Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie werden nicht von mir erwarten, daß ich die Beispiele, die uns der Kollege Pelster genannt hat, sofort habe nachrechnen können. Ich habe aber selber ähnliche Beispiele in dem gleichen Moment, in dem sie hier vorgetragen wurden, gebildet und möchte Ihnen aus der Monatslohnsteuertabelle, die mir hier vorliegt, diese Beispiele einmal vor Augen führen. Bei einem Einkommen von 1 000 DM zahlt ein Steuerpflichtiger, der 5 Kinder hat — und damit kommen wir auf die völlig verfehlten Beispiele des Herrn Finanzministers zurück — 142 DM Steuer. Nun lassen Sie mich diese 1 000 DM einmal auf das Ehepaar aufteilen. Wenn ich zweimal 500 DM Einkommen des Mannes und der Frau annehme, dann bezahlen beide zusammen
196 DM Steuer, also 50 DM oder mehr als 30 % mehr. Wenn ich einmal anders aufteile und davon ausgehe, daß der Mann 800 DM und die Frau 200 DM verdient, dann bezahlen sie zusammen immer noch 19'0 DM Steuer, obwohl der Steuersatz bei 200 DM verhältnismäßig klein ist. Ich habe die Beispiele des Kollegen Pelster auf ihre Richtigkeit nicht nachrechnen können. Aber diese Beispiele hier sind in diesem Augenblick richtig berechnet.
Wir verweisen auf unseren Antrag — wir werden ihn nachher noch begründen —, daß die Freibeträge für die Ehegatten und für die Kinder aus sozialen Gründen und auch im Interesse der Vereinfachung des Steuerrechts wesentlich erhöht werden. Nehmen Sie unseren Antrag an, und Sie werden ganz große Ungerechtigkeiten aus unserem Steuerrecht beseitigen können.
Der Herr Bundesfinanzminister hat bedauerlicherweise nur sehr wenig zu dem Prinzip der Gleichberechtigung von Mann und Frau gesagt. Die Scherze, mit denen er hier über dieses Problem hinweggegangen ist, vermögen wir ihm nicht abzunehmen. Wir verweisen auf das Grundgesetz, das in diesem Punkt eine klare Sprache spricht; und über die Artikel des Grundgesetzes können wir nicht scherzhaft hinweggehen.
Der Herr Bundesfinanzminister hat von den amerikanischen Gewerkschaften gesprochen. Bedauerlicherweise pflegen die Hinweise auf das Ausland und die Vergleiche mit dem Ausland bei dem Herrn Bundesfinanzminister in der Regel zu verunglücken. Hier im Saale sitzen Vertreterinnen der großen amerikanischen Gewerkschaften AFL und CIO. Sie haben uns in diesem Moment bestätigt, daß die amerikanischen Gewerkschaften gar nicht daran denken, den augenblicklichen Zustand zu beseitigen,
daß sie für die Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Zustandes sind, wonach der steuerpflichtige Ehepartner das Wahlrecht hat, ob er getrennt oder zusammen veranlagt werden will. Und wenn einer ein Wahlrecht hat, dann wird er sich in jedem Falle das Günstigste auswählen. Zum mindesten stehen die amerikanischen Gewerkschaften auf dem Standpunkt, daß Arbeitseinkommen niemals zusammen veranlagt werden dürfen. Dieser Standpunkt wird, wie ich sagte, heute noch aufrechterhalten, so daß der Hinweis des Herrn Bundesfinanzministers auf das Ausland bedauerlicherweise wieder einmal ins Leere traf.
Der Herr Bundesfinanzminister fordert uns auf, nicht über Prinzipien zu sprechen. Ich habe das Gefühl, daß es gerade der Herr Bundesfinanzminister ist, der immer wieder auf Prinzipien zurückkommt. Auch er hat heute von der Heiligkeit des Ehestandes gesprochen. Warum bestraft man denn dann diejenigen, die jetzt zweifach verdienen, wenn sie sich in der Ehe zusammentun? In irgendeiner der Kritiken an dem Beschluß des Bundestags aus der zweiten Beratung habe ich gelesen, daß dieser Beschluß des Bundestags eine „fiskalische Aufforderung zur wilden Ehe" gewesen sei.
Noch ein anderes Wort aus der vergangenen Lesung muß angeprangert, festgenagelt werden, nämlich das Wort, das der Abgeordnete Dr. Wuermeling hier gesprochen hat, wenigstens dem Sinne nach, daß die Regierungsparteien aus arbeitspolitischen Gründen „gar kein Interesse" an dieser Steuererleichterung hätten.
Meine Damen und Herren! Wollen Sie dadurch, daß Sie die mitverdienende Ehefrau steuerlich bestrafen, den Arbeitsmarkt regeln? Soll das ein Ersatz für die fehlenden Arbeitsbeschaffungsprogramme sein? Soll uns das darüber hinweghelfen, daß wir auf Grund der Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung heute noch mehr als eine Million Arbeitslose haben?
Meine Damen und Herren! Wenn Sie diese arbietspolitischen Gründe nicht anerkennen wollen, dann sprechen wir einmal von den finanzpolitischen Gründen. Der Herr Bundesfinanzminister kämpft um 40 Millionen in diesem Rechnungsjahr, um 100 Millionen in jedem weiteren Rechnungsjahr. Ich bedaure, daß ich auf die Steuerreform des vergangenen Jahres zurückkommen muß. Damals haben Sie für einen überschaubaren Kreis von Steuerpflichtigen Hunderte von Millionen übrig gehabt,
und Sie weigern sich heute, diese Steuersenkung rückgängig zu machen.
Ich möchte aus meinen Ausführungen zu unserem nächsten Antrag ein Beispiel vorwegnehmen, das in diesen Zusammenhang paßt. Wir haben 118 000 Steuerpflichtige, die ein Einkommen von über 25 000 DM haben. Nach den Berechnungen des wirtschaftswissenschaftlichen Institutes der Gewerkschaften beträgt das Durchschnittseinkommen dieser 118 000 Menschen 48 000 DM.
Die Steuersenkungen des Vorjahres, die auch heute noch gelten, machen bei jedem dieser Einkommen 6500 DM aus, d. h. bei 118 000 Steuerpflichtigen 767 Millionen DM, genau ausgerechnet.
Diese Steuersenkungen werden nicht rückgängig gemacht; aber 100 Millionen wollen Sie aus den Ehen herausholen, in denen die Ehefrau häufig aus der Not heraus, aber auch weil man sich nach all den Verlusten des Krieges etwas anschaffen möchte, zur Doppelarbeit gezwungen ist.
Ich habe vor mir liegen zwei Abschnitte aus einer Zeitung. Ich bin nicht so vermessen, zu sagen, daß sie uns nahesteht, sie steht Ihnen näher; es ist das Handelsblatt. Der eine Artikel ist überschrieben „Die unsittliche Ehefrau". In ihm wird auf die Äußerungen des Abgeordneten Dr. Wuermeling Bezug genommen. Ich darf zitieren:
Ist das nicht ein Schlag ins Gesicht der Frau,
die ein geruhsames häusliches Dasein opfert
und mitschafft am finanziellen Fundament
ihrer Familie? ... Die Vermutung liegt nahe,
daß man im Bonner Plenum alle diese Überlegungen gar nicht erst angestellt hat.
An anderer Stelle ist von einer „oberflächlichen Betrachtungsweise" die Rede. Wir sollten uns diese Worte dieser Zeitung zu Herzen nehmen.
Meine Damen und Herren! Der Herr Finanzminister und Frau Abgeordnete Weber verweisen uns auf die Zukunft. Wir und diejenigen, für die wir hier kämpfen, wünschen keinen Wechsel auf die Zukunft.
Wir wollen eine Entscheidung haben: hier und heute!
Wir stellen den Antrag, daß wir namentlich abstimmen. Wir möchten diejenigen kennenlernen, die gegen diese Anträge stimmen.