Meine Damen und Herren! Ich kann durchaus verstehen, wenn Sie zu dieser Stunde - fünf Minuten vor 12 — wenig Neigung haben, den Verhandlungen noch zu folgen.
Unsere Fraktion ist, wie wir das eben schon zum Ausdruck gebracht haben, der Ansicht, daß es nach den Erfahrungen sowohl dieses Hauses als auch des früheren Reichstags durchaus nicht zweckmäßig ist, solche Nachtsitzungen zu veranstalten. Aber da es nun einmal im „Hohen Rat" beschlossen worden ist, so muß es eben steigen, und da finde ich es der Würde des Hohen Hauses abträglich, bei einer so wichtigen Sache ein solches Bild zu zeigen, daß nämlich auf die Verhandlungen weder die Regierung noch die Abgeordneten des Hauses Wert zu legen scheinen.
Nun zur Sache selbst. Ich habe heute abend nur die Absicht, zu dem Etat des Bundeskanzlers und der ihm angeschlossenen Dienststellen den formalen Aufbau und die Personalpolitik betreffende Ausführungen zu machen. Ich bin der Ansicht, daß man zu der Außenpolitik des Herrn Bundeskanzlers und zu der Politik überhaupt, die er betreibt, besser bei den einzelnen Fragen sprechen sollte, insbesondere auch zu den außenpolitischen Fragen, die heute im Laufe des Abends angeschnitten worden sind.
Ich will aber nicht verfehlen darauf hinzuweisen, daß meine Fraktion mit der Politik, die die Regierung hinsichtlich des Schumanplans verfolgt hat, einverstanden ist und daß wir uns keineswegs den in dieser Hinsicht vorgetragenen Beanstandungen ihrer Politik anschließen. Noch in einem anderen Punkt will ich mich sofort zu Beginn meiner Ausführungen von dem distanzieren, was von anderer Seite der Opposition vorgetragen worden ist. Wir haben es bisher verschiedentlich erlebt, daß die Person des Ministerialdirektors Globke Gegenstand von Angriffen gewesen ist. Ich habe Verständnis dafür, daß das das eine oder andere Mal geschieht, auch wenn ich die dabei vorgebrachten Meinungen nicht teile. Ich verstehe aber langsam nicht mehr, daß sich diese Angriffe immer wieder gegen dieselbe Person richten und dabei gesagt wird, das werde sich noch längere Zeit fortsetzen. Das veranlaßt mich zu schildern, unter was für Umständen ich Herrn Ministerialdirektor Globke kennen lernte.
Es war nach dem Krieg im Landtag von Nordrhein-Westfalen, als er unter Mitwirkung der SPD in der dortigen Regierung zum Chef ides Landesrechnungshofes ernannt werden sollte. Und als er dann vorgeschlagen wurde — damals war Herr Kollege Menzel Innenminister —, habe ich mich bei Herrn Menzel nach ihm erkundigt. Er hat ihn nicht beanstandet. Mir war Herr Globke damals vollkommen fremd. Herr Menzel hat mir gesagt, daß das bekannte Buch von ihm geschrieben worden sei. Das war ihm also bekannt. Ich habe Ver-
ständnis dafür, daß man nach einer Prüfung zu dem Ergebnis kommt, seine Persönlichkeit gäbe deswegen nicht zu Beanstandungen Anlaß. Aber ich habe dann später auch in der Zusammenarbeit mit Herrn Globke gefunden, daß man mit seiner Arbeitsweise durchaus zufrieden sein konnte. Wir sehen deswegen keinen Anlaß, in Zukunft auf die Angriffe gegen Herrn Globke einzugehen.
— Wenn Sie etwas Besseres wissen, Herr Kollege, würde ich Ihnen empfehlen, nicht so billige Zurufe zu machen. Es gibt nur ein bestimmtes, kleines Repertoire bei Ihnen, aber der Rang eines Staats-
Sekretärs, Herr Kollege 'Wuermeling, verpflichtet dazu, etwas Besseres zu sagen als das.
— „Nemo plus juris transferre potest", aber Witz, den kann man vielleicht borgen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es interessiert festzustellen, was für Kräfte überhaupt bei der Restauration dieses Amtes genau nach dem Schema Ribbentrop am Werk sind. Da wäre das Wort verständlich — selbst dann, wenn es nicht richtig wäre-, daß hinter dieser Personalpolitik der Personalchef von Ribbentrop, nämlich Herr Schröder, steht, von dem man sagt, daß er bei maßgeblichsten personalpolitischen Entscheidungen gefragt werde. Ich kann nicht kontrollieren, ob das stimmt, aber der Verdacht ist durch das gerechtfertigt, was hier tatsächlich geschehen ist. Das hängt damit zusammen, daß eben der Herr Bundeskanzler selbst sich um die Personalien so gut wie überhaupt nicht gekümmert zu haben scheint, und er hat Blankovollmacht an Herren gegeben, von denen eine ausländische Zusammenstellung von Personalberichten — nicht „Inside Germany Informations"; ich weiß nicht, woher sie kommt —, also eine Zusammenstellung, die maßgeblichen Stellen der amerikanischen Besatzungsmacht in Amerika und Deutschland vorliegt. Darin wird erklärt, diese Gruppe von Menschen hielte deswegen zusammen, weil sie von einander zuviel wüßten, sie hielten deswegen zusammen, weil sie sich gegenseitig verpflichtet wären, sich in der Vergangenheit gegenseitig verpflichtet hätten, zum Teil aus sehr anständigen Motiven. Wenn damals jemand von den Nazis verfolgt war und Unterstützung bei jemandem gefunden hat, aus persönlichen oder anderen Gründen, so fühlt er sich dem gegenüber zur Zeit vielleicht verpflichtet. Aber das sind keine Gesichtspunkte, nach denen man die Personalpolitik eines Amtes aufbauen kann.
— Sie brauchen aber lange Zeit, um auf die Idee zu kommen, Zwischenrufe zu machen, Herr Kollege. Es kommt darauf an, wie es sich mit dem verhält, was ich gesagt habe. Widerlegen Sie mir das, was ich gesagt habe.
Zu der rein sachlichen Frage: Warum sind diese Ämter, die das Auswärtige Amt zu besetzen hat, nicht längst besetzt worden? Auch das ist zum Teil eine Folge der Überlastung des Herrn Bundeskanzlers, aber nur zum Teil. Wenn hier seit Monaten diplomatische Vertreter und Konsuln sind und wir deren Gesuch auf Zulassung noch nicht beantwortet haben, so ist das eine Unhöflichkeit gegenüber diesen Ländern, sie ist auf keinen Fall zu entschuldigen. Das ist aber auch eine Vernachlässigung der Interessen unserer eigenen Bürger im Auslande und derer, die mit uns Handel treiben wollen, eine Vernachlässigung unserer eigenen Wirtschafts-, Handels- und Deviseninteressen. Wieviel Geld ist uns dadurch entgangen, daß wir fast seit einem Jahr die Erlaubnis und Möglichkeit haben, Konsuln nach Südamerika zu schicken, aber keinen Gebrauch davon machen.
Was soll es eigentlich heißen und wie muß es im
Auslande wirken, daß Minister Spiecker in der Welt herumreist? Warum nur Südamerika? In Asien gäbe es vielleicht Dinge, die sich viel mehr geändert haben, wo Untersuchungen anzustellen sehr viel wichtiger wäre.
— Nein, aber vielleicht wissen Sie, daß es in Indonesien interessante Dinge gibt, nicht bloß in China, daß es z. B. auch in Kleinasien interessante Fragen gibt, und darum hat sich keiner gekümmert. Jedenfalls ist die Auswertung dieser Spiecker-Reise vollkommen unterblieben. Viele Monate hat man sich überhaupt nicht um das gekümmert, was er heimgebracht hat. Das Geld dafür schien vollkommen umsonst ausgegeben zu sein. Von Herrn Minister Spiecker schrieb damals die „Welt" — das spätere Verhalten hat dieser Karikatur einigen Auftrieb gegeben —: „Mein Lieber", so sagt — in jener Karrikatur — der Bundeskanzler zu seinem Gegenüber: „Sie brauchen Luftveränderung, Sie müssen ins Ausland." 'Es scheint mir fehl am Platze, so die Auslandsreisen der deutschen Politiker aufzufassen. Eine Reise, die nicht ausgewertet worden ist, die lediglich dazu dient, entweder jemandem gefällig zu sein oder einen lästigen Politiker abzuschieben auf mehr oder weniger Zeit, gehört nicht in den Rahmen eines ernsthaften Aufbaues einer neuen deutschen Außenpolitik.
— Ich spreche nicht von Herrn Spiecker, ich spreche von der Außenpolitik.
— Ich pflege meine Protokolle nicht zu ändern; ich
weiß nicht, ob das bei Ihnen Sitte ist, Herr Kollege.
Die Zusammensetzung des Amtes selber gibt aber auch Veranlassung, sich die Dinge einmal näher anzusehen. Wenn man z. B. sich die Stellenpläne unserer Auslandsvertretungen ansieht, dann muß doch auffallen, daß z. B. Luxemburg mit fünf Dezernentenstellen statt früher 2, Sidney 9 statt früher 2, Oslo 9 statt früher 3, Montreal 9 statt früher 3, Brüssel 10 statt früher 4, Den Haag 10 statt früher 3, Santiago 10 statt früher 4 Dezernentenstellen dastehen. Woher diese ungeheure Aufblähung? Jawohl, ich weiß, man wird sagen, das macht die Neueinführung der Stellen von Sozialattachés, von Wirtschaftsattachés. Aber doch nicht die Verdreifachung! Das erscheint mir absolut überflüssig und übersetzt. Und wenn man dann in den Beneluxstaaten diese Verdreifachung in jedem Staate vornimmt, so scheint mir die Möglichkeit absichtlich außer acht gelassen zu sein, daß man hier eine Koppelung mehrerer Länder oder mehrerer Referate vornehmen könnte. Nach meiner Meinung haben wir nicht das Geld zur Verfügung, um auf diese Art und Weise Posten zu besetzen. Es drängt sich geradezu der Gedanke auf: Wem soll damit ein Gefallen getan werden, wer soll denn alles dahingeschickt werden? Hat man hier Stellen gemacht der Reflektanten wegen, oder was ist da vor sich gegangen?
Ähnlich verhält es sich mit der Frage, die ich auch noch anschneiden möchte, die in der Öffentlichkeit sehr diskutiert worden ist, die besser nicht
diskutiert worden wäre und deren Diskussion vermieden worden wäre, wenn der Kanzler mit der gebotenen Schnelligkeit reagiert hätte. Es ist vom Vatikan schon als erstem Staat ein diplomatischer Vertreter nach hier gesandt worden. Die Beantwortung hat solange auf sich warten lassen, daß sich inzwischen eine leidige Debatte über die Konfession des Vertreters erhoben hat. Abgesehen von der Unhöflichkeit und Unangemessenheit dieses Zögerns sei nun einmal auf diese Frage selbst eingegangen. Es ist von dem Herrn Bundestagspräsidenten, der dabei aus der Reserve herausgegangen ist, die seinem Amte an sich angemessen erscheint, vorgetragen worden, es entspreche einer alten und bewährten Tradition, daß der Inhaber dieser Stelle Protestant sein müsse. Ich betone das Wort „müsse". Welchen Bekenntnisses er ist, ist mir überhaupt gleichgültig. Ich behaupte nicht, es müsse ein Katholik sein. Ich wehre mich aber gegen \\die Behauptung, es dürfe kein Katholik sein. Das verstößt gegen das Grundgesetz.
Nun gehen wir einmal auf die Tradition ein. Eine solche Tradition besteht nämlich gar nicht. Es gibt eine preußische Tradition, und diese hat sich schlecht bewährt. Es ist manchem im Hause sicher bekannt, welchen Zusammenstoß z. B. der preußische Gesandte von Niebuhr seinerzeit — es ist lange her — wegen seiner Unkenntnis der katholischen Gebräuche im Vatikan gehabt hat. Aber davon abgesehen, es gab neben dem preußischen dann einen bayerischen Gesandten, und der war ebenso konsequent katholisch wie der preußische evangelisch war. Erst seit jüngster Zeit, nämlich erst in der Weimarer Republik, seit dem Konkordat wurde die Stelle eines Reichsbotschafters beim Vatikan eingerichtet, und erst von da an könnte man von einer Tradition sprechen — abgesehen davon, 'daß Bismarck einmal den Kardinal Hohenlohe zum Gesandten machen wollte, was aber der Papst seinerseits nicht wünschte; aber nicht grundsätzlich nicht wünschte, sondern weil er nicht einen Kardinal in dieser Stellung haben wollte. Man hat auch behauptet, der Vatikan habe sich gegen einen katholischen Gesandten gewehrt. Das ist auch nicht wahr. Der Vatikan hat ausdrücklich erklärt, daß er keinen Wert auf das Bekenntnis lege. Man könnte also höchstens von einer Tradition von der Weimarer Zeit an sprechen. Diese Zeit ist aber viel zu kurz, als daß sigh in ihr hätte eine Tradition bilden können.
Um was für Angelegenheiten handelt es sich nun bei den Fragen, die vor dem Vatikan vertreten werden müssen? — Doch grundsätzlich nicht um Fragen von Protestanten, sondern in erster Linie umkatholische Angelegenheiten, die dortverhandelt werden sollen. Und ferner handelt es sich um ein durchaus katholisches Milieu, so daß auch aus sachlichen Gründen durchaus der Standpunkt vertretbar wäre, ein Katholik sei eher dafür zu bevorzugen.
— Nein, ich habe ja gesagt, daß man das schon einmal überlegen müßte, ob nicht aus sachlichen Gründen der Standpunkt, der anderen Seite unvertretbar ist.
— Ich habe das präzise genug gesagt, gnädige Frau.
Im übrigen ist die Geschichte ja nun doch langsam durch die Hin- und Her-Überlegungen so peinlich geworden.
— Nein, nein, der Bundestagspräsident, hat damit angefangen; und es wird mir gestattet sein, auch meine Meinung dazu zu sagen, wenn er das in einer öffentlichen Versammlung als dem dafür nicht zuständigen Gremium erörtert hat.
Im übrigen wird die Politik hier in Bonn gemacht, und der jeweilige Botschafter hat sie dort nur zu vertreten. Wir beziehen uns auf das Grundgesetz, das den Zugang zu den Beamtenstellen für jedermann freihält, der die sachliche und fachliche Eignung mitbringt, ohne Rücksicht auf das Bekenntnis. Deswegen wehren wir uns gegen den Gedanken, daß irgendeinem wegen seines Bekenntnisses irgendeine Stellung verschlossen werden und verschlossen bleiben soll.