Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß gestehen, ich bin etwas überrascht, daß hier stillschweigend ein Antrag auf Streichung des § 50 a über die Offenlegung der Steuerlisten eingebracht wird, ohne daß er begründet wird.
Deshalb halte ich es für notwendig, daß ich zu diesem Fragenkomplex nun doch noch einige Bemerkungen mache. Ich darf feststellen, daß die Durchbringung dieses Antrages in der zweiten Lesung den Erfolg gehabt hat, daß wir ganz offensichtlich in ein Wespennest gestoßen sind.
Ich habe die Vermutung, daß die Wespen auf die Regierungsparteien losgestochen haben mit der Wirkung, daß nunmehr stillschweigend dieser Antrag auf Aufhebung des § 50 a eingebracht worden ist.
Es ist sehr interessant, wie die Diskussion über dieses Thema in der Öffentlichkeit und in der Presse verlaufen ist. Ich habe hier eine Darstellung des Deutschen Industrie- und Handelstages. Es ist höchst bemerkenswert, wie der Deutsche Industrie-und Handelstag versucht, dieses ausgesprochen politische Thema auf d'as verwaltungstechnische Gleis abzuschieben und bei dieser Gelegenheit die ganze Frage stillschweigend abzuwürgen. Wenn der Industrie- und Handelstag beispielsweise feststellt, daß jetzt erst die Veranlagung zur Einkommensteuer für 1948/49 erfolgt und daher die Steuerlisten überholt sein würden, so möchte ich dazu sagen: Ausgezeichnet, daß die Steuerlisten, wenn der Paragraph bestehen bleibt, für diese seltsam zwielichtige Zeit 1948/49 bekanntgegeben werden!
Ich glaube, es wird sehr viele Politiker in Deutschland geben, die gerade den wirtschaftlichen Niederschlag bzw. die steuerliche Auswirkung jener Zeit mit größtem Interesse zu untersuchen gern bereit sind. Die bisherige Diskussion, soweit sie in der Presse geführt wurde — auch darauf möchte ich hinweisen —, hat nicht oder kaum geleugnet, daß mit der Offenlegung der Steuerlisten eine größere Steuerehrlichkeit und eine bessere Steuererfassung erzielt werden. Es ist nicht bestritten worden, daß es sich dabei um einen durchaus gerechten Akt handelt.
Das einzige Argument, und zwar ein, wie mir scheint ernsthaftes Argument, mit dem man sich auseinandersetzen muß, ist dieses: Es wird gesagt, wenn die Steuerlisten offengelegt würden, werde der Denunziation Tür und Tor geöffnet.
— Gut! Dazu sage ich folgendes'. Erstens: Die Länder, die die Offenlegung der Steuerlisten seit langem betreiben — ich erwähne hier besonders Schweden, dessen Verhältnisse ich ein bißchen kenne —, haben über die Frage der Denunziation oder darüber, daß es sich um Denunziationen in erheblichem Umfang handle, bisher kein Wort verlauten lassen. Das ist doch seltsam! Zweitens: Ich gebe gern zu, daß die Einführung einer solchen Neuerung zunächst ganz selbstverständlich all die Aasgeier und sonstigen dreckigen Elemente aufrühren wird.
Aber, meine Herren, das wird nach kurzer Zeit vergehen.
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Und drittens: Wir bekennen uns in' der großen
Mehrheit dieses Hauses zu der demokratischen Organisation der Menschen im Staate. Wir tun das,
obwohl wir wissen, daß sich in der Demokratie Demagogen, Hetzer, unverantwortliche Kritiker bemerkbar machen können, daß z. B. durch ein loses Wort die Mitglieder dieses Parlaments in den Augen der Öffentlichkeit als bestochene Elemente hingestellt werden können. Trotzdem bekennen wir uns nach wie vor dazu, daß diese gesellschaftliche Ordnung die relativ beste ist und daß ihr ein pädagogischer Wert innewohnt. Und, meine Damen und Herren, dieses letzte, der pädagogische Wert, ist das, was auf die Offenlegung der Steuerlisten zutrifft.
Aber es gibt noch einen anderen Punkt, der in der Diskussion näher erörtert wird. Das ist die Behauptung, die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens könnte unter Umständen Schaden leiden, wenn die Steuerlisten offengelegt würden.
— „Sehr gut!" sagen Sie! Ich habe den Eindruck, daß Unternehmungen, die Angst davor haben, daß die Steuerlisten offengelegt werden, selbst nicht kreditwürdig sind.
In Schweden z. B. ist es heute eine Selbstverständlichkeit, daß sich ein Geschäftsmann, der mit einem anderen eine geschäftliche Beziehung eingeht, in der Steuerliste informiert: ist mir der Mann gut?! Die Frage der Bonität findet ihre Lösung in dem Studium der Steuerlisten. Das, werte Anwesende, wollen wir erreichen. Die Veranlagungspflichtigen werden dadurch in einen Zwiespalt gebracht zwischen dem Bedürfnis, sich vor der Steuerzahlung möglichst zu drücken, und der Notwendigkeit, sich in den offengelegten Steuerlisten als anständige Geschäftsleute zu zeigen. Wenn sie ihre Steuererklärung so zwischen Scylla und Charybdis hindurchwinden müssen, wird das nach unserer Überzeugung dazu führen, daß diese Steuererklärung der Wahrheit erheblich näherkommen wird als bisher.
Es gibt natürlich auch andere Methoden, die Steuerhinterziehungen der letzten Jahre für die Zukunft unmöglich zu machen oder zum mindesten einzudämmen. Und jetzt bitte ich einen Augenblick um Gehör für ein Zitat aus der amerikanischen „Neuen Zeitung" vom 30. Mai dieses Jahres in der Erwartung, daß der Herr Präsident mir gestatten wird, dieses Zitat vorzulesen:
Nach der Meldung von Sachkennern
— heißt es hier —
wachsen die Möglichkeiten, Steuerhinterziehungen zu entdecken, im Laufe der Zeit beträchtlich, vor allem deshalb, weil die Steuerhinterzieher meistens nicht umhin können, ihre verschwiegenen Gewinne anderweitig anzulegen. Der größte Teil dieses schwarzen Geldes wird nicht auf Banken deponiert. Diese solchermaßen in der Bundesrepublik angehäuften „Strumpfgelder" werden von sachverständiger Seite auf 2 bis 3 Milliarden geschätzt. Einem Vorschlag
— und jetzt kommt das Entscheidende — des Bundeswirtschaftsministeriums, das Bankgeheimnis zu erweitern, damit diese Kapitalien nutzbringend für wichtige Institutionen verwendet werden könnten, widersetzten sich die Finanzministerien der Länder energisch
mit dem Argument, eine derartige Regelung würde praktisch einer Belohnung des Steuerbetrugs gleichkommen.
Auf diese Weise kann man allerdings das Problem der Steuerhinterziehung auch lösen. Ich muß gestehen: wenn diese Darstellung — was ich bis jetzt noch nicht glauben möchte — richtig wäre, dann allerdings könnte mir bange werden vor dem Schicksal Deutschlands; dann könnte das eintreten, was als ernste Mahnung im Sonne-Bericht ausgeführt wurde: Möge die Bundesregierung nicht an der Geschäftsgier und an der Gewinnsucht zugrunde gehen! Dann würde diese ernste Mahnung in der Tat den Unterton einer düsteren Prophezeiung bekommen.
Meine Damen und Herren, wenn Sie sich heute nochmals über das zur Debatte stehende Thema schlüssig werden wollen, dann bitte ich Sie, sich vor Augen zu halten, um was es dabei geht. Ich lese jetzt erst in einer Zeitung — est ist ebenfalls die „Neue Zeitung" — eine Notiz, daß ein Mann, der immerhin zu den besten Sachverständigen auf dem Gebiete der Finanzpolitik gehört, der Herr Oberfinanzpräsident Ellinger von Württemberg-Baden, eine Schätzung der entzogenen Steuern vorgenommen hat, die sich auf 4,5 Milliarden DM beläuft.
Ich gehöre zu denen, die gegenüber solchen Zahlen sehr skeptisch sind. Ich habe manchmal das Gefühl, daß mit Milliarden hin und hergeschoben wird. Aber bitte sehr, wenn ein Mann wie der Oberfinanzpräsident Ellinger solche Schätzungen nennt, dann hat er sie nicht aus dem hohlen Bauch gesprochen, dann hat der Mann seine Unterlagen.
Wenn wir jetzt über die Frage zu entscheiden haben, ob wir bei der Offenlegung der Steuerlisten bleiben wollen oder nicht, dann bitte ich Sie, auf der einen Seite an die Leute zu denken, die als Sozialrentner mit 60, 70, 80, 90 Mark ein Leben im Schatten führen; dann denken Sie an die Flüchtlinge, die in hinterwäldlerischen Dörfern ihr Leben in Bodenkammern fristen müssen; dann denken Sie an die Millionen braver, fleißiger Arbeiter in Deutschland, die ihre Lohnsteuer auf Heller und Pfennig abführen müssen und keine Gelegenheit haben zu mogeln, wie es bei den Veranlagungspflichtigen immerhin möglich ist; und denken Sie auf der Gegenseite auch daran, daß in den Jahren 1945 bis 1951 in Deutschland Vermögen entstanden sind, Einkommen sich gebildet haben, wie wir es in Deutschland vielleicht ein einziges Mal, nämlich in den Gründerjahren erlebt haben. In fünf Jahren haben sich Vermögen und Einkommen gebildet, wozu früher ein anständiger Mensch die fleißige Arbeit eines Lebens gebraucht hat.
Denken Sie daran, daß diese Fragen mit der abschließenden Behandlung der Offenlegung der Steuerlisten zur Debatte stehen.
Ich glaube, es wäre fehl, wenn man den Mantel der christlichen Nächstenliebe über die Elemente decken wollte, die heute zu den Steuerhinterziehern zählen und wahrscheinlich noch nicht einmal wissen, daß sie diese Steuern nicht dem Staat, sondern den Armsten der Armen unter unseren Mitbürgern entziehen.
Und darum sage ich Ihnen, meine Damen und Herren: der § 50 a muß bleiben, und der Antrag auf seine Streichung muß abgelehnt werden!