Rede von
Fritz
Schäffer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst muß ich eine sachliche Berichtigung vornehmen. Aus den Vorreden hat es so herausgeklungen, als ob die Reden gegen böse Vorschläge einer bösen Bundesregierung gehalten werden müßten. Ich stelle zunächst fest, daß zu diesem Punkt überhaupt keine Vorschläge der Bundesregierung vorliegen.
Ich stelle fest, daß lediglich im Laufe der Debatte davon gesprochen worden ist, ob § 43 der Steuerdurchführungsverordnung beibehalten werden soll, und daß ich erklärt habe, daß nach meiner Überzeugung der § 43 der Steuerdurchführungsverordnung nicht beibehalten werden kann. Er wird für dieses Jahr noch laufen, aber eine Änderung vom Jahre 1952 ab muß erfolgen.
Nun bitte ich, bei Steuergesetzen nicht sofort in allgemeine Debatten über allgemeine Prinzipien einzutreten, sondern sich zu überlegen, was die Steuergesetze wollen und wieweit sie eine wirkliche Anwendung auf diese Prinzipien darstellen.
Ich bin mit der Rednerin des Zentrums wohl darin einig, daß wir uns in unserem politischen Leben die Aufrechterhaltung von Ehe und Familie als Ziel setzen sollten.
Das Grundprinzip der Ehe und das, was sie heiligt, ist 'das Kind.
Wenn wir die Ehe aufrechterhalten wollen, müssen wir überlegen, ob die Steuergesetze, die auf die Eheleute Anwendung finden, die kinderreichen Familien benachteiligen oder nicht.
Die jetzige Handhabung des § 43 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung führt dazu, daß ein Ehepaar mit 5 Kindern, wo der Mann verdient, weil die Frau ihre mütterlichen Pflichten erfüllt und nicht in Arbeit gehen kann, mehr Steuern zahlt als zwei Doppelverdiener, die kinderlos sind, wenn sie getrennt veranlagt werden.
Wenn ich also die Ehe aufrechterhalten will und wenn ich in der Ehe den Zweck sehe, das Kind großzuziehen, und wenn ich an die kinderreiche Familie denke, dann müssen Sie mir zugeben, daß eine solche steuergesetzliche Bestimmung revisionsbedürftig ist.
Ich darf weiter daran erinnern, daß der Hinweis auf die Vereinigten Staaten von Amerika weder vom sozialen Standpunkt noch vom Standpunkt der Ehe und Familie glücklich gewählt gewesen ist.
Er ist vom Standpunkt der Ehe und Familie nicht glücklich gewählt, weil Amerika zu diesem System nur gekommen ist, da einzelne Staaten — insbesondere im Süden der Vereinigten Staaten — ein Güterrecht kennen, das unserer Auffassung von der Ehe vollkommen widerspricht, indem nicht wie bei uns in der Ehe nach dem Grundsatz unseres bürgerlichen Güterrechts alles, was die Eheleute an gemeinsamem Vermögen haben, in Verwaltung und Nutznießung als eine Einheit gilt, sondern dort der Grundsatz der reinen Trennung des Vermögens der beiden Eheteile ausgesprochen ist. Um hier die Durchführung in allen Ländern einheitlich
zu gestalten, haben sich die Vereinigten Staaten zu diesem System des splitting entschlossen. Und wer läuft dagegen Sturm in den Vereinigten Staaten? Es sind die Gewerkschaften, die Trade Unions, die dagegen Sturm laufen und mit Recht dagegen Sturm laufen, weil sie sehen — es würde sich übrigens auch bei uns so auswirken —, daß den Vorteil des splitting nicht die Wenig-Verdienenden, sondern die Hoch-Verdienenden haben. Denn es wirkt sich um so mehr aus, je höher die Steuerprogression ist.
Wenn ich den Eventualantrag im Umdruck Nr. 199 ansehe, dann scheint mir darin schon eine Erkenntnis über das Zutreffende des eben Gesagten zu liegen, weil ja hier schon davon ausgegangen ist, daß die Trennung nur für die Fälle aufrechterhalten bleiben soll, in denen ein bestimmtes Mindesteinkommen nicht überschritten wird. Darin liegt doch wohl die Erkenntnis, daß bei den höheren Einkommen der Vorteil ungerechtfertigt hoch ist.
Weiter darf ich noch sagen — weil vom Art. 3 des Grundgesetzes gesprochen worden ist —: Wir haben ja heute schon praktisch den Zustand, daß zwei nur Lohnsteuerpflichtige, die nicht veranlagt werden, wenn sie verheiratet sind und Kinder haben, beide die Kinderermäßigung genießen. Das Grundgesetz Art. 3 geht gewiß von der Gleichberechtigung der Frau aus, es geht aber nicht von der Behauptung aus, daß sowohl Mann wie Frau Kinder kriegen würden.
Diese Änderung des Naturgesetzes bringt auch unser Grundgesetz nicht zustande.
Ich muß also feststellen, daß der Art. 3 des Grundgesetzes mit dieser Handhabung sehr wenig zu tun hat.
Ich halte es für notwendig, daß wir den § 43 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung mit seinen verschiedenen Nachteilen — insbesondere für die kinderreiche Familie — einer Revision unterwerfen. Die Bundesregierung würde dabei daran denken, für die in nichtselbständiger Arbeit Stehenden unter einer bestimmten Einkommensgrenze, insbesondere soweit sie nicht veranlagungspflichtig sind, die getrennte Veranlagung beizubehalten, aber über eine gewisse Grenze hinaus besteht keine Veranlassung dazu, und vor allem muß die Benachteiligung der kinderreichen Familien aufgehoben werden.
Damit Sie aber der Bundesregierung die Möglichkeit geben können, diese Einkommensteuer-Durchführungsverordnung § 43 zu ändern; müssen Sie ihr die Freiheit lassen. Deswegen bitte ich, die Abänderungsanträge abzulehnen.