Meine Damen und Herren! Vor kurzem ließ der Bundeskanzler von Straßburg aus eine Rundfunkrede verbreiten, in der er Feststellungen traf, die nach seiner Auffassung wohl von besonderer Bedeutung sein sollten. Seine heutigen Erklärungen über die Grundzüge seiner Außenpolitik stellen eine Unterstreichung dessen dar, was in dieser Rede vorweggenommen war. In dieser Rede erklärte er, Deutschland sei als gleichberechtigtes Mitglied in den Europarat aufgenommen worden. Er 'behauptete, von nun an könne keine europäische Entscheidung mehr ohne Deutschland getroffen werden. Ich denke, es wäre richtiger gewesen, zu sagen: es gibt heute in Bonn keine Entscheidung mehr ohne Amerika!
Was Herr Adenauer heute und damals als „Gleichberechtigung" bezeichnet, ist in Wirklichkeit die Gleichschaltung mit den Direktiven von Washington. Paris und Straßburg, so sagte der Herr Bundeskanzler, das seien die beiden entscheidenden Etappen auf Deutschlands Weg zur europäischen Gemeinschaft. Und doch sind beide, der SchumanPlan ebenso wie der Europarat, nichts anderes als Gebilde der amerikanischen imperialistischen Kriegspolitik auf europäischem Boden.
Es ist amerikanisches Streben, die entscheidenden Wirtschaftsschätze Westeuropas, Kohle, Stahl und Eisen, unter eine gemeinsame, nämlich die amerikanische Regie zu stellen. Es sind amerikanische Pläne, die eine einheitliche Ausrichtung der westeuropäischen Regierungen im Sinne einer aggressiven antisowjetischen Politik anstreben. Es soll doch niemand so tun, als ob die Erfinder der sogenannten europäischen Gemeinschaft jemals an Europa gedacht haben! Sie haben an eine amerikanisch-westeuropäische Allianz gedacht, an eine Allianz unter amerikanischem Kommando.
Ich möchte etwas weiter in die Geschichte dieser europäischen Allianz zurückgreifen, um zu beweisen, was es mit ihr auf sich hat. Am 17. Januar 1947 hat ein heute maßgeblicher Mann der amerikanischen Außenpolitik, Mr. John Foster Dulles, in New York eine Rede gehalten, in der er erklärte:
Das Ruhrgebiet mit seinen Kohlen-, Industrie-
und Menschenreserven ist das natürliche wirtschaftliche Herz Westeuropas. Aus diesem Gebiet müssen nicht nur die Existenzmittel für
die Deutschen fließen, sondern auch für die
westlichen Nachbarn Deutschlands.
Es wäre sehr zweckmäßig gewesen, wenn der Herr Bundeskanzler bei seinem heutigen Rückblick auf die Siegesserie seiner europäischen Politik dieses Motto zitiert hätte, das an der Spitze seiner verschiedenen Handlungen im Sinne einer „europäischen Ordnung" gestanden hat. Diese Äußerung des Mr. Dulles geschah einen Tag nachdem Churchill von der Gründung eines britischen Komitees für ein vereintes Europa Mitteilung gemacht hatte.
Was ist das für éin Europa? Für Herrn John Foster Dulles, für die Morgan-Bank, für die Rockefeller-Leute und die amerikanischen Generalstäbler, für sie ist Europa das Gebiet, in dem sich die Ruhr befindet. Für sie ist Europa ein Begriff, bei dem es um soundsoviel Millionen Tonnen Produktionskapazität an Kohle, an Stahl und Eisen geht. Europa ist für sie eine genau berechenbare Hilfsquelle an Material und an Menschen, besonders an Material — denn die Menschen rangieren bei ihnen immer an zweiter Stelle — für die Kriegsaufrüstung, für Profite, für die Festigung ihrer wirt-
schaftlichen Monopolstellung in der kapitalistischen Welt. Diese Leute brauchen an der Ruhr eine Regierung, wie die des Herrn Bundeskanzlers Adenauer, eine Regierung, die wohl stark genug ist, das Volk niederzuhalten und in Europa den Gendarm zu spielen, die aber andererseits genügend schwach ist, um ein gefügiges Werkzeug in ihren Händen zu bleiben.
Ein Blatt, das der Politik des Herrn Dr. Adenauer sehr gut gesinnt ist, die Stuttgarter „Deutsche Zeitung", schrieb am 24. Januar zur bevorstehenden „europäischen Tat", nämlich zu dem Termin der Unterzeichnung des Schumanplans:
Die Wahrheit ist, daß weder Paris noch Bonn
diesen Termin bestimmen können. Die Entscheidung fällt auf dem Petersberg oder genauer gesagt in Washington.
Herr Dr. Adenauer sprach heute von der errungenen „Gleichberechtigung" in der europäischen Gemeinschaft. Der Herr Bundeskanzler soll uns erklären, worin die Gleichberechtigung besteht, jene „Gleichberechtigung", die auf 50 Jahre hinaus eine von amerikanischen Konzernherren und Großbankiers gelenkte sogenannte Hohe Behörde zuläßt, in der es keinerlei Mitbestimmungsrecht des deutschen Volkes gibt, die autoritär über die Produktion und die Verwendung der entscheidenden Rohstoffe Westdeutschlands bestimmen soll. Der Herr Bundeskanzler soil uns doch erklären, worin die „Gleichberechtigung" besteht, wenn auf unbeschränkte Zeit hinaus Agenten amerikanischer Konzerne als Kommissare in unserer Wirtschaft tätig sein sollen. Der Herr Bundeskanzler soll uns erklären, worin die „Gleichberechtigung" besteht, wenn die deutsche Landschaft als Aufmarschgelände für den Krieg hergerichtet und die deutsche Jugend zum Dienst in Fremdenlegionen gezwungen wird. Und dies alles, ohne daß das Volk auch nur seine Meinung darüber äußern soll.
Der Herr Bundeskanzler hat in feierlichen Worten verkündet, daß demnächst die letzten noch bestehenden Beschränkungen der Souveränität, das Besatzungsstatut, das Ruhrstatut und die Produktionseinschränkungen für unsere Wirtschaft, fallen würden. Warum verschweigt der Herr Bundeskanzler, daß an die Stelle gewisser geltender Beschränkungen, die durch Statut und Paragraphen gekennzeichnet sind, nunmehr andere treten sollen, die zwar nicht in Paragraphen gekleidet sind, aber um so drückendere Fesseln bedeuten? Warum verschweigt er, daß es auch morgen und weiterhin keine freie deutsche Wirtschaft, keinen freien deutschen Handel, keinen freien deutschen Außenhandel und keine freie deutsche Verfügung über unsere Rohstoffe und Arbeitskräfte in Westdeutschland geben wird? Warum verschweigt er, daß er geheime Angebote zur Lieferung deutschen Menschenmaterials für eine sogenannte Westarmee gemacht hat, ohne auch nur den Bundestag zu fragen? Denn die Erklärung von heute, er habe keine solchen Angebote an die westlichen Alliierten gemacht, wurde doch von niemand anderem als von seinem eigenen damaligen Ministerkollegen Dr. Heinemann der Unrichtigkeit überführt. Oder kann sich Herr Adenauer heute nicht mehr an sein berühmtes Sicherheitsmemorandum vom 29. August des vergangenen Jahres erinnern, das er seinen eigenen Kabinettskollegen vorenthalten hat und dessen Absendung Anlaß zum Ausscheiden des Dr. Heinemann aus der Bundesregierung gewesen ist?
Warum verschweigt der Bundeskanzler das alles? Darum, weil ihm entsprechende amerikanische Empfehlungen vorgelegt wurden, weil die wahren Herren, die hier regieren, nicht wollen, das darüber gesprochen wird.
Man muß hier einmal feststellen, wie sich die amerikanischen Herren Schritt für Schritt z. B. in alle entscheidenden Schlüsselpositionen der westdeutschen Wirtschaft gesetzt haben, wie sie das auch ohne Statuten, auch ohne Gesetze taten. Gestatten Sie, daß ich zwei Beispiele hierfür anführe. Von wenigen Jahren noch unterstand die Ruhrkohle der britischen Besatzungsmacht. Der britische Außenminister Bevin gab noch 1947 mehrmals die Versicherung ab, daß die britische Regierung die Überführung der Ruhrindustrie in öffentliches Eigentum unterstützen werde. Ja, meine Damen und Herren, das war die Zeit, in der Herr Nölting vom Sozialismus als Tagesaufgabe und in der selbst Herr Arnold von der Überwindung des Kapitalismus sprachen.
Wie 'lange ist das her! Man weiß, wie der amerikanische kalte Krieg zur Eroberung der Ruhr seither verlaufen ist. Die vorläufig Netzte Etappe dieses unblutigen Feldzuges ist die Schaffung der westeuropäischen Montanunion, genannt Schumanplan.
Und wie ist es mit dem Außenhandel? Vor einiger Zeit gab es noch die JEIA. Sie bestimmte über den deutschen Außenhandel. 70% ihres Kapitals war amerikanischer Herkunft. Heute ist die JEIA zwar formell liquidiert, aber ihre Funktionen sind auf den Außenhandelsausschuß der Hohen Kommission übergegangen. Die Beschränkungen des Außenhandels, insbesondere das Handelsverbot mit den Ländern des Ostens und die Niederhaltung des innerdeutschen Handels, sind geblieben. Die OEEC, die amerikanisch dirigierte Befehlsstelle für den europäischen Handel, übt ein ausgesprochenes Weisungsrecht über den deutschen Außenhandel aus. Die Bundesregierung hat diesem Organ nicht nur ihre Ein- und Ausfuhrpläne zur Genehmigung zu unterbreiten, ja sie ist jetzt sogar zur vierzehntägigen Berichterstattung verpflichtet.
Auf amerikanische Empfehlung erläßt die Bundesregierung eine Verordnung nach der anderen zur sogenannten Rohstofflenkung, durch die erreicht werden soll, daß alle lebenswichtigen Rohstoffe in erster Linie zur Verwendung für Zwecke des Kriegsatlantikpaktes zur Verfügung stehen. Auch das gehört zur sogenannten „Gleichberechtigung".
Ein besonders beschämendes Beispiel für das dienstfertige und unterwürfige Verhalten gewisser Leute bei der Opferung der Interessen des deutschen Außenhandels haben wir im Falle des Hamburger Schiffes „May Rickmers" erlebt. Irgendein Piratenhäuptling hat in chinesischen Gewässern ein deutsches Handelsschiff, das mit offiziell genehmigter Ladung an Bord fuhr, gekapert. Unter vielen Schwierigkeiten haben sich die deutschen Reeder um die Wiederherstellung wenigstens eines Teils ihrer alten Beziehungen bemüht. Sie befahren die gleichen Schiffahrtslinien, sie liefern die gleichen Waren wie britische Schiffe oder Schiffe anderer Nationen. Und wie schützt sie die Bundesregierung? Diese wagt nicht einmal, gegen einen Piratenstreich zu protestieren. Ja sie kündigt an, daß die Firma, deren Schiff geraubt wurde, mit dem Entzug jeglicher Kredite bestraft wird.
Ich frage Sie: Was würde wohl mit einem britischen Ministerpräsidenten geschehen, der sich eine solche Würdelosigkeit zuschulden kommen ließe?
Und warum dies alles? Nur weil man befürchtet, ein deutsches Schiff, das wie Schiffe anderer Völker auf der östlichen Erdhälfte fährt, könne das Mißfallen der Amerikaner erregen. Das ist wohl ein ausgezeichnetes Beispiel für die sogenannte Gleichberechtigung, die der Herr Bundeskanzler durch seine Politik erobert hat.
Die Renten sind unerträglich niedrig, der Wohnungsbau stockt, der Lastenausgleich wird auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Wen kümmert das auf dem Petersberg? Wozu denn eine Auskunft, wofür die Milliarden für Besatzungskosten gebraucht werden? Hauptsache, es finden sich genügend Leute in Bonn, die die Milliarden eintreiben und bezahlen. Auch dies geschieht sicherlich im Zeichen der „Gleichberechtigung", die die Außenpolitik des Herrn Adenauer für Westdeutschland erworben hat.
Und nun erleben wir seit einigen Wochen, wie ganz still und leise auf einer ganzen Anzahl wichtiger Kommandostellen in der Bonner Bundesverwaltung ausgesprochene Vertrauensleute, jawohl man muß sagen: Kommissare mit besonderen Vollmachten ihren Einzug halten, damit Sie es deutlich wissen: Kommissare der Amerikaner. Ich möchte dazu noch etwas deutlicher werden. Ich möchte gern, daß der Herr Bundeskanzler uns Auskunft gibt, welche Rolle innerhalb der Bundesregierung etwa die folgenden Herren spielen: Herr Dr. Sogemeier auf dem Gebiete der Kohlebewirtschaftung, Herr Friedrich, der Berater für Rohstofffragen, der von sich selbst behauptete, er werde wohl demnächst der unpopulärste Mann in West-Deutschland sein, oder Herr Dr. Ernst, der Koordinierungskommissar für alle Wirtschaftsfragen, oder Herr Dr. Kaufmann, der neue Bundesdevisenkommissar. Herr Dr. Sogemeier war schon einmal Kommissar für die Umstellung der Kohlewirtschaft auf den Krieg. Das war 1937. Da arbeitete er allerdings für die Vorbereitung des Hitler-Krieges. Zweifellos ein geeigneter Spezialist für die sogenannte Friedensnolitik der amerikanischen Generalstäbler. Herr Friedrich war zut Weimarer Zeit in leitender Position bei einer der größten amerikanischen Gummifabriken. Unter Hitler war er Wehrwirtschaftsführer. Herr Dr. Ernst war unter Hitler Reichskommissar für die Verwaltung des Feindvermögens. und man weiß, daß er das amerikanische Feindvermögen besonders fachmännisch und sorgfältig behandelt hat.
Ich frage: Wem unterstehen diese Herren, wieweit gehen ihre Vollmachten, was haben ihnen gegenüber die Herren Minister selber noch zu sagen? Und kann der Herr Bundeskanzler uns sagen, in welchem besonderen Verhältnis diese Herren zu den ihnen beigeordneten amerikanischen Beratern stehen?
Ich möchte noch etwas weiter zurückgreifen. Während des Krieges war Chef des amerikanischen militärpolitischen Geheimdienstes — OSS — Mr. Allen Dulles, ein Bruder des Ihnen allen bekannten Mr. Foster Dulles. Seinen Sitz hatte er in der Schweiz. Diese beiden Herren Dulles sind typische Vertreter der Verbindung der amerikanischen Hochfinanz mit der Außenpolitik und mit den Spionagediensten. Diese beiden Brüder unterhielten in New York ein sogenanntes Advokatenbüro, ein Büro, in dem die Fäden einer Anzahl der wichtigsten Industrie- und Finanzkonzerne zusammenliefen. Eine der hierzu gehörenden Großbanken war die Schröder-Bank, zu deren deutschem Partner, dem Baron Kurt von Schröder, der 1933 Hitler in den Sattel hob, gewisse Herren auf der Regierungsbank und auch hier unten im Saal bekanntlich ausgezeichnete Beziehungen haben.