Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 1 dieses Gesetzes gibt das Ziel des ganzen Gesetzes an, und ich nehme daher Veranlassung, einige grundsätzliche Ausführungen zu machen. Das Ziel des Gesetzes soll die Förderung des Exports sein. Meine politischen Freunde erklären sich mit diesem Ziel vollständig einverstanden. Auch wir sind der Meinung, daß Deutschlands Export gesteigert werden kann und gesteigert werden muß, daß die Steigerung des Exports vielleicht sogar eine Lebensfrage für Deutschland ist. Es erhebt sich hier allerdings gleich die Frage: Müssen in diesem Augenblick angesichts der Finanzlage des Bundes noch Aufwendungen in einer Gesamthöhe von mindestens 400 Millionen DM gemacht werden, um dieses Ziel zu erreichen? Wir haben festgestellt, daß der Exportüberschuß bereits 77 Millionen DM beträgt, und wir haben weiter festgestellt, daß Lieferaufträge fremder Staaten, vielleicht im Zusammenhang mit der Koreakrise, vorliegen, die eine Ausweitung des Exports unbedingt zwangsläufig erscheinen lassen. Ja, es ist uns sogar bekannt, daß bei Exportaufträgen Vorkassa geleistet wird. Wir sind daher der Meinung, daß dieses Gesetz in der heutigen Situation nicht so dringend notwendig ist, wie es vielleicht vor einem Jahr gewesen wäre.
Aber selbst wenn wir diese Frage im Sinne der Antragsteller und im Sinne des Herrn Bundesfinanzministers bejahen würden, müssen wir die andere Frage stellen: Wird dieses Gesetz dem gesteckten Ziel, den Export zu fördern, gerecht? Die Anlage des Gesetzes zeigt ganz deutlich, daß nicht die Steigerung des Exports, sondern auch schon die j e t z i g e Exporthöhe steuerbegünstigt wird. Dieses Gesetz stellt also in seinen Auswirkungen ein Geschenk für bereits abgewickelte Geschäfte dar, und diese abgewickelten Geschäfte haben sicher ihren lohnenden Verdienst schon gebracht. Der Erfolg des Gesetzes wird daher sein, daß wir wieder Kapitalfehlleitungen zu verzeichnen haben werden und daß die Vermögensvermehrung bestimmter Kreise einen ungeahnten Fortschritt macht.
Dieser üble Tatbestand wird noch deutlicher durch das Fehlen jeder Lenkung des zu bildenden Kapitals. Wir haben in dem ganzen Gesetz eine Zweckbestimmung der gewonnenen Beträge vermißt. Welche Exporteure — das ist die weitere
Frage — haben die Vorteile aus diesem Gesetz? Heute morgen hat im Ausschuß, in dem noch einmal über dieses Gesetz gesprochen wurde, der Vertreter des Wirtschaftsministeriums erklärt, daß die Exportlage im Augenblick durchaus zufriedenstellend ist, ja daß der Sog aus dem Ausland zum Exportieren so stark geworden ist, daß Lieferfristen über viele Monate, ja über Jahre hinaus vereinbart werden. Dagegen ist uns bekannt, daß in einem bestimmten Bezirk unserer Republik etwa 110 Kleinexporteure in den Kreisen des Handwerks insgesamt, eine Exportsumme von 12,5 Millionen DM erreichen, daß der einzelne also nach diesem Exportförderungsgesetz eine Vergütung von 3000 DM erhalten würde, die natürlich zur Exportsteigerung, also zur Investition für Anlagen der Exports, für Lagerhäuser, für Errichtung von Niederlassungen usw. keine besondere Rolle spielen. Auf der anderen Seite ist uns bekannt geworden, daß ein einzelnes chemisches Werk ohne Mühe von 45 Millionen Gesamtumsatz 30 Millionen Exportumsatz gehabt hat. Für dieses chemische Werk würden natürlich die Auswirkungen des vorliegenden Gesetzes ein Geschenk ersten Ranges bedeuten. Es ist heute leichter — ich möchte da ein Wort meines Kollegen Harald Koch zitieren —, eine Schiffsladung chemischer Erzeugnisse zu exportieren als ein Postpaket Schmuckwaren. Das Gesetz bringt also nur Vorteile für Großverdiener, nicht aber eine wirkliche Hilfe für die Exporteure, die vielleicht sogar aus den Kreisen der Vertriebenen stammen und sich Tag für Tag in mühseliger Handwerksarbeit mühen, ihren Export wieder zu gewinnen, den sie durch den Krieg verloren haben.
Auch bei den Koalitionsfraktionen haben wir große Bedenken gegen dieses Gesetz in letzter Zeit feststellen können. Ich erinnere daran, daß der Herr Abgeordnete Pelster in der vergangenen Sitzung den Antrag auf Rückverweisung an den Ausschuß stellte. Ich erinnere daran, daß auf seinen Antrag hernach im Ausschuß gegen unsere Stimmen der § 4 b eingefügt worden ist, der schon eine wesentliche Minderung des Steuergeschenks mit sich bringt. Ich erinnere daran, daß der Herr Abgeordnete Dr. Wellhausen im Ausschuß den Ausdruck gebraucht hat, dieses Gesetz komme zu spät. Auch wir sind der Meinung, daß dieses Gesetz, vor einem Jahr eingebracht, sinnvoll gewesen wäre, daß es aber jetzt, nachdem der Export sich auf Grund der verschiedensten internationalen Umstände von selbst in Deutschland steigert, unverantwortlich ist. Die heutige Ausschußsitzung hat ganz deutlich gezeigt, daß es den Koalitionsfraktionen gar nicht so wohl bei der Beratung dieses Gesetzes ist und daß sogar von Rückverweisung an den Ausschuß gesprochen worden ist.
Aber ich habe noch eine andere Frage aufzuwerfen. Kann denn der Herr Bundesfinanzminister dieses Gesetz überhaupt verantworten? Ich wäre sehr begierig, seine Antwort zu hören.
Wir haben heute bei der Beratung der Novelle zum Einkommensteuergesetz eine Haltung des Herrn Bundesfinanzministers und dieses Hauses erfahren, die ganz dahin tendiert, denjenigen Kreisen, die zu den Großverdienern gehören, immer weitere Erleichterungen zu gewähren und die Massen von diesen Erleichterungen auszuschließen. Ich denke nur an das beschämende Beispiel, das die Abstimmung über unseren ersten Antrag, die getrennte Besteuerung von Mann und Frau, hier im Hause geboten hat. Aber wir wissen darüber hinaus, daß der
Herr Finanzminister neue Massenbelastungen durch Erhöhung der Umsatzsteuer verlangt. Wir wissen auf der andern Seite, daß er kein Geld für die dringendsten sozialen Aufgaben hat. Wir wissen, daß er sogar zur Drosselung wichtiger Produktionszweige schreiten muß, indem er durch die Mineralölsteuererhöhung Landwirtschaft und 'Fischerei in einem Maße belastet, das kaum noch erträglich ist. Wir wissen, daß zur Stunde Tausende von Fischkuttern nicht mehr auslaufen können, weil ihre Besitzer die erhöhten Preise für Mineralöle nicht mehr bezahlen können.
Wenn wir all diese Dinge zusammenfassen, dann erinnern wir uns auch in diesem Zusammenhang an die Einkommensteuernovelle vom vorigen Jahre, von der mein Kollege Harald Koch hier heute gesagt hat, daß sie einer dünnen Schicht von Großverdienern fast ein Milliardengeschenk gemacht hat. Auch bei dem vorliegenden Gesetz scheint es uns so zu sein, daß man wieder einer dünnen Schicht ein Geschenk von insgesamt 400, vielleicht sogar 500 oder 600 Millionen DM machen will, ohne daran zu denken, daß es Not in Deutschland gibt, daß man nicht weiß, wie man die miserable Kassenlage bessern kann, daß man nicht weiß, wie man den Haushalt in Ordnung bringen soll.
Die sozialdemokratische Fraktion wäre durchaus damit einverstanden gewesen, wenn der Herr Finanzminister etwa 100 Millionen DM zur Förderung von Exportfirmen aus Vertriebenen- oder aus Handwerkerkreisen bereitgestellt hätte. Aber diese 100 Millionen DM müßten individuell auf bestimmte Betriebe verteilt werden und nicht pauschal auf alle diejenigen, die jetzt im Export tätig sind. Eine individuelle Exportförderungshilfe statt der Pauschalhilfe, die hier durch diesen Gesetzentwurf vorgesehen ist, würde auf jeden Fall unsere Unterstützung finden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Anlage des Gesetzentwurfes gestattet es uns nicht, wie ich schon im Ausschuß gesagt habe, Abänderungsanträge einzubringen. Es ist ein Entwurf, der aus Interessentenkreisen zu kommen scheint. Wir warnen Sie davor, diesen Entwurf Gesetz werden zu lassen. Nicht Exportförderung ist das Ziel dieses Gesetzes, sondern, wie ich schon einmal im Ausschuß sagte, die Vermehrung des Vermögens für Großverdiener ist der Sinn und der Erfolg dieses Gesetzes, wenn es angenommen wird.
Ich möchte in diesem Stadium der Verhandlungen nicht mehr den Antrag auf Rückverweisung an den Ausschuß stellen. Die Koalitionsfraktionen sind, wie ich im persönlichen Gespräch gehört habe, entschlossen, dieses Gesetz in dieser Form anzunehmen. Ich hatte nur die Aufgabe, Ihnen einmal das vor Augen zu führen, was wir von unserer Warte aus zu diesem Gesetz zu sagen haben. Das ist kurz gesagt folgendes. Hier wird wieder ein Geschenk pauschal und unverdient an Leute gegeben, die heute schon zu' denen gehören, die man als Großverdiener bezeichnen kann.
Dagegen, daß die dritte Lesung heute stattfindet, erhebe ich jetzt schon Einspruch. Wir werden das Gesetz in dieser Form ablehnen.