Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns eben zwischen dem Füllhorn der Szylla und Charybdis der Regierungsparteien, den Sirenengesängen zu Anfang und, ich möchte fast sagen, dem Knüppel zu Ende bewegt, und ich werde mich bemühen, die Diskussion auf eine etwas sachlichere Basis zurückzuführen.
Zunächst darf ich dem Herrn Bundeskanzler sagen, daß meine Fraktion ihm morgen das schriftliche Material überreichen wird, das über die Verhältnisse Auskunft geben wird, von denen mein Freund Mellies heute mit Beziehung auf Herrn Globke gesprochen hat.
— Morgen sagte ich, schriftlich sagte ich.
— Ich verstehe Sie leider nicht; ich habe „schriftliches Material" gesagt.
Ich kann ,es zu Eingang nicht unterlassen, noch einmal auf die gestrige Debatte, die Saardebatte
zurückzukommen, um den Herrn Bundeskanzler zu fragen, ob ihm das zweite geheime Ergänzungsabkommen zur Durchführung des allgemeinen Abkommens zwischen dem Saarland und Frankreich vom 3. März 1950 etwa nicht bekannt geworden ist. In ihm sind .die Stellung der französischen Sureté und der starke Einfluß der französischen Polizei- und Sicherheitsorgane im Saargebiet festgelegt worden durch ein geheimes Abkommen zwischen der separatistischen Regierung in Saarbrücken und der französischen Regierung.
Wir stellen hier die Frage., weil wir mit Überraschung gesehen haben, daß in der vorgestrigen Note an die drei Westmächte zwar viele Gesetze der Hoffmann-Gruppe in Saarbrücken aufgeführt wurden, mit denen sie sich die Mittel zur Unterdrückung jeder nicht genehmen politischen Meinung geschaffen hat, nicht aber dieses geheime Protokoll vom 3. März 1950. Unserer Ansicht nach hätte das unbedingt geschehen müssen, wenn man ernsthaft gegen die undemokratischen Zustände im Saargebiet das Möglichste versuchen wollte.
Wie auf die Saarfrage kann ich in diesem Zusammenhang auch nicht des längeren auf den Schumanplan eingehen. Ich möchte aber dem Herrn Bundeskanzler die Frage vorlegen, warum nicht gemäß Art. 32 des Grundgesetzes das Land Nordrhein-Westfalen vor der Unterzeichnung des Vertrages gehört worden ist; denn die besonderen Verhältnisse dieses Landes und nur dieses Landes sind doch offenbar durch den Vertrag, wenn er in Geltung tritt, aufs tiefste berührt. Mit dem Hinweis auf den Art. 32 des Grundgesetzes ist jedoch die verfassungsmäßige Schwierigkeit nicht erledigt, die der Vertrag über die europäische Gemeinschaft von Kohle und Stahl uns machen wird. Er sieht tiefe Einbrüche in die Verfassungsstruktur der Bundesrepublik vor. In seiner jetzigen Gestalt sieht er die Übertragung von Rechten an die Hohe Behörde vor, die nicht dem Bund, sondern kraft des Grundgesetzes den Ländern zustehen. Er sieht Eingriffe vor, die mit der im Grundgesetz festgelegten Verwaltungshoheit der Länder nicht vereinbar sind.
Es ist wohl im Grundgesetz festgelegt, ,daß der Bund Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen könne, nachdem aber einmal das Grundgesetz nicht mit unserem Willen und unserer Zustimmung, aber gerade auch auf Drängen der französischen und 'der amerikanischen Besatzungsmacht den Ländern in dier Verwaltungshoheit weitgehende Rechte zugesprochen hat, kann man sich ja nicht einfach über die Verfassungsbestimmungen hinwegsetzen, als bestünden sie nicht. Sollte also dieser Bundestag trotz dieser Umstände dem Vertrag, wie er heute besteht, etwa zustimmen, so dürfte eine Anrufung des Bundesverfassungsgerichts unumgänglich werden.
Ich will ferner eingehen auf den Zusammenhang, der zwischen der Politik ,des Herrn Bundeskanzlers in der sogenannten Remilitarisierungsfrage und idem Montanpakt besteht. Die Frage eines deutschen militärischen Beitrages ist ja bekanntlich, wie aus den Texten, die der Herr Bundeskanzler in der deutschen Presse selbst veröffentlicht hat, klar hervorgeht, durch eine Initiative seitens der Bundesregierung aufgeworfen worden. Das Vorhaben ist igescheitert, wie wir alle wissen. Politisch nun besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Fehlschlag dieses Versuches des Herrn Bundeskanzlers und dem amerikanischen Entschluß, einen französisch-deutschen Montanpakt durchzusetzen. Ich habe nicht den Wunsch, dieses Thema hier lange zu erörtern. Aber vielleicht icht ist es nicht unzweckmäßig, etwas aus einem New Yorker Bericht zu verlesen, der auf einer Analyse der bekanntesten amerikanischen Kommentatoren aufgebaut ist:
Nach dem Scheitern des deutschen militärischen Beitrags
— so heißt es —
habe die Diplomatie der Vereinigten Staaten eifrig nach ,dem Mittel gegriffen, das Frankreich angeboten habe. Für die amerikanische Politik ist der Schumanplan nicht so sehr ein Schritt auf 'dem wünschenswerten Wege zum geeinten Europa, sondern vor allem die Erfüllung einer Voraussetzung, ohne die Frankreich sich nicht hätte in das atlantische System einreihen lassen.
Es ist ein Preis, der an Frankreich gezahlt wird. Kein amerikanischer Verantwortlicher, der den Plan in seinen Einzelheiten studiert hat, bestreitet, daß diesen Preis die deutsche Wirtschaft zahlt.
In dieser Richtung gingen, wie ich sagen darf, auch die Eindrücke, die gelegentlich einer sonst so erfreulichen Reise von Bundestagsabgeordneten
nach Washington im vergangenen März jedenfalls ich und, ich glaube, vielleicht auch einige andere der Mitglieder hinsichtlich der politischen Entwicklung hatten, die zwischen der Initiative für den Remilita-, den Verteidigungsbetrag und dem Besuch des französischen Herrn Außenministers in Washington drüben eingesetzt hatte.
— Sie haben damals ja die ganze amerikanische Bevölkerung über ihre Ansicht befragt, wie wir aus Ihren Wahlreden erfahren haben!
Dias freilich habe ich nicht vermocht.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch kurz eine letzte Bemerkung zum Schumanplan machen. Das diplomatisch-politische Räderwerk, das mit der Initiative und der Verteidungsfrage in Gang gesetzt worden ist, droht in Gestalt des Schumanplans nun zu der traditionellen politischen Konstellation in der westeuropäischen Politik zu führen, die jedenfalls. ein Europa nicht zustande bringen wird. Die politischen Krisen in Europa sind alle seit Jahrzehnten immer aus dem Dreierverhältnis Großbritannien-Frankreich-Deutschland erwachsen. Niemals sind sie zu verstehen gewesen als eine Frage der guten oder der schlechten Beziehungen zwischen nur zwei dieser Staaten. Ich darf den Herrn Bundeskanzler daran erinnern, daß
Monsieur Monnet ,diese Sachlage von Beginn der
Pariser Verhandlungen über den Schumanplan an
gegenwärtig war und daß er sie klar angedeutet hat. Dadurch, daß nur zwei der großen Produzenten in die Montanunion einbezogen werden,
droht die europäische Politik sich, auf längere Sicht
gesehen, wieder in eine zu dritt ausgefochtene Auseinandersetzung auszuwachsen. Diesen drohenden
Rückfall in ,das europäische System der vergangenen
Zeit sehen wir als eine ernste Gefahr an, auch
gerade für die wirkliche Einigung Europas.
Seit dem Petersbergabkommen, meine Damen und Herren, ist ,deutlich geworden, daß zwischen den Auffassungen von Regierungskoalition und Opposition hinsichtlich der zu befolgenden Außenpolitik tiefgehende Unterschiedebestehen. Das ist politisch nur gesund, denn nur aus wahren Meinungsverschiedenheiten können sich in der öffentlichen Meinung innerhalb einer Demokratie Unterrichtung und tatkräftige Mitwirkung an den zu bewältigenden Problemen ergeben. Eingemeinsames Vorgehen von Regierung und Opposition kann sich unter diesen Umständen nur von Fall zu Fall aus gemeinsamer Beratung und gemeinsamer Überlegung als jeweils gemeinsam erarbeitete Stellungnahme entwickeln. Wir bedauern, daß der Herr Bundeskanzler sich dieser gemeinsamen Art von Arbeit bisher ungern gestellt hat. Man weiß, daß er nicht sehr das Bedürfnis fühlt. sich dem Auswärtigen Ausschuß, d. h. also auch der sachlichen Mitarbeit der Opposition, mehr als unvermeidlich zu stellen. Jedermann weiß aber auch. ,daß in mehr als einem Fall eine für die meisten Fraktionen annehmbare gemeinsame Linie dort in gemeinsamer Arbeit hat gewonnen werden können, ja, daß mehr
als einmal die Regierung auch genau das getan hat, was ihr zunächst von der Opposition als richtig nahegebracht worden ist.
So war es bei der Behandlung des GrotewohlBriefes, so war es bei der Behandlung des ,Schuldenanerkenntnisses an den Petersberg.
Angesichts solcher Tatsachen, meine Damen und Herren, finden wir es befremdend, wenn die Regierung, anstatt diese positive Mitarbeit der Opposition anzuerkennen, sich zusehends darauf verlegt — und wir haben heute wieder ein solches Beispiel erlebt —, meiner Fraktion in der Öffentlichkeit mit diffamierenden Angriffen zu begegnen.
Die Regierung
tut damit ein wenig gutes Werk an der sowieso psychologisch reichlich labilen Bevölkerung unserer Bundesrepublik.
Ich beziehe mich hier
auf die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 9. Mai. Darin haben Sie gesagt, die sozialdemokratische Opposition erschöpfe sich in absoluter Negation.
Ich habe darüber, und zwar über das Gegenteil, wie Sie ja nicht bestreiten können, schon einige Beispiele angeführt. Vielleicht würden Sie, Herr Bundeskanzler, doch noch einmal überlegen, was in dieser Beziehung in der Vergangenheit die Wahrheit gewesen ist.
Sie haben in München auch erklärt, unsere Opposition im Bundestag besorge die Geschäfte des Rechtsradikalismus.
Da haben Sie sich wohl an die wilhelminische Zeit erinnert, als man von den demokratischen Parteien als von der Vorfrucht der Sozialdemokratie sprach. Vielleicht darf ich Sie an einen zeitnäheren Vorgang erinnern, an einen Artikel der „Prawda" aus dem Jahre 1946, d. h. aus den Jahren, als meine Partei die kommunistische Infiltration erfolgreich abgewehrt hatte.
Diese Zeitung hat damals geschrieben, der Dr. Schumacher habe sich als treuer Schüler der Lehren des Faschismus erwiesen, und sein Vorgehen gegen die Kommunisten habe die Gemeinheiten aus Goebbels' Arsenal enthalten. Der sowjetische Kommentar von damals erinnert mich in höchst fataler Weise an die Art von Polemik, die anscheinend die Regierungsparteien von heute ins Werk zu setzen gesonnen sind. Ich will Ihnen daher nicht den Kommentar meines Freundes Dr. Schumacher zu dieser Attacke damals vorenthalten. Er sagte: Man könnte mir wohl verzeihen, daß ich ein Führer wäre, aber nicht, daß ich ein Demokrat bin.
Wir haben nun endlich auf die Billigung der Hohen Kommission hin ein Außenministerium bekommen, mit einigermaßen beschrankten Befugnissen gemaß der gesamten Lage. Eine solche Behui hatte die Bundesregierung seit beginn der Bunaesrepublik vor bald zwei wahren aufzubauen beginnen können. Unter dem Besatzungsstatut gab es keinerlei Hindernisse, soweit ein zentrales Amt am Sitz der Regierung in Frage kam. Diese lange Verzögerung im Aufbau einer solchen Zentrale ist um so bedauerlicher, als dieses Hohe Haus bereits am 31. März 1950 beschlossen hatte, die Regierung möge mit größter Beschleunigung ein sachgemäß eingerichtetes Bundesamt fur die auswärtigen Angelegenheiten einrichten. Die Regierung sollte — so war die Absicht des Hauses — mit möglichst guten Informationen und mit möglichst guter Beratung versehen werden, und zu diesem Zweck sollten ein Beamtenstab und eine Behörde möglichst bald aufgebaut werden. Diese Maßnahmen, die damals beschlossen worden sind, sind heute noch nicht bis zu Ende durchgeführt, und zum Teil stehen sie noch heute aus. In diesem Verhalten der Bundesregierung gegenüber den Beschlüssen des Bundestags sehen wir auch eine Einstellung gegenüber den demokratischen Gepflogenheiten, die nicht zur Stärkung der parlamentarischen Demokratie in dieser Bundesrepublik führen können.
Es gibt in unserer Entwicklung überhaupt zuviel Wilhelminismus, im politischen Leben sowohl wie im wirtschaftlichen Leben, wie wir in den Debatten des heutigen Vormittags ja haben erleben können, als es sich um die Frage der Offenlegung der Steuerlisten handelte. Von dem aus der wilhelminischen Zeit stammenden Botschafter BrockdorffRantzau war bekannt, daß er während seiner sechsjährigen Auslandstätigkeit nicht einmal das Bürogebäude seiner Botschaft betrat. Ähnliche Geschichten gehen auch sonst über ihn um. Heute schon kann man ähnliches in dem werdenden Aus-
wärtigen Amt feststellen, freilich nicht bei den Beamten aus der Weimarer Zeit.
Man hat einen Statssekretär; jedoch betreibt er sein Gewerbe, ohne einen Wandergewerbeschein zu besitzen,
in ambulanter Weise.
Er reist von Ort zu Ort. Mehr denn je aber gehört heute ein Staatssekretär als der leitende Beamte seines Ministeriums in das Büro und auf seinen Amtssitz.
Denn wie anders soll eigentlich ein in sich zusammenhängendes und arbeitsfähiges Ministerium geschaffen werden, wenn sich nicht der Staatssekretär mit allem Ernst und in erster Linie dieser Art von Arbeit annehmen würde?
Dieser wilhelminische und undemokratische Stil hat sich kürzlich z. B. auch darin gezeigt, daß die Regierung plötzlich von einem Tag auf den andern den Beitritt zur Weltgesundheitsorganisation vollzogen hat. Ich bestreite nicht, daß das in den Organisations- und anderen Befugnissen der Regierung liegt. Es ist auch sehr wohl möglich, daß ein solcher Schritt zweckmäßig war.
Aber im Auswärtigen Ausschuß des Bundestages, war diese Frage erörtert worden, und es war die gemeinsame Ansicht fast aller Mitglieder dieses Ausschusses, daß wegen der Komplikationen hinsichtlich anderer internationaler Organisationen diese Frage noch einmal und mit genügendem Aufwand an Zeit und der nötigen Sorgfalt geprüft werden solle. Man hatte bei dieser Diskussion den Eindruck, daß die Regierung selbst auch die Bedenken, die bestanden, verstand und in einer neuen Erörterung dieser Frage die Angelegenheit noch einmal prüfen würde.
Dieser autoritäre Zug der Bundesregierung, von dem ich spreche, zeigt sich auch in der Wärme, mit welcher die Bundesregierung eine diplomatische Vertretung des Franco-Regimes in Spanien willkommen geheißen hat.
Uns ist ein Franco-Botschafter in der Bundesrepublik nicht willkommen.
Die Franco-Regierung ist mit Hilfe einer bewaffneten Intervention der Hitler-Tyrannei in den Sattel gehoben worden. Das können wir nicht vergessen. Wir verfolgen den Kampf des spanischen Volkes um die Wiedererringung seiner Freiheit und seiner Demokratie mit größter Sympathie.
Daher würden wir wünschen, daß die Beziehungen zu dem jetzigen Spanien auf das Notwendigste beschränkt werden.
Die Bundesregierung zeigt einen verdächtigen Eifer in dieser Sache. Uns mißfällt, daß Beamte eines Ministeriums, das mit auswärtigen Angelegenheiten nichts zu tun hat, sich öffentlich abfällig darüber geäußert haben, daß spanische Republikaner, wie es ihr gutes Recht ist, vor einiger Zeit auf dem Gebiet der Bundesrepublik aufklärende Pressekonferenzen abgehalten haben.
Auch auf dem Gebiet der Personalpolitik zeigt sich dieser autoritäre Zug der gegenwärtigen Bundesregierung. Sie bestimmt zu sehr im stillen Kämmerlein. Dem gut begründeten Wunsch des Auswärtigen Ausschusses, die Besetzung leitender Posten möchte vom Herrn Bundeskanzler nicht ohne vorherige Fühlungnahme mit dem Ausschuß vorgenommen werden, ist der Herr Bundeskanzler ausgewichen. Für meine Freunde möchte ich dem Wunsche Ausdruck geben, daß hinfort ein etwas mehr den demokratischen Notwendigkeiten unseres werdenden Staatswesens angepaßtes Verf ah-ren Platz greifen möge. Es wäre nicht gut, wenn die jetzt vorzunehmenden zahlreichen Besetzungen sowohl in der Zentrale des Auswärtigen Amtes wie in der Leitung der Auslandsstellen, wenn insbesondere auch bei der einmal anstehenden Besetzung der Botschaften von Washington bis Rom wieder einsam im Palais Schaumburg entschieden würde, wenn das — um es deutlicher -zu sagen — wieder ohne jede Fühlungnahme mit der Opposition geschähe. Ich will hier noch einmal Recht und Anspruch der Opposition anmelden, beim Aufbau der Ministerialbürokratie zur Mitwirkung herangezogen zu werden.
In einem demokratischen Staat ist das nicht nur ein ihr zukommendes Recht, sondern es ist ein Gebot politischer Klugheit, zumal bei dem brüchigen Zustand unseres Staatswesens.
Es ist nicht das erste Mal, daß wir diesen Anspruch anmelden. Eine Opposition, die auf ihre Mitwirkung allerdings Gewicht legt, kann zu ihr nur gelangen, wenn sie ihr unter würdigen Bedingungen angetragen wird, wenn nicht Versprechungen gemacht, sondern im gegenseitigen Vertrauen auf konkretisierte Vorschläge seitens der Regierung auch konkrete Vorschläge seitens der Opposition gemacht werden können. Darauf, Herr Bundeskanzler, nämlich auf das Konkrete von Ihnen hinsichtlich solcher Möglichkeit warten wir auch heute noch.
Vor geraumer Zeit, Herr Bundeskanzler, haben Sie geäußert, Ihnen sei eine Beteiligung der sozialdemokratischen Opposition beim personellen Aufbau des Auswärtigen Amtes erwünscht. Ihre beamteten Famuli fühlen sich gedrängt, diese Version öffentlich zu verbreiten. In der Tat haben Sie einmal eine solche Aufforderung an uns gerichtet.
Das geschah aber zu einem Zeitpunkt, als bereits alle wichtigeren Posten innerhalb und außerhalb der Zentrale des Auswärtigen Amtes besetzt waren,
als also die Opposition vor vollendete Tatsachen gestellt war. Unter solchen Umständen konnte die Opposition eine Antwort nicht geben.
So kann es nicht gehen. Wenn wir den Wunsch haben, bei dieser Aufgabe auf der ganzen Breite des Beamtenkörpers und auch an seinen leitenden Stellen beteiligt zu sein, handelt es sich für uns nicht etwa in erster Linie nur um Parteipatronage.
Was uns beschäftigt, ist, daß ein Beamtenkörper aufgebaut wird, der als dauernd gedacht werden kann
)und der so gebaut werden sollte, daß er nicht nur allen demokratischen Kräften offensteht, sondern auch von allen denkbaren Regierungen demokratischer Zusammensetzung als ein zuverlässiges Instrument ihrer jeweiligen Politik angesehen werden könnte.
Wenn das hier nicht erreicht wird, gibt es nur eine Lösung, die, wie ich glaube, im Interesse der Demokratie von keiner Seite gewünscht werden sollte.
Mit der Organisation des Auswärtigen Amts, wie sie jetzt vorgeschlagen wird, können wir uns zunächst im großen und ganzen einverstanden erklären. Ich glaube allerdings, es wäre zu prüfen, ob nicht einige Abweichungen von dem traditionellen Aufbau- und Organisationsschema möglichst bald vorgenommen werden sollten, und möchte den Vorschlag aufnehmen, den der Auswärtige Ausschuß in einer kleinen Denkschrift vorgebracht hat, man möge baldigst eine Studienkommission einrichten, die gewisse Fragen im Lichte der Erfahrungen anderer Länder prüfen möge.
Ich glaube nun nicht, daß es gut und nützlich ist — wenn man das irgendwie vermeiden kann —, in öffentlichen Erörterungen über einzelne Beamte unter Nennung ihres Namens zu sprechen. Beamte sollten, wenn es politisch möglich ist, aus dem Schußfeld des politischen Kampfes herausgehalten werden.
— Wenn es politisch möglich ist! Sie werden
ja Kenntnis von dem schriftlichen Material bekommen und dann vielleicht auf die Angelegenheit zurückkommen. Wenn Beamte sich in Verhaltensweisen einfügen, die in einer parlamentarischen Demokratie geboten sind, und es nicht an dem Respekt vor den politischen Grundeinrichtungen des Staates fehlen lassen, so ist es besser, daß sie in der Anonymität ihrer Beamtentätigkeit verharren und nicht in die öffentliche Diskussion gezogen werden.
Leider kann ich nicht umhin, eine Ausnahme zu machen. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts scheint es in Verkennung der in einer parlamentarischen Demokratie geltenden Regeln für seine Aufgabe zu halten, öffentlich zu den umstrittensten Fragen politischer Art Stellung zu nehmen.
Wir hatten früher Sonntagsreden der Minister, heute haben wir die Samstagsreden dieses Staatssekretärs.
Wir hatten gehofft, daß eine Erörterung im Haushaltsausschuß die Dinge zurechtgerückt hätte, jedoch der Herr Staatssekretär ist auf dem Pfade der politischen Untugend fortgewandelt.
Am 7. Mai z. B. sprach er wieder einmal über den Schumanplan. Seine Liebe zu diesem scheint die des Akademikers zu seinen Büchern — auch zu den mißratenen — zu sein. Aber das kann die Sache nicht entschuldigen.
Wenn der Staatssekretär sich in unmißverständlicher Wendung gegen die Opposition zum Schumanplan Ausführungen erlaubt hat, man befände
sich im Zustand der Haftpsychose und man sähe überall Wölfe im Schafspelz, so geht das jedenfalls meinem Geschmack nach über die Grenzen hinaus, die in einer parlamentarischen Demokratie für Beamte
und im bürgerlichen Leben für einen Professor, kurz gesagt: für einen Professor im Staatsekretärpelz festgesetzt sind.
Wir begrüßen den Gedanken des Herrn Bundeskanzlers, beim Aufbau des Auswärtigen Amts weitgehend auf Kräfte zurückzugreifen, die nicht der Routine des früheren Auswärtigen Amts entstammen. Allerdings haben wir auch keine Einwendungen dagegen, daß solche früheren Beamten wieder herangezogen werden, sofern sie den demokratischen Staat bejahen und sachlich genügend qualifiziert sind. Ob dieses letzte Prinzip bei den Berufungen immer eingehalten worden ist, das will ich hier nicht zur Erörterung stellen.
Aber in diesem Zusammenhang muß ich eine Reihe von Veröffentlichungen erwähnen, die — wie ich glaube — allen Bundestagsabgeordneten und auch anderen Personen in der Bundesrepublik unter dem Namen Inside Germany Informations zugestellt werden. Meine Damen und Herren, die Regierung hat ja seit einiger Zeit ein Interesse an den fortgelassenen Impressa auf Druckerzeugnissen gezeigt,
z. B. bei der wundervollen Brotkarte, die dem Beispiel der hessischen Brotkarte der CDU gefolgt ist.
— Ich glaube, die Herren der CDU, die diese Zwischenrufe machen, hätten sich lieber einmal erst diese hessische Brotkarte ansehen sollen.
Mit der Suche nach verbotenen Schriften ist es wie mit der nach Trüffeln. Man muß die richtigen finden und nicht die falschen. Und ich möchte dem Herrn Außenminister nahelegen, doch einmal nach den Personen zu suchen, die hinter diesen Sudeleien in der Publikation Inside Germany Informations stehen. Ich habe gar keinen Zweifel, daß dieses Fabrikat nicht außerhalb der Bundesrepublik, sondern innerhalb des Gebietes der Bundesrepublik,
aber ohne Druckvermerk erscheint. Ich würde meinen, daß man mit allen Mitteln gegen die festzustellenden Urheber dieser Publikation vorgehen sollte.
Wir hätten nun zu fragen, wie Außen- und Innenminister es eigentlich rechtfertigen wollen, daß im Bereich des Auswärtigen Amtes entgegen dem Artikel 33 Abs. 3 des Grundgesetzes noch immer Bewerber und Beamte über ihre konfessionelle Zugehörigkeit befragt werden,
daß Richtlinien festgelegt werden, nach denen der Beamtenstab dieses Ministeriums zu je 50 % aus beiden Konfessionen zusammengesetzt werden müßte, daß in katholische Länder — sogenannte katholische Länder — im wesentlichen nur solche Beamte — zum mindesten in leitende Stellen — gesandt werden sollten, die der katholischen
Konfession angehören, ja daß man neuerdings seitens der Kulturabteilung des Außenministeriums sogar verlangt, daß an solche deutsche Schulen in den südamerikanischen Ländern — als sogenannten katholischen Ländern —, die nur von protestantischen Kindern besucht werden, katholische Lehrkräfte mit der Begründung geschickt werden sollten, daß diese Länder katholischen Charakter trügen.
Diese Verfahren lassen sich mit Geist und Buchstaben des Grundgesetzes nicht vereinigen.
Die Regierung möge es sich lieber angelegen sein lassen, in allen Ministerien dafür zu sorgen, daß ohne Rücksicht auf konfessionelle Zugehörigkeit der Bewerber und Beamten auch den katholischen Menschen Zutritt zu den Beamtenstellen gewährt wird. Aber es ist eine schlechte Sache, wenn es etwa so sein sollte, daß als eine Art von Repressalie — weil in anderen Ministerien nicht gemäß dem Geiste des Grundgesetzes in dieser Frage gehandelt wird — im Auswärtigen Amt nun solche Richtlinien festgelegt werden, wie ich sie eben erwähnt habe.