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ID0114518300

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    6. Ollenhauer.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 145. Sitzung. Bonn, Donnerstag; den 31. Mai 1951 5709 145. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 31. Mai 1951. Geschäftliche Mitteilungen . . . 5710A, 5744C Zur Tagesordnung 5710A, 5747C Freudenberg (FDP) 5747C Mellies (SPD) 5747C Schröter (CDU) 5747D Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes (ESt- und KSt-Änderungsgesetz 1951 (Nrn. 1982, 2212, zu 2212 der Drucksachen); Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung (Umdruck Nrn. 186, 191, 192, 193, 195, 196, 197, 199, 200) 5710B Zur Geschäftsordnung: Mellies (SPD) 5710B Schröter (CDU) 5710C Zur Sache: Dr. Koch (SPD) . . . 5710D, 5729D, 5733A, 5734B, 5737D, 5744C Dr. Ringelmann, Staatssekretär im Bayerischen Finanzministerium . . 5713B 5718C Müller (Frankfurt) (KPD) 5715C, 5720A, 5736C Dr. Wellhausen (FDP) 5717A Dr. Bertram (Z) . . . 5719B, 5727D, 5732B Neuburger (CDU) 5720C, 5731D, 5737B, 5742A Kurlbaum (SPD) 5720D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 5721C, 5725B, 5731A, 5733C, 5739D Frau Wessel (Z) 5722D Dr. Greve (SPD) 5723C Frau Lockmann (SPD) . . . 5724A, 5737A Farke (DP) 5726B Frau Dr. Weber (Essen) ,(CDU) . . 5726D Loritz .(WAV) 5727C Pelster (CDU) 5729A Horn (CDU) 5729C Dr. Dr. Höpker-Aschoff '(FDP). . 5732D Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 5738B Lausen (SPD) 5740C Ewers (DP) 5743A Dr. Bucerius (CDU) 5746A Zur Abstimmung: Dr. Koch (SPD) 5746B Müller (Frankfurt) (KPD) 5747A Abstimmungen: . 5719A, 5722B, 5733C, 5737C, 5738A, 5740A, 5744D, 5747B Fortsetzung der zweiten Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP, BP, Z eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr (Nr. 2061 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (il. Ausschuß) (Nrn. 2213, 2286 der Drucksachen) 5747C, 5748A Freudenberg (FDP) (zur Geschäftsordnung) 5747C Dr. Povel (CDU), Berichterstatter . 5748A Mertins (SPD) 5748C Abstimmung 5749D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1951 (Nr. 2245 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung des Art. 108 Absätze 1, 2 und 4 des Grundgesetzes (Nr. 2268 der Drucksachen) 5747C, 5750A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 5750B, 5754D Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 5752B Lausen (SPD) 5753A Renner (KPD) 5756B Ausschußüberweisung 5758A Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das -Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß): Einzelplan IV - Haushalt des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts - (Nr. 1904 der Drucksachen; Änderungsantrag Umdruck Nr.172) in Verbindung mit Einzelplan IV b - Haushalt für Angelegenheiten des Europarats und verwandter Gebiete - (Nr. 1927 der Drucksachen) 5758A, C, 5764A Strauß (CSU) (zur Geschäftsordnung) 5758B Mellies (SPD): zur Geschäftsordnung . . 5758B, 5765A zur Sache 5768C Dr. Blank (Oberhausen) (CDU), Berichterstatter 5758C, 5764A Dr. Wuermeling (CDU): zur Geschäftsordnung 5764C zur Sache 5772C Dr. von Campe (DP) 5765B Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 5771D, 5778C, 5800D Dr. Luetkens (SPD) . . . . 5773D, 5801D. Fisch (KPD) 5782C Dr. Richter (Niedersachsen) (SRP) (zur Geschäftsordnung) . . 5785A, 5788D Dr. Bertram (Z) (zur Geschäftsordnung) 5785A, 5789A Loritz (WAV): zur Geschäftsordnung 5785A zur Sache 5785B, Dr. von Brentano (CDU) (zur Geschäftsordnung) 5789A Dr. Reismann (Z) 5789C Fürst zu Oettingen Wallerstein (BP) 5793C Dr. Vogel (CDU) 5794Ç Ollenhauer (SPD) 5797B von Thadden (DRP) 5802A Abstimmungen 5802C Nächste Sitzung 5803B, D Die Sitzung wird um 13 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Rudolf Vogel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst einige Bemerkungen zu dem Etat als solchem machen, wobei ich wirklich außerordentlich bedaure, daß mein sehr verehrter Vorredner, Herr Dr. Reismann, sich nicht die Mühe genommen hat, an den Etatsberatungen im Haushaltsausschuß selber teilzunehmen. Er würde dann vielleicht in manchen Dingen zu einem anderen Urteil gelangt sein, vor allem was seine Zahlennennungen anlangt, die er am Schluß über die Besetzung der deutschen Auslandsposten im Vergleich zu früheren Jahren gemacht hat. Insgesamt gesehen haben wir uns eine sehr große Mühe gegeben, gerade diesen Punkt sehr aufmerksam a durchzusehen und dafür zu sorgen, daß keine übermäßigen Planstellen bei, den Auslandsvertretungen 'angesetzt werden. Ich glaube, daß in dieser Beziehung die Regierungskoalition und Opposition sich durchaus einig waren und auch erfolgreich dafür gesorgt haben, daß eine solche Überziehung des Etats nicht stattfand.

    (Abg. Schoettle: Endlich geben Sie der Sozialdemokratie auch eine positive Note!)

    — Herr Schoettle, wir haben doch so vernünftig miteinander zusammengearbeitet.

    (Abg. Schoettle: Sagen Sie das Ihrem Kanzler, dann hält er eine andere Rede!)

    — herr Schoettle, aber wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus; das wissen Sie doch ganz genau. Man darf nicht immer zuerst schießen und man soll dann nicht erwarten, daß die anderen nicht zurückschießen werden. Es ist unchristlich, so etwas zu verlangen.

    (Lachen und Zurufe bei der SPD. — Unruhe.)

    — Unterbrechen Sie mich doch bitte jetzt nicht. Lassen Sie mich bitte zu Ende reden. Ich habe Ihnen doch nichts getan.
    Wir wollen uns zunächst noch mit dem Etat selbst auseinandersetzen, ehe ich noch auf andere Dinge zu sprechen komme. Herr Schoettle, wir waren uns im Ausschuß lange darüber im Zweifel, welche Methode bei dem Aufbau des Auswärtigen Amtes die bessere ist; ob wir uns darauf konzentrieren sollten, den alten Aufbau des Amtes von 1933 mit den sechs Abteilungen wiederherzustellen, oder ob wir in Anbetracht des unbestreitbaren Bedürfnisses der Bundesregierung eine Art von „brain trust", eine Art von Mannschaft schaffen sollten, die dem


    (Dr. Vogel)

    ungeheuren Ansturm an Versammlungen, an Konferenzen, an internationalen Tagungen gewachsen ist. Es ist notwendig, hier festzustellen, daß in den ersten Monaten dem Bundeskanzler bei weitem nicht die Männer zur Verfügung gestanden haben, die notwendig gewesen wären, um bei allen internationalen Konferenzen und Besprechungen den Bund gültig und ausreichend zu vertreten. Es wird unser Anliegen sein — wir glauben, die Frage im Haushaltsausschuß einigermaßen zufriedenstellend gelöst zu haben —, gerade jetzt dem Außenminister eine hinreichend große Zahl von Planstellen zur Verfügung zu stellen, die ihn befähigen, auf den internationalen Konferenzen der nächsten Zeit und bei den europäischen Besprechungen richtig und ausreichend vertreten zu sein. Ich glaube, daß das ein Fortschritt sein wird.
    Meine Freunde und ich haben uns dagegen nicht dazu bequemen können, dem Vorschlag, die Abteilungen II und III unter einen Unterstaatssekretär zu stellen, zuzustimmen, und zwar aus folgendem Grund. Bei der heutigen Überfülle von Konferenzen aller Art muß der Unterstaatssekretär auch zeitweilig abwesend sein. Es ist heute schon so, daß jede der beiden Abteilungen ein solches Übermaß an Arbeit mit sich bringt, daß die direkte Unterstellung unter den Staatssekretär nur dazu geführt hätte, daß die beiden Abteilungen sich vollständig selbständig machen und der Staatssekretär die Kontrolle über sie verliert. Vergessen Sie doch nicht: wir haben es hier mit einem Ministerium zu tun, das zahlenmäßig das weitaus größte aller Ministerien ist und das mit den auswärtigen Vertretungen ungefähr so stark sein wird, wie drei der nächststarken Ministerien zusammengenommen. Schon die bloße Beherrschung des Verwaltungsapparates eines solch großen Ministeriums erfordert einen ungeheuren Aufwand auch an höheren Beamten. Wir haben uns erst nach sehr gründlichen Überlegungen dazu entschließen können, dem Apparat des Auswärtigen Amtes die notwendigen B 4-Stellen zu bewilligen. Infolgedessen halte ich den Antrag der Opposition, eine von den B 4-Stellen, eine Ministerialdirektorstelle, zu streichen, für unzweckmäßig und sachlich nicht ausreichend begründet.
    Nun möchte ich noch zu allen anderen Punkten, die wir im Haushaltsausschuß behandelt haben und die alle angehen, ausführlich Stellung nehmen. Wir haben von seiten der Bundesregierung gehört, daß sie sehr erhebliche Anstrengungen gemacht hat, um ausländischen Missionen in unserem Lande zu einer würdigen und zweckentsprechenden Unterkunft zu verhelfen. Leider haben wir zu unserem Bedauern nicht gehört, daß auch im Auslande entsprechende Anstrengungen zur Unterbringung unserer Leute gemacht worden sind.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Ich glaube, wenn wir heute als gleichberechtigte Nation ein solches Entgegenkommen von den anderen erwarten, die bei uns hier in Bonn erscheinen und mit Freude und Freundschaft von uns aufgenommen werden, ist das kein unbilliges Verlangen, und wir hätten gerade in Anbetracht der ungeheuren Wohnungsnot, wie sie in fast allen ausländischen Hauptstädten heute herrscht, durchaus einen Anspruch darauf, nicht nur unsere Gebäude wieder zurückzuerhalten, sondern darüber hinaus auch diejenige Hilfe bei der Unterbringung unseres Personals zu erhalten, die das Gebot der Gastfreundschaft auch den anderen Nationen auferlegen sollte.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    In diesem Zusammenhang möchte ich noch einen anderen Appell an das Ausland richten. Wir sind, obwohl wir ein Auswärtiges Amt bereits wieder haben, noch nicht im Besitz der wichtigsten Archive und Akten des früheren Auswärtigen Amtes. Wir haben wohl die sehr kostbare Bibliothek des Auswärtigen Amtes in Stärke von ungefähr 60 000 Bänden zurückerhalten, aber wir haben noch nicht die Personalakten zurückbekommen, obwohl ein technisch so ausgezeichnet funktionierendes Amt wie das Foreign Office sich die Fotokopien längst angeschafft haben wird, deren es zu bedürfen glaubt. Ich glaube, daß heute kein Hindernis mehr bestehen sollte, uns diese Archive und Akten zurückzugeben, damit der Geist der Freundschaft und Zusammenarbeit auch an solcher Geste deutlich sichtbar wird.
    Noch ein anderer Punkt. Wir haben längst nicht das Maß an voller Souveränität in der Ausübung unserer Paßrechte, wie wir es alle wünschen würden.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wir haben von seiten der Regierungsparteien und einer Reihe anderer Parteien, die sich angeschlossen haben, einen Antrag eingebracht — leider hat sich die Opposition diesem Antrag nicht angeschlossen—, mit dem wir die Bundesregierung ausdrücklich gebeten haben, auf eine Revision der sogenannten schwarzen Listen zu drängen. Ich halte die Existenz dieser schwarzen Listen in der jetzigen Form für unerträglich für uns. Ich halte es für unerträglich, daß ohne eine Nachprüfung durch unsere eigenen Behörden ungefähr 15 000 Menschen

    (Zuruf von der SPD: 30 000!)

    — nein, es sind 15 000 —, unter denen sicher manche sein werden, in deren Ablehnung wir uns alle einig sind, kein deutsches Visum erhalten dürfen. Es werden viele Tausende darunter sein, für die eine Paßverweigerung in jedem Fall nicht nur eine unbillige Härte, sondern eine große Ungerechtigkeit bedeutet.

    (Abgeordneter Dr. Schmid [Tübingen] : Die schwarzen Listen fallen doch mit dem Aufheben der Kriegsgesetzgebung weg!)

    — Nein, ich glaube nicht, Herr Professor, daß sie damit wegfallen. Nach meinen Informationen sind sie leider noch in vollem Schwang.
    Ich möchte in diesem Zusammenhang etwas anderes erwähnen, was vielleicht wenige Menschen wissen. War es notwendig, uns solange die Ausübung unseres Paßrechts vorzuenthalten? War es z. B. in der Schweiz notwendig, mit den sehr großen einkommenden Mitteln dem dortigen Leiter der auswärtigen Stelle, die über die Einreise nach Deutschland verfügt hat und an Stelle der deutschen Bundesrepublik Paßgebühren erhoben hat, ein Jahresgehalt von 230 000 Schweizer Franken auf unsere Kosten auszusetzen? Wir sehen hierin einen Mißbrauch der Mittel, die zugunsten der deutschen Bundesrepublik eingekommen sind. Wir haben leider von diesen Mitteln, die in sehr großem Umfang im Ausland für die Erteilung von Pässen in die Bundesrepublik in unserem Auftrag eingenommen worden sind — es handelt sich hier um viele, viele Millionen —, in unserem Haushalt nur einen Betrag vón 1,17 Millionen DM wiedergefunden. Ich glaube, ich spreche im Namen der überwältigenden Mehrheit dieses Hauses, wenn ich die Forderung erhebe, daß die vielen, vielen anderen Millionen auch noch an uns zurückgegeben werden. Denn sie stehen uns rechtmäßig zu. Wir dürfen mit guten juristischen Gründen eine Rückerstattung dieser Beträge erwarten.


    (Dr. Vogel)

    Lassen Sie mich noch einiges zu den mir unverständlichen Beanstandungen hinsichtlich der etatsmäßigen Eingliederung des Rechtsberaters Professor Kaufmann sagen. Wir haben uns sehr darüber gewundert, daß einer so verdienten Persönlichkeit und einem so ausgezeichneten Kenner des internationalen Rechts — ich möchte beinahe sagen, es ist der letzte, der uns noch geblieben ist — bei der Abstimmung im Haushaltsausschuß von seiten der Opposition derartig viele Schwierigkeiten bereitet worden sind. Selbst wenn man rein etatsrechtliche Bedenken haben" könnte, so sind wir uns, glaube ich, alle darin einig, daß wir dem Bundeskanzler in dem ungeheuer schwierigen rechtlichen Kampf um die Wiederherstellung der deutschen Selbstbestimmung jede nur mögliche Hilfe zuteil werden lassen sollten. Das sollte ein Anliegen sein, das Regierungskoalition und Opposition miteinander vereinigt.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Wir haben im Etat zu unserem Erstaunen die Stelle eines Oberregierungsrats vorgefunden, der die Pressebetreuung des Auswärtigen Amtes wahrnehmen sollte. Ich habe in den Etatsberatungen darauf hingewiesen, daß wir die reichliche Ausstattung der Auswärtigen Abteilung des Bundespresse- und Informationsamtes nur unter dem Gesichtspunkt bewilligt haben, daß eine rechtzeitige Verständigung zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Bundespresse- und Informationsamt über eine gemeinsame Zusammenarbeit stattfinden sollte. Wogegen wir uns mit aller Schärfe' wenden sollten, wäre der Neuaufbau einer neuen zweiten Presseabteilung neben der Bundespresse- und Informationsabteilung im Auswärtigen Amt. Die Bundespresse- und Informationsabteilung ist mit Personal reichlich genug ausgestattet, um diese Funktionen ausüben zu können. Wir wünschen hier keine neue Parallelität. Ich glaube, es liegt durchaus innerhalb der Organisationsgewalt der Bundesregierung, eine solche Regelung beizeiten und in voll ausreichendem Maße herbeizuführen.
    Ich möchte jetzt noch einiges zu dem sagen, was heute innerhalb der — ich glaube doch, zum ersten Mal wirklichen — Debatte in diesem Hause über auswärtige Dinge gesagt worden ist. Ich finde, daß eine solche Debatte überaus belebend wirkt. Ich glaube, wir hatten alle 'den Eindruck, daß trotz der späten Stunde die bewunderungswürdige Frische unseres Herrn Bundeskanzlers und Außenministers für unsere junge Demokratie einen Beitrag geliefert hat, der wahrscheinlich auch der Opposition einige Achtung abnötigen wird. Lassen Sie mich zunächst zu einer Forderung Stellung nehmen, die völlig unbegreiflicherweise von Ihrer Seite aus (zur SPD) hier erhoben worden ist. Es ist von Ihrer Seite der Ruf ertönt: „Wir wollen keinen spanischen Botschafter bei uns sehen." Gestatten Sie, daß ich auf folgendes aufmerksam mache. Wenn Sie konsequent handeln wollen, dann hätten Sie mit dem gleichen Recht dagegen protestieren müssen, daß eine deutsche Handelsmission nach Jugoslawien geht. Ich weiß nicht, welchen Unterschied Sie zwischen einer kommunistischen Tito-Regierung und einer falangistischen spanischen Regierung machen wollen. Ich begreife diesen Unterschied nicht; hier liegt ein Mangel an Logik bei Ihnen vor.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Das kann vorkommen!) Ich möchte hier im Namen meiner Freunde mit allem Nachdruck erklären, daß ein spanischer Botschafter uns willkommen ist.


    (Bravo-Rufe bei den Regierungsparteien.)

    Vielleicht haben viele der Herren, die heute hier so stark gegen das jetzt in Spanien herrschende Regime in die Opposition gegangen sind, dabei eines nicht bedacht. Ich selber habe im Jahre 1936 die rauchenden Kirchen in Malaga, in Cordoba und in anderen Städten gesehen. Ich habe damals gesehen, was die sogenannte republikanische Regierung vorher in diesem Lande geduldet hat. Aber ich habe damals von Ihrer sozialistischen Seite keinen Protest gegen diese rauchenden Kirchen gehört.

    (Zuruf von der SPD: Unverschämt! — Weitere erregte Zurufe von der SPD.)

    Wir wollen uns heute über diese Dinge nicht mehr auseinandersetzen. Ich will heute nur ins Gedächtnis zurückrufen, was damals war. Sie werden aus dem Unrecht kein Recht machen.

    (Weitere Zurufe und Unruhe bei der SPD.)

    Ich möchte jetzt noch zu folgenden Dingen Stellung nehmen. Als wir uns 1948 anschickten, die ersten Grundsteine für die deutsche Bundesrepublik zu legen, kam es zu der historischen Konferenz auf dem Rittersturz.
    Auf dem Rittersturz waren damals als 'die ersten Sprecher der damals noch nicht existierenden deutschen Bundesrepublik die Ministerpräsidenten der 11 deutschen Länder, unter ihnen auch eine ganze Anzahl sozialdemokratischer Ministerpräsidenten, anwesend. Damals auf dem Rittersturz wurden die meisten außenpolitischen Wechsel mit unterzeichnet, die heute eingelöst werden müssen. Herr Professor Carlo Schmid, ich darf mich auf Ihr ausgezeichnetes Gedächtnis berufen. Sie waren es, der damals am Rittersturz die Konsequenz dieses Weges voll erkannte.

    (Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Ich habe auch gewarnt!)

    — Aber Sie wissen auch, daß damals die Mehrheit einschließlich Ihrer Fraktions- und Parteifreunde diesem Weg zugestimmt hat, diesem Weg, den Sie vielleicht damals in der Hoffnung gegangen sind, eine sozialistische Mehrheit in diesem Bundestag zu erreichen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wenn diese Hoffnung Sie getrogen hat, dann sollten Sie sich der Inkonsequenz des heute verfolgten Kurses wenigstens bewußt sein. Was man damals einmal bejaht hat, kann man heute nicht auslöschen. Ich fand es, am Rande bemerkt, auch ein wenig komisch, Herr Abgeordneter Luetkens, wenn ich Sie heute als leidenschaftlicher Vorkämpfer der föderativen Paragraphen unseres Grundgesetzes auftreten sah. Da ich die Dinge damals am Rittersturz miterlebt habe, möchte ich hierzu folgendes sagen. Ihre Haltung in der Außenpolitik möchte uns manchmal zu der Annahme führen, als fürchteten Sie beinahe, daß noch in diesem Jahr das Besatzungsstatut durch den Sicherheitsvertrag abgelöst wird und die Unterschrift unter diesen ungeheuren Fortschritt unserer Außenpolitik den Namen Dr. Adenauer tragen könnte.

    (Zustimmung und Beifall in der Mitte und rechts. — Zuruf: So ist es auch!)

    Als wir uns für diese Debatte rüsteten, habe ich Gelegenheit genommen, in unserem leider noch so jämmerlichen Archiv hier die Bände des alten Reichstags aus den Jahren 1921 bis 1932 durchzusehen. - Sie sind leider nicht vollständig da. Ich hatte einige Reden in der Hand, die Hugenberg und andere Herren seinerzeit gehalten haben. Es würde nicht schwer sein, wenn ich diese Bände da


    (Dr. Vogel)

    hätte, heute Parallelen wachzurufen, die für Sie verdammt peinlich wären.

    (Zuruf von der SPD.)

    — Es tut mir leid: wenn Sie mit diesen Dingen anfangen, muß Ihnen darauf auch entsprechend geantwortet werden. Ich erinnere mich einzelner Reden, die gegen Stresemann in den Tagen von Locarno gehalten worden sind. Ihre Verlesung hier würde wahrscheinlich sehr nützlich sein, und ich behalte mir vor, die entsprechenden Zitate später einmal beizubringen, die man zu mitternächtlicher Stunde angesichts dieses sehr mangelhaften Archivs nicht beibringen kann.
    Ich möchte schließen und Sie nicht eine Minute länger aufhalten, als unbedingt notwendig ist. Wir glauben, daß der Weg, den »wir mit dem Herrn Bundeskanzler gegangen sind, logisch und konsequent war, daß es ein Weg war, den wir alle miteinander gehen mußten. Denn wir hatten seinerzeit, als wir uns 1948 bereit erklärten, auf die Beschlüsse der Londoner Konferenz einzugehen, keine andere Möglichkeit, als diesen Weg Schritt für Schritt voranzugehen.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Wir wollen uns doch eines gestehen: Hat jemand in diesem Hause, als wir zusammentraten, jemals zu hoffen gewagt, daß wir in zwei Jahren bereits so weit sein werden, die Ablösung des Besatzungsstatuts durch einen Sicherheitsvertrag zu erhoffen? Seien wir doch ehrlich in dieser Beziehung! Niemand von uns wagte damals überhaupt an einen solchen schnellen Fortschritt zu denken.

    (Zuruf von der KPD.)

    — Was Sie da drüben ,,faulen Zauber" nennen, Herr Fisch, das sollten Sie Ihren eigenen Leuten drüben in der Ostzone zu erzählen wagen, Sie Nutznießer der demokratischen Freiheit hier auf unserem Boden.

    (Lebhafter Beifall in der Mitte. — Zuruf des Abg. Fisch.)

    Ich möchte mit den Worten schließen, daß wir uns sicher alle freuen, daß wir überhaupt wieder ein Auswärtiges Amt haben, daß wir damit in eine neue Epoche eingetreten sind. Lassen Sie mich mit dem Wunsche schließen, daß es dem Herrn Bundeskanzler gelingen möge, noch in diesem Jahre die Verkündung der Beendigung des Kriegszustandes hier in diesem Lande herbeizuführen und die Ablösung des Besatzungsstatuts durch den Sicherheitsvertrag und damit »den entscheidenden Schritt zur Wiedererringung der deutschen Selbstbestimmung zu vollziehen.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ollenhauer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Erich Ollenhauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tatsache, daß der Herr Bundeskanzler in Erwiderung auf die Sprecher unserer Fraktion eine Reihe von allgemeinen Bemerkungen über die Außenpolitik und das Verhältnis zwischen Regierung und Opposition auf dem Gebiete der Außenpolitik gemacht hat, veranlaßt mich, hier noch einige Ausführungen zu machen, obwohl ich bedaure, daß ich sie in so später Stunde machen muß.
    Ich möchte zunächst eine einzige Bemerkung zu der vorangegangenen Debatte machen, insbesondere zu den so temperamentvollen und leidenschaftlichen Ausführungen des Herrn Dr. Wuermeling über die Entartung der politischen Auseinandersetzung..Seine vernichtende Kritik hat sich hier vor allem an der sogenannten Brotkarte entzündet, die von der Sozialdemokratischen Partei als Propagandamaterial herausgegeben wurde und die die Bundesregierung veranlaßt hat, mit einem Strafantrag gegen diese gefährliche Propagandakarte vorzugehen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Es hat mich und meine Freunde etwas amüsiert, daß Sie, Herr Dr. Wuermeling, mit solcher Leidenschaft gerade dieses Propagandaobjekt der SPD hier zum Gegenstand Ihres Angriffs gemacht haben.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Um es niedriger zu hängen!)

    — Gut, gut, das hat mir als Schlußabsatz dieser Ihrer Kritik gerade noch gefehlt. Ich will Ihnen jetzt sagen, warum wir eine solche stille Freude
    — größer, als Sie jetzt haben werden — bei Ihren Ausführungen gehabt haben. Diese Brotkarte der SPD hat nämlich einen Vorläufer, und dieser Vorläufer ist noch interessanter als unsere Imitation, die für jedermann als solche zu erkennen ist, und zwar handelt es sich um diese Lebensmittelkarte, die einer amtlichen Lebensmittelkarte aus den unseligen Zeiten des „Dritten Reiches" sehr ähnlich sieht.

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Zurufe rechts.)

    Und sehen Sie: diese Lebensmittelkarte ist ein Propagandaflugblatt der CDU, Herr Dr. Wuermeling!

    (Große Heiterkeit bei der SPD. — Lebhafte Zurufe in der Mitte und rechts. — Abg. Dr. Wuermeling: Ist da Klassenkampfhetze drin?)

    — Da ist alles drin, was Sie wünschen!

    (Abg. Dr. Wuermeling: Dann lesen Sie es doch bitte einmal vor!)

    — Gern: „Frauen! Wollt ihr diese Karte wiederhaben? Dann wählt die SPD mit ihrer Plan- und Zwangswirtschaft!"

    (Erneute große Heiterkeit bei der SPD. — Abg. Dr. Wuermeling: Das dürfte auch stimmen! -Beifall in der Mitte.)

    — Sehen Sie, Herr Dr. Wuermeling, so kommt es,

    (Abg. Dr. Wuermeling: Das ist keine Karte mit Hetzinschriften!)

    wenn man sich über eine Sache ereifert, von der man im Grunde selbst weiß, daß sie diesen Aufwand an Entrüstung nicht verdient oder daß man bei den Wahlmethoden der eigenen Partei besser etwas vorsichtiger sein sollte.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich wünschte nur, daß Sie das Band, auf dem Ihre Rede hier aufgenommen worden ist, vor den Funktionären Ihrer CDU in Hessen laufen ließen, damit diese einmal die ganze Leidenschaft Ihres Protestes gegen solche Wahlmethoden unmittelbar erleben könnten.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Wuermeling: Das sind überhaupt keine vergleichbaren Dinge!)

    — Ja, natürlich! Ich glaube, ich kann es dem Hohen Hause überlassen, sich darüber ein Urteil zu bilden. Mir genügt die Feststellung, daß mit dieser Art von Propaganda nicht von der SPD, sondern von der hessischen CDU begonnen worden ist.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Es geht um das Prinzip der Klassenkampfhetze, Herr Kollege; damit hat unsere Karte nichts zu tun!)



    (Ollenhauer)

    — Das ist Ihnen etwas spät eingefallen, Herr Kollege Wuermeling!

    (Zuruf von der Mitte: Das hat er vorhin schon gesagt!)

    Ich möchte jetzt, was mir viel wesentlicher erscheint, etwas zu den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers sagen, die sich mit der Außenpolitik der Regierung und dem Verhältnis der Opposition zu dieser Außenpolitik beschäftigt haben. Der Herr Bundeskanzler hat, wie er es im Laufe solcher Auseinandersetzungen leider schon bei verschiedenen Gelegenheiten getan hat, seine Bemerkungen über seine Außenpolitik und sein Urteil über die Position der sozialdemokratischen Opposition in sehr feierliche Worte gekleidet. Er hat auch heute abend davdn gesprochen, er wolle an die Opposition und an die deutsche Öffentlichkeit ein ernstes Wort als Deutscher richten.

    (Zurufe von der Mitte: Das war sehr notwendig! Das war die höchste Zeit!)

    Er hat hinzugefügt, es liege ihm daran, hier einmal darzustellen, wie rein negativ und um rein parteipolitischer Vorteile willen die Sozialdemokratische Partei in Deutschland die Außenpolitik der Bundesregierung bekämpfe.

    (Abg. Euler: Sehr richtig! Das ist der Eindruck weitester Bevölkerungsschichten!)

    Meine Damen und Herren, Sie haben durch Ihren
    stürmischen Beifall schon zu erkennen gegeben,
    daß Sie von den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers außerordentlich stark beeindruckt waren.

    (Zurufe von der Mitte: Gott sei Dank! — Das einzig richtige!)

    Vielleicht liegt es aber im Wesen einer parlamentarischen Debatte, daß man seine Begeisterung einmal auf eine Viertelstunde zurückdrängt, um der anderen Seite die Möglichkeit zu einer sachlichen Bemerkung dazu zu geben.

    (Zurufe rechts.)

    Ich will Ihnen folgendes sagen: Mich hat nicht diese Pathetik, die zum Teil in den Worten des Herrn Bundeskanzlers lag, beunruhigt, sondern was mich wirklich beunruhigt — und ich sage das ganz offen —

    (Zuruf von der Mitte: Hoffentlich!)

    um der gemeinsamen Sache willen, um deretwillen wir hier sind, — —

    (Zurufe von den Regierungsparteien.)

    — Ja, meine Damen und Herren, wenn Sie solche Ausführungen nicht hören wollen, dann brauchen wir in diesem Parlament überhaupt keine Auseinandersetzung zu führen!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Gegenrufe von der Mitte und rechts.)

    Was mich beunruhigt, ist, daß mir diese Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers ein Beweis dafür zu sein scheinen, daß wir in der Beurteilung der gegenseitigen Positionen uns viel weniger verstehen und im Grunde viel weiter voneinander entfernt sind, als es nach den Auseinandersetzungen in der einen oder anderen Frage in der Praxis zutage tritt. Ich möchte darüber einige Bemerkungen machen.
    Sehen Sie, meine Damen und Herren, der Unterschied liegt nicht in der Bewertung der einzelnen Maßnahmen; er liegt in der Beurteilung der Methode und des sachlichen Ausgangspunktes der Außenpolitik der Regierung und unserer Vorstellung von kußenpolitik. Lassen Sie mich zur Frage der Mehode ein Wort sagen. Der Herr Bundeskanzler hat heute eine polemische Bemerkung gemacht: „Sie wissen ja" — zu uns Sozialdemokraten gewandt — „am besten, welche bitteren Wahrheiten Ihnen am Anfang dieser Woche auf der Konferenz der sechs sozialistischen Parteien in Brüssel über den Schumanplan gesagt worden sind."

    (Zuruf von der Mitte: Euch ist das gesagt worden!)

    — Ich habe das zitiert!

    (Zuruf von der SPD: Der schläft schon! — Große Heiterkeit.)

    Ich muß Ihnen dazu sagen, daß ich diese Kenntnis aus den Verhandlungen nicht habe und daß leider der Herr Bundeskanzler die Quelle nicht genannt hat. Die Konferenz dieser Vertreter der sechs sozialistischen Parteien der Schumanplanländer war hinsichtlich des Standpunktes der sozialistischen Parteien in diesen sechs Ländern, der. durchaus nicht in allen Punkten der gleiche ist, außerordentlich instrukti Als Resultat dieser Aussprache hat sich herausgestellt, daß fast alle der sechs sozialistischen Parteien eine ganze Reihe von ernsten Einwänden gegen den jetzigen Schumanplan haben: Es sind sicher nicht die Einwände, die Sie von Ihrem politischen Standpunkt aus akzeptieren würden; aber es sind Einwände, die in den beteiligten sechs Ländern oder in den fünf Ländern außerhalb Deutschlands eine parlamentarische Situation schaffen, über die auch die Mehrheit dieses Bundestages und die Bundesregierung einmal nachdenken sollten.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir sind dieser Diskussion durchaus nicht ausgewichen, sondern wir werden weitere Besprechungen darüber haben, weil nämlich der Standpunkt der Sozialdemokratie, wenn ich das hier in Parenthese und vorweg einmal sagen darf, ja überhaupt nicht ein Anti-Schumanplan-Standpunkt aus anti-europäischer Einstellung ist, sondern weil wir uns vorstellen können, daß es auf diesen Gebieten eine effektivere Form der Zusammenarbeit der westeuropäischen Staaten gibt, als sie heute geschaffen ist,

    (Zustimmung bei der SPD)

    und wir werden sehr ernste Anstrengungen unternehmen, um bis zum Zeitpunkt der Ratifizierung jeden Versuch zu machen, eine solche Zusammenarbeit zustande zu bringen oder vorzubereiten, die unseren Vorstellungen entspricht.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Ich will hier nicht in die Debatte über den Schumanplan eintreten; das werden wir noch in genügender Ausführlichkeit tun können. Was ich hierbei zum Ausdruck bringen wollte, ist meine Kritik an der Methode unserer Außenpolitik und an der Arbeitsmethode unseres Herrn Außenministers und Bundeskanzlers. Meine bescheidene Meinung ist: Die Position der deutschen Bundesrepublik in der Außenpolitik ist so schwierig, daß der Bundeskanzler und Außenminister jede Möglichkeit einer Information über das politische Leben im Ausland, aus welchem Lager immer diese Informationen kommen sollten, für sich in Anspruch nehmen sollte.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Ich bedaure es, daß der einzige Anlaß des Bundeskanzlers, sich mit der Brüsseler Tagung sechs sozialistischer Parteien über den Schumanplan zu beschäftigen, eine polemische Bemerkung in einer Parlamentsdebatte war, während es nach meiner


    (Ollenhauer)

    Meinung für ihn vielleicht auch nützlich gewesen wäre, unabhängig von dieser Parlamentsdebatte einmal einen sozialdemokratischen Teilnehmer dieser Konferenz darüber zu hören, was denn in den anderen Ländern im sozialistischen Lager vor sich geht.

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

    Das ist die Methode, die wir bei der gegenwärtigen Praxis unseres Außenministeriums bedauern.
    Lassen Sie mich noch ein zweites Beispiel nennen: die Personalpolitik. Herr Bundeskanzler, es hat niemand bestritten — Dr. Luetkens hat es in seiner Rede ja ausdrücklich erwähnt —, daß Sie der sozialdemokratischen Fraktion zu Händen ihres Vorsitzenden im Herbst 1950 einen Brief mit dem Inhalt geschrieben haben, den Sie erwähnt haben. Aber,- Herr Bundeskanzler, Sie wissen doch genau, daß auf diesen Brief hin im Laufe der darauf folgenden Monate mehrere intensive Besprechungen mit dem Vertreter der Fraktion in dieser Frage mit Ihnen stattgefunden haben. Diese Besprechungen haben zu keinem praktischen Erfolg geführt. Es ist doch eine unbestreitbare Tatsache, daß heute in den Spitzenpositionen der deutschen Auslandsvertretungen wo immer in keinem einzigen Falle ein Sozialdemokrat ist. Meine Damen und Herren, ich unterstreiche noch einmal: Es- geht hier nicht darum, daß wir nach der Tabelle ausrechnen, wie die einzelnen Fraktionen des Bundestags vertreten sind. Ich meine nur, daß eine Beteiligung aller politischen Strömungen an den Vertretungen im Ausland für jede Regierung, wie immer sie zusammengesetzt ist, einfach eine nationale Notwendigkeit ist, weil ein Mann des Außenamtes von dem Augenblick an, in dem er als unser diplomatischer Vertreter über die deutsche Grenze geht, für alle Deutschen da ist, die in dem betreffenden Lande leben.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Da liegt die Schwierigkeit. Ich will nicht untersuchen, aus welchen Gründen es so ist. Ich will die Dinge hier in keiner Weise im einzelnen vertiefen oder verschärfen. Tatbestand ist: Es ist von der Regierung 'trotz ihrer damaligen prinzipiellen Bereitschaftserklärung in der Praxis kein Schritt geschehen, und wir werden ja, wenn die Dinge jetzt auf der Basis von Gesandtschaften und Botschaften umgebaut werden, sehen, ob sich dann hinter dieser prinzipiellen Erklärung eine praktische Tat zeigt, die diese nach unserer Meinung allgemeine Grundtendenz in der Personalpolitik des diplomatischen Dienstes zum Ausdruck bringt.
    Und nun, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, noch folgendes zu dem zweiten Kapitel, dem andern Ausgangspunkt unserer Außenpolitik als dem der Bundesregierung, des Herrnn Bundeskanzlers, zu sagen. Herr Bundeskanzler, ich finde, es stimmt mit den Tatsachen, die wir alle miteinander erlebt und bei deren Gestaltung wir zum Teil zusammengearbeitet haben, nicht überein, wenn Sie hier vor dem Parlament und vor der Öffentlichkeit feststellen, die Politik der Sozialdemokratie auf außenpolitischem Gebiet sei in der ganzen Zeit rein negativ und nur von parteipolitischen Gesichtspunkten bestimmt gewesen. Das entspricht einfach nicht den Tatsachen.

    (Widerspruch in der Mitte und rechts.)

    — Bitte; ich bin bereit, solche ,Behauptungen zu
    belegen, wenn Sie noch etwas Geduld haben. Herr
    Dr. Vogel hat hier eine sehr interessante Erinnerungaufgefrischt, nämlich die Erinnerung an die
    Ministerpräsidentenkonferenz bei der Vorbereitung des Grundgesetzes und des Parlamentarischen Rates auf Grund der Londoner Empfehlungen der Außenministerkonferenz.
    Ja, Herr Dr. Vogel, jawohl! Damals hat die Sozialdemokratie mitgearbeitet, und wenn Sie sich recht erinnern, wissen Sie, daß die große Bedeutung der Ministerpräsidentenbeschlüsse vom Rittersturz bei Koblenz gerade darin bestand, daß damals alle Minister die These akzeptiert haben, daß wir nicht bereit sind, etwa nach den Wünschen eines Teils der Alliierten ein Definitivum zu schaffen, sondern daß wir uns entschlossen haben, mit Rücksicht auf Berlin und die Ostzone das, was wir heute Bundesrepublik .Deutschland nennen, als ein Provisorium aufzubauen.

    (Sehr richtig! -bei der SPD.)

    Das war damals die gemeinsame Basis, Herr Dr. Vogel, und ich glaube, es hat für die ganze weitere Entwicklung eine große Rolle gespielt. Sie werden doch auch wohl nicht bestreiten, ebensowenig wie der Herr Bundeskanzler, der an den letzten entscheidenden Verhandlungen auf dem Rittersturz ebenso wie ich beteiligt war, daß darin ein sehr bemerkenswerter Beitrag der deutschen Sozialdemokratie lag.

    (Sehr gut! bei der SPD. — Zuruf rechts: Das ist lang her!)

    Lassen Sie mich eines hinzufügen. Wir haben auf dieser Linie weitergearbeitet. Meine Damen und Herren, wir sind um den 20. April 1949 sehr heftig von Ihrer Seite angegriffen worden wegen unserer Opposition gegen die damals vorliegenden Beschlüsse der Mehrheit des Parlamentarischen Rats.

    (Abg. Arnholz: Sehr wahr!)

    Wir haben uns damals gegen die übertriebene föderalistische Forderung der französischen und der amerikanischen Besatzungsmacht gewendet. Wir haben schließlich ein Grundgesetz zustande gebracht, das heute der ersten Bundesregierung dieser Republik ermöglicht, ihre eigentlichen Verwaltungs- und politischen Funktionen überhaupt auszuüben.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, Sie können darüber streiten, ob unsere Position bei der ersten großen außenpolitischen Auseinandersetzung in diesem Hause, bei der Debatte über das Petersberg-Abkommen, richtig gewesen ist. Aber vielleicht überlegen Sie sich auch einmal, ob und wie die deutsche Position in den vergangenen Monaten bei den Schumanplan-Verhandlungen gewesen wäre, wenn wir das Ruhrstatut und die Ruhrbehörde nicht in dieser Form gehabt hätten.

    (Beifall bei der SPD.)

    Oder ein anderes Kapitel. Man hat uns in diesem Hause auch wegen unserer ablehnenden Stellung zum Europarat Vorwürfe gemacht. Aber wir haben gestern hier eine, wie ich glaube, für alle Beteiligten sehr bittere Debatte über unsere Position im Saargebiet gehabt: Vielleicht überlegen Sie sich auch mal, ob diese bedauerliche Zuspitzung der Entwicklung im Saargebiet an einem so dramatischen Punkt für die westeuropäische Entwicklung nicht anders gelaufen wäre, wenn wir im vorigen Jahre in der Forderung, daß die Bundesrepublik nicht auf der gleichen Ebene mit' dem Saargebiet als Beobachter in den Europarat gehen solle, festgeblieben wären.

    (Beifall bei der SPD.)



    (Ollenhauer)

    Vielleicht hätten wir damals uns und dem Saargebiet eine Position geschaffen, die bei vielleicht immer noch verbleibenden Meinungsverschiedenheiten doch nicht zu dieser Überspitzung geführt hätte, die wir heute erleben.
    Meine Damen und Herren, ich erinnere Sie an die Diskussion über das Schuldenabkommen. Bitte, Sie können über die Sozialdemokratische Partei in diesen außenpolitischen Fragen sagen, daß sie ihren Standpunkt mit großer Härte und Entschiedenheit vertritt. Sie werden in jedem einzelnen Punkt nicht bestreiten können, daß hinter ihrer Aktion und hinter ihrer Linie immer das Interesse stand, diesem Volke in der Gemeinschaft der europäischen Völker möglichst bald eine starke und selbständige Position zu verschaffen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Im letzten sind wir vielleicht darin einig. Aber über die Methode und Wege gibt es große Meinungsverschiedenheiten, und das Problem, vor dem wir hier in Deutschland stehen, ist, daß wir in dieser Zeit des Aufbaues unserer außenpolitischen Beziehungen nicht so gegen die Opposition argumentieren können, daß man sagt: ihr habt eine andere Haltung, sie ist negativ, weil' sie nicht die Haltung der Regierung ist.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Zurufe in der Mitte und rechts: Ach, ach!)

    Nein, es ist nicht möglich, die außenpolitische Linie der Bundesregierung ohne weiteres als die einzig mögliche außenpolitische Linie der Demokratie in Deutschland hinzustellen. Es gibt mehrere Linien. Wir sind davon überzeugt, daß unsere Linie zu einem besseren Resultat geführt hätte. Und, meine Damen und Herren, bitte, bedenken Sie, daß wir nach den bitteren Erfahrungen der letzten zwei Jahre sehr vorsichtig damit sein sollten, das, was uns als die Konsequenz von Unterschriften versprochen wird, schon als bare Münze hinzunehmen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Es sind eine ganze Reihe von Korrekturen in Deutschland im Zusammenhang mit der Unterzeichnung und Ratifizierung des SchumanplanVertrages in Aussicht gestellt worden. Sie sind bis heute in keinem Punkt realisiert.

    (Abg. Dr. von Brentano: Das SchumanplanAbkommen ist ja noch nicht ratifiziert worden!)

    — Entschuldigen Sie, Herr Kollege von Brentano! Ich hätte nur gewünscht, daß man hier nicht nur
    — wenn man schon diese Fragen anspricht — das aufgezeigt hätte, was uns gegeben werden soll. Es wäre vielleicht nützlich gewesen, in diesem Augenblick hinzuzufügen, was in der Zeit zwischen der Unterschrift in Paris und der möglichen ,Ratifizierung auf deutschem Boden mit alliiertem Rechtsanspruch noch an Vorwegmaßnahmen hinsichtlich der Dekartellisierung und hinsichtlich der Einzwängung der deutschen Wirtschaft einseitig der deutschen Wirtschaft auferlegt wird.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich halte es nicht für eine glückliche Methode, hier im Blitztempo — so wie es der Bundeskanzler getan hat — die Außenpolitik Revue passieren zu lassen. Dazu sind die Dinge zu ernst. Mir kam es nur darauf an, daß wir uns an Hand der Erfahrungen gegen die Behauptung wehren, die Politik der deutschen Sozialdemokratie auf außenpolitischem
    Gebiet sei vom Standpunkt des nationalen Interesses negativ. Das entspricht nicht den Tatsachen./

    (Zurufe in der Mitte und rechts: Doch!)

    Ich darf Sie vielleicht doch noch zum Schluß an eines erinnern. Stellen Sie sich einmal bitte vor — Sie brauchen es hier nicht zu bestätigen —, wie es in dem Kampf um die deutsche Einheit, in dem Kampf um die Gestaltung der Beziehungen eines einheitlichen Deutschland zu den ausländischen Mächten, in dem Kampf gegen die Situation in der Ostzone und in Berlin ohne die positive Leistung der Sozialdemokratie stünde!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Wir wollen keine Prioritäten, wir wollen keine Anerkennung.

    (Zuruf in der Mitte: Doch!)

    Aber wir werden uns mit der äußersten Entschiedenheit dagegen wehren — und das ist der Sinn meiner Ausführungen —, wenn man den Versuch macht, hier die These zur Grundlage der Beziehungen zwischen Regierung und Opposition auf dem Gebiet der Außenpolitik zu erheben, daß, wer die Außenpolitik dieser Bundesregierung nicht billige, negativ eingestellt sei oder nicht national handele. Wir sind der Meinung, daß es in einer Demokratie auch mehrere Variationen der Außenpolitik gibt. Und die Aufgabe einer Bundesregierung und eines Außenministers ist nicht, diese verschiedenen Variationen auseinanderzutreiben, sondern den ,Versuch zu machen, dem gemeinsamen Ganzen zu nützen.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD.)