Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie in der zweiten Lesung des Einkommensteuergesetzes wendet sich die Zentrumsfraktion gegen die Zusammenveranlagung der Eheleute, gegen die Zusammenlegung der beiderseitigen Einkünfte zur Haushaltsbesteuerung. Unsere grundsätzliche Haltung zu dieser Haushaltsbesteuerung ist bereits von Herrn Kollegen Dr. Bertram in der zweiten Lesung dargelegt worden. Zu den Begründungen, die Frau Abgeordnete Dr. Weber und Herr Kollege Dr. Wuermeling in der zweiten Lesung für die Haushaltsbesteuerung gegenüber dem Zentrumsantrag gegeben haben, möchte ich insbesondere vom Standpunkt der Familie und auch der verheirateten Frau folgendes sagen.
Ganz abgesehen von der grundsätzlichen Frage, ob durch die Zusammenveranlagung der Art. 3 des Grundgesetzes, der Grundsatz der Gleichberechtigung der Frau, mißachtet wird, scheint uns im Vorhaben der Regierung alles andere zu liegen als eine Förderung von Ehe und Familie. In Wirklichkeit wird die verheiratete Frau und damit die Familie dafür bestraft, daß die Frau noch mitverdient. Es muß doch auf die zur Zeit ungesunden wirtschaftlichen Verhältnisse vieler Familien hingewiesen werden. Es gibt nur wenige Familien, die nicht durch den Krieg erhebliche Schäden erlitten haben. Man darf doch nicht die verhältnismäßig kleine Zahl von berufstätigen Frauen sehen, die aus innerer Berufung ihren Beruf ausüben, wie z. B. die Ärztinnen oder die Rechtsanwältinnen, sondern muß die große Zahl von Frauen sehen, die aus wirtschaftlichen Gründen darauf angewiesen sind, mitzuverdienen. Wir haben eine solche soziologische und soziale Umschichtung durch den Krieg und die Kriegsfolgen erlebt, daß heute der normale
Zustand der ist, daß die Frau zum mindesten in den ersten Jahren mitverdienen muß, um überhaupt zum Heiraten zu kommen und sich eine Wohnung — und wenn es nur ein oder zwei Zimmer sind — einrichten zu können. Welche Eltern sind heute noch in der Lage, wie es besonders in den Kreisen des Mittelstandes und der gehobenen Berufe möglich war, ihren heiratenden Kindern eine Aussteuer mitzugeben. Was sie ihnen heute mitgeben können, ist eine gute Berufsausbildung. Welcher Arzt ist heute in der Lage zu heiraten, wenn er nicht eine Frau bekommt, die so lange mitverdient, bis er ein ausreichendes Gehalt bezieht? Das kann bei unserem heutigen Ärzteüberschuß eine Reihe von Jahren dauern.
Ähnlich sieht es auch in anderen Berufen aus. Welcher jüngere Beamte — mag er unterer, mittlerer oder höherer Beamter sein — ist in der Lage, von seinem Gehalt eine Wohnungseinrichtung zu beschaffen, wenn seine Frau nicht mitverdient? In den weitaus meisten Fällen ist es heute so, daß die Frau aus wirtschaftlichen Gründen ihren Beruf weiter ausübt, vielfach auch, um die durch den Krieg verlorengegangene Einrichtung zu ersetzen, weil das normale Einkommen des Mannes nicht ausreicht.
In der Praxis wird sich die Haushaltsbesteuerung so auswirken, daß man entweder sehr spät heiraten kann, was aus bevölkerungspolitischen Gründen nicht erwünscht ist, oder daß man in freien Verbindungen lebt, was in moralischer Beziehung nicht erwünscht sein kann. Meine Damen und Herren, wer in der Fürsorgearbeit steht, weiß zur Genüge, in wievielen Fällen Frauen deshalb in freien Verbindungen leben, um zum Beispiel nicht auf ihre Rente zu verzichten oder, wenn sie arbeitslos sind, die Unterstützung weiter zu beziehen. In keiner Weise wird die Haushaltsbesteuerung dem Art. 6 des Grundgesetzes Rechnung tragen, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates stellt. Vielmehr greift sie die Möglichkeit der Eheschließung, überhaupt die wirtschaftliche Existenz vieler Familien an, die heute häufig nur durch die Mitarbeit der Frau gewährleistet ist. In vielen Fällen ist es heute auch so, daß nur durch die berufliche Mitarbeit der Frau das berufliche Weiterkommen der Kinder ermöglicht wird. Das ist in der Arbeiterfamilie wie in der Familie des Mittelstandes wie auch in der Familie des Akademikers der Fall.
Nicht zuletzt sollte man auch daran denken, daß durch die Haushaltsbesteuerung der Wille, aus eigener Kraft die Nöte der Familie zu überwinden, untergraben wird. Es gibt eine sehr erhebliche Anzahl verheirateter Frauen, die deshalb auch mitarbeiten, um durch ihren Verdienst Angehörige zu unterhalten, die durch die Kriegsschicksale mittellos geworden sind. Wenn Mann und Frau außer der Sorge um ihre eigene Familie sich auch für mittellos gewordene Eltern oder für andere Angehörige verpflichtet fühlen, dann gibt es, damit diese nicht nur von der Wohlfahrtsunterstützung zu leben haben, in den meisten Fällen keine andere Lösung, als daß die Frau mitverdient.
Meine Damen und Herren, die gemeinsame Veranlagung wäre doch nur dann gerechtfertigt, wenn man sagen könnte, daß die Berufstätigkeit der verheirateten Frau ein Luxus wäre, den sie sich deshalb erlaubt, um sich durch ihren Verdienst zusätzliche Annehmlichkeiten zu verschaffen. Es ist aber doch so, daß die mitarbeitende verheiratete Frau auf vieles verzichten muß und statt dessen neben ihrer Berufsarbeit noch die zusätzliche Arbeit in
der Familie zu leisten hat. Ich glaube, der weitaus größte Teil der verheirateten mitverdienenden Frauen würde gern auf die außenhäusliche Arbeit verzichten und sich nur der Familie widmen; und wie mancher Mann würde seine Frau auch lieber zu Hause und in der Familie sehen und für den Unterhalt der Familie nicht auch auf das Mitverdienen der Frau angewiesen sein, die abends müde und abgearbeitet nach Hause kommt!
Aus all diesen Gründen halten meine politischen Freunde und ich besonders im Interesse von Ehe und Familie die vom Herrn Bundesfinanzminister vorgesehene gemeinsame Veranlagung der Eheleute für nicht gerechtfertigt. Wir sind vielmehr der Meinung, man sollte von dieser unsozialen, den Ehe- und Familiengedanken nicht gerade fördernden Haushaltsbesteuerung, einem Überbleibsel aus der nationalsozialistischen Gesetzgebung von 1934, abrücken, statt den Vorschlag zu machen, sie noch einzuführen. Aus diesen Gründen bitten wir Sie, dem Zentrumsantrag zuzustimmen.