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ID0114511900

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    Vokabeln: 6
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    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Finanzminister.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 145. Sitzung. Bonn, Donnerstag; den 31. Mai 1951 5709 145. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 31. Mai 1951. Geschäftliche Mitteilungen . . . 5710A, 5744C Zur Tagesordnung 5710A, 5747C Freudenberg (FDP) 5747C Mellies (SPD) 5747C Schröter (CDU) 5747D Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes (ESt- und KSt-Änderungsgesetz 1951 (Nrn. 1982, 2212, zu 2212 der Drucksachen); Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung (Umdruck Nrn. 186, 191, 192, 193, 195, 196, 197, 199, 200) 5710B Zur Geschäftsordnung: Mellies (SPD) 5710B Schröter (CDU) 5710C Zur Sache: Dr. Koch (SPD) . . . 5710D, 5729D, 5733A, 5734B, 5737D, 5744C Dr. Ringelmann, Staatssekretär im Bayerischen Finanzministerium . . 5713B 5718C Müller (Frankfurt) (KPD) 5715C, 5720A, 5736C Dr. Wellhausen (FDP) 5717A Dr. Bertram (Z) . . . 5719B, 5727D, 5732B Neuburger (CDU) 5720C, 5731D, 5737B, 5742A Kurlbaum (SPD) 5720D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 5721C, 5725B, 5731A, 5733C, 5739D Frau Wessel (Z) 5722D Dr. Greve (SPD) 5723C Frau Lockmann (SPD) . . . 5724A, 5737A Farke (DP) 5726B Frau Dr. Weber (Essen) ,(CDU) . . 5726D Loritz .(WAV) 5727C Pelster (CDU) 5729A Horn (CDU) 5729C Dr. Dr. Höpker-Aschoff '(FDP). . 5732D Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 5738B Lausen (SPD) 5740C Ewers (DP) 5743A Dr. Bucerius (CDU) 5746A Zur Abstimmung: Dr. Koch (SPD) 5746B Müller (Frankfurt) (KPD) 5747A Abstimmungen: . 5719A, 5722B, 5733C, 5737C, 5738A, 5740A, 5744D, 5747B Fortsetzung der zweiten Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP, BP, Z eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr (Nr. 2061 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (il. Ausschuß) (Nrn. 2213, 2286 der Drucksachen) 5747C, 5748A Freudenberg (FDP) (zur Geschäftsordnung) 5747C Dr. Povel (CDU), Berichterstatter . 5748A Mertins (SPD) 5748C Abstimmung 5749D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1951 (Nr. 2245 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung des Art. 108 Absätze 1, 2 und 4 des Grundgesetzes (Nr. 2268 der Drucksachen) 5747C, 5750A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 5750B, 5754D Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 5752B Lausen (SPD) 5753A Renner (KPD) 5756B Ausschußüberweisung 5758A Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das -Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß): Einzelplan IV - Haushalt des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts - (Nr. 1904 der Drucksachen; Änderungsantrag Umdruck Nr.172) in Verbindung mit Einzelplan IV b - Haushalt für Angelegenheiten des Europarats und verwandter Gebiete - (Nr. 1927 der Drucksachen) 5758A, C, 5764A Strauß (CSU) (zur Geschäftsordnung) 5758B Mellies (SPD): zur Geschäftsordnung . . 5758B, 5765A zur Sache 5768C Dr. Blank (Oberhausen) (CDU), Berichterstatter 5758C, 5764A Dr. Wuermeling (CDU): zur Geschäftsordnung 5764C zur Sache 5772C Dr. von Campe (DP) 5765B Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 5771D, 5778C, 5800D Dr. Luetkens (SPD) . . . . 5773D, 5801D. Fisch (KPD) 5782C Dr. Richter (Niedersachsen) (SRP) (zur Geschäftsordnung) . . 5785A, 5788D Dr. Bertram (Z) (zur Geschäftsordnung) 5785A, 5789A Loritz (WAV): zur Geschäftsordnung 5785A zur Sache 5785B, Dr. von Brentano (CDU) (zur Geschäftsordnung) 5789A Dr. Reismann (Z) 5789C Fürst zu Oettingen Wallerstein (BP) 5793C Dr. Vogel (CDU) 5794Ç Ollenhauer (SPD) 5797B von Thadden (DRP) 5802A Abstimmungen 5802C Nächste Sitzung 5803B, D Die Sitzung wird um 13 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Willi Lausen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat uns eine sehr optimistische Situationsdarstellung gegeben; aber der casus belli kam gleich hinterher; denn es geht bei der Differenz zwischen der Bundesregierung und dem Bundesrat immerhin zunächst um rund eine halbe Milliarde D-Mark. Wir stimmen dem Herrn Bundesfinanzminister darin zu, daß er mit den beiden uns gemachten Vorlagen einen kräftigen Vorstoß in der Richtung auf eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung unternommen hat, und wir vermuten, daß er bei seinen prinzipiellen föderalistischen Freunden — Herr Kollege Etzel hat es in seinen Ausführungen schon leise angedeutet — nicht gerade sehr viel Freude erwecken wird. Aber ich glaube, es ist ganz gut, daß harte Tatsachen auch einen von Hause aus föderalistischen Finanzminister zu Erkenntnissen zwingen, und so bitter ernst wir alle miteinander die Haushaltssorgen des Bundes zu nehmen haben; so förderlich scheinen uns diese Sorgen dafür zu sein, daß ein Weg in der Richtung zur Länderneuordnung und zu einer einheitlichen Bundesverwaltung beschritten wird. Es ist ein Ding, die Angelegenheit von der verfassungsrechtlichen Seite her aufzugreifen; es ist ein ander Ding, die Sache, solange das Grundgesetz in der gegenwärtigen Form besteht, so zu gestalten, daß wir das Bestmögliche der Richtung auf eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung herausholen können.
    Der Herr Bundesfinanzminister, der seit Jahr und Tag die harte Kritik von unserer Seite gewöhnt ist, darf heute ausnahmsweise einmal die grundsätzliche Zustimmung der sozialdemokratischen Fraktion zu seinen beiden Vorlagen erwarten.

    (Aha! rechts.)

    Wir begrüßen jeden Sünder, der zur Erkenntnis seiner Sünden kommt.

    (Hört! Hört! links.)

    Im übrigen wird der Herr Bundesfinanzminister
    uns nicht böse sein, wenn wir ihm ausdrücklich
    bestätigen, daß sich an unserer Kampfhaltung ihm
    gegenüber in den Steuerfragen nichts ändern wird.

    (Zuruf des Abg. Renner.)

    Dazu war sein Sündenfall im Frühjahr vorigen Jahres zu groß, und die Buße, die er bisher getan hat, reicht uns noch nicht aus.

    (Beifall und Heiterkeit bei der SPD. — Zuruf rechts: Noch mehr Zentralismus, was?)

    Die Länder — und das sage ich, der ich von Hause aus Unitarier bin — kommen mir in der Tat bei dem Vorschlag, den der Herr Bundesfinanzminister uns unterbreitet, doch etwas seltsam davon. Der Herr Bundesfinanzminister hat es sich sehr einfach gemacht. Er sagt: Das Mehraufkommen an, Steuern nehme ich, und die Länder dürfen genau das behalten, was sie im Jahre 1950, gehabt haben. Dabei hat er uns eben sehr gute Worte darüber gesagt, daß die Länder eine ganze Reihe von wichtigen Aufgaben, insbesondere kultur- und schulpolitische Aufgaben, zu erfüllen haben. Herr Minister, die Länder stehen auch vor dem Problem — das haben wir heute morgen aus dem Munde des Herrn Staatssekretär Ringelmann gehört —, die Frage der Erhöhung der Beamtengehälter irgendwie zu lösen, und ich muß hinzufügen: In der Frage der Schulpolitik sind wir in unseren Ländern gegenüber der Zeit vor dem Kriege noch so rückständig, daß wir hier gewaltig aufzuholen haben und daß wir den Ländern einige Bewegungsfreiheit geben müssen, damit sie diese Aufgaben leidlich erfüllen können. Wir habèn es auch in den Ländern mit einer Reihe von Haushalten mit beachtlichen Defiziten zu tun, und das sind nicht, wie der Herr Bundesfinanzminister in seiner schriftlichen Begründung erklärt hat, etwa nur die schwachen Länder. Das Land Württemberg-Baden, das im Jahre 1949 beim Finanzausgleich ein bißchen über den Löffel balbiert wurde, weist heute immerhin einen Ist-Fehlbetrag für das Jahr 1950 in Höhe von rund 120 Millionen D-Mark auf. Den Ländern müssen hier also etwas mehr Möglichkeiten gegeben werden zu atmen. Wenn wir auch die Aufgabe haben, hier in erster Linie die Interessen des Bundes zu vertreten, so sollten wir immer daran denken, daß wir auf allen drei Ebenen unseres politischen Lebens existieren können und nicht nur existieren, sondern auch wirklich arbeiten können. Auch dann, wenn ich bei der Schilderung der Sorgen der Länder die Tatsache berücksichtige, daß jeder Finanzminister aus Berufsgewohnheit grau in grau malt, bleibt immerhin noch so viel, daß wir der Regelung, die das Bundesfinanzministerium vorschlägt, in dieser Form nicht ganz zustimmen können.
    Nun hat der Bundesrat einen anderen Vorschlag gemacht. Er hat vorgeschlagen, daß 20% des bisherigen Aufkommens an Einkommensteuern — ich glaube, alle 14 Tage — dem Bund zugeführt werden sollen und daß 40% des Mehraufkommens in größeren Abständen dem Bund zugeführt werden sollen. Das ist vom Standpunkt der Länder aus sehr geschickt gemacht. Die Länder haben den Vorteil, daß sie auf einer zuverlässigen Grundlage arbeiten können, und der Bund hat dabei den Nachteil, daß er seine 40% sehr spät und — das ergibt sich aus einem Blick auf die Kassenlage der Länder — in vielen Fällen wahrscheinlich überhaupt nicht bekommt.
    Hier möchten wir uns mit einem Vorschlag zur Güte einschalten, mit einem Vorschlag, der nach unserer Kenntnis auch in den Kreisen des Bundesrats schon ventiliert wurde, Wir glauben, daß es


    (Lausen)

    möglich ist, sich in der Richtung zu verständigen, daß 25 % des gesamten Steueraufkommens abgeführt werden und daß diese 25%, um dem Kassenbedürfnis des Bundes gerecht zu werden, in Abständen, nicht gerade täglich, aber ich könnte mir vorstellen, zweimal in der Woche oder einmal in der Woche an den Bund zu überweisen sind. Dadurch bekommt der Bund jedenfalls seine Mittel, die ihm laut Vorschlag der Länder zur Verfügung stehen sollen, bestimmt in regelmäßigen Abständen und braucht nicht allzulange darauf zu warten. Meine politischen Freunde sind bereit, in dieser Richtung bei der Beratung der Gesetze mitzuwirken.
    Nun wird der Herr Bundesfinanzminister sagen: Ja, was wird mit meinem Defizit in Höhe von einer halben Milliarde DM, das mir dabei entsteht? — Nun, in einer Richtung, Herr Bundesfinanzminister, werden Sie sich bei uns nicht beklagen können: Wir haben uns loyal bemüht, die Gesetze über die Umsatzsteuer und die Einkommen- und Körperschaftsteuer rechtzeitig zu verabschieden. In diesem Punkte dürften Sie sich den Rat für die Deckung des zusätzlichen Ausfalls bei den Regierungsparteien holen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die Länder haben uns erzählt, daß nach Schätzungen ihrer Sachverständigen das Mehraufkommen an Einkommensteuer um 678 Millionen DM höher sein werde als das, was uns der Herr Bundesfinanzminister als seine Schätzung vorgetragen hat. Hier liegt also zumindest ein Teil dieses Fehlbetrags, mit dem auch bei einer Verständigung auf 25 % zu rechnen wäre. Ferner hat uns der Herr Bundesfinanzminister bisher noch mit keinem Wort verraten — und ich habe Verständnis dafür —, wie hoch er das Mehraufkommen durch eine schärfere Steuererfassung schätzt. Ich habe im Verlauf der vorigen Debatte schon auf die Ausführungen des Herrn Oberfinanzpräsidenten Ellinger hingewiesen, dessen Schätzung sich auf 4,5 Milliarden belief, die aber, wie ich von vornherein weiß, nicht und niemals bis zur Gänze flüssig gemacht werden können. Aber immerhin liegt hier eine Reserve, über die uns der Herr Finanzminister doch etwas konkretere Angaben machen sollte, damit wir in der Lage sind, den weiteren Verlauf der Dinge zu beobachten.
    Es gibt noch eine andere Reserve. Der Herr Bundesfinanzminister hat uns in seinem Kalkül aufgezeigt, daß mit einem Mehraufkommen an Zöllen von schätzungsweise 25 Millionen DM zu rechnen sei. Er hat uns ferner ausdrücklich gesagt: Meine Herren, das ist sogar sehr optimistisch kalkuliert! — Ich unterstelle, daß der Herr Bundesfinanzminister damals die Zollnovelle nicht berücksichtigt hat; denn die Zollnovelle sieht eine Umstellung vom Gewichtszoll auf den Wertzoll vor, und zwar per Status 1938. Dazu kommen nun noch die Preissteigerungen, die sich in der Zwischenzeit ausgewirkt haben, so daß hier von fachlicher Seite auf ein Mehraufkommen von bis zu 400 Millionen DM geschätzt wird. Es wäre uns ganz interessant, zu wissen, wieweit dieser Posten im Kalkül des Herrn Bundesfinanzministers berücksichtigt worden ist.
    Dann möchte ich noch etwas in diesem Zusammenhang bemerken. Die Feststellungen zu den D-Mark-Bilanzen machen es dringend erforderlich, daß vom Bundesfinanzminister unverzüglich klare Richtlinien für die Abschreibungen geschaffen werden. Denn hier wird mit der Methode der Abschreibungen ein derartiger Unsinn angerichtet, daß dem
    Bund und den Ländern auf diese Weise möglicherweise sehr viel Steuergelder entgehen.
    Ich möchte zumindest eine Frage angedeutet haben, die doch im Laute der nächsten Zeit diskutiert werden muß das ist die Frage der Erfüllung des Verfassungsbefehls laut Art. 107 des Grundgesetzes. Nach der jetzt vorgesehenen Regelung wird der Bund die Verbrauchsteuern haben, und er wird sich an der den Ländern zufließenden Einkommensteuer beteiligen. Das scheint uns eine falsche Risikenverteilung zu sein. Es geht nicht an, daß der Bund allein die sofort tragenge und dem Rhythmus der wirtschaftlichen Entwicklung unverzüglich folgende Verbrauchsteuer für sich beschlagnahmt und die Länder hingegen die schwerfallige, dein Rhythmus der wirtschaftlichen Entwicklung nachhinkende Einkommensteuer erhalten.
    Es ist im Laufe der nächsten Zeit zu diskutieren, ob nicht ebenso, wie der Bund sich an den Einkommensteuern beteiligt, die Länder sich an der Umsatzsteuer beteiligen, natürlich bei einer anderen Verteilung der Zahlen, als sie jetzt vorgesehen sind. Der Parlamentarische Rat hat nach meiner Kenntnis im Finanzausschuß eine derartige Regelung bereits vorgesehen; sie erschien dann auch in der ersten Lesung des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat, verschwand aber bei der zweiten Lesung. Ich glaube, wenn wir die Diskussion in diese Richtung treiben und zu einem Erfolg führen, wird das dem politischen Leben im Bund und in den Ländern in gleicher Weise nur dienlich sein.
    Zum Schluß: Der Herr Bundesfinanzminister reitet, seitdem er Minister geworden ist, ein unitarisches Roß, — auch wenn er es nicht wahrhaben will! Dieses Roß wittert den Hafer in den Ländern und bekomt dadurch sehr temperamentvolle Anwandlungen. Wir sind bereit, den Regelungen, wie sie in diesen beiden Gesetzentwürfen vorgesehen sind, im Grundsätzlichen zuzustimmen. Wir sind bereit, bei der zweiten Vorlage noch weiter nach vorne zu drücken, um möglichst viel von einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung zu realisieren. Aber bei alledem haben wir darauf zu achten, daß den Ländern, solange sie bestehen und solange hier noch keine verfassungsrechtlichen Änderungen getroffen worden sind, die Möglichkeit bleibt, ihr Dasein in erträglicher Form zu fristen.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Finanzminister.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Fritz Schäffer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte doch zu einigen Behauptungen, die aufgestellt worden sind, grundsätzlich einmal Stellung nehmen. Was Herr Kollege Dr. Etzel von der Bayernpartei ausgeführt hat, scheint mir eine Tatsache zuwenig zu betonen. Das Gesetz nach Art. 106 Abs. 3 ist nicht nur mit der Zustimmung gerade der steuerschwachen Länder, sondern — ich möchte fast sagen — mit auf Anregung der steuerschwachen Länder entworfen und ausgearbeitet worden. Das Gesetz nach Art. 108 Abs. 2 ist in seinen ausschlaggebenden Bestimmungen — insbesondere in § 3, Betriebsprüfung — mit Zustimmung aller Länder begutachtet und angenommen worden. Der Verdacht, daß das Bundesfinanzministerium etwa einer unitarischen Entwicklung ohne Not die Tür und das Tor öffnet, ist also bestimmt nicht richtig. Ich glaube, mich mit den Ländern in einer Linie zu finden, wenn ich betone, daß die notwendige Entwicklung geachtet werden muß, die Entwicklung, die darin


    (Bundesfinanzminister Schiffer)

    besteht, daß nun einmal das finanzpolitische Gewicht mit dem Wachsen des Aufgabenkreises des Bundes auf den Bund überwandert, daß aber beide Teile dabei das Bestreben haben müssen, die föderative Struktur der Bundesrepublik aufrechtzuerhalten.
    Nun darf ich mich den Ausführungen des Herrn Vorredners zuwenden und darf sagen: man erlebt manchmal Überraschungen. Ich habe mich mit den Länderfinanzministern über die Steuerschätzungen doch lebhaft unterhalten müssen. Es ist richtig, daß eine Differenz in der Steuerschätzung bezüglich der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer für das nächste Jahr zwischen Bundesfinanzministerium und den Länderregierungen bestanden hat. Aber es ist genau umgekehrt. Die Länder haben das vermutliche Aufkommen an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer um 600 Millionen DM niedriger geschätzt, als es der Bundesfinanzminister getan hat.

    (Zuruf des Abg. Renner.)

    Nun liegen bei den Steuerschätzungen die Dinge so. Ich kann Steuerschätzungen niemals nach dem Wunsch machen. Steuerschätzungen, bei denen der Wunsch der Vater des Gedankens ist, werden immer falsch sein und werden dem Grundsatz der Wahrhaftigkeit in der Aufstellung eines Haushalts immer widersprechen. Wer' sein Amt verantwortlich ausübt, muß sich bemühen, eine Schätzung nach bestem Wissen und Gewissen zu finden, ob sie ihm gefällt oder nicht, und zwar so, wie sich die Dinge nach menschlicher Voraussicht entwickeln werden. Das Bundesfinanzministerium war auch im Vorjahr in der schweren Lage, eine Steuerschätzung auf relativ unbekannten Größen aufbauen zu mussen. Das Bundesfinanzministerium kann für das yergan) gene Jahr darauf verweisen, daß die Schätzung des Solls und das Ergebnis des Ist bis auf einen ganz kleinen Prozentsatz tatsächlich übereingestimmt haben.

    (Abg. Dr. Krone: Sehr richtig!)

    Es handelt sich hier zunächst um die Frage: Nach welchen Grundsätzen stelle ich meine Steuerschätzungen auf? — Meine Damen und Herren, ich habe schon öfter betont: Die besten und angenehmsten und sorglosesten und populärsten Zeiten eines Finanzministers sind die ersten Zeiten einer infla- tionären Entwicklung, wenn nämlich die Löhne steigen und damit seine Lohnsteuer und wenn damit hiernach die Preise steigen und der Unternehmergewinn und damit die Einkommensteuer.

    (Zuruf von der SPD: Und die Umsatzsteuer!)

    — Und die Umsatzsteuer erst recht! — Das sind die angenehmsten Zeiten.
    Wenn aber ein Finanzminister sich ein politisches Ziel setzt und seine Aufgabe darin besteht, keine inflationäre Entwicklung zuzulassen, so muß er gewisse Erschwernisse zunächst auf sich nehmen. Die Lohnbewegung ist nun einmal eingetreten und muß kalkuliert werden. Aber eine weitere Preisbewegung will er verhindern. Er muß infolgedessen damit rechnen, daß die Unternehmergewinne nicht in dem Maße steigen können, ' wie er es fiskalisch wünschen würde; denn die Lohnbewegung soll eine Erhöhung des Unkostenfaktors mit sich bringen und nicht eine Erhöhung des Gewinns.
    Wenn der Finanzminister diesen Standpunkt vertritt, dann muß er in seiner ganzen Steuerschätzung von diesem Grundsatz ausgehen, und er darf nicht — fiskalisch gesehen — den Wunsch, es sich leicht zu machen, zum Vater des Gedankens werden
    lassen. Wenn die Länder die Entwicklung der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer ungünstiger beurteilt haben als das Bundesfinanzministerium, so mag wohl der Wunsch mit der Vater des Gedankens gewesen sein, weil ja die Gefahr einer großen Quote dann vermindert ist, wenn die Länder darauf verweisen können, daß sie einen viel größeren Prozentsatz des absolut geringeren Aufkommens an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer für ihre unvermeidbaren Aufgaben benötigen. Manchmal höre ich in der Öffentlichkeit, wo wieder ein anderer Wunsch der Vater des Gedankens ist, etwas anderes. Wenn ich die Schätzungen des Bundesfinanzministeriums mit denjenigen vergleiche, die von den beiden Interessentengruppen gemacht werden, glaube ich, daß die Schätzungen des Bundesfinanzministeriums auch für dieses Jahr im großen und ganzen wohl richtig sein werden.
    Ich darf auf einen andern Punkt eingehen; das ist die Fabel von der Unerschöpflichkeit der Zölle beim Übergang zum Wertzoll. Meine Damen und Herren, bei diesen Schätzungen werden leider Gottes einige Tatsachen übersehen. Wenn ich eine Berechnung für das nächste Haushaltsjahr machen will, muß ich davon ausgehen, daß die neuen Wertzölle legal vielleicht am 1. Oktober in Kraft treten. Nach dem ganzen System der Zolleinhebung wird sich angesichts der Tatsache, daß der sogenannte Zollaufschub einen Zeitverlust von drei Monaten bringt, die Auswirkung der neuen Wertzölle praktisch lediglich auf den vierten Teil des Haushaltsjahrs erstrecken. Ich muß weiter berücksichtigen, daß 62 Vo des gesamten Zollerträgnisses aus den Finanzzöllen kommen und daß die Finanzzölle von der neuen Zollgesetzgebung bekanntlich überhaupt nicht berührt werden; dafür bleibt es beim alten System. Nur für den Rest von 38 % und nur für den vierten Teil eines Jahres kann überhaupt die durch die neuen Wertzölle denkbare Steigerung Platz greifen. Wer die Verhältnisse genauer kennt, weiß, daß die Steigerung der Wertzölle sehr verschieden ist, je nachdem ob es sich um Fertigwaren der gewerblichen Wirtschaft oder um Nahrungsmittel, ob es sich um Rohstoffe oder Halbwaren der gewerblichen Wirtschaft handelt. Um mir ein Urteil bilden zu können, muß ich nicht nur eine Schätzung des künftigen Einfuhrvolumens und des künftigen Einfuhrwertes anstellen, wobei ich von den Devisenverhältnissen ausgehen muß, die für die deutsche Bundesrepublik heute bestehen, sondern ich muß auch die Art der einzelnen Einfuhrwaren und ihre Unterteilung einrechnen. Darauf kann ich dann eine Schätzung gründen.
    Ich glaube, daß das Bundesfinanzministerium, wenn es alle diese Berechnungen berücksichtigt, an den Schätzungen festhalten muß, die es bezüglich der Steuereinnahmen angestellt hat. Der Wunsch, keinen Fehlbetrag ausweisen zu müssen und all den Schwierigkeiten auszuweichen, die die Deckung eines Fehlbetrages bereitet, darf nicht dazu führen, in den Steuerschätzungen unwahrhaftig zu sein.
    Ich bitte, auch vor etwas zweitem warnen zu dürfen. Das Bundesfinanzministerium kann darauf verweisen, daß es von sich aus das Thema der Steuerehrlichkeit und -unehrlichkeit aufgegriffen hat. Es hat auch einen Appell an die deutsche Wirtschaft, an die deutschen Steuerzahler gerichtet, doch gemeinsam zu begreifen, daß Steuervergehen keine Kavaliersvergehen, sondern eine Versündigung am deutschen Volk und innerhalb der Wirtschaft ein unlauterer Wettbewerb schlimmster Art sind. Darüber hinaus hat es bisher getan, was es tun konnte. Ich hoffe, Ihnen demnächst noch eine Reihe von Gesetz-


    (Bundesfinanzminister Schäffer)

    entwürfen und Verwaltungsmaßnahmen unterbreiten zu können, die nur dem Zwecke dienen, die Möglichkeiten für die Steuerunehrlichkeit zu beschneiden, soweit das überhaupt geht.
    Auch die Gesetze, über die wir hier sprechen, insbesondere das Gesetz zum Vollzug des Art. 108 Abs. 3 — so klein und unscheinbar auch diese Bestimmung des Abs. 3 von Art. 108 aussieht —, dienen in erster Linie dem Zweck, einen gemeinsamen Kampf gegen die Steuerunehrlichkeit aufzunehmen, der von den Steuerverwaltungen der Länder und der Betriebsprüfung des Bundes geführt wird.
    Ich darf in diesem Zusammenhang noch folgendes sagen. Ich glaube nicht alles, was in der Presse steht. Daß Herr Oberfinanzpräsident Ellinger, den ich als einen klugen und ruhigen Mann kenne, die Behauptung aufgestellt hat, daß sich der Steuerausfall heute auf 4,5 Milliarden berechnet, das glaube ich der Presse bisher nicht. Es wird aber das einfachste sein, mich mit Herrn Oberfinanzpräsident Ellinger ins Benehmen zu setzen. Ich werde das tun und hoffe, der Öffentlichkeit dann mitteilen zu können, was er wirklich gesagt hat und was in der Berichterstattung aus seinen Ausführungen gemacht worden ist.
    Eine schwierige Frage haben Sie, Herr Vorredner, angeschnitten. Das ist die Frage der etwaigen Anwendung des Art. 107 des Grundgesetzes. Es handelt sich dabei um ein Zustimmungsgesetz. Es kann nur im Benehmen zwischen Bund und Ländern geschaffen werden. Ich glaube, Ihnen sagen zu dürfen, daß sich sowohl beim Bund wie bei den Ländern schon gewisse Richtlinien abzeichnen. Ich hoffe, daß diese ohne jede Vergewaltigung, ohne Kommando, sondern im gegenseitigen Einvernehmen einmal Wirklichkeit werden können. Wir müssen uns darüber klar sein, daß diese Trennung, die das Grundgesetz geschaffen hat — auf der einen Seite die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel, auf der andern Seite die in den Händen der Länder liegende Verwaltung —, zu sich steigernden Schwierigkeiten führen kann und voraussichtlich auch führen wird. Es wird wahrscheinlich notwendig sein, daß sowohl hinsichtlich der Steuerquellen als auch hinsichtlich der Verwaltung — ich darf einmal den Ausdruck gebrauchen — eine Art Verbundwirtschaft von Bund und Ländern gefunden wird. Aber was ich persönlich wünsche, ist, daß, wie die Entwicklung auch läuft, sowohl der Bund wie die Länder sich bemühen, diese Entwicklung so zu leiten und zu lenken, daß sie sich zum Besten des gesamten deutschen Volkes auswirkt — das, wenn ich es so heißen darf, ein Bundesvolk in elf Ländern ist und daß die Arbeit für dieses Bundesvolk ohne Konflikte und in brüderlichem Geiste geleistet wird. Föderalismus heißt bei mir: nicht befehlen, sondern sich gegenseitig verstehen!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)