt wird sich in folgende Abteilungen gliedern: 1. Personal- und Verwaltungsabteilung, 2. Politische Abteilung, Allgemein, 3. Politische Abteilung, Länderabteilung, 4. Handelspolitische Abteilung, 5. Rechtsabteilung, 6. Kulturabteilung. Hinzu tritt das Protokoll, das nicht den Charakter einer selbständigen Abteilung hat. Damit entspricht der Aufbau im wesentlichen der Organisationsform des Auswärtigen Amtes im Jahre 1932. Eine Angleichung an die Organisationsform des auswärtigen Dienstes in England oder den USA, wie sie besonders in den letzten Jahren deutlich geworden ist, wurde vom Ausschuß und von der Regierung als nicht zweckmäßig und zu kostspielig angesehen. Der Herr Bundeskanzler nahm im Haushaltsausschuß Gelegenheit, in seiner Eigenschaft als Außenminister dem Ausschuß seine grundsätzliche Auffassung in der Frage des Aufbaus des auswärtigen Dienstes darzulegen. Die Abteilungen I, IV, V und VI sowie das Protokoll sind in der von der Regierung vorgeschlagenen Form vom Ausschuß genehmigt worden.
Gegenstand längerer Beratungen waren die Abteilungen II und III. Hier tauchte die grundsätzliche Frage auf, ob es überhaupt zweckmäßig ist, zwei politische Abteilungen nebeneinander bestehen zu lassen. Nach eingehender Prüfung und in Würdigung der Darlegungen der Regierung kam die Mehrheit des Ausschusses zu dem Ergebnis, es bei der von der Regierung vorgeschlagenen Gliederung zu belassen, da bei einer Zusammenlegung dieser beiden Abteilungen ein zu großes und nicht mehr übersehbares Arbeitsgebiet entstanden wäre.
So ist auch der Vorschlag der Regierung hinsichtlich der Abteilung III akzeptiert worden. Allerdings hat es der Haushaltsausschuß bei der Beratung der Abteilung III mit Rücksicht darauf, daß seinerzeit für die Auslandsabteilung des Presse- und Informationsamtes ausreichende Stellen bewilligt wurden, um die laufende Versorgung des Auswärtigen Amtes mit Informationsmaterial zu sichern, für richtig befunden, die bei der Abteilung III vorgesehene Stelle für ein Pressereferat zu streichen. Die Streichung erfolgte ausdrücklich zu dem Zweck, die Bundesregierung zu veranlassen, die künftige Stellung des Presse- und Informationsamtes zu klären. Der Ausschuß hat sich auf den Standpunkt gestellt, es sollte erreicht werden, daß-die Bundesregierung durch geeignete organisatorische Maßnahmen die enge Zusammenarbeit der Auslandsabteilung des Presse- und Informationsamtes mit dem Auswärtigen Amt sicherstellt.
Die Abteilung II konnte in der zuerst vorgeschlagenen Organisationsform nicht die Billigung des Ausschusses finden. Die Bedenken richteten sich in erster Linie gegen die starke Hervorhebung derjenigen Aufgaben, die mit der Verbindungsstelle zur Alliierten Hohen Kommission zusammenhängen. Der Ausschuß war der Auffassung, daß, da es sich um eine Stelle mit auslaufenden Aufgaben handelt, dieser Tatsache auch entsprechend im Organisationsplan Rechnung getragen werden sollte. Auf Wunsch des Ausschusses hat die Regierung eine neue Gliederung der Abteilung vorgelegt. Demnach gliedert sich nunmehr diese Abteilung in die Unterabteilung A — Internationale Organisationen — und die Unterabteilung B — Friedensregelung —. Für die Restaufgaben der bisherigen Verbindungsstelle ist der Abteilung II jetzt ein Sonderreferat angehängt, dessen zeitlicher Begrenzung der Haushaltsausschuß dadurch Ausdruck verliehen hat, daß er vorschlägt, für dieses Sonderreferat und die hierin enthaltenen Stellen kw-Vermerke auszubringen, d. h. sie schon jetzt als künftig wegfallend zu bezeichnen. Aus dem Ausschuß war angeregt warden, die Stelle des Ministerialdirektors dieser Abteilung einzusparen und die Aufgabengebiete der beiden genannten Unterabteilungen dem Staatssekretär des Auswärtigen Amtes unmittelbar zu unterstellen. Die Mehrheit des Ausschusses hat sich aber davon überzeugen lassen, daß es bei der großen politischen Bedeutung dieser Abteilung zweckmäßiger ist, einen Ministerialdirektor als Abteilungsleiter vorzusehen. Das Hohe Haus wird ja Gelegenheit haben, sich mit dieser Frage auf Grund des Antrags Umdruck Nr. 172 noch unmittelbar zu beschäftigen.
Im Zusammenhang mit der Erörterung dieser Dinge tauchte die Frage auf, ob außer dem Staatssekretär und dem Chef des Protokolls noch anderen leitenden Beamten der Dienststelle für Auswärtige Angelegenheiten Dienstkraftwagen für den ständigen und ausschließlichen Gebrauch zur Verfügung zu stellen seien. Nachdem erklärt worden war, daß der Leiter der Abteilung II einen solchen Dienstkraftwagen zur Verfügung habe, beschloß der Ausschuß einstimmig, daß ab sofort Ministerialdirektoren keinen eigenen Dienstkraftwagen zur Verfügung gestellt erhalten sollen. Etwa hierfür bisher vorgesehene Dienstkraftwagen sollen mit
sofortiger Wirkung wie die übrigen Dienstkraftwagen der Dienststelle für Auswärtige Angelegenheiten behandelt werden und allgemein für Dienstzwecke zur Verfügung stehen. Diese grundsätzliche Regelung soll nach der Meinung des Haushaltsausschusses auch für die anderen Ministerien Gültigkeit haben.
Ferner war für den Leiter der Abteilung II ein persönlicher Referent als Oberregierungsrat vorgesehen. Es wurde der Antrag gestellt, diese Stelle zu streichen, mit der Begründung, daß bei keinem anderen Ressort ein persönlicher Referent für den Abteilungsleiter vorgesehen sei und daß man auf keinen Fall durch die Bewilligung einer solchen Stelle Berufungsfälle schaffen wolle. In der Aussprache über diesen Streichungsantrag wurde von seiten der Bundesregierung die Notwendigkeit der Beibehaltung dieser Stelle mit dem Hinweis auf das Fehlen eines Ministerbüros und auf die besondere Arbeitsleistung des Direktors 'der Abteilung II begründet. Nachdem sich schließlich ergab, daß sich die Beanstandung vorwiegehd auf die Bezeichnung der Stelle erstreckte, dagegen die Notwendigkeit einer Planstelle des höheren Dienstes anerkannt wurde, beschloß der Ausschuß, die Stelle des persönlichen Referenten zu streichen und dafür in dem bereits genannten Sonderreferat zusätzlich die Stelle eines Oberregierungsrates zu schaffen.
Bei Durchsicht des Tit. 1 von Kap. 3 auf Seite 9 der Ihnen vorliegenden Drucksache werden Sie bemerkt haben, daß eine relativ hohe Anzahl von höheren Ministerialbeamten vorgesehen ist. Dies erklärt sich daraus, daß für die 'anfallenden zahlreichen Aufgaben einschließlich einer Fülle internationaler Verhandlungen erfahrene, qualifizierte Beamte in größerer Zahl zur Verfügung stehen müssen. Der Haushaltsausschuß ist in diesem Punkte den Vorschlägen des Unterausschusses des Auswärtigen Ausschusses gefolgt. Die Zahl der Angestellten bleibt entsprechend der Eigenart dieses Dienstzweiges weit hinter der Zahl der Beamten zurück. Das Verhältnis ist 330 Beamte zu 244 Angestellten.
In den Erläuterungen zu Tit. 4 auf Seite 18 unten im Material sind zwei außertarifliche Angestellte ausgebracht. Einer davon ist, wie aus der Fußnote hervorgeht, der Rechtsberater für völkerrechtliche Angelegenheiten, dem Hilfspersonal zur Verfügung steht. Die Bundesregierung hat dazu erklärt, die Anstellung dieses Herrn habe sich bei der Vielzahl der auftretenden internationalen Fragen als besonders zweckmäßig erwiesen und erfordere nach Auffassung der Regierung geringere Kosten, als bei der Anforderung von Einzelgutachten in diesen Fragen entstehen würden. Vorgesehen ist die Beschäftigung dieses Rechtsberaters zunächst für drei Jahre auf Grund vertragsmäßiger Abmachung. Der Haushaltsausschuß hat der Regelung mit Mehrheit zugestimmt. Dieser Punkt ist im Umdruck Nr. 172 noch einmal Gegenstand der Beratung auch im Plenum.
Die besondere Eigenart des Auswärtigen Dienstes erfordert wie in der Vergangenheit so auch heute die Schaffung besonderer Einrichtungen für die Ausbildung des Nachwuchses. Darüber hinaus waren nach der Zäsur von 1945 bis 1949 besondere Maßnahmen zu treffen, um in möglichst kurzer Zeit geeignete Persönlichkeiten auch im vorgeschrittenen Lebensalter über die besonderen Erfordernisse des Auswärtigen Dienstes zu unterrichten und sie in ihren für viele völlig neuen Wirkungskreis einzuweisen.
In seinen eingehenden Beratungen, bei denen er von besonders fachkundigen Mitgliedern dieses Hohen Hauses unterstützt wurde, hat der Haushaltsausschuß den Eindruck gewonnen, daß seitens des Organisationsbüros für den konsularisch-wirtschaftlichen Dienst und später seitens der Dienststelle für Auswärtige Angelegenheiten Maßstäbe und Grundsätze angewendet worden sind, die die Entstehung eines wirklich geeigneten und leistungsfähigen Beamtenkörpers für diesen besonderen Dienstzweig erhoffen lassen. Für die erste Zeit mußten sogenannte Kurzlehrgänge eingerichtet werden. Diese Kurzlehrgänge werden im Laufe dieses Kalenderjahres auslaufen, und an ihre Stelle wird die übliche Normalausbildung treten. Ihren haushaltsmäßigen Niederschlag haben die verschiedenen Ausbildungsmaßnahmen in den Tit. 25, 25 a, 25 b sowie 31 des Kap. 3 gefunden. Im einzelnen erläutert sind diese Titel im Material auf den Seiten 24 bis 27. Die sonstigen persönlichen und sachlichen Ausgaben 'ergeben sich aus der Drucksache Seite 10 bis 13 und wiederum aus dem Material. Sie sind, das möchte ich ausdrücklich betonen, nicht Grundlage für den 'Haushalt des nächsten Jahres, ,da hier nur ein Bedarf von wenigen Monaten veranschlagt ist. Der geschätzte Jahresbedarf für die einzelnen Titel ist ebenfalls im 'Material wiedergegeben.
Seitens der Regierung ist im Haushaltsausschuß vorgetragen worden, welche Erschwerung es bedeutet, daß die Diensträume des Amtes in Bonn zur Zeit auf 13 verschiedene Häuser verteilt sind. Zur Erreichung einer optimalen und rationellen Arbeitsweise erscheint es daher unbedingt erforderlich, das Auswärtige Amt in einem geschlossenen Gebäudekomplex unterzubringen.
Soweit sich Änderungen in den einmaligen Ausgaben als notwendig erwiesen, sind sie ebenfalls auf den Seiten 20 und 21 der Drucksache vermerkt. Dabei ist besonders auf die Kosten des Verhandlungsausschusses für die Konferenz über den Schumanplan in Paris und auf die Kosten des Sekretariats für Fragen des Schumanplans hinzuweisen. Tit. 9 enthält einen Ansatz für diese Zwecke in Höhe von 667 800 DM. Das Material bringt weitere ausführliche Erläuterungen, Es darf erwartet werden, daß sich diese Veranschlagungsart in der Zukunft ändern wird.
Das nächste Kapitel, über das ich Ihnen, meine Damen und Herren, vorzutragen habe, erscheint ebenso wie das Kap. 3 zum letztenmal im Einzelplan IV. Dieses Kapitel trägt für dieses Jahr die Überschrift „Konsularisch-wirtschaftliche Vertretungen des Bundes im Ausland". Wie wiederum aus der Drucksache ersichtlich ist, ist die Errichtung einer großen Anzahl konsularischer Vertretungen beabsichtigt. Einige konsularische Vertretungen sind, wie- bekannt, inzwischen ins Leben getreten. Es bedarf keiner besonderen Betonung, daß die Wiedererrichtung amtlicher deutscher Auslandsvertretungen nach dem totalen Zusammenbruch von 1945 und dem zeitweiligen Verlust der deutschen Eigenstaatlichkeit auf eine Unzahl personeller, rechtlicher und materieller Schwierigkeiten gestoßen ist, deren Überwindung trotz äußersten Einsatzes der zuständigen amtlichen Stellen viel mehr Zeit gekostet hat, als erwünscht und wohl auch erhofft war. Es kann aber nicht Aufgabe des Berichterstatters sein, auf diesen Umstand im einzelnen einzugehen.
Zu sprechen ist aber unter haushaltsrechtlichen Gesichtspunkten von den außerordentlichen Schwierig-
keiten bei der Bemessung der Bezüge der im Ausland tätigen Personen. Während der jahrelangen Isolierung Deutschlands hat sich in der Welt eine derartige Verschiebung und Verzerrung der Währungs- und Preisverhältnisse ergeben, daß Erfahrungssätze aus der früheren Zeit nur bedingt angewendet und verwendet werden können. Bei der Veranschlagung der Auslandsbezüge ist zwar das Besoldungsverfahren zugrunde gelegt worden, das auch früher auf Grund jahrzehntelanger Erfahrungen bei den Auslandsvertretungen Deutschlands maßgebend gewesen ist. Jedoch sind die vorläufig festgesetzten Bezüge, die im Vergleich zu denen des Jahres 1939 erheblich niedriger liegen, auf die Dauer nicht ausreichend. Dies erklärt sich insbesondere daraus, daß die jetzigen D-Mark-Bezüge einen um rund 40 % niedrigeren Kurswert haben als dieselben Reichsmarkbezüge im Jahre 1939, während andererseits die Lebenshaltungskosten gegenüber der Vorkriegszeit allgemein um 50 bis 70 % gestiegen sind. Es ist daher als vorläufige Behelfsmaßnahme zur Befriedigung der notwendigsten Lebensbedürfnisse vorgesehen, neben den gewährten üblichen Bezügen eine Währungs- und Teuerungszulage zu zahlen, die sich in ihrer Höhe nach den Preisverhältnissen in den einzelnen Ländern richtet.
Ein besonderes Problem stellen die gerade in den Hauptstädten gegenüber der allgemeinen Teuerung unverhältnismäßig stark angestiegenen Mieten dar. Es kann den Angehörigen des auswärtigen Dienstes im Ausland häufig nicht zugemutet werden, diese Mieten aus den ihnen gewährten Bezügen allein zu bestreiten. Der Haushaltsausschuß hat daher einer von der Regierung vorgeschlagenen Regelung zugestimmt, die dahin geht, daß Zuschüsse dann gewährt werden, wenn die Miete 20 vom Hundert der Gesamtbezüge übersteigt. Als Zuschuß werden in solchen Fällen 60 % des übersteigenden Mietbetrages gezahlt, sofern vom Leiter der in Frage kommenden Vertretung bestätigt wird, daß die Voraussetzungen für die Gewährung eines solchen Zuschusses vorliegen.
Hinsichtlich der Besoldung der unteren Beamten und Angestellten hat der Ausschuß gefordert, daß die zutage getretene unzureichende Besoldung so schnell wie möglich auf einen erträglichen Stand gebracht wird. Ich glaube darüber unterrichtet zu sein, daß Ende März dieses Jahres in dieser Beziehung entscheidende Schritte seitens der Bundesregierung unternommen worden sind. Die Vermehrung der Beamtenstellen, wie sie auf den Seiten 14 und 15 der Drucksache nachgewiesen sind, ist eine zwangsläufige Folge der Errichtung weiterer Generalkonsulate und Konsulate. Eine Reihe von Beamten ist für die neu eingerichteten Paß- und Sichtvermerkstellen vorgesehen. Aus dem Material ergibt sich, daß hier, abgesehen von der Anzahl der beschäftigten Angestellten, zwar erhebliche Aufwendungen zu machen sind, daß aber auf der anderen Seite durch die Paß- und Sichtvermerkgebühren Einnahmen erzielt werden, die die Aufwendungen beträchtlich übersteigen.
Da die Wirtschaftsabteilungen der deutschen Vertretungen im Ausland durchweg mit Angestellten besetzt werden, übersteigt im Gegensatz zum Auswärtigen Amt, also der Heimatdienststelle, die Zahl der Angstellten die der Beamten. Vorgesehen sind 433 Beamtenstellen und 764 Angestelltenstellen sowie 97 Stelle für Arbeiter bei insgesamt 44 Vertretungen. Ich darf darauf hinweisen, diese Zahlen haben, nachdem die Dinge ja ununterbrochen weitergehen, auch heute schon eigentlich nur noch K historischen Wert; im neuen Haushalt wird die Sache erheblich anders aussehen.
Um nun zu vermeiden, daß die für einige noch nicht eingerichtete auswärtige Dienststellen bewilligten Planstellen und Angestelltenstellen anderweitig in Anspruch genommen werden, hat der Haushaltsausschuß beschlossen, daß die in den Stellenplänen der Generalkonsulate I. Klasse in Madrid, Tokio und Wien sowie des Generalkonsulats in Montevideo vorgesehenen Planstellen für Beamte und auch die Mittel für die entsprechenden Angestelltenstellen nur für die personelle Besetzung dieser Auslandsvertretungen in Anspruch genommen werden dürfen. Der Sinn dieser Maßnahme ist, der übermäßigen Inanspruchnahme sogenannter „fliegender Stellen" vorzubeugen.
Der Haushaltsausschuß hat festgestellt, daß mit Rücksicht auf die Einrichtung deutscher Vertretungen im Ausland die Frage des Erwerbs von Gebäuden zur Unterbringung von Dienststellen akut wird. Eine Regelung der Frage des ehemaligen Besitzes des Deutschen Reiches im Ausland ist dringend erforderlich. Von Vertretern der Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten wurde dazu erklärt, daß das frühere Reichseigentum im Ausland bisher generell nicht freigegeben worden sei. Es wurde weiter berichtet, daß die Haltung der einzelnen. Regierungen in dieser Frage sehr unterschiedlich sei. In einigen Fällen würden die früher reichseigenen Gebäude als Pfand für Forderungen gegen Deutschland zurückgehalten, während beispielsweise in der Schweiz Aussicht auf Rückgabe bestehe. In den südamerikanischen Ländern zeige sich eine gewisse Geneigtheit, die früher reichseigenen Gebäude an den Bund zurückzugeben. Dagegen sei in vielen anderen Ländern von den betreffenden Regierungen eine Rückgabe abgelehnt worden. Erfolgversprechende Verhandlungen würden sich in vielen Fällen erst nach Errichtung der Auslandsvertretungen in den einzelnen Ländern durchführen lassen. Soweit aber eine Rückgabe ehemaligen deutschen Besitzes nicht in Aussicht steht, sollte .— das war auch die im Haushaltsausschuß vertretene Meinung — die Möglichkeit eines Kaufs von Gebäuden erwogen werden, damit nicht Monat für Monat exorbitant hohe Mieten bezahlt werden müssen. An zwei Plätzen konnte dieser Gedanke auch bereits verwirklicht werden.
Bei den einmaligen Ausgaben in Kap. 4 findet sich der hohe Betrag von 1 885 000 DM, der für die Heimschaffung von Auslandsdeutschen bereitgestellt werden mußte.
Bei Kap. 5 sind alle diejenigen allgemeinen Haushaltsausgaben nachgewiesen, die ihrer Natur nach sowohl bei Kap. 3, d. h. in der Heimat, wie auch bei Kap. 4, bei den deutschen Vertretungen draußen, zu veranschlagen gewesen wären. ihre Veranschlagung in einem besonderen Kapitel soll der Klarheit des Haushalts dienen und doppelte Veranschlagungen vermeiden. Wesentliche Veränderungen gegenüber dem Voranschlag sind nicht erfolgt; sie ergeben sich aus der Drucksache auf Seite 18 und 19. Zu Tit. 41 ist noch zu bemerken, daß der bisherige Ansatz für die deutsche Mitgliedschaft im Europarat an dieser Stelle in Wegfall gekommen ist, weil ein neuer Einzelplan IV b eingerichtet worden ist, der die Kosten für den Europarat und verwandte Gebiete für sich ausweist.
Meine Damen und Herren! Der Umfang dieses Einzelplans ist nach der sachlichen Seite größer als der der meisten Einzelpläne der Bundesressorts. Ich
habe mich bemüht, Ihnen in möglichster Kürze wenigstens einen Überblick über diese Einzelpläne und über das, was der Haushaltsausschuß damit gemacht und darüber beraten hat, zu geben. Ich habe Sie im Auftrage des Haushaltsausschusses zu bitten, der vorliegenden Drucksache Nr. 1904 Ihre Zustimmung zu erteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Hinsichtlich der Aussprache war eine Gesamtredezeit für die Punkte 1 a und b von 240 Minuten vorgesehen.
Ich nehme an, daß das Haus mit dieser Regelung einverstanden ist.
— Ich wollte gerade an den Herrn Berichterstatter die Bitte richten, den Punkt b, also den
Einzelplan IV b — Haushalt für Angelegenheiten des Europarats und verwandter Gebiete
gleich in seine Berichterstattung einzubeziehen. Es war im Ältestenrat eine getrennte Aussprache vorgesehen, aber in Aussicht genommen, daß die Redezeit einheitlich für die eine oder die andere Position verwandt werden könnte.
Darf ich bitten, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe über den Einzelplan IV b nur ganz kurz folgendes nachzutragen. Während seiner Beratungen über die Einzelpläne des Bundeshaushalts 1950 gewann der Haushaltsausschuß die Überzeugung, daß es sowohl aus politischen wie aus Gründen der Übersichtlichkeit richtiger wäre, die an verschiedenen Stellen eingesetzten Mittel für die Kosten des. Europarats und verwandter Gebiete zusammenzufassen und in einem neu einzurichtenden Einzelplan zu veranschlagen. Der Ausschuß ersuchte daher das Bundesfinanzministerium, diese Frage zu überprüfen und eine entsprechende Vorlage zu machen. Diese Frage ist Gegenstand einer Beratung im Kabinett gewesen, das vorschlägt, alle diese Kosten in einem neuen Einzelplan IV b zu veranschlagen, der die Bezeichnung erhalten soll: „Haushalt für Angelegenheiten des Europarats und verwandter Gebiete". Der Mündliche Bericht des Haushaltsausschusses liegt Ihnen als Drucksache Nr. 1927 vor. Es war ursprünglich vorgesehen, diesem Einzelplan die Ordnungsnummer IV a zu geben. Da nun aber im neuen Haushaltsjahr ein besonderer Einzelplan des Auswärtigen Amtes eingerichtet werden soll, beschloß der -Ausschuß auf Antrag des Bundesfinanzministeriums mit Mehrheit, die Ordnungsnummer IV a für das Auswärtige Amt vorzusehen. Verwaltet werden soll der neue Einzelplan IV b zunächst von der Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten. Auch dazu liegt auf einem Umdruck ein Antrag vor, über den heute Beschluß gefaßt werden muß.
Sie finden unter den Titeln 31 bis 34 die Kosten veranschlagt, die durch die Erläuterungen im einzelnen erklärt und ergänzt werden. Der Ausschuß hat sich insbesondere mit den persönlichen und sächlichen Verwaltungsausgaben sowie den allgemeinen Haushaltsausgaben des Deutschen Rates der
Europäischen Bewegung befaßt., Der Ausschuß kam hierbei zu' der Auffassung, daß künftig Zuschüsse nur dann aus Bundesmitteln geleistet werden können, wenn alle Einnahmequellen dieser Organisation offengelegt werden. Der ursprünglich vorgesene Ansatz konnte entsprechend den Ist-Ergebnissen herabgesetzt werden, wobei der Ausschuß gleichzeitig zum Ausdruck brachte, daß künftig nicht mehr mit Zuschüssen in der bisherigen Höhe gerechnet werden kann. Nach einer Mitteilung der Dienststelle für auswärtige Angelegenheiten ist die Geschäftsstelle des Rates der Europäischen Bewegung davon bereits verständigt worden.
Ich glaube, daß diese kurzen Bemerkungen für das Verständnis der Drucksache Nr. 1927 ausreichend sind, und habe Sie im Auftrag des Haushaltsausschusses zu bitten, seinem Antrag gemäß dieser Drucksache Ihre Zustimmung zu erteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter auch für diesen Bericht und eröffne die Aussprache.
— Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling!
Meine Damen und Herren, wir dürfen wohl übereinstimmend feststellen, daß es jetzt schon 1/4 vor 9 Uhr ist. Wenn wir jetzt eine Aussprache über den Haushaltsplan des Bundeskanzleramtes von 4 Stunden folgen ließen, würden wir als um 1/4 vor 1 Uhr mit der Aussprache fertig sein, wobei noch zu berücksichtigen ist, daß natürlich außerhalb dieser Redezeit Änderungsanträge zu den einzelnen Titeln noch zusätzlich be- gründet werden könnten. Ich meine, wir sollten uns doch darüber verständigen, daß wir große grundsätzliche Erörterungen allgemeinpolitischer Art in die dritte Lesung verlagern und uns dadurch die Möglichkeit geben, die Aussprachezeit auf die Hälfte der vorgesehenen Zeit von 4 Stunden, nämlich auf 2 Stunden, zu verkürzen.
Ich habe nicht die Absicht, mit meiner Anregung irgend jemandem, insbesondere auch nicht den Kollegen der Opposition, die Möglichkeit abzuschneiden, hier ihre Ausführungen zu machen.
Aber ich meine, wir könnten in dem ehrlichen Bestreben, uns unsere Arbeit etwas zu erleichtern und nicht nachher vor ganz leerem Hause sprechen zu müssen, der Anregung, die Redezeit auf 2 Stunden zu verkürzen, zustimmen.
Meine Damen und Herren, ich darf, bevor ich Herrn Abgeordneten Mellies das Wort gebe, darauf hinweisen, daß wir bei allen Beratungen die Übung gehabt haben, daß in der zweiten Beratung entgegen der sonstigen Übung die Generalaussprache stattfand, damit wir nicht , in die Lage kamen, die allgemeine Aussprache in der dritten Beratung stattfinden zu lassen. Wir haben uns gerade heute im Ältestenrat darüber verständigt, daß wir den Versuch machen wollen, in der dritten Beratung mit einer allgemeinen Aussprache ohne ein besonderes Eingehen auf die einzelnen Haushaltspläne auszukommen. Dieser außerordentlich vorteilhafte Plan würde durch einen solchen Beschluß beeinträchtigt werden. Außerdem habe ich nach den bisherigen Wortmel-
dungen und nach der gesamten Situation nicht den Eindruck, als ob die Redezeit von 4 Stunden voll ausgenutzt werden würde.
Bitte, Herr Abgeordneter Mellies!
Meine Damen und Herren, ich habe vorhin schon einmal darauf hingewiesen: wir würden in den Beratungen schon viel weiter sein, wenn man von seiten der Regierungsparteien nicht dauernd den Versuch machte, die Vorschläge des Ältestenrats zu ändern.
Sie waren heute morgen nicht zugegen, Herr Wuermeling, sonst würden Sie sich erinnern, daß in der Aussprache, die über die dritte Lesung stattgefunden hat, von uns die Vorschläge gemacht worden sind, die gerade der Herr Präsident vorgetragen hat. Zerreißen wir jetzt die Aussprache, dann haben wir in der dritten Lesung die ganze Debatte noch einmal, mid das Parlament wird erheblich mehr Zeit aufwenden müssen. Ich bin also der Meinung, man sollte es endlich einmal bei den Vorschlägen lassen, die im Ältestenrat gemacht worden sind. Dann werden wir am schnellsten mit unserer Arbeit fertig werden.
Meine Damen und Herren, darf ich unterstellen, daß das die Meinung des Hauses ist. Es steht dem Haus natürlich völlig frei, wenn der Zustand völliger Erschöpfung eingetreten sein sollte, immer noch eine Vertagung zu beschließen.
Ich darf die Aussprache damit als eröffnet ansehen. Ich eröffne die Besprechung über den Einzelplan IV unter ausdrücklichem Hinweis darauf, daß die Gesamtredezeit auch allein auf diesen Plan verwandt werden kann, wie es vorgesehen war.
Das Wort hat zunächst der Abgeordnete von Campe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure es, daß diese sehr wichtige Aussprache, von der wir uns klar waren, daß sie die Grundsatzaussprache über das Bundeskanzleramt und damit, so wie die Dinge liegen, über die auswärtige Politik ist, nach einer so anstrengenden Sitzung wie der heutigen zu so später Stunde stattfindet. Aber ich glaube, es läßt sich nicht vermeiden; wir müssen versuchen, das Beste aus der Situation zu machen.
Ich möchte mir erlauben, meine Ausführungen auf das Kap. 3 des Haushalts des Bundeskanzleramts, also auf das Thema der Dienststelle für Auswärtige Angelegenheiten und auf einige grundsätzliche Fragen der auswärtigen Politik zu beschränken. Nach dem ausgezeichneten und erschöpfenden Bericht des Kollegen Dr. Blank, für den wir alle nur dankbar sein können, wird es sich auch für mich erübrigen, auf Einzelheiten des Haushaltsplans einzugehen. Ich möchte mir nur erlauben, einige grundsätzliche Fragen nochmals zu unterstreichen.
Die „Dienststelle für Auswärtige Angelegenheiten", wie sie im Haushaltsplan des Bundeskanzleramtes für 1950 erscheint, ist der Vorläufer des inzwischen nun schon geborenen Auswärtigen Amtes. Die Bedeutung dieser Tatsache haben die zuständigen Ausschüsse, der Haushaltsausschuß und der Auswärtige Ausschuß, durchaus rechtzeitig erkannt. Ich darf erinnern, daß der Auswärtige Ausschuß bereits im vorigen Jahr einen kleinen Unterausschuß „Organisation des Auswärtigen Amtes" unter dem Vorsitz des Kollegen Luetkens eingerichtet hat, der sich eingehend mit allen grundsätzlichen Fragen betreffend die Organisation des Amtes befaßt hat. Wir waren uns sowohl in diesem Unterausschuß wie auch im Gesamtausschuß darüber einig, daß der Ausgangspunkt für alle unsere Arbeiten die Überzeugung ist, daß — wie es im Bericht von Herrn Kollegen Luetkens ausgedrückt war — „der Bundesregierung so schnell wie möglich ein leistungsfähiger, möglichst hockqualifizierter Apparat zur Verfügung zu stellen ist, der sachgerecht internationale und außenpolitische Fragen beantworten kann." Es ist klar, daß unter den heutigen schwierigen Verhältnissen ein leistungsfähiges Instrument nur dann entstehen kann, 'Wenn es nach einem klaren, einheitlichen Organisationsprinzip ausgerichtet ist. Das hat der Kollege Blank bereits betont, und wir haben uns über diese Frage, die besonders dem Kollegen Luetkens sehr am Herzen lag, sehr ernste Gedanken gemacht. Ist es an der Zeit, zu einem anderen Organisationsprinzip überzugehen, als wir es bisher in Deutschland hatten, nämlich zu dem englischen, welches das ganze Auswärtige Amt nach Länderabteilungen aufteilt, oder sollen wir bei unserem Prinzip der Aufteilung nach Sachgebieten bleiben? Wie der Kollege Blank bereits betont hat, haben sich die Ausschüsse für den letzteren Weg entschieden, aber — und das möchte ich hier noch nachholen — manche der Kollegen doch nicht nur deshalb, weil die Durchführung des anderen Prinzips zu kostspielig wäre, sondern durchaus unter Zugrundelegung sachlicher Gesichtspunkte. Ich persönlich — und ich glaube da für mehrere Kollegen zu sprechen — bin der Auffassung, daß gerade die neue Entwicklung der auswärtigen Politik mit dem Hervortreten der internationalen Organisationen, der Kongresse und der Konferenzen, also der multilateralen Verhandlungen und der — wenn ich so sagen darf — multilateralen Institutionen, es durchaus angezeigt macht, bei dem anderen Prinzip zu bleiben und nicht alles einfach nach Länderabteilungen aufzugliedern. Wir haben uns also — und zwar glaube ich mich zu entsinnen, einmütig entschlossen, diesem Prinzip zu folgen. Der Kollege Blank hat Ihnen bereits das Organisationsschema des Auswärtigen Amtes mit den sechs Abteilungen aufgezeigt, das an sich im Grundsatz logisch und konsequent aufgebaut ist.
Der einzige Schönheitsfehler ist die Abteilung II, und ich Möchte Sie bitten, mir ein paar Worte über diese Abteilung zu gestatten. Denn man versteht die jetzige Abteilung 'doch nur, wenn man sich klarmacht, wie es historisch zu dieser Abteilung gekommen ist. Diese Abteilung, die eine zweite politische Abteilung darstellt und damit eine Zweiteilung des gesamten politischen Apparates im Auswärtigen Amt begründet, ist aus der Verbindungsstelle zum Petersberg entstanden. Sie war wirklich bitter nötig damals, als wir kein Auswärtiges Amt hatten, keine Befugnis zu selbständigen außenpolitischen Aktionen. Als der Petersberg unser einziges außenpolitisches Zentrum war und der Herr Bundeskanzler über nichts verfügte, um die Verhandlungen zu führen, war es nötig, eine solche Dienststelle, die `ja leider dann auch einen sehr großen Apparat beinhaltete, aufzubauen. Jetzt da-
) gegen ist die Zeit aus verschiedenen Gründen für eine solche Dienststelle vorbei. Wir selbst haben selbstverständlich in einem Augenblick, in dem wir das gesamte Besatzungsstatut ändern wollen, in dem wir hoffen, daß der Petersberg von einer Kontrollkommission in Botschaften umgeformt wird, kein Interesse daran, hier einen Apparat zu halten, der den Hohen Kommissaren irgendwie die Möglichkeit gäbe, sich nun zu verewigen oder ihr Dasein zu verlängern.
Ein zweiter Grund kommt hinzu. Die Verbindungsstelle ist im kleinen ein Abbild eines Auswärtigen Amtes gewesen. In dem Moment, in dem wir jetzt ein wirkliches Auswärtiges Amt aufbauen können, muß selbstverständlich jede Art Nebenstelle verschwinden. Wir haben ja schon einmal recht unangenehme Erfahrungen mit solchen Nebenstellen und Sonderbüros gemacht, und vestigia terrent! Also auch aus diesem Grunde war der Ausschuß einmütig der Auffassung, daß die Reste dieser Verbindungsstelle möglichst schnell verschwinden sollten. In den Verhandlungen und Unterhandlungen mit der Verwaltung ist dann in der Tat auch eine Abteilung II entstanden, die — wie der Herr Kollege Blank vorhin betont hat — ihren Schwerpunkt durchaus auf dem Gebiete der internationalen Organisationen hat. Das ist gut. Meine Freunde und ich sind der Auffassung, daß gerade das Gebiet der europäischen Politik für uns von einer so enormen Bedeutung 'ist — und daß gerade nach den vergangenen Jahren wir es sein sollten, die auf diesem Gebiet aktiv tätig werden —, daß wir uns den Apparat für diese Verhandlungen nicht groß und nicht gut genug wünschen können.
Ein kleiner Schönheitsfehler bleibt. Auch der ist vom Kollegen Blank aufgezeigt worden. Er liegt darin, daß die Gefahr besteht, daß die beiden politischen Abteilungen, die jede für sich auf einem etwas verschiedenen Gebiet arbeiten, auch — darüber müssen wir uns klar sein — wahrscheinlich mit der Zeit eine etwas verschiedenartige Beamtenschaft bekommen werden. Neben der eigentlichen alten Diplomatie wird sich eine Art europäische Beamtenschaft herausbilden. Diese europäischen Beamten werden in der Abteilung II sitzen, und in der Abteilung III — der politischen Länderabteilung — werden die alten Diplomaten sitzen, die die bilateralen Verhandlungen nach altem Muster führen.
— Nein! Ich meine „alt" nur in dem Sinne der bisherigen Methoden. Ich bin durchaus mit Ihnen einig, Herr Schoettle. Wir brauchen ja keine „Alten" dafür zu nehmen. Nur die Methode wird jetzt eine ganz andere sein müssen, und die geistige Einstellung, die sich bei den Beamten in der Abteilung II und denen in der Abteilung III herausbilden wird, kann differieren und bringt daher die Gefahr eines Auseinanderklaffens mit sich. Eine einheitliche Leitung der gesamten deutschen Außenpolitik, auch auf der Ebene der Organisation des Auswärtigen Amtes, ist aber ganz entschieden notwendig. Aus diesem Grunde bin ich persönlich und sind mit mir meine Freunde der Auffassung, daß es durchaus erwägenswert ist, daß der Herr Bundeskanzler dem Gedanken nahetritt, einen politischen Unterstaatssekretär mit der Leitung dieser beiden Abteilungen unter dem Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten zu betrauen. Dieser Staatssekretär würde nur die Aufgabe haben, eine einheitliche, klare deutsche Außenpolitik nach Weisungen, die
er von oben bekommt, in diesem Apparat sicherzustellen. Denn so, wie die Dinge heute liegen, ist es sowohl für den Herrn Bundeskanzler, der gleichzeitig Außenminister sein muß, als auch für den Herrn Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten kaum möglich, all den Verpflichtungen nachzukommen, die sich heute anbieten. Man kann nicht eine Organisation aus dem Nichts aufziehen, kann nicht gleichzeitig an Schumanplan-Verhandlungen teilnehmen, am nächsten Tag in Straßburg zur Europaratstagung sein und gleichzeitig verantwortlich sein für alles, was hier passiert. Ich halte es also von diesem Standpunkt aus für durchaus erwägenswert, einen politischen Unterstaatssekretär als Chef der Abteilungen II und III einzusetzen.
Ich komme nun im Rahmen meiner kurzen Ausführungen über die Europaaktivität zu einer sehr wichtigen Angelegenheit. Es ist notwendig, eine enge Koordinierung der Auffassungen und Arbeiten der deutschen Delegierten in Straßburg und der Bundesregierung herzustellen. Wir haben es dankbar begrüßt, daß der Staatssekretär des Auswärtigen diese Notwendigkeit erkannt und ihr bereits Rechnung getragen hat. Es kann gerade auch für die Bundesregierung von einer gewissen Bedeutung sein, was die Delegierten in Straßburg tun. Das hat sich ja z. B. bei der Erkämpfung der Gleichberechtigung Deutschlands auf wirtschaftlichem, politischem und militärischem Gebiet im Rahmen der europäischen Verteidigung gezeigt. Ich erinnere daran, daß es die deutsche Delegation in Straßburg war, die hier die erste Bresche geschlagen und damit der Bundesregierung ganz gewiß einen guten Dienst geleistet hat. Auch andere Fragen, die vielleicht gar nicht unmittelbar mit dem Europarat zusammenhängen, können von den Delegierten in Straßburg angeschnitten werden. Ich darf nur als ein kleines Beispiel erwähnen, daß es mir und einigen meiner Kollegen gelungen ist, die von Herrn Blank berührte Frage der reichseigenen Gebäude, der Botschaftsgebäude, mit einer großen europäischen Delegation anzuschneiden und die Zusicherung zu erhalten, daß wir unsere Gebäude in diesem Lande noch im Laufe dieses Jahres zurückbekommen. Das ist von einer eminenten Bedeutung. Das Vorgehen in der Frage des deutschen Reichseigentums im Ausland widerspricht doch allem internationalen Recht und den diplomatischen Gepflogenheiten. Mit diesem Rechtsbruch muß wirklich einmal Schluß gemacht werden. Um die Koordinierung der Aufgaben der Delegation in Straßburg und der Bundesregierung zu erleichtern, haben wir, nämlich die Freie Demokratische Partei und die Deutsche Partei, uns erlaubt, Ihnen einen kurzen Antrag auf Einrichtung eines ganz kleinen ständigen Sekretariats vorzulegen. Ich darf den Antrag dem Herrn Präsidenten übergeben und die Bitte aussprechen, daß das Haus unseren Antrag dem Haushaltsausschuß zur Prüfung und' Erledigung überweist.
Nun möchte ich ein kurzes Wort über die Besetzung der Auslandsposten sagen. Viele von Ihnen werden gestern die Presseberichte über den triumphalen Empfang der „Santa Ursula", des ersten deutschen Motorschiffes der Hamburg-Süd, in Südamerika gelesen haben. Nach diesen Berichten hat der Jubel über die Ankunft des ersten deutschen Schiffes nach dem Krieg alles übertroffen, was man sonst bei derartigen Jungfernfahrten von neuen Schiffen erlebt hat. Diese Begeisterung, dieser freudige Empfang bringt deutlicher als alles andere zum Ausdruck, wie sehnsüchtig weite Kreise in der Welt wieder die enge Verbindung
mit Deutschland wünschen. Das muß uns alle mit Freude und Stolz erfüllen! Aber ein kleiner Tropfen Wermut mischt sich doch in diese Freude hinein; denn bei diesem Empfang, wo Tausende jubelten, war kein deutscher Vertreter da; da gab es keinen deutschen Konsul, da gab es keinen deutschen Gesandten, da gab es keinen deutschen Botschafter. Das ist eine höchst bedauerliche Feststellung. Wir richten an den Herrn Bundeskanzler die herzliche Bitte, diesen Zustand baldigst zu ändern.
Es gibt auch noch andere, recht materielle Gründe, aus denen eine weitere Verzögerung der Besetzung der deutschen Auslandsposten nicht mehr zu verantworten ist. Ich war vor ein paar Tagen in Hamburg. Hamburger Exportkreise haben mir Mitteilungen über die Schwierigkeiten gemacht, die dem deutschen Export aus dem Fehlen deutscher Auslandsvertretungen erwachsen sind, Mitteilungen, die einem wirklich die Haare zu Berge stehen lassen. Mir ist der Fall erzählt worden, daß ein Dampfer leer zurückkommen mußte, ohne seine, Fracht in Amerika erhalten zu haben, weil irgendwelche kleine sachlichen oder technischen Dinge nicht erledigt werden konnten, vielleicht Fragen des Visums oder was weiß ich. Nach den Berechnungen dieser Kreise betragen die Verluste, die dem deutschen Export durch unnötige Schwierigkeiten, unnötige Umwege und Leerlauf entstehen, wöchentlich mehrere Millionen Dollar. Ich darf Sie deswegen, sehr verehrter Herr Bundeskanzler, herzlichst bitten, hier bald eine Änderung zu schaffen. Vielleicht gelingt es Ihrem guten persönlichen Einfluß auf den Herrn Außenminister, auch diesen von der Notwendigkeit zu überzeugen.
Ich möchte diesen Teil meiner Ausführungen über die Organisation des neu zu schaffenden Auswärtigen Amtes nicht abschließen, ohne wenigstens mit einigen Worten denjenigen Angehörigen der Verwaltung Dank ausgesprochen zu haben, die mit großer Umsicht, unermüdlicher Tatkraft, und unbestechlicher Objektivität sowie mit dem Einsatz ihrer ganzen Person, oft ohne Rücksicht auf ihre Gesundheit an dem Aufbau dieser neuen Organisation gearbeitet und sich dadurch große persönliche Verdienste erworben haben.
Wir alle, die wir an diesem Organisationsplan des Auswärtigen Amtes mitarbeiten durften, glauben, daß der deutschen Außenpolitik in dieser neuen Organisation in der Tat ein brauchbares und gutes Instrument zur Verfügung gestellt wird. Um nun dieses Instrument zum Spielen zu bringen, um es erfolgreich einsetzen zu können, haben wir bei unserer schwierigen politischen Lage eine wirklich klare außenpolitische Konzeption nötig. Wie soll diese deutsche Außenpolitik aussehen? Was sind ihre Ziele? Gestatten Sie mir darüber einige kurze, aber sehr offene Worte. Jede deutsche Außenpolitik, wer auch immer sie bestimmt, hat von unserer besonderen und außergewöhnlichen Lage auszugehen. Nach der Katastrophe von 1945, nach der Kapitulation und der vollkommenen Auslöschung eines deutschen politischen, staatlichen Willens kann heute jede deutsche Außenpolitik nur ein Ziel, nur ein selbstverständliches Ziel kennen, und das ist: die möglichst baldige und vollkommene Wiedereingliederung Deutschlands in die Familie der freien Völker, in die Gemeinschaft der gleichberechtigten Nationen. Über dieses Ziel kann es unter uns Deutschen, welcher Partei auch immer wir angehören, keine Meinungsverschiedenheiten, keinen Streit geben. Über die Methoden und über das Tempo freilich können wir unterschiedliche Auffassungen haben. Sie dürfen aber nicht dazu führen,
daß das Ziel verblaßt, daß es im Nebel des Parteistreites fast zu verschwinden droht.
Wir haben alle aufbauwilligen demokratischen Kräfte bitter nötig, um Deutschland aus dieser dunklen außenpolitischen Isolierung und Unselbständigkeit hinauszuführen, auch die der Oppositionsparteien. Es scheint mir daher an der Zeit, einmal Einkehr zu halten und darauf zu sinnen, wie man im Interesse der deutschen Nation Koalition und Opposition auf dem Gebiete der Außenpolitik zu einem echt demokratischen, konstruktiven Zusammenarbeiten bringen könnte. Bisher wurden die Gegensätze über Methode und Tempo in der außenpolitischen Gestaltung mit einer solchen Schärfe und oft übertriebenen Härten ausgetragen, daß von irgendwelchem konstruktiven Zusammenspiel nicht recht die Rede sein konnte. Das Volk, das letzten Endes der Leidtragende dieses höchst bedauerlichen Zustandes ist, hat, wie mir scheinen will, ein gesundes Gefühl für die Unhaltbarkeit dieser Dinge. So wird z. B. vielfach nicht verstanden, daß eine Aussprache zwischen dem Chef der Regierung und dem Führer der Opposition über lebenswichtige Belange, des ganzen deutschen Volkes, die angesichts unserer Lage eigentlich als eine natürliche Selbstverständlichkeit angesehen werden sollte, erst nach langen Präliminarien, Vorverhandlungen, Bedingungen zustande kommen kann. Das gesunde Empfinden des Volkes hat hierfür wenig Verständnis,
und man sollte wirklich schleunigst auf Abhilfe sinnen. Sowohl die Angehörigen der Koalitionsparteien als auch die Opposition sollten in sich gehen und zu ihrem Teil dazu beitragen, daß wir in den großen und entscheidenden Fragen der deutschen Außenpolitik wirklich zu einer weitgehenden Einigung oder wenigstens zu einem Verstehen der anderen Seite kommen.
Hierzu ist es aber notwendig, ,daß man auf beiden Seiten nicht immer glaubt, den einzigen Weg nach Rom gefunden zu haben.
Für jede deutsche Außenpolitik ist, wie ich soeben bereits andeutete, eine gewisse Zwangsläufigkeit gegeben. Wenn ein Volk, ein Staat so am Boden liegt, wie es bei uns 1945 der Fall war, so muß eben jede halbwegs vernünftige Politik zu einer Besserung führen.
Diese Erkenntnis, diese Selbstbescheidung darf uns auf der anderen Seite aber nicht dazu verführen, jeden Fortschritt einfach als zwangsläufig, als automatisch anzusehen. Wenn z. B. von seiten der Opposition behauptet wurde, es sei der Wind allein, der das Schiff bewege, so ist das doch wohl nur sehr bedingt richtig. Gewiß, ohne Wind nützt auch das beste Segel nichts. Aber es kommt eben letzten Endes immer darauf an, den Wind, der weht, richtig einzuschätzen, dann das richtige Segel zu setzen, damit man den Wind gut ausnutzen kann, und dann mit sicherer, fester Hand das Steuer gut zu führen. Nur dann, wenn das alles zusammentrifft, wird das Schiff wirklich gute Fahrt machen. Hüten wir uns also vor Übertreibungen und vor Selbstgefälligkeiten! Dann wird es uns hoffentlich auch gelingen, gemeinsam eine große Linie deutscher Außenpolitik zu finden.
Diese deutsche Außenpolitik sollte nach meiner Auffassung von zwei Maximen bestimmt sein, die ich hier zum Schluß noch ganz kurz aufzeichnen darf. Unsere Außenpolitik muß einmal eine deutsche Politik im besten Sinne des Wortes sein, d. h. sie muß stets das gesamtdeutsche Interesse im
Auge behalten. Sie muß zum anderen in jedem Augenblick doch auch gut europäisch sein. Auf die Synthese von deutschem Interesse und von europäischem Erfordernis kommt es meines Erachtens für uns an.
Was heißt nun d e u t s ch e Politik? Ich glaube, man kann darauf die Antwort geben: Alles tun, was die Wiederherstellung einer geachteten und souveränen deutschen Einheit fördert, und alles unterlassen, was diesem Ziel je hinderlich werden könnte. Auch da will mir scheinen, daß dieses Ziel nicht immer und nicht von allen Seiten mit der nötigen Energie verfolgt worden ist. Gewiß, wir haben oft Worte der Solidarität für unsere deutschen Brüder im Osten gefunden. Gewiß, wir haben Berlin materiell sehr geholfen. Aber ich frage mich: Sind diese materiellen Bemühungen immer im richtigen Augenblick, immer rechtzeitig und immer genügend erfolgt?
Vor allem aber: Fehlt es nicht an Bemühungen auf ideellem Gebiet, eine gemeinsame Plattform für die Zukunft zu finden? Viel mehr, als es bisher geschehen 'ist, müssen wir uns immer dessen bewußt bleiben, daß Bonn ein Provisorium ist, so wie Stuttgart, Hamburg, Frankfurt nur einzelne Stufen auf dem langen und schwierigen Wege zum deutschen Staat, zu Deutschland waren. Unbeschadet unserer klaren Option für Recht und Freiheit müssen wir bei allen außenpolitischen Maßnahmen, so ratsam und vorteilhaft sie im Augenblick auch scheinen mögen, doch immer das große Ziel der Wiedervereinigung des zerstückelten Deutschlands im Auge behalten und alles unterlassen, was geeignet sein könnte, dieses Ziel zu gefährden.
Die Forderung nach der Wiedervereinigung Deutschlands hat nichts mit irgendwelchem Nationalismus zu tun. Sie ist die selbstverständliche Folgerung aus dem Selbstbestimmungsrecht der Völker, und eine Wiedervereinigung Deutschlands ist darüber hinaus auch die Grundvoraussetzung für ein geeintes und ein friedliches Europa. Wie sollte das anders sein! Deutschland und Frankreich, sie beide bilden das Herz Europas, und ohne beide Staaten würde dem europäischen Körper das pulsierende frische Lebensblut fehlen. Dieses Europa ist unser zweites Ziel, ich möchte fast sagen, unser Hauptziel. Zum ersten Male in der Geschichte Europas stehen heute Deutschland und Frankreich Schulter an Schulter zusammen, um das europäische Gebäude zu errichten und dann gemeinsam zu tragen, so Gott will. In dieser Entwicklung ist der Schumanplan die erste konkrete politische Tat. Wir begrüßen ihn als eine solche, unbeschadet eventueller wirtschaftlicher Mängel oder etwa begangener kleiner taktischer Fehler. Wir sehen in dem Schumanplan, wie 'ich es einmal in Straßburg ausgedrückt habe, zugleich den Grabstein der jahrhundertealten deutschfranzösischen Fehde und den Grundstein für das neue Europa. Auf diesem Wege gilt es fortzuschreiten. Auch auf anderen Gebieten müssen wir die gemeinsamen Interessen in den Vordergrund stellen und das Eigeninteresse zunächst zurücktreten lassen. In Straßburg schweben ja noch andere Projekte. Ich erinnere nur an die gemeinsame Transportorganisation, an den großen gemeinsamen Agrarmarkt und an andere Dinge. Bisher sind uns alle diese Anregungen aus Paris gekommen. Aber jetzt, da die Bundesregierung Vollmitglied des Europarats geworden ist, hoffen wir, daß sie auch ihrerseits eine Konzeption für eine konstruktive Europapolitik herausbringt.
Das Grundgesetz bringt ja im Art. 24 bereits den Ansatzpunkt, indem es die Abgabe von Souveränitätsrechten vorsieht. Wir sollten nach meiner Auffassung nichts unterlassen, um der Welt immer wieder und 'immer konkreter zu beweisen, daß wir jederzeit bereit sind, Souveränitätsrechte aufzugeben, auf sie zu verzichten zugunsten einer höheren und, wie wir hoffen, glücklicheren Ordnung.
Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Wenn der Bundeskanzler und der Außenminister in einer Person vereinigt sind, besteht natürlich die Gefahr, daß bei der Beratung des Haushaltsplanes in erster Linie über die Außenpolitik gesprochen wird, vor allen Dingen dann, wenn sich das Auswärtige Amt im Aufbau befindet. Es könnte sein, daß wir heute abend noch mehr derartige Bußpreditgen hörten. wie sie Herr von Campe soeben hier vom Stapel gelassen hat. Aber ich glaube, Herr von Campe, man sollte, wenn man Buße predigen will, zunächst an das Wort denken: „Wir sind allzumal Sünder." Was die Auswirkung auf die Außenpolitik betrifft, so haben Sie da in Ihrer Partei nach dem niedersächsischen Wahlkampf und nach Ihren Bemühungen, jetzt in Niedersachsen eine Regierung von Gnaden der SRP zu bilden, allerlei zu tun.
- Ach, Herr Mühlenfeld, Sie berichten es ja sogar in der Zeitung, Sie wissen es ganz genau.
— Ihre Partei. Wenn Sie Ihren Leuten die Anweisung geben, eine Regierung ohne Sozialdemokratie zu bilden, dann wissen Sie ganz genau, daß Sie sie nur bilden können, wenn Sie von Gnaden der SRP in Niedersachsen leben. Soweit sollten Sie die Dinge auch schon kennen.
— Sie bestätigen mit dem ja nur das, was ich ausgeführt habe. Mehr wollte ich nicht sagen. Ich wollte nur Herrn von Campe bitten, seine Bußpredigten zunächst zu unterlassen und erst einmal Buße im eigenen Lager zu tun. Das wäre, glaube ich, auch im Sinne unserer Außenpolitik eine viel verdienstvollere Tätigkeit.
Meine Damen und Herren! Es ist aber doch notwendig, daß heute nicht nur über Kap. 3, sondern auch über Kap. 1 des Haushaltsplanes des Bundeskanzleramtes einiges gesagt wird. Das soll meine Aufgabe sein — in wenigen Minuten —, während zu den außenpolitischen Fragen mein Fraktionskollege Luetkens Stellung nehmen wird.
Nach Art. 65 des Grundgesetzes bestimmt der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik und trägt er dafür die Verantwortung. Aber, meine Damen und Herren, ich glaube, diese Richtlinien der Politik haben in den letzten Wochen und Monaten nur aus einem einzigen Satz bestanden, nämlich aus dem Satz: Laßt die Dinge laufen! Welche Auswirkungen das gehabt hat, hat mein Fraktionskollege Koch heute nachmittag in der Finanzdebatte klar und deutlich zum Ausdruck gebracht. Ich will nach der Richtung hin nichts wiederholen. Aber wenn der Kollege Wellhausen dann gesagt hat, es sei doch einiges geschehen, vor allen Dingen seien auch Gespräche zwischen den Regierungsparteien
und der Regierung geführt worden, dann darf man doch nicht verkennen, daß durch diese Entschlußlosigkeit der Bundesregierung in den letzten Monaten draußen großer Schaden angerichtet worden ist. Sie brauchen nur einen Blick in die Presse — auch in die den Regierungsparteien nahestehende Presse — zu tun, um das jeden Morgen lesen zu können, und es wird Ihnen genau so gehen wie uns auch, daß Sie draußen im Lande immer sehr besorgt gefragt werden: Was geschieht nun eigentlich in Bonn, was hat die Regierung eigentlich vor?
Der Bundeskanzler war offenbar nicht in der Lage, hier die Richtlinien der Politik zu bestimmen. Weil er das nicht konnte oder nicht wollte, sahen sich die Minister veranlaßt, sich zunächst in aller Öffentlichkeit einmal gehörig zu raufen, — geistig selbstverständlich. Der Wirtschaftsminister beklagte sich in aller Offenheit darüber, daß der Finanzminister im Kabinett die Finanzlage des Bundes nicht klar und deutlich darlegte. Der Finanzminister erklärte darauf wieder, daß die Vorschläge des Wirtschaftsministers undurchführbar wären. Schließlich kam dann noch der Minister für die Angelegenheiten des Marshallplans, und damit war das Durcheinander wirklich nach jeder Richtung vollkommen.
Der Herr Bundeskanzler ist ja bei der Bildung der Bundesregierung hinsichtlich der Einrichtung von Ministerien nicht gerade sehr sparsam gewesen. Wir von der sozialdemokratischen Fraktion haben immer wieder darauf hingewiesen, daß das zu erheblichen Kompetenzüberschneidungen führen müßte, und wir haben denn auch wiederholt das sicher nicht sehr würdige Schauspiel erlebt, Herr Bundeskanzler, daß sich Minister in den Ausschüssen des Bundestages offen gegen Kabinettsvorlagen aussprachen. Es wird Ihnen wahrscheinlich auch bekanntgeworden sein, daß z. B. einer Ihrer Herren Minister vor einigen Wochen an einer wichtigen Debatte im Bundestag nicht teilnahm, weil er der Auffassung war, daß e r zu einer bestimmten Angelegenheit sprechen müßte und nicht der Herr Innenminister. Wir haben heute im Ältestenrat gehört, daß in einem Ministerium der Minister krank ist und der Staatssekretär sich frisch und fröhlich auf Auslandsreisen begeben hat, daß das Ministerium also jetzt verwaist ist und daß der Herr Bundeskanzler von diesem etwas merkwürdigen Tatbestand offenbar gar keine Nachricht bekommen hat. Ich glaube allerdings auch nicht, Herr Bundeskanzler, daß Sie uns jetzt sagen werden, Sie hätten, was ja eigentlich erforderlich wäre, diesem Herrn Staatssekretär telegraphisch Nachricht gegeben, daß er sofort zurückzukehren hätte. Für dieses Durcheinander, das wir sehen und erleben, trägt letzten Endes der Herr Bundeskanzler die Verantwortung, der Herr Bundeskanzler, von dem man gelegentlich einmal sagt, daß er ein starker Mann sei.
Meine Damen und Herren, 'die neue Geschäftsordnung des Kabinetts ist jetzt endlich verabschiedet. Sie ist wohl auch von dem Herrn Bundespräsidenten unterschrieben. Ich hoffe, daß der Bundestag die Geschäftsordnung noch in dieser Legislaturperiode einmal in die Hand bekommen wird. Man darf wahl annehmen, daß seit ihrer Verabschiedung im Kabinett . bereits praktisch danach verfahren worden ist. Wenn dieses Durcheinander und Gegeneinander in der Bundesregierung vielleicht eine Folge der neuen Geschäftsordnung ist.
dann werden wir nach der Richtung hin sehr g wahrscheinlich allerlei erleben können. Allerdings scheint es so, als wenn der Bundeskanzler wenigstens auf einem Gebiet eine neue Ara — wenn ich einmal so sagen darf einleiten will. Sie kennen wohl alle die etwas humorvolle Feststellung, daß die Entwicklung der Menschheit vom Matriarchat zum Patriarchat und von da zum Sekretariat gegangen ist. Ich glaube, der Herr Bundeskanzler will jetzt noch für die Bundesrepublik den Weg zum Kommissariat zeigen. Wenn Ihr alter Freund Renner, Herr Bundeskanzler, gestern hier nicht so böse Worte gegen Sie gefunden hätte, würde ich beinahe annehmen, ihm müßte ob dieser Entwicklung das Herz im Leibe lachen, und vielleicht kommen Sie beim Kominform aus diesem Anlaß doch auf die Liste der reuigen Sünder.
Aber im Ernst: Wir haben vor einigen Monaten in den Zeitungen lesen können, daß' verschiedene Kommissare in die Bundesregierung berufen worden sind. Ich habe von dieser Stelle schon einmal darauf hingewiesen, daß wir im Bundestag davon offiziell keinerlei Kenntnis bekommen haben. Wir können uns ja überhaupt nicht darüber beklagen, daß der Herr Bundeskanzler den Bundestag zu gut informiert. Dazu ist ihm die parlamentarische Arbeit 'in mancher Beziehung wahrscheinlich auch wohl zu fremd. Ich will gar nicht über die haushaltsrechtliche Seite sprechen; denn man würde mir wahrscheinlich kurzerhand sagen: die Besoldung erfolgt aus Tit. 1 und 4 der einzelnen Haushaltspläne, und das übrige liegt in der Organisationsgewalt der Bundesregierung. Aber, Herr Bundeskanzler, ich glaube doch, der einfache Respekt vor dem Parlament hätte Sie veranlassen sollen, hier auf diese Tribüne zu kommen und dem Bundestag von dieser Berufung der Kommissare Mitteilung zu machen. Denn wer von uns weiß etwas davon, was diese Kommissare eigentlich zu tun haben? Vielleicht Ihre Freunde in der Regierungspartei, aber niemand sonst im Hause! Haben Sie diese Kommissare berufen, damit Sie eine Unterstützung gegen Ihre Minister haben, oder sind die Kommissare berufen, weil die Minister mit ihrer Arbeit nicht fertigwerden können, oder wollen Sie mit diesen Kommissaren bereits ein Schattenkabinett aufrichten, das Sie uns dann eines Tages präsentieren können? Der Herr Wirtschaftsminister hat bei der zweiten Beratung seines Haushaltsplanes hier eine Rede gehalten, die sehr aufschlußreich war. Ich hoffe, daß Ihnen wenigstens einiges daraus mitgeteilt worden ist; denn Sie werden angesichts Ihrer Belastung als Bundeskanzler und als Außenminister selbstverständlich nicht die Möglichkeit haben, diese Rede selber nachzulesen. Aber ich glaube, wir alle sollten Wert darauf legen, daß solche Willkürlichkeiten endlich einmal aufhören und daß man auch in der Bundesregierung bei aller Anerkennung der Organisationsgewalt, die sie hat, doch vor dem Parlament soviel Respekt hat, es über solche Neueinrichtungen zu unterrichten.
Die Wahlen, die in den letzten Wochen und Monaten stattgefunden haben, haben eine deutliche Sprache gesprochen.
— Ach, Herr Brentano, daß Sie noch so unschuldig
fragen müssen, hätte ich allerdings nicht erwartet!
5770 Deutscher Bundestag — 145. Sitzurig. Bonn, Donnerstag, den 31. Mai 1051
Aber wenn das Volk besser darüber unterrichtet wäre, wie die Dinge in Bonn liegen — und das wäre es ohne Frage, wenn es nicht mit seinen eigenen Sorgen und Nöten, die zum großen Teil auf die Schuld der Bundesregierung zurückzuführen sind, belastet wäre —, dann würde das Urteil doch in mancher Beziehung noch anders ausgefallen sein.
Die Bundesregierung will die Bevölkerung durch die Bundespressestelle unterrichten. Sie wissen alle, daß die Bundespressestelle vor Monaten einmal sehr heftig unter einem Dementifieber gelitten hat. Dieses Fieber, — das muß man objektiv feststellen —, ist etwas zurückgegangen. Dafür betätigt sich die Bundespressestelle jetzt auf einem anderen 'Gebiet. Sie hat diese Schrift herausgegeben, die Ihnen alien zugegangen ist: „Sechs Jahre danach - Vom Chaos zum Staat". Wenn Sie einmal sehen wollen, wie sorgfältig die Bundespressestelle arbeitet, dann schlagen Sie bitte die Seite 27 auf. Dort werden Sie feststellen, daß dieser Bundestag am 15. Juli 1949 gewählt worden ist.
Herr Bundeskanzler, das sollte einer Bundespressestelle nicht passieren!
- Mein lieber Herr Wuermeling, wenn wir mit Flugblättern anfangen wollen, dann lassen Sie sich erst einmal von dem Herrn Bundeskanzler erzählen, was Ihnen passieren kann, wenn man die Flugblätter der Opposition beanstandet. Ich glaube, dann werden Sie in Zukunft vorsichtig werden.
— Ja, und die von Hessen auch, Herr Brentano. Die kennen Sie wahrscheinlich nicht. Aber lassen Sie sich von dem Herrn Bundeskanzler etwas darüber erzählen!
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesverkehrsminister Seebohm hat in der letzten Woche in der Presse einen sehr temperamentvollen Artikel gegen die Darstellung in verschiedenen Zeitungen veröffentlicht, daß die Regierung Dönitz eine legale Regierung gewesen sei. Er sah sich zu diesem Artikel, wie ich eben schon sagte, durch die Ausführungen in mehreren Zeitungen veranlaßt, die gemacht worden waren, weil jetzt die Erinnerungen, ich glaube, des Adjutanten des Herrn Dönitz erschienen sind. Aber Herr Seebohm brauchte nicht auf die Zeitungsnachrichten zu warten; er hätte zunächst einmal 'das Buch durchlesen sollen. Denn darin, Herr Bundeskanter, kann man von dem deutschen Staatsoberhaut Dönitz lesen, und in diesem Buch kann man auch von dem ordnungsmäßigen Außenminister Schwerin-Krosigk lesen. Wenn ich es recht im Gedächtnis habe, haben Sie sich gestern auf die Äußerung der Pressestelle einer anderen Staatsregierung berufen. Ich glaube, Sie kommen eines Tages in eine nicht angenehme Lage, wenn sich verschiedene Leute einmal auf das berufen, was in diesem Buch festgelegt ist. Auf die anderen Dinge will ich nicht eingehen; zu der mehr als oberflächlichen Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse ließe sich einiges sagen. Sie sollten sich überlegen, ob es nicht zweckmäßig wäre, den Rest, der jetzt noch vorhanden ist, einzustampfen
und dafür zu sorgen, daß nicht durch das Buch ein großes Unheil angerichtet wird.
Meine Damen und Herren, ich glaube, der Bundestag sollte sich wirklich sehr überlegen, ab für der, artige Leistungen der Bundespressestelle Geld ausgegeben werden soll.
Nun hat man vielleicht die eine Entschuldigung, daß die Bundespressestelle noch keinen hauptamtlichen Leiter hat, und ich will nicht ungerecht sein: daß dieser hauptamtliche Leiter bisher nicHt gefunden ist, liegt sicherlich nicht nur daran. daß es verhältnismäßig schwer ist, fähige Menschen für derartige Ämter zu finden. Kein fähiger Mensch wird sich bereit finden, die Leitung der Bundespressestelle zu übernehmen, wenn er weiß, daß er seine Aufgabe, nämlich das Volk oder zunächst einmal die Presse zu informieren, ideshalb nicht erfüllen kann, weil er selbst nicht informiert wird. Wir wissen, Herr Bundeskanzler, daß Sie ein Freund einsamer Beschlüsse sind. Das ist uns von Ihren Freunden von der Tribüne dieses Hauses wiederholt gesagt worden. Aber ich glaube, wenn Sie schon 'einmal diese einsamen Beschlüsse gefaßt haben, müßten Sie wenigstens Ihre Bundespressestelle oder deren Leiter informieren. Sie werden keinen Mann finden, solange man vom Palais Schaumburg weiß, daß dort Informationen nicht zu bekommen sind.
Ich will aber noch ein Wort zu den sonstigen etwas sehr eigenartigen Methoden sagen, die nicht nur dem Bundespressechef, sondern auch anderen Mitarbeitern in der Bundespressestelle die Freude an der Arbeit verderben. Das ist nicht nur bei der Bundespressestelle so, Herr Bundeskanzler, sondern auch in manchen anderen Dingen im Bundeskanzleramt. Es ist noch in den letzten Jahren manches geschehen, was man unter das Wort stellen kann: „Ihr laßt den Armen schuldig werden, dann überlaßt ihr ihn der Pein." Wenn Sie darüber etwas Näheres wissen wollen, dann lassen Sie sich in einer ruhigen Stunde einmal von dem Herrn Ministerialdirektor Globke etwas davon 'erzählen. Er würde Ihnen sehr viel darüber berichten können, wie man auch heute noch durch Intrigen und Rankünen die politische Entwicklung beeinflussen kann. Wenn ich recht unterrichtet bin, haben Sie ja von Ihren eigenen Parteifreunden vor nicht allzu langer Zeit sehr ernsthafte Vorstellungen über gewisse Dinge bei Ihnen gehabt. Es ist schon bezeichnend', 'daß dieser Herr Globke nur 'deswegen seine Ernennung zum Ministerialdirektor bekommen konnte, weil der Herr Bundespräsident über die Haltung der sozialdemokratischen Fraktion zu Herrn Globke falsch informiert wurde.
Ich kann leider nur dieses Wort gebrauchen; denn wenn ich das Wort gebrauchen würde, das 'in diesem Falle eigentlich nur gebraucht werden kann, dann würde ich damit gegen die Würde des Hauses verstoßen.
Meine Damen und Herren! Es ist wiederholt darauf hingewiesen worden, daß der Kommentar über die Rassengesetze im Dritten Reich den Namen des Herrn Globke mitträgt. Auf Seite 23 dieses Kommentars können Sie — und ich bitte, darauf zu achten, daß die Zeit nach den ersten beiden Sätzen wechselt — folgendes lesen:
Der einzelne war nicht Gemeinschaftsglied, sondern Gegenspieler des Staates. Das Verhältnis der einzelnen Person zum Staat war von der Person aus bestimmt und begünstigte die Stellung des einzelnen zum Nachteil der Gesamtheit.
So weit die Vergangenheit! Und jetzt die Gegenwart! :
Nach nationalsozialistischer Anschauung sind dagegen nicht einzelne Menschen. sondern Rassen, Völker und Nationen die tatsächlichen Gegebenheiten der gottgewollten Ordnung dieser Welt.
Herr Bundeskanzler! Ein Mann, dessen Name auf dem Buch steht, in dem diese schwere Häresie enthalten ist, ist von Ihnen zu Ihrem engsten Mitarbeiter berufen worden, von Ihnen, der Sie immer wieder betonen, daß Sie Ihre Politik aus christlicher Verantwortung heraus treiben. Ich bin überzeugt, daß die Ernennung dieses Mannes zu Ihrem engsten Mitarbeiter einmal eine schwere Belastung vor der Geschichte für Sie sein wird.
Sie dürfen überzeugt sein, daß die sozialdemokratische Fraktion diese Dinge nicht zur Ruhe kommen lassen wird und nicht zur Ruhe kommen lassen kann, schon deshalb nicht, well das Ansehen der deutschen Bundesrepublik durch die Ernennung des Herrn Globke zum Ministerialdirektor außerordentlich gelitten hat. Sie dürfen auch davon überzeugt sein, daß wir die Tätigkeit, die Herr Globke entfaltet, sehr aufmerksam beobachten und jederzeit Gelegenheit nehmen werden, öffentlich von dieser Stelle aus das Notwendige dazu zu sagen. Herr Globke hat z. B. in der letzten Zeit eine neue Methode entwickelt, wenn er einen Bewerber in einer höheren Beamtenstelle nicht haben möchte. Er sagt dann dem Betreffenden oder läßt ihm sagen: „Ja, es wird Schwierigkeiten mit Ihrer Ernennung geben, weil die sozialdemokratische Fraktion damit nicht einverstanden ist." Dabei wird die sozialdemokratische Fraktion in solchen Fällen keineswegs gefragt, ganz abgesehen von der Tatsache, daß es sich allmählich herumgesprochen hat, daß man in der Bundesregierung wirklich wenig Wert darauf legt, ob ein Kandidat ;für einen höheren Beamtenposten der sozialdemokratischen Fraktion angenehm ist oder nicht.
Und nun noch eine Bemerkung zu der Tätigkeit des Bundespresseamtes. Das Bundespresseamt veröffentlicht ja sehr viele Auszüge und Mitteilungen aus der ausländischen Presse. Es veröffentlicht vor allen Dingen alle Beschimpfungen, die gegen die Sozialdemokratische Partei im besonderen oder gegen die Opposition im allgemeinen gedruckt werden. Nun hat diese Bundespressestelle am 3,0. April aus der Zeitung „La libre Belgique" vom 24. Januar einen Artikel veröffentlicht, aus dem ich Ihnen mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten folgende Stellen vorlesen werde:
Wir halten es für unerläßlich, daß die Alliierten keine Gelegenheit ungenutzt lassen, auf das nachdrücklichste und in aller Form auf die Handlungen des zweifelhaften Demagogen hinzuweisen, der sein 'Land den ernstesten innerpolitischen Komplikationen ausliefert, ohne zu bedenken, daß er die Stabilität ganz Westeuropas gefährdet. Die Alliierten müßten den Deutschen sagen, was sie über Schumacher
denken, in der Erwartung, daß die Regierung in Bonn es weitergibt. Diese übrigens wird nicht verfehlen, das zu tun. Es ist notwendig, daß autorisierte und entschiedene Stimmen laut werden, die die Aufmerksamkeit der deutschen breiten Masse 'auf 'die Gefahren hinlenken, die Schumacher ihrer Sicherheit bereitet. Wie wir hören, sind die sozialistischen Roboter nicht alle der Meinung ihres Führers; aber was bedeutet das schon, wenn sie zu seinen Füßen kriechen wie weiland Hitlers Paladine zu dessen Füßen lagen, seine Minister, seine SA und SS, auch seine Parlamentarier, alles wegen eines Stückchens Brot, und die auch nicht mehr Ja-Sager waren als die 130 kleinen Mitläufer Schumachers im Bundestag in Bonn.
— Ich hoffe, daß Sie auch dann noch. wenn ich mit meinen Zitaten zu Ende bin, sehr zustimmende und freudige Zurufe machen.
Meine Damen und Herren! Wenn die Bundespressestelle es schon für notwendig hält. der deutschen Bevölkerung derartige infame Beleidigungen der Opposition zu unterbreiten, dann sollte sie, glaube ich, der Objektivitäthalber schon nicht darauf verzichten, auch die ausländischen Pressestimmen zu verbreiten, .die ein Lob der Regierung und des Bundeskanzlers verkünden. So wäre es z. B., wenn man diesen Gesichtspunkt walten lassen will, für die deutsche Bevölkerung sehr aufschlußreich gewesen, die Feststellung der französischen Zeitung „Combat" zu erfahren, die in einem Artikel über die Grande der Industrie-Erleichterung schreibt:
Der erste dieser Gründe ist wahrscheinlich die Notwendigkeit, Bundeskanzler Adenauer zu unterstützen, der ein. treuer Anhänger der alliierten Politik ist.
Meine Damen und Herren, damit bin ich am Schluß. Der Bundeskanzler, der für die' Richtlinien der Politik 'die Verantwortung trägt und damit auch di=e Verantwortung für das gegenwärtige Durcheinander in 'der Wirtschafts- und Finanzpolitik, der Bundeskanzler, der durch die Berufung von Globke eine Personalpolitik getrieben hat, die das deutsche Ansehen mindert, und ein Bundeskanzler, der durch seine Bundespressestelle eine wirkliche Information der Bevölkerung verhindert, wird nicht erwarten, daß die Opposition seinem Haushalt zustimmt.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Meine Damen und Herren! Die Ausführungen, die mein Herr Vorredner über den Herrn Ministerialdirektor Globke gemacht hat, veranlassen mich, das Wort zu ergreifen. Ich möchte zunächst meinen Herrn Vorredner bitten, wenn er Vorwürfe gegen einen Beamten der Bundesregierung erhebt, diese Vorwürfe zu konkretisieren.
Ich halte es nicht für zulässig, sich hier in allgemeinen Wendungen zu ergehen. Wenn der Herr Abgeordnete Mellies sagt, daß der Bundespräsident über Herrn Globke falsch orientiert worden sei, und wenn er noch hinzufügt, das sei ein Verfahren, das er hier nicht mit einem parlamentarischen Ausdruck kennzeichnen könne, dann richtet sich dieser Vorwurf direkt gegen mich; denn ich informiere den Herrn Bundespräsidenten, wenn er Auskunft von mir haben will. Ich möchte Herrn Abgeordneten Mellies bitten, hier in aller Öffentlichkeit zu sagen, welche Behauptung er damit hat aufstellen wollen.
Ich werde es unter keinen Umständen zu lassen, daß derartige Behauptungen aufgestellt werden, die ,geeignet sind, sowohl meine persönliche Ehre als auch die Ehre des Herrn Ministerialdirektors Globke zu schädigen. Ich finde nicht, meine Damen und Herren, daß eine solche Rede und eine solche Kritik der Zeit entsprechen, in der wir leben.
Nun noch ein Wort zu Herrn Ministerialdirektor Globke'.
Es liegt mir 'daran, hier zu erklären. daß ich in der langen Zeit, in 'der ich im öffentlichen Leben und als Beamter tätig bin, kaum jemals einen Beamten kennengelernt habe, 'der mit gleicher Pflichttreue und gleicher Objektivität seines Amtes waltet wie Herr Globke.
Wenn der sozialdemokratischen Fraktion die Tätigkeit des Herrn Globke nicht gefällt, wenn sie konkrete Vorwürfe zu erheben hat, dann möge sie mir diese Vorwürfe hier mitteilen.
Aber ich finde es völlig falsch, und es ist nicht zu billigen, daß immer 'wieder darauf zurückgegriffen wind, daß Herr Ministerialdirektor Globke' seinerzeit, ohne jemals in der Partei gewesen zu sein, an diesem bekannten Kommentar gearbeitet hat.
Meine Damen und Herren, ich habe Zeugnisse vor mir liegen gehabt, und zwar Originalzeugnisse von jüdischen Deutschen, die ihren Dank 'dafür ausgesprochen haben, daß sie auf Grund dieses Kommentars des Herrn Ministerialdirektors Globke schweren 'Bestrafungen entgangen sind. Mir gegenüber haben Deutsche, die ich 'eventuell mit Namen zu nennen bereit bin, gesagt, daß Herr Ministerialdirektor Globke sie während der nationalsozialistischen Zeit unter Lebensgefahr vor dem Tode bewahrt hat.
Ich weiß nicht, meine Damen und Herren, ob alle diejenigen, die Herrn Ministerialdirektor Globke ständig angreifen, das von sich sagen können.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wuermeling.
Meine Damen und Herren! Darf ich im Anschluß an die letzten Worte de's Herrn Bundeskanzlers über Herrn Ministerialdirektor Globke aus meiner persönlichen Kenntnis der Persönlichkeit des Herrn Dr. Globke einige Sätze hinzufügen.
- Ob Ihnen 'die Wahrheit paßt oder nicht, wir werden sie vertreten.
Glauben Sie ja nicht, daß wir uns Ihre Oppositionsmethoden, mit denen Sie die Wahrheit auch auf allen anderen Gebieten totzuschlagen versuchen, noch weiter gefallen lassen.
Wir werden jetzt mit 'den Leistungen der Bundesregierung an die Öffentlichkeit treten und das zertreten, was Sie an Unwahrhaftigkeit und Vernebelung in den letzten Monaten in das Volk hineingetragen haben,
— Ich erlaube mir, an den Zwischenrufer die konkrete Frage zu stellen, wann und wo ich die Unwahrheit gesagt habe.
— Wie lautete der unwahre Satz?
Habe ich von Flugblättern geredet?
— Also sachliche Auseinandersetzungen mit Ihnen scheinen etwas schwierig zu sein.
Ich habe Anlaß, betreffend Herrn Dr. Globke noch folgendes zu sa gen. Ich bin mit Herrn Dr. Globke während der Nazizeit, wenn ich nach Berlin kam, häufig zusammengewesen und habe dort mit ihm über die gesamten politischen Dinge und über unsere früher wie heute völlig gemeinsamen politischen Anschauungen Unterhaltungen geführt. Ich habe in meinem Kampf wegen meines Herauswurfs durch die Nationalsozialisten in Herrn Dr. Globke ,die stärkste Stütze im Mi'ni'sterium in Berlin gehabt, die ich überhaupt je hätte halben können. Ich weiß genau so, wie der Herr Bundeskanzler, es dargelegt hat, daß Herr Dr. Globke einer ganzen Anzahl von Menschen, die politisch und vor allem rassisch verfolgt waren, unter Riskierung seines eigenen Lebens das Leben gerettet hat. Diejenigen, die damals den Mut gehabt haben, unter Einsatz ihres Lebens den Verfolgten zu helfen, scheinen mir die Leute zu sein, die heute berufen sind, Verantwortung zu tragen.
Ich übrigen sollten wir doch versuchen — ich will jedenfalls den Versuch machen —, wieder in den etwas freundlicheren Tonfall der Verhandlung zwischen Opposition und Regierung zurückzufallen,
in dem Herr Kollege Mellies in seinen anfänglichen Ausführungen so nett begonnen hat.
Ich möchte da nur auf ganz weniges eingehen.
Herr Kollege Mellies hat von Kommissaren gesprochen, die der Herr Bundeskanzler jetzt eingesetzt hat. Warum hat man vor diesen Kommissaren solche Angst?
Wir können Sie beruhigen, indem wir — um die Dinge auch einmal etwas scherzhaft zu nehmen —, ihnen sagen, daß es sich nicht um Kommissare im Sinne der Ostzone oder ähnlicher politischer Sphären handelt, sondern um Kommissare, die sachlich und fachlich zu arbeiten berufen sand und wirklich schaffen und arbeiten. Ich würde empfehlen, die Arbeit dieser Kommissare zunächst einmal abzuwarten und sich die Ergebnisse anzusehen und dann -ihr sachliches Urteil über ihre Existenzberechtigung und ihre Tätigkeit zu fällen.
Dann wurde wieder so nett von der allzu großen Selbständigkeit der einzelnen Minister und von den Kämpfen gesprochen, die innerhalb des Kabinetts stattfänden. Es wurde davon gesprochen, daß jeder dort seine eigene Tour laufe usw. Ja, nun frage ich, welche These ,der Opposition ist nun eigentlich richtig, die These, daß jeder Minister machen kann, was er will, oder die These, daß der Herr Bundeskanzler ein Diktator ist, der die Minister kommandiert und in seinen einsamen Stunden ,alles ganz allein macht?
Wenn wir auf diese Frage eine klare Antwort bekommen, werden wir auf die Frage Antwort geben, ob oder warum der von Ihnen kritisierte Zustand der richtige ist.
Nun komme ich wieder zu einer etwas ernsteren Seite. Ich möchte die Dinge hier ganz ruhig behandeln. Ich habe vor mir eine Brotkarte hegen, diese Brotkarte, von der man wahl weiß. daß sie durch die sozialdemokratische Opposition gedruckt worden und dazu bestimmt ist — den Ausdruck darf man hier wohl gebrauchen —, ,das Volk gegen che Regierung aufzuhetzen.
Wenn man hier eine Brotkarte druckt. auf deren einer Seite steht „5000 gr Sonderabschnitt für Reiche", dann „für reiche Bevölkerung 5000 gr Weißbrot", dann „500 g Weißbrot für zahlungskräftige Bevölkerung" und „für Aktionäre 5000 g Rosinenbrot"; wenn auf der anderen Seite steht „für die arme Bevölkerung 10 g Hafer, 50 gr Hafer, 100 g Kleie, 1000 g bitteres Weißbrot, 500 g bitteres Weißbrot" und „1000 gr Trockenbrot für ,die Rentner und Arbeitslosen", dann bin ich der Meinung, daß mit solchen Kampfmethoden der Opposition nacht nur der Boden jeder Sachlichkeit verlassen ist, sondern daß damit eine Ebene beschritten worden ist, ,die zu beschreiten eine ,bedenkliche Bedrohung der Grundlagen unserer demokratischen Zustände überhaupt bedeutet.
Ringen wir doch als Opposition und Regierungskoalition ehrlich und sachlich um ,den besseren Weg der Rettung ,des Volkes aus unserer gegenwärtigen Not! Dazu sind wir jederzeit bereit, und wir sind auch für jede Kritik dankbar, ,die uns sachlich und ohne bösartige Tendenz und ohne Klassenhetze entgegengebracht wird. Aber ,der Schwerpunkt der Arbeit der Opposition hat sich in den letzten Monaten ausschließlich auf das Ziel verlegt — auf welchen Gebieten es auch sein möge, ob Außenpolitik, Innenpolitik, Wirtschaft, Finanzen oder Soziales es sein möge —, immer an die materialistischen Instinkte der Wählerschaft zu appellieren, an den Egoismus des einzelnen, und den Egoismus des einzelnen gegen das verantwortungsbewußte Handeln der Regierung und der Regierungsparteien aufzuputschen.
Meine Damen und Herren! Das sind leider keine sachlichen Methoden mehr, und ich muß sagen, daß eine Opposition, die sich darauf angewiesen fühlt, sich solcher Mittel zu 'bedienen, offensichtlich keine sachlich wirksamen Argumente gegen die Arbeit der Regierung, gegen ,die Politik der Regierung hat.
Wenn die Dinge so weiterlaufen, wie sie jetzt — auch in entsprechender Auswirkung auf dieses oder jenes Wahlergebnis — angelaufen sind, dann dürfen Sie, das deutete ich einleitend schon an, sicher sein, daß wir aufs äußerste entschlossen sind, jetzt für die Wahrheit im Volke zu kämpfen und den Nebel zu vernichten,
der von Ihnen immer und immer wieder in die Wählermassen 'hineingeblasen wird.
Ich will heute die Sitzung nicht mit Einzelheiten darüber aufhalten. Wir verfügen über eine solche Fülle von Unterlagen über die gewaltigen Leistungen, die in eineinhalb Jahren der Arbeit der Bundesregierung vollbracht worden sind und um derentwillen uns die ganze Welt bewundert, die aber von der Opposition nur deshalb nicht anerkannt werden, weil es Herrn Schumacher nicht paßt, daß nicht er es ist, der diese Leistungen vollbringt.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Luetkens.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns eben zwischen dem Füllhorn der Szylla und Charybdis der Regierungsparteien, den Sirenengesängen zu Anfang und, ich möchte fast sagen, dem Knüppel zu Ende bewegt, und ich werde mich bemühen, die Diskussion auf eine etwas sachlichere Basis zurückzuführen.
Zunächst darf ich dem Herrn Bundeskanzler sagen, daß meine Fraktion ihm morgen das schriftliche Material überreichen wird, das über die Verhältnisse Auskunft geben wird, von denen mein Freund Mellies heute mit Beziehung auf Herrn Globke gesprochen hat.
— Morgen sagte ich, schriftlich sagte ich.
— Ich verstehe Sie leider nicht; ich habe „schriftliches Material" gesagt.
Ich kann ,es zu Eingang nicht unterlassen, noch einmal auf die gestrige Debatte, die Saardebatte
zurückzukommen, um den Herrn Bundeskanzler zu fragen, ob ihm das zweite geheime Ergänzungsabkommen zur Durchführung des allgemeinen Abkommens zwischen dem Saarland und Frankreich vom 3. März 1950 etwa nicht bekannt geworden ist. In ihm sind .die Stellung der französischen Sureté und der starke Einfluß der französischen Polizei- und Sicherheitsorgane im Saargebiet festgelegt worden durch ein geheimes Abkommen zwischen der separatistischen Regierung in Saarbrücken und der französischen Regierung.
Wir stellen hier die Frage., weil wir mit Überraschung gesehen haben, daß in der vorgestrigen Note an die drei Westmächte zwar viele Gesetze der Hoffmann-Gruppe in Saarbrücken aufgeführt wurden, mit denen sie sich die Mittel zur Unterdrückung jeder nicht genehmen politischen Meinung geschaffen hat, nicht aber dieses geheime Protokoll vom 3. März 1950. Unserer Ansicht nach hätte das unbedingt geschehen müssen, wenn man ernsthaft gegen die undemokratischen Zustände im Saargebiet das Möglichste versuchen wollte.
Wie auf die Saarfrage kann ich in diesem Zusammenhang auch nicht des längeren auf den Schumanplan eingehen. Ich möchte aber dem Herrn Bundeskanzler die Frage vorlegen, warum nicht gemäß Art. 32 des Grundgesetzes das Land Nordrhein-Westfalen vor der Unterzeichnung des Vertrages gehört worden ist; denn die besonderen Verhältnisse dieses Landes und nur dieses Landes sind doch offenbar durch den Vertrag, wenn er in Geltung tritt, aufs tiefste berührt. Mit dem Hinweis auf den Art. 32 des Grundgesetzes ist jedoch die verfassungsmäßige Schwierigkeit nicht erledigt, die der Vertrag über die europäische Gemeinschaft von Kohle und Stahl uns machen wird. Er sieht tiefe Einbrüche in die Verfassungsstruktur der Bundesrepublik vor. In seiner jetzigen Gestalt sieht er die Übertragung von Rechten an die Hohe Behörde vor, die nicht dem Bund, sondern kraft des Grundgesetzes den Ländern zustehen. Er sieht Eingriffe vor, die mit der im Grundgesetz festgelegten Verwaltungshoheit der Länder nicht vereinbar sind.
Es ist wohl im Grundgesetz festgelegt, ,daß der Bund Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen könne, nachdem aber einmal das Grundgesetz nicht mit unserem Willen und unserer Zustimmung, aber gerade auch auf Drängen der französischen und 'der amerikanischen Besatzungsmacht den Ländern in dier Verwaltungshoheit weitgehende Rechte zugesprochen hat, kann man sich ja nicht einfach über die Verfassungsbestimmungen hinwegsetzen, als bestünden sie nicht. Sollte also dieser Bundestag trotz dieser Umstände dem Vertrag, wie er heute besteht, etwa zustimmen, so dürfte eine Anrufung des Bundesverfassungsgerichts unumgänglich werden.
Ich will ferner eingehen auf den Zusammenhang, der zwischen der Politik ,des Herrn Bundeskanzlers in der sogenannten Remilitarisierungsfrage und idem Montanpakt besteht. Die Frage eines deutschen militärischen Beitrages ist ja bekanntlich, wie aus den Texten, die der Herr Bundeskanzler in der deutschen Presse selbst veröffentlicht hat, klar hervorgeht, durch eine Initiative seitens der Bundesregierung aufgeworfen worden. Das Vorhaben ist igescheitert, wie wir alle wissen. Politisch nun besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Fehlschlag dieses Versuches des Herrn Bundeskanzlers und dem amerikanischen Entschluß, einen französisch-deutschen Montanpakt durchzusetzen. Ich habe nicht den Wunsch, dieses Thema hier lange zu erörtern. Aber vielleicht icht ist es nicht unzweckmäßig, etwas aus einem New Yorker Bericht zu verlesen, der auf einer Analyse der bekanntesten amerikanischen Kommentatoren aufgebaut ist:
Nach dem Scheitern des deutschen militärischen Beitrags
— so heißt es —
habe die Diplomatie der Vereinigten Staaten eifrig nach ,dem Mittel gegriffen, das Frankreich angeboten habe. Für die amerikanische Politik ist der Schumanplan nicht so sehr ein Schritt auf 'dem wünschenswerten Wege zum geeinten Europa, sondern vor allem die Erfüllung einer Voraussetzung, ohne die Frankreich sich nicht hätte in das atlantische System einreihen lassen.
Es ist ein Preis, der an Frankreich gezahlt wird. Kein amerikanischer Verantwortlicher, der den Plan in seinen Einzelheiten studiert hat, bestreitet, daß diesen Preis die deutsche Wirtschaft zahlt.
In dieser Richtung gingen, wie ich sagen darf, auch die Eindrücke, die gelegentlich einer sonst so erfreulichen Reise von Bundestagsabgeordneten
nach Washington im vergangenen März jedenfalls ich und, ich glaube, vielleicht auch einige andere der Mitglieder hinsichtlich der politischen Entwicklung hatten, die zwischen der Initiative für den Remilita-, den Verteidigungsbetrag und dem Besuch des französischen Herrn Außenministers in Washington drüben eingesetzt hatte.
— Sie haben damals ja die ganze amerikanische Bevölkerung über ihre Ansicht befragt, wie wir aus Ihren Wahlreden erfahren haben!
Dias freilich habe ich nicht vermocht.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch kurz eine letzte Bemerkung zum Schumanplan machen. Das diplomatisch-politische Räderwerk, das mit der Initiative und der Verteidungsfrage in Gang gesetzt worden ist, droht in Gestalt des Schumanplans nun zu der traditionellen politischen Konstellation in der westeuropäischen Politik zu führen, die jedenfalls. ein Europa nicht zustande bringen wird. Die politischen Krisen in Europa sind alle seit Jahrzehnten immer aus dem Dreierverhältnis Großbritannien-Frankreich-Deutschland erwachsen. Niemals sind sie zu verstehen gewesen als eine Frage der guten oder der schlechten Beziehungen zwischen nur zwei dieser Staaten. Ich darf den Herrn Bundeskanzler daran erinnern, daß
Monsieur Monnet ,diese Sachlage von Beginn der
Pariser Verhandlungen über den Schumanplan an
gegenwärtig war und daß er sie klar angedeutet hat. Dadurch, daß nur zwei der großen Produzenten in die Montanunion einbezogen werden,
droht die europäische Politik sich, auf längere Sicht
gesehen, wieder in eine zu dritt ausgefochtene Auseinandersetzung auszuwachsen. Diesen drohenden
Rückfall in ,das europäische System der vergangenen
Zeit sehen wir als eine ernste Gefahr an, auch
gerade für die wirkliche Einigung Europas.
Seit dem Petersbergabkommen, meine Damen und Herren, ist ,deutlich geworden, daß zwischen den Auffassungen von Regierungskoalition und Opposition hinsichtlich der zu befolgenden Außenpolitik tiefgehende Unterschiedebestehen. Das ist politisch nur gesund, denn nur aus wahren Meinungsverschiedenheiten können sich in der öffentlichen Meinung innerhalb einer Demokratie Unterrichtung und tatkräftige Mitwirkung an den zu bewältigenden Problemen ergeben. Eingemeinsames Vorgehen von Regierung und Opposition kann sich unter diesen Umständen nur von Fall zu Fall aus gemeinsamer Beratung und gemeinsamer Überlegung als jeweils gemeinsam erarbeitete Stellungnahme entwickeln. Wir bedauern, daß der Herr Bundeskanzler sich dieser gemeinsamen Art von Arbeit bisher ungern gestellt hat. Man weiß, daß er nicht sehr das Bedürfnis fühlt. sich dem Auswärtigen Ausschuß, d. h. also auch der sachlichen Mitarbeit der Opposition, mehr als unvermeidlich zu stellen. Jedermann weiß aber auch. ,daß in mehr als einem Fall eine für die meisten Fraktionen annehmbare gemeinsame Linie dort in gemeinsamer Arbeit hat gewonnen werden können, ja, daß mehr
als einmal die Regierung auch genau das getan hat, was ihr zunächst von der Opposition als richtig nahegebracht worden ist.
So war es bei der Behandlung des GrotewohlBriefes, so war es bei der Behandlung des ,Schuldenanerkenntnisses an den Petersberg.
Angesichts solcher Tatsachen, meine Damen und Herren, finden wir es befremdend, wenn die Regierung, anstatt diese positive Mitarbeit der Opposition anzuerkennen, sich zusehends darauf verlegt — und wir haben heute wieder ein solches Beispiel erlebt —, meiner Fraktion in der Öffentlichkeit mit diffamierenden Angriffen zu begegnen.
Die Regierung
tut damit ein wenig gutes Werk an der sowieso psychologisch reichlich labilen Bevölkerung unserer Bundesrepublik.
Ich beziehe mich hier
auf die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 9. Mai. Darin haben Sie gesagt, die sozialdemokratische Opposition erschöpfe sich in absoluter Negation.
Ich habe darüber, und zwar über das Gegenteil, wie Sie ja nicht bestreiten können, schon einige Beispiele angeführt. Vielleicht würden Sie, Herr Bundeskanzler, doch noch einmal überlegen, was in dieser Beziehung in der Vergangenheit die Wahrheit gewesen ist.
Sie haben in München auch erklärt, unsere Opposition im Bundestag besorge die Geschäfte des Rechtsradikalismus.
Da haben Sie sich wohl an die wilhelminische Zeit erinnert, als man von den demokratischen Parteien als von der Vorfrucht der Sozialdemokratie sprach. Vielleicht darf ich Sie an einen zeitnäheren Vorgang erinnern, an einen Artikel der „Prawda" aus dem Jahre 1946, d. h. aus den Jahren, als meine Partei die kommunistische Infiltration erfolgreich abgewehrt hatte.
Diese Zeitung hat damals geschrieben, der Dr. Schumacher habe sich als treuer Schüler der Lehren des Faschismus erwiesen, und sein Vorgehen gegen die Kommunisten habe die Gemeinheiten aus Goebbels' Arsenal enthalten. Der sowjetische Kommentar von damals erinnert mich in höchst fataler Weise an die Art von Polemik, die anscheinend die Regierungsparteien von heute ins Werk zu setzen gesonnen sind. Ich will Ihnen daher nicht den Kommentar meines Freundes Dr. Schumacher zu dieser Attacke damals vorenthalten. Er sagte: Man könnte mir wohl verzeihen, daß ich ein Führer wäre, aber nicht, daß ich ein Demokrat bin.
Wir haben nun endlich auf die Billigung der Hohen Kommission hin ein Außenministerium bekommen, mit einigermaßen beschrankten Befugnissen gemaß der gesamten Lage. Eine solche Behui hatte die Bundesregierung seit beginn der Bunaesrepublik vor bald zwei wahren aufzubauen beginnen können. Unter dem Besatzungsstatut gab es keinerlei Hindernisse, soweit ein zentrales Amt am Sitz der Regierung in Frage kam. Diese lange Verzögerung im Aufbau einer solchen Zentrale ist um so bedauerlicher, als dieses Hohe Haus bereits am 31. März 1950 beschlossen hatte, die Regierung möge mit größter Beschleunigung ein sachgemäß eingerichtetes Bundesamt fur die auswärtigen Angelegenheiten einrichten. Die Regierung sollte — so war die Absicht des Hauses — mit möglichst guten Informationen und mit möglichst guter Beratung versehen werden, und zu diesem Zweck sollten ein Beamtenstab und eine Behörde möglichst bald aufgebaut werden. Diese Maßnahmen, die damals beschlossen worden sind, sind heute noch nicht bis zu Ende durchgeführt, und zum Teil stehen sie noch heute aus. In diesem Verhalten der Bundesregierung gegenüber den Beschlüssen des Bundestags sehen wir auch eine Einstellung gegenüber den demokratischen Gepflogenheiten, die nicht zur Stärkung der parlamentarischen Demokratie in dieser Bundesrepublik führen können.
Es gibt in unserer Entwicklung überhaupt zuviel Wilhelminismus, im politischen Leben sowohl wie im wirtschaftlichen Leben, wie wir in den Debatten des heutigen Vormittags ja haben erleben können, als es sich um die Frage der Offenlegung der Steuerlisten handelte. Von dem aus der wilhelminischen Zeit stammenden Botschafter BrockdorffRantzau war bekannt, daß er während seiner sechsjährigen Auslandstätigkeit nicht einmal das Bürogebäude seiner Botschaft betrat. Ähnliche Geschichten gehen auch sonst über ihn um. Heute schon kann man ähnliches in dem werdenden Aus-
wärtigen Amt feststellen, freilich nicht bei den Beamten aus der Weimarer Zeit.
Man hat einen Statssekretär; jedoch betreibt er sein Gewerbe, ohne einen Wandergewerbeschein zu besitzen,
in ambulanter Weise.
Er reist von Ort zu Ort. Mehr denn je aber gehört heute ein Staatssekretär als der leitende Beamte seines Ministeriums in das Büro und auf seinen Amtssitz.
Denn wie anders soll eigentlich ein in sich zusammenhängendes und arbeitsfähiges Ministerium geschaffen werden, wenn sich nicht der Staatssekretär mit allem Ernst und in erster Linie dieser Art von Arbeit annehmen würde?
Dieser wilhelminische und undemokratische Stil hat sich kürzlich z. B. auch darin gezeigt, daß die Regierung plötzlich von einem Tag auf den andern den Beitritt zur Weltgesundheitsorganisation vollzogen hat. Ich bestreite nicht, daß das in den Organisations- und anderen Befugnissen der Regierung liegt. Es ist auch sehr wohl möglich, daß ein solcher Schritt zweckmäßig war.
Aber im Auswärtigen Ausschuß des Bundestages, war diese Frage erörtert worden, und es war die gemeinsame Ansicht fast aller Mitglieder dieses Ausschusses, daß wegen der Komplikationen hinsichtlich anderer internationaler Organisationen diese Frage noch einmal und mit genügendem Aufwand an Zeit und der nötigen Sorgfalt geprüft werden solle. Man hatte bei dieser Diskussion den Eindruck, daß die Regierung selbst auch die Bedenken, die bestanden, verstand und in einer neuen Erörterung dieser Frage die Angelegenheit noch einmal prüfen würde.
Dieser autoritäre Zug der Bundesregierung, von dem ich spreche, zeigt sich auch in der Wärme, mit welcher die Bundesregierung eine diplomatische Vertretung des Franco-Regimes in Spanien willkommen geheißen hat.
Uns ist ein Franco-Botschafter in der Bundesrepublik nicht willkommen.
Die Franco-Regierung ist mit Hilfe einer bewaffneten Intervention der Hitler-Tyrannei in den Sattel gehoben worden. Das können wir nicht vergessen. Wir verfolgen den Kampf des spanischen Volkes um die Wiedererringung seiner Freiheit und seiner Demokratie mit größter Sympathie.
Daher würden wir wünschen, daß die Beziehungen zu dem jetzigen Spanien auf das Notwendigste beschränkt werden.
Die Bundesregierung zeigt einen verdächtigen Eifer in dieser Sache. Uns mißfällt, daß Beamte eines Ministeriums, das mit auswärtigen Angelegenheiten nichts zu tun hat, sich öffentlich abfällig darüber geäußert haben, daß spanische Republikaner, wie es ihr gutes Recht ist, vor einiger Zeit auf dem Gebiet der Bundesrepublik aufklärende Pressekonferenzen abgehalten haben.
Auch auf dem Gebiet der Personalpolitik zeigt sich dieser autoritäre Zug der gegenwärtigen Bundesregierung. Sie bestimmt zu sehr im stillen Kämmerlein. Dem gut begründeten Wunsch des Auswärtigen Ausschusses, die Besetzung leitender Posten möchte vom Herrn Bundeskanzler nicht ohne vorherige Fühlungnahme mit dem Ausschuß vorgenommen werden, ist der Herr Bundeskanzler ausgewichen. Für meine Freunde möchte ich dem Wunsche Ausdruck geben, daß hinfort ein etwas mehr den demokratischen Notwendigkeiten unseres werdenden Staatswesens angepaßtes Verf ah-ren Platz greifen möge. Es wäre nicht gut, wenn die jetzt vorzunehmenden zahlreichen Besetzungen sowohl in der Zentrale des Auswärtigen Amtes wie in der Leitung der Auslandsstellen, wenn insbesondere auch bei der einmal anstehenden Besetzung der Botschaften von Washington bis Rom wieder einsam im Palais Schaumburg entschieden würde, wenn das — um es deutlicher -zu sagen — wieder ohne jede Fühlungnahme mit der Opposition geschähe. Ich will hier noch einmal Recht und Anspruch der Opposition anmelden, beim Aufbau der Ministerialbürokratie zur Mitwirkung herangezogen zu werden.
In einem demokratischen Staat ist das nicht nur ein ihr zukommendes Recht, sondern es ist ein Gebot politischer Klugheit, zumal bei dem brüchigen Zustand unseres Staatswesens.
Es ist nicht das erste Mal, daß wir diesen Anspruch anmelden. Eine Opposition, die auf ihre Mitwirkung allerdings Gewicht legt, kann zu ihr nur gelangen, wenn sie ihr unter würdigen Bedingungen angetragen wird, wenn nicht Versprechungen gemacht, sondern im gegenseitigen Vertrauen auf konkretisierte Vorschläge seitens der Regierung auch konkrete Vorschläge seitens der Opposition gemacht werden können. Darauf, Herr Bundeskanzler, nämlich auf das Konkrete von Ihnen hinsichtlich solcher Möglichkeit warten wir auch heute noch.
Vor geraumer Zeit, Herr Bundeskanzler, haben Sie geäußert, Ihnen sei eine Beteiligung der sozialdemokratischen Opposition beim personellen Aufbau des Auswärtigen Amtes erwünscht. Ihre beamteten Famuli fühlen sich gedrängt, diese Version öffentlich zu verbreiten. In der Tat haben Sie einmal eine solche Aufforderung an uns gerichtet.
Das geschah aber zu einem Zeitpunkt, als bereits alle wichtigeren Posten innerhalb und außerhalb der Zentrale des Auswärtigen Amtes besetzt waren,
als also die Opposition vor vollendete Tatsachen gestellt war. Unter solchen Umständen konnte die Opposition eine Antwort nicht geben.
So kann es nicht gehen. Wenn wir den Wunsch haben, bei dieser Aufgabe auf der ganzen Breite des Beamtenkörpers und auch an seinen leitenden Stellen beteiligt zu sein, handelt es sich für uns nicht etwa in erster Linie nur um Parteipatronage.
Was uns beschäftigt, ist, daß ein Beamtenkörper aufgebaut wird, der als dauernd gedacht werden kann
)und der so gebaut werden sollte, daß er nicht nur allen demokratischen Kräften offensteht, sondern auch von allen denkbaren Regierungen demokratischer Zusammensetzung als ein zuverlässiges Instrument ihrer jeweiligen Politik angesehen werden könnte.
Wenn das hier nicht erreicht wird, gibt es nur eine Lösung, die, wie ich glaube, im Interesse der Demokratie von keiner Seite gewünscht werden sollte.
Mit der Organisation des Auswärtigen Amts, wie sie jetzt vorgeschlagen wird, können wir uns zunächst im großen und ganzen einverstanden erklären. Ich glaube allerdings, es wäre zu prüfen, ob nicht einige Abweichungen von dem traditionellen Aufbau- und Organisationsschema möglichst bald vorgenommen werden sollten, und möchte den Vorschlag aufnehmen, den der Auswärtige Ausschuß in einer kleinen Denkschrift vorgebracht hat, man möge baldigst eine Studienkommission einrichten, die gewisse Fragen im Lichte der Erfahrungen anderer Länder prüfen möge.
Ich glaube nun nicht, daß es gut und nützlich ist — wenn man das irgendwie vermeiden kann —, in öffentlichen Erörterungen über einzelne Beamte unter Nennung ihres Namens zu sprechen. Beamte sollten, wenn es politisch möglich ist, aus dem Schußfeld des politischen Kampfes herausgehalten werden.
— Wenn es politisch möglich ist! Sie werden
ja Kenntnis von dem schriftlichen Material bekommen und dann vielleicht auf die Angelegenheit zurückkommen. Wenn Beamte sich in Verhaltensweisen einfügen, die in einer parlamentarischen Demokratie geboten sind, und es nicht an dem Respekt vor den politischen Grundeinrichtungen des Staates fehlen lassen, so ist es besser, daß sie in der Anonymität ihrer Beamtentätigkeit verharren und nicht in die öffentliche Diskussion gezogen werden.
Leider kann ich nicht umhin, eine Ausnahme zu machen. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts scheint es in Verkennung der in einer parlamentarischen Demokratie geltenden Regeln für seine Aufgabe zu halten, öffentlich zu den umstrittensten Fragen politischer Art Stellung zu nehmen.
Wir hatten früher Sonntagsreden der Minister, heute haben wir die Samstagsreden dieses Staatssekretärs.
Wir hatten gehofft, daß eine Erörterung im Haushaltsausschuß die Dinge zurechtgerückt hätte, jedoch der Herr Staatssekretär ist auf dem Pfade der politischen Untugend fortgewandelt.
Am 7. Mai z. B. sprach er wieder einmal über den Schumanplan. Seine Liebe zu diesem scheint die des Akademikers zu seinen Büchern — auch zu den mißratenen — zu sein. Aber das kann die Sache nicht entschuldigen.
Wenn der Staatssekretär sich in unmißverständlicher Wendung gegen die Opposition zum Schumanplan Ausführungen erlaubt hat, man befände
sich im Zustand der Haftpsychose und man sähe überall Wölfe im Schafspelz, so geht das jedenfalls meinem Geschmack nach über die Grenzen hinaus, die in einer parlamentarischen Demokratie für Beamte
und im bürgerlichen Leben für einen Professor, kurz gesagt: für einen Professor im Staatsekretärpelz festgesetzt sind.
Wir begrüßen den Gedanken des Herrn Bundeskanzlers, beim Aufbau des Auswärtigen Amts weitgehend auf Kräfte zurückzugreifen, die nicht der Routine des früheren Auswärtigen Amts entstammen. Allerdings haben wir auch keine Einwendungen dagegen, daß solche früheren Beamten wieder herangezogen werden, sofern sie den demokratischen Staat bejahen und sachlich genügend qualifiziert sind. Ob dieses letzte Prinzip bei den Berufungen immer eingehalten worden ist, das will ich hier nicht zur Erörterung stellen.
Aber in diesem Zusammenhang muß ich eine Reihe von Veröffentlichungen erwähnen, die — wie ich glaube — allen Bundestagsabgeordneten und auch anderen Personen in der Bundesrepublik unter dem Namen Inside Germany Informations zugestellt werden. Meine Damen und Herren, die Regierung hat ja seit einiger Zeit ein Interesse an den fortgelassenen Impressa auf Druckerzeugnissen gezeigt,
z. B. bei der wundervollen Brotkarte, die dem Beispiel der hessischen Brotkarte der CDU gefolgt ist.
— Ich glaube, die Herren der CDU, die diese Zwischenrufe machen, hätten sich lieber einmal erst diese hessische Brotkarte ansehen sollen.
Mit der Suche nach verbotenen Schriften ist es wie mit der nach Trüffeln. Man muß die richtigen finden und nicht die falschen. Und ich möchte dem Herrn Außenminister nahelegen, doch einmal nach den Personen zu suchen, die hinter diesen Sudeleien in der Publikation Inside Germany Informations stehen. Ich habe gar keinen Zweifel, daß dieses Fabrikat nicht außerhalb der Bundesrepublik, sondern innerhalb des Gebietes der Bundesrepublik,
aber ohne Druckvermerk erscheint. Ich würde meinen, daß man mit allen Mitteln gegen die festzustellenden Urheber dieser Publikation vorgehen sollte.
Wir hätten nun zu fragen, wie Außen- und Innenminister es eigentlich rechtfertigen wollen, daß im Bereich des Auswärtigen Amtes entgegen dem Artikel 33 Abs. 3 des Grundgesetzes noch immer Bewerber und Beamte über ihre konfessionelle Zugehörigkeit befragt werden,
daß Richtlinien festgelegt werden, nach denen der Beamtenstab dieses Ministeriums zu je 50 % aus beiden Konfessionen zusammengesetzt werden müßte, daß in katholische Länder — sogenannte katholische Länder — im wesentlichen nur solche Beamte — zum mindesten in leitende Stellen — gesandt werden sollten, die der katholischen
Konfession angehören, ja daß man neuerdings seitens der Kulturabteilung des Außenministeriums sogar verlangt, daß an solche deutsche Schulen in den südamerikanischen Ländern — als sogenannten katholischen Ländern —, die nur von protestantischen Kindern besucht werden, katholische Lehrkräfte mit der Begründung geschickt werden sollten, daß diese Länder katholischen Charakter trügen.
Diese Verfahren lassen sich mit Geist und Buchstaben des Grundgesetzes nicht vereinigen.
Die Regierung möge es sich lieber angelegen sein lassen, in allen Ministerien dafür zu sorgen, daß ohne Rücksicht auf konfessionelle Zugehörigkeit der Bewerber und Beamten auch den katholischen Menschen Zutritt zu den Beamtenstellen gewährt wird. Aber es ist eine schlechte Sache, wenn es etwa so sein sollte, daß als eine Art von Repressalie — weil in anderen Ministerien nicht gemäß dem Geiste des Grundgesetzes in dieser Frage gehandelt wird — im Auswärtigen Amt nun solche Richtlinien festgelegt werden, wie ich sie eben erwähnt habe.
Ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, wir sehen uns genötigt, gegen den Vorschlag, wie er im Haushaltsausschuß ausgearbeitet worden ist, nämlich zwei politische Abteilungen im Auswärtigen Amt einzusetzen, unsere Bedenken, anzumelden. Wir glauben, daß eine Zweigleisigkeit der Politik und der Beratung des Staatssekretärs sowie des Außenministers unvermeidlich sein würde, und wir werden daher den Antrag stellen — wie wir schon im Haushaltsausschuß beantragt haben —, die Stelle des für die Abteilung II vorgesehenen Ministerialdirektors, also die Stelle 111 im Organisationsplan des Auswärtigen Amts, zu streichen. Die vorgesehenen Unterabteilungen sollten nach unserer Ansicht dem Staatssekretär direkt unterstellt werden. Wir erneuern auch unseren Antrag, die Stelle eines Rechtsberaters in völkerrechtlichen Fragen zu streichen und das für ihn geforderte Sonderbüro fortfallen zu lassen. Wir glauben gern, es sei nützlich, die Dienste des Herrn Professors Kaufmann für die Regierung zu gewinnen, jedoch sollte seine Mitarbeit im Rahmen der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes gesichert werden. Beide Streichungsanträge sind im übrigen politisch auch dadurch gerechtfertigt, daß der Bundestag dem Aufbau eigener Kommissariate um die Bundeskanzlei herum und außerhalb des ministeriellen Aufbaues Widerstand leisten sollte.
Meine Damen und Herren, der Herr Bundeskanzler hat in seiner Person den Posten des Außenministers übernommen. Wir glauben nicht, daß dies eine zweckmäßige Regelung ist.
Die Verhältnisse in der Bundesrepublik sind so, daß unter dem Besatzungsstatut eine Demokratie mit einer autoritären, nicht aus dem Willen der Bevölkerung abgeleiteten Komponente gekoppelt ist, daß beide in dauerndem latentem Wettstreit stehen. Zwischen diese beiden miteinander konkurrierenden Kräfte ist der Bundeskanzler als ein Zwischen- und Verbindungsglied eingebaut. Der
Außenminister sollte allein der Repräsentant der aus dem demokratischen Willen der Bevölkerung hervorwachsenden Politik sein. Infolgedessen sehen wir uns genötigt, den Etat ides Außenministeriums, der ja gleichzeitig der Etat des Bundeskanzleramts ist, nicht anzunehmen.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Meine Damen und Herren! Stellen Sie sich bitte vor, die Anträge der Opposition fänden eine Mehrheit; dann hätte die Bundesrepublik Deutschland weder einen Bundeskanzler noch ein Bundeskanzleramt noch ein Auswärtiges Amt.
Da finde ich ja nun doch die englische Methode sehr viel praktischer, einen gewissen Abstrich zu beantragen. Aber die Opposition will sofort das Ganze streichen. Sie müssen doch immer an meinen Nachfolger denken!
Meine Damen und Herren, ich werde auch wieder ernster werden; aber lassen Sie mich erst einige Kleinigkeiten vorwegnehmen. Der Herr Mellies hat mich als den Mann dargestellt, der überhaupt gar nicht durchgreift und alles laufen läßt. Dann hat Herr Kollege Luetkens doch wieder die andere Seite meines Wesens so stark herausgestrichen.
{Heiterkeit in der Mitte. — Zurufe von
der SPD.) C
Es scheint also, daß ich doppelseitig bin; und das ist vielleicht manchmal gut.
— Ich habe noch schöne Sachen, warten Sie ab!
Der Herr Staatssekretär Hallstein hält nicht nur Sonntagsreden; er hält auch an Werktagen Reden,
und seine Reden finden im allgemeinen außerordentlich große Anerkennung.
Ich freue mich darüber, daß er das tut; denn er wirbt für eine große europäische Idee,
{Beifall bei den Regierungsparteien)
für einen großen europäischen Gedanken. Und ich finde Ausdrücke wie Haftpsychose oder, Wendungen, man solle nicht in jedem einen Wolf im Schafspelz sehen, gar nicht so beleidigend.
Ich habe gar nicht die Angst 'vor Wölfen im Schafspelz.
— Auch nicht einmal vor Ihnen, alter Freund Renner!
Der Herr Kollege Luetkens hat geglaubt, das konfessionelle Moment in die Debatte werfen zu sollen. Er hat behauptet, daß im Auswärtigen Amt Richtlinien darüber aufgestellt worden seien, wie die Besetzung vorzunehmen sei, eben nach
konfessionellen Gesichtspunkten. Ich erkläre Ihnen ausdrücklich, daß solche konfessionellen Richtlinien nicht aufgestellt sind.
Es ist mir aber von ausländischen Staaten, auf deren Interesse wir Rücksicht nehmen müssen, mitgeteilt worden, wir sollten doch nicht in den alten Fehler verfallen, den man früher oft gemacht habe, indem man Vertretungen im Ausland nur mit evangelischen Beamten besetzt habe. Das ist mir ausdrücklich mitgeteilt worden.
Meine Damen und Herren, ich möchte nun auf das Beispiel, das Herr Luetkens angeführt hat, kurz eingehen. Er hat von den südamerikanischen Schulen gesprochen. Ich habe die Statistik hier. Ich weiß nicht, aus welchem Grund ich in deren Besitz gekommen bin. Ich habe die Rede des Herrn Kollegen Luetkens nicht vorher gekannt. Wir haben insgesamt 12 Lehrkräfte an südamerikanische Schulen geschickt. Von diesen 12 Lehrkräften waren 9 evangelischer Konfession,
2 katholischer Konfession, und eine Lehrkraft war konfessionslos.
Ehe ich zu einigen allgemeinen Darlegungen über die deutsche Außenpolitik komme, muß ich doch — ich tue das an sich nicht gern — den Herrn Kollegen Luetkens darauf aufmerksam machen, daß er sich mit seinen Darlegungen über den Schumanplan sehr stark in Gegensatz zu den Ausführungen seines Fraktionsvorsitzenden, wenigstens zu jenen, die dieser am 10. März des vergangenen Jahres gemacht hat, gestellt hat.
Ich darf in Ihr Gedächtnis zurückrufen, daß der Herr Kollege Luetkens davon gesprochen hat, man komme durch diese deutsch-französische Politik wieder auf das falsche Geleise. Der Herr Kollege Schumacher hat damals — Herr Luetkens, Sie können es von mir haben, Sie brauchen es nicht mitzuschreiben —
folgendes ausgeführt:
Man sollte jetzt von unserer Seite den Versuch machen, unter Betonung der europäischen Kooperation und in streng europäischem Rahmen im Geiste der Gemeinsamkeit auf das Ziel einer größtmöglichen wirtschaftlichen Vereinigung Europas loszugehen.
Ohne Zweifel ist es
— halt, es kommt! —
eine gute Sache, wenn Frankreich und Deutschland gerade wegen der besonderen Spannung zwischen diesen beiden Ländern und ihren Wirtschaften auch den Anfang' bei der konkreten Behandlung dieser Themen machen;
denn wenn Frankreich und Deutschland nicht g die Formel der ökonomischen Symbiose finden, dann konkurrieren sie sich in Grund und Boden.
Darum, meine Damen und Herren, steuern wir auf das Ziel eines Friedensvertrages mit Deutschland. Aber solange er nicht realisiert ist, sollten wir besonders auf wirtschaftspolitischem Gebiet, nicht auf territorialem Gebiet, das Ziel angehen, Anfänge zu schaffen in der gegenseitigen wirtschaftlichen Berücksichtigung der Interessen Deutschlands und Frankreichs durch direkte Fühlungnahme.
Mit anderen Worten, ich rede hier einer Initiative zu Verhandlungen mit Frankreich speziell auf wirtschaftspolitischem Gebiet das Wort,
Verhandlungen, die größer sind und tiefer gehen als das, was Handelsvertragsabkommen hervorbringen können, die einen deutschfranzösischen Freundschaftsvertrag bringen.
— Na, meine Damen. und Herren, wenn Sie jetzt „ausgezeichnet" sagen, dann haben Sie die Worte des Herrn Dr. Luetkens nicht verstanden.
Aber, meine Damen und Herren, ich freue mich ja, daß Sie bei den Worten des Herrn Dr. Schumacher vom März 1950 bleiben; und ich werde mir erlauben, Sie bei der Beratung des Schumanplans daran zu erinnern. 0
Nun ein allgemeines Wort zu der Frage: „Aufgabe der Opposition". Herr Kollege Luetkens hat ausgeführt, die Opposition habe ein Recht darauf, daß mit ihr beim Aufbau der Regierung, insbesondere des Auswärtigen Amtes, Fühlung genommen werde, und die Opposition habe ein Recht darauf, beim Aufbau zugezogen zu werden. Ich stehe ganz allgemein gesagt auf dem Standpunkt, daß man versuchen muß, im Auswärtigen Amt und namentlich bei den ausländischen Vertretungen ein Bild des heutigen Deutschlands darzustellen; und nach meiner Auffassung gehört zum Bild des heutigen Deutschlands die Sozialdemokratische Partei. Dementsprechend habe ich im Herbst des Jahres 1950 — es war September oder Oktober — einen Brief an den Vorsitzenden der sozialdemokratischen Fraktion gerichtet mit der Bitte, mir doch geeignete Persönlichkeiten aus der Sozialdemokratischen Partei zwecks Verwendung im auswärtigen Dienst zu benennen.
Auf diesen Brief habe .ich niemals eine Antwort bekommen.
Wenn jetzt Herr Kollege Luetkens sagt: „Wir erwarten konkrete Vorschläge",
und „Wenn uns eine derartige Mitteilung gemacht wird, nachdem schon alles besetzt ist", so kann ich Herrn Kollegen Luetkens nur folgendes darauf erwidern: Als dieser Brief geschrieben wurde, war sozusagen noch gar nichts besetzt. Ich bin jederzeit
I bereit, den statistischen und den Namensnachweis darüber zu erbringen.
Aber nun, meine Damen und Herren, wenn die Opposition dieses Recht geltend macht — und ich erkenne das Recht an —, dann muß sie sich auch von mir sagen lassen, daß jedem Recht eine Pflicht gegenübersteht,
daß ich niemals ein Recht für mich beanspruchen kann, wenn ich nicht gleichzeitig bereit bin, die Pflicht, die auch eine Opposition nach meiner Meinung hat, zu erfüllen.
Was nun die Pflicht der Opposition in Sachen der auswärtigen Politik angeht, so bin ich mir völlig darüber klar, daß bei der Kritik, der sich jede Regierung auch auf diesem Gebiete unterwerfen muß, doch eins immer auch von der Opposition bei der Kritik gewahrt werden muß, und das ist das deutsche Interesse!
Es geht nicht an, meine Damen und Herren, daß an
der auswärtigen Politik einer Regierung von einer
großen Partei aus parteipolitischen Gründen nur
Kritik und nur Kritik und nur Kritik geübt wird.
Ich glaube, es wird mir doch gelingen, im Laufe meiner Ausführungen der Öffentlichkeit klarzumachen, daß diese bisher von der Sozialdemokratischen Partei an der Politik der Bundesregierung hinsichtlich ihrer auswärtigen Beziehungen geübte Kritik negativ bis zum äußerten gewesen ist.
Ich berufe mich nicht gern auf Zeugen aus dem Ausland; aber Sie wissen selbst ganz genau, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei, daß Sie, als Sie unlängst in Brüssel mit Ihren Parteifreunden aus den verschiedenen europäischen Ländern zusammengewesen sind, bittere Wahrheiten wegen Ihrer auswärtigen Politik zu hören bekommen haben.
--Von den Teilnehmern weiß ich das!
Ich komme zu einigen Fragen, die Herr Kollege Luetkens eingangs seiner Ausführungen angeschnitten hat. Das sogenannte Geheimabkommen bezüglich der französischen Polizei an der Saar ist kein Geheimabkommen. Das ist schon x-mal in deutschen Zeitungen sogar veröffentlicht worden.
Es steht zufällig, glaube ich, in der „Zeit" von gestern, und anscheinend hat Herr Luetkens es da
zum erstenmal gesehen. Es ist also kein Geheimnis.
Zweitens: Man erlebt ja vieles, wenn man so in der Bundesregierung tätig ist, so wie wir darin tätig sind.
— Das ist kein Geständnis. Das tun Sie doch auch.
Aber sehen Sie, wenn Sie sich jetzt auch noch zu einem Superföderalismus bekennen — wo kommen wir dann schließlich hin?
Wenn Herr Dr. Luetkens sagt, daß durch den Schumanplan nur die Interessen von Nordrhein-Westfalen berührt würden, ja, meine Damen und Herren, braucht denn Nordrhein-Westfalen allein die Kohle?
Braucht denn Nordrhein-Westfalen allein das Eisen? Sind nicht alle Länder daran in gleicher Weise
interessiert? Sollen wir schließlich noch so weit
kommen, daß wir die Außenpolitik nicht nur hier,
sondern noch mit 11 Bundesländern zusammen
machen? Nein, meine Damen und Herren, dann
müssen Sie einen anderen Außenminister suchen.
Ich lege Wert darauf, eine Erklärung des Herrn Kollegen Luetkens hier ausdrücklich und sehr nachdrücklich richtigzustellen. Ich bitte Herrn Kollegen Luetkens, von dieser meiner Richtigstellung Notiz zu nehmen.
Herr Dr. Luetkens hat behauptet, ich hätte den Westalliierten einen deutschen Beitrag zur Remilitarisierung angetragen, und das sei nicht angenommen worden. Meine Damen und Herren, ich erkläre hiermit, und zwar sehr nachdrücklich, daß diese Behauptung falsch ist.
- Ja, Herr Renner, bei Ihnen!
Meine Damen und Herren, ich will Ihnen sagen, was ich beantragt habe. Ich habe vor der New Yorker Außenministerkonferenz den Antrag gestellt, man solle der Bundesrepublik eine Bereitschaftspolizei in dem Umfange und mit der Bewaffnung gestatten wie die Volkspolizei in der Ostzone.
Das habe ich beantragt. Leider hat die New Yorker Außenministerkonferenz dem Antrag nicht stattgegeben. Hätte man dem Antrag damals stattgegeben, wären viel Arger und viele Rederei erspart worden.
Meine Damen und Herren, der Passus in einer Note, die ich selbst dem Herrn Dr. Luetkens gegeben habe, und zwar in einer Note über die Remilitarisierung Deutschlands, ist nicht zu verstehen, wenn man nicht weiß, daß diese Note die Zusammenfassung eines mündlichen Gesprächs gewesen ist, das ich auf dem Petersberg gehabt habe.
Auf dem Petersberg ist mir im Herbst damals entgegengehalten worden, daß wir eine nationale deutsche Armee haben wollten. Darauf habe ich erklärt: Wir wollen am liebsten überhaupt keine, aber wenn wir einen Beitrag leisten müssen, dann wollen wir keine nationale deutsche Armee, son-
dern dann wollen wir einen Beitrag zu einer europäischen Armee leisten.
Das ist es, was ich gesagt habe.
Was ich jetzt sage, meine Damen und Herren, ist mir sehr ernst, und ich bitte die Herren von, der sozialdemokratischen Fraktion, das, was ich jetzt sage, wirklich aufzunehmen — und sich vielleicht auch einmal damit zu beschäftigen — als eine ganz ernste Bitte eines deutschen Mannes, der an einer verantwortlichen Stelle steht. Sehen Sie, meine Herren, so läßt sich keine Außenpolitik treiben.
Sie sind eine starke Partei und haben hier eine starke Fraktion. Nun will ich Ihnen einmal kurz, so kurz wie möglich, vorhalten, wie Sie sich im Laufe der Zeit, seitdem wir eine Bundesrepublik haben, zu außenpolitischen Vorgängen gestellt haben.
Ich beginne mit dem ersten, mit dem Petersberger Abkommen im November 1949. Was haben wir dadurch erreicht? Die Rettung wesentlicher Industriezweige vor der Demontage. Wir bekamen die Genehmigung von konsularischen Beziehungen zum Ausland. Wir bekamen die deutsche Berechtigung zur Teilnahme an internationalen Organisationen. Es wurde uns mitgeteilt, daß die vorbereitenden Arbeiten zur Beendigung des Kriegszustandes nunmehr begännen. Man verlangte von uns als Gegenleistung den Beitritt der Bundesrepublik zum Ruhrstatut. Nun hören Sie die Kritik:
Warten Sie mal ab. Zu Pressevertretern hat damals Ihr Fraktionsvorsitzender gesagt:
Am kommenden Dienstag wird der Herr Bundeskanzler vor das Plenum des Bundestages treten, armselig und mit leeren Händen, nicht als Vertreter der Interessen des Volkes und vieler seiner eigenen Wähler, sondern als Anwalt seiner kapitalistischen Freunde in der CDU, FDP und DP. Er hat keine deutsche Politik vertreten,
er hat keine europäische Politik getrieben,
er hat lediglich den unzulänglichen ersten Gehversuch einer unmöglichen Art von Außenpolitik gemacht.
Hören Sie weiter, meine Damen und Herren! Deutschlands Beitritt zum Europarat als assoziiertes Mitglied im April des Jahres 1950, Ergebnis: vollberechtigte Mitgliedschaft in der Beratenden Versammlung, als Beobachter im Ministerrat vertreten. Deutschland kann zum ersten Male wieder im internationalen Gremium seine Stimme zu allen Problemen erheben. Unerläßlicher Beitrag zum Aufbau Europas.
Hören Sie die Kritik zu diesem Beitritt in den Europarat:
Da Deutschland im Ministerrat nur als Beobachter vertreten sei, sei seine Mitgliedschaft
nicht gleichberechtigt. Dieser Status der Minderwertigkeit Deutschlands im Europarat wird mehrere Jahre andauern.
Meine Damen und Herren, er hat kein einziges Jahr angedauert.
Der Beitritt zum Europarat würde dazu führen, daß über die Köpfe des deutschen Volkes hinweg über die Frage einer deutschen Wiederbewaffnung entschieden würde. Selbst wenn der Bundestag den Eintritt formell beschließen sollte, würde das Volk nicht mit eintreten. Die guten Europäer würden sich nicht für den Beitritt erklären, wohl aber die Leute vom Stahlkartell.
Am 9. Juni 1950 hat Herr Dr. Schumacher auf einer Kundgebung in Paderborn mit Bezug auf den Europarat gesagt:
Was jetzt in der Luft liegt, ist ein Bündnis der Kriegsschuldigen aller Länder gegen ihre eigenen Völker.
Auf einer Kundgebung in Troisdorf am 8. Juni 1950:
Wenn wir zu Straßburg „Nein" sagen, dann' tun wir es, um eure Haut und euer Leben zu retten. Wenn Deutschland dem Europarat unter den gegenwärtigen Bedingungen beitritt, dann bestimmen die anderen, ob, wie und wann Deutschland auf fremden Befehl aufgerüstet wird.
Dabei weiß jeder, daß der Europarat keinem Menschen etwas zu befehlen hat.
Hören Sie weiter! Bei der Einladung Deutschlands zur Teilnahme an den Schumanplan-Verhandlungen in Paris als gleichberechtigter Partner — Ergebnis: Eine wesentliche Entspannung des deutsch-französischen Verhältnisses, dadurch Verstärkung der deutschen Position in der Welt und insbesondere in den Vereinigten Staaten, völlig gleichberechtigte Stellung Deutschlands bei den Verhandlungen, als Endergebnis - ich komme darauf noch zurück — die Abschaffung einseitiger Kontrollen der deutschen Wirtschaft.
Kritik Dr. Schumachers:
Die Idee des Schumanplans sei grundsätzlich zu bejahen. Man wisse aber noch nicht, wie es sich gestalten werde, und könne deshalb noch nicht dazu Stellung nehmen. Voraussetzung für eine positive Einstellung gegenüber dem Schumanplan sei, daß er die einseitigen Kontrollen über die deutsche Wirtschaft, insbesondere die Ruhrbehörde, zum Fortfall bringe.
- Ich werde Sie daran erinnern, meine Damen und Herren.
Am 1. Mai 1951 sagt Herr Dr. Schumacher:
Alle Pläne wie der Schumanplan, der Pleven-plan usw. verewigen Unrecht, denn sie geben den Siegern eine Verfügungsgewalt über den Besiegten, ihre Arbeitskraft, ihren politischen Einsatz und die Nationalschätze ihrer Volkswirtschaft.
- Ach, meine Damen und Herren, wenn Sie dazu „Sehr richtig" sagen, dann haben Sie den ganzen Schumanplan überhaupt nicht gelesen.
Bitte, hören Sie weiter! Dann wurde am 6. März 1951 die kleine Revision des Besatzungsstatuts vorgenommen. Ergebnis: Deutschland erhält das Recht diplomatischer Vertretungen im Auslande, erhebliche Erleichterung der Kontrolle der Gesetzgebung, wesentliche wirtschaftliche Erleichterungen, Aufhebung aller Beschränkungen auf dem Gebiete des Schiffbaus und der Schiffahrt, Zulassung der Produktion von künstlichem Gummi und künstlichem Benzin, Erleichterungen auf allen Gebieten der chemischen Produktion, Erleichterungen auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung.
Stellungnahme Dr. Schumacher:
Es geht nicht um eine Revision der einen oder anderen Bestimmung des Besatzungsstatuts, sondern um die Annullierung des Besatzungsregimes.
Unterzeichnung des Schumanplans — Ergebnisse, wenn er ratifiziert wird: Fortfall des Ruhrstatuts, Fortfall der Ruhrbehörde, Fortfall der alliierten Kohlenkontrollgruppe,
Fortfall der alliierten Stahlkontrollgruppe. Die Rechte der Ruhrbehörde zur Festsetzung des deutschen Kohlenexports fallen damit fort. Die Rechte der Ruhrbehörde zur Beseitigung angeblicher Diskriminierung von seiten Deutschlands fallen fort. Die Beschränkungen der deutschen Stahlerzeugung fallen fort. Die Beschränkung der Kapazität der deutschen Stahlwerke fällt fort. Die alliierten Rechte zur Festsetzung der deutschen Kohlenexportpreise fallen fort. Die alliierten Investitionskontrolle für Kohle und Stahl fällt fort. Die alliierte Dekartellisierungs- und Dekonzentrierungspolitik auf dem Gebiet von Kohle und Stahl wird damit erledigt. Die alliierte Beschlagnahme der deutschen Kohlenbergwerke, der deutschen Eisen-und Stahlindustrie hört damit auf. Und was sagt Herr Dr. Schumacher dazu?
Der Schumanplan sei kapitalistisch, kartellistisch, konservativ und klerikal.
Ja, meine Damen und Herren, wir sprechen heute über die Frage der Außenpolitik. Ich habe mir erlaubt, Ihnen einen solchen Abriß über die bisherige Entwicklung und Ihre Stellungnahme dazu zu geben, um damit darzutun, daß ich wohl gern bereit bin, Ihnen Rechte beim Aufbau einzuräumen; aber dafür auch Sie, meine Damen und Herren, unbeschadet der Kritik — dort, wo Kritik nötig ist — nicht mehr wie bisher darin fortfahren, alles und jedes, was auf auswärtigem Gebiete geschieht, nicht nur dem deutschen Volke madig zu machen, sondern dadurch im Auslande, in dem noch genug Animosität gegen uns vorhanden ist,
den Eindruck hervorzurufen, als wenn wir Deutsche niemals genug bekommen könnten, als seien wir Deutsche nur darauf aus, so zu werden, wie einstmals manche Kreise in Deutschland gewesen sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Fisch.
Meine Damen und Herren! Vor kurzem ließ der Bundeskanzler von Straßburg aus eine Rundfunkrede verbreiten, in der er Feststellungen traf, die nach seiner Auffassung wohl von besonderer Bedeutung sein sollten. Seine heutigen Erklärungen über die Grundzüge seiner Außenpolitik stellen eine Unterstreichung dessen dar, was in dieser Rede vorweggenommen war. In dieser Rede erklärte er, Deutschland sei als gleichberechtigtes Mitglied in den Europarat aufgenommen worden. Er 'behauptete, von nun an könne keine europäische Entscheidung mehr ohne Deutschland getroffen werden. Ich denke, es wäre richtiger gewesen, zu sagen: es gibt heute in Bonn keine Entscheidung mehr ohne Amerika!
Was Herr Adenauer heute und damals als „Gleichberechtigung" bezeichnet, ist in Wirklichkeit die Gleichschaltung mit den Direktiven von Washington. Paris und Straßburg, so sagte der Herr Bundeskanzler, das seien die beiden entscheidenden Etappen auf Deutschlands Weg zur europäischen Gemeinschaft. Und doch sind beide, der SchumanPlan ebenso wie der Europarat, nichts anderes als Gebilde der amerikanischen imperialistischen Kriegspolitik auf europäischem Boden.
Es ist amerikanisches Streben, die entscheidenden Wirtschaftsschätze Westeuropas, Kohle, Stahl und Eisen, unter eine gemeinsame, nämlich die amerikanische Regie zu stellen. Es sind amerikanische Pläne, die eine einheitliche Ausrichtung der westeuropäischen Regierungen im Sinne einer aggressiven antisowjetischen Politik anstreben. Es soll doch niemand so tun, als ob die Erfinder der sogenannten europäischen Gemeinschaft jemals an Europa gedacht haben! Sie haben an eine amerikanisch-westeuropäische Allianz gedacht, an eine Allianz unter amerikanischem Kommando.
Ich möchte etwas weiter in die Geschichte dieser europäischen Allianz zurückgreifen, um zu beweisen, was es mit ihr auf sich hat. Am 17. Januar 1947 hat ein heute maßgeblicher Mann der amerikanischen Außenpolitik, Mr. John Foster Dulles, in New York eine Rede gehalten, in der er erklärte:
Das Ruhrgebiet mit seinen Kohlen-, Industrie-
und Menschenreserven ist das natürliche wirtschaftliche Herz Westeuropas. Aus diesem Gebiet müssen nicht nur die Existenzmittel für
die Deutschen fließen, sondern auch für die
westlichen Nachbarn Deutschlands.
Es wäre sehr zweckmäßig gewesen, wenn der Herr Bundeskanzler bei seinem heutigen Rückblick auf die Siegesserie seiner europäischen Politik dieses Motto zitiert hätte, das an der Spitze seiner verschiedenen Handlungen im Sinne einer „europäischen Ordnung" gestanden hat. Diese Äußerung des Mr. Dulles geschah einen Tag nachdem Churchill von der Gründung eines britischen Komitees für ein vereintes Europa Mitteilung gemacht hatte.
Was ist das für éin Europa? Für Herrn John Foster Dulles, für die Morgan-Bank, für die Rockefeller-Leute und die amerikanischen Generalstäbler, für sie ist Europa das Gebiet, in dem sich die Ruhr befindet. Für sie ist Europa ein Begriff, bei dem es um soundsoviel Millionen Tonnen Produktionskapazität an Kohle, an Stahl und Eisen geht. Europa ist für sie eine genau berechenbare Hilfsquelle an Material und an Menschen, besonders an Material — denn die Menschen rangieren bei ihnen immer an zweiter Stelle — für die Kriegsaufrüstung, für Profite, für die Festigung ihrer wirt-
schaftlichen Monopolstellung in der kapitalistischen Welt. Diese Leute brauchen an der Ruhr eine Regierung, wie die des Herrn Bundeskanzlers Adenauer, eine Regierung, die wohl stark genug ist, das Volk niederzuhalten und in Europa den Gendarm zu spielen, die aber andererseits genügend schwach ist, um ein gefügiges Werkzeug in ihren Händen zu bleiben.
Ein Blatt, das der Politik des Herrn Dr. Adenauer sehr gut gesinnt ist, die Stuttgarter „Deutsche Zeitung", schrieb am 24. Januar zur bevorstehenden „europäischen Tat", nämlich zu dem Termin der Unterzeichnung des Schumanplans:
Die Wahrheit ist, daß weder Paris noch Bonn
diesen Termin bestimmen können. Die Entscheidung fällt auf dem Petersberg oder genauer gesagt in Washington.
Herr Dr. Adenauer sprach heute von der errungenen „Gleichberechtigung" in der europäischen Gemeinschaft. Der Herr Bundeskanzler soll uns erklären, worin die Gleichberechtigung besteht, jene „Gleichberechtigung", die auf 50 Jahre hinaus eine von amerikanischen Konzernherren und Großbankiers gelenkte sogenannte Hohe Behörde zuläßt, in der es keinerlei Mitbestimmungsrecht des deutschen Volkes gibt, die autoritär über die Produktion und die Verwendung der entscheidenden Rohstoffe Westdeutschlands bestimmen soll. Der Herr Bundeskanzler soil uns doch erklären, worin die „Gleichberechtigung" besteht, wenn auf unbeschränkte Zeit hinaus Agenten amerikanischer Konzerne als Kommissare in unserer Wirtschaft tätig sein sollen. Der Herr Bundeskanzler soll uns erklären, worin die „Gleichberechtigung" besteht, wenn die deutsche Landschaft als Aufmarschgelände für den Krieg hergerichtet und die deutsche Jugend zum Dienst in Fremdenlegionen gezwungen wird. Und dies alles, ohne daß das Volk auch nur seine Meinung darüber äußern soll.
Der Herr Bundeskanzler hat in feierlichen Worten verkündet, daß demnächst die letzten noch bestehenden Beschränkungen der Souveränität, das Besatzungsstatut, das Ruhrstatut und die Produktionseinschränkungen für unsere Wirtschaft, fallen würden. Warum verschweigt der Herr Bundeskanzler, daß an die Stelle gewisser geltender Beschränkungen, die durch Statut und Paragraphen gekennzeichnet sind, nunmehr andere treten sollen, die zwar nicht in Paragraphen gekleidet sind, aber um so drückendere Fesseln bedeuten? Warum verschweigt er, daß es auch morgen und weiterhin keine freie deutsche Wirtschaft, keinen freien deutschen Handel, keinen freien deutschen Außenhandel und keine freie deutsche Verfügung über unsere Rohstoffe und Arbeitskräfte in Westdeutschland geben wird? Warum verschweigt er, daß er geheime Angebote zur Lieferung deutschen Menschenmaterials für eine sogenannte Westarmee gemacht hat, ohne auch nur den Bundestag zu fragen? Denn die Erklärung von heute, er habe keine solchen Angebote an die westlichen Alliierten gemacht, wurde doch von niemand anderem als von seinem eigenen damaligen Ministerkollegen Dr. Heinemann der Unrichtigkeit überführt. Oder kann sich Herr Adenauer heute nicht mehr an sein berühmtes Sicherheitsmemorandum vom 29. August des vergangenen Jahres erinnern, das er seinen eigenen Kabinettskollegen vorenthalten hat und dessen Absendung Anlaß zum Ausscheiden des Dr. Heinemann aus der Bundesregierung gewesen ist?
Warum verschweigt der Bundeskanzler das alles? Darum, weil ihm entsprechende amerikanische Empfehlungen vorgelegt wurden, weil die wahren Herren, die hier regieren, nicht wollen, das darüber gesprochen wird.
Man muß hier einmal feststellen, wie sich die amerikanischen Herren Schritt für Schritt z. B. in alle entscheidenden Schlüsselpositionen der westdeutschen Wirtschaft gesetzt haben, wie sie das auch ohne Statuten, auch ohne Gesetze taten. Gestatten Sie, daß ich zwei Beispiele hierfür anführe. Von wenigen Jahren noch unterstand die Ruhrkohle der britischen Besatzungsmacht. Der britische Außenminister Bevin gab noch 1947 mehrmals die Versicherung ab, daß die britische Regierung die Überführung der Ruhrindustrie in öffentliches Eigentum unterstützen werde. Ja, meine Damen und Herren, das war die Zeit, in der Herr Nölting vom Sozialismus als Tagesaufgabe und in der selbst Herr Arnold von der Überwindung des Kapitalismus sprachen.
Wie 'lange ist das her! Man weiß, wie der amerikanische kalte Krieg zur Eroberung der Ruhr seither verlaufen ist. Die vorläufig Netzte Etappe dieses unblutigen Feldzuges ist die Schaffung der westeuropäischen Montanunion, genannt Schumanplan.
Und wie ist es mit dem Außenhandel? Vor einiger Zeit gab es noch die JEIA. Sie bestimmte über den deutschen Außenhandel. 70% ihres Kapitals war amerikanischer Herkunft. Heute ist die JEIA zwar formell liquidiert, aber ihre Funktionen sind auf den Außenhandelsausschuß der Hohen Kommission übergegangen. Die Beschränkungen des Außenhandels, insbesondere das Handelsverbot mit den Ländern des Ostens und die Niederhaltung des innerdeutschen Handels, sind geblieben. Die OEEC, die amerikanisch dirigierte Befehlsstelle für den europäischen Handel, übt ein ausgesprochenes Weisungsrecht über den deutschen Außenhandel aus. Die Bundesregierung hat diesem Organ nicht nur ihre Ein- und Ausfuhrpläne zur Genehmigung zu unterbreiten, ja sie ist jetzt sogar zur vierzehntägigen Berichterstattung verpflichtet.
Auf amerikanische Empfehlung erläßt die Bundesregierung eine Verordnung nach der anderen zur sogenannten Rohstofflenkung, durch die erreicht werden soll, daß alle lebenswichtigen Rohstoffe in erster Linie zur Verwendung für Zwecke des Kriegsatlantikpaktes zur Verfügung stehen. Auch das gehört zur sogenannten „Gleichberechtigung".
Ein besonders beschämendes Beispiel für das dienstfertige und unterwürfige Verhalten gewisser Leute bei der Opferung der Interessen des deutschen Außenhandels haben wir im Falle des Hamburger Schiffes „May Rickmers" erlebt. Irgendein Piratenhäuptling hat in chinesischen Gewässern ein deutsches Handelsschiff, das mit offiziell genehmigter Ladung an Bord fuhr, gekapert. Unter vielen Schwierigkeiten haben sich die deutschen Reeder um die Wiederherstellung wenigstens eines Teils ihrer alten Beziehungen bemüht. Sie befahren die gleichen Schiffahrtslinien, sie liefern die gleichen Waren wie britische Schiffe oder Schiffe anderer Nationen. Und wie schützt sie die Bundesregierung? Diese wagt nicht einmal, gegen einen Piratenstreich zu protestieren. Ja sie kündigt an, daß die Firma, deren Schiff geraubt wurde, mit dem Entzug jeglicher Kredite bestraft wird.
Ich frage Sie: Was würde wohl mit einem britischen Ministerpräsidenten geschehen, der sich eine solche Würdelosigkeit zuschulden kommen ließe?
Und warum dies alles? Nur weil man befürchtet, ein deutsches Schiff, das wie Schiffe anderer Völker auf der östlichen Erdhälfte fährt, könne das Mißfallen der Amerikaner erregen. Das ist wohl ein ausgezeichnetes Beispiel für die sogenannte Gleichberechtigung, die der Herr Bundeskanzler durch seine Politik erobert hat.
Die Renten sind unerträglich niedrig, der Wohnungsbau stockt, der Lastenausgleich wird auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Wen kümmert das auf dem Petersberg? Wozu denn eine Auskunft, wofür die Milliarden für Besatzungskosten gebraucht werden? Hauptsache, es finden sich genügend Leute in Bonn, die die Milliarden eintreiben und bezahlen. Auch dies geschieht sicherlich im Zeichen der „Gleichberechtigung", die die Außenpolitik des Herrn Adenauer für Westdeutschland erworben hat.
Und nun erleben wir seit einigen Wochen, wie ganz still und leise auf einer ganzen Anzahl wichtiger Kommandostellen in der Bonner Bundesverwaltung ausgesprochene Vertrauensleute, jawohl man muß sagen: Kommissare mit besonderen Vollmachten ihren Einzug halten, damit Sie es deutlich wissen: Kommissare der Amerikaner. Ich möchte dazu noch etwas deutlicher werden. Ich möchte gern, daß der Herr Bundeskanzler uns Auskunft gibt, welche Rolle innerhalb der Bundesregierung etwa die folgenden Herren spielen: Herr Dr. Sogemeier auf dem Gebiete der Kohlebewirtschaftung, Herr Friedrich, der Berater für Rohstofffragen, der von sich selbst behauptete, er werde wohl demnächst der unpopulärste Mann in West-Deutschland sein, oder Herr Dr. Ernst, der Koordinierungskommissar für alle Wirtschaftsfragen, oder Herr Dr. Kaufmann, der neue Bundesdevisenkommissar. Herr Dr. Sogemeier war schon einmal Kommissar für die Umstellung der Kohlewirtschaft auf den Krieg. Das war 1937. Da arbeitete er allerdings für die Vorbereitung des Hitler-Krieges. Zweifellos ein geeigneter Spezialist für die sogenannte Friedensnolitik der amerikanischen Generalstäbler. Herr Friedrich war zut Weimarer Zeit in leitender Position bei einer der größten amerikanischen Gummifabriken. Unter Hitler war er Wehrwirtschaftsführer. Herr Dr. Ernst war unter Hitler Reichskommissar für die Verwaltung des Feindvermögens. und man weiß, daß er das amerikanische Feindvermögen besonders fachmännisch und sorgfältig behandelt hat.
Ich frage: Wem unterstehen diese Herren, wieweit gehen ihre Vollmachten, was haben ihnen gegenüber die Herren Minister selber noch zu sagen? Und kann der Herr Bundeskanzler uns sagen, in welchem besonderen Verhältnis diese Herren zu den ihnen beigeordneten amerikanischen Beratern stehen?
Ich möchte noch etwas weiter zurückgreifen. Während des Krieges war Chef des amerikanischen militärpolitischen Geheimdienstes — OSS — Mr. Allen Dulles, ein Bruder des Ihnen allen bekannten Mr. Foster Dulles. Seinen Sitz hatte er in der Schweiz. Diese beiden Herren Dulles sind typische Vertreter der Verbindung der amerikanischen Hochfinanz mit der Außenpolitik und mit den Spionagediensten. Diese beiden Brüder unterhielten in New York ein sogenanntes Advokatenbüro, ein Büro, in dem die Fäden einer Anzahl der wichtigsten Industrie- und Finanzkonzerne zusammenliefen. Eine der hierzu gehörenden Großbanken war die Schröder-Bank, zu deren deutschem Partner, dem Baron Kurt von Schröder, der 1933 Hitler in den Sattel hob, gewisse Herren auf der Regierungsbank und auch hier unten im Saal bekanntlich ausgezeichnete Beziehungen haben.
Ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen. Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich bin gleich fertig. — Deutscher Agent des Advokatenbüros von Foster und Allen Dulles war ein deutscher Rechtsanwalt, ein gewisser Gerhard Westrick, der auch in Diensten zahlreicher anderer amerikanischer Unternehmen in Deutschland stand. Westrick war ein bekannter Faschist. Er hatte einen Bruder Ludger Westrick, ebenfalls ein Rechtsanwalt, ein Sonderbeauftragter Hitlers für die Rüstungsindustrie. In den Akten der Nürnberger Prozesse ist er häufig genannt. Noch 1940 wurde Gerhard Westrick als Handelsattaché von Ribbentrop nach Amerika geschickt, um dort mit dem rechten Flügel der Republikanischen Partei engere Beziehungen zu knüpfen. Diese beiden Westrick waren die besonderen Vertrauensleute des amerikanischen politisch-militärischen Apparats. Heute erleben wir nun die Überraschung, daß einer dieser beiden Brüder Westrick plötzlich auftaucht als der neue Staatssekretär im Wirtschaftsministerium der Bundesregierung.
Ich möchte den Herrn Bundeskanzler fragen, warum der bisherige Staatssekretär Schalfejew gehen mußte, ob er Auskunft darüber geben kann, auf welche Empfehlung hin Herr Westrick zum Staats- c Sekretär gemacht wurde. Der Bundeskanzler könnte damit einen wertvollen Beitrag zum Thema „Gleichberechtigung" leisten.
Meine Damen und Herren! Herr Dr. Adenauer hat sich beeilt, gewissen Empfehlungen entsprechend, die er in Bad Homburg erhalten hat, auch die Volksbefragung gegen die Remilitarisierung zu verbieten. Auch damit hat er zu erkennen gegeben, wie sehr bei uns das System der amerikanischen Empfehlungen vorherrscht.
Wenn überhaupt von einer deutschen Außenpolitik in Westdeutschland gesprochen werden kann, dann kann diese nur darin bestehen, daß sie sich freimacht von dem System der amerikanischen Bevormundung, von dem System der militärischen Verpflichtungen an den Atlantikpakt, daß alle Einschränkungen, die unserer Wirtschaft und unserem Handel auferlegt werden, aufgehoben werden und schließlich, daß es keine Remilitarisierung gibt. Nur auf diesem Wege gibt es eine Sicherung des Friedens in Europa, eine Verbesserung der Lebensverhältnisse aller Schichten unseres Volkes und eine friedliche Lösung des deutschen Problems.
Meine Damen und Herren! Der Etat des Herrn Bundeskanzlers ist der Etat des Verantwortlichen für die amerikanische Politik des Krieges und des Niederganges auf deutschem Boden.
Er ist der Etat des Verantwortlichen für die geheime Durchführung der Remilitarisierung. Er ist der Etat des Verantwortlichen für die Niederhaltung der demokratischen Rechte des Volkes und für die Mißachtung der Volksmeinung. Aus diesem
Grunde lehnt die kommunistische Fraktion den Etat des Bundeskanzlers ab.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Richter zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Anbetracht der vorgerückten Stunde ist es, glaube ich, doch eine etwas allzu große Zumutung an den Herrn Bundeskanzler, auf die Angriffe, die gegen ihn gerichtet wurden, jetzt noch zu antworten. Ich beantrage deshalb Vertagung der Debatte auf morgen.
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Dr. Bertram!
Ich wollte den gleichen Antrag stellen.
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Loritz.
Ich bezweifle die Beschlußfähigkeit des Hauses.
Nach der Geschäftsordnung, Herr Abgeordneter, müssen Sie das mit Unterstützung von fünf Kollegen bezweifeln. Diese Unterstützung scheint Ihnen zu fehlen.
Meine Damen und Herren! Es ist der Antrag gestellt, zu vertagen. Wir müssen darüber abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Wir müssen schon auszählen, es tut mir leid, man kann das wirklich nicht mit einem Blick feststellen.
— Auf morgen vormittag.
Wer ist dagegen? — Das ist zweifellos die Mehrheit, also wir verhandeln weiter. Das Wort hat Herr Abgeordneter Loritz.
Meine Damen und Herren! Nachdem sich unterdes das Haus wiederum zu füllen beginnt
— danke sehr für das Kompliment, daß Sie mir immerhin Aufmerksamkeit zuwenden! —
— sehr „freundlich" von Ihnen —, nachdem sich das Haus wiederum zu füllen beginnt, ist es wohl nicht unnütz, hier den Herren von den Regierungsparteien einige Worte zu sagen, um auf das zu antworten, was der Herr Bundeskanzler Dr. Adenauer uns eben erklärt hat.
Der Herr Bundeskanzler Dr. Adenauer stellte es tatsächlich so hin, als wäre seine Politik die richttige gewesen, indem er das Ruhrstatut akzeptierte, weil er dafür eine ganze Reihe von wertvollen Gegenleistungen einhandeln konnte.
Er hat bekanntlich einen Demontagestopp für 20 oder 30 Fabriken bekommen, jawohl, das steht fest. Er hat eine Zusicherung bekommen, daß wir außenpolitisch irgendwo wieder ein Amt aufmachen dürfen usw. usw. Herr Bundeskanzler Dr. Adenauer, alles das hätten Sie bekommen, ohne die Souveränitätsrechte auf Kohle und Eisen für unabsehbare Zeit preiszugeben und damit den Alliierten das Letzte zu geben, was wir überhaupt noch haben und was wir für den Tag aufbewahren müßten, wo das große europäische Kompensationsgeschäft in politischer Beziehung gemacht werden kann, aber mit uns als gleichberechtigten Partner und nicht etwa als Partner dritten oder vierten oder fünften Ranges innerhalb einer societas leonina, wo die anderen 95% der Rechte haben und wir lediglich 5%, wenn wir die überhaupt noch haben! Damals, als das Ruhrstatut unterzeichnet wurde, habe ich dem Herrn Bundeskanzler im außenpolitischen Ausschuß und auch sonst gesagt: Herr Bundeskanzler, das alles, was Sie heute bekommen haben, diese spärliche Gegenleistung für den Verzicht auf die Souveränität über Kohle und Eisen, werden Sie in sechs bis acht Monaten gratis bekommen, weil nämlich damals jeder, der die außenpolitische Situation klar betrachtet hat, schon sah, daß man nach dem Vormarsch der kommunistischen Truppen in China in kürzester Zeit Westdeutschland und seine Industrie dringend brauchen wird!
Der Herr Bundeskanzler hat, wie ich ihm gestern schon verhielt, unreife Apfel gepflückt!
Und heute haben wir die Bescherung! Fragen Sie, meine Herren, doch Vertreter von der Industrie, fragen Sie doch, bitte, verantwortliche Kreise aus dem Ruhrgebiet, fragen Sie führende Kohlen- und Eisenleute! Die werden Ihnen etwas sagen über das Ruhrstatut und die Ruhrbehörde!
Die fluchen über ,die Ruhrbehörde und über das Ruhrstatut! Die werden Ihnen sagen, daß diese Behörde ein Unglück für unsere ganze Wirtschaft ist.
Über 6 Millionen t Kohle müssen wir jetzt exportieren, und wir können dann diese oder andere Kohle um 120 Mark die Tonne zurückkaufen, damit unsere Fabriken noch arbeiten können;
Kohle, die wir vorher auf Grund dieser Beschlüsse der Ruhrbehörde um nicht einmal den halben Preis ins Ausland liefern mußten! Meine Damen und Herren, w o hier der große Vorteil in dem politischen Geschäft liegt, für ,das auf unserer Seite Adenauer gegengezeichnet hat, das können vielleicht nur Sie mit Ihrer „großen" politischen Weisheit feststellen, wir können das nicht tun, meine Herren von den Regierungsparteien!
Aber wir haben eines getan: wir haben rechtzeitig vor ,dieser Entwicklung gewarnt! Wir von der WAV und ich persönlich haben Sie immer und immer wiedergewarnt.
— Darüber sind die Protokolle da! Da können Sie schreien, soviel Sie wollen, Sie können die Wahrheit doch nicht wegschreien!
Meine Damen und Herren, Sie, die Zuhörer,, müssen auch etwas dazu beitragen, daß es in diesem Raume einigermaßen parlamentarisch zugeht.
Meine Damen und Herren, das war das Ruhrstatut! Und dann, ging es weiter. Dann kam eine denkbar ungeschickte Haltung der Regierung in der Frage einer Aufnahme des WestOst-Gespräches,
wobei man etwas ausgeschlagen hat, was uns hier in Westdeutschland nur hätte von Vorteil sein können.
Halten Sie doch bitte Ihren Bundeskanzler Adenauer nicht für so töricht, daß er nicht etwa den Herren, die von der Ostzone gekommen wären, gewisse Sachen aus ihren Hirnen hätte herausholen können, sie vor ganz bestimmte konkrete Fragen hätte stellen können, und sie dann in die Enge hätte treiben können, wenn sie ihm die, Antwort auf diese Fragen schuldig geblieben wären! Aber leider hat man es so gemacht, daß ausgerechnet die Kommunisten jetzt ,die Propagandisten für eine Volksbefragung sind, die eigentlich am besten von der Regierung Adenauer hätte veranstaltet werden müssen. Von der Regierung hätte dem Volk die Möglichkeit gegeben werden müssen, in geheimer Abstimmung zu so wichtigen außen- und innenpolitischen Problemen Stellung zu nehmen!
Diese Rede scheint offenbar als eine bayerische Angelegenheit angesehen zu werden.
Meine Damen und Herren, das war ebenfalls ein außenpolitischer Fehler größten Ausmaßes.
Und dann kam die Geschichte mit dem Schumanplan. Ich habe gestern dazu schon einiges gesagt. ich glaube, man hat uns rosarote Brillen aufgesetzt, so daß wir nicht mehr richtig sehen konnten, wie
denn die tatsächlichen Gegebenheiten im Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland sind. Von seiten der_ Bundesregierung und ihres Bundespressechefs usw. hat man es so hinzustellen versucht, als bestünden keine Differenzen mehr mit Frankreich, als sei alles in Butter, als brauche man nur den Kopf in den Sand zu stecken, damit man diese erheblichen différences d'opinion, diese Meinungskontraste, nicht mehr wahrzuhaben brauchte, damit sie nicht mehr existierten.—Aber kaum war, nachdem Herr Adenauer die Unterschrift unter den Schumanplan gesetzt hatte, die Tinte trocken, da erklärte der französische Außenminister: Ja, die Voraussetzungen sind doch etwas anders!
Herr Abgeordneter Loritz, fassen Sie, bitte, die Mikrophone nicht zu hart an, sie sind zerbrechlich!
Das weiß ich! Ich fasse sie nicht zu hart an. Hier ist aber vieles zerbrechlich, auch die Chancen großer Parteien sind zerbrechlich!
— Meine Damen und Herren, wenn Sie keine besseren Zwischenrufe machen können, vor allem Sie, Herr Strauß, dann sollten Sie mir eigentlich leid tun!
•
Meine Damen und Herren! Dann hat Adenauer auf einmal gesehen, daß Außenminister Schuman bei der Unterzeichnung ,des Schumanplan von seiten Frankreichs ganz andere Voraussetzungen als vorliegend angenommen hat als Dr. Adenauer, denn auf einmal erklärte Schuman, Frankreich habe niemals einen Zweifel daran gelassen — also wahrscheinlich auch nicht unserem Außenminister und Bundeskanzler Dr. Adenauer gegenüber —, daß Frankreich gar nicht daran denke, das Saargebiet politisch wieder zu Deutschland zurückkehren zu lassen; Frankreich verlange zwar nicht die Annexion des Saargebietes, aber immerhin die beständige und kontinuierliche Lostrennung des Saargebietes von Deutschland, und so sahen wir auf einmal, daß hier mit ganz falschen Voraussetzungen von seiten Dr. Adenauers an Schuman herangetreten wurde und daß wir darüber nicht richtig informiert wurden.
So steht es heute mit dem Schumanplan.
Das in außenpolitischer Hinsicht. Der Herr Bundeskanzler möge doch nicht immer als sein Verdienst und als das Verdienst seiner Politik hinstellen, was in Wirklichkeit das Verdienst
— was in Wirklichkeit das Verdienst der grundlegenden Änderung — —
Meine Damen und Herren, Sie zwingen ja den Redner geradezu zu schreien. Seien Sie ein bißchen ruhiger!
Herr Dr. Adenauer stellt immer als sein Verdienst hin, was in Wirklichkeit Verdienst
der Umwälzung in der ganzen weltpolitischen Lage durch Ausbruch des Korea-Krieges usw. usw. ist, und das scheint mir
am allerangreifbarsten am Standpunkt des Herrn Bundeskanzlers, daß er sich sozusagen mit fremden Federn schmückt, daß er hier etwas, was durch die Umwälzung der ganzen weltpolitischen Lage entstanden ist, als sein und seiner Regierung Verdienst hinstellen will.
Damit sollen wir dann hinweggetröstet werden über das Debakel der deutschen Außenpolitik in puncto Ruhrstatut und Ruhrbehörde und über das Debakel der deutschen Außenpolitik auf sonstigen Gebieten.
Das, meine Herren von den Regierungsparteien, ist keine Politik, die Sie vor dem Volke auf die Dauer vertreten können!
Meine Damen und Herren, und nun in innenpolitischer Hinsicht! Hier wurde heute meines Erachtens leider noch zu wenig über diesen so wichtigen Punkt gesprochen: Herr Adenauer, der Mann, der, ohne das Volk zu fragen, die D-Mark abwertete,
Herr Adenauer, der erklären mußte, daß die bisherige Wirtschaftspolitik s o nicht mehr durchgeführt werden kann — denn schließlich ist doch der Bundeskanzler auch für die Tätigkeit seines Wirtschaftsministers verantwortlich; idas werden Sie mir doch wohl zugeben; wenn nicht, dann kann ich es Ihnen wörtlich ablesen — daß die Wirtschaftspolitik Dr. Erhards restlos zusammengebrochen ist,
daß diese schrankenlose Liberalisierung nicht mehr aufrechterhalten Werden kann, die Ananas und Bananen einführen ließ zu einem Zeitpunkt, wo ganz andere Dinge hätten eingeführt werden müssen, dies schrankenlose Bauen und Bauenlassen von Kinos und Luxusrestaurants und allen möglichen anderen Dingen zu einem Zeitpunkt, wo wir neue Kohlenschächte dringender als alles andere brauchen würden und neue Wohnungen für die Arbeiter im Ruhrgebiet und anderswo.
Dieses Versagen der Wirtschaftspolitik des Kabinetts drückt sich dadurch aus, daß die Preis-LohnSpirale sogar über das hinausgegangen ist, was infolge 'des Korea-Konflikts eine Notwendigkeit war. Man hat zu spät Vorratswirtschaft getrieben; das steht fest!
Denn noch im August 1950, noch zwei Monate nach Beginn des Korea-Konflikts, konnten Sie — ich habe Ihnen das hier schon einmal vorgelesen — Getreide auf den Weltmärkten zu einem Preis kaufen, der nicht höher lag als vor Ausbruch ides
Korea-Konflikts. Diese Bevorratung Deutschlands hat man nicht durchgeführt,
und jetzt muß man die doppelte und dreifache Summe Geldes ausgeben, um das Getreide noch kaufen zu können, die Margarinerohstoffe und andere wichtige Dinge.
Damals hat man das alles nicht getan. Warum?
Weil der Herr Bundeskanzler die innen- und außenpolitische Lage leider falsch beurteilte, und dafür muß ja schließlich einer die Verantwortung tragen. Nach der Verfassung trägt sie der Herr Bundeskanzler Dr. Adenauer, nur will er das nicht wahrhaben!
Und das ist das Schlimme bei der ganzen Sache, daß ein Kultus der Beweihräucherung nach dem Grundsatz a5tibs écpa schon. wieder getrieben wird: „Er" hat das gesagt, nämlich der hochverehrte Lehrer, und alle anderen haben zu schweigen .. .
Nach diesem Grundsatz des aútds gym geht man heute vor, und die Folge davon ist, daß die Opposition nicht so zu Worte kommen kann,
wie das gerade auch im Interesse der Regierung selber notwendig ist.
Der Herr Bundeskanzler hat heute gesagt,
die Opposition müßte unter allen Umständen die
Interessen Deutschlands wahren. Da hat er hundertprozentig recht. Das tun meine Freunde, und
das billige ich auch a'n'deren in diesem Hause zu,
daß sie im Interesse Deutschlands nur tätig sind, wennwir — —
Das tun wir,
und dieses Reicht der Opposition lassen wir uns nicht abstreiten!
Dieses Recht der Kritik lassen wir uns nicht abstreiten. Der Herr Bundeskanzler soll mal nach den Vereinigten Staaten von Amerika hinüberschauen! Dort soll er sehen, welche Reichte der Kritik dort die Opposition für sich in Anspruch nimmt,
mit welchen Mitteln, gegenüber denen die harmlose Brotkarte der SPD ein Kindermätzchen ist, dort in Amerika die Opposition, die 'Republikanische Partei, arbeitet; und niemand, selbst Präsident Truman nicht, wagt es, der Opposition vorzuwerfen, sie würde die Interessen ihres Volkes preisgeben oder schädigen wollen.
Möge doch endlich einmal 'die Bundesregierung einsehen, was Bismarck in seinen „Gedanken und Erinnerungen" schon geschrieben hat, daß die Opposition notwendig ist und daß man sie sehr
wohl manchmal brauchen kann, um etwas zu sagen, was zu sagen der Regierung sehr unangenehm ist und von ihr nicht gesagt werden möchte. Das alles haben wir nicht, weil wir uns schon wieder zu einem staatlichen System hinentwickeln, bei dem nur einige hundert Menschen im Staate etwas zu sagen haben,
seien es Abgeordnete der Regierungsparteien oder Minister, und das Volk nichts zu sagen hat; und wer sich nicht nach dieser Schablone richtet und nach ihr tanzt, der riskiert, eingesperrt zu werden. Er muß riskieren, als Landesverräter bezeichnet zu werden. Er muß riskieren, daß solche lächerlichen Dinge wie so eine Witz-Brotkarte als ein. grave peccatum,
als eine Todsünde ersten Ranges auszulegen versucht wird. Geben Sie nicht bloß Gedankenfreiheit, geben Sie Oppositionsfreiheit in diesem Lande,
damm nutzen Sie am besten unserem Vaterlande.
Wir bestreiten dem Herrn Bundeskanzler nicht, daß er aus innerer Überzeugung seinen Kurs für recht und gut hält. Ich und meine Freunde haben bei jeder Gelegenheit gesagt: Es ist anerkennenswert, wenn ein Mann mit 76 Jahren sich noch dermaßen in das Getriebe des politischen Kampfes stürzt. Wir erkennen das an; wir streiten ihm nicht ab, daß er es gut meint mit Volk und Vaterland. Er möchte aber endlich auch überzeugt sein, daß auch noch andere in diesem Hohen Haus
und draußen im Volk mit ganzem Herzen - -
— Ja, da können Sie ruhig „Loritz" schreien! Und nicht bloß Loritz, sondern auch andere Leute in unserem Volk, ohne Rücksicht auf Parteischattierung, sind bereit, für unser Vaterland zu arbeiten und meinen es gut. 'Ich lasse mich nicht durch solche Zwischenrufe stören: „wer unsere Reden bezahlt hätte", wie Sie das machten, Herr Abgeordneter Strauß; und dann ist diese Stelle leider aus dem Protokoll herausgestrichen worden.
so daß ich Sie deswegen nur schwer fangen kann.
Ja, einem anderen Abgeordneten wäre das wohl nicht so gegangen!
All diese Zustände werden unterstrichen durch kleinste Kleinigkeiten.
Lesen Sie doch bitte mal eine so seriöse Zeitung wie die „Basler Nachrichten", und was andere angesehenste Zeitungen schreiben.
- Jawohl, ich zitiere die Schweizer Zeitung, well die Schweiz noch niemals gegen uns Krieg geführt hat, so daß man mit der Objektivität dieser Zeitung rechnen kann. Solche Zeitungen sogar schreiben von dem so überaus forschen und zackigen neuen Ton, der schon bei den kleinsten Wachtmeistern an den Grenzstationen wahrzunehmen sei, so daß Schweizer Bürger - darüber war neulich eine
nette Erzählnug drin — umkehrten und ihnen sagten: „So geht's bei Ihnen zu", als man schön zackig ,die Leute in Auskleidekabinen stellte, als man schön zackig sie fragte, wie ihre Großmutter und Urgroßmutter heiße und aus ihrem Paß sämtliche Geburtsdaten — das ist für die Damen wohl nicht immer angenehm —
herausabsorbierte und extrahierte und sie in langen Listen aufschrieb, als sie nach Deutschland hineinfahren wollten, um dort einige Wochen Ferien zu verbringen! Zackig 'geht es schon wieder zu: c .. icpa, Er, der ganz oben steht, spricht, und die Opposition soll möglichst mundtot gemacht werden! Den kleinsten Witz nimmt man ihr schon übel. Man läßt sie ja im Radio schon nicht mehr sprechen, wie bei der Landtagswahl in Bayern und anderswo. Die anderen dürfen sprechen, und dann wundert man sich noch, wenn das auf .die Außenpolitik abfärbt, wenn man nicht mehr wahrhaben will, daß bei uns noch eine Demokratie herrscht.
Sehen Sie, meine 'Damen unid Herren, das ist der f a l s c h e Weg, und diesen falschen Weg zu gehen, davor möchten wir Sie bewahren,
damit nicht ein neues Unglück über unser Land hereinbricht. Eine Demokratie kann nur funktionieren im lebendigen Angriff und Gegenangriff
in den Diskussionen in der Öffentlichkeit! Wir streiten Adenauer nicht den guten Willen ab; aber wir erklären, daß das, was bisher außenpolitisch an kleinen Erfolgen sichtbar ist, nicht auf das Konto der Adenauerschen Politik zu verbuchen ist, sondern auf ganz andere Faktoren zurückzuführen ist.
Wir erklären ferner, daß seine Innenpolitik ebenso grundfalsch oder noch grundfalscher war. Darum können wir seinem Etat nicht zustimmen.
Ich fühle mich meinem Gewissen ,gegenüber verpflichtet, zu warnen und „principiis obsta!" zu sagen: den Anfängen muß man wehren;
in Ihrem Interesse, meine Damen und Herren, denn wir alle sitzen in demselben Schiff der deutschen Demokratie und des einigen deutschen Vaterlandes., das wir mit aller Kraft unseres Herzens lieben
und begünstigen und fördern müssen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Richter.
Herr Präsident! In dem Fall wende ich mich nur an Sie und bitte um eine Aufklärung. Herr Präsident, ich habe vorhin den Antrag auf Vertagung auf morgen gestellt.
— Sie waren wegen Ihrer völlig unmaßgeblichen Meinung gar nicht gefragt! — Darüber hinaus war von einer der Regierungsparteien der Antrag gestellt worden, das Haus für beschlußunfähig zu
erklären. Ich bitte nun um eine Auskunft, Herr Präsident, weshalb Sie das Haus nicht für beschlußunfähig erklärt haben.
Herr Abgeordneter Richter scheint die Geschäftsordnung nicht zu kennen. Wenn er sie kennen würde, müßte er wissen, daß die Beschlußfähigkeit nur wirksam angezweifelt werden kann, wenn mindestens 5 Abgeordnete dies tun.
Das Wort hat der Abgeordnete von Brentano zur Geschäftsordnung.
Sie haben mir die Erklärung vorweggenommen, Herr Präsident; ich kann verzichten.
Herr Abgeordneter Bertram zur Geschäftsordnung.
Meine Damen und Herren! Ich beantrage, den Herrn Bundeskanzler gemäß Art. 43 des Grundgesetzes herbeizurufen.
Es ist meiner Ansicht nach in einer so wichtigen Angelegenheit, wie es gerade die Erörterung der gesamten außenpolitischen Situation im' Zusammenhang mit dem Etat des Bundeskanzlers ist, nicht angängig, vor einem halbleeren Hause zu debattieren.
Andererseits: Nachdem der Herr Bundeskanzler in seiner launigen Art uns gesagt hat, er habe noch einiges in petto, werden wir vom Herrn Bundeskanzler auch erwarten können, daß er seinerseits das anhört, was die Redner der Fraktionen noch an Launigkeit für i h n in petto haben.
Meine Damen und Herren! E's ist der Antrag gestellt worden, den Herrn Bundeskanzler herbeizurufen. Ich frage, ob die Mehrheit des Hauses dieser Meinung ist.
Wer dafür ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben.
— Wird die Beschlußfähigkeit angezweifelt? (Abg. Dr. Reismann: Ja, die wird angezweifelt! — Zustimmung beim Zentrum.
— Weitere Zurufe. — Unruhe.)
Wer bezweifelt die Beschlußfähigkeit?
— Herr Kollege Reismann, in der Geschäftsordnung steht „fünf anwesende Mitglieder des Hauses." Ich bitte die Damen und Herren, die die Beschlußfähigkeit des Hauses anzweifeln, ein Handzeichen zu geben. — Es sind mehr als fünf; ich stelle das fest.
Ich setze die Abstimmung auf fünf Minuten aus.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder. Der Sitzungsvorstand ist einstimmig der Auffassung, daß das Haus ,beschlußfähig ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reismann.
— Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Dr. Reismann beanstandet die Unruhe. Auch der Sitzungsvorstand hat den Eindruck, daß es sehr unruhig im Hause ist. Ich bitte Sie, doch die Ruhe zu bewahren und den Redner anzuhören.
Meine Damen und Herren! Ich kann durchaus verstehen, wenn Sie zu dieser Stunde - fünf Minuten vor 12 — wenig Neigung haben, den Verhandlungen noch zu folgen.
Unsere Fraktion ist, wie wir das eben schon zum Ausdruck gebracht haben, der Ansicht, daß es nach den Erfahrungen sowohl dieses Hauses als auch des früheren Reichstags durchaus nicht zweckmäßig ist, solche Nachtsitzungen zu veranstalten. Aber da es nun einmal im „Hohen Rat" beschlossen worden ist, so muß es eben steigen, und da finde ich es der Würde des Hohen Hauses abträglich, bei einer so wichtigen Sache ein solches Bild zu zeigen, daß nämlich auf die Verhandlungen weder die Regierung noch die Abgeordneten des Hauses Wert zu legen scheinen.
Nun zur Sache selbst. Ich habe heute abend nur die Absicht, zu dem Etat des Bundeskanzlers und der ihm angeschlossenen Dienststellen den formalen Aufbau und die Personalpolitik betreffende Ausführungen zu machen. Ich bin der Ansicht, daß man zu der Außenpolitik des Herrn Bundeskanzlers und zu der Politik überhaupt, die er betreibt, besser bei den einzelnen Fragen sprechen sollte, insbesondere auch zu den außenpolitischen Fragen, die heute im Laufe des Abends angeschnitten worden sind.
Ich will aber nicht verfehlen darauf hinzuweisen, daß meine Fraktion mit der Politik, die die Regierung hinsichtlich des Schumanplans verfolgt hat, einverstanden ist und daß wir uns keineswegs den in dieser Hinsicht vorgetragenen Beanstandungen ihrer Politik anschließen. Noch in einem anderen Punkt will ich mich sofort zu Beginn meiner Ausführungen von dem distanzieren, was von anderer Seite der Opposition vorgetragen worden ist. Wir haben es bisher verschiedentlich erlebt, daß die Person des Ministerialdirektors Globke Gegenstand von Angriffen gewesen ist. Ich habe Verständnis dafür, daß das das eine oder andere Mal geschieht, auch wenn ich die dabei vorgebrachten Meinungen nicht teile. Ich verstehe aber langsam nicht mehr, daß sich diese Angriffe immer wieder gegen dieselbe Person richten und dabei gesagt wird, das werde sich noch längere Zeit fortsetzen. Das veranlaßt mich zu schildern, unter was für Umständen ich Herrn Ministerialdirektor Globke kennen lernte.
Es war nach dem Krieg im Landtag von Nordrhein-Westfalen, als er unter Mitwirkung der SPD in der dortigen Regierung zum Chef ides Landesrechnungshofes ernannt werden sollte. Und als er dann vorgeschlagen wurde — damals war Herr Kollege Menzel Innenminister —, habe ich mich bei Herrn Menzel nach ihm erkundigt. Er hat ihn nicht beanstandet. Mir war Herr Globke damals vollkommen fremd. Herr Menzel hat mir gesagt, daß das bekannte Buch von ihm geschrieben worden sei. Das war ihm also bekannt. Ich habe Ver-
ständnis dafür, daß man nach einer Prüfung zu dem Ergebnis kommt, seine Persönlichkeit gäbe deswegen nicht zu Beanstandungen Anlaß. Aber ich habe dann später auch in der Zusammenarbeit mit Herrn Globke gefunden, daß man mit seiner Arbeitsweise durchaus zufrieden sein konnte. Wir sehen deswegen keinen Anlaß, in Zukunft auf die Angriffe gegen Herrn Globke einzugehen.
— Wenn Sie etwas Besseres wissen, Herr Kollege, würde ich Ihnen empfehlen, nicht so billige Zurufe zu machen. Es gibt nur ein bestimmtes, kleines Repertoire bei Ihnen, aber der Rang eines Staats-
Sekretärs, Herr Kollege 'Wuermeling, verpflichtet dazu, etwas Besseres zu sagen als das.
— „Nemo plus juris transferre potest", aber Witz, den kann man vielleicht borgen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es interessiert festzustellen, was für Kräfte überhaupt bei der Restauration dieses Amtes genau nach dem Schema Ribbentrop am Werk sind. Da wäre das Wort verständlich — selbst dann, wenn es nicht richtig wäre-, daß hinter dieser Personalpolitik der Personalchef von Ribbentrop, nämlich Herr Schröder, steht, von dem man sagt, daß er bei maßgeblichsten personalpolitischen Entscheidungen gefragt werde. Ich kann nicht kontrollieren, ob das stimmt, aber der Verdacht ist durch das gerechtfertigt, was hier tatsächlich geschehen ist. Das hängt damit zusammen, daß eben der Herr Bundeskanzler selbst sich um die Personalien so gut wie überhaupt nicht gekümmert zu haben scheint, und er hat Blankovollmacht an Herren gegeben, von denen eine ausländische Zusammenstellung von Personalberichten — nicht „Inside Germany Informations"; ich weiß nicht, woher sie kommt —, also eine Zusammenstellung, die maßgeblichen Stellen der amerikanischen Besatzungsmacht in Amerika und Deutschland vorliegt. Darin wird erklärt, diese Gruppe von Menschen hielte deswegen zusammen, weil sie von einander zuviel wüßten, sie hielten deswegen zusammen, weil sie sich gegenseitig verpflichtet wären, sich in der Vergangenheit gegenseitig verpflichtet hätten, zum Teil aus sehr anständigen Motiven. Wenn damals jemand von den Nazis verfolgt war und Unterstützung bei jemandem gefunden hat, aus persönlichen oder anderen Gründen, so fühlt er sich dem gegenüber zur Zeit vielleicht verpflichtet. Aber das sind keine Gesichtspunkte, nach denen man die Personalpolitik eines Amtes aufbauen kann.
— Sie brauchen aber lange Zeit, um auf die Idee zu kommen, Zwischenrufe zu machen, Herr Kollege. Es kommt darauf an, wie es sich mit dem verhält, was ich gesagt habe. Widerlegen Sie mir das, was ich gesagt habe.
Zu der rein sachlichen Frage: Warum sind diese Ämter, die das Auswärtige Amt zu besetzen hat, nicht längst besetzt worden? Auch das ist zum Teil eine Folge der Überlastung des Herrn Bundeskanzlers, aber nur zum Teil. Wenn hier seit Monaten diplomatische Vertreter und Konsuln sind und wir deren Gesuch auf Zulassung noch nicht beantwortet haben, so ist das eine Unhöflichkeit gegenüber diesen Ländern, sie ist auf keinen Fall zu entschuldigen. Das ist aber auch eine Vernachlässigung der Interessen unserer eigenen Bürger im Auslande und derer, die mit uns Handel treiben wollen, eine Vernachlässigung unserer eigenen Wirtschafts-, Handels- und Deviseninteressen. Wieviel Geld ist uns dadurch entgangen, daß wir fast seit einem Jahr die Erlaubnis und Möglichkeit haben, Konsuln nach Südamerika zu schicken, aber keinen Gebrauch davon machen.
Was soll es eigentlich heißen und wie muß es im
Auslande wirken, daß Minister Spiecker in der Welt herumreist? Warum nur Südamerika? In Asien gäbe es vielleicht Dinge, die sich viel mehr geändert haben, wo Untersuchungen anzustellen sehr viel wichtiger wäre.
— Nein, aber vielleicht wissen Sie, daß es in Indonesien interessante Dinge gibt, nicht bloß in China, daß es z. B. auch in Kleinasien interessante Fragen gibt, und darum hat sich keiner gekümmert. Jedenfalls ist die Auswertung dieser Spiecker-Reise vollkommen unterblieben. Viele Monate hat man sich überhaupt nicht um das gekümmert, was er heimgebracht hat. Das Geld dafür schien vollkommen umsonst ausgegeben zu sein. Von Herrn Minister Spiecker schrieb damals die „Welt" — das spätere Verhalten hat dieser Karikatur einigen Auftrieb gegeben —: „Mein Lieber", so sagt — in jener Karrikatur — der Bundeskanzler zu seinem Gegenüber: „Sie brauchen Luftveränderung, Sie müssen ins Ausland." 'Es scheint mir fehl am Platze, so die Auslandsreisen der deutschen Politiker aufzufassen. Eine Reise, die nicht ausgewertet worden ist, die lediglich dazu dient, entweder jemandem gefällig zu sein oder einen lästigen Politiker abzuschieben auf mehr oder weniger Zeit, gehört nicht in den Rahmen eines ernsthaften Aufbaues einer neuen deutschen Außenpolitik.
— Ich spreche nicht von Herrn Spiecker, ich spreche von der Außenpolitik.
— Ich pflege meine Protokolle nicht zu ändern; ich
weiß nicht, ob das bei Ihnen Sitte ist, Herr Kollege.
Die Zusammensetzung des Amtes selber gibt aber auch Veranlassung, sich die Dinge einmal näher anzusehen. Wenn man z. B. sich die Stellenpläne unserer Auslandsvertretungen ansieht, dann muß doch auffallen, daß z. B. Luxemburg mit fünf Dezernentenstellen statt früher 2, Sidney 9 statt früher 2, Oslo 9 statt früher 3, Montreal 9 statt früher 3, Brüssel 10 statt früher 4, Den Haag 10 statt früher 3, Santiago 10 statt früher 4 Dezernentenstellen dastehen. Woher diese ungeheure Aufblähung? Jawohl, ich weiß, man wird sagen, das macht die Neueinführung der Stellen von Sozialattachés, von Wirtschaftsattachés. Aber doch nicht die Verdreifachung! Das erscheint mir absolut überflüssig und übersetzt. Und wenn man dann in den Beneluxstaaten diese Verdreifachung in jedem Staate vornimmt, so scheint mir die Möglichkeit absichtlich außer acht gelassen zu sein, daß man hier eine Koppelung mehrerer Länder oder mehrerer Referate vornehmen könnte. Nach meiner Meinung haben wir nicht das Geld zur Verfügung, um auf diese Art und Weise Posten zu besetzen. Es drängt sich geradezu der Gedanke auf: Wem soll damit ein Gefallen getan werden, wer soll denn alles dahingeschickt werden? Hat man hier Stellen gemacht der Reflektanten wegen, oder was ist da vor sich gegangen?
Ähnlich verhält es sich mit der Frage, die ich auch noch anschneiden möchte, die in der Öffentlichkeit sehr diskutiert worden ist, die besser nicht
diskutiert worden wäre und deren Diskussion vermieden worden wäre, wenn der Kanzler mit der gebotenen Schnelligkeit reagiert hätte. Es ist vom Vatikan schon als erstem Staat ein diplomatischer Vertreter nach hier gesandt worden. Die Beantwortung hat solange auf sich warten lassen, daß sich inzwischen eine leidige Debatte über die Konfession des Vertreters erhoben hat. Abgesehen von der Unhöflichkeit und Unangemessenheit dieses Zögerns sei nun einmal auf diese Frage selbst eingegangen. Es ist von dem Herrn Bundestagspräsidenten, der dabei aus der Reserve herausgegangen ist, die seinem Amte an sich angemessen erscheint, vorgetragen worden, es entspreche einer alten und bewährten Tradition, daß der Inhaber dieser Stelle Protestant sein müsse. Ich betone das Wort „müsse". Welchen Bekenntnisses er ist, ist mir überhaupt gleichgültig. Ich behaupte nicht, es müsse ein Katholik sein. Ich wehre mich aber gegen \\die Behauptung, es dürfe kein Katholik sein. Das verstößt gegen das Grundgesetz.
Nun gehen wir einmal auf die Tradition ein. Eine solche Tradition besteht nämlich gar nicht. Es gibt eine preußische Tradition, und diese hat sich schlecht bewährt. Es ist manchem im Hause sicher bekannt, welchen Zusammenstoß z. B. der preußische Gesandte von Niebuhr seinerzeit — es ist lange her — wegen seiner Unkenntnis der katholischen Gebräuche im Vatikan gehabt hat. Aber davon abgesehen, es gab neben dem preußischen dann einen bayerischen Gesandten, und der war ebenso konsequent katholisch wie der preußische evangelisch war. Erst seit jüngster Zeit, nämlich erst in der Weimarer Republik, seit dem Konkordat wurde die Stelle eines Reichsbotschafters beim Vatikan eingerichtet, und erst von da an könnte man von einer Tradition sprechen — abgesehen davon, 'daß Bismarck einmal den Kardinal Hohenlohe zum Gesandten machen wollte, was aber der Papst seinerseits nicht wünschte; aber nicht grundsätzlich nicht wünschte, sondern weil er nicht einen Kardinal in dieser Stellung haben wollte. Man hat auch behauptet, der Vatikan habe sich gegen einen katholischen Gesandten gewehrt. Das ist auch nicht wahr. Der Vatikan hat ausdrücklich erklärt, daß er keinen Wert auf das Bekenntnis lege. Man könnte also höchstens von einer Tradition von der Weimarer Zeit an sprechen. Diese Zeit ist aber viel zu kurz, als daß sigh in ihr hätte eine Tradition bilden können.
Um was für Angelegenheiten handelt es sich nun bei den Fragen, die vor dem Vatikan vertreten werden müssen? — Doch grundsätzlich nicht um Fragen von Protestanten, sondern in erster Linie umkatholische Angelegenheiten, die dortverhandelt werden sollen. Und ferner handelt es sich um ein durchaus katholisches Milieu, so daß auch aus sachlichen Gründen durchaus der Standpunkt vertretbar wäre, ein Katholik sei eher dafür zu bevorzugen.
— Nein, ich habe ja gesagt, daß man das schon einmal überlegen müßte, ob nicht aus sachlichen Gründen der Standpunkt, der anderen Seite unvertretbar ist.
— Ich habe das präzise genug gesagt, gnädige Frau.
Im übrigen ist die Geschichte ja nun doch langsam durch die Hin- und Her-Überlegungen so peinlich geworden.
— Nein, nein, der Bundestagspräsident, hat damit angefangen; und es wird mir gestattet sein, auch meine Meinung dazu zu sagen, wenn er das in einer öffentlichen Versammlung als dem dafür nicht zuständigen Gremium erörtert hat.
Im übrigen wird die Politik hier in Bonn gemacht, und der jeweilige Botschafter hat sie dort nur zu vertreten. Wir beziehen uns auf das Grundgesetz, das den Zugang zu den Beamtenstellen für jedermann freihält, der die sachliche und fachliche Eignung mitbringt, ohne Rücksicht auf das Bekenntnis. Deswegen wehren wir uns gegen den Gedanken, daß irgendeinem wegen seines Bekenntnisses irgendeine Stellung verschlossen werden und verschlossen bleiben soll.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Fürst zu Oettingen-Wallerstein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter den Haushaltsplänen, die jetzt zur Debatte stehen, erregt das nunmehrige Auswärtige Amt das allergrößte Interesse, ein Amt, das wir nunmehr aufbauen können, nachdem der dornenvolle Weg zur deutschen Souveränität uns dazu in die Lage versetzt hat, ein Amt, das ich mir genau so gut unter der Bezeichnung „Ministerium der auswärtigen Angelegenheitere" vorstellen könnte. Bei aller Achtung vor Tradition würde dieser Ausdruck vielleicht noch besser .der Tatsache des neuen Staatsaufbaues entsprechen.
Was den Etat des Auswärtigen Amtes anbelangt, so kann ich natürlich nicht wie mein Vorredner in solche Details einsteigen und soviel aus der Personalpolitik, die ja eigentlich erst im Anlaufen ist, zum besten geben. Meine Freunde und ich sind der Ansicht, daß das Auswärtige Amt nunmehr raschestens aufgebaut werden muß, selbstverständlich ohne übertriebenen Personalaufwand. Wir halten es auch für zweckmäßig und notwendig, daß der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes ständig am Sitz der Bundesregierung weilt und nicht zu stark durch Verhandlungen im Ausland in Anspruch genommen ist. Wir haben zur Kenntnis genommen, daß in diesem Auswärtigen Amt zwei politische Abteilungen geschaffen werden sollen, eine Angelegenheit, die dann wohl gutgehen kann, wenn sie, wie hier heute auch schon angeregt wurde, unter der Leitung eines politischen Unterstaatssekretärs steht. Diese Anregung wurde bereits von meinen Fraktionsfreunden im Ausschuß gegeben.
Wir sind auch der Ansicht, daß für das Auswärtige Amt entsprechend den besonderen Verhältnissen des auswärtigen Dienstes eine gesonderte Besoldungsordnung bestehen müßte, wie sie früher bestanden hat und wie sie meines Wissens auch in anderen Staaten besteht. Wir sind der Ansicht, daß die wichtigen diplomatischen Posten nunmehr baldigst besetzt werden müssen, und zwar mit Persönlichkeiten, die ohne Rücksicht auf ihre Parteizugehörigkeit nur nach ihrer Eignung ausgewählt werden. Sprachkenntnisse, Weltgewandtheit, Erfahrungen in wirtschaftlichen und sozialpolitischen
Fragen und Angelegenheiten müssen dabei den Ausschlag geben.
Auf keinen Fall können Persönlichkeiten für den Auswärtigen Dienst in Frage kommen, die den Nationalsozialismus gestützt haben oder die sonst aktive Nazis waren.
Meine Freunde von der Bayernpartei werden dem Etat des Bundeskanzleramts und des Auswärtigen Amtes zustimmen,
und zwar aus der Erkenntnis, daß wir dank der Politik des Herrn Bundeskanzlers Fortschritte auf dem Wege zur Erringung der deutschen Souveränität und zur Schaffung unserer Existenzgrundlagen gemacht haben. Wir sehen einen Fortschritt in dem Beitritt Deutschlands und der deutschen Regierung zum Europarat als gleichberechtigtes Mitglied und in der Aufnahme der deutschen Regierung in den Ministerausschuß des Europarates. Wir sind uns darüber klar, daß der Weg, der über den Europarat zum -vereinigten Europa führt, ein dornenvoller sein wird, daß er nicht frei von Rückschlägen sein wird und sein kann. Wir sind aber überzeugt, daß das der einzig richtige Weg ist, und wir hoffen in diesem Sinne, daß nunmehr keine europäische Entscheidung ohne Deutschland getroffen werden kann.
Wir sehen einen Schritt auf dem Wege zur europäischen Einigung und Verständigung auch im Abschluß des Schumanplans, wenn auch sorgenvolle Gedanken diesen Plan begleiten mögen. Dieser Plan und seine Durchführung werden aber unserer Überzeugung nach erst dann für uns von Nutzen sein, wenn, wie es in der Präambel heißt, did Vertragschließenden ehrlich entschlossen sind, an die Stelle der jahrhundertealten Rivalität einen Zusammenschluß ihrer wesentlichen Interessen 'zu setzen und den Grundstein für eine weitere und vertiefte Gemeinschaft unter den Völkern zu legen. Die Durchführung des Schumanplans wird den Grundsatz unter Beweis stellen, und wir müssen erwarten, daß auf dem Wege der Durchführung des Schumanplans, die ja natürlich auch nicht von heute auf morgen abrollen wird, die Ruhrbehörde baldigst ihre Tätigkeit einstellt und daß die Zeit der Demontage, der Entflechtungspolitik sowie der Produktionsverbote endgültig hinter uns liegt.
Wir verkennen in keiner Weise und haben es immer begrüßt, daß der Herr Bundeskanzler mit aller Deutlichkeit alle Drohungen und alle Ansinnen, die vom Osten kamen, entschieden abgelehnt hat und daß er stets die Zugehörigkeit Deutschlands zum christlichen Abendland betont hat.
Wir begrüßen es, daß hinsichtlich der Besatzungskosten und des Besatzungsstatutes, d. h. bezüglich der Umwandlung des Besatzungsstatutes in einen vertragsrechtlichen Zustand zwischen gleichberechtigen Partnern Besprechungen, angebahnt sind, und wir hoffen, daß diese Verhandlungen energisch vorwärtsgetrieben. werden. Auch im Austausch von Ministerbesuchen, insbesondere im Besuch des englischen Außenministers, sehen wir ein sehr begrüßenswertes Zeichen, ganz besonders, da ja von seiten Englands der europäische Gedanke nur zögernd aufgenommen wurde.
Wenn wir somit dem Herrn Bundeskanzler auf diesem Wege folgen, so erwarten wir ebenso,-daß unsere Erwartungen von seiten der Besatzungsmächte nicht allzu sehr enttäuscht werden,
und daß das deutsche Volk in allen Lebensfragen, wie der Durchführung des Schumanplanes, den Besatzungskosten und auch den Flüchtlingsfragen, nicht zu sehr enttäuscht wird. Denn tritt eine tiefgehende Enttäuschung ein, dann darf man sich nicht wundern, wenn radikale Strömungen hochkommen
— mag man sie rechts- oder linksradikal nennen — und Oberwasser bekommen, und wenn sich dann eine Entwicklung anbahnt, die gerade das Gegenteil von dem ist, was wir Anhänger einer europäischen Verständigung anstreben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst einige Bemerkungen zu dem Etat als solchem machen, wobei ich wirklich außerordentlich bedaure, daß mein sehr verehrter Vorredner, Herr Dr. Reismann, sich nicht die Mühe genommen hat, an den Etatsberatungen im Haushaltsausschuß selber teilzunehmen. Er würde dann vielleicht in manchen Dingen zu einem anderen Urteil gelangt sein, vor allem was seine Zahlennennungen anlangt, die er am Schluß über die Besetzung der deutschen Auslandsposten im Vergleich zu früheren Jahren gemacht hat. Insgesamt gesehen haben wir uns eine sehr große Mühe gegeben, gerade diesen Punkt sehr aufmerksam a durchzusehen und dafür zu sorgen, daß keine übermäßigen Planstellen bei, den Auslandsvertretungen 'angesetzt werden. Ich glaube, daß in dieser Beziehung die Regierungskoalition und Opposition sich durchaus einig waren und auch erfolgreich dafür gesorgt haben, daß eine solche Überziehung des Etats nicht stattfand.
— Herr Schoettle, wir haben doch so vernünftig miteinander zusammengearbeitet.
— herr Schoettle, aber wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus; das wissen Sie doch ganz genau. Man darf nicht immer zuerst schießen und man soll dann nicht erwarten, daß die anderen nicht zurückschießen werden. Es ist unchristlich, so etwas zu verlangen.
— Unterbrechen Sie mich doch bitte jetzt nicht. Lassen Sie mich bitte zu Ende reden. Ich habe Ihnen doch nichts getan.
Wir wollen uns zunächst noch mit dem Etat selbst auseinandersetzen, ehe ich noch auf andere Dinge zu sprechen komme. Herr Schoettle, wir waren uns im Ausschuß lange darüber im Zweifel, welche Methode bei dem Aufbau des Auswärtigen Amtes die bessere ist; ob wir uns darauf konzentrieren sollten, den alten Aufbau des Amtes von 1933 mit den sechs Abteilungen wiederherzustellen, oder ob wir in Anbetracht des unbestreitbaren Bedürfnisses der Bundesregierung eine Art von „brain trust", eine Art von Mannschaft schaffen sollten, die dem
ungeheuren Ansturm an Versammlungen, an Konferenzen, an internationalen Tagungen gewachsen ist. Es ist notwendig, hier festzustellen, daß in den ersten Monaten dem Bundeskanzler bei weitem nicht die Männer zur Verfügung gestanden haben, die notwendig gewesen wären, um bei allen internationalen Konferenzen und Besprechungen den Bund gültig und ausreichend zu vertreten. Es wird unser Anliegen sein — wir glauben, die Frage im Haushaltsausschuß einigermaßen zufriedenstellend gelöst zu haben —, gerade jetzt dem Außenminister eine hinreichend große Zahl von Planstellen zur Verfügung zu stellen, die ihn befähigen, auf den internationalen Konferenzen der nächsten Zeit und bei den europäischen Besprechungen richtig und ausreichend vertreten zu sein. Ich glaube, daß das ein Fortschritt sein wird.
Meine Freunde und ich haben uns dagegen nicht dazu bequemen können, dem Vorschlag, die Abteilungen II und III unter einen Unterstaatssekretär zu stellen, zuzustimmen, und zwar aus folgendem Grund. Bei der heutigen Überfülle von Konferenzen aller Art muß der Unterstaatssekretär auch zeitweilig abwesend sein. Es ist heute schon so, daß jede der beiden Abteilungen ein solches Übermaß an Arbeit mit sich bringt, daß die direkte Unterstellung unter den Staatssekretär nur dazu geführt hätte, daß die beiden Abteilungen sich vollständig selbständig machen und der Staatssekretär die Kontrolle über sie verliert. Vergessen Sie doch nicht: wir haben es hier mit einem Ministerium zu tun, das zahlenmäßig das weitaus größte aller Ministerien ist und das mit den auswärtigen Vertretungen ungefähr so stark sein wird, wie drei der nächststarken Ministerien zusammengenommen. Schon die bloße Beherrschung des Verwaltungsapparates eines solch großen Ministeriums erfordert einen ungeheuren Aufwand auch an höheren Beamten. Wir haben uns erst nach sehr gründlichen Überlegungen dazu entschließen können, dem Apparat des Auswärtigen Amtes die notwendigen B 4-Stellen zu bewilligen. Infolgedessen halte ich den Antrag der Opposition, eine von den B 4-Stellen, eine Ministerialdirektorstelle, zu streichen, für unzweckmäßig und sachlich nicht ausreichend begründet.
Nun möchte ich noch zu allen anderen Punkten, die wir im Haushaltsausschuß behandelt haben und die alle angehen, ausführlich Stellung nehmen. Wir haben von seiten der Bundesregierung gehört, daß sie sehr erhebliche Anstrengungen gemacht hat, um ausländischen Missionen in unserem Lande zu einer würdigen und zweckentsprechenden Unterkunft zu verhelfen. Leider haben wir zu unserem Bedauern nicht gehört, daß auch im Auslande entsprechende Anstrengungen zur Unterbringung unserer Leute gemacht worden sind.
Ich glaube, wenn wir heute als gleichberechtigte Nation ein solches Entgegenkommen von den anderen erwarten, die bei uns hier in Bonn erscheinen und mit Freude und Freundschaft von uns aufgenommen werden, ist das kein unbilliges Verlangen, und wir hätten gerade in Anbetracht der ungeheuren Wohnungsnot, wie sie in fast allen ausländischen Hauptstädten heute herrscht, durchaus einen Anspruch darauf, nicht nur unsere Gebäude wieder zurückzuerhalten, sondern darüber hinaus auch diejenige Hilfe bei der Unterbringung unseres Personals zu erhalten, die das Gebot der Gastfreundschaft auch den anderen Nationen auferlegen sollte.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch einen anderen Appell an das Ausland richten. Wir sind, obwohl wir ein Auswärtiges Amt bereits wieder haben, noch nicht im Besitz der wichtigsten Archive und Akten des früheren Auswärtigen Amtes. Wir haben wohl die sehr kostbare Bibliothek des Auswärtigen Amtes in Stärke von ungefähr 60 000 Bänden zurückerhalten, aber wir haben noch nicht die Personalakten zurückbekommen, obwohl ein technisch so ausgezeichnet funktionierendes Amt wie das Foreign Office sich die Fotokopien längst angeschafft haben wird, deren es zu bedürfen glaubt. Ich glaube, daß heute kein Hindernis mehr bestehen sollte, uns diese Archive und Akten zurückzugeben, damit der Geist der Freundschaft und Zusammenarbeit auch an solcher Geste deutlich sichtbar wird.
Noch ein anderer Punkt. Wir haben längst nicht das Maß an voller Souveränität in der Ausübung unserer Paßrechte, wie wir es alle wünschen würden.
Wir haben von seiten der Regierungsparteien und einer Reihe anderer Parteien, die sich angeschlossen haben, einen Antrag eingebracht — leider hat sich die Opposition diesem Antrag nicht angeschlossen—, mit dem wir die Bundesregierung ausdrücklich gebeten haben, auf eine Revision der sogenannten schwarzen Listen zu drängen. Ich halte die Existenz dieser schwarzen Listen in der jetzigen Form für unerträglich für uns. Ich halte es für unerträglich, daß ohne eine Nachprüfung durch unsere eigenen Behörden ungefähr 15 000 Menschen
— nein, es sind 15 000 —, unter denen sicher manche sein werden, in deren Ablehnung wir uns alle einig sind, kein deutsches Visum erhalten dürfen. Es werden viele Tausende darunter sein, für die eine Paßverweigerung in jedem Fall nicht nur eine unbillige Härte, sondern eine große Ungerechtigkeit bedeutet.
— Nein, ich glaube nicht, Herr Professor, daß sie damit wegfallen. Nach meinen Informationen sind sie leider noch in vollem Schwang.
Ich möchte in diesem Zusammenhang etwas anderes erwähnen, was vielleicht wenige Menschen wissen. War es notwendig, uns solange die Ausübung unseres Paßrechts vorzuenthalten? War es z. B. in der Schweiz notwendig, mit den sehr großen einkommenden Mitteln dem dortigen Leiter der auswärtigen Stelle, die über die Einreise nach Deutschland verfügt hat und an Stelle der deutschen Bundesrepublik Paßgebühren erhoben hat, ein Jahresgehalt von 230 000 Schweizer Franken auf unsere Kosten auszusetzen? Wir sehen hierin einen Mißbrauch der Mittel, die zugunsten der deutschen Bundesrepublik eingekommen sind. Wir haben leider von diesen Mitteln, die in sehr großem Umfang im Ausland für die Erteilung von Pässen in die Bundesrepublik in unserem Auftrag eingenommen worden sind — es handelt sich hier um viele, viele Millionen —, in unserem Haushalt nur einen Betrag vón 1,17 Millionen DM wiedergefunden. Ich glaube, ich spreche im Namen der überwältigenden Mehrheit dieses Hauses, wenn ich die Forderung erhebe, daß die vielen, vielen anderen Millionen auch noch an uns zurückgegeben werden. Denn sie stehen uns rechtmäßig zu. Wir dürfen mit guten juristischen Gründen eine Rückerstattung dieser Beträge erwarten.
Lassen Sie mich noch einiges zu den mir unverständlichen Beanstandungen hinsichtlich der etatsmäßigen Eingliederung des Rechtsberaters Professor Kaufmann sagen. Wir haben uns sehr darüber gewundert, daß einer so verdienten Persönlichkeit und einem so ausgezeichneten Kenner des internationalen Rechts — ich möchte beinahe sagen, es ist der letzte, der uns noch geblieben ist — bei der Abstimmung im Haushaltsausschuß von seiten der Opposition derartig viele Schwierigkeiten bereitet worden sind. Selbst wenn man rein etatsrechtliche Bedenken haben" könnte, so sind wir uns, glaube ich, alle darin einig, daß wir dem Bundeskanzler in dem ungeheuer schwierigen rechtlichen Kampf um die Wiederherstellung der deutschen Selbstbestimmung jede nur mögliche Hilfe zuteil werden lassen sollten. Das sollte ein Anliegen sein, das Regierungskoalition und Opposition miteinander vereinigt.
Wir haben im Etat zu unserem Erstaunen die Stelle eines Oberregierungsrats vorgefunden, der die Pressebetreuung des Auswärtigen Amtes wahrnehmen sollte. Ich habe in den Etatsberatungen darauf hingewiesen, daß wir die reichliche Ausstattung der Auswärtigen Abteilung des Bundespresse- und Informationsamtes nur unter dem Gesichtspunkt bewilligt haben, daß eine rechtzeitige Verständigung zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Bundespresse- und Informationsamt über eine gemeinsame Zusammenarbeit stattfinden sollte. Wogegen wir uns mit aller Schärfe' wenden sollten, wäre der Neuaufbau einer neuen zweiten Presseabteilung neben der Bundespresse- und Informationsabteilung im Auswärtigen Amt. Die Bundespresse- und Informationsabteilung ist mit Personal reichlich genug ausgestattet, um diese Funktionen ausüben zu können. Wir wünschen hier keine neue Parallelität. Ich glaube, es liegt durchaus innerhalb der Organisationsgewalt der Bundesregierung, eine solche Regelung beizeiten und in voll ausreichendem Maße herbeizuführen.
Ich möchte jetzt noch einiges zu dem sagen, was heute innerhalb der — ich glaube doch, zum ersten Mal wirklichen — Debatte in diesem Hause über auswärtige Dinge gesagt worden ist. Ich finde, daß eine solche Debatte überaus belebend wirkt. Ich glaube, wir hatten alle 'den Eindruck, daß trotz der späten Stunde die bewunderungswürdige Frische unseres Herrn Bundeskanzlers und Außenministers für unsere junge Demokratie einen Beitrag geliefert hat, der wahrscheinlich auch der Opposition einige Achtung abnötigen wird. Lassen Sie mich zunächst zu einer Forderung Stellung nehmen, die völlig unbegreiflicherweise von Ihrer Seite aus hier erhoben worden ist. Es ist von Ihrer Seite der Ruf ertönt: „Wir wollen keinen spanischen Botschafter bei uns sehen." Gestatten Sie, daß ich auf folgendes aufmerksam mache. Wenn Sie konsequent handeln wollen, dann hätten Sie mit dem gleichen Recht dagegen protestieren müssen, daß eine deutsche Handelsmission nach Jugoslawien geht. Ich weiß nicht, welchen Unterschied Sie zwischen einer kommunistischen Tito-Regierung und einer falangistischen spanischen Regierung machen wollen. Ich begreife diesen Unterschied nicht; hier liegt ein Mangel an Logik bei Ihnen vor.
Ich möchte hier im Namen meiner Freunde mit allem Nachdruck erklären, daß ein spanischer Botschafter uns willkommen ist.
Vielleicht haben viele der Herren, die heute hier so stark gegen das jetzt in Spanien herrschende Regime in die Opposition gegangen sind, dabei eines nicht bedacht. Ich selber habe im Jahre 1936 die rauchenden Kirchen in Malaga, in Cordoba und in anderen Städten gesehen. Ich habe damals gesehen, was die sogenannte republikanische Regierung vorher in diesem Lande geduldet hat. Aber ich habe damals von Ihrer sozialistischen Seite keinen Protest gegen diese rauchenden Kirchen gehört.
Wir wollen uns heute über diese Dinge nicht mehr auseinandersetzen. Ich will heute nur ins Gedächtnis zurückrufen, was damals war. Sie werden aus dem Unrecht kein Recht machen.
Ich möchte jetzt noch zu folgenden Dingen Stellung nehmen. Als wir uns 1948 anschickten, die ersten Grundsteine für die deutsche Bundesrepublik zu legen, kam es zu der historischen Konferenz auf dem Rittersturz.
Auf dem Rittersturz waren damals als 'die ersten Sprecher der damals noch nicht existierenden deutschen Bundesrepublik die Ministerpräsidenten der 11 deutschen Länder, unter ihnen auch eine ganze Anzahl sozialdemokratischer Ministerpräsidenten, anwesend. Damals auf dem Rittersturz wurden die meisten außenpolitischen Wechsel mit unterzeichnet, die heute eingelöst werden müssen. Herr Professor Carlo Schmid, ich darf mich auf Ihr ausgezeichnetes Gedächtnis berufen. Sie waren es, der damals am Rittersturz die Konsequenz dieses Weges voll erkannte.
— Aber Sie wissen auch, daß damals die Mehrheit einschließlich Ihrer Fraktions- und Parteifreunde diesem Weg zugestimmt hat, diesem Weg, den Sie vielleicht damals in der Hoffnung gegangen sind, eine sozialistische Mehrheit in diesem Bundestag zu erreichen.
Wenn diese Hoffnung Sie getrogen hat, dann sollten Sie sich der Inkonsequenz des heute verfolgten Kurses wenigstens bewußt sein. Was man damals einmal bejaht hat, kann man heute nicht auslöschen. Ich fand es, am Rande bemerkt, auch ein wenig komisch, Herr Abgeordneter Luetkens, wenn ich Sie heute als leidenschaftlicher Vorkämpfer der föderativen Paragraphen unseres Grundgesetzes auftreten sah. Da ich die Dinge damals am Rittersturz miterlebt habe, möchte ich hierzu folgendes sagen. Ihre Haltung in der Außenpolitik möchte uns manchmal zu der Annahme führen, als fürchteten Sie beinahe, daß noch in diesem Jahr das Besatzungsstatut durch den Sicherheitsvertrag abgelöst wird und die Unterschrift unter diesen ungeheuren Fortschritt unserer Außenpolitik den Namen Dr. Adenauer tragen könnte.
Als wir uns für diese Debatte rüsteten, habe ich Gelegenheit genommen, in unserem leider noch so jämmerlichen Archiv hier die Bände des alten Reichstags aus den Jahren 1921 bis 1932 durchzusehen. - Sie sind leider nicht vollständig da. Ich hatte einige Reden in der Hand, die Hugenberg und andere Herren seinerzeit gehalten haben. Es würde nicht schwer sein, wenn ich diese Bände da
hätte, heute Parallelen wachzurufen, die für Sie verdammt peinlich wären.
— Es tut mir leid: wenn Sie mit diesen Dingen anfangen, muß Ihnen darauf auch entsprechend geantwortet werden. Ich erinnere mich einzelner Reden, die gegen Stresemann in den Tagen von Locarno gehalten worden sind. Ihre Verlesung hier würde wahrscheinlich sehr nützlich sein, und ich behalte mir vor, die entsprechenden Zitate später einmal beizubringen, die man zu mitternächtlicher Stunde angesichts dieses sehr mangelhaften Archivs nicht beibringen kann.
Ich möchte schließen und Sie nicht eine Minute länger aufhalten, als unbedingt notwendig ist. Wir glauben, daß der Weg, den »wir mit dem Herrn Bundeskanzler gegangen sind, logisch und konsequent war, daß es ein Weg war, den wir alle miteinander gehen mußten. Denn wir hatten seinerzeit, als wir uns 1948 bereit erklärten, auf die Beschlüsse der Londoner Konferenz einzugehen, keine andere Möglichkeit, als diesen Weg Schritt für Schritt voranzugehen.
Wir wollen uns doch eines gestehen: Hat jemand in diesem Hause, als wir zusammentraten, jemals zu hoffen gewagt, daß wir in zwei Jahren bereits so weit sein werden, die Ablösung des Besatzungsstatuts durch einen Sicherheitsvertrag zu erhoffen? Seien wir doch ehrlich in dieser Beziehung! Niemand von uns wagte damals überhaupt an einen solchen schnellen Fortschritt zu denken.
— Was Sie da drüben ,,faulen Zauber" nennen, Herr Fisch, das sollten Sie Ihren eigenen Leuten drüben in der Ostzone zu erzählen wagen, Sie Nutznießer der demokratischen Freiheit hier auf unserem Boden.
Ich möchte mit den Worten schließen, daß wir uns sicher alle freuen, daß wir überhaupt wieder ein Auswärtiges Amt haben, daß wir damit in eine neue Epoche eingetreten sind. Lassen Sie mich mit dem Wunsche schließen, daß es dem Herrn Bundeskanzler gelingen möge, noch in diesem Jahre die Verkündung der Beendigung des Kriegszustandes hier in diesem Lande herbeizuführen und die Ablösung des Besatzungsstatuts durch den Sicherheitsvertrag und damit »den entscheidenden Schritt zur Wiedererringung der deutschen Selbstbestimmung zu vollziehen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ollenhauer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tatsache, daß der Herr Bundeskanzler in Erwiderung auf die Sprecher unserer Fraktion eine Reihe von allgemeinen Bemerkungen über die Außenpolitik und das Verhältnis zwischen Regierung und Opposition auf dem Gebiete der Außenpolitik gemacht hat, veranlaßt mich, hier noch einige Ausführungen zu machen, obwohl ich bedaure, daß ich sie in so später Stunde machen muß.
Ich möchte zunächst eine einzige Bemerkung zu der vorangegangenen Debatte machen, insbesondere zu den so temperamentvollen und leidenschaftlichen Ausführungen des Herrn Dr. Wuermeling über die Entartung der politischen Auseinandersetzung..Seine vernichtende Kritik hat sich hier vor allem an der sogenannten Brotkarte entzündet, die von der Sozialdemokratischen Partei als Propagandamaterial herausgegeben wurde und die die Bundesregierung veranlaßt hat, mit einem Strafantrag gegen diese gefährliche Propagandakarte vorzugehen.
Es hat mich und meine Freunde etwas amüsiert, daß Sie, Herr Dr. Wuermeling, mit solcher Leidenschaft gerade dieses Propagandaobjekt der SPD hier zum Gegenstand Ihres Angriffs gemacht haben.
— Gut, gut, das hat mir als Schlußabsatz dieser Ihrer Kritik gerade noch gefehlt. Ich will Ihnen jetzt sagen, warum wir eine solche stille Freude
— größer, als Sie jetzt haben werden — bei Ihren Ausführungen gehabt haben. Diese Brotkarte der SPD hat nämlich einen Vorläufer, und dieser Vorläufer ist noch interessanter als unsere Imitation, die für jedermann als solche zu erkennen ist, und zwar handelt es sich um diese Lebensmittelkarte, die einer amtlichen Lebensmittelkarte aus den unseligen Zeiten des „Dritten Reiches" sehr ähnlich sieht.
Und sehen Sie: diese Lebensmittelkarte ist ein Propagandaflugblatt der CDU, Herr Dr. Wuermeling!
— Da ist alles drin, was Sie wünschen!
— Gern: „Frauen! Wollt ihr diese Karte wiederhaben? Dann wählt die SPD mit ihrer Plan- und Zwangswirtschaft!"
— Sehen Sie, Herr Dr. Wuermeling, so kommt es,
wenn man sich über eine Sache ereifert, von der man im Grunde selbst weiß, daß sie diesen Aufwand an Entrüstung nicht verdient oder daß man bei den Wahlmethoden der eigenen Partei besser etwas vorsichtiger sein sollte.
Ich wünschte nur, daß Sie das Band, auf dem Ihre Rede hier aufgenommen worden ist, vor den Funktionären Ihrer CDU in Hessen laufen ließen, damit diese einmal die ganze Leidenschaft Ihres Protestes gegen solche Wahlmethoden unmittelbar erleben könnten.
— Ja, natürlich! Ich glaube, ich kann es dem Hohen Hause überlassen, sich darüber ein Urteil zu bilden. Mir genügt die Feststellung, daß mit dieser Art von Propaganda nicht von der SPD, sondern von der hessischen CDU begonnen worden ist.
— Das ist Ihnen etwas spät eingefallen, Herr Kollege Wuermeling!
Ich möchte jetzt, was mir viel wesentlicher erscheint, etwas zu den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers sagen, die sich mit der Außenpolitik der Regierung und dem Verhältnis der Opposition zu dieser Außenpolitik beschäftigt haben. Der Herr Bundeskanzler hat, wie er es im Laufe solcher Auseinandersetzungen leider schon bei verschiedenen Gelegenheiten getan hat, seine Bemerkungen über seine Außenpolitik und sein Urteil über die Position der sozialdemokratischen Opposition in sehr feierliche Worte gekleidet. Er hat auch heute abend davdn gesprochen, er wolle an die Opposition und an die deutsche Öffentlichkeit ein ernstes Wort als Deutscher richten.
Er hat hinzugefügt, es liege ihm daran, hier einmal darzustellen, wie rein negativ und um rein parteipolitischer Vorteile willen die Sozialdemokratische Partei in Deutschland die Außenpolitik der Bundesregierung bekämpfe.
Meine Damen und Herren, Sie haben durch Ihren
stürmischen Beifall schon zu erkennen gegeben,
daß Sie von den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers außerordentlich stark beeindruckt waren.
Vielleicht liegt es aber im Wesen einer parlamentarischen Debatte, daß man seine Begeisterung einmal auf eine Viertelstunde zurückdrängt, um der anderen Seite die Möglichkeit zu einer sachlichen Bemerkung dazu zu geben.
Ich will Ihnen folgendes sagen: Mich hat nicht diese Pathetik, die zum Teil in den Worten des Herrn Bundeskanzlers lag, beunruhigt, sondern was mich wirklich beunruhigt — und ich sage das ganz offen —
um der gemeinsamen Sache willen, um deretwillen wir hier sind, — —
— Ja, meine Damen und Herren, wenn Sie solche Ausführungen nicht hören wollen, dann brauchen wir in diesem Parlament überhaupt keine Auseinandersetzung zu führen!
Was mich beunruhigt, ist, daß mir diese Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers ein Beweis dafür zu sein scheinen, daß wir in der Beurteilung der gegenseitigen Positionen uns viel weniger verstehen und im Grunde viel weiter voneinander entfernt sind, als es nach den Auseinandersetzungen in der einen oder anderen Frage in der Praxis zutage tritt. Ich möchte darüber einige Bemerkungen machen.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, der Unterschied liegt nicht in der Bewertung der einzelnen Maßnahmen; er liegt in der Beurteilung der Methode und des sachlichen Ausgangspunktes der Außenpolitik der Regierung und unserer Vorstellung von kußenpolitik. Lassen Sie mich zur Frage der Mehode ein Wort sagen. Der Herr Bundeskanzler hat heute eine polemische Bemerkung gemacht: „Sie wissen ja" — zu uns Sozialdemokraten gewandt — „am besten, welche bitteren Wahrheiten Ihnen am Anfang dieser Woche auf der Konferenz der sechs sozialistischen Parteien in Brüssel über den Schumanplan gesagt worden sind."
— Ich habe das zitiert!
Ich muß Ihnen dazu sagen, daß ich diese Kenntnis aus den Verhandlungen nicht habe und daß leider der Herr Bundeskanzler die Quelle nicht genannt hat. Die Konferenz dieser Vertreter der sechs sozialistischen Parteien der Schumanplanländer war hinsichtlich des Standpunktes der sozialistischen Parteien in diesen sechs Ländern, der. durchaus nicht in allen Punkten der gleiche ist, außerordentlich instrukti Als Resultat dieser Aussprache hat sich herausgestellt, daß fast alle der sechs sozialistischen Parteien eine ganze Reihe von ernsten Einwänden gegen den jetzigen Schumanplan haben: Es sind sicher nicht die Einwände, die Sie von Ihrem politischen Standpunkt aus akzeptieren würden; aber es sind Einwände, die in den beteiligten sechs Ländern oder in den fünf Ländern außerhalb Deutschlands eine parlamentarische Situation schaffen, über die auch die Mehrheit dieses Bundestages und die Bundesregierung einmal nachdenken sollten.
Wir sind dieser Diskussion durchaus nicht ausgewichen, sondern wir werden weitere Besprechungen darüber haben, weil nämlich der Standpunkt der Sozialdemokratie, wenn ich das hier in Parenthese und vorweg einmal sagen darf, ja überhaupt nicht ein Anti-Schumanplan-Standpunkt aus anti-europäischer Einstellung ist, sondern weil wir uns vorstellen können, daß es auf diesen Gebieten eine effektivere Form der Zusammenarbeit der westeuropäischen Staaten gibt, als sie heute geschaffen ist,
und wir werden sehr ernste Anstrengungen unternehmen, um bis zum Zeitpunkt der Ratifizierung jeden Versuch zu machen, eine solche Zusammenarbeit zustande zu bringen oder vorzubereiten, die unseren Vorstellungen entspricht.
Ich will hier nicht in die Debatte über den Schumanplan eintreten; das werden wir noch in genügender Ausführlichkeit tun können. Was ich hierbei zum Ausdruck bringen wollte, ist meine Kritik an der Methode unserer Außenpolitik und an der Arbeitsmethode unseres Herrn Außenministers und Bundeskanzlers. Meine bescheidene Meinung ist: Die Position der deutschen Bundesrepublik in der Außenpolitik ist so schwierig, daß der Bundeskanzler und Außenminister jede Möglichkeit einer Information über das politische Leben im Ausland, aus welchem Lager immer diese Informationen kommen sollten, für sich in Anspruch nehmen sollte.
Ich bedaure es, daß der einzige Anlaß des Bundeskanzlers, sich mit der Brüsseler Tagung sechs sozialistischer Parteien über den Schumanplan zu beschäftigen, eine polemische Bemerkung in einer Parlamentsdebatte war, während es nach meiner
Meinung für ihn vielleicht auch nützlich gewesen wäre, unabhängig von dieser Parlamentsdebatte einmal einen sozialdemokratischen Teilnehmer dieser Konferenz darüber zu hören, was denn in den anderen Ländern im sozialistischen Lager vor sich geht.
Das ist die Methode, die wir bei der gegenwärtigen Praxis unseres Außenministeriums bedauern.
Lassen Sie mich noch ein zweites Beispiel nennen: die Personalpolitik. Herr Bundeskanzler, es hat niemand bestritten — Dr. Luetkens hat es in seiner Rede ja ausdrücklich erwähnt —, daß Sie der sozialdemokratischen Fraktion zu Händen ihres Vorsitzenden im Herbst 1950 einen Brief mit dem Inhalt geschrieben haben, den Sie erwähnt haben. Aber,- Herr Bundeskanzler, Sie wissen doch genau, daß auf diesen Brief hin im Laufe der darauf folgenden Monate mehrere intensive Besprechungen mit dem Vertreter der Fraktion in dieser Frage mit Ihnen stattgefunden haben. Diese Besprechungen haben zu keinem praktischen Erfolg geführt. Es ist doch eine unbestreitbare Tatsache, daß heute in den Spitzenpositionen der deutschen Auslandsvertretungen wo immer in keinem einzigen Falle ein Sozialdemokrat ist. Meine Damen und Herren, ich unterstreiche noch einmal: Es- geht hier nicht darum, daß wir nach der Tabelle ausrechnen, wie die einzelnen Fraktionen des Bundestags vertreten sind. Ich meine nur, daß eine Beteiligung aller politischen Strömungen an den Vertretungen im Ausland für jede Regierung, wie immer sie zusammengesetzt ist, einfach eine nationale Notwendigkeit ist, weil ein Mann des Außenamtes von dem Augenblick an, in dem er als unser diplomatischer Vertreter über die deutsche Grenze geht, für alle Deutschen da ist, die in dem betreffenden Lande leben.
Da liegt die Schwierigkeit. Ich will nicht untersuchen, aus welchen Gründen es so ist. Ich will die Dinge hier in keiner Weise im einzelnen vertiefen oder verschärfen. Tatbestand ist: Es ist von der Regierung 'trotz ihrer damaligen prinzipiellen Bereitschaftserklärung in der Praxis kein Schritt geschehen, und wir werden ja, wenn die Dinge jetzt auf der Basis von Gesandtschaften und Botschaften umgebaut werden, sehen, ob sich dann hinter dieser prinzipiellen Erklärung eine praktische Tat zeigt, die diese nach unserer Meinung allgemeine Grundtendenz in der Personalpolitik des diplomatischen Dienstes zum Ausdruck bringt.
Und nun, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, noch folgendes zu dem zweiten Kapitel, dem andern Ausgangspunkt unserer Außenpolitik als dem der Bundesregierung, des Herrnn Bundeskanzlers, zu sagen. Herr Bundeskanzler, ich finde, es stimmt mit den Tatsachen, die wir alle miteinander erlebt und bei deren Gestaltung wir zum Teil zusammengearbeitet haben, nicht überein, wenn Sie hier vor dem Parlament und vor der Öffentlichkeit feststellen, die Politik der Sozialdemokratie auf außenpolitischem Gebiet sei in der ganzen Zeit rein negativ und nur von parteipolitischen Gesichtspunkten bestimmt gewesen. Das entspricht einfach nicht den Tatsachen.
— Bitte; ich bin bereit, solche ,Behauptungen zu
belegen, wenn Sie noch etwas Geduld haben. Herr
Dr. Vogel hat hier eine sehr interessante Erinnerungaufgefrischt, nämlich die Erinnerung an die
Ministerpräsidentenkonferenz bei der Vorbereitung des Grundgesetzes und des Parlamentarischen Rates auf Grund der Londoner Empfehlungen der Außenministerkonferenz.
Ja, Herr Dr. Vogel, jawohl! Damals hat die Sozialdemokratie mitgearbeitet, und wenn Sie sich recht erinnern, wissen Sie, daß die große Bedeutung der Ministerpräsidentenbeschlüsse vom Rittersturz bei Koblenz gerade darin bestand, daß damals alle Minister die These akzeptiert haben, daß wir nicht bereit sind, etwa nach den Wünschen eines Teils der Alliierten ein Definitivum zu schaffen, sondern daß wir uns entschlossen haben, mit Rücksicht auf Berlin und die Ostzone das, was wir heute Bundesrepublik .Deutschland nennen, als ein Provisorium aufzubauen.
Das war damals die gemeinsame Basis, Herr Dr. Vogel, und ich glaube, es hat für die ganze weitere Entwicklung eine große Rolle gespielt. Sie werden doch auch wohl nicht bestreiten, ebensowenig wie der Herr Bundeskanzler, der an den letzten entscheidenden Verhandlungen auf dem Rittersturz ebenso wie ich beteiligt war, daß darin ein sehr bemerkenswerter Beitrag der deutschen Sozialdemokratie lag.
Lassen Sie mich eines hinzufügen. Wir haben auf dieser Linie weitergearbeitet. Meine Damen und Herren, wir sind um den 20. April 1949 sehr heftig von Ihrer Seite angegriffen worden wegen unserer Opposition gegen die damals vorliegenden Beschlüsse der Mehrheit des Parlamentarischen Rats.
Wir haben uns damals gegen die übertriebene föderalistische Forderung der französischen und der amerikanischen Besatzungsmacht gewendet. Wir haben schließlich ein Grundgesetz zustande gebracht, das heute der ersten Bundesregierung dieser Republik ermöglicht, ihre eigentlichen Verwaltungs- und politischen Funktionen überhaupt auszuüben.
Meine Damen und Herren, Sie können darüber streiten, ob unsere Position bei der ersten großen außenpolitischen Auseinandersetzung in diesem Hause, bei der Debatte über das Petersberg-Abkommen, richtig gewesen ist. Aber vielleicht überlegen Sie sich auch einmal, ob und wie die deutsche Position in den vergangenen Monaten bei den Schumanplan-Verhandlungen gewesen wäre, wenn wir das Ruhrstatut und die Ruhrbehörde nicht in dieser Form gehabt hätten.
Oder ein anderes Kapitel. Man hat uns in diesem Hause auch wegen unserer ablehnenden Stellung zum Europarat Vorwürfe gemacht. Aber wir haben gestern hier eine, wie ich glaube, für alle Beteiligten sehr bittere Debatte über unsere Position im Saargebiet gehabt: Vielleicht überlegen Sie sich auch mal, ob diese bedauerliche Zuspitzung der Entwicklung im Saargebiet an einem so dramatischen Punkt für die westeuropäische Entwicklung nicht anders gelaufen wäre, wenn wir im vorigen Jahre in der Forderung, daß die Bundesrepublik nicht auf der gleichen Ebene mit' dem Saargebiet als Beobachter in den Europarat gehen solle, festgeblieben wären.
Vielleicht hätten wir damals uns und dem Saargebiet eine Position geschaffen, die bei vielleicht immer noch verbleibenden Meinungsverschiedenheiten doch nicht zu dieser Überspitzung geführt hätte, die wir heute erleben.
Meine Damen und Herren, ich erinnere Sie an die Diskussion über das Schuldenabkommen. Bitte, Sie können über die Sozialdemokratische Partei in diesen außenpolitischen Fragen sagen, daß sie ihren Standpunkt mit großer Härte und Entschiedenheit vertritt. Sie werden in jedem einzelnen Punkt nicht bestreiten können, daß hinter ihrer Aktion und hinter ihrer Linie immer das Interesse stand, diesem Volke in der Gemeinschaft der europäischen Völker möglichst bald eine starke und selbständige Position zu verschaffen.
Im letzten sind wir vielleicht darin einig. Aber über die Methode und Wege gibt es große Meinungsverschiedenheiten, und das Problem, vor dem wir hier in Deutschland stehen, ist, daß wir in dieser Zeit des Aufbaues unserer außenpolitischen Beziehungen nicht so gegen die Opposition argumentieren können, daß man sagt: ihr habt eine andere Haltung, sie ist negativ, weil' sie nicht die Haltung der Regierung ist.
Nein, es ist nicht möglich, die außenpolitische Linie der Bundesregierung ohne weiteres als die einzig mögliche außenpolitische Linie der Demokratie in Deutschland hinzustellen. Es gibt mehrere Linien. Wir sind davon überzeugt, daß unsere Linie zu einem besseren Resultat geführt hätte. Und, meine Damen und Herren, bitte, bedenken Sie, daß wir nach den bitteren Erfahrungen der letzten zwei Jahre sehr vorsichtig damit sein sollten, das, was uns als die Konsequenz von Unterschriften versprochen wird, schon als bare Münze hinzunehmen.
Es sind eine ganze Reihe von Korrekturen in Deutschland im Zusammenhang mit der Unterzeichnung und Ratifizierung des SchumanplanVertrages in Aussicht gestellt worden. Sie sind bis heute in keinem Punkt realisiert.
— Entschuldigen Sie, Herr Kollege von Brentano! Ich hätte nur gewünscht, daß man hier nicht nur
— wenn man schon diese Fragen anspricht — das aufgezeigt hätte, was uns gegeben werden soll. Es wäre vielleicht nützlich gewesen, in diesem Augenblick hinzuzufügen, was in der Zeit zwischen der Unterschrift in Paris und der möglichen ,Ratifizierung auf deutschem Boden mit alliiertem Rechtsanspruch noch an Vorwegmaßnahmen hinsichtlich der Dekartellisierung und hinsichtlich der Einzwängung der deutschen Wirtschaft einseitig der deutschen Wirtschaft auferlegt wird.
Ich halte es nicht für eine glückliche Methode, hier im Blitztempo — so wie es der Bundeskanzler getan hat — die Außenpolitik Revue passieren zu lassen. Dazu sind die Dinge zu ernst. Mir kam es nur darauf an, daß wir uns an Hand der Erfahrungen gegen die Behauptung wehren, die Politik der deutschen Sozialdemokratie auf außenpolitischem
Gebiet sei vom Standpunkt des nationalen Interesses negativ. Das entspricht nicht den Tatsachen./
Ich darf Sie vielleicht doch noch zum Schluß an eines erinnern. Stellen Sie sich einmal bitte vor — Sie brauchen es hier nicht zu bestätigen —, wie es in dem Kampf um die deutsche Einheit, in dem Kampf um die Gestaltung der Beziehungen eines einheitlichen Deutschland zu den ausländischen Mächten, in dem Kampf gegen die Situation in der Ostzone und in Berlin ohne die positive Leistung der Sozialdemokratie stünde!
Wir wollen keine Prioritäten, wir wollen keine Anerkennung.
Aber wir werden uns mit der äußersten Entschiedenheit dagegen wehren — und das ist der Sinn meiner Ausführungen —, wenn man den Versuch macht, hier die These zur Grundlage der Beziehungen zwischen Regierung und Opposition auf dem Gebiet der Außenpolitik zu erheben, daß, wer die Außenpolitik dieser Bundesregierung nicht billige, negativ eingestellt sei oder nicht national handele. Wir sind der Meinung, daß es in einer Demokratie auch mehrere Variationen der Außenpolitik gibt. Und die Aufgabe einer Bundesregierung und eines Außenministers ist nicht, diese verschiedenen Variationen auseinanderzutreiben, sondern den ,Versuch zu machen, dem gemeinsamen Ganzen zu nützen.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Meine Damen und meine Herren! Ich werde auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Ollenhauer mit dem gleichen Ernste antworten,
der seinen Ausführungen zugrunde lag.
Ich möchte zunächst folgendes zur Personalpolitik feststellen. Ich habe den bekannten Brief geschrieben. Ich habe eine Antwort nicht bekommen. Ich habe später nochmals Schritte unternommen, — ohne Erfolg!
Zum ersten Mal, meine Damen und Herren, hat der Kollege Luetkens vor längerer Zeit mit mir über diese Angelegenheit gesprochen. Er wußte nichts von dem Brief. Ich habe ihm dann von diesem Briefe Kenntnis gegeben. Dann habe ich bis vor etwa acht oder zehn Tagen wieder nichts gehört. Da ist zum ersten Mal eine Besprechung zwischen Herrn Kollegen Luetkens und mir gewesen, die damit geendet hat, daß Herr ,Kollege Luetkens gesagt hat, er werde mir Vorschläge machen. Auf diese Vorschläge warte ich.
Ich bitte also, meine Damen und Herren, davon Kenntnis zu nehmen, daß auf meiner Seite alles geschehen ist, was ich tun konnte, weil ich auch — ich könnte Ihre Worte, Herr Ollenhauer, wiederholen — der Auffassung bin, daß das Auswärtige Amt und die Vertretung Deutschlands im Ausland das Gesicht des heutigen Deutschland widerspiegeln muß,
und weil zu dem Gesicht des heutigen Deutschland die Sozialdemokratische Partei absolut gehört.
Dann, meine Damen und Herren, pflichte ich Herrn Kollegen Ollenhauer in folgendem bei. Im Parlamentarischen Rat haben alle — mit Ausnahme der äußersten Linken — im Wege gegenseitigen Verständnisses einträchtig zusammengearbeitet, und alle waren getragen von dem festen Willen, das Beste für Deutschland herauszuholen, was sich unter gegebenen Verhältnissen herausholen lasse. Und da hat — das ist ganz klar und ist noch von niemandem bestritten worden — die sozialdemokratische Fraktion des Parlamentarischen Rates genau so wie die anderen Fraktionen mitgearbeitet und mit Erfolg mitgearbeitet.
Aber nun, verehrter Herr Ollenhauer, möchte ich Sie doch bitten — damit Sie auch mich richtig verstehen —, sich auch einmal im Stenogramm die Ausführungen des Sprechers der Fraktion, des Herrn Dr. Luetkens, durchzulesen. Alles, was ich gesagt habe, war doch eine Antwort auf die absolut negative Kritik, die auch wieder aus den Ausführungen des Herrn Dr. Luetkens schallte.
Ich will nicht Gesagtes wiederholen; aber lassen Sie mich folgendes aussprechen. Sie nennen es pathetisch, — meinetwegen! Ich möchte aber nicht pathetisch sprechen, sondern ich möchte als Deutscher zu Deutschen sprechen. Warum ist es denn gestern nicht möglich gewesen, daß wir in der Saarfrage zu einer einheitlichen Abstimmung kamen?
Es war hier ein Antrag — ich glaube, von der CDU/CSU-Fraktion oder von den Koalitionsfraktionen, ich weiß es nicht mal genau — vorgelegt worden, der als ersten Satz den Satz enhielt, daß der Bundestag die Erklärung des Bundeskanzlers oder der Bundesregierung billige. Und dann kam: er unterstützt den Antrag der Bundesregierung bei der Hohen Kommission, also mit einem Wort: auf die Gewährung von Freiheit für die Saar.
Ich hatte, wie Sie wissen, meine Herren, Herrn Dr. Schumacher neulich gefragt: Ist es nicht möglich, daß wir in der Saarfrage — wie auch damals im März 1950 — zu einer gemeinsamen Erklärung kommen? Ich wünschte eine solche Erklärung, weil ich weiß, daß eine Erklärung des gesamten Bundestages natürlich einen . viel größeren Eindruck im Ausland macht und infolgedessen auch den Leuten an der Saar besser hilft, als wenn eine große Fraktion des Bundestages nicht mittut. Herr Schumacher hat mir geantwortet, die Frage sei im Vorstand seiner Fraktion angeschnitten worden, es sei das nicht möglich. Ich bin dann darauf nicht weiter eingegangen.
Es kam dann hier der Antrag. Herr Brentano kam zu mir und sagte, er wolle versuchen, Ihre Zustimmung zu bekommen. Er fragte, ob ich damit einverstanden wäre, daß der erste Satz, der die Zustimmung zu der Regierungserklärung zum Gegenstande hat, gestrichen würde. Ich habe sofort gesagt: Bitte, streichen Sie den Satz; mir kommt es darauf an, daß der Antrag der Bundesregierung an die Hohe Kommission die Unterstützung des ganzen Bundestages findet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
war das denn nicht — bitte nehmen Sie es mir nicht übel — etwas beschämend, daß ein solcher Antrag, der doch nichts anderes beinhaltete als eine Unterstützung des Begehrens der Bundesregierung, den Menschen an der Saar die Freiheit zu geben, bei Ihnen Stimmenthaltung fand?
War das noch nötig?
— Herr Luetkens, ich habe, mich heute bei Herrn Ollenhauer entschuldigt, daß ich nicht hier war. Ich war nicht hier, weil ich nicht benachrichtigt worden bin. Ich habe aber heute morgen Herrn Ollenhauer telefonisch angerufen und mich entschuldigt, daß ich bei der Abgabe dieser Erklärung nicht im Saale gewesen bin. Aber, meine Herren, Gründe hin, Gründe her, — ich bin der Auffassung: der Deutsche Bundestag muß in einer solchen Lage zu einer gemeinsamen Erklärung kommen.
Ich will Ihnen nun noch folgendes sagen, meine Herren. Ich weiß, daß Sie genau so gut deutsch fühlen wie ich auch.
— Ach, mit einem Mal? Ich habe das noch nie bestritten.
Ich weiß, daß Sie genau so gut deutsch fühlen wie ich auch, und ich weiß, daß Sie genau so entschlossen sind, sobald und so schnell wie möglich diesem unserem Lande wieder die Freiheit zu verschaffen. Da meine ich doch: es müßte eine Möglichkeit geben, daß wir diesen Weg zusammen gehen. Das sind wir alle miteinander dem deutschen Volke schuldig.
Herr Abgeordneter Dr. Luetkens wünscht eine kurze Erklärung abzugeben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Herr Bundeskanzler hat sich auf eine Unterredung bezogen, die ich vor nicht sehr langer Zeit mit ihm haben durfte und in der es sich in der Tat um Personalfragen gehandelt hat. Er hat festgesellt, daß ich bei dieser Gelegenheit nicht von einem Brief Kenntnis gehabt habe, den er, der Herr Bundeskanzler, vor mehreren Monaten an Herrn Dr. Schumacher geschrieben hat. Ich möchte dazu sagen: dem Herrn Bundeskanzler muß bekannt sein, daß ich von diesem Brief Kenntnis gehabt habe, seitdem er geschrieben worden ist, daß ich niemals bestritten habe, daß dieser Brief vorhanden war, und daß in einer Sitzung des Haushaltsausschusses, die vor etwa vier oder sechs Wochen stattfand und bei der der Herr Bundeskanzler anwesend war, über diesen Brief in diesem Kreise gesprochen worden ist. Mir ist es unverständlich, wie der Herr Bundeskanzler sagen kann, ich habe bei dieser Unterredung vor 14 Tagen von diesem Brief keine Kenntnis gezeigt.
Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.
Herr Präsiden! Meine Damen und Herren! Solange der Bundestag über außenpolitische Fragen diskutiert, haben wir immer der Überzeugung Ausdruck gegeben, daß es falsch ist, die Außenpolitik unter doktrinären, eventuell sogar unter parteidoktrinären Gesichtspunkten zu betreiben. Wir haben unsere Stellungnahme auch von Fall zu Fall so eingerichtet, wie es uns richtig schien, gleichgültig ob irgendwelche Dinge in außenpolitischen Fragen von der linken Seite, von der Mitte oder von rechts vorgetragen wurden. Wir sind der Meinung, daß es ,uns die Situation, in der wir uns im Augenblick befinden: mit Besatzungsmächten im Land und einem Petersberg zu Häupten Bonns, leicht machen sollte, hier möglichst viele gemeinsame Wege zu finden. Nicht die Tatsache der Kritik erregt draußen manchmal Unwillen, sondern die Form der Kritik, die in diesem Hause in Dingen geübt wurde, über die man sich besser einigen sollte.
Meine Damen und Herren, ich darf aus dem umfangreichen Einzelplan IV des Haushaltsplans, über den wir heute diskutieren sollen, einige wenige Dinge herausgreifen. Lassen Sie mich dazu folgendes bemerken. Beim Bundespresse- und Informationsamt scheint uns die Größe, die Einrichtung und der dort betriebene Aufwand außer jedem Verhältnis zu stehen.
— Ich mache es kurz, ganz bestimmt. Ich bin es gewohnt, mich hier kurz zu halten; denn die Redezeit, die uns zur Verfügung steht, ist sowieso kurz. — Das Bundespresse- und Informationsamt hat erst vor #kurzem meine Verwunderung erregt, als ich mich fragte, in welchem Titel und Kapitel Mittel für Parteipropaganda bei dieser Stelle wohl ausgewiesen sein mögen. Ich habe mir diese Frage vorgelegt, als ich eine Schrift von dieser Stelle zu Gesicht bekam, die sich mit der SRP befaßte und die meines Erachtens nicht ganz unwesentlich, Herr Bundeskanzler, zu den 366 000 Stimmen in Niedersachsen beigetragen hat, die das Ärgernis dieses Hauses hervorgerufen haben. Wir sind der Meinung, das Bundespresse- und Informationsamt sollte nicht auf Kosten des Steuerzahlers Gratispropaganda für andere Parteien betreiben,
Gratispropaganda in dem Moment nämlich, wo der Inhalt von Schriften dumm angelegt ist.
Zur Dienststelle Blank nur eine ganz kurze Bemerkung. Uns fiel auf, daß diese Dienststelle, um die ein solcher Schleier der Geheimhaltung gelegt wird und die in dem Ruf steht, besonders arbeitsam und fleißig zu sein, einen Leiter hat, der sich bei allen Plenarsitzungen hier in unserer Mitte findet. Nun, wir gönnen dieser Stelle den Etat.
Die Kritik zum Etat des Auswärtigen Amts wurde -von einigen Vorrednern bereits in einem Sinne vorgetragen, in dem auch ich sie nur bringen könnte, aber nur, was einige Details anlangt, nicht die grundsätzliche Linie. Man sollte hier nicht so viel rufen: Wir müßten so schnell jetzt unsere auswärtigen Stellungen haben, um dann so lange mit der Besetzung zu zögern, wie dies geschehen ist. Selbstverständlich müßten wir sie ganz schnell haben. Eine böse Zunge sagte mir neulich, das liege nur daran, daß der Herr Bundeskanzler noch nicht wisse, wer so mißliebig sei, daß er ihn auf einen dieser Posten abschieben müsse, und daß er die entsprechende Liste noch nicht zusammengestellt habe. Wir sind aber der Meinung, daß der auswärtige Dienst nicht ein Abschiebeplatz für Leute werden sollte, die sich hier mißliebig gemacht haben.
Meine Damen und Herren! Es wurde in einer Besprechung vor einigen Tagen hier einmal gesagt, es werde draußen sehr merkwürdig empfunden, daß sich hier der Brauch herausgebildet habe, daß in allen und jeden Fragen die CDU grundsätzlich Ja und die SPD grundsätzlich Nein sage. Es wurde gefragt, welches Geheimnis wohl hinter der Tatsache stecken möge, daß dem so sei. Meine Damen und Herren, geben wir uns Mühe, möglichst oft ein gemeinsames Ja zu den Dingen zu sagen, die für uns alle ja doch, gleichgültig in welcher Partei wir uns befinden, gleich wesentlich sind und die sich gemeinsam besser erreichen ließen als durch wilde Reden.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Das Haus ist so gut besetzt wie selten; es bestehen keine Bedenken, die Abstimmung vorzunehmen.
Meine Damen und Herren, es liegt vor ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 172, der zwei Ziffern hat.
— Es wird seit längerer Zeit geklingelt; ich glaube, es weiß jeder in diesem Hause, daß eine Abstimmung stattfindet.
Ich lasse ziffernweise abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag auf Umdruck Nr. 172 auf Streichung einer B 4-Stelle — Ziffer 1 des Umdrucks — zustimmen wollen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über Ziffer 2 des Antrags Umdruck Nr. 172. Ich bitte die Damen und Herren, die der Streichung der Stellen 301 bis 303 im Organisationsplan des Auswärtigen Amtes zustimmen wollen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 1904, den Einzelplan IV anzunehmen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Dem Antrag des Ausschusses ist entsprochen.
Meine Damen und Herren, darf ich unterstellen, daß die Möglichkeit besteht, über den Haushalt für Angelegenheiten des Europarats und verwandter Gebiete abzustimmen, oder wünschen die Damen und Herren, noch eine Aussprache zu haben?, — Das ist offenbar nicht der Fall.
Ich darf dann zunächst' über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und DP Umdruck Nr. 202 abstimmen lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. —Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Bei dem Antrag Dr. von Campe und Genossen betreffend Einrichtung eines kleinen ständigen Sekretariats für den Europarat handelt es sich zweifellos um eine Vorlage, die für den ,Haushalt 1951 von Bedeutung ist. Da hier das Bundesfinanzministerium ersucht wird, Vorwegbewilligungen vorzunehmen, darf ich vorschlagen, daß diesen Antrag ,dem Haushaltsausschuß überwiesen wird.
— Dem ist zugestimmt worden.
Ich komme dann zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 1927. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Haushalt zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen wenige Stimmen angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, haben wir die heutige Tagesordnung, soweit wir sie uns zu erledigen vorgenommen hatten, erschöpft. Ich bin bereit, auch noch die morgige Tagesordnung zu erledigen,
aber ich glaube,, daß dagegen doch einige Bedenken bestehen.
— Dann darf ich darauf hinweisen, daß wir wesentliche Teile der vorgestrigen Tagesordnung nicht erledigt haben.
Ich mache Ihnen den Vorschlag, die Punkte 9 und 10 der vorgestrigen Tagesordnung morgen zu erledigen.
— Wenn es noch längere Zeit dauert, werde auch ich es verstanden haben.
Wir werden also dann beginnen mit- den verbliebenen Teilen des Bundeshaushaltsplans, d. h. dem
Haushalt der Bundesschuld und dem Haushalt der
Allgemeinen Finanzverwaltung. Dann werden wir
versuchen, einige Punkte der heutigen Tagesordnung zu erledigen. Ich schlage Ihnen vor — ich
habe die Tagesordnung vom Freitag im Augenblick
nicht vor mir liegen —, die dritte Beratung des
Exportförderungsgesetzes vorzunehmen. Ich glaube
mich zu erinnern, daß wir dann noch einen Antrag auf Aufhebung der Immunität und auf Genehmigung der Strafverfolgung zu erledigen haben. Ich habe den Eindruck, daß wir die übrigen Punkte der Tagesordnung wahrscheinlich morgen nicht
— heute nicht schaffen werden. Dürfen wir von vornherein vorsehen, daß wir darauf verzichten, uns heute mit einer Tagesordnung zu belasten, von der wir wissen, daß sie nicht erledigt werden kann?
— Wir fangen an mit Punkt 9 und 10 der vorgestrigen Tagesordnung. Wir beginnen um 9 Uhr.
— Meine Damen und Herren, ich hatte mir gestattet, 9 Uhr vorzuschlagen und mit der Beratung der Punkte 9 und 10 zu beginnen, um den Damen und Herren, die um 9 Uhr noch nicht hier sein können, Gelegenheit zu geben, sich an den Beratungen über die Haushaltspläne, zu der wir nach Erledigung der genannten Punkte übergehen werden, mit frischen Kräften zu beteiligen. Dann werden wir die restlichen Punkte der heutigen Tagesordnung, soweit ich sie eben angeführt habe, erledigen und im übrigen die Tagesordnung von heute auf die nächste Woche verschieben. Sind die Damen und Herren damit einverstanden?
Dann, meine Damen und Herren, berufe ich die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf heute 9 Uhr und schließe die 145. Sitzung.