Rede von
Alfred
Loritz
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Herr Dr. Adenauer stellt immer als sein Verdienst hin, was in Wirklichkeit Verdienst
der Umwälzung in der ganzen weltpolitischen Lage durch Ausbruch des Korea-Krieges usw. usw. ist, und das scheint mir
am allerangreifbarsten am Standpunkt des Herrn Bundeskanzlers, daß er sich sozusagen mit fremden Federn schmückt, daß er hier etwas, was durch die Umwälzung der ganzen weltpolitischen Lage entstanden ist, als sein und seiner Regierung Verdienst hinstellen will.
Damit sollen wir dann hinweggetröstet werden über das Debakel der deutschen Außenpolitik in puncto Ruhrstatut und Ruhrbehörde und über das Debakel der deutschen Außenpolitik auf sonstigen Gebieten.
Das, meine Herren von den Regierungsparteien, ist keine Politik, die Sie vor dem Volke auf die Dauer vertreten können!
Meine Damen und Herren, und nun in innenpolitischer Hinsicht! Hier wurde heute meines Erachtens leider noch zu wenig über diesen so wichtigen Punkt gesprochen: Herr Adenauer, der Mann, der, ohne das Volk zu fragen, die D-Mark abwertete,
Herr Adenauer, der erklären mußte, daß die bisherige Wirtschaftspolitik s o nicht mehr durchgeführt werden kann — denn schließlich ist doch der Bundeskanzler auch für die Tätigkeit seines Wirtschaftsministers verantwortlich; idas werden Sie mir doch wohl zugeben; wenn nicht, dann kann ich es Ihnen wörtlich ablesen — daß die Wirtschaftspolitik Dr. Erhards restlos zusammengebrochen ist,
daß diese schrankenlose Liberalisierung nicht mehr aufrechterhalten Werden kann, die Ananas und Bananen einführen ließ zu einem Zeitpunkt, wo ganz andere Dinge hätten eingeführt werden müssen, dies schrankenlose Bauen und Bauenlassen von Kinos und Luxusrestaurants und allen möglichen anderen Dingen zu einem Zeitpunkt, wo wir neue Kohlenschächte dringender als alles andere brauchen würden und neue Wohnungen für die Arbeiter im Ruhrgebiet und anderswo.
Dieses Versagen der Wirtschaftspolitik des Kabinetts drückt sich dadurch aus, daß die Preis-LohnSpirale sogar über das hinausgegangen ist, was infolge 'des Korea-Konflikts eine Notwendigkeit war. Man hat zu spät Vorratswirtschaft getrieben; das steht fest!
Denn noch im August 1950, noch zwei Monate nach Beginn des Korea-Konflikts, konnten Sie — ich habe Ihnen das hier schon einmal vorgelesen — Getreide auf den Weltmärkten zu einem Preis kaufen, der nicht höher lag als vor Ausbruch ides
Korea-Konflikts. Diese Bevorratung Deutschlands hat man nicht durchgeführt,
und jetzt muß man die doppelte und dreifache Summe Geldes ausgeben, um das Getreide noch kaufen zu können, die Margarinerohstoffe und andere wichtige Dinge.
Damals hat man das alles nicht getan. Warum?
Weil der Herr Bundeskanzler die innen- und außenpolitische Lage leider falsch beurteilte, und dafür muß ja schließlich einer die Verantwortung tragen. Nach der Verfassung trägt sie der Herr Bundeskanzler Dr. Adenauer, nur will er das nicht wahrhaben!
Und das ist das Schlimme bei der ganzen Sache, daß ein Kultus der Beweihräucherung nach dem Grundsatz a5tibs écpa schon. wieder getrieben wird: „Er" hat das gesagt, nämlich der hochverehrte Lehrer, und alle anderen haben zu schweigen .. .
Nach diesem Grundsatz des aútds gym geht man heute vor, und die Folge davon ist, daß die Opposition nicht so zu Worte kommen kann,
wie das gerade auch im Interesse der Regierung selber notwendig ist.
Der Herr Bundeskanzler hat heute gesagt,
die Opposition müßte unter allen Umständen die
Interessen Deutschlands wahren. Da hat er hundertprozentig recht. Das tun meine Freunde, und
das billige ich auch a'n'deren in diesem Hause zu,
daß sie im Interesse Deutschlands nur tätig sind, wennwir — —
Das tun wir,
und dieses Reicht der Opposition lassen wir uns nicht abstreiten!
Dieses Recht der Kritik lassen wir uns nicht abstreiten. Der Herr Bundeskanzler soll mal nach den Vereinigten Staaten von Amerika hinüberschauen! Dort soll er sehen, welche Reichte der Kritik dort die Opposition für sich in Anspruch nimmt,
mit welchen Mitteln, gegenüber denen die harmlose Brotkarte der SPD ein Kindermätzchen ist, dort in Amerika die Opposition, die 'Republikanische Partei, arbeitet; und niemand, selbst Präsident Truman nicht, wagt es, der Opposition vorzuwerfen, sie würde die Interessen ihres Volkes preisgeben oder schädigen wollen.
Möge doch endlich einmal 'die Bundesregierung einsehen, was Bismarck in seinen „Gedanken und Erinnerungen" schon geschrieben hat, daß die Opposition notwendig ist und daß man sie sehr
wohl manchmal brauchen kann, um etwas zu sagen, was zu sagen der Regierung sehr unangenehm ist und von ihr nicht gesagt werden möchte. Das alles haben wir nicht, weil wir uns schon wieder zu einem staatlichen System hinentwickeln, bei dem nur einige hundert Menschen im Staate etwas zu sagen haben,
seien es Abgeordnete der Regierungsparteien oder Minister, und das Volk nichts zu sagen hat; und wer sich nicht nach dieser Schablone richtet und nach ihr tanzt, der riskiert, eingesperrt zu werden. Er muß riskieren, als Landesverräter bezeichnet zu werden. Er muß riskieren, daß solche lächerlichen Dinge wie so eine Witz-Brotkarte als ein. grave peccatum,
als eine Todsünde ersten Ranges auszulegen versucht wird. Geben Sie nicht bloß Gedankenfreiheit, geben Sie Oppositionsfreiheit in diesem Lande,
damm nutzen Sie am besten unserem Vaterlande.
Wir bestreiten dem Herrn Bundeskanzler nicht, daß er aus innerer Überzeugung seinen Kurs für recht und gut hält. Ich und meine Freunde haben bei jeder Gelegenheit gesagt: Es ist anerkennenswert, wenn ein Mann mit 76 Jahren sich noch dermaßen in das Getriebe des politischen Kampfes stürzt. Wir erkennen das an; wir streiten ihm nicht ab, daß er es gut meint mit Volk und Vaterland. Er möchte aber endlich auch überzeugt sein, daß auch noch andere in diesem Hohen Haus
und draußen im Volk mit ganzem Herzen - -
— Ja, da können Sie ruhig „Loritz" schreien! Und nicht bloß Loritz, sondern auch andere Leute in unserem Volk, ohne Rücksicht auf Parteischattierung, sind bereit, für unser Vaterland zu arbeiten und meinen es gut. 'Ich lasse mich nicht durch solche Zwischenrufe stören: „wer unsere Reden bezahlt hätte", wie Sie das machten, Herr Abgeordneter Strauß; und dann ist diese Stelle leider aus dem Protokoll herausgestrichen worden.
so daß ich Sie deswegen nur schwer fangen kann.
Ja, einem anderen Abgeordneten wäre das wohl nicht so gegangen!
All diese Zustände werden unterstrichen durch kleinste Kleinigkeiten.
Lesen Sie doch bitte mal eine so seriöse Zeitung wie die „Basler Nachrichten", und was andere angesehenste Zeitungen schreiben.
- Jawohl, ich zitiere die Schweizer Zeitung, well die Schweiz noch niemals gegen uns Krieg geführt hat, so daß man mit der Objektivität dieser Zeitung rechnen kann. Solche Zeitungen sogar schreiben von dem so überaus forschen und zackigen neuen Ton, der schon bei den kleinsten Wachtmeistern an den Grenzstationen wahrzunehmen sei, so daß Schweizer Bürger - darüber war neulich eine
nette Erzählnug drin — umkehrten und ihnen sagten: „So geht's bei Ihnen zu", als man schön zackig ,die Leute in Auskleidekabinen stellte, als man schön zackig sie fragte, wie ihre Großmutter und Urgroßmutter heiße und aus ihrem Paß sämtliche Geburtsdaten — das ist für die Damen wohl nicht immer angenehm —
herausabsorbierte und extrahierte und sie in langen Listen aufschrieb, als sie nach Deutschland hineinfahren wollten, um dort einige Wochen Ferien zu verbringen! Zackig 'geht es schon wieder zu: c .. icpa, Er, der ganz oben steht, spricht, und die Opposition soll möglichst mundtot gemacht werden! Den kleinsten Witz nimmt man ihr schon übel. Man läßt sie ja im Radio schon nicht mehr sprechen, wie bei der Landtagswahl in Bayern und anderswo. Die anderen dürfen sprechen, und dann wundert man sich noch, wenn das auf .die Außenpolitik abfärbt, wenn man nicht mehr wahrhaben will, daß bei uns noch eine Demokratie herrscht.
Sehen Sie, meine 'Damen unid Herren, das ist der f a l s c h e Weg, und diesen falschen Weg zu gehen, davor möchten wir Sie bewahren,
damit nicht ein neues Unglück über unser Land hereinbricht. Eine Demokratie kann nur funktionieren im lebendigen Angriff und Gegenangriff
in den Diskussionen in der Öffentlichkeit! Wir streiten Adenauer nicht den guten Willen ab; aber wir erklären, daß das, was bisher außenpolitisch an kleinen Erfolgen sichtbar ist, nicht auf das Konto der Adenauerschen Politik zu verbuchen ist, sondern auf ganz andere Faktoren zurückzuführen ist.
Wir erklären ferner, daß seine Innenpolitik ebenso grundfalsch oder noch grundfalscher war. Darum können wir seinem Etat nicht zustimmen.
Ich fühle mich meinem Gewissen ,gegenüber verpflichtet, zu warnen und „principiis obsta!" zu sagen: den Anfängen muß man wehren;
in Ihrem Interesse, meine Damen und Herren, denn wir alle sitzen in demselben Schiff der deutschen Demokratie und des einigen deutschen Vaterlandes., das wir mit aller Kraft unseres Herzens lieben
und begünstigen und fördern müssen.