Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tatsache, daß der Herr Bundeskanzler in Erwiderung auf die Sprecher unserer Fraktion eine Reihe von allgemeinen Bemerkungen über die Außenpolitik und das Verhältnis zwischen Regierung und Opposition auf dem Gebiete der Außenpolitik gemacht hat, veranlaßt mich, hier noch einige Ausführungen zu machen, obwohl ich bedaure, daß ich sie in so später Stunde machen muß.
Ich möchte zunächst eine einzige Bemerkung zu der vorangegangenen Debatte machen, insbesondere zu den so temperamentvollen und leidenschaftlichen Ausführungen des Herrn Dr. Wuermeling über die Entartung der politischen Auseinandersetzung..Seine vernichtende Kritik hat sich hier vor allem an der sogenannten Brotkarte entzündet, die von der Sozialdemokratischen Partei als Propagandamaterial herausgegeben wurde und die die Bundesregierung veranlaßt hat, mit einem Strafantrag gegen diese gefährliche Propagandakarte vorzugehen.
Es hat mich und meine Freunde etwas amüsiert, daß Sie, Herr Dr. Wuermeling, mit solcher Leidenschaft gerade dieses Propagandaobjekt der SPD hier zum Gegenstand Ihres Angriffs gemacht haben.
— Gut, gut, das hat mir als Schlußabsatz dieser Ihrer Kritik gerade noch gefehlt. Ich will Ihnen jetzt sagen, warum wir eine solche stille Freude
— größer, als Sie jetzt haben werden — bei Ihren Ausführungen gehabt haben. Diese Brotkarte der SPD hat nämlich einen Vorläufer, und dieser Vorläufer ist noch interessanter als unsere Imitation, die für jedermann als solche zu erkennen ist, und zwar handelt es sich um diese Lebensmittelkarte, die einer amtlichen Lebensmittelkarte aus den unseligen Zeiten des „Dritten Reiches" sehr ähnlich sieht.
Und sehen Sie: diese Lebensmittelkarte ist ein Propagandaflugblatt der CDU, Herr Dr. Wuermeling!
— Da ist alles drin, was Sie wünschen!
— Gern: „Frauen! Wollt ihr diese Karte wiederhaben? Dann wählt die SPD mit ihrer Plan- und Zwangswirtschaft!"
— Sehen Sie, Herr Dr. Wuermeling, so kommt es,
wenn man sich über eine Sache ereifert, von der man im Grunde selbst weiß, daß sie diesen Aufwand an Entrüstung nicht verdient oder daß man bei den Wahlmethoden der eigenen Partei besser etwas vorsichtiger sein sollte.
Ich wünschte nur, daß Sie das Band, auf dem Ihre Rede hier aufgenommen worden ist, vor den Funktionären Ihrer CDU in Hessen laufen ließen, damit diese einmal die ganze Leidenschaft Ihres Protestes gegen solche Wahlmethoden unmittelbar erleben könnten.
— Ja, natürlich! Ich glaube, ich kann es dem Hohen Hause überlassen, sich darüber ein Urteil zu bilden. Mir genügt die Feststellung, daß mit dieser Art von Propaganda nicht von der SPD, sondern von der hessischen CDU begonnen worden ist.
— Das ist Ihnen etwas spät eingefallen, Herr Kollege Wuermeling!
Ich möchte jetzt, was mir viel wesentlicher erscheint, etwas zu den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers sagen, die sich mit der Außenpolitik der Regierung und dem Verhältnis der Opposition zu dieser Außenpolitik beschäftigt haben. Der Herr Bundeskanzler hat, wie er es im Laufe solcher Auseinandersetzungen leider schon bei verschiedenen Gelegenheiten getan hat, seine Bemerkungen über seine Außenpolitik und sein Urteil über die Position der sozialdemokratischen Opposition in sehr feierliche Worte gekleidet. Er hat auch heute abend davdn gesprochen, er wolle an die Opposition und an die deutsche Öffentlichkeit ein ernstes Wort als Deutscher richten.
Er hat hinzugefügt, es liege ihm daran, hier einmal darzustellen, wie rein negativ und um rein parteipolitischer Vorteile willen die Sozialdemokratische Partei in Deutschland die Außenpolitik der Bundesregierung bekämpfe.
Meine Damen und Herren, Sie haben durch Ihren
stürmischen Beifall schon zu erkennen gegeben,
daß Sie von den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers außerordentlich stark beeindruckt waren.
Vielleicht liegt es aber im Wesen einer parlamentarischen Debatte, daß man seine Begeisterung einmal auf eine Viertelstunde zurückdrängt, um der anderen Seite die Möglichkeit zu einer sachlichen Bemerkung dazu zu geben.
Ich will Ihnen folgendes sagen: Mich hat nicht diese Pathetik, die zum Teil in den Worten des Herrn Bundeskanzlers lag, beunruhigt, sondern was mich wirklich beunruhigt — und ich sage das ganz offen —
um der gemeinsamen Sache willen, um deretwillen wir hier sind, — —
— Ja, meine Damen und Herren, wenn Sie solche Ausführungen nicht hören wollen, dann brauchen wir in diesem Parlament überhaupt keine Auseinandersetzung zu führen!
Was mich beunruhigt, ist, daß mir diese Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers ein Beweis dafür zu sein scheinen, daß wir in der Beurteilung der gegenseitigen Positionen uns viel weniger verstehen und im Grunde viel weiter voneinander entfernt sind, als es nach den Auseinandersetzungen in der einen oder anderen Frage in der Praxis zutage tritt. Ich möchte darüber einige Bemerkungen machen.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, der Unterschied liegt nicht in der Bewertung der einzelnen Maßnahmen; er liegt in der Beurteilung der Methode und des sachlichen Ausgangspunktes der Außenpolitik der Regierung und unserer Vorstellung von kußenpolitik. Lassen Sie mich zur Frage der Mehode ein Wort sagen. Der Herr Bundeskanzler hat heute eine polemische Bemerkung gemacht: „Sie wissen ja" — zu uns Sozialdemokraten gewandt — „am besten, welche bitteren Wahrheiten Ihnen am Anfang dieser Woche auf der Konferenz der sechs sozialistischen Parteien in Brüssel über den Schumanplan gesagt worden sind."
— Ich habe das zitiert!
Ich muß Ihnen dazu sagen, daß ich diese Kenntnis aus den Verhandlungen nicht habe und daß leider der Herr Bundeskanzler die Quelle nicht genannt hat. Die Konferenz dieser Vertreter der sechs sozialistischen Parteien der Schumanplanländer war hinsichtlich des Standpunktes der sozialistischen Parteien in diesen sechs Ländern, der. durchaus nicht in allen Punkten der gleiche ist, außerordentlich instrukti Als Resultat dieser Aussprache hat sich herausgestellt, daß fast alle der sechs sozialistischen Parteien eine ganze Reihe von ernsten Einwänden gegen den jetzigen Schumanplan haben: Es sind sicher nicht die Einwände, die Sie von Ihrem politischen Standpunkt aus akzeptieren würden; aber es sind Einwände, die in den beteiligten sechs Ländern oder in den fünf Ländern außerhalb Deutschlands eine parlamentarische Situation schaffen, über die auch die Mehrheit dieses Bundestages und die Bundesregierung einmal nachdenken sollten.
Wir sind dieser Diskussion durchaus nicht ausgewichen, sondern wir werden weitere Besprechungen darüber haben, weil nämlich der Standpunkt der Sozialdemokratie, wenn ich das hier in Parenthese und vorweg einmal sagen darf, ja überhaupt nicht ein Anti-Schumanplan-Standpunkt aus anti-europäischer Einstellung ist, sondern weil wir uns vorstellen können, daß es auf diesen Gebieten eine effektivere Form der Zusammenarbeit der westeuropäischen Staaten gibt, als sie heute geschaffen ist,
und wir werden sehr ernste Anstrengungen unternehmen, um bis zum Zeitpunkt der Ratifizierung jeden Versuch zu machen, eine solche Zusammenarbeit zustande zu bringen oder vorzubereiten, die unseren Vorstellungen entspricht.
Ich will hier nicht in die Debatte über den Schumanplan eintreten; das werden wir noch in genügender Ausführlichkeit tun können. Was ich hierbei zum Ausdruck bringen wollte, ist meine Kritik an der Methode unserer Außenpolitik und an der Arbeitsmethode unseres Herrn Außenministers und Bundeskanzlers. Meine bescheidene Meinung ist: Die Position der deutschen Bundesrepublik in der Außenpolitik ist so schwierig, daß der Bundeskanzler und Außenminister jede Möglichkeit einer Information über das politische Leben im Ausland, aus welchem Lager immer diese Informationen kommen sollten, für sich in Anspruch nehmen sollte.
Ich bedaure es, daß der einzige Anlaß des Bundeskanzlers, sich mit der Brüsseler Tagung sechs sozialistischer Parteien über den Schumanplan zu beschäftigen, eine polemische Bemerkung in einer Parlamentsdebatte war, während es nach meiner
Meinung für ihn vielleicht auch nützlich gewesen wäre, unabhängig von dieser Parlamentsdebatte einmal einen sozialdemokratischen Teilnehmer dieser Konferenz darüber zu hören, was denn in den anderen Ländern im sozialistischen Lager vor sich geht.
Das ist die Methode, die wir bei der gegenwärtigen Praxis unseres Außenministeriums bedauern.
Lassen Sie mich noch ein zweites Beispiel nennen: die Personalpolitik. Herr Bundeskanzler, es hat niemand bestritten — Dr. Luetkens hat es in seiner Rede ja ausdrücklich erwähnt —, daß Sie der sozialdemokratischen Fraktion zu Händen ihres Vorsitzenden im Herbst 1950 einen Brief mit dem Inhalt geschrieben haben, den Sie erwähnt haben. Aber,- Herr Bundeskanzler, Sie wissen doch genau, daß auf diesen Brief hin im Laufe der darauf folgenden Monate mehrere intensive Besprechungen mit dem Vertreter der Fraktion in dieser Frage mit Ihnen stattgefunden haben. Diese Besprechungen haben zu keinem praktischen Erfolg geführt. Es ist doch eine unbestreitbare Tatsache, daß heute in den Spitzenpositionen der deutschen Auslandsvertretungen wo immer in keinem einzigen Falle ein Sozialdemokrat ist. Meine Damen und Herren, ich unterstreiche noch einmal: Es- geht hier nicht darum, daß wir nach der Tabelle ausrechnen, wie die einzelnen Fraktionen des Bundestags vertreten sind. Ich meine nur, daß eine Beteiligung aller politischen Strömungen an den Vertretungen im Ausland für jede Regierung, wie immer sie zusammengesetzt ist, einfach eine nationale Notwendigkeit ist, weil ein Mann des Außenamtes von dem Augenblick an, in dem er als unser diplomatischer Vertreter über die deutsche Grenze geht, für alle Deutschen da ist, die in dem betreffenden Lande leben.
Da liegt die Schwierigkeit. Ich will nicht untersuchen, aus welchen Gründen es so ist. Ich will die Dinge hier in keiner Weise im einzelnen vertiefen oder verschärfen. Tatbestand ist: Es ist von der Regierung 'trotz ihrer damaligen prinzipiellen Bereitschaftserklärung in der Praxis kein Schritt geschehen, und wir werden ja, wenn die Dinge jetzt auf der Basis von Gesandtschaften und Botschaften umgebaut werden, sehen, ob sich dann hinter dieser prinzipiellen Erklärung eine praktische Tat zeigt, die diese nach unserer Meinung allgemeine Grundtendenz in der Personalpolitik des diplomatischen Dienstes zum Ausdruck bringt.
Und nun, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, noch folgendes zu dem zweiten Kapitel, dem andern Ausgangspunkt unserer Außenpolitik als dem der Bundesregierung, des Herrnn Bundeskanzlers, zu sagen. Herr Bundeskanzler, ich finde, es stimmt mit den Tatsachen, die wir alle miteinander erlebt und bei deren Gestaltung wir zum Teil zusammengearbeitet haben, nicht überein, wenn Sie hier vor dem Parlament und vor der Öffentlichkeit feststellen, die Politik der Sozialdemokratie auf außenpolitischem Gebiet sei in der ganzen Zeit rein negativ und nur von parteipolitischen Gesichtspunkten bestimmt gewesen. Das entspricht einfach nicht den Tatsachen.
— Bitte; ich bin bereit, solche ,Behauptungen zu
belegen, wenn Sie noch etwas Geduld haben. Herr
Dr. Vogel hat hier eine sehr interessante Erinnerungaufgefrischt, nämlich die Erinnerung an die
Ministerpräsidentenkonferenz bei der Vorbereitung des Grundgesetzes und des Parlamentarischen Rates auf Grund der Londoner Empfehlungen der Außenministerkonferenz.
Ja, Herr Dr. Vogel, jawohl! Damals hat die Sozialdemokratie mitgearbeitet, und wenn Sie sich recht erinnern, wissen Sie, daß die große Bedeutung der Ministerpräsidentenbeschlüsse vom Rittersturz bei Koblenz gerade darin bestand, daß damals alle Minister die These akzeptiert haben, daß wir nicht bereit sind, etwa nach den Wünschen eines Teils der Alliierten ein Definitivum zu schaffen, sondern daß wir uns entschlossen haben, mit Rücksicht auf Berlin und die Ostzone das, was wir heute Bundesrepublik .Deutschland nennen, als ein Provisorium aufzubauen.
Das war damals die gemeinsame Basis, Herr Dr. Vogel, und ich glaube, es hat für die ganze weitere Entwicklung eine große Rolle gespielt. Sie werden doch auch wohl nicht bestreiten, ebensowenig wie der Herr Bundeskanzler, der an den letzten entscheidenden Verhandlungen auf dem Rittersturz ebenso wie ich beteiligt war, daß darin ein sehr bemerkenswerter Beitrag der deutschen Sozialdemokratie lag.
Lassen Sie mich eines hinzufügen. Wir haben auf dieser Linie weitergearbeitet. Meine Damen und Herren, wir sind um den 20. April 1949 sehr heftig von Ihrer Seite angegriffen worden wegen unserer Opposition gegen die damals vorliegenden Beschlüsse der Mehrheit des Parlamentarischen Rats.
Wir haben uns damals gegen die übertriebene föderalistische Forderung der französischen und der amerikanischen Besatzungsmacht gewendet. Wir haben schließlich ein Grundgesetz zustande gebracht, das heute der ersten Bundesregierung dieser Republik ermöglicht, ihre eigentlichen Verwaltungs- und politischen Funktionen überhaupt auszuüben.
Meine Damen und Herren, Sie können darüber streiten, ob unsere Position bei der ersten großen außenpolitischen Auseinandersetzung in diesem Hause, bei der Debatte über das Petersberg-Abkommen, richtig gewesen ist. Aber vielleicht überlegen Sie sich auch einmal, ob und wie die deutsche Position in den vergangenen Monaten bei den Schumanplan-Verhandlungen gewesen wäre, wenn wir das Ruhrstatut und die Ruhrbehörde nicht in dieser Form gehabt hätten.
Oder ein anderes Kapitel. Man hat uns in diesem Hause auch wegen unserer ablehnenden Stellung zum Europarat Vorwürfe gemacht. Aber wir haben gestern hier eine, wie ich glaube, für alle Beteiligten sehr bittere Debatte über unsere Position im Saargebiet gehabt: Vielleicht überlegen Sie sich auch mal, ob diese bedauerliche Zuspitzung der Entwicklung im Saargebiet an einem so dramatischen Punkt für die westeuropäische Entwicklung nicht anders gelaufen wäre, wenn wir im vorigen Jahre in der Forderung, daß die Bundesrepublik nicht auf der gleichen Ebene mit' dem Saargebiet als Beobachter in den Europarat gehen solle, festgeblieben wären.
Vielleicht hätten wir damals uns und dem Saargebiet eine Position geschaffen, die bei vielleicht immer noch verbleibenden Meinungsverschiedenheiten doch nicht zu dieser Überspitzung geführt hätte, die wir heute erleben.
Meine Damen und Herren, ich erinnere Sie an die Diskussion über das Schuldenabkommen. Bitte, Sie können über die Sozialdemokratische Partei in diesen außenpolitischen Fragen sagen, daß sie ihren Standpunkt mit großer Härte und Entschiedenheit vertritt. Sie werden in jedem einzelnen Punkt nicht bestreiten können, daß hinter ihrer Aktion und hinter ihrer Linie immer das Interesse stand, diesem Volke in der Gemeinschaft der europäischen Völker möglichst bald eine starke und selbständige Position zu verschaffen.
Im letzten sind wir vielleicht darin einig. Aber über die Methode und Wege gibt es große Meinungsverschiedenheiten, und das Problem, vor dem wir hier in Deutschland stehen, ist, daß wir in dieser Zeit des Aufbaues unserer außenpolitischen Beziehungen nicht so gegen die Opposition argumentieren können, daß man sagt: ihr habt eine andere Haltung, sie ist negativ, weil' sie nicht die Haltung der Regierung ist.
Nein, es ist nicht möglich, die außenpolitische Linie der Bundesregierung ohne weiteres als die einzig mögliche außenpolitische Linie der Demokratie in Deutschland hinzustellen. Es gibt mehrere Linien. Wir sind davon überzeugt, daß unsere Linie zu einem besseren Resultat geführt hätte. Und, meine Damen und Herren, bitte, bedenken Sie, daß wir nach den bitteren Erfahrungen der letzten zwei Jahre sehr vorsichtig damit sein sollten, das, was uns als die Konsequenz von Unterschriften versprochen wird, schon als bare Münze hinzunehmen.
Es sind eine ganze Reihe von Korrekturen in Deutschland im Zusammenhang mit der Unterzeichnung und Ratifizierung des SchumanplanVertrages in Aussicht gestellt worden. Sie sind bis heute in keinem Punkt realisiert.
— Entschuldigen Sie, Herr Kollege von Brentano! Ich hätte nur gewünscht, daß man hier nicht nur
— wenn man schon diese Fragen anspricht — das aufgezeigt hätte, was uns gegeben werden soll. Es wäre vielleicht nützlich gewesen, in diesem Augenblick hinzuzufügen, was in der Zeit zwischen der Unterschrift in Paris und der möglichen ,Ratifizierung auf deutschem Boden mit alliiertem Rechtsanspruch noch an Vorwegmaßnahmen hinsichtlich der Dekartellisierung und hinsichtlich der Einzwängung der deutschen Wirtschaft einseitig der deutschen Wirtschaft auferlegt wird.
Ich halte es nicht für eine glückliche Methode, hier im Blitztempo — so wie es der Bundeskanzler getan hat — die Außenpolitik Revue passieren zu lassen. Dazu sind die Dinge zu ernst. Mir kam es nur darauf an, daß wir uns an Hand der Erfahrungen gegen die Behauptung wehren, die Politik der deutschen Sozialdemokratie auf außenpolitischem
Gebiet sei vom Standpunkt des nationalen Interesses negativ. Das entspricht nicht den Tatsachen./
Ich darf Sie vielleicht doch noch zum Schluß an eines erinnern. Stellen Sie sich einmal bitte vor — Sie brauchen es hier nicht zu bestätigen —, wie es in dem Kampf um die deutsche Einheit, in dem Kampf um die Gestaltung der Beziehungen eines einheitlichen Deutschland zu den ausländischen Mächten, in dem Kampf gegen die Situation in der Ostzone und in Berlin ohne die positive Leistung der Sozialdemokratie stünde!
Wir wollen keine Prioritäten, wir wollen keine Anerkennung.
Aber wir werden uns mit der äußersten Entschiedenheit dagegen wehren — und das ist der Sinn meiner Ausführungen —, wenn man den Versuch macht, hier die These zur Grundlage der Beziehungen zwischen Regierung und Opposition auf dem Gebiet der Außenpolitik zu erheben, daß, wer die Außenpolitik dieser Bundesregierung nicht billige, negativ eingestellt sei oder nicht national handele. Wir sind der Meinung, daß es in einer Demokratie auch mehrere Variationen der Außenpolitik gibt. Und die Aufgabe einer Bundesregierung und eines Außenministers ist nicht, diese verschiedenen Variationen auseinanderzutreiben, sondern den ,Versuch zu machen, dem gemeinsamen Ganzen zu nützen.