Rede von
Fritz
Schäffer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte doch zu einigen Behauptungen, die aufgestellt worden sind, grundsätzlich einmal Stellung nehmen. Was Herr Kollege Dr. Etzel von der Bayernpartei ausgeführt hat, scheint mir eine Tatsache zuwenig zu betonen. Das Gesetz nach Art. 106 Abs. 3 ist nicht nur mit der Zustimmung gerade der steuerschwachen Länder, sondern — ich möchte fast sagen — mit auf Anregung der steuerschwachen Länder entworfen und ausgearbeitet worden. Das Gesetz nach Art. 108 Abs. 2 ist in seinen ausschlaggebenden Bestimmungen — insbesondere in § 3, Betriebsprüfung — mit Zustimmung aller Länder begutachtet und angenommen worden. Der Verdacht, daß das Bundesfinanzministerium etwa einer unitarischen Entwicklung ohne Not die Tür und das Tor öffnet, ist also bestimmt nicht richtig. Ich glaube, mich mit den Ländern in einer Linie zu finden, wenn ich betone, daß die notwendige Entwicklung geachtet werden muß, die Entwicklung, die darin
besteht, daß nun einmal das finanzpolitische Gewicht mit dem Wachsen des Aufgabenkreises des Bundes auf den Bund überwandert, daß aber beide Teile dabei das Bestreben haben müssen, die föderative Struktur der Bundesrepublik aufrechtzuerhalten.
Nun darf ich mich den Ausführungen des Herrn Vorredners zuwenden und darf sagen: man erlebt manchmal Überraschungen. Ich habe mich mit den Länderfinanzministern über die Steuerschätzungen doch lebhaft unterhalten müssen. Es ist richtig, daß eine Differenz in der Steuerschätzung bezüglich der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer für das nächste Jahr zwischen Bundesfinanzministerium und den Länderregierungen bestanden hat. Aber es ist genau umgekehrt. Die Länder haben das vermutliche Aufkommen an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer um 600 Millionen DM niedriger geschätzt, als es der Bundesfinanzminister getan hat.
Nun liegen bei den Steuerschätzungen die Dinge so. Ich kann Steuerschätzungen niemals nach dem Wunsch machen. Steuerschätzungen, bei denen der Wunsch der Vater des Gedankens ist, werden immer falsch sein und werden dem Grundsatz der Wahrhaftigkeit in der Aufstellung eines Haushalts immer widersprechen. Wer' sein Amt verantwortlich ausübt, muß sich bemühen, eine Schätzung nach bestem Wissen und Gewissen zu finden, ob sie ihm gefällt oder nicht, und zwar so, wie sich die Dinge nach menschlicher Voraussicht entwickeln werden. Das Bundesfinanzministerium war auch im Vorjahr in der schweren Lage, eine Steuerschätzung auf relativ unbekannten Größen aufbauen zu mussen. Das Bundesfinanzministerium kann für das yergan) gene Jahr darauf verweisen, daß die Schätzung des Solls und das Ergebnis des Ist bis auf einen ganz kleinen Prozentsatz tatsächlich übereingestimmt haben.
Es handelt sich hier zunächst um die Frage: Nach welchen Grundsätzen stelle ich meine Steuerschätzungen auf? — Meine Damen und Herren, ich habe schon öfter betont: Die besten und angenehmsten und sorglosesten und populärsten Zeiten eines Finanzministers sind die ersten Zeiten einer infla- tionären Entwicklung, wenn nämlich die Löhne steigen und damit seine Lohnsteuer und wenn damit hiernach die Preise steigen und der Unternehmergewinn und damit die Einkommensteuer.
— Und die Umsatzsteuer erst recht! — Das sind die angenehmsten Zeiten.
Wenn aber ein Finanzminister sich ein politisches Ziel setzt und seine Aufgabe darin besteht, keine inflationäre Entwicklung zuzulassen, so muß er gewisse Erschwernisse zunächst auf sich nehmen. Die Lohnbewegung ist nun einmal eingetreten und muß kalkuliert werden. Aber eine weitere Preisbewegung will er verhindern. Er muß infolgedessen damit rechnen, daß die Unternehmergewinne nicht in dem Maße steigen können, ' wie er es fiskalisch wünschen würde; denn die Lohnbewegung soll eine Erhöhung des Unkostenfaktors mit sich bringen und nicht eine Erhöhung des Gewinns.
Wenn der Finanzminister diesen Standpunkt vertritt, dann muß er in seiner ganzen Steuerschätzung von diesem Grundsatz ausgehen, und er darf nicht — fiskalisch gesehen — den Wunsch, es sich leicht zu machen, zum Vater des Gedankens werden
lassen. Wenn die Länder die Entwicklung der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer ungünstiger beurteilt haben als das Bundesfinanzministerium, so mag wohl der Wunsch mit der Vater des Gedankens gewesen sein, weil ja die Gefahr einer großen Quote dann vermindert ist, wenn die Länder darauf verweisen können, daß sie einen viel größeren Prozentsatz des absolut geringeren Aufkommens an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer für ihre unvermeidbaren Aufgaben benötigen. Manchmal höre ich in der Öffentlichkeit, wo wieder ein anderer Wunsch der Vater des Gedankens ist, etwas anderes. Wenn ich die Schätzungen des Bundesfinanzministeriums mit denjenigen vergleiche, die von den beiden Interessentengruppen gemacht werden, glaube ich, daß die Schätzungen des Bundesfinanzministeriums auch für dieses Jahr im großen und ganzen wohl richtig sein werden.
Ich darf auf einen andern Punkt eingehen; das ist die Fabel von der Unerschöpflichkeit der Zölle beim Übergang zum Wertzoll. Meine Damen und Herren, bei diesen Schätzungen werden leider Gottes einige Tatsachen übersehen. Wenn ich eine Berechnung für das nächste Haushaltsjahr machen will, muß ich davon ausgehen, daß die neuen Wertzölle legal vielleicht am 1. Oktober in Kraft treten. Nach dem ganzen System der Zolleinhebung wird sich angesichts der Tatsache, daß der sogenannte Zollaufschub einen Zeitverlust von drei Monaten bringt, die Auswirkung der neuen Wertzölle praktisch lediglich auf den vierten Teil des Haushaltsjahrs erstrecken. Ich muß weiter berücksichtigen, daß 62 Vo des gesamten Zollerträgnisses aus den Finanzzöllen kommen und daß die Finanzzölle von der neuen Zollgesetzgebung bekanntlich überhaupt nicht berührt werden; dafür bleibt es beim alten System. Nur für den Rest von 38 % und nur für den vierten Teil eines Jahres kann überhaupt die durch die neuen Wertzölle denkbare Steigerung Platz greifen. Wer die Verhältnisse genauer kennt, weiß, daß die Steigerung der Wertzölle sehr verschieden ist, je nachdem ob es sich um Fertigwaren der gewerblichen Wirtschaft oder um Nahrungsmittel, ob es sich um Rohstoffe oder Halbwaren der gewerblichen Wirtschaft handelt. Um mir ein Urteil bilden zu können, muß ich nicht nur eine Schätzung des künftigen Einfuhrvolumens und des künftigen Einfuhrwertes anstellen, wobei ich von den Devisenverhältnissen ausgehen muß, die für die deutsche Bundesrepublik heute bestehen, sondern ich muß auch die Art der einzelnen Einfuhrwaren und ihre Unterteilung einrechnen. Darauf kann ich dann eine Schätzung gründen.
Ich glaube, daß das Bundesfinanzministerium, wenn es alle diese Berechnungen berücksichtigt, an den Schätzungen festhalten muß, die es bezüglich der Steuereinnahmen angestellt hat. Der Wunsch, keinen Fehlbetrag ausweisen zu müssen und all den Schwierigkeiten auszuweichen, die die Deckung eines Fehlbetrages bereitet, darf nicht dazu führen, in den Steuerschätzungen unwahrhaftig zu sein.
Ich bitte, auch vor etwas zweitem warnen zu dürfen. Das Bundesfinanzministerium kann darauf verweisen, daß es von sich aus das Thema der Steuerehrlichkeit und -unehrlichkeit aufgegriffen hat. Es hat auch einen Appell an die deutsche Wirtschaft, an die deutschen Steuerzahler gerichtet, doch gemeinsam zu begreifen, daß Steuervergehen keine Kavaliersvergehen, sondern eine Versündigung am deutschen Volk und innerhalb der Wirtschaft ein unlauterer Wettbewerb schlimmster Art sind. Darüber hinaus hat es bisher getan, was es tun konnte. Ich hoffe, Ihnen demnächst noch eine Reihe von Gesetz-
entwürfen und Verwaltungsmaßnahmen unterbreiten zu können, die nur dem Zwecke dienen, die Möglichkeiten für die Steuerunehrlichkeit zu beschneiden, soweit das überhaupt geht.
Auch die Gesetze, über die wir hier sprechen, insbesondere das Gesetz zum Vollzug des Art. 108 Abs. 3 — so klein und unscheinbar auch diese Bestimmung des Abs. 3 von Art. 108 aussieht —, dienen in erster Linie dem Zweck, einen gemeinsamen Kampf gegen die Steuerunehrlichkeit aufzunehmen, der von den Steuerverwaltungen der Länder und der Betriebsprüfung des Bundes geführt wird.
Ich darf in diesem Zusammenhang noch folgendes sagen. Ich glaube nicht alles, was in der Presse steht. Daß Herr Oberfinanzpräsident Ellinger, den ich als einen klugen und ruhigen Mann kenne, die Behauptung aufgestellt hat, daß sich der Steuerausfall heute auf 4,5 Milliarden berechnet, das glaube ich der Presse bisher nicht. Es wird aber das einfachste sein, mich mit Herrn Oberfinanzpräsident Ellinger ins Benehmen zu setzen. Ich werde das tun und hoffe, der Öffentlichkeit dann mitteilen zu können, was er wirklich gesagt hat und was in der Berichterstattung aus seinen Ausführungen gemacht worden ist.
Eine schwierige Frage haben Sie, Herr Vorredner, angeschnitten. Das ist die Frage der etwaigen Anwendung des Art. 107 des Grundgesetzes. Es handelt sich dabei um ein Zustimmungsgesetz. Es kann nur im Benehmen zwischen Bund und Ländern geschaffen werden. Ich glaube, Ihnen sagen zu dürfen, daß sich sowohl beim Bund wie bei den Ländern schon gewisse Richtlinien abzeichnen. Ich hoffe, daß diese ohne jede Vergewaltigung, ohne Kommando, sondern im gegenseitigen Einvernehmen einmal Wirklichkeit werden können. Wir müssen uns darüber klar sein, daß diese Trennung, die das Grundgesetz geschaffen hat — auf der einen Seite die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel, auf der andern Seite die in den Händen der Länder liegende Verwaltung —, zu sich steigernden Schwierigkeiten führen kann und voraussichtlich auch führen wird. Es wird wahrscheinlich notwendig sein, daß sowohl hinsichtlich der Steuerquellen als auch hinsichtlich der Verwaltung — ich darf einmal den Ausdruck gebrauchen — eine Art Verbundwirtschaft von Bund und Ländern gefunden wird. Aber was ich persönlich wünsche, ist, daß, wie die Entwicklung auch läuft, sowohl der Bund wie die Länder sich bemühen, diese Entwicklung so zu leiten und zu lenken, daß sie sich zum Besten des gesamten deutschen Volkes auswirkt — das, wenn ich es so heißen darf, ein Bundesvolk in elf Ländern ist und daß die Arbeit für dieses Bundesvolk ohne Konflikte und in brüderlichem Geiste geleistet wird. Föderalismus heißt bei mir: nicht befehlen, sondern sich gegenseitig verstehen!